Naturbeobachtung und Kunstbetrachtung der Klassischen Moderne

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Naturbeobachtung und Kunstbetrachtung der Klassischen Moderne
Hausarbeit zur zweiten Prüfung
für das Lehramt
an Grund-, Haupt- und Realschulen gemäß § 13 PVO-Lehr II
Naturbeobachtung und Kunstbetrachtung der Klassischen Moderne
als Ausgangspunkt für räumliches Gestalten,
dargestellt an der Unterrichtseinheit
„Von Paradiesvögeln und anderen Flatterwesen
zur Zwitschermaschine“
in einer 3. Klasse
Vorgelegt von:
Kerstin Pfeiffer
Lehreranwärterin
Grundschule Süd Walsrode
Gutachter:
1. Vogeler, Horst-Günther
2. Wurtmann, Ulf
Fach:
Kunst
Abgabetermin:
06.August 2004
Einleitung
Diese Hausarbeit beschreibt die Erarbeitung zur Entstehung eines dreidimensionalen Kunstobjektes
auf der Basis von Naturbeobachtung und der Betrachtung von Werken1 der Klassischen Moderne.
Das räumliche Gestalten eines Objektes bietet Kindern die Möglichkeit, produktiv tätig zu werden.
Jedes ästhetisch-praktische Tun ist die Folge eines Anlasses, eines Auslösers, der zum Tätigwerden
anregt. Einen solchen Anlass bietet die Betrachtung und Auseinandersetzung mit Kunstwerken der
Klassischen Moderne. Die Betrachtung eines Bildes setzt Wahrnehmungsfähigkeiten voraus, die die
Schulung der Sinne erfordern.
Durch die Wahrnehmung und Beobachtung von Naturphänomenen und –gesetzen können die Kinder
einen reichen sinnlichen Erfahrungsschatz erlangen, der es ihnen ermöglicht, die Vielfalt der Natur zu
erkennen und unterscheiden zu lernen. Bei der Bildbetrachtung werden die neuen Eindrücke mit den
Erfahrungen in Beziehung gesetzt. Die Werke der Klassischen Moderne, vornehmlich der
Expressionisten, zeichnen sich durch eine einfache Bildsprache aus. Die Künstler brachten ihre
subjektive Auffassung von Wirklichkeit zum Ausdruck, indem sie sie verfremdet oder abstrahiert
darstellten. Ihre „Wirklichkeit“ deckt sich oftmals nicht mit den Erfahrungen der realen Wirklic hkeit,
sodass die Betrachtung Irritationen hervorruft. Irritationen wiederum bieten die Möglichkeit für
fantasievolle Vorstellungen, kreative Ideen und zum Austausch. Es entsteht ein Dialog, in dem
verschiedene Eindrücke und Meinungen dargelegt werden können.
In der vorgestellten Unterrichtseinheit soll der Frage auf den Grund gegangen werden, inwieweit die
Kinder sensibilisiert werden können, sich auf die Kunst der Klassischen Moderne einzulassen und ob
sie in der Lage sind, aufgrund der sinnlichen Erfahrungen und Werkbetrachtungen ihre Vorstellungen
bildnerisch-praktisch umzusetzen.
Ich habe die Arbeit in drei Teile untergliedert: Theoretische Grundlagen, Planung der
Unterrichtseinheit, Durchführung der Unterrichtseinheit.
In den theoretischen Grundlagen werden zunächst die Vorgänge beschrieben, die die Voraussetzung
zur Naturbeobachtung bilden. Bei der differenzierteren Beschreibung werden die sinnliche
Wahrnehmung in Bezug auf die Beobachtung von Naturvorgängen und die Beziehung von Kindern zu
Tieren tiefgehender erläutert. Darauf folgen grundlegende Informationen zur Epoche der Klassischen
Moderne im Allgemeinen und im Speziellen des Expressionismus, um die Beweggründe der Künstler
bezüglich ihres Ausdrucks deutlich zu machen. Die Werke, die in der Unterrichtseinheit betrachtet
werden sollen, habe ich aufgrund bestimmter Kriterien ausgewählt, die eingehend dargelegt werden.
Die Betrachtung von Kunstwerken der Klassischen Moderne ruft Differenzen unterschiedlicher Art
hervor. Diese und die hierbei zu gewinnenden Erfahrungen werden präzise unter dem Punkt „Zur
1
Wenn in der Arbeit von den Werken der Künstler oder der Werkbetrachtung die Rede ist, handelt es sich stets
um Farbkopien.
Differenzerfahrung“ beschrieben. Zuletzt werden verschiedene Methoden und Materialien des
räumlichen Gestaltens aufgezeigt und differenzierter auf die Objektkunst eingegangen.
Im zweiten Teil der Arbeit, der Planung der Unterrichtseinheit, werden sachanalytische Themen
beschrieben wie die schulischen und außerschulischen Rahmenbedingungen, die Werke der Künstler,
sowie die Techniken, Materialien und Werkzeuge, die in dieser Unterrichtseinheit eingesetzt werden
sollen. Des Weiteren wird über die Lerngruppe und die Lernausgangslage berichtet. Im Anschluss
daran folgen didaktisch-methodische Vorüberlegungen zur Unterrichtseinheit und Zielformulierungen
als Überleitung zum dritten Teil der Arbeit, der Durchführung der Unterrichtseinheit.
Die Unterrichtseinheit ist in Sequenzen eingeteilt, um Überschneidungen durch die Beschreibung von
Einzelstunden zu vermeiden. Es werden fünf Sequenzen beschrieben, die erläuternde didaktischmethodische Vorüberlegungen und Reflexionen mit einbeziehen. In den ersten vier Sequenzen werden
spezifische Sachinformationen vorangestellt. Zudem sind Farbkopien der Werke den Sequenzen
zugeordnet und in die Arbeit eingefügt sowie Fotos, die die praktische Arbeit dokumentieren.
Im Anhang befinden sich Künstlerbiografien, eine Verzeichnis über die Farbkopien der Werke und als
Beispiel die Abbildung von Paul Klee. Zudem ist eine Kopie der Anlage des Vogelparks und der
Tropenwaldhalle, die Fabel, das Märchen und die Erzählung, Kopien von den Skizzen der Kinder, ein
Beispiel eines Tafelbildes, der Zeitungsartikel sowie weitere Fotos eingefügt.
Bei manchen Autoren ist innerhalb der Fußnoten das Erscheinungsjahr beigefügt. Dies dient der
Unterscheidung, wenn mehrere Werke eines Autors bzw. einer Autorin hinzugezogen wurden.
I. Theoretische Grundlagen
1. Naturbeobachtung
Die Natur ist Teil unserer Umwelt. Wenn wir Lebewesen in der Natur beobachten, nehmen wir sie
über unsere Sinne wahr. Da wir ohne unsere Wahrnehmung nicht in der Lage wären, die Natur zu
beobachten, soll diese zunächst etwas genauer erläutert werden.
1.1 Zur Wahrnehmung
„Man sieht mit den Augen, fühlt mit der Haut, hört mit dem Ohr – organische Vo rgänge –, aber es ist
nicht das Auge, das sieht, und nicht die Haut, die fühlt, und auch nicht das Ohr, das hört, sondern es
ist immer der ganze Mensch, mit individuellen Gefühlen und Empfindungen, der wahrnimmt.“2
Die Wahrnehmung beginnt mit der Sinneserfahrung. Zur Sinneserfahrung zählt einerseits die innere
Reizaufnahme über die körpereigenen Bewegungen (kinästhetische Wahrnehmung) und andererseits
die äußere Reizaufnahme über die fünf Sinnesorgane Augen, Ohren, Nase, Mund und Haut.3
Die Reizaufnahme über die Sinnesorgane – das Empfinden – bildet jedoch nur die erste von insgesamt
drei Stufen. Der Wahrnehmungsvorgang schließt also nicht nur das Empfinden, sondern auch das
Verstehen und Identifizieren mit ein, da die Informationen aus der Umwelt ausgewertet werden
müssen, damit sie uns etwas sagen.4
Wahrnehmung steht somit in engem Zusammenhang mit dem Bewusstsein, da nicht nur die
Reizaufnahme über die Organe, sondern die Verknüpfung mit individuellen Erfahrungen und
Kenntnissen für die Wahrnehmungsleistung entscheidend ist. Und diese ist nicht denkbar ohne
Erinnerungen, Assoziationen und Verknüpfungen, also ohne lebensgeschichtlichen Kontext.5
Gerade die visuellen Wahrnehmungen gehören zu einem Bewusstseinsfluss, der unsere Gedanken,
Empfindungen und Handlungen miteinander verbindet. Sie verschmelzen mit bereits vorhandenen
Erfahrungen und Kenntnissen in räumlichen und zeitlichen Beziehungen. 6
Somit ist die Wahrnehmung ein komplexer Prozess, der aus Sinnesempfindungen und
Erfahrungskomponenten besteht und uns über die Außenwelt informiert.7
1.2 Zur Beobachtung von Naturvorgängen
Ohne Wahrnehmung ist die Beobachtung von Vorgängen und Veränderungen nicht möglich.
Unter dem Begriff „Beobachtung“ wird das aufmerksame, planmäßige und anhaltende Wahrnehmen
von Vorgängen über einen gewissen Zeitraum verstanden. Es wird zwischen Lang- und
Kurzzeitbeobachtungen unterschieden, wobei die Kurzzeitbeobachtungen von wenigen Minuten bis zu
2
Hietkamp, S. 10
Vgl. ebd., S. 10
4
Vgl. Zimbardo, S. 106
5
Vgl. Eucker, S. 3
6
Vgl. Eid, S. 13
7
Vgl. a.a.O., S. 11
3
mehreren Stunden und die Langzeitbeobachtungen über mehrere Tage bis Wochen oder sogar Jahre
reichen.
Demnach kann im Grunde alles beobachtet werden, was sich entlang einem gewissen Zeitraum bewegt
oder verändert. Diese Voraussetzungen bietet die Natur zur Genüge. Die Beobachtung von Tieren
umfasst beispielsweise die Bewegungsabläufe, Verhaltensweisen, Körperhaltung, Nahrungsaufnahme,
Revierverteidigung, Jagdverhalten und die Verständigung über Laute.8
Jedoch reicht auch bei der Beobachtung die rein visuelle Aufnahme von Vorgängen in der Natur nicht
aus. Daher muss zwischen dem bloßen Hinsehen und der Beobachtung unterschieden werden. So wird
beispielsweise ein Spaziergänger in einem Park verschiedenartige Vögel sinnlich wahrnehmen, aber
kaum in der Lage sein ihre typischen Merkmale sprachlich oder gar zeichnerisch wiederzugeben. 9 Das
bedeutet, dass die Wahrnehmungsfähigkeit die Grundlage für die Beobachtung ist. Die Wahrnehmung
eines Ereignisses wird jedoch erst dann zur Beobachtung, wenn Interesse und Wille des Beobachters
so groß sind, dass er den vollständigen Ablauf des Geschehens erleben will. Also gehört auch bei der
Beobachtung das Kriteriu m des bewussten Erfassens verbindlich dazu, sodass das Ziel der
Beobachtung erst erreicht ist, wenn die Wahrnehmungen geistig verarbeitet und gewertet sowie
mündlich oder schriftlich dargestellt worden sind. 10
Zudem erfordern Beobachtungen Ruhe, Zeit und Ausdauer. Eine Möglichkeit diese Fähigke iten bei
Kindern zu schulen bieten z.B. Unterrichtsgänge in die Natur oder in Parks, in denen die Kinder
genügend Zeit und Ruhe haben beispielsweise Tiere und ihr Verhalten zu beobachten und so eine
Beziehung, auch emotional, zu ihnen aufzubauen. 11
Die Beobachtung der Natur lässt uns die Vielfalt an Farben und Formen bewusst werden. Sie bietet
daher viele Anlässe, ästhetisch wirksam zu werden, was viele namhafte Künstler dazu inspiriert hat,
ihre Erlebnisse, Eindrücke und Faszinationen in ihren Werken zum Ausdruck zu bringen. 12 Und nicht
nur Künstler nehmen die Natur zum Anlass ästhetischen Handelns. Auch in Kinderzeichnungen finden
gerade Tiere ihren festen Platz, da Tiere auf sie offenbar eine besondere Faszination ausüben. Dieses
Phänomen soll im Folgenden weiter untersucht werden.
1.3 Faszination Tier
Tiere sind in der kindlichen Welt unserer Kultur allgegenwärtig: Stofftiere und Tiergeschichten,
Märchen, Werbespots und Darstellungen in Comics und natürlich „echte“, lebendige Tiere.
Der Umgang mit Tieren ist für Kinder in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Er bietet ihnen wichtige
Einsichten in Grundbedürfnisse, Konflikte und Grenzsituationen und kann das Gefühl von Sicherheit
und Vertrautheit unterstützen. 13 Tiere bieten Beziehung und auch taktile Kontaktmöglichkeiten an,
8
Vgl. Grupe, S. 237
Vgl. Killermann, S. 166
10
Vgl. Grupe, S. 237
11
Vgl. Killermann, S. 168
12
Vgl. Grupe, S. 170
13
Vgl. Gebauer/ Schrenk, S. 8f
9
ohne dass Kinder dabei bewertet werden. Diese bedingungslose Beziehung ohne Bewertung und
Kritik machen den heilsamen Effekt von Tieren aus.14
Kinder scheinen über die Fähigkeit zu verfügen, eine besondere Beziehung zu Tieren aufbauen zu
können und umgekehrt, da Tiere zu Kindern besonders zutraulich sind. Bisweilen sind
wesenverwandte Züge bei Kindern und Tieren zu beobachten, z.B. das spielerische Messen der Kräfte,
das neugierige Erkunden der Umwelt und das Bedürfnis nach Zuwendung und Körperkontakt. Zudem
empfinden Kinder Tiere als ebenbürtig. Sie erkennen sich in ihnen wieder, da auch Tiere ihren
Bedürfnissen ungehemmt nachgehen und sich mit den vielen, oft für sie unverständlichen Auflagen
der Erwachsenen schwer tun.15
Kinder entwickeln schon früh besondere Neigungen zu bestimmten Tierarten. Möglicherweise kommt
hierin eine Vielzahl von Bedürfnissen zum Ausdruck, da „[…] Tiere als stets willkommene
Spielgefährten, als anhängliche, zuverlässige Freunde, als Beschützer und Bewacher, als Spaßmacher,
als Vermittler von Zärtlichkeit, Geselligkeit, Schönheit, aber auch als imponierende Persönlichkeiten
mit Kraft, Eigenwilligkeit und Intelligenz [erlebt werden]“. 16
Bei vielen bleibt diese Faszination nicht auf die Kindheit beschränkt; auch Künstler der Klassischen
Moderne haben ihre Beziehung zu Tieren in ihren Werken zum Ausdruck gebracht.
2. Kunstbetrachtung von Werken der Klassischen Moderne
Der Künstler August Macke17 besuchte mit Vorliebe den Zoologischen Garten in Köln und nahm seine
Beobachtungen und Empfindungen zum Anlass, sie in seinen Werken zum Ausdruck zu bringen. Der
Ausdruck von Empfindungen ist allgemein in den Werken der Künstler der Klassischen Moderne
wiederzufinden und bildet auch einen Teil der impulsiven Ausdrucksweisen in Zeichnungen und
Malereien von Kindern. So kann gerade die Betrachtung von Werken der Klassischen Moderne bei
Kindern auf Interesse und Verstehen treffen.
2.1 Zur Klassischen Moderne
Die moderne Kunst wurde etwa Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem sozialen und politischen
Umbruch eingeleitet. Diese Entwicklung kündigte sich schon etwa Mitte des 19. Jahrhunderts an und
bestimmte die erste Hälfte der Kunstentwicklung des 20. Jahrhunderts. Aus der ehemals aktuellen
Moderne wurde die Klassische Moderne, deren Ausdruck zur Anregung analoger Kunstäußerungen
der Spätmoderne führte, die etwa seit Ende des 2. Weltkrieges einsetzte.18
Die Epoche der Klassischen Moderne umfasst verschiedene Kunstströmungen und findet ihren
Ursprung Ende des 19. Jahrhunderts, als „[…] eine eigentümliche Unruhe [...] den Geist der
14
Vgl. Gebhard, S. 100
Vgl. Gebauer/ Schrenk, S. 9
16
Vgl. Bergler, S. 14
17
siehe V. Anhang, 2.1 August Macke
18
Vgl. Regel, S. 7
15
Europäischen Länder erfasst [hatte]“.19 Diese Unruhe ergab sich aus der Suche nach neuen Wegen in
der Betrachtung der Welt, verbunden mit der Bereitschaft, mit allen anerkannten Gewohnheiten und
Vorurteilen zu brechen. Zudem sind zwischen den neuen Künsten und dem Geistesleben dieser Zeit
Parallelen festzustellen. Den weitreichendsten Einfluss übte Freud mit seinem 1900 erstmals
veröffentlichten Werk „Traumdeutung“ aus. Seine dargelegten Gedanken über die Bedeutung des
Unbewussten veränderten Haltungen und Werte des frühen 20.Jahrhunderts. Die Forderung nach
einem Verständnis der instinktiven Seite der menschlichen Natur, die Behauptung, dass Emotionen
und Empfindungen als Schlüssel menschlichen Verhaltens wichtiger als rationales Denken seien,
führten zu tiefen Auswirkungen auch in der Kunst.20
So zeigten die Malereien der unterschiedlichen Strömungen dieser Zeit, wie z.B. Fauvismus,
Expressionismus, russische Avantgarde, Kubismus und Futurismus diese veränderte Einstellung. An
dieser Stelle soll die Bewegung des Expressionismus näher betrachtet werden, da in vielen Werken
„der Ausdruck des Inneren“ in einer vergleichsweise einfachen Bildsprache dargestellt ist.21
2.1.1 Der Expressionismus
Unter dem Begriff „Expressionismus“ versteht man heute eine spezifische künstlerische Bewegung,
die im frühen 20. Jahrhundert und vor allem in Deutschland ihren Höhepunkt erreichte. Zwei
Künstlergruppen traten besonders hervor: „Die Brücke“ (1906) und „Der Blaue Reiter“ (1912).
Der Expressionismus verzichtete auf illusionistische Oberflächenreize, die dem Impressionismus 22
eigen war. Im Gegensatz zum Impressionismus, der die „äußere Erscheinung der Welt in Malerei
verwandelt“ hatte, kennzeichnete den Expressionismus der Ausdruck innerer Empfindung, sodass sich
der Blick von Außen nach Innen, von der „Natur auf den Geist“ richtete.23 Die sinnlich wahrnehmbare
Wirklichkeit galt nur noch als anregender Reiz und auslösendes Moment für das innere Erlebnis.
Diese Erfahrung brachten die Expressionisten zum Ausdruck, indem sie eine lapidare, einfache,
direkte Bildsprache schufen, die von einer abstrahierenden oder ausdruckssteigernden Deformierung
und karikaturhaften Entstellung bis zur Gegenstandslosigkeit reic ht. 24 Ihre Malereien weisen sich
durch eine ungebrochene, starke, großflächige Farbigkeit und expressive Pinselführung aus.
Die Künstler des Expressionismus ließen sich unter anderem von so genannter primitiver Kunst
beeinflussen. Sie waren fasziniert von der Kraft, Offenheit und Unmittelbarkeit der „Primitiven“ 25 ,
sodass die Maler der Expressionistengruppe „Der blaue Reiter“ in ihrem „Almanach“ 26 neben
Abbildungsbeispielen aus Neukaledonien, der malaisischen Halbinsel, der Osterinsel u.a. auch
19
Vgl. Haftmann, Bd. 1, S. 16
Vgl. Honour, S. 563
21
Weiterführende Literatur: z.B. Haftmann Band 1 und 2, (1994), Honour (1999), Regel (1994)
22
weiterführende Literatur: z.B. ebd.
23
Vgl. Thomas, S. 65
24
Vgl. ebd., S.65
25
weiterführende Literatur: z.B. Honour, S. 547ff
26
Der Almanach wurde von den Künstlern des “Blauen Reiter“ herausgegeben und enthielt Esseys, Aufsätze und
Bilder. Er sollte zum „Organ aller ernstzunehmenden Strömungen“ dieser Zeit werden. (Vgl. Orlandini, S.17)
20
russische und bayrische Volkskunst sowie Kinderzeichnungen und -bilder veröffentlichten. Dieser
Einfluss ist in den Malereien der Künstlerinnen und Künstler des Expressionismus zum Teil deutlich
zu erkennen. 27
Die Farbigkeit und die einfache, direkte Bildsprache der Werke beeinflussten unter anderem die
Werkauswahl für die Unterrichtseinheit, die im Folgenden näher beschrieben wird.
2. 2 Kriterien der Bildauswahl
In der Fachliteratur werden unterschiedliche Faktoren genannt, die als Kriterien der Bildauswahl für
die Grundschule gelten können. Die häufigst genannten sind „Wirklichkeitsbezug“ und
„Gegenständlichkeit“. 28 So ist unumstritten, dass die Kinder eher einen Bezug zum Werk aufbauen
können, wenn sie bei der Betrachtung Inhalte wiedererkennen und so an ihre Vorerfahrungen
anknüpfen können. Wiedererkennen löst immer auch Assoziationen aus, die, vom Bekannten
ausgehend, neue Vorstellu ngen hervorrufen. 29
Von den inhaltlichen Aussagen bevorzugen ältere Grundschulkinder dargestellte Aktionen, in denen
Handlung und Bewegung deutlich wird. 30 Jedoch nähern sich Kinder nicht nur von den Bildinhalten
her, sondern befassen sich auch mit den ästhetischen Strukturen und Darstellungsformen, indem sie
auch die Farbgebung, die Raumdarstellung sowie Beziehungen zwischen Formen und ihren
inhaltlichen Bedeutungen beachten.31
Offenheit gegenüber andersartigen Ausdrucksweisen entwickelt sich erst allmählich, sodass es
sinnvoll ist, von Bildern mit Inhalten hohen Wiedererkennungswerts auszugehen. 32 Auch bietet es sich
an, Bildte ile zu isolieren, um die Aufmerksamkeit der Kinder zu fokussieren und somit das Erkennen
zu vereinfachen. 33
Neue und ungewöhnliche Bildsprachen, bei denen die Kinder nicht unmittelbar an ihre gewohnte
Umwelterfahrung anknüpfen können, bereiten ihnen Schwierigkeiten. 34 Trotz oder gerade wegen der
Schwierigkeiten werden Werke der modernen Kunst, in denen abstrahie rte Sachverhalte dargestellt
sind, zur Zeit als Lerninhalt in der Grundschule bevorzugt, da gerade die vom Gewohnten
abweichenden Inhalte zu Irritationen führen und somit zum Nachdenken und zu Gesprächen anregen.
Solche Inhalte wecken die Neugier der Kinder und regen sie dazu an, Lösungen zu finden. 35
Bei der Werkauswahl von Bildern der Klassischen Moderne werden demnach durch die Betrachtung
Prozesse initiiert, die zur Kommunikation, zum Ausdruck und Austausch von Erfahrungen anregen.
Der Prozess während der Auseinandersetzung mit Kunstwerken soll eingehendere Beachtung finden.
27
28
29
30
31
32
33
34
35
Vgl. Honour, S. 566
Vgl. Kirchner (1996), Hinkel (1996), Ohde/ Wiederhold (1994)
Vgl. Störkle, S. 37
Vgl. Hinkel (1980), S. 23
Vgl. Hinkel (1996), S. 3
Vgl. Störkle, S. 37
Vgl. Hinkel (1980), S. 25
Vgl. Hinkel (1996), S. 3
Vgl. Kirchner (1996), S. 19
2.3 Zur Differenzerfahrung
Hinter der Bezeichnung „Differenzerfahrung“ verbergen sich die Begriffe „Differenz“ und
„Erfahrung“. Die Differenz ist folgendermaßen definiert: Unterschied (zwischen bestimmten Werten,
Maßen, o.ä.) oder auch Meinungsverschiedenheit, Unstimmigkeit, Zwist.36 Die Erfahrung ist das
Endprodukt eines Prozesses, da Erfahrungen nach R. zur Lippe „[...] bewusst gemachte Erlebnisse
[sind]. Bewusst werden sie im Austausch mit den Erlebnissen der anderen und im Vergleich mit dem
Ziel der Tätigke iten“ 37 .
Bezogen auf die Kunstbetrachtung geht es hierbei zunächst um die Erwartungshaltung, mit der der
Betrachter einem Kunstwerk gegenübertritt. Die Erwartungen stützen sich auf die Grundkenntnisse
und die Vorerfahrungen bezüglich der Lebensumwelt, die ein Mensch im Laufe seines Lebens
erworben und aufgrund des immer Wiederkehrenden für normal befunden hat. Eine Differenz wird
besonders bei der Betrachtung von Werken deutlich, deren Inhalte und Darstellungsformen vom
„Normalen“,
„Erwarteten“,
der
subjektiven
Wirklichkeitsvorstellung,
abweichen. 38
Solche
Darstellungen finden sich vornehmlich in der Kunst der Klassischen Moderne. Die verfremdeten und
abstrahierten Ausdrucksweisen der Künstler irritieren den Betrachter, da sich das Wahrgenommene
von der Erfahrung unterscheidet. Diese Irritationen geben Anlass zur Kommunikation. Der Austausch
von Differenzeindrücken macht wiederum Differenzen deutlich, da jeder Betrachter aufgrund seines
lebensgeschichtlichen Kontextes unterschiedliche Erinnerungen, Verknüpfungen und Assoziationen
bildet. Die Verbalisierung der verschiedenen Eindrücke können einen Denkanstoß geben und zum
Dialog auffordern. Hierbei ist die Bereitschaft, die Sichtweisen und Eindrücke der anderen zu
akzeptieren und zu tolerieren, von großer Bedeutung. Sie kann zur Relativierung und gegebenenfalls
auch zur Neukonstruktion der eigenen Auffassung führen. 39 Die rezeptive Auseinandersetzung mit den
Kunstwerken führt so zur Offenheit gegenüber Fremdem und Unbekanntem.
Bildinhalte, die durch die Wahrnehmung Irritationen hervorrufen, geben Anlass zur Darstellung dieser
unterschiedlichen
Eindrücke
und
Empfindungen.
Durch
produktives
Handeln
wird
die
Auseinandersetzung mit den Differenzen subjektiv weitergeführt und somit vertieft.40 Das räumliche
Gestalten bietet eine Möglichkeit der bildnerisch-praktischen Auseinandersetzung mit der
Differenzerfahrung.
3. Räumliches Gestalten
Unter dem Begriff „räumliches Gestalten“ können alle Gestaltungsformen zusammengefasst werden,
die dreidimensionalen Charakter haben, wie z.B. Skulpturen, Plastiken, Objekte und Installationen. 41
36
Vgl. Duden Fremdwörterbuch, S. 190
vgl. Staudte, S. 117
38
Vgl. Kirchner (1996), S. 19
39
Vgl. Eucker, S. 3
40
Vgl. Kirchner (1996), S. 19
41
Vgl. Eid, S. 226
37
3.1 Zur Geschichte des räumlichen Gestaltens
Die ersten Funde dreidimensionaler Formen stammen aus der Steinzeit, die in mühevoll abtragender
Tätigkeit, also in subtraktiver Weise, aus Stein, Mammutelfenbein und Horn hergestellt wurden. Meist
handelte es sich hierbei um Mensch- oder Tierdarstellungen, die weniger ästhetischen als vielmehr
magischen Zwecken dienten. Im weiteren Verlauf der Jahrtausende sind zunächst Gegenstände und
Tierplastiken aus Ton und Bronze gefunden worden. In der Folgezeit fand man in allen Kulturkreisen
Skulpturen aus Stein, Marmor und Holz sowie Bronzeplastiken, modellierte Tonplastiken und Reliefs.
Heute zählen zu den Materialien für künstlerische Ausdrucksweise ebenso Gips und Beton. Die
Materialien sind bis heute geblieben, während sich die Gestaltungstechniken zunehmend verfeinerten.
Im 20. Jahrhundert wurden die traditionellen Techniken erweitert. Fundmaterialien aller Qualitäten
und aus allen Verwendungsbereichen wurden und werden ebenso wie vorgefertigte Gegenstände zu
Objektkunst, wie z.B. Assemblagen, Akkumulationen und Montagen zusammengefügt. 42
3.2 Methoden und Materialien
Die Materialien werden nach Art der Verarbeitung unterteilt und bestimmen so die Bezeic hnung der
dreidimensionalen Arbeiten in Skulptur, Plastik und Objekt.
Skulptur
Der Begriff Skulptur ist dem lateinischen sculpere – schnitzen, meißeln entlehnt.43 Die Materialien,
wie z.B. Marmor, Ytong, Speckstein, Gips und Holz werden in subtraktiven Verfahren, also durch
Behauen und Abtragen geformt. 44
Plastik
Der Begriff „Plastik“, von grie ch. plastein – formen, bezeichnet das Formungsverfahren von
modellierbaren Stoffen. 45 Bei Plastiken handelt es sich um Darstellungen, die im additiven Verfahren,
durch Modellierung eines Materials entstehen. Materialien zur Gestaltung von Plastiken sind u.a. Ton,
Bronze und selbst hergestellte Materialien, wie Teige oder Pappmaschee.46
Objekt
Der Begriff Objekt umfasst alle dreidimensionalen Arbeiten, die in additiven Verfahren montiert
werden. Die hierfür verwendeten Materialien sind äußerst vielfältig, z.B. Kartone, Fundmaterialien,
Papier, Pappe, Holz, Kunststoff, Metall und Glas.
Objekte lassen sich gemäß der Bearbeitung ihrer Materialien in klassifizierende Begriffe einordnen.
42
43
44
45
46
Vgl. Hietkamp, S. 122
Vgl. Langenscheidt Lateinisch, S. 472
Vgl. Hietkamp, S.122
Vgl. Kirchner/ Kirschenmann (2001), S. 4
Vgl. Hietkamp, S. 122
So
wird
beispielsweise
unterschieden
zwischen
Akkumulation
(Anhäufung
von
Gebrauchsgegenständen), Assemblage (Montage dreidimensionaler realer Gegenstände oder
Gegenstandsteile auf der Fläche), Installation (Montage verschiedener Objekte und Materialien zu
einem raumbezogenen Ensemble), Objet trouvé (künstlerische Verwendung zufällig gefundener
Abfallprodukte), Readymade („Erklärung“ von vorgefundenen Gebrauchsgegenständen ohne oder mit
geringfügiger Veränderung zum Kunstwerk) u.a.47
4. Resümee des theoretischen Teils
Durch die Begegnung mit der Natur werden unsere Sinne angeregt. Wir sehen, hören, fühlen und
riechen unsere Umwelt und nehmen sie wahr, indem wir unsere sinnlichen Eindrücke mit unseren
Erfahrungen verknüpfen. Reizt beispielsweise ein Tier, ein Vogel, unsere Aufmerksamkeit schauen
wir genauer hin – und beobachten, nehmen spezifisch wahr und verknüpfen wiederum neue Eindrücke
mit unseren Erfahrungen. Zur Verarbeitung der Eindrücke tauschen wir uns mit anderen aus, erzählen
und vergleichen unsere Erlebnisse.
Die Gründe für das Wecken von Interesse können unterschiedlicher Art sein. Kunstwerke, die vom
Gewöhnlichen abweichen, ziehen nicht nur den Blick von Erwachsenen an, sondern interessieren
Kinder gleicher Maßen. Gerade die Neugier und der Wissensdurst der Kinder führt zu genauerem
Hinsehen, wenn sich der Bildinhalt nicht oder kaum mit den Vorerfahrungen verknüpfen lässt. So ein
Erlebnis wirft Fragen auf und regt zum Austausch dieser Eindrücke an. Im Dialog werden
unterschie dliche Eindrücke geschildert, die von dem subjektiven möglicherweise abweichen und somit
wiederum zum Umdenken anregen oder zum Vertreten des persönlichen Eindrucks beziehungsweise
der eigenen Meinung auffordern.
Die Betrachtung bietet jedoch nicht nur einen Anreiz zum verbalen Austausch. Vielmehr regen die
Eindrücke und Empfindungen zum eigenen produktiven Handeln an und führen somit zu einer
sinnlich-praktischen Auseinandersetzung, die neue Erfahrungen zulässt.
II. Planung der Unterrichtseinheit
1. Sachanalyse
Im Folgenden werden die räumlichen Bedingungen, die gewählten Werke der Klassischen Moderne
und die Techniken eingehender beschrieben, die für diese Unterrichtseinheit relevant sind.
1.1 Räumliche Bedingungen
Der Raum, bzw. die Umgebung kann wahrnehmungs -, kreativitäts - und fantasiefördernd auf
den Gestaltungsprozess einwirken und soll aus diesem Grund näher untersucht werden.
47
Vgl. Hietkamp, S. 122f, vgl. Regel, S. 37
1.1.1 Schulische Bedingungen
In der Grundschule Süd in Walsrode ist kein gesonderter Kunstfachraum vorhanden, sodass der
Kunstunterricht im Klassenraum stattfindet. Die Schule verfügt jedoch über einen Lehrmittelraum, in
dem ich zeitweilig die Materialien und Werkzeuge lagern kann.
1.1.2 Außerschulische Bedingungen
Unweit der Schule, mit dem Linienbus bequem in wenigen Minuten zu erreichen, liegt der Vogelpark
Walsrode.
Der Vogelpark entwickelte sich aus einer Liebhaberzucht für Fasane und Wasservögel und beherbergt
inzwischen 800 Vogelarten auf 24 Hektar Grundfläche.48 Nach und nach entstanden das Tropenhaus
und die Paradieshalle, in denen man direkt durch den Lebensraum tropischer Vögel wandern und die
Vögel ohne trennende Gitter beobachten kann. Auch in der später hinzugekommenen Freiflughalle
und der daran angeschlossenen Brandungsanlage können die Vögel „hautnah“ beobachtet werden. Die
1997 erbaute Tropenwaldhalle bietet ein Erlebnis in nachgestellter Südseeatmosphäre, die alle Sinne
anspricht. Nicht nur die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit und die Geräuschkulisse tragen dazu bei,
sondern auch die tropischen Pflanzen und die indonesischen Kulturschätze, die in der Halle ihren Platz
gefunden haben.
Zudem zeigt der Vogelpark auch Aktivitäten wie die Flugschau oder die Baby-Aufzuchtsstation, in der
Schlupf und Aufzucht von seltenen Vögeln beobachtet werden können. Während der Flugschau erhält
man interessante Informationen und hat die Möglichkeit, die Vögel beim Flug- und Jagdverhalten und
bei der Nahrungsaufnahme zu beobachten. Kinder werden in die Flugschau eingebunden. Sie dürfen
beispielsweise einen Falknerhandschuh anziehen und einen Falken rufen, der dann auf dem
Handschuh landet.49
Im Vogelpark werden Prinzipien der Erlebnispädagogik umgesetzt. Hier ist die Möglichkeit des
ganzheitlichen Lernens, des Lernens mit „Kopf, Herz und Hand“, gegeben. 50
1.2. Ausgewählte Bilder und Künstler der Klassischen Moderne
Die für die Unterrichtseinheit ausgewählten Werke sollen hier kurz beschrieben werden.
Kurzbiografien der Künstler befinden sich begleitend im Anhang. Die Großbuchstaben weisen
auf die Farbkopien der Werke hin, die zur besseren Übersicht den Sequenzen zugeordnet sind.
1.2.1 August Macke51 : „Großer Zoologischer Garten“ (1912)
Das Bild „Großer Zoologischer Garten“ (A) ist in drei Bildtafeln aufgeteilt und zeigt den Einklang
zwischen Mensch und Tier sowie der umgebenden Gartenlandschaft. Mensch und Tier begegnen sich
hier in der Natur, wobei die Gitterstäbe ihre Funktion als trennende Barriere nicht zu erfüllen
48
Siehe V. Anhang, 1. Die Anlage des Vogelparks
Vgl. Vogelpark Walsrode, S. 36f
50
Vgl. Meyer, Bd. 1, S. 34
51
siehe V. Anhang, 2.1 August Macke
49
scheinen. 52 Die Darstellung der Menschen, Tiere und der Umgebung ist gegenständlich, jedoch weist
die Ausdrucksweise die typischen abstrahierten Umsetzungen der Expressionisten auf.53
Mackes gesamtes Werk ist durchdrungen von dem Streben nach Harmonie – politische und
gesellschaftliche Realitäten verdrängt er gänzlich. Dieses Streben zeigt sich deutlich in dem Werk
„Großer Zoologischer Garten“. Er suchte in seinen sonntäglichen Spaziergängen in der idealisierten
Landschaft des Kölner Zoologischen Gartens die Motive für seine Vorstellungen von einem irdischen
Paradies. Das Thema des irdischen Paradiesgartens ist in diesem Werk realisiert. Der dargestellte
Mensch tritt nicht als Individuum mit porträthaften Zügen in Erscheinung, sondern bleibt schemenhaft,
typisiert als Vertreter seiner Art und gesellschaftlichen Klasse.54
1.2.2 Max Pechstein 55 : „Palau-Triptychon“ (1917)
Max Pechsteins Werk „Palau-Triptychon“ (B) entstand 1917 und zeigt eine friedliche und
harmonische Gegenwelt zu dem sich im Krieg befindenden Europa. Das dreiteilige Bild zeigt die
Eingeborenen, ihre Behausungen und Boote umgeben von Wasser, Palmen und Vögeln. Es fasst in
einem Panorama mehrere Szenen zusammen, in denen die Menschen in unterschiedlichen Aktionen
dargestellt sind und den Eindruck von freundlicher, gelassener Geschäftigkeit vermitteln. 56 Pechstein
nutzte zur Ausdruckssteigerung eine einfache, gegenständliche Bildsprache, die an die
Darstellungsweise der „Primitiven“ erinnert.
Die Künstler der „Brücke“ und vor allem Max Pechstein hatten sich im Dresdner
Völkerkundemuseum für die künstlerischen Ausdruckformen der Südseeinsulaner begeistert und sich
von den Palau-Schnitzereien beeinflussen lassen. Ihrer Meinung nach hatten die Südseevölker einen
ursprünglichen, noch in Einklang mit der Natur stehenden Lebensstil bewahrt, den die „Brücke“Künstler favorisierten und in ihrer Kunst zu erhalten versuchten. 57 Pechsteins Reise zu den Palau Inseln resultierte daraus.
1.2.3 Franz Marc58 : „Vögel“ (1914)
Das Werk „Vögel“ (C) zeigt drei abstrahiert dargestellte Vögel, die in einer großflächigen Farbigkeit
versteckt scheinen, die eine Landschaft nur noch erahnen lässt. Die Linien kommen hier nicht als
Begrenzungen der dargestellten Vögel zum Einsatz, sondern um den Ausdruck der flatternden
Bewegung von nur einem der Vögel zu unterstreichen.
Franz Marc entwickelte eine besondere Beziehung zu Tieren. So gewannen die Tierdarstellungen in
seinen Bildern eine immer größere Bedeutung, obwohl er sich nicht der Tiermalerei im Sinne einer
Genremalerei zugewandt hatte. Vielmehr empfand er Tiere im Gegensatz zum Menschen als die
52
Vgl. Elger, S. 200
Vgl. I. 2.1.1 Der Expressionismus
54
Vgl. Elger, S. 191
55
siehe V. Anhang, 2.2 Max Pechstein
56
Vgl. Elger, S. 93ff
57
Vgl. I. 2.1.1 Der Expressionismus
58
siehe V. Anhang, 2.3 Franz Marc
53
„Reinen“, „Wahren“ und „Schönen“. Diese idealisierte Beziehung änderte sich später, sodass seine
Darste llungen instinktiv immer schematischer und abstrakter wurden. 59 In seinem Werk „Vögel“ lässt
sich diese veränderte Beziehung erkennen, da der Gesamteindruck des Werks, das dominiert ist von
stürzenden Linien, einen eher explosiven, als reinen, wahren und schönen Ausdruck zeigt.60
1.2.4 Natalia Gontscharowa 61 : „Der Radfahrer“ (1912-1913)
In dem Werk „Der Radfahrer“ (D) wird die Bewegung eines Radfahrers sichtbar gemacht, der über
Kopfsteinpflaster fährt. Die Darstellung besteht aus einer Reihe angehaltener Bewegungen, die von
verschiedenen Standpunkten aus gesehen sind. In dieser Art „Bewegungsanalyse“ wird der
Bewegungsverlauf mit Hilfe von krummen und geraden Linien dargestellt. 62
1.2.5 Paul Klee63 : „Die Zwitscher-Maschine“ (1922) und „Konzert auf dem Zweig“ (1921)
Das Werk „Die Zwitscher-Maschine“ (F) entstand 1922 und zeigt eine abstrahierte Darstellung von
Vögeln, die auf einem kurbelbetriebenen Gestänge sitzen. Die Anregung hierfür fand Paul Klee in
seiner Federzeichnung „Konzert auf dem Zweig“ (E), die er im Jahr zuvor angefertigt hatte, nachdem
er im Deutschen Museum in München einen Musikautomaten gesehen hatte. Bei dem
Musikautomaten handelt es sich um ein Bäumchenimitat, auf dem ausgestopfte Vögel nach dem
Aufziehen des Federwerks „singen“ und z.T. auch „fliegen“. Klee übernahm Teile der Federzeichnung
und „mechanisie rte“ den Zweig, indem er ihn durch Gestänge und Kurbel ersetzte und somit die
„Zwitscher-Maschine“ entstand. 64
1.2.5.1 „Rotgeflügelte Sumpfhühner“ (Ausschnitt)
Der Ausschnitt aus dem Werk „Rotgeflügelte Sumpfhühner“ (J) zeigt zwei Vögel und zwei Eier auf
einer Wiese. Der Hintergrund ist schwarz, sodass die aus Linien und Schraffuren gestalteten Vögel
und die Farben leuchtend hervortreten.
1.2.5.2 „Vogel-Begegnung“ (Ausschnitt)
Durch den Ausschnitt aus dem Werk „Vogel-Begegnung“ (K) werden zwei stehende Vögel
hervorgehoben, die in vereinfachter, abstrahierter Art dargestellt sind. Sie stehen jedoch nicht auf
festem Grund, sondern „schweben“ in einer Umgebung, die nur mit Farbflächen und Formen
angedeutet ist. Die Vögel stehen sich gegenüber und scheinen sich zu unterhalten, was durch den
geöffneten Schnabel des einen Vogels assoziiert werden könnte.65
59
60
61
62
63
64
65
Vgl. I. 2.1.1 Der Expressionismus
Vgl. Elger S. 163ff, vgl. Partsch, S. 59f
siehe V. Anhang, 2.4 Natalia Gontscharowa
Vgl. Grey, S. 176
siehe V. Anhang, 2.5 Paul Klee
Vgl. Bütikofer, S. 54ff
Vgl. Rümelin, S. 4
1.2.6 Emil Nolde 66 : „Der große Vogel“ (1906) (Ausschnitt)
In dem Ausschnitt „Der große Vogel“ (G) ist ein expressiv dargestellter Vogel zu sehen. Vor dem
hellen Hintergrund erhebt sich der schwarze Vogel als große Fläche ab, die nahezu jegliche
Binnenstrukturierung vermissen lässt.67 Bemerkenswert ist, dass der Vogel zu fliegen scheint, seine
Flügel sich jedoch nicht wie im Gleitflug gestreckt ausbreiten, sondern abschirmend den Körper
umgeben, als wolle er etwas verstecken oder sich schützen.
1.2.7 Wassily Kandinsky68 : „Zwei Vögel“(1907) (Ausschnitt)
Der Vogel, der in dem Ausschnitt „Zwei Vögel“ (H) zu sehen ist, befindet sich auf dem Orig inal am
oberen Rand des Werkes, sodass der Flügel nicht ganz dargestellt ist. Er wurde von mir ergänzt. Ich
habe diesen der zwei dargestellten Vögel gewählt, da er isoliert eindeutiger als solcher zu erkennen ist,
als der andere Vogel in dem Werk.
In dem Ausschnitt ist ein Vogel im Flug dargestellt, der aufgrund seines langen Schweifes auf eine
exotische Herkunft schließen lässt. Die Binnenstrukturierung des Körpers und der Flügel unterstreicht
diese Möglichkeit. Jedoch handelt es sich auch hier nicht um eine naturalistische Darstellung eines
fliegenden Vogels, sondern zeigt die typische vereinfachende Darstellungsweise des expressionistisch
arbeitenden Künstlers.
1.3 Flächiges Gestalten
Zu den traditionellen Inhalten des flächigen Gestaltens gehören die Grafik und die Malerei. Während
zu der Grafik die Handzeichnung, Druckgrafik und die Schrift gehören, umfasst die Malerei alle Arten
des farbigen Gestaltens, einschließlich der Collage.
Das flächige Gestalten nimmt in der Schule immer noch den breitesten Raum ein, weil es für die
Lehrenden der vertrauteste Fachinhalt ist. Die Materialien sind leicht zu beschaffen und die Verfahren
sind einfach. 69
1.3.1 Das Zeichnen
Das Zeichnen ist dem Bereich des grafischen Gestaltens unterzuordnen und bedeutet mit
unterschiedlichen Mitteln, wie Bleistift, Farbstift, Feder, Pinsel, Kohle, Kreide, Nadel, u.a. lineare
Spuren zu erzeugen. 70 Zeichnerische Elemente und Stilmittel finden sich häufig in Skizzen wieder. Die
Linie als Bildelement kann gerade, gekrümmt, geknickt und gewellt sein und je nach
Zeichenwerkzeug und Druck unterschiedliche Linienspuren aufzeigen. Linien können parallel
verlaufen, sich berühren oder sich schneiden. Sie bilden nicht nur Umrisse und flächenähnliche
66
siehe V. Anhang, 2.6 Emil Nolde
Vgl. Kirchner (1998), S. 40
68
siehe V. Anhang, 2.7 Wassily Kandinsky
69
vgl. Eid, S. 194
70
vgl. Klant (1993), S. 44
67
Eindrücke, sondern charakterisieren auch Bewegung, Unruhe und Richtung. 71 Die einfache
Handhabung der Geräte lässt es in besonderem Maße zu, sich suchend und entdeckend mit der
Umwelt, anderen Menschen, sich selbst und mit allem Neuen vertraut zu machen.72
1.3.1.1 Die Skizze
Die Skizze bezeichnet einen Entwurf oder auch eine flüchtige Zeichnung bzw. eine Aufzeichnung in
Andeutungen. 73 Sie ist demnach als eine Art Vorarbeit zu betrachten, der eine spätere Ausarbeitung
folgt. Sie ist die früheste zeichnerische Festlegung eines Einfalls. Der Ursprung dieses Einfalls spielt
dabei keine Rolle: Er kann aus der Erinnerung an Geschehenes, aus der freischaffenden
Einbildungskraft oder aus der unmittelbaren Naturanschauung kommen. Eine Bedingung für die
Skizze ist, in Abgrenzung zum Entwurf oder der Vorzeichnung, dass sie ohne Erarbeitung entsteht,
denn „[...] das „Hingeworfene“ macht ihren unvergleichbaren Reiz aus“. 74 Die Skizze kann ein
direkter Schritt im Prozess der Bildentstehung sein, ebenso aber auch nur „tastendes Formulieren“
ohne weitere Folgen bedeuten, gle ich einer flüchtigen Notiz. 75
1.3.2 Die Malerei
Malen beinhaltet das freie Gestalten mit Farbe, Form und Linie. Als Bildträger können
unterschiedliche Materialien, wie Papier, Pappe, Karton, Leinwand, Hartfaser-, Kunststoff-, Holz-,
Metall- und Glasplatten dienen. Die Untergründe werden häufig entsprechend der Farben gewählt. Die
Farben bestehen aus Farb- und Bindemitteln. Farbmittel können natürlichen oder synthetischen
Ursprungs sein. Es wird zwischen ungelösten Farbmitteln und gelösten Farbmitteln unterschieden.
Ungelöste Farbmittel (Pigmente) lassen sich in zerkleinerter Form mit Bindemitteln vermischen,
gelöste Farbmittel lösen sich in Bindemitteln. Die Bindemittel sind verschiedener Art. So wird z.B. für
Aquarellfarbe Gummiarabicum, für Temperafarbe Ei oder Kasein und für Ölfarbe Leinöl verwendet.76
Kleister eignet sich als Bindemittel für gelöste und ungelöste Farbmittel. Neben Händen und Fingern
dienen alle festen, farbetragenden Materialien als Malwerkzeuge, wie z.B. Pinsel, Spachtel, Lappen,
Pappe, etc.77
Die Grattage ist ein Verfahren der Malerei, bei der der Untergrund mit einem dickem Farbauftrag
präpariert und die Gestaltung durch Zerkratzen, Einritzen oder Abziehen der Farbe erfolgt. 78
Farbkontraste steigern die Wirkung in der Malerei. A. Hoelzel benennt acht Kontrastarten, die als
Orientierung beim gestalterischen Umgang mit Farbe dienen. Hier seien exemplarisch zwei genannt,
da sie für die Unterrichtseinheit relevant sind. Unter dem „Hell-Dunkel-Kontrast“ wird die Wirkung
71
vgl. Hietkamp, S. 87
vgl. Eid, S. 194
73
vgl. Wahrig, S. 1186
74
Koschatzky, S. 306
75
vgl. ebd., S. 306
76
Vgl. Eid, S. 197
77
Vgl. Hietkamp, S. 50
78
Vgl. Regel, S. 37
72
von mindestens zwei Nicht- oder Buntfarben verschiedener Helligkeit verstanden. Der
„Komplementärkontrast“ bezeichnet die Wirkung von jeweils zwei Farben, die im Farbkreis
gegenüberliegen, sodass in jedem Komplementärfarbenpaar die drei Primärfarben enthalten sind und
deren Mischung Grau ergibt. Der Komplementärkontrast Gelb-Violett ist der stärkste Hell-DunkelKontrast im Farbenkreis.79
1.4 Räumliches Gestalten
1.4.1 Bauen und Montieren
Das Bauen und Montieren ist eine Möglichkeit des räumlichen Gestaltens.80 Hierbei werden
vorhandene Elemente aus gleichem oder unterschiedlichem Material zu räumlich-plastischen Gebilden
montiert. Die Vorgehensweise ist additiv, da die Form bereits vorhanden ist und die verschiedenen
Materialien
zusammengefügt
werden.
Von
besonderer
Bedeutung
sind
hierbei
die
Verbindungstechniken, wie Kleben, Leimen, Binden, Zapfen, Nageln, Schrauben, Nieten, Löten und
Schweißen.81 Beim Umgang mit Klebstoffen sollte darauf geachtet werden, dass sie lösungsmittelfrei
sind. Im Unterschied zum Leimen haften Klebstoffe fast unmittelbar und bilden eine dauerhafte
Verbindung zwischen den Materialien. 82 Bei der Verbindung von festen und flexiblen Materialien mit
Gips ist zu bedenken, dass sich starre Materialien fest mit dem Gips verbinden lassen, flexible
Materialien jedoch durch leichte Bewegungen gelöst werden können. 83
Eine andere Möglichkeit zur Verbindung von Materialien ist das Wickeln mit Schnur oder Draht.
Hierbei werden die Materialien durch festes Wickeln miteinander verbunden. 84
Kunstwerke, die durch Bauen und Montieren entstanden sind, heißen Montagen (franz. monter –
aufbauen) oder Assemblagen (franz. assembler – sammeln). Sind sie in sich beweglich, heißen sie
kinetische Objekte.85
1.4.2 Kinetische Kunst
Die kinetische Kunst entstand aus dem Bestreben, mit Hilfe der Bewegung neue künstlerische
Gestaltungsprinzipien zu entwickeln, nämlich die Zeit und die Veränderung in das Kunstobjekt zu
integrieren. Die ersten Experimente mit sogenannten „Licht-“ und „Farbklavieren“ wurden von
Künstlern der Klassischen Moderne gewagt.86
In der kinetischen Kunst werden Bewegungen real in das jeweilige Kunstwerk integriert, sodass sich
die Objekte und „Maschinen“ mithilfe von Wind, Wasser, Motoren und Gestängen bewegen lassen.
79
Vgl. Oswald, S. 8f
Vgl. I. 3. Räumliches Gestalten
81
Vgl. Eid, S. 230
82
Vgl. Hietkamp, S. 100
83
Vgl. a.a.O., S. 145
84
Vgl. a.a.O., S. 162
85
Vgl. Eid, S. 230
86
Vgl. Thomas, S. 120
80
Mit mechanischen und elektrischen Apparaturen werden Bewegung und dynamische Veränderung zur
Darstellung gebracht. Damit wandelte sich die traditionelle Statik bildender Kunst in ein dynamisches
Zusammenwirken aus Licht, Klang und Bewegung. 87
2. Material und Werkzeug
Für die ästhetisch – praktische Gestaltung werden den Kindern verschiedene Materialien angeboten.
Die Kinder haben einige Materialien und Werkzeuge in ihren Federmappen oder Fächern, sodass
Bleistifte, Buntstifte, Deckfarben, Pinsel, Klebstoff, Papier und Scheren ständig zur Verfügung stehen.
Bleistifte gibt es in verschiedenen Härtegraden. Die Bezeichnungen gehen von H (hart) über mehrere
Abstufungen zu B (weich). Zum Skizzieren eignet sich für die Kinder ein Bleistift mit einem
weicheren Härtegrad (z.B. HB 2), da er einen ausreichend hohen Abrieb hat, dabei aber nicht
verschmiert.88 Bei Pinseln wird zwischen Haar- und Borstenpinseln unterschieden, die es in
unterschiedlichen Größen gibt. Haarpinsel haben weiche Haare, die sich in feuchtem Zustand zu einer
Spitze formen. Feine Arbeiten werden mit den Größen 1-5, gröbere Arbeiten mit den Größen 6-12
durchgeführt. Borstenpinsel werden aus kurzen, festen Schweineborsten hergestellt. Es gibt sie in den
Größen 2 (fein) - 16 (grob). 89 Federn sollen die Kindern sammeln und mitbringen. Weitere Materialien
und Werkzeuge werden von mir mitgebracht und sollen hier zur Übersicht aufgelistet werden:
Karton, Kleisterfarbe, Draht, Kreppklebeband, elastisches Band, Kronkorken, Schleifpapier,
Krepppapier, Eierschalen, Äste und Bambusstöcke, Gips, Aluschalen, Kneifzange, Gartenschere und
Podeste.
3. Situation der Lerngruppe und Lernausgangslage
Seit Schuljahresbeginn unterrichte ich in der Klasse 3b eigenverantwortlich das Fach Kunst mit einer
Einzelstunde wöchentlich. Die Lerngruppe setzt sich aus sechs Mädchen und 14 Jungen im Alter von
acht bis neun Jahren zusammen. Die Klasse zeigt ein gutes Arbeits- und ein angenehmes
Sozialverhalten. Im Allgemeinen sind die Kinder in der Lage, sich an die Regeln und Vereinbarungen
zu halten, sodass beispielsweise ritualisierte Signale den Unterrichtsverlauf verlässlich unterstützen.
Die Schülerinnen und Schüler sind mit unterschiedlichen Organisations-, Arbeits-, Sozial- und
Unterrichtsformen vertraut. Sie sind aufgeschlossen und willig Arbeiten zu verrichten und zeigen
Vermögen zu individuellen Umsetzungsmöglichkeiten.
In den Praxisphasen arbeiten sie motiviert und an der Sache interessiert, was sich darin zeigt, dass sie
sachbezogene Gespräche führen und bereit sind, sich gegenseitig zu helfen. Die Gesprächsphasen
werden von ihnen aktiv mitgestaltet, da sie sich generell interessiert und rege beteiligen. Insbesondere
Arne, Sarah, Verena, Sebastian und Lukas bereichern mit durchdachten Beiträgen das Gespräch.
Neben Sedat, der türkischer Herkunft ist und z.T. Verständnisschwierigkeiten hat, zeigt sich Oliver in
87
88
89
Vgl. Regel, S. 158f
Vgl. Hietkamp, S. 83
Vgl. a.a.O., S. 52
diesen Phasen auffällig desinteressiert. Sedat stört diese Phasen häufig durch unangemessene Einwürfe
und lenkt somit andere Schülerinnen und Schüler ab, sodass ich ihn ermahne, ihn aber auch während
der Demonstrationen des Öfteren einbeziehe, um ihm durch Handlung die Inhalte näher zu bringen.
Olivers Desinteresse begegne ich, indem ich ihn während der Gesprächsphasen durch direkte
Ansprache in das Unterrichtsgeschehen mit einbeziehe. Seine Gleichgültigkeit zeigt sich zudem in zur
Schau gestellter Arbeitsunlust. Wenig begeisterungsfähig geben sich auch Gerrit und Alexander,
sodass ich versuche, ihnen ihre Fertigkeiten durch Lob und Zuspruch bewusst zu machen. Sedat,
Joshua und Don Peer stehen neuen Techniken häufig skeptisch gegenüber, da ihre haptischen
Erfahrungen anscheinend rudimentär sind. Daher ermuntere ich sie zum Ausprobieren und lasse ihnen
viel Zeit für Experimente.
Die Schülerinnen und Schüler haben Vorerfahrungen in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen des
Kunstunterrichts. Besonders ausdauernd und geduldig zeigen sie sich beim grafischen Gestalten. Viele
zeichnen sehr detailliert und haben hohe Ansprüche in Bezug auf realitätsgetreue Abbildungen. Sedat
zeigt sich in diesem Bereich ungewöhnlich weit entwickelt, während Stefan, Torben und Verena trotz
hoher Motivation mit ihren Ergebnissen häufig unzufrieden sind. Sie produzieren oft schnelle und z.T.
unsaubere Arbeiten und es ist ihnen wichtig, dass ich ihnen während der Arbeitsphasen positive
Rückmeldung gebe. Ich unterstütze sie, indem ich ihnen individuelle Anregungen zur Weiterarbeit
bzw. zur Modifizierung gebe.
Das farbige Gestalten mit Deckfarben, also der Farbauftrag und das Mischen von Farben, ist den
Kindern vertraut, sodass sie die Techniken entsprechend ihrer individuellen Farbvorstellung einsetzen
können. Lukas M., Alexander und Don Peer richten sich bei ihrer Farbwahl häufig nach dem Angebot
des Farbenkastens, sodass ich sie durch Fragen und Hinweise dazu anrege, ihre Farbvorstellung durch
das Mischen von Farben zu erzielen. Farbkontraste setzen die Kinder eher unreflektiert ein.
Im Bereich des räumlichen Gestaltens zeigen die Schülerinnen und Schüler im Allgemeinen ein gutes
Vorstellungsvermögen. Mit der Kombination von unterschiedlichen Materialien und der
Verbindungstechnik mit Klebstoff haben sie bereits Erfahrungen gesammelt. Insbesondere vielfältige
Materiala ngebote regen sie zu fantasievollen und kreativen Ideen an.
4. Didaktisch-methodische Vorüberlegungen zur Unterrichtseinheit
Vögel sind in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler beinahe allgegenwärtig. Sie werden
sinnlich wahrgenommen und wegen ihres Gesangs oder ihrem Aussehen als interessant empfunden.
Manche haben Vögel auch als Haustiere, um sich ständig an ihnen erfreuen zu können. Besonders
faszinierend und zugleich etwas fremd für die Menschen, ist die Fähigkeit der Vögel zu fliegen. Vögel
werden angesichts ihrer natürlichen Anwesenheit zwar bemerkt, aber von vielen Schülerinnen und
Schülern nicht bewusst wahrgenommen, da sie scheue Tiere sind, die eher flüchten als sich dem
Bedürfnis der Kinder nach Berührung zu stellen. 90 Gerade dieses nicht Greifbare und ihre für uns
90
Vgl. I. 1.3 Faszination Tier
beeindruckende Fähigkeit fliegen zu können, lässt Fantasien zu und hat viele Künstler inspiriert,
Vögel als Motiv zu wählen. Auch einige Künstler der Klassischen Moderne haben Vögel motivisch
eingebunden, um ihre innerlichen Empfindungen zum Ausdruck zu bringen.
Subjektive Empfindungen entwickeln sich aus sinnlichen Eindrücken, die durch das Wahrnehmen und
Beobachten der Wirklichkeit entstehen. Ein Erkundungsgang im nahe gelegenen Vogelpark soll den
Kindern das Erleben solcher persönlicher Empfindungen ermöglichen. Zudem bieten die Vie lfalt der
Vögel sowie die sinnlichen Eindrücke des Sehens, Hörens, Riechens und auch Fühle ns Anlass zum
kommunikativen Austausch.91
Sinnliche Erfahrungen motivieren zum produktiven Ausdruck. Dieses Tätigwerden führt zur
Verarbeitung von Gefühlen und Stimmungen. Die Kinder sollen im Zusammenhang mit der
Betrachtung von Werken der Klassischen Moderne erkennen und verinnerlichen, dass die Künstler
durch solche Erfahrungen zum bildnerischen Ausdruck ihrer Empfindungen angeregt wurden. So soll
ihnen einerseits eine emotionale Verbindung zum Künstler ermöglicht werden und sie andererseits
zum analogen Handeln anregen.
Für diese Unterrichtseinheit habe ich Werke von Expressionisten gewählt, da die einfache und direkte
Bildsprache den Kindern meiner Meinung nach leicht zugänglich ist.92 Zudem sind die Bildinhalte so
gewählt, dass die Kinder an ihre Erlebnisse aus dem Vogelpark anknüpfen können. Die
Werkbetrachtung bezieht immer auch den Künstler mit ein, sodass die Kinder neben Informationen
über die Entstehung des Bildes auch die Lebensdaten erfahren und zur visuellen Unterstützung eine
Abbildung des Künstlers ansehen können. 93 Die Werke und die Abbildungen der Künstler werden im
Klassenraum aufgehängt, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, den Verlauf der Einheit jederzeit
rekonstruieren zu können. 94
Der Abstraktionsgrad der ausgewählten Werke ist unterschiedlich hoch. Um die Kinder langsam an
ungewöhnlichere Ausdrucksweisen heranzuführen, betrachten sie zunächst Werke mit hohem
Wiedererkennungswert. Im Verlauf der Einheit lernen die Kinder Werke kennen, die im
Abstraktionsgrad sukzessiv gesteigert werden sollen. Die Differenz zwischen Bekanntem und
Unbekanntem wird dadurch geschmälert und der Zugang für die Schülerinnen und Schüler
vereinfacht.95 Die ungewöhnlichen Ausdrucksweisen der Abstraktion und Verfremdung sollen bei den
Kindern Irritationen auslösen und sie somit zum Dialog und zur Auseinandersetzung mit anderen und
auch mit sich selbst anregen. Hierdurch sollen sie Differenzerfahrungen gewinnen, die zu Toleranz
und Aufgeschlossenheit gegenüber Ungewöhnlichem und anderen Meinungen führen sollen und somit
zur Persönlichkeitsentwic klung beitragen. 96 Zudem stärken abstrahierte und verfremdete Bildinhalte
das Vorstellungsvermögen und geben Raum für Gefühle und Fantasie.
91
Vgl. RRL, S. 7, I. 1.1 Zur Wahrnehmung, 1.2 Zur Beobachtung von Naturvorgängen
Vgl. I. 2.1 Klassische Moderne, I. 2.1.1 Expressionismus
93
Vgl. V. Anhang, 4. Beispiel einer Abbildung eines Künstlers
94
Siehe Foto Nr. 19
95
Vgl. I. 2.2 Kriterien der Bildauswahl
96
Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung
92
Die kommunikative und kognitive Verarbeitung sinnlicher Wahrnehmungen und Differenzein drücke
soll durch die praktische Auseinandersetzung „begreifbar“ gemacht werden. Das praktische Tun
unterstützt die Kinder, sich aktiv mit ihren Erkenntnissen, persönlichen Erfahrungen und
Assoziationen auseinander zu setzen.
97
Hierbei ist zu bemerken, dass die Kinder nicht zur
Nachahmung angeregt, sondern stets ermutigt werden ihre eigenen Vorstellungen umzusetzen. Ihr
Handeln bezieht sich demnach auf sich selber, was zu Selbstbestimmung und Kompetenzerwerb
führen soll. 98
Im Laufe der Einheit sollen die Schülerinnen und Schüler zur Umsetzung ihrer Vorstellungen sowohl
bekannte ästhetische Verfahren anwenden als auch neue Techniken kennen lernen. Die Techniken, die
zur grafischen und farbigen Gestaltung eingesetzt werden sollen, beinhalten u.a. experimentelle und
grundlegende Voraussetzungen für das räumliche Gestalten. Somit haben die Kinder die Möglichkeit
durch Ausprobieren Erfahrungen zu sammeln, die sie zur räumlichen Gestaltung einsetzen, vertiefen
und festigen können. Zudem lernen sie vielfältige Möglic hkeiten des Einsatzes von Materialien und
Techniken kennen und sollen dadurch zu Kreativität angeregt werden.99
Die Techniken und Materialien sind so gewählt, dass möglichst viele Sinne der Kinder angesprochen
werden. Zudem regt der hohe Aufforderungscharakter der Materialien die Kinder zu Ideen,
Assoziationen und Vorstellungen und somit zu fantasievollem und kreativem Gestalten an. 100 Die
ästhetisch-praktische
und
kommunikative
Auseinandersetzung
in
Zusammenhang
mit
der
Bildbetrachtung wird somit zu einem Erlebnis, das die Kinder emotional berührt und dadurch
anhaltend im Gedächtnis bleibt. Nach jedem praktischen Tun sollen die Kinder ihre Erlebnisse und
Gedanken austauschen können, um sich ihrer bewusst zu werden.
Zum Ende der Einheit sollen die Schülerinnen und Schüler eine Ausstellung vorbereiten, durch die die
Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und somit zur Diskussion gestellt werden. Hierbei
sollen die Kinder lernen, ihre Erfahrungen darzustellen und sie anderen verständlich zu machen. 101
Zur Förderung der Kommunikation in den Gesprächsphasen und um den Schülerinnen und Schülern
einen freien Blick auf die Werke der Künstler, die eigenen Arbeiten und die Demonstrationen oder
Präsentationen zu ermöglichen, finden die Einstiegs- und Erarbeitungsphasen sowie die
Ergebnissicherungen überwiegend im Stuhlhalbkreis statt.
5. Zusammenfassende Zielformulierungen
Mit der Durchführung der Unterrichtseinheit werden grundlegende Ziele des Kunstunterrichts
verfolgt. Die Erkundung im Vogelpark Walsrode soll den Schülerinnen und Schülern ermöglichen ihre
Umwelt bewusster wahrzunehmen. Durch die Betrachtung von Kunstwerken der Klassischen Moderne
sollen die Kinder zum Dialog angeregt werden, um eigene Eindrücke zu verarbeiten und um zu lernen,
97
Vgl. RRL, S. 5
Vgl. Peez, S. 112
99
Vgl. RRL, S. 30
100
Vgl. II. 2. Material und Werkzeug
101
Vgl. RRL, S. 32
98
auch andere Sichtweisen zu tolerieren. Zudem soll den Schülerinnen und Schülern ermöglicht werden,
ihre rezeptiven Erfahrungen durch bildnerisch-praktische Tätigkeiten weiter zu verarbeiten. Die
praktische Auseinandersetzung umfasst die Lernbereiche des grafischen, farbigen und des räumlichen
Gestaltens. Die Betrachtung von abstrahiert und verfremdet dargestellten Werken und das breite
Angebot an Materialien ermöglichen den Schülerinnen und Schülern Fantasie und kreatives Verhalten
zu entwickeln und in ihren Arbeiten zu verwirklichen. Durch die Betrachtung, die Beschreibung und
den Vergleich eigener und fremder Werke sowie die produktive Tätigkeit sollen die Kinder einen
Zugang zu den Kunstwerken der Klassischen Moderne finden. 102
II. Durchführung der Unterrichtseinheit
1. Tabellarische Übersicht der Sequenzen
Stunde
1./2.
3./4.
5./6.
7.
8.
9.
10.
11.
102
Sequenz
Unterrichtsthema
Paradiesisch Ein Stück
e Vögel
Vogelparadies
nehme ich mit
Material
Macke: „Großer
Zoologischer
Garten“,
Pechstein:
„PalauTriptychon“
Bewegte
Fantastische Sänger Papier DIN A 3,
Marc: „Vögel“
Vögel
und hungrige
Deckfarben, BorstenGontscharowa:
Greifer
und Haarpinsel in
„Der
unterschiedlichen
Radfahrer“,
Stärken, Abbildungen
Kandinsky:
der Künstler
„Zwei Vögel“
Merkwürdig Die Verwandlung
Karton, Kleisterfarben, Klee: „Konzert
e Schnabel-, der Paradiesvögel
Abbildung des Künstlers auf dem Zweig“
Krallen- und
Flatterwese Ein feierlicher
Äste, Bambusstöcke,
n
Schmuck für die
Wickeldraht,
wundersamen
Schleifpapier, Federn,
Vogelwesen
Eierschalen,
Kneifzangen,
Gartenscheren, Schere,
Kleber
Maschinelle Von Flatter-,
Papier DIN A4,
Klee: „Die
r Antrieb für Krächz-, Greif- und Bleistift, Abbildungen
Zwitschermasch
die
Zwitschermaschinen der Künstler
ine“
märchenhaft
en Sänger
Maschinenbau
Gips, Blumendraht,
Kleisterpapier
Hier krächzts,
Zeitungspapier,
Ausschnitte aus:
zwitscherts und
Wickeldraht
Nolde: „Der
flatterts
große Vogel“,
Zeitungspapier, Kleister Kandinsky:
Vgl. RRL, S. 5
Zeichenblock DIN A4,
Bleistift, Buntstifte,
Abbildungen der
Künstler
Werke
Ort
Vogelpark
Walsrode
Klassenra
um
Klassenra
um
Klassenra
um
Ein glatter Balg für
die Vögel
12.
Farbe, Muster und
Funktion
13./14.
Herzlich
Alle sollen unsere
Willkomme Paradiesvögel und
n bei den
Flatterwesen sehen
Paradiesvög
eln und
Flatterwese
n
Ausstellung
im Café am
Kunsthaus
Deckfarben, Borstenund Haarpinsel
unterschiedlicher
Stärken,elastisches
Band, Äste,
Bambusstöcke,
Wickeldraht,
Schleifpapier, Federn,
Eierschalen,
Kneifzangen,
Gartenscheren, Schere,
Kleber, Abbildungen der
Künstler
Fotokarton in
unterschiedlichen
Farben, Federn,
Bambusstockreste,
Eierschalen, Draht,
Kreppbänder,
Abbildungen der
Künstler
„Zwei Vögel“,
Marc: „Vögel“,
Klee: „VogelBegegnung“,
„Rotgeflügelte
Sumpfhühner“,
„Die ZwitscherMaschine“
Werke der
Künstler,
Arbeiten der
Kinder
Klassenra
um
Café am
Kunsthau
s
2. Beschreibung der Sequenzen
Die folgenden Vorüberlegungen und Beschreibungen der Unterrichtssequenzen stützen sich auf die
vorangegangenen theoretischen Erläuterungen. Die Inhalte der Sequenzen sind sukzessiv aufeinander
aufbauend, sodass erlernte Techniken und Erfahrungen im Laufe der Sequenzen angewendet, erweitert
und vertieft werden.
2.1 Erste Unterrichtssequenz: „Paradiesische Vögel“
In dieser Sequenz wird der Besuch des Vogelparks in Walsrode beschrieben und welche Erfahrungen
die Schülerinnen und Schüler aus einem solchen Angebot erwachsen können. Zunächst werden die
Möglichkeiten erläutert, die ein außerschulischer Lernort bietet.
2.1.1 Sachinformation außerschulischer Lernort
Der Kontakt mit den Lebewesen in der freien Natur ist im Klassenzimmer weder durch lebende
Objekte noch durch Medien zu ersetzen. Denn die Kinder haben das Bedürfnis, die ganze Person zu
aktivieren, echte Naturerlebnisse zu schaffen und damit eine erlebnishafte Beziehung zur lebendigen
Umwelt aufzubauen. Außerschulische Lernorte bieten die sinnlich-anschauliche, reale Begegnung mit
der Natur – der Pflanzen- und der Tierwelt.103 Denn erst der kinästhetische, taktile, akustische und
103
Vgl. Killermann, S. 213, S. 215
visuelle Umgang formt die symbolische Vorstellung, die die Voraussetzung für das Denken überhaupt
ist. 104
Der Vogelpark als außerschulischer Lernort bietet durch seine Anlage die Möglichkeit der
unmittelbaren Naturbegegnung, da hier die Natur unter Einbeziehung aller Sinne erfahren werden
kann. Zudem gehört der Park zu den lokalen Einrichtungen im unmittelbaren Umfeld der Schülerinnen
und Schüler, sodass die Kinder durch den Besuch ihre Umgebung mit ihren Möglichkeiten besser
kennen lernen.
2.1.2 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen
Zu Beginn der Sequenz lese ich den Schülerinnen und Schülern die Fabel „Der Fuchs und der
Storch“ 105 vor, um das Interesse zu wecken und somit den Beobachtungswillen der Kinder
anzubahnen. 106 Zudem werden sie auf die Vögel als Lebewesen mit Empfindungen aufmerksam
gemacht, damit sie ihnen mit Achtung und Respekt begegnen. 107 Im folgenden gelenkten
Unterrichtsgespräch werden die Regeln, die sie während des Besuchs im Vogelpark einhalten müssen,
mit den Schülerinnen und Schülern erarbeitet. Sie lernen so, Verantwortung für ihr Tun zu
übernehmen.
Bei der Betrachtung von August Mackes Werk „Großer Zoologischer Garten“ (A) sollen die Kinder
den Zusammenhang zwischen dem realen Erlebnis und einer möglichen Umsetzung erkennen. Dieses
Ziel wird auch bei der Betrachtung des Werkes „Palau-Triptychon“ (B) von Max Pechstein angestrebt.
Die Betrachtung erfolgt beim Besuch der Tropenwaldhalle, da hier die Südsee-Atmosphäre deutlich
spürbar ist.108 Zudem finden sie im Werk dargestellte Inhalte in ihrer unmittelbaren Umgebung
wieder.109 Die Kinder können so einen emotionalen Bezug zum Werk herstellen, der durch das
sinnliche Wahrnehmen der Umgebung begünstigt wird. Zudem werden sie an die Ausdrucksweise von
expressionistisch
arbeitenden
Künstlern
herangeführt,
da
die
Inhalte
noch
eine
hohe
Gegenständlichkeit aufweisen, aber abstrahiert dargestellt sind. 110
Im Zusammenhang mit der Bildbetrachtung erfahren die Kinder, dass die Künstler ebenfalls zunächst
Skizzen „vor Ort“ gezeichnet haben, um sie später in ihren Ateliers in Malereien umzusetzen. Durch
das analoge Handeln soll von den Kindern der Entstehungsprozess eines Kunstwerks nachvollzogen
und verinnerlicht werden.
Die Rahmenrichtlinien geben vor, dass Gestaltungsanlässe aus der Erlebenswelt der Schülerinnen und
Schüler hervorgehen sollen. 111 Der Besuch des Vogelparks schafft diese Bedingungen, da die Kinder
die Vögel und ihre Umgebung mit allen Sinnen erleben können. Hierbei werden sowohl die Fern- als
auch die Nahsinne der Schülerinnen und Schüler angesprochen. So haben sie die Möglichkeit bei der
104
Vgl. Dietl, S. 8
siehe V. Anhang, 5. Fabel
106
Vgl. I. 1.2 Zur Beobachtung von Naturvorgängen
107
Vgl. I. 1.3 Faszination Tier
108
Vgl. II. 1.1.2 Außerschulische Bedingungen
109
Siehe V. Anhang, 6. Tropenwaldhalle
110
Vgl. II. 1.2.1 Macke: „Großer Zoologischer Garten“, 1.2.2 Pechstein: „Palau-Triptychon“
111
Vgl. Der Niedersächsische Kultusminister, S. 7
105
Pinguinfütterung zugegen zu sein, diese beim Fressen, Schwimmen und Tauchen sowohl zu
beobachten, als auch im Rahmen des Vogelparkprogramms sogar zu streicheln, also haptisch
wahrzunehmen. Diese Erfahrungen begünstigen nicht nur die symbolische Vorstellung von Vögeln 112 ,
sondern tragen auch dazu bei, dass Elemente des Gefühlten, Gesehenen und Gehörten in die Skizzen
einfließen können, die von den Schülerinnen und Schülern angefertigt werden sollen. 113 Das Erlebnis
bietet den Anlass zum zeichnerischen Ausdruck, wobei die sinnliche Wahrnehmung und das genaue
Beobachten die Voraussetzung für das zeichnerische Gestalten bilden. 114
Ein weiteres Angebot im Rahmen des Vogelparkprogramms ist die Flugschau. 115 Hier sollen die
Schülerinnen und Schüler besonders die Bewegungen der Vögel wahrnehmen und ihre Eindrücke
zeichnerisch fixieren und zum Ausdruck bringen. 116 Die Umsetzung von beweglichen Objekten in eine
Skizze erfordert Geduld und auch Erfahrung, zu der hier der Grund gelegt werden soll. Die
Schülerinnen und Schüler sollen demnach die Vögel beobachten und in eine Skizze umsetzen, indem
sie ihre Beobachtungen mit wenigen Linien festhalten. 117 Hier kommt unterstützend hinzu, dass die
vertraute und einfache Handhabung den entdeckenden Umgang mit der Umwelt zulässt und das
Ausprobieren von Neuem begünstigt. 118
Zur Ergebnissicherung werden einige Skizzen vorgestellt und beschrieben. Hierbei sollen die Kinder
erkennen, dass die Eindrücke eines jeden Einzelnen unterschiedlich sind, da keine Skizze der anderen
gleicht. 119
2.1.3 Reflexion der Sequenz
Die Schülerinnen und Schüler konnten sich trotz der Aufregung des bevorstehenden Ausflugs gut auf
die Fabel einlassen und stellten gemeinsam heraus, dass man sich gegenseitig respektieren muss,
gleich um welches Lebewesen es sich handelt. Während der Erkundung verhielten sie sich sehr
umsichtig und waren hochmotiviert. Ihre Begeisterung zeigte sich darin, dass sie ihren Skizzenblock
stets griffbereit hatten und zu jeder sich bietenden Gelegenheit Skizzen anfertigten. 120 Sie waren
beeindruckt von der Größe der Störche und der Nähe, aus der sie sie beobachten konnten. So äußerten
sich die Kinder unter anderem zum unangenehmen Geruch und bemerkten auch z.B.
Flügelverkürzungen im Vergleich mit anderen Störchen. Besonders faszinierte sie die Möglichkeit, die
Vögel zu berühren, wie z.B. bei der Pinguinfütterung oder im Freiflugkäfig der Loris.121 Hierbei
verhielten sie sich besonders vorsichtig und zeigten so ihre Achtung vor den Vögeln.
112
vgl. III. 2.1.1 Sachinformation außerschulischer Lernort
Vgl. Burkhardt, S. 4
114
Vgl. I. 1.2 Zur Beobachtung
115
Vgl. II. 1.1.2 Außerschulische Bedingungen
116
Vgl. RRL: „Darstellen von Bewegungsvorgängen“, S. 25
117
Vgl. I. 1.2.1.1 Die Skizze
118
Vgl. II. 1.2.1 Das Zeichnen, II. 4. Lerngruppe und Lernausgangslage
119
Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung
120
Siehe Foto Nr. 1, Nr. 2
121
Siehe Foto Nr. 3, Nr. 4
113
Die Schülerinnen und Schüler waren unglaublich wissbegierig, stellten vie le Fragen oder versanken in
ihre Zeichnungen, die sie mit äußerster Sorgfalt und dem Anspruch an Vollständigkeit und
naturgetreuer Wiedergabe auszuführen versuchten. Erst im weiteren Verlauf lösten sie sich davon und
es entstanden Skizzen, die Umrisse, Binnenstruktur und Bewegungen mit wenigen Linien lediglich
andeuteten.122
Die Schülerinnen und Schüler erkannten die Zusammenhänge zwischen Mackes Werk und ihrer
eigenen derzeitigen Umgebung, indem sie feststellten, dass auf dem Bild Papageien, Kraniche, ein
Strauß und andere Tiere (im Vogelpark gibt es einen speziell für Kinder eingerichteten Streichelzoo)
sowie Menschen, die sie betrachten, dargestellt sind. Auch die Verbindung von der Tropenwaldhalle
zum Werk Pechsteins erkannten sie, indem sie beispielsweise die dargestellten Hütten in ihrer
unmittelbaren Umgebung wiedererkannten. Zudem konnten die Kinder die unterschiedlichen
Eindrücke in den Skizzen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler gut erkennen und akzeptierten sie wie
selbstverständlich. Sie schienen sie sogar als bereichernd zu empfinden, da durch die Skizzen
Erinnerungen geweckt wurden.
2.2 Zweite Unterrichtssequenz: „Bewegte Vögel“
In der folgenden Sequenz wird die farbige Umsetzung der im Vogelpark entstandenen Skizzen
beschrieben. Da in den Skizzen häufig Bewegungen „eingefroren“ wurden, soll die Bewegung und ihr
Zusammenhang in der Kunst eingehender erläutert werden.
2.2.1 Sachinformation Bewegung
Bewegung bezeichnet die Ortsveränderung eines Körpers im Raum-Zeit-Kontinuum.
Abgesehen von Film, Fernsehen und Video sind den Bewegungsdarstellungen in der bildenden Kunst
Grenzen gesetzt, da sie – mit Ausnahme der kinetischen Kunst 123 – statisch sind.
Prinzipiell werden schräge Linien vom Betrachter als bewegt interpretiert, da sie in Bezug zur
Waagerechten und Senkrechten als unstabil aufgefasst werden. Der Vorgang des Betrachtens vollzieht
sich innerhalb einer Zeitspanne. Der Blick folgt im Falle dynamischer Gestaltungsabsic hten einem Hin
und Her, Auf und Ab, Vor und Zurück. Hinzu kommt auch das Wissen um die Bewegung, das zur
Suggestion von Bewegung beiträgt, obwohl in Wirklichkeit nur ein Bewegungsmoment dargestellt
werden kann.124
Die Werke „Vögel“ von Franz Marc (C)125 und „Der Radfahrer“ von Natalia Gontscharowa (D)126
zeigen unterschiedliche Mittel zur Bewegungsdarstellung auf. So vermitteln die schräg verlaufenden
und aufeinanderprallenden Linien und Formen in dem Werk „Vögel“ eine unruhige Eigendynamik, die
122
Siehe V. Anhang, 7. Skizzen (Vogelpark)
vgl. I. 1.4.2 Kinetische Kunst
124
Vgl. Schülerduden Kunst, S. 76f
125
vgl. II. 1.2.3 Marc: „Vögel“
126
vgl. II. 1.2.4 Gontscharowa: „Der Radfahrer“
123
Assoziationen von hektischem Flattern aufkommen lassen oder auch von einer Umgebung, die sich in
Schwingungen aufzulösen scheint.127
In dem Werk „Der Radfahrer“ nutzt die Malerin grafische Stilmittel zur Darstellung des
Bewegungsverlaufs.
2.2.2 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen
In dieser Unterrichtssequenz sollen die Schülerinnen und Schüler ihre im Vogelpark gezeichneten
Skizzen in eine Malerei mit Deckfarben umsetzen und mit Hilfe von Werken der Kla ssischen Moderne
zur Betonung der Bewegungen angeregt werden.
Die Kinder wählen zunächst ihre Lieblingsskizze oder die Skizze ihres Lieblingsvogels, wodurch die
Erlebnisse aus dem Vogelpark wieder wachgerufen und eine emotionale Beziehung aufgebaut wird.
Zuerst sollen sie das Werk „Der Radfahrer“ betrachten, da hier die „Wirklichkeit“ zwar verfremdet
dargestellt ist, der Bildinhalt jedoch noch eine hohe Gegenständlichkeit aufweist. Bei der Betrachtung
des Werkes „Vögel“ ist die Gegenständlichkeit der Umwelt weitestgehend aufgehoben und wird nur
noch anhand der Vögel deutlich. Somit sollen die Kinder langsam an ungewöhnlichere
Darstellungsweisen herangeführt werden.128 Die fremden Ausdrucksweisen sollen die Kinder
irritieren. Durch die Irritation wird ein kommunikativer Austausch provoziert, in dem die
unterschiedlichen Eindrücke genannt werden. Die Kinder sollen dadurch lernen, die verschiedenen
Meinungen zu akzeptieren und sich somit in Toleranz üben. 129
Während der Betrachtung der Werke sollen die Schülerinnen und Schüler besonders auf die
Darste llungsweisen der Künstler achten, mit denen sie die Bewegungen zum Ausdruck gebracht
haben. Dadurch werden die Kinder nicht nur mit expressionistischen Ausdrucksformen vertraut
gemacht, sondern finden Anregungen zur Umsetzung von Bewegungsmomenten in statischer und
zweidimensionaler Form. 130 Ergänzend wird ein Ausschnitt aus dem Werk „Zwei Vögel“ von Wassily
Kandinsky (H)131 als weiteres Beispiel hinzugefügt.
Die Rahmenrichtlinien geben bezüglich des farbigen Gestaltens vor, die freie Gestaltung von
Erlebnissen und Vorstellungen zu unterstützen. 132 Bei der Umsetzung der Skizze in die Malerei sollen
die sinnlich erfahrenen Erlebnisse und Gefühle zum Ausdruck kommen. Aus diesem Grund sind keine
weiteren Angaben zum Farbauftrag oder der Farbwahl gegeben, damit die Schülerinnen und Schüler
ohne einschränkende Vorgaben ihre Empfindungen malerisch darstellen können. Der Ausdruck der
individuellen Farbvorstellung und des Farbauftrags soll hiermit gefördert werden.133 Hierbei sollen sie
127
Vgl. Haftmann, Bd. 1, S. 157
Vgl. I. 2.2 Kriterien der Bildauswahl
129
Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung
130
Vgl. III. 2.2.1 Sachinformation Bewegung
131
vgl. II. 1.2.7 Kandinsky: “Zwei Vögel“
132
Vgl. RRL, S. 9
133
Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage
128
mit den Werkzeugen, Borsten- und Haarpinsel, sachgemäß umgehen können und sie ihren
Vorstellungen entsprechend gezielt einsetzen zu können. 134
Zur Ergebnissicherung werden ausgewählte Arbeiten der Kinder neben die Werke der Künstler an die
Tafel gehängt. Dadurch lernen sie ihre Werke als eine Möglichkeit der Umsetzung neben anderen zu
verstehen. Nach einer formal intendierten Beschreibung sollen sich die Schülerinnen und Schüler zur
Wirkung der eingesetzten Farbe und Farbauftrags äußern und erläutern können, mit welchen Mitteln
dieses erreicht wurde. Durch die Beschreibung soll eine sachliche Grundlage geschaffen werden,
damit die subjektiv empfundenen Wirkungen nicht wertend werden. Außerdem wird die sachliche
Begründung von subjektiven Eindrücken geschult. Zudem sollen sie die eingesetzten Mittel zum
Ausdruck der Bewegungen erläutern und Gemeinsamkeiten und Unterschiede darlegen können. Damit
wird die Offenheit gegenüber unterschiedlichen Ausdrucksweisen gefördert.
2.2.3 Reflexion der Sequenz
Die Kinder zeigten sich schon zu Beginn der Sequenz sehr motiviert, da sie ihre Skizzen vorliegen
hatten, sie betrachteten oder sich über die Erlebnisse des Vogelparkbesuchs austauschten. Die Wahl
der „Lieblingsskizze“ fiel nicht schwer, da sie vermutlich schon vorher getroffen war. Sie fanden
verschiedene Erklärungen für die Wahl: Einige äußerten sich fasziniert von dem Vogel, von dessen
Schnabel, Krallen oder langen Schwanzfedern sie beeindruckt waren. Andere suchten nach Skizzen,
die ihnen ihrer Meinung nach besonders gelungen waren. Im Vordergrund stand jedoch immer das
Erlebnis, das sie mit der Skizze verbanden.
Den Werken der Künstler begegneten sie zunächst skeptisch, was durch Äußerungen wie „Was soll
denn das sein?“ oder „Ich kann da gar nichts erkennen!“ deutlich wurde. Während der Betrachtung
hielt ich mich bewusst zurück, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, eigenständig Ideen zu
entwickeln und den Austausch untereinander zu fördern.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs und nach eingehender, interessierter Betrachtung (die Kopien
wurden im Stuhlkreis herumgegeben) äußerten sie Erkenntnisse, die einem „Aha-Effekt“ glichen. Sie
erkannten den Radfahrer und die Vögel und erklärten sich gegenseitig die Bildinhalte. Eine Schülerin
erklärte bezüglich des Werkes „Der Radfahrer“: „Es sieht aus wie ein verwackeltes Foto“ und machte
so die Bewegung deutlich, die in dem Werk dargestellt ist. Das Werk Mackes beeindruckte einen
Schüler so sehr, dass er fragte, ob er sein Bild genauso gestalten dürfe. Allerdings ging durch das
Herumreichen der Kopien (etwa DIN A4) viel Zeit verloren, die durch größere Formate hätte
eingespart werden können. Der Vogel aus Kandinskys Werk „Zwei Vögel“ wirkte fantasieanregend
auf die Kinder. Ein Schüler meinte z.B. an dem Vogel zwei Köpfe zu erkennen.
Während der Arbeitsphasen waren die Schülerinnen und Schüler auffallend konzentriert.
Zwischenzeitlich gingen einige Kinder zu den Werken, um sich spezielle Details nochmals anzusehen.
Manche Kinder nutzten ihre Skizzen als Vorlagen, andere brachten ihre Vorstellungen direkt zum
134
Vgl. II. 2. Material und Werkzeug, RRL, S. 10
Ausdruck. 135 Sie nutzten die in den Werken erkannten grafischen Mittel und machten die Bewegungen
und z.T. sogar die Geräusche in ihren Werken durch den Einsatz von schrägen (fliegen), gewellten
(zittern) und spiralförmigen (zwitschern) Linien sichtbar.136 Hierdurch wurde deutlich, dass sie sich
eher mit der gegenständlicheren Ausdrucksweise Gontscharowas identifizieren konnten. Die Kinder
leisteten hier zudem einen Transfer, da sie die eingesetzten Mittel zur Bewegungsdarstellung auf ihren
Inhalt übertrugen. Der abstrahiertere Ausdruck Mackes schien ihnen trotz der Begeisterung bei der
Betrachtung in der Umsetzung nicht realisierbar. Eine alternative Weiterarbeit wäre an dieser Stelle,
das Werk intensiver zu betrachten, ggf. formal zu analysieren und analog zum Bildinhalt
verschiedenfarbige eckige Formen auszuschneiden und eine Collage zu erstellen.
Es entstanden sehr unterschiedliche Arbeiten, sowohl in Bezug auf Farbeinsatz als auch des
Farbauftrags. Während des Vergleichs in der Ergebnissicherung bezeichneten die Schülerinnen und
Schüler beispielsweise eine Arbeit mit wässrigem Farbauftrag als luftig, eine andere als bunt
(deckender Farbauftrag). Sie beschrieben die dargestellten Bewegungen und fanden Gemeinsamkeiten
im Vergleich mit dem Werk „Der Radfahrer“.
2.3 Dritte Unterrichtssequenz : „Merkwürdige Schnabel-, Krallen- und Flatterwesen“ mit
ausführlichem Unterrichtsentwurf der Stunde „Die Verwandlung der Paradiesvögel“
Die Intention dieser Unterrichtssequenz liegt in der Erweiterung des Erfahrungspotentials der Kinder
bezüglich verfremdeten bzw. abstrahierten Darstellungen. Daher sollen zunächst die Begriffe
Abstraktion und Verfremdung näher erläutert werden.
2.3.1 Sachinformation Verfremdung und Abstraktion
Die Begriffe „Verfremdung“ und „Abstraktion“ in Bezug auf die bildende Kunst sind meiner Meinung
nach eng miteinander verzahnt. Beiden Verfahren liegt die „Loslösung vom Gegenständlichen“
zugrunde, indem Vertrautes, scheinbar Unabänderliches in ungewöhnlicher Weise dargeste llt wird. 137
Der Unterschied der beiden Begriffe liegt in der Art und Weise der „Loslösung“. Mit dem Begriff
„Verfremdung“ wird das Ergebnis von Veränderungen bezeichnet. So kann beispielsweise Gewohntes
und für zusammenhängend Gehaltenes in neuartige ungewohnte Beziehungen gebracht und somit
verfremdet werden. Die Veränderungen können aber auch mit bildnerischen Mitteln, z.B. durch
Verzerrung, herbeigeführt werden. Der Schwerpunkt liegt demnach nicht mehr auf der bloßen
Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern wird auf die Veranschaulichung von Assoziationen, Träumen
und Gedanken verschoben. 138
Der Begriff „Abstraktion“ (lat. abstrahere – abziehen, entfernen) bezieht sich dagegen auf die
Vernachlässigung von Merkmalen, um somit andere, subjektiv höher gewichtete Merkmale
135
Siehe Foto Nr. 5, Nr. 6
Siehe Foto Nr. 7
137
Vgl. Klant (1988), S. 166, vgl. Lange, S. 651
138
Vgl. Schülerduden Kunst, S. 498
136
hervorzuheben. 139 Er wird bevorzugt für Werke gebraucht, in denen die optische Wirklichkeit noch
vorhanden, aber „abstrahiert“ bzw. „figurativ“ dargestellt ist. Rein ungegenständliche, nicht
abbildhafte Werke werden als „abstrakt“ und „non-figurativ“ bezeichnet und zählen zur „absoluten“,
„konkreten Kunst“. 140
Das bedeutet, dass sich Verfremdung und Abstraktion nicht gegenseitig ausschließen sondern einander
auch bedingen können. Somit besteht die Möglichkeit, beide Verfahren innerhalb eines Werkes
einzusetzen, sodass Überschneidungen möglich sind.
2.3.2 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen
Vögel sind Teil der natürlichen Lebensumwelt der Schülerinnen und Schüler. Aber nicht nur in der
Natur kommen sie mit ihnen in Kontakt, sondern auch durch ihre Existenz in Sprichwörtern, Märchen,
Werbung, Filmen und Comics.141 Gerade in Comics oder Trickfilmen sind Vögel verfremdet oder
auch abstrahiert dargestellt, indem beispielsweise besondere Eigenschaften durch vergrößerte
Darste llung hervorgehoben bzw. andere charakteristische Merkmale vernachlässigt werden (z.B.
Tweety (Kanarienvogel), die Ducks (Enten), Pingu (Pinguin), Petry (Flugsaurier) u.a.).142
In dieser Sequenz betrachten die Schülerinnen und Schüler zunächst das Werk „Konzert auf dem
Zweig“ von Paul Klee (E) und fertigen daraufhin eine Grattage143 in Kleisterfarbe an, in der sie
einzelne Merkmale ihrer Lie blingsvögel abstrahiert oder verfremdet hervorheben sollen. 144
Im weiteren Verlauf sollen sie die hervorgehobenen Merkmale durch den gezielten Einsatz von Farbe
noch verstärken, sodass nicht nur die Form auf das subjektiv Wesentliche aufmerksam macht, sondern
auch die Farbe. Während die Grattage zunächst nur einfarbig gestaltet wurde, sollen die Kinder durch
die Betrachtung ausgewählter Arbeiten überlegen, wie die dargestellten Hervorhebungen durch den
gezielten Einsatz von Farbe noch unterstrichen werden können und erkennen, dass sich hierfür Farben
eigenen, die im Hell-Dunkel-Kontrast zur Hintergrundfarbe stehen. Somit erfahren sie, dass die
Wirkung einer Farbe durch Kontraste gesteigert werden kann.145 Zudem vertiefen und festigen sie ihre
Kenntnisse bezüglich des gezielten Mischens von Farben zweiter Ordnung. 146
Während der Ergebnissicherung werden diese Aspekte aufgegriffen. Die Kinder sollen bei der
Präsentation ihre Farbwahl begründen können, um sich so der Wirkung bewusst zu werden. Zudem
werden sie angeregt darüber nachzudenken, wie ihre Bilder in einer Ausstellung präsentiert werden
können und sollen herausfinden, dass Rahmen eine Möglichkeit darstellen.
Die Herstellung von Rahmen bedeutet eine unmittelbare Würdigung und Emporhebung der Arbeiten.
Auch die Ankündigung an die bevorstehende Ausstellung zeigt den Schülerinnen und Schülern, dass
139
Vgl. a.a.O., S. 13
Vgl. Klant (1988), S. 174
141
Vgl. Manser, S. 2ff
142
Vgl. III. 2.3.1 Sachinformation Verfremdung und Abstraktion
143
vgl. II. 1.3.2 Die Malerei
144
Vgl. III. 2.3.3.1 Didaktische Entscheidungen
145
Vgl. RRL, S. 9, vgl. II. 1.2.2 Die Malerei
146
Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage
140
ihre Arbeiten gewürdigt werden. 147 Für die Anfertigung der Rahmen stehen Bambusstöcke und Äste
zur Verfügung, die mit Draht verbunden werden sollen. Die Techniken, die sich zur Verbindung von
sich kreuzenden Stöcken bzw. Ästen gut eignen, sollen die Schülerinnen und Schüler erprobend
erlernen, indem sie ihre Ideen unmittelbar umsetzen und auf Haltbarkeit überprüfen. Hie rmit wird
sowohl die Feinmotorik als auch die Kreativität, durch Antizipation von Lösungsprinzipie n, und das
technische Verständnis gefördert. Die Verbindung der Stöcke macht die Partnerarbeit notwendig, um
das Verrutschen der Stöcke während des Verbindens zu vermeiden. Im Anschluss sollen die Kinder
die Rahmen mit unterschiedlichem Material wie Federn, Schmirgelpapier, Kreppbändern, Draht,
etc.148 entsprechend ihrer inhaltlichen Aussage gestalten können, um somit den Zusammenhang
zwischen dem Bild und dem Rahmen zu verdeutlichen. Zudem werden die Schülerinnen und Schüler
durch die Vielfalt und den hohen Aufforderungscharakter des Materials zu kreativem Arbeiten
angeregt.
Die Schülerarbeiten werden an wenigen Stellen gelocht und mit Draht an dem Rahmen befestigt.
Hiermit wird eine weitere Verbindungstechnik von den Schülerinnen und Schülern erprobt und der
Umgang mit dem Material vertieft und festigt.
2.3.3 Ausführliche Darstellung der Unterrichtsstunde „Die merkwürdige Verwandlung der
Paradiesvögel“
Die Unterrichtsstunde „Die Verwandlung der Paradiesvögel“ bildet den Beginn der Sequenz. Die
folgenden didaktischen Entscheidungen ergänzen und vertiefen die didaktisch-methodischen
Vorüberlegungen zur Unterrichtssequenz.
2.3.3.1 Didaktische Entscheidungen
Gestützt auf die Vorerfahrungen der Kinder bezüglich verfremdet bzw. abstrakt dargestellter Vögel in
ihrer Lebenswelt und ihren Erlebnissen aus dem Vogelpark sollen die Kinder in dieser Stunde das
Werk „Konzert auf dem Zweig“ von Paul Klee (E)149 kennen lernen.
Die Schülerinnen und Schüler sollen zunächst die aus dem Werk isolierten Vögel150 und dann das
Werk betrachten und beschreiben können. Die abstrahierten Vogeldarstellungen rufen bei den Kinder
Irritationen hervor, da die Darstellungen nicht ihrer subjektiven Wirklichkeitsvorstellung entsprechen.
Die Kinder sollen so zum Austausch und zur Verarbeitung ihrer Eindrücke angeregt werden und
andere Vorstellungen kennen und akzeptieren lernen. 151 Während der Betrachtung und im Austausch
sollen die Kinder erkennen, welche Merkmale der Vögel vom Künstler besonders hervorgehoben
wurden und mit welchen Mitteln er die s erreicht hat. Hiermit soll die Fähigkeit entwickelt werden,
sinnbildliche Darstellungen zu entschlüsseln.
147
Vgl. Aissen-Crewett, S. 122f
vgl. II. 2. Material und Werkzeug
149
vgl. II. 1.2.4 Klee: „Konzert auf dem Zweig“
150
vgl. I. 2.2 Kriterien der Bildauswahl, vgl. III. 2.3.3.3 Methodische Überlegungen
151
Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung
148
Die abstrahierte Darstellung lässt Raum für eigene Vorstellungen, sodass die Kinder angeregt werden,
subjektiv wichtige Merkmale ihres Lieblingsvogels aus dem Vogelpark zu nennen und herauszufinden
mit welchen Mitteln sie diese hervorheben können. Diese Vorstellungen sollen in den Arbeiten
umgesetzt werden und somit ihre „inneren Empfindungen“ zum Ausdruck bringen. 152 Durch das
analoge Handeln soll den Kindern der Zugang zum Werk ermöglicht und die Intention der Künstler
der Klassischen Moderne nachvollzie hbar werden.153
Für die Umsetzung ihrer Ideen stehen den Kindern Kleisterfarben in den Grundfarben und
großformatiger Karton zur Verfügung. 154 Sie sollen den Kleister mit den Händen flächig auftragen und
mit den Fingern ihre verfremdeten oder abstrahierten Vogelvorstellungen in die Farbe ritzen können.
Hierdurch entsteht eine Grattage, da durch das Abkratzen der Farbe der Untergrund hervortritt.155
Neben der sinnlichen Erfahrung haben die Kinder die Möglichkeit verschiedene Lösungswege zu
suchen und auszuprobieren, indem sie abgeschabte Stellen jederzeit wieder mit Farbe füllen können.156
Das Experimentieren mit abstrahierenden und verfremdenden Ausdrucksweisen kann zu
Erkenntnisprozessen und Verständnis im Umgang mit irritierenden, ungewöhnlichen Bildaussagen
führen. 157
Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre Arbeiten vorstellen und Überlegungen äußern können,
welches Merkmal besondere Beachtung bekommen hat und die eingesetzten Mittel zur Umsetzung
erläutern können. Durch die Beschreibung sollen die rezeptiven Fähigkeiten der Kinder geschult und
das Deutungs- und Ausdrucksrepertoire erweitert werden.
2.3.3.2 Zielsetzungen
Grobziel
Die Schülerinnen und Schüler sollen durch die Betrachtung des Werks „Konzert auf dem Zweig“ von
Paul Klee angeregt werden, eine verfremdete bzw. abstrahierte Version ihres Lieblingsvogels
darzustellen und dadurch einen Zugang zu dem Werk finden.
Fachliche Ziele
Die Schülerinnen und Schüler sollen
-
die isoliert dargestellten Vögel erkennen können.
-
erklären können, auf welches Merkmal der Vögel der Künstler besonders Wert gelegt hat und
welche Mittel er dazu eingesetzt hat.
152
Vgl. I. 2.1.1 Der Expressionismus
Vgl. I. 2.1 Zur Klassischen Moderne, RRL, S. 5
154
Vgl. III. 2.3.3.3 Methodische Überlegungen
155
Vgl. II. 1.3.2 Die Malerei
156
Vgl. RRL, S. 30
157
Vgl. Lüttges, S. 78
153
-
verstehen, dass durch Veränderung oder Vernachlässigung von Merkmalen Einzelheiten
besonders betont werden können.
-
erläutern können, mit welchen Mitteln sie das besondere Merkmal ihres Lieblingsvogels
betonen wollen.
-
ihre Vorstellung experimentell erarbeitend in Kleisterfarbe gravieren können.
-
ihre und andere Werke vorstellen und inhaltlich erläutern können.
Prozessuale Ziele im sozialen und affektiven Bereich
Die Schülerinnen und Schüler sollen
-
Zugang zu dem Werk „Konzert auf dem Zweig“ von Paul Klee finden.
-
ihr kreatives Verhalten und ihre Fantasiefähigkeit weiterentwickeln.
-
ihre Symbolisierungsfähigkeiten ausbilden.
-
ein Verfahren zum besonderen Ausdruck subjektiv gewichteter Details kennen lernen.
-
die Technik der Grattage kennen lernen.
-
ihre sinnliche Wahrnehmung schulen.
-
sich gegenseitig zuhören und lernen, andere Meinungen zu akzeptieren.
2.3.3.3 Methodische Begründungen
Die Schülerinnen und Schüler werden durch ein ritualisiertes ikonisches Zeichen aufgefordert in den
Stuhlhalbkreis zu kommen. Die Einstiegs- und Erarbeitungsphase findet im Stuhlhalbkreis statt, um
den Kindern eine bessere Sicht auf die isolierten Vögel, das Werk und die Demonstrationsmaterialien
zu ermöglichen und um eine bessere Kommunikationsatmosphäre zu schaffen.
Das Werk „Konzert auf dem Zweig“ zeigt viele kreuzende Linien, die auf die Kinder verwirrend
wirken könnten. Aus diesem Grund werden zunächst Darstellungen, auf denen die Vögel isoliert
abgebildet sind an die Tafel gehängt.158 Somit wird die Aufmerksamkeit auf die einzelnen Vögel
gelenkt und vereinfacht den Prozess des Erkennens.159
Die Technik zur Erstellung der Grattage entwickeln die Kinder im Demonstrationsverfahren, um ihnen
Möglichkeiten der Bearbeitung aufzuzeigen. Ich habe bewusst Kleisterfarbe und die Bearbeitung mit
Händen und Fingern gewählt, damit die Kinder sinnliche Erfahrungen im Umgang mit dem Material
machen können. 160 Durch den flächigen Auftrag der Farbe ist einerseits der weiße Untergrund bereits
mit Farbe bedeckt und andererseits bildet das Verwischen der Farbe Strukturen, sodass diese Technik
möglichen Blockaden entgegenwirkt. Zudem fördert die Möglichkeit des Verwerfens, ohne sichtbare
Spuren zu hinterlassen, das ungezwungene Herangehen an die Arbeit. Die Beschränkung auf die
Grundfarben soll die Kinder zum Mischen anregen.
158
Siehe V. Anhang, 8. Tafelbild (Dritte Sequenz)
Vgl. V. Anhang, 9. Isolierte Vögel aus „Konzert auf dem Zweig“
160
Vgl. I. 1.1 Zur Wahrnehmung
159
In der Arbeitsphase arbeiten die Kinder mit großformatigem Karton und einer von ihnen gewählten
Farbe. Ich habe das Format DIN A2 gewählt, um die Kinder zum Einsatz ihres gesamten Körpers
während des Experimentierens zu bewegen und ihnen so die Gelegenheit einer umfassenden
Wahrnehmungserfahrung zu geben. 161 Die Kinder sollen sich für eine Grundfarbe entscheiden, um
ungewünschte Farbmischungen, die durch Verwischungen entstehen würden, zu vermeiden.
Zu Anfang der Experimentierphase helfe ich Sedat, indem ich mit ihm ggf. den Arbeitsauftrag
nochmals fragend entwickelnd erarbeite und ihn und Joshua mit dem Farbauftrag vertraut mache.162
Zudem habe ich die Möglichkeit, die Kinder während ihres Erfahrungsprozesses zu beobachten.
Die Experimentierphase wird mittels eines ritualisierten akustischen Zeichens zwei Minuten vorher
beendet, damit die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit haben, Angefangenes zu beenden, ihre
Plätze aufzuräumen und die Materialien zurückzubringen.
Für die Präsentation und Ergebnissicherung versammeln sich die Schülerinnen und Schüler in einem
Stehkreis. Der Stehkreis bietet sich aufgrund der großformatigen Schülerarbeiten an, da der Boden
mehr Platz bietet als die Tafel. Einige ausgewählte Arbeiten, in denen auf unterschiedliche Merkmale
Wert gelegt wurde, und das Werk Klees werden in die Mitte des Stehkreises gelegt. Dadurch haben
die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen
nebeneinander zu betrachten und zu vergleichen, was die Argumentation begünstigt.
Sollte am Ende der Stunde noch etwas Zeit übrig sein überlegen die Schülerinnen und Schüler, mit
welchen Mitteln die herausgestellten Merkmale noch deutlicher hervorgehoben werden könnten.
2.3.3.4 Geplanter Unterrichtsverlauf
Zeit/ Phase
Lehrer-Schüler-Interaktion
Begrüßung
Einstieg
Begrüßung
LAn bittet die SuS in den
Stuhlhalb kreis und hängt die aus dem
Werk Klees isoliert dargestellten
Vögel an die Tafel.
LAn hängt die Kopie „Konzert auf
dem Zweig“ an die Tafel.
Die SuS äußern sich zu den
Darste llungen und überlegen, was der
Künstler besonders zum Ausdruck
bringen wollte und wodurch dies
deutlich wird.
Die SuS beschreiben Merkmale, die
ihnen an ihrem Lieblingsvogel wichtig
sind und stellen Überlegungen zur
Umsetzung an.
Einige SuS demonstrieren unter
Anle itung der LAn den Umgang mit
der Kleisterfarbe und den
9:45-9:50
Erarbeitung
9:50-10:00
161
162
Vgl. ebd.
Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage
Unterrichts- und Medien
Sozialform
Ikonisches Zeichen,
Stuhlhalbkreis,
isoliert dargestellte
Betrachtung
Vögel aus dem Werk
„Konzert auf dem
Zweig“
Stuhlhalbkreis,
Tafel, isoliert
gelenktes
dargestellte Vögel,
Unterrichtsgesprä Kopie von Klees Werk
ch, SuS „Konzert auf dem
Demonstration
Zweig“,
Karton, Aluschüsseln,
Kleisterfarbe
Arbeitsphase
10:00-10:20
Ergebnissicherung
10:20-10:30
experimentellen Möglichkeiten.
Die SuS nehmen sich einen Bogen
Karton und füllen die gewählte Farbe
in eine Schüssel und beginnen zu
experimentieren.
LAn beobachtet die SuS während ihres
Schaffensprozesses, steht für
Hilfestellungen und zur Beratung zur
Verfügung und achtet gezielt auf Sedat
und Joshua.
LAn beendet die Experimentierphase
durch ein akustisches Zeichen.
LAn bittet die SuS in den Stehkreis
und legt einige Arbeiten der SuS und
Klees Werk in die Mitte. Die SuS
äußern sich zu den Bildinhalten und
stellen heraus, worauf besonders Wert
gelegt wurde und wodurch dies
deutlich wird.
LAn beendet die Stunde.
Kooperative
Einzelarbeit, SuSAktivität, LAnHilfestellung
Stuhlhalbkreis,
gelenktes
Unterrichtsgesprä
ch
Karton (DIN A2),
Aluschüssel,
Kleisterfarbe,
(Grundfarben), Kelle,
Hände
Triangel
Ikonisches Zeic hen,
ausgewählte Arbeiten
der SuS, Kopie von
Klees Werk „Konzert
auf dem Zweig“
Zeit+: Die Schülerinnen und Schüler überlegen mit welchen Mitteln sie die herausgestellten
Merkmale noch deutlicher hervorheben können.
Zeit-: Die Präsentation wird an den Anfang der folgenden Stunde verlegt.
2.3.4 Reflexion der Sequenz
Bei der Betrachtung der isolierten Vögel aus Klees Werk war der erste Schülerbeitrag: „Was ist das?“,
der die Irritation aufgrund der Differenz zu bekannten Anknüpfpunkten deutlich machte. An den
folgenden Beiträgen war zu erkennen, dass einige Schülerinnen und Schüler sehr schnell die
Darstellungen als Vögel erkannten und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern freundlich
Erläuterungen anboten. In dem Gespräch wurden viele Einfälle (Luftballon, Besen, Gabel, etc.)
dargelegt und besprochen, woraus sich letztlich der Konsens, es seien Vögel, die singen bzw.
zwitschern, ergab. Durch die verschiedenen Beiträge und die Reaktion der Schülerinnen und Schüler
wurde eine Akzeptanz gegenüber den jeweiligen subjektiven Eindrücken bezüglich des Werkes
deutlich, indem sie z.B. dargelegte Ideen interessiert aufgriffen. Zudem erkannten und nannten sie die
vom Künstler eingesetzten Mittel zur Verdeutlichung, was durch Beiträge wie „Die Köpfe sind ganz
groß und alles andere ganz dünn“, „Die Schnäbel sind offen“, „Die Vögel haben gar keine Flügel“
deutlich wurde. Jedoch äußerten sie sich nicht nur beschreibend, sondern hatten fantastische
Vorstellungen, indem sie beispielsweise kle ine Geschichten zu den Vögeln erfanden. In Anknüpfung
daran zeigten sie großen Einfallsreichtum bezüglich ihrer Lieblingsvögel und ihrer Merkmale bzw.
Eigenschaften und äußerten ihre Vorstellu ngen zur Umsetzung („Meiner kriegt `nen riesengroßen
Schnabel mit tausend spitzen Zähnen“).
Die ungewöhnliche Technik, die Farbe mit den Händen aufzutragen, war für die Kinder sehr
ereignisreich. An Äußerungen wie „Ihh, das ist ja ganz kalt!“ oder „Das riecht aber komisch!“ konnte
ich erkennen, dass verschiedene Sinne angesprochen wurden. Viele arbeiteten im Stehen mit dem
Einsatz des ganzen Körpers, entwarfen und verwarfen wieder, andere arbeiteten vorsichtig und
zielgerichtet.163 Sedat und Joshua begannen zunächst recht verhalten, waren dann jedoch so sehr mit
der haptischen Erfahrung beschäftigt, dass sie auch die Folgestunde für das Experimentieren nutzten.
Einige Kinder äußerten den Wunsch, zusätzlich andere Farben einzusetzen. Entgegen meiner Planung
habe ich dem Wunsch nachgegeben, da den Schülerinnen und Schülern bewusst war, dass sich die
Farben durch Verwischung mischen und dadurch andere Farben entstehen. Hierdurch erschienen
interessante Effekte, durch die die Arbeiten an Tiefenwirkung gewannen. Eine Alternative wäre
demnach, dass die Kinder zunächst ihre Bedürfnisse bezüglich der haptischen Erfahrung ohne
spezielle motiv ische Einbindung ausleben und gleichzeitig mit allen Farben verschiedene
Farbmischungen ausprobieren können. Diese Erfahrungen könnten sie dann bei der Bearbeitung ihrer
Vogeldarstellung gezielt einsetzen.
Die erarbeiteten Mittel zur Hervorhebung der subjektiv wichtigen Merkmale, wurden von den
Schülerinnen und Schülern in den Werken umgesetzt, indem sie die Beine und Krallen, den Schwanz
oder den Schnabel besonders groß und den restlichen Körper des Vogels verhältnismäßig kle in bzw.
als „Strichzeichnung“ darstellten. 164 Sie zeigten sich begeistert von der ungewöhnlichen
Darstellungsweise, wobei insbesondere Torben und Stefan positiv auffielen, da sie sehr ausdauernd
und konzentriert arbeiteten. Einige nutzten ihre Vorerfahrungen und setzten grafische Stilmittel zur
Verdeutlichung von Bewegungen oder Geräuschen ein. 165 Die Ergebnissicherung musste auf den
Anfang der nächsten Stunde verschoben werden, da die Kinder sehr viel Zeit für das Experimentieren
brauchten.
Bei der Teilpräsentation fiel den Kindern auf, dass sich Grattagen in gelber Kleisterfarbe am
wenigsten von dem weißen Untergrund abzeichneten.
Zur weiteren Bearbeitung ihrer Werke haben die Schülerinnen und Schüler gezielte Farbmischungen
vorgenommen, wobei sich besonders Lukas M., Alexander und Don Peer begeistert zu den ermischten
Farben äußerten.166 Einige Kinder nutzten gezielt die Kontrastwirkung von Komplementärfarben. 167
Nach der Betrachtung der Bilder im Zusammenhang mit der kommenden Ausstellung kamen die
Kinder auf die Idee, dass die Bilder Rahmen bräuchten. Das angebotene Material nahmen sie gern an
und arbeiteten gut mit ihrem Partner zusammen. 168 Alexander und Lukas L. hatten anfangs
Schwierigkeiten mit der Verbindungstechnik, woraufhin andere Paare helfend eingriffen und somit
eine hohe Sozialkompetenz zeigten. Die Gestaltung der Rahmen mit dem angebotenem Material regte
die Kinder zu Kreativität an.169 Viele nutzen eher die neu erlernte Verbindungstechnik mit Draht –
sogar um Federn zu befestigen – als die bekannte mit Klebstoff und zeigten damit ihr Interesse und
163
Siehe Foto Nr. 10
Siehe Foto Nr. 11
165
Vgl. III. 2.2. Zweite Unterrichtssequenz
166
Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage
167
Siehe Foto Nr. 12
168
Siehe Foto Nr. 14
169
Siehe Foto Nr. 15, Nr. 16
164
den Willen, diese Technik gut beherrschen zu können. Den Kindern bereitete dann auch die
Befestigung ihrer Arbeit in den Rahmen keine Probleme.170
2.4. Vierte Unterrichtssequenz: „Maschineller Antrieb für die märchenhaften Sänger“ mit
ausführlichem
Unterrichtsentwurf
der
Stunde
„Flatter-,
Krächz-,
Greif-
und
Zwitschermaschinen“
In dieser Unterrichtssequenz wird die räumliche Gestaltung von kinetischen Objekten beschrieben.
Die Grundlage hierfür bilden konstruktive Vorstellungsvermögen und die Anfertigung von Skizzen,
die in der ausführlichen Beschreibung der Unterrichtsstunde erläutert wird.
2.4.1 Methodisch-didaktische Vorüberlegungen der Sequenz
In den niedersächsischen Rahmenrichtlinien ist das Thema ‚Obje kte’ dem räumlichen Gestalten
zuzuordnen. Für das dritte Schuljahr ist die Gestaltung eines Reliefs vorgesehen. Ich habe mich
stattdessen aufgrund der Interessen und Fähigkeiten der Lerngruppe 171 für eine räumliche Umsetzung
der Vögel zu einem Objekt entschieden. Hierzu angeregt werden die Kinder durch die Betrachtung des
Werkes „Die Zwitscher-Maschine“ von Paul Klee (F)172 . Zudem fließen bei der Umsetzung die
Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler aus dem Vogelpark mit ein. Das Objekt soll in sich
beweglich sein, also kinetische Elemente enthalten, sodass es nicht nur zum Betrachten, sondern auch
zum Spielen anregt.
Malen, Formen, Basteln, Bauen und Sammeln sind Tätigkeiten, die in ihrem Ursprung mit dem Spiel
verwandt sind. Das eigene Herstellen und Gestalten von Spielzeugen übt auf Kinder eine besondere
Faszination aus, die in Zeiten industrieller Spielzeugproduktion immer mehr verloren geht. 173 Viele
Spielzeuge lassen sich heutzutage mittels eines Knopfdrucks in Bewegung setzen, sodass die Kinder
wenig Einfluss auf das Spiel ausüben können. Dadurch wird der Fantasietätigkeit, der Möglichkeit
zum Probehandeln und der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit entgegengewirkt, die die
Spielfähigkeit ausmachen. 174 Das Herstellen eines eigenen Spielzeugs und die damit verbundene
handelnde Auseinandersetzung mit Material knüpft an die Spielfähigkeit an. Durch den gestalterischen
Produktionsprozess eröffnen sich jedoch zusätzlich Erfahrungschancen, die Erkenntnisse hervorrufen,
da das sinnlich entdeckende, fantasiereiche Handeln im Vordergrund steht.
Das Märchen „Die Nachtigall“ von Hans Christian Andersen175 und die Betrachtung des Werkes „Die
Zwitscher-Maschine“ von Paul Klee (F) soll die Fantasietätigkeit der Kinder anregen, indem sie
Vorstellungen einer eigenen „Vogelmaschine“ entwickeln und skizzieren. 176 Die Erfahrungen der
170
Siehe Foto Nr. 17
vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage
172
vgl. II. 1.2.5 Klee: “Die Zwitscher-Maschine“
173
Vgl. Rams, S. 110
174
Vgl. Kirchner (1999), S. 306
175
vgl. V. Anhang, 10. Märchen
176
Vgl. III. 2.4.2.1 Didaktische Entscheidungen
171
Kinder bezüglich des Skizzierens zu Beginn der Unterrichtseinheit werden wieder aufgegriffen und
erweitert, da sie die Skizze aus ihrer Vorstellung heraus anfertigen sollen. 177
Im weiteren Verlauf sollen sich die Schülerinnen und Schüler überlegen, wie sie die Vorstellung ihrer
„Vogelmaschine“ umsetzen können. Da die „Maschine“ die Form und die Bewegung des Vogels
bestimmt, soll zunächst das Gerüst montiert werden, in das der Vogel später integriert wird. Hierbei
müssen die Kinder die Größe ihres Vogels bedenken, wodurch ihre Raumvorstellung erweitert wird.
Zur Umsetzung stehen den Kindern Bambusstöcke, Äste, Draht und Gips zur Verfügung. Da einige
skizzierte Vorstellungen möglicherweise zu komplex für eine Umsetzung mit den gegebenen
Möglichkeiten sind, habe ich zuvor eine Materialauswahl getroffen. Dadurch soll die Kreativität der
Kinder gefördert werden, da sie ihre Vorstellungen ggf. modifizieren müssen. Des Weiteren sollen die
Schülerinnen und Schüler einen Gipssockel gießen. In diesem werden mit Draht oder Ästen Gerüste
bzw. „Ständer“ für die Vögel gestaltet. Hierbei lernen sie, dass sich das flexible Material „Draht“ in
der Verbindung mit Gips durch leichte Bewegungen lösen lässt, sodass die Drahtenden umgebogen
werden müssen, um eine feste Verbindung zu schaffen.178
Als Anregung für die räumliche Gestaltung ihres Vogels betrachten die Kinder zunächst sechs
verschiedene Bildausschnitte aus: „Vögel“ (Marc) (C), „Zwei Vögel“ (Kandinsky) (H), „Der große
Vogel“ (Nolde) (G), „Rotgeflügelte Sumpfhühner“ (J), „Vogel-Begegnung“ (K) und „Die ZwitscherMaschine“ (Klee) (F). Unter den Ausschnitten befinden sich drei unbekannte und drei aus den
vorangegangenen Stunden bekannte Darstellungen, die den Kindern den Zugang zu Neuem über das
Wiedererkennen von Bekanntem erleichtern sollen. Zudem werden ihnen die bekannten Darstellungen
vertrauter. Die vergleichsweise hohe Anzahl an Bildern habe ich gewählt, um den Kindern möglichst
viele unterschiedliche Darstellungen von Künstlern der Klassischen Moderne und verschiedene Arten
möglicher Umsetzungen nebeneinander zeigen zu können. Hiermit soll ihnen die Vielfalt von
Ausdrucksweisen zu einem Thema bewusst werden. Ich habe Ausschnitte gewählt, damit der
Gesamteindruck der Werke nicht von der Darstellung der Vögel ablenkt.
Bei der Betrachtung sollen die Kinder an ihre Beobachtungen aus dem Vogelpark anknüpfen und die
Darstellungen mit diesen Erfahrungen und den Vorstellungen von ihrem Lieblingsvogel in Beziehung
setzen. Durch die Erinnerung und den Einbezug emotionaler Aspekte, werden bei der Bildbetrachtung
die Bildinhalte mit den Vorerfahrungen verknüpft und erweitern so das Erfahrungspotential der
Kinder.179
Der Impuls „Die Vögel fühlen sich in den Bildern schon ganz wohl, aber manchmal möchten sie auch
raus und flattern, zwitschern und Eier legen“180 soll die Kinder zu Überlegungen bezüglich der
räumlichen Gestaltung ihres Vogels anregen.
177
Vgl. III. 2.1 Erste Unterrichtssequenz
Vgl. II. 1.4.1 Bauen und Montieren
179
Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung
180
vgl. Wiehe/ Seydel, S. 11
178
Zur
räumlichen
Gestaltung
der
Vögel
setzen
die
Kinder
ihre
Erfahrungen
mit
den
Verbindungstechniken ein, indem sie geknülltes Zeitungspapier mit Draht umwickeln und so einen
Vogel formen. Während der Arbeitsphase bleiben die Werke an der Tafel hängen, um den Kindern bei
Bedarf einen visuellen Zugang zu ermöglichen. Die Werke sollen in der Ergebnissicherung mit den
entstandenen Arbeiten in Beziehung gesetzt werden. Hiermit soll den Kindern der Weg von der
Betrachtung über die Vorstellung bis zur Entstehung ihrer Arbeiten bewusst werden.
Das anschließende Kaschierverfahren mit Kleisterpapier 181 bildet einen glatten Untergrund zum
farbigen Gestalten der Vögel. Durch die handelnde und sinnliche Auseinandersetzung mit dem
bekannten Material182 soll der gedankliche Prozess, für den die Werkbetrachtung den Anstoß gab,
weitergeführt werden. In der Ergebnissicherung haben die Kinder die Möglichkeit, ihre Gedanken
auszutauschen, indem sie an ihren Objekten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den
Vogeldarstellu ngen in den Werken aufzeigen. Durch den Austausch und auch innerhalb der Arbeiten
werden Unterschie de deutlich, die verschiedene Meinungen und Eindrücke hervorrufen. Die
Schülerinnen und Schüler le rnen so die Verschiedenheit möglicher Ausdrucksweisen kennen und
sollen lernen, ihre eigene Auffassung sowohl verbal als auch bildnerisch darzustellen. Dies beinhalten
zudem, dass sie lernen, sich gegenüber anderen Standpunkten tolerant zu verhalten. 183
Zur farbigen Gestaltung der Vögel lese ich den Kindern einen Auszug aus dem Text „Die Katze mit
den grünen Punkten“ von Herold Gottfried184 vor, um den Kindern eine Möglichkeit aufzuzeigen, mit
dem verfremdenden Einsatz von Farbe und Muster die Einzigartigkeit ihres Lieblingsvogels zu
unterstreichen.
Zum Einfügen der Vögel in die „Maschinen“ werden wieder Verbindungstechniken aufgegriffen, die
dabei vertieft und gefestigt werden. Zudem sollen die Kinder Verbindungen von der „Maschine“ zum
Vogel gestalten (z.B. Draht, elastisches Band, „Zahnräder“, Kurbel o.a.), sodass der Antrieb bzw. die
Funktionsweise sichtbar wird. Gemäß einer didaktischen Reduktion besteht bei den Montagen nicht
der Anspruch auf Funktionsfähigkeit, sie sollen jedoch in sich beweglich sein. 185
Die fertigen kinetischen Objekte werden in der Ergebnissicherung durch Vorführung bzw. Vorstellung
der tatsächlichen bzw. „imaginären“ Funktionsweise präsentiert. Zudem sollen sie die Funktionsweise
ihrer kinetischen Montage mit der der „Zwitscher-Maschine“ vergleichen. Hiermit wird wieder eine
konkrete Verbindung zum Werk hergestellt, sodass das Werk in Zusammenhang mit den positiven
Empfindungen bezüglich der eigenen Arbeiten in der Erinnerung der Schülerinnen und Schüler
bleibt. 186
181
vgl. Hietkamp, S. 138
vgl. III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz
183
Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung
184
siehe V. Anhang, 11. Erzählung
185
Vgl. II. 1.4.2 Kinetische Kunst
186
Vgl. Zimbardo, S. 124f
182
2.4.2 Ausführliche Darstellung der Unterrichtsstunde „Maschineller Antrieb für die
märche nhaften Sänger“
Die Unterrichtsstunde bildet den Anfang der Sequenz. Hinweise über die Lernausgangslage und die
Lerngruppe sind dem zweiten Kapitel zu entnehmen. Die Sachinformationen für die Unterrichtsstunde
beziehen sich auf den Künstler Paul Klee und sein Werk „Die Zwitscher-Maschine“ sowie auf die
Skizze, die im zweiten Kapitel dieser Arbeit beschrieben sind. Die didaktischen Entscheidungen sind
ergänzend zu den didaktisch-methodischen Vorüberlegungen der Sequenz zu sehen.
2.4.2.1 Didaktische Entscheidungen
Ein wesentliches Ziel des Kunstunterrichts ist, Lernbedingungen zu schaffen, die den Schülerinnen
und Schülern ermöglichen, Zugang zu Kunstwerken zu finden. 187 Ich habe mich entschieden, den
Kindern einen Zugang zu dem Werk „Die Zwitscher-Maschine“ von Paul Klee (F) über das Märchen
„Die Nachtigall“ nach Hans Christian Andersen zu eröffnen. Das Märchen enthält einerseits Motive
des Fantastischen, Wunderbaren, die die Kinder unterstützen fantasievolle Vorstellungen zu
entwickeln und andererseits inhaltliche Ähnlichkeiten mit dem Entstehungsprozess des Werkes.188
Zudem ruft es bei den Kindern Assoziationen aus ihrem Erfahrungsbereich hervor, an die sie während
der Werkbetrachtung anknüpfen können.
Die mechanische Nachtigall des Märchens kommt in ihrer Funktionsweise dem „Musikautomat“
gleich, der Klee zu seinem Werk inspirierte. Den Schülerinnen und Schülern sind solcherart
Spielzeuge vertraut. Sie kennen z.T. aufziehbare, zumeist aber batteriebetriebene Spielzeuge.189 Bei
diesen, wie auch dem „Musikautomat“ bleibt die Elektronik bzw. Mechanik versteckt. Klee hat in
seinem Werk den „mechanischen“ Teil des Automaten durch einfache Linien und das „Anbringen“
einer Kurbel „sichtbar“ gemacht. Die Schülerinnen und Schüler kennen bereits Klees Darstellung der
Vögel190 und werden bei der Betrachtung ihr Augenmerk auf die veränderten Teile des Bildes, das
Gestänge mit der Kurbel, legen. Die Betrachtung ruft die Vorstellung der potentiellen Bewegungen
der Vögel hervor, wenn an der Kurbel gedreht wird. Hierbei fließen ihre Vorerfahrungen aus dem
Vogelpark in die Vorstellung mit ein, da sie durch die genaue Beobachtung und Wahrnehmung der
Vögel deren Bewegungen antizipieren können. Durch die Hypothesenbildung und deren
Versprachlichung setzen sich die Schülerinnen und Schüler intensiv mit dem Werk auseinander und
nehmen es in seinen Einzelhe iten und Zusammenhängen wahr.
Die Kinder bekommen die Möglic hkeit, einen persönlichen Bezug zum Werk aufzubauen und sich
über ihre unterschiedlichen Eindrücke auszutauschen. Hierdurch lernen sie aufgeschlossen gegenüber
Meinungen und Kunstwerken zu sein, deren Inhalte von ihren Eindrücken und Erfahrungen der
Lebenswelt differieren. Die Erweiterung ihres Erfahrungspotentials durch die Differenzerfahrung
187
188
189
190
Vgl. RRL, S. 5
Vgl. II. 1.2.5 Klee: „Die Zwitscher-Maschine“
Vgl. III. 2.4.1 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen
vgl. III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz
fördert die Bereitschaft, auch zukünftig offen und interessiert Kunstwerken mit ungewöhnlichen oder
auch irritierenden Inhalten zu begegnen. 191
Die Vorerfahrung im Zusammenfügen und Befestigen von Stöcken und anderen Materialien und in
der grafischen Darstellung von Bewegungen unterstützt die Vorstellungskraft zur gedanklichen
Entwicklung
einer
Bewegungsablä ufe.
192
„Vogelmaschine“,
ihrer
mechanischen
Elemente
und
potentiellen
Gemäß einer didaktischen Reduktion kommt es hierbei ebenso wenig wie in
Klees Werk darauf an, dass die Konstruktion auch in der „Realität“ funktionieren würde.
Zur Anfertigung einer „Vogelmaschinenskizze“ bietet sich der gezielte Einsatz grafischer Mittel an, da
es hierbei weniger um die flächige, farbige Gestaltung geht, als vielmehr um den Gewinn an Kla rheit
(Maschinenentwurf) und Informationswert (Bewegungsdarstellung) durch die Reduktion auf einfache
Linien. 193 Fächerübergreifend wird im Sachunterricht das Thema „Wasser“ behandelt, bei dem
verschiedene Schwerpunkte wie Wasserbewegungen und -läufe oder auch Wasservögel behandelt
werden.
Die zeichnerische Umsetzung ihres Vogels in einer selbst entworfenen „Vogelmaschine“ bildet einen
weiteren Schritt auf der „Gedanken- und Handlungsstraße“ Klees, da dieser zur Umsetzung seiner Idee
ebenfalls grafische Mittel einsetzte.194 Die Schülerinnen und Schüler bauen durch dieses analoge
Handeln einen persönlichen Bezug zum Werk Kle es auf, der es Ihnen ermöglichen kann, die
Intentionen des Malers mit den eigenen in Beziehung zu setzen.
Der Vergleich mit dem Werk Klees sowie der Arbeiten untereinander ist ebenso Bestandteil bei der
Vorstellung und Beschreibung einzelner Arbeiten. 195 Hierbei sollen keine Wertungen vorgenommen,
sondern Klees Werk als eine Variante unter anderen verstanden werden. Durch die Beschreibung der
Arbeiten wird die Bildmitteilung nicht nur wahrgenommen, sondern erhält durch die gezielte
Auseinandersetzung einen Wiedererkennungswert, so dass vorher Gewusstes wieder verfügbar
gemacht werden kann.
2.4.2.2. Zielsetzungen
Grobziel
Die Schülerinnen und Schüler sollen durch das Märchen „Die Nachtigall“ von H. Chr. Andersen und
Klees Werk „Die Zwitscher-Maschine“ angeregt werden, eine „Vogelmaschine“ zu skizzieren.
Feinlernziele
Fachliche Lernziele
Die Schülerinnen und Schüler sollen
191
192
193
194
195
Vgl. I. 2.3 Zur Differenzerfahrung
Vgl. III. 2.3 Zweite Unterrichtssequenz
Vgl. II. 1.3.1.1 Die Skizze, vgl. Büchner, S. 17f
Vgl. RRL, S. 11
Vgl. RRL, S. 5
-
durch das Märchen „Die Nachtigall“ von H. Chr. Andersen zu fantasievollen Vorstellungen
einer „Vogelmaschine“ angeregt werden und ihre Gedanken verbal darlegen können,
-
die Farbkopie des Werkes „Die Zwitscher-Maschine“ betrachten und Hypothesen zum
potentiellen Bewegungsvorgang bilden können,
-
Vorstellungen zu einer „Vogelmaschine“ bilden und in einer Skizze zum Ausdruck bringen
können,
-
ihre zeichnerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten vertiefen und festigen, indem sie grafische
Bildelemente gezielt einsetzen,
-
die Arbeiten beschreiben und vergleichen können und sie als unterschiedliche
Darstellungsmöglichkeiten neben anderen verstehen.
Prozessuale Ziele im sozialen und affektiven Bereich
Die Schülerinnen und Schüler sollen
-
ihre Fantasie entfalten, indem sie durch das Märchen dazu angeregt werden.
-
ihre soziale und kommunikative Kompetenz erweitern, indem sie einander Zuhören und
andere nicht stören.
-
in ihrem fantastischen und künstlerischen Ausdruck positiv bestärkt werden, indem jeder
themenbezogene Beitrag als wichtig und sinnvoll gewürdigt wird.
-
Zugang zur Klassischen Moderne und speziell dem Werk „Die Zwitscher-Maschine“ von Paul
Klee finden.
-
ihre Differenzerfahrungen erweitern, indem sie Unterschiede wahrnehmen und akzeptieren
lernen (sprachlich und bildnerisch).
-
ihre Wahrnehmung, Feinmotorik und die Auge-Hand-Koordination schulen, vertiefen und
festigen.
2.4.2.3. Methodische Begründungen
Nach der Begrüßung kommen die Kinder, aufgefordert durch ein ikonisches Zeichen, in den
Stuhlhalbkreis. Gern hätte ich für den Einstieg einen Musikautomat als Anschauungsmittel
mitgebracht. Da aber keiner zur Verfügung stand, habe ich das Märchen gewählt, da hierin ein
„Musikautomat“ die zentrale Rolle spielt. Zudem hat es den Vorteil, dass es die Kinder zu
fantasievollen Vorstellungen anregt und sie außerdem ein Stück Weltliteratur kennen lernen. Ich habe
für den Einstieg den Stuhlhalbkreis gewählt, um eine intensivere Stimmung zum Vorlesen des
Märchens zu bewirken. Das Märchen von Hans Christian Andersen196 habe ich stark gekürzt, um es
einerseits zeitlich anzupassen und anderseits die Elemente der Wichtigkeit für diese Stunde stärker
hervorzuheben. Aus letztgenanntem Grund werde ich das Märchen selber vorlesen, um an bestimmten
196
siehe V. Anhang, 11. Märchen
Stellen bedeutungsvolle Pausen einlegen zu können oder wichtige Elemente durch gezielte Intonation
hervorzuheben und damit die Vorstellungskraft der Schülerinnen und Schüler unterstützen.
Die folgende Erarbeitungsphase findet ebenfalls im Stuhlhalbkreis statt, da diese Sozialform
kommunikationsfördernd wirkt und den Kindern einen freien Blick zur Farbkopie des Werks
gewährt.197 Die Farbkopie ist stark vergrößert, damit alle Schülerinnen und Schüler auch Einzelheiten
gut erkennen können. Ich habe das Ganzwerk gewählt, damit die Kinder unmittelbar die Unterschiede
und Zusammenhänge zu dem Werk „Konzert auf dem Zweig“ erkennen können.
Während der Gespräche werde ich die Lerngruppe gegebenenfalls durch gezielte Impulse zur
sprachlichen Darstellung ihrer Vorstellungen ermuntern. Diese Lenkung erfolgt im ersten Gespräch
bezüglich der Beschreibung der künstlichen Nachtigall und wie ein solcher Musikautomat
funktionieren könnte. Das zweite Gespräch erfolgt nach dem stummen Impuls der Bildbetrachtung.
Gegebenenfalls lenke ich das Gespräch auf die „Mechanik“ der „Zwitscher-Maschine“ und ihrer
Funktionsweise und rege sie durch verbale Impulse an, sich Gedanken zu ihrem Vogel zu machen und
welche Bewegung die „Mechanik“ herbeiführen soll. Ich bezwecke damit, die Kinder auf die folgende
Aufgabe einzustimmen und vorzubereiten.
In der Arbeitsphase arbeiten die Schülerinnen und Schüler in kooperativer Einzelarbeit, da sich diese
Arbeitsform zur individuellen Umsetzung der Ideen und Vorstellungen besonders eignet. Die
Schülerinnen und Schüler arbeiten mit dem Bleistift auf Papier (DIN A4), da mit diesen Arbeitsmitteln
zeichnerische Elemente gut umgesetzt und ungewünschte Spuren beseitigt werden können.
Am Anfang dieser Phase werde ich mich zunächst Sedat zuwenden und ihn durch fragendentwickelnde Impulse dazu ermuntern, den Arbeitsauftrag zu verinnerlichen. Des Weiteren achte ich
besonders auf Thorben, Stefan und Verena, um ihnen gegebenenfalls durch gezielte Impulse
Anregungen und Hilfestellungen zur Weiterarbeit zu geben. 198
Ein ritualisiertes akustisches Signal zur Beendung der Arbeitsphase setzt zwei Minuten vorher ein und
beendet die Arbeitsphase nach Ablauf der zwei Minuten durch ein erneutes Signal. Die Kinder haben
so die Möglichkeit, letzte Verfeinerungen vorzunehmen und sich auf die folgende Phase
vorzubereiten.
Da in der Präsentations- und Ergebnissicherungsphase nicht sämtliche Arbeiten der Schülerinnen und
Schüler besprochen werden können, wähle ich gezielt einzelne Arbeiten aus, die übersichtlich und
nachvollziehbar gestaltet sind, um Verwirrungen und nicht nachvollziehbaren Ausschweifungen
entgegenzuwirken.
In der Präsentations- und Ergebnissicherungsphase kommen die Schülerinnen und Schüler erneut in
den Stuhlhalbkreis. Ausgewählte Arbeiten werden zunächst im Stuhlkreis herumgegeben und
daraufhin neben Klees Werk an die Tafel gehängt. Ein vollständiges Erkennen aufgrund ihrer Größe
und der zu vermutenden inhaltlichen Komplexität wäre sonst höchstwahrscheinlich nicht möglich.
197
198
Siehe V. Anhang, 12. Tafelbilder
Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage
Sollte noch etwas Zeit sein, überlegen sich die Schülerinnen und Schüler, welches Material sie zum
Bau ihrer „Vogelmaschine“ benötigen.
2.4.2.4. Geplanter Unterrichtsverlauf
Zeit/ Phase
Lehrer-Schüler-Interaktion
Begrüßung
Einstieg
LAn begrüßt die SuS und stellt den Besuch
vor.
LAn bittet die SuS in den Stuhlhalbkreis
10:35-10:40 und liest ein Märchen vor.
Erarbeitung Gesprächsphase 1:
LAn bittet die SuS von ihren Vorstellungen
10:40-10:50 bzgl. der künstlichen Nachtigall zu
berichten und gibt ggf. Impulse die
Funktionsweise genauer zu beschreiben.
Gesprächsphase 2:
LAn hängt die Farbkopie an die Tafel und
gibt ggf. den Impuls: „Was passiert, wenn
du an der Kurbel drehst?“
Des Weiteren ermuntert die LAn die SuS,
sich
Vorstellungen
zu
ihrer
„Vogelmaschine“ zu machen und was an
ihrem Vogel bewegt werden soll.
Arbeitsauftrag: Erfinde
selber
eine
Mechanik, die dein en Vogel bewegt und
zeichne sie auf.
LAn verweist auf die zu verwendenden
Arbeitsmittel.
Arbeitsphase Die SuS zeichnen ihre „Vogelmaschine“.
LAn gibt individuelle Hilfestellungen und
10:50-11:10 hilft insbesondere Sedat und ggf. Thorben,
Stefan und Verena durch gezielte,
anregende Impulse.
LAn beendet die Phase mittels eines
ritualisierten akustischen Signals.
LAn wählt einige Arbeiten für die
Präsentation aus.
ErgebnisEinzelne Arbeiten werden zur genauen
sicherung
Betrachtung herumgegeben, anschließend
vorgestellt und in der Funktion beschrieben.
11:10-11:20 LAn beendet die Stunde.
UnterrichtsSozialform
und Medien
Ikon. Zeichen,
Stuhlhalbkreis,
Vorlesung
Stuhlhalbkreis,
gelenktes
Unterrichtsgespräch
„Die Nachtigall“
nach H. Chr.
Andersen
Bildbetrachtung,
gelenktes
Unterrichtsgespräch
Tafel,
Farbkopie
Kooperative
Einzelarbeit,
SuSAktivität,
LAn
Hilfestellung
und Beratung
Bleistift,
Radiergummi,
Kopierpapier
(DIN A4)
Triangel
Stuhlhalbkreis,
Betrachtung
Gespräch
Tafel, Arbeiten
und der SuS, s/w
Kopie
„Die
Zwitscher
Maschine
Zeit +: Die SuS überlegen, welche Materialien zur räumlichen Umsetzung der „Vogelmaschinen“ eingesetzt werden können.
Zeit –: Die Reflexion findet in der folgenden Stunde statt.
2.4.3 Reflexion der Sequenz
Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich im Verlauf der Sequenz sehr motiviert. Die
Werkbetrachtungen und das Angebot der unterschiedlichen Materialien regte ihre Fantasie und
Kreativität an, die in der Verschiedenheit der entstandenen Arbeiten sichtbar wurde.
Der Gesamteindruck des Werkes „Die Zwitscher-Maschine“ wirkte sehr stark auf die Kinder. Ihr
erweitertes Erfahrungspotential zeigte sich darin, dass die abstrahiert dargestellten Vögel keine
Irritationen mehr hervorriefen. Aber entgegen meinen Erwartungen, die Kurbel und das Gestänge in
Zusammenhang mit den Vögeln würde sie zum Dialog herausfordern, waren es die Farben, die sie
beeindruckten und sie zu fantasievollen Vorstellungen und zum Austausch anregten. Die Farben
bildeten ihrer Meinung nach eine Art gläsernen Vogelbauer, in dem die Vögel sitzen. Hierdurch kam
zum Ausdruck, dass sie das Gestänge wohl wahrgenommen hatten, es aber als Teil des „Käfigs“
sahen. Um die Betrachtung speziell auf die Kurbel und das Gestänge zu zentrieren, könnte ein
Passepartout hilfreich sein, das zunächst nur Einzelheiten freigibt.
An den Äußerungen ihrer Vorstellungen wurde neben dem Einfluss der Werkbetrachtung auch der des
Märchens deutlich. Zudem flossen die Erlebnisse aus dem Vogelpark mit ein, da die Vögel in den
Beschreibungen der Kinder bei Inbetriebnahme der Maschine nicht nur singen oder zwitschern,
sondern sich auf ganz unterschiedliche Art bewegen sollten. Einige Kinder beschrieben kreativ und
fantasievoll den Antrieb und die potentiellen Bewegungsabläufe ihrer „Vogelmaschinen“, andere
schilderten originelle aber batteriebetriebene Bewegungsabläufe. Diese Kinder hatten Schwie rigkeiten,
die Funktionsweise in ihren Skizzen zum Ausdruck zu bringen, sodass ich sie durch gezielte
Fragestellu ngen und Anregungen unterstützte, ihre Vorstellungen „mechanisch“ umzusetzen. Eine
Alternative wäre, dass einige Kinder in der Erarbeitungsphase ihre Vorstellungen an der Tafel
skizzieren, um exemplarisch Antriebsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Es entstanden sehr unterschiedliche, fantasievolle und zum Teil komplexe Arbeiten in denen sie z.T.
auch ihren Eindruck vom gläsernen Käfig grafisch umsetzten. 199 Gerade diese kreative und
fantasievolle Verschiedenheit machte es schwierig, die Maschinen zu gestalten. Die Kinder ließen sich
jedoch von dem Material dergestalt anregen, dass sie ihre Vorstellungen modifizierten und
Möglichkeiten zur Umsetzung ihrer Skizzen fanden. Bei der Gestaltung der Maschinen-Montagen
entwickelten sie die Drehtechnik, da die Vögel in ihrer Vorstellung eine Größe hatten, für die die
Stabilität des Blumendrahtes nicht ausreichte. Durch den erprobenden Umgang mit dem Gips während
der Erarbeitung kamen die Kinder bei der Problematisierung auf die Lösungswege zur festen
Verbindung des Drahtes mit dem Gipssockel.
Die Betrachtung der Werkauswahl machte deutlich, dass die Beobachtungen aus dem Vogelpark noch
immer präsent waren, da die dargestellten mit den beobachteten Bewegungen in Zusammenhang
gebracht wurden. Eine Schülerin bemerkte beispielsweise, dass der Vogel in dem Bildausschnitt
Noldes (G) dem Beute fressenden Adler aus dem Vogelpark glich. Sie verwiesen auf die gestaltete
Wand im Klassenraum, an der alle Werke und Kopien der Künstler hingen, die sie im Laufe der
Einheit kennen gelernt hatten und zeigten somit, dass ihnen die Werke bekannt waren.200 Den
unbekannten Werken näherten sie sich sehr offen und zeigten dieses, indem sie die
199
200
Siehe V. Anhang, 13. Skizzen „Vogelmaschinen“
Siehe Foto Nr. 19
Bewegungsvorstellungen ihres Lie blingsvogels problemlos einem oder mehreren Darstellungen
zuordnen konnten.
Sie reagierten begeistert auf den Impuls und ließen sich von dem Material und dem Werkzeug zu
kreativen und fantasievollen Ideen anregen. Dies ze igte sich vor allem darin, dass auch Oliver, Gerrit
und Alexander, die sonst weniger Schaffensdrang aufbrachten, eifrig anfingen zu arbeiten. 201 Ihre
Begeisterung reichte so weit, dass sie begannen, mit ihren Vögeln zu spielen. Sie brachten die
Assoziationen, die durch den handelnden Umgang bei der Herstellung der Vögel ausgelöst wurden,
spielend zum Ausdruck. Durch die Einleitung der Ergebnissicherung unterbrach ich diese
atmosphärische Phase, da die Situation meiner Meinung nach zu entgleisen drohte. Die Schülerinnen
und Schüler zeigten sich dann aber während der Ergebnissicherung doch noch sehr konzentriert, da sie
interessiert ein Ergebnis betrachteten und die dargestellte Bewegung in einem der Werke
wiederzufinden suchten. Hier kamen mehrere Meinungen auf, die überprüft und ausnahmslos
akzeptiert wurden. Anstatt einer kognitiven Ergebnissicherung könnte alternativ die Spielbereitschaft
der Kinder aufgegriffen und strukturiert werden, indem beispielsweise Kindergruppen Spielsituationen
mit den „Spielzeugen“ spontan einüben und vorführen.
Die sinnliche Vorerfahrung mit den Kleisterfarben ließ die Kinder beherzt an die Arbeit des
Kaschierens herangehen.202 Durch die Feuchtigkeit des Kleisters begann der Draht zu rosten, sodass
braune Flecken auf der Oberfläche entstanden. Ein interessanter Nebeneffekt, der im Sachunterricht
aufgegriffen wurde, in dem das Thema Wasser behandelt wurde.
Die Erzählung „Die Katze mit den grünen Punkten“ regte die Fantasie der Kinder an. Dies wurde
sichtbar, indem sie ihre Vögel zum Teil ungewöhnlich gemustert (z.B. kariert) gestalteten. Das
Einfügen der Vögel in die Maschine bereitete den Kindern keine Probleme, da sie ihre Erfahrungen
mit den verschiedenen Verbindungstechniken nutzen konnten. Hierbei fiel mir auf, dass Alexander
und Lukas L. selbstständig ihre Vögel einfügten und nicht mehr auf Hilfe angewiesen waren.203 Durch
das vielfältige Materialangebot ließen sich viele der Schülerinnen und Schüler zu kreativen Ideen
anregen. Z.B. nutzten einige Kinder zur Verdeutlichung des Antriebs Kronkorken als Zahnräder.204
Andere nutzten die Kronkorken, um in ihre Maschinen Geräusche zu integrieren. 205 Viele brachten
eine Kurbel an und zeigten somit ihre gedankliche Auseinandersetzung mit dem Werk „Die ZwitscherMaschine“. 206 Während der Präsentation ihrer kinetischen Objekte wirkte die Begeisterung der
Arbeitsphase nach, da sie stolz ihre Werke vorführten und detailliert die Funktion ihrer Maschine und
die der „Zwitscher-Maschine“ beschrieben.
2.5 Fünfte Unterrichtssequenz:
201
Vgl. II. 3. Lerngruppe und Lernausgangslage
Vgl. III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz
203
Vgl. III. 2.3.4 Reflexion der dritten Unterrichtssequenz
204
Siehe Foto Nr. 27
205
Siehe Foto Nr. 28, Nr. 29
206
Siehe Foto Nr. 27, Nr. 30
202
„Herzlich Willkommen bei den Paradiesvögeln und Flatterwesen“
Im Folgenden wird die Vorbereitung der Ausstellung der Kinderwerke beschrieben. Die entstandenen
Arbeiten sollen in einem Café in der Innenstadt Walsrodes für den Zeitraum von einer Woche der
Öffentlichkeit zugänglic h gemacht werden.
2.5.1 Didaktisch-methodische Vorüberlegungen
Die Ausstellung bildet einen wichtigen Teil der Einheit, da die Werke der Kinder das Ergebnis der
Auseinandersetzung mit den Künstlern der Klassischen Moderne, aber auch mit sich und ihren
hinzugewonnenen Erfahrungen widerspiegeln. Die Ausstellung würdigt und respektiert somit den
Arbeitseinsatz und den Ausdruck der Kinder, da sie in den Werken auch immer einen Teil ihres Selbst
preisgeben. 207
Zu Beginn der Unterrichtssequenz sollen die Schülerinnen und Schüler zunächst Einladungskarten für
die Ausstellungseröffnung gestalten. Die Reste des in der Unterrichtseinheit verwendeten Materials
werden zur Gestaltung eingesetzt. Sie regen zu kreativem Gestalten an und rufen Erinnerungen an die
Inhalte der vorangegangenen Sequenzen wach. Die Karten sollen von den Kindern verteilt werden. Sie
stärken so ihr Selbstbewusstsein, indem sie die Verantwortung für den Besuch der Ausstellung
übernehmen. Eigenverantwortlich zeigen sie sich auch, indem sie zur Gestaltung der Ausstellung
beitragen, denn die Podeste für die kinetischen Objekte sind lediglich funktionell und sollen von den
Kindern verändert werden.
Zudem beschriften die Kinder ihre Arbeiten, indem sie einen Titel für ihre Arbeiten finden und die
Techniken beschreiben. Hierfür betrachten die Kinder ihre Arbeiten und die Werke der Künstler der
Klassischen Moderne und reflektieren gleichzeitig ihre Gedanken, Empfindungen und Handlungen
während des Entstehungsprozesses. Somit werden die Inhalte der Sequenz nochmals in Erinnerung
gerufen und gefestigt.
Während der Ausstellungseröffnung sollen die Schülerinnen und Schüler neben dem Inhalt und der
Technik beschreiben können, welche Werke der Künstler der Klassischen Moderne sie zu dem
jeweiligen Ausdruck angeregt haben. Aus diesem Grund soll in dem Café ein Plakat aufgehängt
werden, auf dem die Werke und Künstler abgebildet und die Sequenzen der Einheit knapp dargestellt
sind. 208 Dadurch wird auch späteren Besuchern ein Überblick über die Hintergründe der Einheit
ermöglicht.
In der Ausstellung sollen dem Wunsch der Kinder entsprechend nach Möglichkeit sämtliche Arbeiten
gezeigt werden. Dies ist jedoch aufgrund des eingeschränkten Platzes im Café nicht möglich, sodass
einige Arbeiten ausgewählt werden müssen. Da auf die Gäste des Cafés Rücksicht genommen werden
muss, habe ich mich entschieden, die Arbeiten selber zu hängen und sie nach Thema, Technik und
Entwicklungssequenz zusammenzustellen. Hierauf und auf die Intentionen der Unterrichtseinheit
werde ich in einer kurzen Ansprache zur Ausstellungseröffnung hinweisen. Zudem soll die lokale
207
208
Vgl. Aissen-Crewett, S. 120, vgl. RRL, S. 32
Siehe Foto Nr. 37
Presse informiert werden, um nicht nur zufälligen Gästen des Cafés sondern auch der breiten
Öffentlichkeit aufzuzeigen, was der Kunstunterricht in der Schule möglich machen kann. 209
2.5.2 Reflexion der Sequenz
Die Schülerinnen und Schüler waren sehr motiviert, gestalteten die Einladungskarten mit individuellen
Einfällen, sodass sehr unterschiedliche Karten entstanden, die die Kreativität der Kinder
widerspiegelten. 210
Für die Beschriftung der Bildunterschriften entwickelten die Schülerinnen und Schüler gemeinsam
Ideen zur Beschreibung der Techniken. Sie erinnerten sich deutlich an den Entstehungsprozess ihrer
Arbeiten, was in der Titelfindung zu erkennen war. So bezeichneten sie die Malereien beispielsweise
mit Titeln wie „Fischtaucher“ oder „Fangfischi“, in denen die Bewegung zum Ausdruck kam. Die
verwandelten Paradiesvögel bekamen die Namen „Piranhaschnabel“, „Scharfzahn“ oder „Großfüßler“,
die die Schwerpunktsetzung der Kinder deutlich machten. Die Titel ihrer kinetischen Montagen
drückten die Dynamik aus: Sie nannten sie z.B. „Heilungsmaschine“, „Zwitschernder Zweig“ oder
„Singbo“. Zur Gestaltung der Podeste äußerten sie verschiedene kreative Ideen wie z.B. Bemalen,
Bekleben mit Federn und Bändern oder auch Umwickeln mit Draht, von denen sie sich letztlich darauf
einigten, die Podeste mit einem Tuch zu behängen, das farblich zu ihren kinetischen Objekten passt.
Die Ausstellungseröffnung war sehr gut besucht, da viele Kinder auch ihre Verwandten und Freunde
eingeladen hatten. Alternativ zu der von mir gehaltenen Eröffnungsrede würde ich zukünftig die
Kinder in diese Planung mit einbeziehen und einführende Worte mit ihnen zusammen entwickeln,
sodass sie die Besucher begrüßen und informieren und damit ihr Verantwortungsgefühl und ihr
Selbstbewusstsein stärken.
Die Kinder erzählten begeistert und selbstsicher welche Techniken sie genutzt haben und führten stolz
ihre beweglichen Montagen vor. Dabei verwiesen sie auf die Werke der Künstler, die sie während der
jeweiligen Entstehungsphase betrachtet hatten.211 Dies wurde deutlich, da sie zw ischen ihren Arbeiten
und dem Plakat pendelten. Hier wären mehrere Plakate eine Alternative, die neben den Arbeiten der
jeweiligen Entwicklungssequenz Platz finden müssten. Dies war jedoch aufgrund der räumlichen
Bedingungen nicht möglich.
Insgesamt verlief die Ausstellung sehr erfolgreich, da sich alle Besucher, Kinder und Erwachsene,
äußerst begeistert von den Schülerarbeiten zeigten und interessiert viele Fragen an die „jungen
Künstler“ richteten, die diese souverän beantworten konnten.
Einige Kinder wurden durch die Beweglichkeit der „Vogelmaschinen“ zum achtsamen Spiel
angeregt.212
209
210
211
212
Siehe V. Anhang, 14. Zeitungsartikel
Siehe Foto Nr. 32
Siehe Foto Nr. 36
Siehe Foto Nr. 38
3. Gesamtreflexion der Unterrichtseinheit
Der Unterrichtsgang in den Vogelpark Walsrode ermöglichte den Kindern sinnliche Erfahrungen mit
den Vögeln in der Natur. Vor allem das Erlebnis sich den scheuen Tieren nähern und manche sogar
berühren zu können, beeindruckte die Schülerinnen und Schüler sehr.213 Inwieweit sie jedoch die
Erlebnisse verarbeitet und verinnerlicht haben kann, nicht genau festgestellt werden. Zudem ist die
Empfänglichkeit abhängig von der Bereitschaft eines jeden Kindes, sich zu öffnen. Dass dieser
Unterrichtsgang nachhaltigen Eindruck auf die Kinder hinterlassen hat, wurde im Verlauf der Einheit
deutlich, da viele Kinder auf ihre Erlebnisse zurückgriffen und Verbindungen mit neuen Inhalten
knüpften. 214
Die Vielfalt der Vögel und vor allem unbekannte Arten faszinierten die Kinder so sehr, dass sie den
Anspruch an sich selbst stellten, die Vögel so naturgetreu wie möglich abzubilden. In Zukunft würde
ich demnach die Beobachtung weniger Vogelarten innerhalb ihrer Umgebung dem Gesamteindruck
des Vogelparks vorziehen. Die Beobachtung der Bewegungen und des Verhaltens ist dann intensiver
möglich, sodass in den Skizzen die Eindrücke und Empfindungen eher zum Ausdruck kommen
könnten.
Die vorgestellten Werke der Klassischen Moderne betrachteten die Kinder mit großem Interesse und
einer offenen Einstellung gegenüber den teilweise ungewöhnlichen Darstellungen der Vögel. Die
sukzessive Steigerung des Abstraktionsgrades begünstigte die zunehmende Offenheit der Schülerinnen
und Schüler. Die anfängliche Skepsis nahm ab und wich einer Neugierhaltung. 215 Durch den
Austausch mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern wurden den Kindern die Bildinhalte deutlich,
die einer „Rätsellösung“ gleichkam. Lösungen zu finden ist mit positiven Empfindungen verbunden,
sodass ich davon ausgehe, dass die Werke im Zusammenhang mit diesem Gefühl auf die Kinder einen
tiefen Eindruck hinterlassen haben. Unbekannten Werken traten sie dann sehr neugierig gegenüber,
schauten genauer hin, waren im Austausch offener und fanden zunehmend leichteren Zugang zu den
Werken der Klassischen Moderne.216 Die Visualisierung durch Abbildungen der Künstler und die
Hintergrundinformationen zu den Entstehungsweisen der Werke empfanden die Schülerinnen und
Schüler als hilfreich, da sie Verbindungen mit eigenen Erfahrungen knüpfen konnten.
Die Offenheit gegenüber den Werken zeigte sich in den Gesprächen, in denen sie ihre Irritationen und
Eindrücke schilderten. Deutlich wurden Differenzeindrücke z.B. durch Aussagen wie „Ich kann da gar
nichts erkennen!“217 oder „Was ist das?“218 , die die Irritation zum Ausdruck brachten. Hier zeigte sich
ihre Motivation zur Entschlüsselung der Darstellung, da sie gern bereit waren ihre Auffassungen zu
erläutern und zu veranschaulichen. Zum Teil flossen Fragestellungen mit ein („Vielleicht sind es auch
213
214
215
216
217
218
Vgl. III. 2.1.3 Reflexion der ersten Unterrichtssequenz
Vgl. III. 2.4.3 Reflexion der dritten Unterrichtssequenz
Vgl. III. 2.2 Zweite Unterrichtssequenz, III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz
Vgl. Einleitung
vgl. III. 2.2 Zweite Unterrichtssequenz
vgl. III. 2.3 Dritte Unterrichtssequenz
Luftballons?“219 ), die Anlass zur Diskussion wurden und die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler
aufzeigten, eigene Meinungen zu vertreten und zu begründen und andere Eindrücke zu akzeptieren.
Die Toleranz gegenüber anderen Eindrücken war nach meinen Beobachtungen sehr hoch, da die
Kinder die anderen Anschauungen und Ideen als bereichernd empfanden und diese z.T. zum Anlass
nahmen neue Vorstellungen und Sichtweisen zu entwickeln. Es lässt sich jedoch nicht überprüfen,
inwieweit der Austausch über die Eindrücke bezüglich der Werkbetrachtung bei den Kindern
nachhaltige Wirkung erzielt und somit zur Persönlichkeitsentwicklung beigetragen hat. Dieses ist ein
langfristiger Prozess, zu dessen Weiterentwicklung die Differenzerfahrung einen Beitrag geleistet hat.
Deutlich wurde jedoch, dass die ungewöhnlichen Darstellungen die Fantasie und die Kreativität der
Kinder anregten.
Die Unterschiedlichkeit der Arbeiten macht die individuelle Umsetzung der subjektiven Vorstellungen
sichtbar. Sie haben die Betrachtung der Werke als Anregung verstanden, da keiner der Schülerinnen
oder Schüler die Darstellung eines der Werke nachzuahmen versuchte. Das vielfältige Materialangebot
zur Gestaltung der kinetischen Montage und die unterschiedlichen Techniken regte sie zu kreativen
Einfällen an.
Im Umgang mit neuerlernten Verfahren brauchten die Kinder viel Zeit zum Experimentieren. Die
erworbenen Erfahrungen halfen ihnen jedoch in den folgenden Sequenzen, da sie ihre Erfahrungen
nutzen und einsetzen konnten. Ich habe beobachtet, dass Kinder, die anfangs Schwierigkeiten hatten,
die Techniken später problemlos einsetzen konnten. 220
In Zukunft würde ich jedoch für die praktische Umsetzung keine neuen Techniken und Materialien
anbieten, wenn die Kinder vorher ein ihnen unbekanntes Werk betrachtet haben. Sie konzentrieren
sich dann eher auf die praktischen Erfahrungen als auf die gedankliche Auseinandersetzung mit dem
Werk. Das setzt allerdings voraus, dass die Schülerinnen und Schüler mit mehreren Techniken vertraut
sind.
Insgesamt waren die Kinder sehr zufrieden mit ihren „Werken“, sodass ich annehmen kann, dass sie
ihre Ideen und Vorstellungen, die sie durch die Betrachtung von Werken der Klassischen Moderne
und dem Dialog mit anderen entwickelt haben, umsetzen konnten. 221 Die Ankündigung, dass die
Arbeiten ausgestellt werden sollten, nahmen die Kinder zunächst mit etwas Skepsis auf und dann mit
Stolz. Bei den Vorbereitungen für die Ausstellung wurde die Motivation der Kinder bezüglich der
Ausstellung aber auch der gesamten Unterrichtseinheit deutlich, da sie sich gern ihre Arbeiten wieder
ansahen und ihre Erfahrungen mit anderen Kindern austauschten. Während der Ausstellung hatten
vermutlich
einige
Eltern
und
Geschwister
durch
die
Betrachtung
der
Kinderarbeiten
Differenzerlebnisse, denen die Kinder tolerant begegneten und somit ihre Selbstsicherheit im Umgang
mit Differenzeindrücken zeigten.
219
vgl. ebd.
Vgl. ebd., III. 2.4 Vierte Unterrichtssequenz
221
Vgl. Einleitung
220
Insgesamt war die Durchführung der Unterrichteinheit nicht nur für die Kinder sondern auch für mich
ein positive Erfahrung, die den vergleichsweise hohen Aufwand rechtfertigen. Im Nachhinein würde
ich vermutlich den Schwerpunkt auf wenige Werke eines Künstlers legen, da sich die Kinder
intens iver auch mit der Künstlerpersönlichkeit auseinandersetzen können und die Wahrscheinlichkeit
von möglichen Interferenzen geringer ist.
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222
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In diesem Werk fehlte die Seite mit den Angaben über die Auflage und das Erscheinungsjahr. Recherchen im
Internet ergaben, dass es sich vermutlich um die 3. Auflage handelt, die 1980 erschienen ist.
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Langenscheidts Taschenwörterbuch Lateinisch, Langenscheidt, 36. Auflage, 1983
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Meyer, H.: Unterrichtsmethoden I+II, Cornelsen, 1987
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Ohde, M., Wiederhold, K.A.: Mit Grundschulkindern das Kunstmuseum entdecken,
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Staudte, A.: Ästhetisches Lernen mit allen Sinnen, Weinheim, 1993
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Galler Museen, 1999
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Wahrig, G.: Deutsches Wörterbuch, Mosaik, 1986
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Wiehe, N., Seydel, F.: Tiere Steigen aus, in: Grundschule Kunst, 15/ 2004
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Zimbardo, P.G.; Gerrig, R.J.: Psychologie, Springer, 7. Aufl. 1999
Internetadressen:
www.sungaya.de
www.die- moonlight.de
V. Anhang
2. Künstlerbiografien
2.1 August Macke
August Macke wurde 1887 in Meschede geboren. Er studierte von 1904 bis 1906 an verschiedenen
Akademien, empfand die Lehren jedoch nicht als bereichernd. Er unternahm viele Reisen, die ihm von
seinem Schwiegervater und dem Berliner Kunstsammler Bernhardt Koehler ermöglicht wurden. So
reiste er u.a. nach Belgien, Holland und England (1906), weitere Reisen nach Paris (1908, 1911) und
Tunis zusammen mit seinen Malerkollegen Klee und Moilliet (1914) folgten. 1911 wurde er Mitglied
der Expressionistengruppe „Der Blaue Reiter“, deren Idealen er jedoch zuweilen skeptisch gegenüber
stand. Er fiel 1914 in den ersten Wochen des Krieges.223
2.2 Max Pechstein
Max Pechstein wurde 1881 in Zwickau als Sohn eines Appreturmeisters geboren. Nach einer
Malerlehre ermöglichte ihm sein Vater den Besuch der Kunstgewerbeschule in Dresden. 1906
223
vgl. Macke, S. 1
begegnete er den Malern Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner und wurde Mitglied in der
Expressionistengruppe „Die Brücke“ in Berlin.
1910 wurde er Vorsitzender und neben Heckel und Kirchner Mitbegründer der „Neuen Secession“, da
seine Werke für die Ausstellung der „Berliner Secession“ abgelehnt wurden. Die „Brücke-Maler“
schlossen sich der „Neuen Secession“ an, um die Gruppe zu stärken. 1913/14 hielt er sich auf den
Palau-Inseln auf, musste die Reise jedoch vorzeitig unterbrechen, da er eingezogen wurde. Nach dem
1. Weltkrieg wurde er Mitbegründer des Arbeitsrats für Kunst und der Preußischen Akademie der
Künste. Er erhielt 1933 Mal- und Ausstellungsverbot und 1937 wurde seine Kunst als „entartet“
verfemt. Viele seiner Werke wurden beschlagnahmt. Während des 2. Weltkrieges wurde seine Berliner
Wohnung und der Großteil seiner Werke zerstört. 1945 erhielt er die Professur an der Hochschule für
Bildende Künste in Berlin. Er starb 1955 in Berlin. 224
2.3 Franz Marc
Franz Marc wurde 1880 in München als Sohn des Malers Wilhelm Marc geboren. Er studierte
zunächst Philosophie, entschied sich aber doch noch zu einem Kunststudium und studierte von 1900
bis 1902 an der Akademie der bildenden Künste in München. Er unternahm mehrere Reisen, u.a. nach
Italien (1902) und Paris (1902, 1907, 1912) auf denen er sich vor allem von den Künstlern Derain,
Vlaminck und van Dongen beeindruckt zeigte. Diese Künstler führten Marc die Möglichkeit vor
Augen, sich von dem Lokalkolorit zu lösen und die Farbe autonom, als ein selbstständiges
gestalterisches Element in der Malerei einzusetzen. Ende 1910 bekam er Kontakt zu Mitgliedern der
„Neuen Künstlervereinigung München“ und wurde 1911 ebenfalls Mitglied. 1912 wurde er zusammen
mit Kandinsky Herausgeber des Almanachs „Der blaue Reiter“. Er fiel 1916 im 1. Weltkrieg. 225
2.4 Natalia Gontscharowa
Natalia Gontscharowa erblickte 1881 in Laditschino bei Tula als Tochter einer verarmten Adelsfamilie
das Licht der Welt. Sie besuchte zwischen 1898 und 1904 die Schule der Malerei, Plastik und
Architektur in Moskau und gehörte zu den Künstlern der russischen Avantgarde. Sie ließ sich von
französischen Malern beeinflussen und beteiligte sich u.a. an der zweiten Ausstellung des „Blauen
Reiters“ in München (1912). Kurz danach brach sie den Kontakt zu den Münchner Malern je doch ab.
Sie fertigte Bühnenbilder und Kostüme für Theater und Ballett und siedelte 1914 nach Paris. Dort
arbeitete sie als Bühnenbildnerin bei Diaghilews Balletten und starb 1962 in Paris.226
2.5 Paul Klee
Der Künstler Paul Klee wurde 1879 in der Schweiz geboren, lebte aber überwiegend in Deutschland.
Er zeigte großes Interesse am Zeichnen und entdeckte frühzeitig seinen „Hang zum Bizarren“. Nach
224
vgl. Elger, S. 83ff, Haftmann, Bd. 1, S. 113
vgl. Elger, S. 163ff
226
vgl. Gray, S. 272f, Haftmann, S. 549
225
dem Abitur studierte er in München an der Akademie. Zumeist arbeitete er für sich selbst, schloss sich
1905 aber der „Münchner Künstlervereinigung“ an, der dann die Expressionistengruppe „Der blaue
Reiter“ hervorging, deren Gründungsmitglied er neben Kandinsky, Jawlensky, Marc, Macke, Münter,
etc. wurde. Er reiste nach Paris und ließ sich von französischen Malern und deren Werken inspirieren.
Eine weitere Reise nach Tunis (1914), zusammen mit seinen Malerkollegen Macke und Moilliet,
brachte ihm den Durchbruch im Einsatz von Farbe, so dass er sich seitdem als Maler betrachtete.
Nach dem Krieg arbeitet er bis 1933 als Lehrer am Bauhaus in Weimar und Dessau. Er starb 1940 an
den Folgen der Krankheit Sklerodermie.227
2.6 Emil Nolde
Emil Nolde, 1867 als Emil Hansen in Schleswig Holstein geboren, machte eine Lehre als
Möbelzeic hner und arbeitete anschließend in verschiedenen Möbelfabriken. Er besuchte die
Kunstgewerbeschule in Karlsruhe und wurde dann Lehrer für ornamentales Zeichnen und Modellieren
an der Kunstgewerbeschule in St.Gallen. 1906 erhielt er eine Einladung, Mitglied der „Brücke“Gruppe zu werden. Dort fand er den Austausch mit Expressionisten, verließ jedoch die Gruppe nach
einem Jahr wieder. Er suchte Anregungen in der Kunst fremder Kulturen und reiste 1913/1914 als
Begleiter einer wissenschaftlichen Expedition nach Neuguinea, Russland, China, Korea, Japan und in
die Südsee. Später wurde er Mitglied im „Arbeitsrat für Kunst“ und der Preußischen Akademie der
Künste. Viele seiner Werke wurden im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und er
erhielt 1941 Malverbot. Nach dem 2. Weltkrieg wurde er zum Professor ernannt und gründet die
„Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde“. Er starb 1956 in Seebüll. 228
2.7 Wassily Kandinsky
Wassiky Kandinski wurde 1866 in Moskau geboren. Sein Interesse an Kunst und Kultur wurde von
seinem Vater geweckt, der selbst Zeichner war. Er begann 1886 ein Jurastudium und nahm an einer
wissenschaftlichen Expedition teil, bei der er seine Faszination für die Volkskunst entdeckte. 1887
reiste er nach München, um dort Kunst zu studieren. Dort begegnete er u.a. Klee, Marc, Macke und
Münter. Zusammen mit der Malerin Gabriele Münter unternahm er Reisen nach Holland, Belgien,
Paris und Tunesien. 1909 wurde er Vorsitzender der „Neuen Künstlervereinigung München“, die er
aber nach kurzer Zeit wieder verließ, um mit Franz Marc die Gruppe „Der Blaue Reiter“ zu gründen.
Er veröffentlichte das Buch „Über das geistige in der Kunst“ und den Almanach „Der Blaue Reiter“.
Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges kehrte er nach Russland zurück. 1918 erhielt er die Professur an
den Staatlichen Kunstwerkstätten in Moskau. Später wurde er Mitbegründer der Akademie der
Kunstwissenschaften, verließ Russland und ging 1921 nach Berlin. In den Jahren von 1922 bis 1933
war er als Lehrer am Bauhaus in Weimar und Dessau tätig. Er erwarb 1928 die deutsche
227
228
vgl. Geelhaar, S. 14ff
vgl. Elger, 109ff
Staatbürgerschaft, verlie ß Deutschland aber 1933, um nach Paris zu ziehen. 1939 erwarb er die
französische Staatsbürgerschaft. Er starb 1944 in Neuilly-sur-Seine. 229
3. Übersicht über die Werke
A:
August Macke: „Großer Zoologischer Garten“, 1912
B:
Max Pechstein: „Palau Triptychon“, 1917
C:
Franz Marc: „Vögel“, 1914
D:
Natalia Gontscharowa: „Der Radfahrer“, 1914
E:
Paul Klee: „Konzert auf dem Zweig“, 1921
F:
Paul Klee: „Die Zwitscher-Maschine“, 1922
G:
Emil Nolde: „Der große Vogel“, 1906
H:
Wassily Kandinsky: „Zwei Vögel“, 1907
J:
Paul Klee: „Rotgeflügelte Sumpfhühner“, 1925
K:
Paul Klee: „Vogel-Begegnung“, 1918
229
vgl. Orlandini, S.90ff, Elger, S. 255