Historisches: Triadische Einteilung: • Schizophrenie • Manisch
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Historisches: Triadische Einteilung: • Schizophrenie • Manisch
29 3. Vorlesung / 18.3.2002 / Katschnig ANGSTSTÖRUNGEN I Historisches: • • • • • Psychiatrie entstand in Medizin vor ca. 200 Jahren; griech. psyche + iatros (Seele + Arzt); psychiatrisch Erkrankte wurden früher ausgegrenzt, in Asylen eingesperrt; Änderung durch Pinel („Befreiung der psychisch Kranken von ihren Ketten“); Frage: Is he mad or bad -> wenn er mad ist, kann er nix für sein bad-Sein... Diejenigen, die mad sind, sind krank. Errichtung von psychiatrischen Großanstalten, Einteilung der psychiatrischen Erkrankungen in Schemata (ähnlich wie Carl von Linné in der Botanik) -> Erstellung der Diagnosen nach diesen Schemata (z.B. DSM-IV und ICD-10) Triadische Einteilung: 1) psychoorganische Krankheitsbilder: = organische Erkrankung + Gehirnbeteiligung, z.B. Alzheimer: Acetylcolin niedrig, Aceylcolin produzierende Zellen sterben ab, Folge = Demenz • • chronisch (z.B. Alzheimer) akut (z.B. Intoxikationen, z.B. Tollkirschen essen -> Atropin-Delir, dabei ist Acetylcolin blockiert. 2) endogene Psychosen: = „von innen heraus“, kann eventuell biologische Ursache haben oder vererbt sein. Dazu gehören: • • Schizophrenie Manisch-depressive-Krankheit (MDK) 3) Abnorme Spielarten seelischen Erlebens: = Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, u.a. Hierher gehören die Angststörungen. 30 Was ist Angst: Angst ist grundsätzlich nichts Pathologisches, sondern etwas Nützliches. Ö Wenn z.B. wenn plötzlich ein Löwe daherkommt, bekomme ich Angst (= Furcht). Folge = fright-flight-fight-Reaktion (Sympathikus wird aktiviert, Noradrenalin wird ausgeschüttet, vermehrte Kräfte -> Kampf oder Flucht). Hier ist die Angst etwas Sinnvolles! Wichtig = Frage, ob Angst sinnvoll ist oder nicht -> ist sie nicht sinnvoll, dann pathologisch. Auch Trauer ist etwas Sinnvolles, nämlich dann, wenn etwas Liebgewordenes verloren gegangen ist (vgl. Trauerarbeit). Abnorme Trauerreaktion = pathologische Trauer (bzw. Depression) = krankhaft. Unterscheide: • • Trauer = „warm“, d.h. ansteckend (d.h. man muss mittrauern) Depression = „kalt“, d.h. nicht ansteckend Kennzeichen der pathologischen Angst: [kommt gern zur Prüfung!!!] 1) unverhältnismäßig: kein oder ein zu geringer Anlass (z.B. beim Anblick einer Spinne) 2) unvernünftig: Betroffener sieht Angst als widersinnig an (Patient weiß, dass seine Angst nicht begründet ist und dass andere diese Angst nicht haben) 3) Vermeidungsverhalten: der angstmachende Stimulus wird vermieden oder nur unter starkem Leid ertragen (Patient fährt z.B. nicht mehr mit der U-Bahn, fliegt nicht mehr) 4) Alltagsbehinderung: Lebensqualität ist eingeschränkt; dieses Kriterium findet sich nur im DSM-IV, nicht im ICD-10 (Angst kann z.B. zum Verlust des Arbeitsplatzes führen, wenn Patient ständig fliegen muss, aber an Flugphobie leidet) Komponenten der pathologischen Angst: [kommt gern zur Prüfung!] 1) psychologische Komponente: Angst = Erlebnis der Bedrohung (Emotion oder Kognition, je nach Schule) 2) körperliche Komponente: = sympathikotone Symptome, z.B. Herzklopfen, Zittern, Blutdruck steigt, usw. (sinnlose Aktivierung des Sympathikus) 3) Verhaltenskomponente: Vermeidungsverhalten 31 Angst ist im Deutschen ein sehr weiter Begriff, z.B. auch Angst vor Zukunft, Existenzangst -> solche Ängste sind hier nicht gemeint. Angst und Depression auf verschiedenen Ebenen: Angst Ebene Depression Angst = Furcht, Vorsicht Normalbereich Trauer Ängstlichkeit (anxiety) Symptom Depression Panikattacken Syndrom Depressives Syndrom Panikstörung Krankheit Endogene Depression Ö was eine Krankheit ist, beruht auf Konvention (sind eigentlich nicht existent, sondern arbiträr festgelegt) Einteilung der Angststörungen: [kommt gern zur Prüfung!] Angst ungerichtete Angst gerichtete Angst dauernd anfallsartig „Plätze“ Menschen Dinge Generalisierte Angststörung Panikstörung Agoraphobie SozialPhobie spezifische Phobie Zwangstörung • ungerichtete Angst = frei flottierende Angst (es gibt KEINEN Anlass) • gerichtete Angst = „sich vor etwas fürchten (es gibt einen Anlass, ABER: er ist inadäquat) 32 Î Agoraphobie: darf nicht verwechselt werden mit Platzangst [Klaustrophobie], sondern ist die Angst vor öffentlichen Plätzen (vgl. griech. agora = Marktplatz). Typische angsterregende Orte = Verkehrsmittel, Supermarkt, Kinosäle, etc., also Orte, von denen man sich nicht so schnell entfernen kann Î Sozialphobie: = Angst, durch andere kritisch bewertet zu werden. Unterarten: Angst, vor anderen zu reden (= Redeangst; Angst, sich zu blamieren) Angst, vor anderen zu schreiben Angst, vor anderen zu essen Î spezifische Phobie: z.B. vor Spinnen, Hunden, Höhenangst, Flugangst, usw. (ist einfach zu behandeln mit Expositionstherapie bzw. Konfrontationstherapie Merke: ¾ Alle Ängste können gemeinsam auftreten -> Aufteilung ist eine künstliche (das gilt aber NICHT für die Psychotherapie und Pharmakotherapie!) ¾ Sie können gleichzeitig oder hintereinander auftreten (haben hohe Komorbidität untereinander) ¾ Hohe Komorbidität der Angst mit Alkoholismus und Depression (= Trio infernal der Psychiatrie) ad Höhenangst: Goethe als 1. Verhaltenstherapeut (Goethe litt an Höhenangst, bekämpfte diese durch Aufenthalte auf dem Turm des Straßburger Münsters mit Expositionstherapie [vgl. „Dichtung und Wahrheit“, wo er darüber schreibt]) [Anmerkung von Grita: Bitte MERKEN! Das kommt oft zur Prüfung!] 80% der Patienten mit Panikstörung entwickeln auch eine Agoraphobie. Nun führt uns Katschnig 2 Patienten vor (Frau mit Panikstörung, Mann mit Liftphobie) 33 PANIKSTÖRUNG: • tritt beim ersten Mal aus heiterem Himmel auf, dann in bestimmten Situationen = situative Panikattacken • Betroffene sind nach innen gekehrt (toben und schreien nicht), verlassen möglichst schnell den Ort • Beginn aus Ruhe heraus; massives Angstgefühl entsteht, wird begleitet von vegetativen Symptomen, wie z.B. bei einem Herzinfarkt (Schwitzen, Zittern, Druck auf der Brust, Herzklopfen -> hieß deshalb früher „Herzneurose“) • plötzliches Ende • Dauer = ca. 20 (bis maximal 30) Minuten Profil einer Panikattacke: Angststärke Zeit 0 - 10 min. S. Freud beschreibt im Fall Katharina eine Frau mit Panikattacken; er nannte diese Krankheit „Angstneurose“: [siehe dazu auch weiter unten!] • bis vor 1 Jahr in Österreich noch offiziell eine Krankheit, da im ICD-9 so drinnen und dieses bis letztes Jahr in Österreich noch galt) [auch Zwangsneurose erstmals von Freud beschrieben] • war charakterisiert durch Vorliegen einer generalisierten Angststörung (frei flottierende Angst) + Panikstörung (Angstanfälle) • vor 2 Jahren in 2 Krankheitsbilder getrennt 34 Körperliche Symptome: sind NICHT eingebildet, sondern tatsächlich vorhanden! • • • • • • • • • • • • • Palpitationen (Herzfrequenz steigt) 97% Schwindel 82% Hitze, Kälte 80% Zittern, Atemnot Erstickungsgefühl, Furcht zu sterben Schwäche, Brustschmerz Angst verrückt zu werden, Übelkeit Parästhesien Depersonalisation, Derealisation (daher oft irrtümlich als Schizophrenie diagnostiziert) Muskelanspannung Schweißausbruch Unruhe Noradrenalin steigt -> Symathikusaktivierung 10% der Bevölkerung hat irgendwann einmal eine Panikattacke, bei 6% wird daraus wirklich eine Krankheit. Modell der Entwicklung einer Panikstörung: 1. Stadium spontane Panikattacke dadurch entsteht XXX Erwartungsangst spontane Remission auch situative PA XXX Zusatzerkrankung: Vermeidungsverhalten Agoraphobie Depression Selbstmord Selbstmedikation Alkohol/Drogenmissbrauch (Tranquilizer) „Hypochondrie“ übermäßige Inanspruchnahme des GesundheitsSystems (Kosten!) muss ständig begleitet werden (= Symbiosis) Familienkonflikte 35 Merke: • • Patienten fallen erst auf, wenn Zusatzerkrankung erreicht ist Über 40% der Patienten mit Panikattacken entwickeln eine sekundäre Depression (primäre Depression = Depression, bei der vorher nix ist) Somatische Ursachen für „Panikattacke“: [kommt gern zur Prüfung!] Ö müssen zuerst differentialdiagnostisch abgeklärt werden, bevor eine Panikstörung diagnostiziert werden darf • Hyperthyreose (= Basedow’sche Krankheit; Schilddrüsenüberfunktion) • koronare Herzkrankheit [Merke: bei Herzinfarkt blasse Haut, bei Panikattacke rosige Haut!) • paroxysmale Tachykardie (= Reizleitungsstörung im Herz -> pausenloses Herzrasen, dauert tagelang) • Hypoglykämie (Unterzucker) • Phäochromozytom (= Nebennierentumor; Noradrenalin produzierende Zellen wachsen bösartig -> Noradrenalin steigt, ständig hoher Blutdruck) • Temporallappenepilepsie (= „der Affe unter den epileptischen Erkrankungen“; kann Angstattacke simulieren) • Hyperventilationssyndrom -> Kalzium sinkt, tetanische Stoffwechsellage, Pfötchenstellung) • (Mitralklappenprolax; ist aber bis heute nicht geklärt) Definition der Angstneurose von S. Freud: • Sind verschiedene Kombinationen körperlicher und psychischer Angstsymptome, • die keiner realen Gefahr zuzuschreiben sind und • entweder als Angstanfälle oder als Dauerzustand auftreten. • Die Angst = meist diffus und kann sich bis zur Panik steigern. • Hohe Komorbidität (andere neurotische Störungen = dabei, z.B. Zwangsund hysterische Symptome zusätzlich) 36 Aufteilung der Angstneurose in 2 getrennte Krankheitsbilder Freud ICD-9 DSM-III DSM-IIIR DSM-IV ICD-10 Angstneurose (Panikattacke fakultativ) generalisierte Angststörung (keine Panikattacke) Panikstörung (Panikattacke obligat) Wie kommt es zu einer Panikstörung: 1) biologische Erklärung: Locus coeruleus (= Kern im Hirnstamm) = einziger Ort im Gehirn, an dem die Zellen Noradrenalin produzieren, von hier aus Bahnen ins gesamte Gehirn. Bei Angst ist der Locus coeruleus überaktiv, Folge sind vegetative Angstsymptome. Muss aber noch weiter erforscht werden (z.B. mit PET, etc.) Î Antidepressiva wirken über Noradrenalin Es gibt 2 Arten von Antidepressiva: - solche, die über Serotonin wirken und - solche, die über Noradrenalin wirken Antidepressiva vermehren entweder Serotonin oder Noradrenalin im synaptischen Spalt, und zwar indem sie den Reuptake verhindern. Wirken erst nach 3 Wochen, in dieser Zeit findet eine Down-Regulation statt, d.h. Rezeptoren werden vermindert. Î Inhalation von CO2 (Panikattacken-Patient bekommt keine Attacke) Î Natriumlactat (Panikattacken-Patient bekommt keine Attacke) 2) psychologische Erklärung: (= kognitive Theorie) Teufelskreis bei Panikattacken (Markgraf & Schneider): Patient mit Panikattacken hat Tendenz, die Dinge ärger zu sehen, als sie sind (katastrophisierende Einstellung). Passiert zufällig etwas, das gefährlich sein könnte -> wird viel gefährlicher wahrgenommen als notwendig 37 äußere Reize körperliche Symptome Wahrnehmung Kognitionen („Gefahr“) physiologische Veränderungen „Angst“ offenes Verhalten Im Stroop-Test haben Patienten mit Panikattacken signifikant längere Reaktionszeiten bei angstbesetzten Wörtern Verlauf: • ca. 31% werden wieder ganz gesund • 20% werden chronisch (massive Einschränkungen!) • 50,4% intermittierender Verlauf (tritt vor allem in kritischen Situationen im Leben auf; entspricht dem Vulnerabilitätsmodell in der Psychiatrie) Häufigkeit: Lebenszeitprävalenz = 3,5 (d.h. jeder 30. hat einmal im Leben eine Panikattacke) Panikstörung Verhältnis Männer zu Frauen: 1 : 2 Beginn: ca. 29 Jahre Dauer bis zu adäquater Behandlung: ca. 6 Jahre Sozialphobie 3:2 15 Jahre ca. 15 Jahre 38 Therapie der Panikstörung: 1) Pharmakologische Therapie: a) „Epilepsie-Modell“: Ö ständige Einnahme von Medikamenten, um Wiederauftreten zu verhindern (ist eigentlich eine Prophylaxe) Eingesetzte Medikamente: • SSRIs (= selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren) am häufigsten, (z.B. Prozac) keine anticholinerge Nebenwirkung. 2 Nebenwirkungen: - Übelkeit, Appetitlosigkeit - motorische Unruhe • trizyklische Antidepressiva • MAOIs (= Monoamineoxidase-Hemmer) • hochpotente Benzoziazepine (kleine Dosis, sehr wirksam, lange Halbwärtszeit) Bei SSRIs und trizyklischen Antidepressiva o langsamer Aufbau (kleine Dosen, allmählich steigern), o lange Einnahme, o nach Absetzen: bei ca. ½ der Patienten Wiederauftreten der Panikattacken. Merke: Wirkungen: Bei MAOIs-Einnahme darf man keinen Käse essen, denn dort sind auch Amine drinnen -> Amine-Vergiftung! * Häufigkeit der Panikattacken sinkt * Stärke der Panikattacken nimmt ab * sekundäre Symptome werden weniger b) „Angina pectoris - Modell“: Ö Patient nimmt Medikamente nur, wenn tatsächlich eine Panikattacke auftritt Medikament: • RO16-6028 (ist ein partieller Benzodiazepin-Antagonist); ist aber nie auf den Markt gekommen. Wird bei Bedarf unter die Zunge gelegt (= dort am schnellsten wirksam) Wirkungen: * Häufigkeit der Panikattacken sinkt * Stärke der Panikattacken nimmt ab * sekundäre Symptome werden weniger 39 => Wirkung entspricht derer bei Dauereinnahme, ABER: Patienten mit diesem Medikament gehen wieder außer Haus -> machen mit sich selbst Konfrontationstherapie (d.h. mit Medikament als Sicherheit wird durch psychotherapeutische Methode Angst gelöscht) -> Folge: Medikament kam nie auf den Markt (man musste es bloß Mit sich herumtragen, um Panikattacke zu vermeiden -> kein Geschäft!) Medikamente Panikstörung TCA MAOI RIMA hochpotente Benzodiazepine Beta-Blocker SSRI ja ja nein ja nein ja Sozialphobie nein nein ja ja ja1 ja Was passiert nach dem Absetzen eines Medikaments: 1 • nichts • Rückfall (Symptome kommen wieder, genauso wie vorher) • Rebound-Effekt (Symptome, die vorher da waren, kommen stärker wieder als vorher; tritt vor allem bei Tranquilizern auf, vor allem wenn sie länger als 3 Wochen eingenommen werden, d.h. Schlafstörungen sind ärger als vor der Einnahme! Daher: Tranquilizer möglichst nur präoperativ, aber nicht auf Dauer einnehmen!) • Entzugserscheinungen (NEUE Symptome treten auf, z.B. metallischer Geschmack auf der Zunge, Sehstörungen; Folge: man nimmt wieder Medikamente) [vor allem bei Benzodiazepinen [wirken anxiolytisch]; NICHT bei Antidepressiva und Neuroleptika] nur spezifische Sozialphobie 40 2) Psychotherapie: • Entspannungsübungen (z.B. Autogenes Training) bei [reinen!!!] Panikattacken kontrainduziert, weil man sich dabei noch mehr auf den eigenen Körper konzentriert und dadurch erst recht eine Panikattacke hervorgerufen wird. • Kognitive Therapie: Î dadurch kann Betoffener katastrophisierende Gedanken verlernen; Î In Therapie wird gemeinsam mit dem Therapeuten Panikattacke erzeugt (mittels Hyperventilierens), dann Analyse der dabei entstehenden Gedanken – so kann der Teufelskreis unterbrochen werden. Î Wirkung hält länger an als die Wirkung der Medikamente; 90% der so Behandelten bleiben gesund • Expositionstherapie: nicht wenn Patient NUR Panikattacken hat, sondern wenn sich schon eine Agoraphobie dazugesellt hat. Î Davor Progressive Muskelentspannung nach Jacobsson (Unterschied zwischen Spannung und Entspannung lernen!) Î Exposure in vivo: man setzt sich dem Stimulus aus, ODER: Î Exposure in sensu: man stellt sich den Stimulus nur vor