Such-Parcours mit Jagderfolg
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Such-Parcours mit Jagderfolg
Sport Der Experte und seine Erziehungsphilosophie Such-Parcours mit Jagderfolg Bei Jagility dürfen Hunde nach Herzenslust „Beute“ machen und werden trotzdem dabei noch erzogen. Auch für den Zweibeiner verspricht diese neue sportliche Aktivität jede Menge Vergnügen A uf den ersten Blick kann man einen Jagility-Parcours glatt mit Agility verwechseln. Denn auch hier gibt es Tunnel, Steg oder Hürden. Sieht man aber genauer hin und beobachtet einen Hund in Aktion, merkt man schnell, dass man es mit einer ganz anderen Form von sportlicher Beschäftigung zu tun hat. „Jagility ist wie eine Schnitzeljagd mit Hindernissen und anderen Herausforderungen, nur dass dabei in 1 Zusammenarbeit mit der Bezugsperson Preydummys gesucht, gejagt und erbeutet werden“, erklärt der Erfinder von Jagility Jan Nijboer. Preydummys sind mit Futter gefüllte Beutel, die dabei als Ersatzbeute eingesetzt werden. Förderung der körperlichen und geistigen Wendigkeit Wie der Begriff Jagility andeutet, gibt es zwar Ähnlichkeiten zu Agility, die Zielsetzung ist jedoch völlig anders. Im Jagility-Parcours geht es nicht um sportliche Höchstleistung, sondern um die Förderung der körperlichen und geistigen Wendigkeit des Hundes und um eine Zusammenarbeit mit dem Menschen, die er nachvollziehen kann. Obwohl Jan Nijboer Agility vor etwa 30 Jahren als einer der ersten Trainer auf dem europäischen Festland in sein Programm aufnahm, sieht er diese Hundesportart heute sehr kritisch. „Klassisches Agility ist mir zu regle- mentierend und starr. Es gibt zu viele nicht (bio)-logisch nachvollziehbare Regulatoren. Für einen Hund macht es keinen Sinn, in rasanter Geschwindigkeit über einen Hindernisparcours zu jagen. Er kann ein paar Sekunden Unterschied in der Zeit nicht verstehen und Pokale nicht essen“, sagt er. Zeitnahme und Wettkämpfe sind nicht erwünscht „Mir wurde auch sehr schnell bewusst, wie viele Hunde bei Agility negativen Stress empfinden“, erklärt er. „Zudem sind Hunde, die wegen eines schlechten eigenen Körpergefühls ergotherapeutische Betreuung benötigen, bei den meisten Vereinen nicht gern gesehen und werden vielfach sogar ausgelacht. Hunde mit gutem Körpergefühl hingegen werden oft instrumentalisiert, damit die Bezugsperson stolz auf sich und den Pokal sein kann.“ Deshalb gibt es bei Jagility weder eine Zeitnahme noch Klasseneinteilungen und Wettkämpfe. Auch die Reihenfolge der Hindernisse spielt keine Rolle. Es kann sogar sein, dass 2 Jan Nijboer ist Hundeerziehungsberater, international gefragter Referent, Buchautor und Begründer von Natural Dogmanship®. Statt Hunde zu reglementieren, ist es Ziel dieser Erziehungsphilosophie, die natürlichen Talente des Hundes in positiver Weise zu enfalten. Der Mensch muss daher seinen Hund vorurteilsfrei beobachten, sein Verhalten unvoreingenommen interpretieren und sein eigenes Verhalten dem des Hundes anpassen. Dabei wird auch das natürliche Jagdverhalten des Hundes für die Erziehung genutzt. Wichtigstes Hilfsmittel ist der „Preydummy“ (= Ersatzbeute), ein mit Futter gefüllter Beutel. Nach Ende der gemeinsamen jagdlichen Beschäftigung, bekommt der Hund von seinem Menschen die „Jagdbeute“ aus dem Preydummy. So lernt er, sich jederzeit auf seinen Besitzer zu konzentrieren. Indem der Mensch die Jagd zum gemeinsamen Ziel macht und der Hund so sein natürliches Verhalten ausleben darf, wird der Zweibeiner für ihn zum wichtigsten Sozialpartner. Hier können Sie Jagility lernen Jagility wird in jeder Natural Dogmanship® Schule und bei vielen Hundeerziehungsberatern angeboten, welche diese Fachausbildung erfolgreich beendet haben. Adressen bekommen Sie in der Natural Dogmanship® Zentrale in Niederwambach. www.natural-dogmanship.de eine Aufgabe während einer Übungseinheit gar nicht zum Einsatz kommt. Eine gute Teamarbeit von Zwei- und Vierbeiner ist daher extrem wichtig. Der Hund muss den Menschen gut beobachten, da er nicht weiß, ob gleich die Aufforderung kommt, durch den Tunnel zu kriechen oder darüber zu springen oder ob vielleicht der Preydummy-Launcher an der Reihe ist. Da es für ihn teilweise recht schwierig ist, an die im Parcours versteckten Preydummys heranzukommen, ist neben Geschicklichkeit und Wendigkeit auch sein Einfallsreichtum gefragt. Die gemeinsame Jagd ist wichtiger als die Belohnung 3 1 Auch Tunnel und Sprünge gehören zum Jagility-Parcours Beim Preydummy-Launcher wer- 2 den fliegende Dummys gejagt Über eine Leiter geht es hinauf zu 3 einem kniffligen Rohr-System 48 partner hund Gestartet wird zum Beispiel von einem Tisch aus. Dort darf der Hund auch alle Preydummys ablegen, die er mit Hilfe des Halters gesucht hat. Erst zum Schluß erhält er aus dem Futterbeutel seine „Beute“, sprich sein Futter. „Bei den meisten Hunden ist die gemeinsame Jagd mit der Bezugsperson auf den Preydummy ohnehin viel wichtiger als das Essen. Zudem ist es physiologisch nicht sinnvoll, die Verdauung ständig durch Futtergaben anzuregen, erklärt der Experte. Neben Agility-Elementen gibt es eine ganze Reihe spezifischer JagilityAufgaben. Ein typisches Hilfsmittel ist beispielsweise der Galgen. Dazu wird einfach ein PVC-Rohr aus dem Baumarkt mit einem Scharnier auf ein Haltegestell montiert. Zieht der Hund ▶ partner hund 49 Sport auf Signal an dem am Rohr befestigten Seil, fällt der Preydummy herunter. Ein solches Rohr kann aber auch mit Stiften bestückt werden. Damit der Beutel heraus rutscht, muss der Hund diese nacheinander herausziehen. Daneben gibt es noch viele weitere Variationen an Rohrsystemen, die auch einfach an einen Baum gehängt werden können. Eine andere Herausforderung ist der Preydummy-Launcher, der ähnlich wie die ersten Flyballgeräte gestaltet ist. Auch hier muss der Hund mit der Pfote eine Taste betätigen, um den Wurfmechanismus auszulösen. Statt einem Ball wird der Preydummy in die Höhe katapultiert und darf in der Luft gefangen werden. Auch das früher im Agility übliche Wasserbassin kommt wieder zu Ehren. Der Futterbeutel wird mit Korken gefüllt oder Steinen beschwert und im Bassin versenkt, aus dem der Hund es dann apportiert. Abwechslung macht flexibel und anpassungsfähig „Viele Elemente können auf unterschiedlichste Weise gehandhabt werden. Dadurch bleibt der Hund flexibel und anpassungsfähig“, erklärt der Experte. „Die Hindernisse müssen auch nicht hoch und aus einem Guss sein, sie können auch aus Ästen als kleine Mikado-Stapel selbst gestaltet werden. Auch der Rücken eines kräftigen Menschen kann als Tisch dienen, damit der Hund Pylone und Ball sind durch ein Seil verbunden. Der Hund muss daran ziehen den am Ast hängenden Preydummy erreichen kann. Für Vierbeiner bietet Jagility also eine unendliche Vielzahl an Herausforderungen, und beim Menschen verstärkt es die Kreativität, weil er sich Gedanken machen muss, welche Herausforderungen für den eigenen Hund sinnvoll und machbar sind.“ Die einzelnen Aufgabenbereiche und Trainingsschritte sollten sich nach den körperlichen Möglichkeiten oder Defiziten des jeweiligen Hundes richten, auf seinen Körper- und Knochenbau und das Alter abgestimmt sein. Wichtig ist auch, dass zwischen Mensch und Hund schon eine Zusam- Der Retriever hat den auf dem Holzstapel versteckten Preydummy gefunden und apportiert ihn 50 partner hund menarbeit besteht, eine gute Kommunikation aufgebaut wurde und der Hund apportieren kann. Jan Nijboer sieht Jagility als ein pädagogisches Regelspiel mit einem klaren Erziehungscharakter. „Erziehung sollte dabei aber immer im Vorteil des zu Erziehenden gesehen werden und ist nicht zu verwechseln mit dem gefügig Machen eines Individuums, wie wir es gerne hätten“, erklärt er. Warum Jagility „unerwünschtes Jagdverhalten“ reduziert Obwohl dabei die jagdlichen Bedürfnisse des Hundes weitestgehend befriedigt werden, steigert Jagility nicht das aus menschlicher Sicht „unerwünschte Jagdverhalten“. Ganz im Gegenteil. Da in der gemeinsamen Beschäftigung größter Wert auf den Aufbau von Selbstbeherrschung beim Hund gelegt wird und er mitdenken muss, werden andere Zentren im Gehirn aktiviert. „Bei unüberlegtem Jagen aus dem Affekt startet er situativ einfach ohne groß nachzudenken aus dem Bauch heraus durch. Dabei wird vor allem das limbische System eingesetzt, das zuständig für Emotionen im Hier und Jetzt ist. Der Hund legt also keine Selbstbeherrschung an den Tag, sondern wird durch die Situation beherrscht, so wie das oft bei Agility der Fall ist. Nachdenken dagegen verlangt den Einsatz des Frontallappens, einen Bereich im Großhirn, der für rationelle Überlegungen, Priorisieren und Fällt die Pylone um, kommt die Beute zum Vorschein Kognition zuständig ist“, erklärt Jan Nijboer. „Diese rein affektgesteuerte Jagd gilt es bei Jagdbeeinflussungserziehung zu vermeiden. Und zwar ohne starken sozialen Druck oder mechanische Einflussnahme durch heimtückische Dressurmittel wie Wurfschellen oder Wasserpistolen.“ Jagility bietet dem Hund die Möglichkeit, so zu sein, wie er ist – ein sozial lebender Beutegreifer, mit all seinen Talenten und Begrenzungen. Daher sollte sein Mensch ihm möglichst einmal am Tag die Gelegenheit zum gemeinsamen Jagdausflug geben. Für die Zukunft seiner Neu-Kreation wünscht sich der Hundefreund, „dass Jagility nie einen Wettkampf kennenlernt und es höchstens Treffen für Gleichgesinnte gibt“. Saskia Brixner Gewinnspiel Jan Nijboer hat gerade ein Buch über artgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten für Hunde herausgebracht. Neben Jagility werden Apportieren, Nasenarbeit, Dogdancing und das ebenfalls von ihm entwickelte Treibball in Schritt für Schritt Anleitungen vorgestellt. Beschäftigung für Hunde, Kosmos Verlag, ISBN 978-3-440-13419-1, 16,99 € Drei Leser haben die Möglichkeit, ein Exemplar zu gewinnen. Schreiben Sie an Partner Hund, Postfach 400529, 80705 München oder unter www.partner-hund.de/Gewinnspiele. Kennwort: Sport. Unsere Frage: Wer hat Jagility erfunden?