Ausgabe 22/96 725 tds

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Ausgabe 22/96 725 tds
Brandaktuell: Mercedes
S-Klasse und SiebenerBMW mit turbogeladenen
Dieselmotoren
E
FOTOS:H. P. SEUFERT
Öl ins Feuer
D O P P E LT E S T
Ein neuer Vierventil-Turbodiesel mit Ladeluftkühlung
und 177 PS soll die Begeisterung der MercedesKunden für die S-Klasse neu entflammen. Im Vergleich trifft der flotte
Ölbrenner auf den bekannten BMW 725 tds mit 143 PS.
BMW 725 tds gegen
Mercedes S 300 TD
70
22/1996
Feste Größe im Siebener:
2,5 Liter-tds
Neu in der S-Klasse: DreiliterDiesel mit Turbolader
in wenig irritierend wirkt es
immer noch, wenn man mit
einem Auto der Luxusklasse
an der Diesel-Zapfsäule steht.
Doch die Berührungsängste
schwinden: Bei Mercedes liegt
der Dieselanteil in der S-Klasse
mittlerweile bei rund 20 Prozent, und auch bei der bayerischen Konkurrenz ist der
seit Frühjahr 1996 angebotene
BMW 725 tds inzwischen eine
feste Größe im Markt.
Neben dem störenden Dieselgeruch und den lauten Zwischentönen waren es früher vor
allem die Fahrleistungen, die
einen Selbstzünder in den rund
zwei Tonnen schweren Luxusgefährten wenig angemessen
erscheinen ließen.
Mit dem neuen S 300 TD
hat Mercedes leistungsmäßig
nicht nur fast zum schwächsten
Benziner aufgeschlossen, sondern auch den bisherigen 3,5
Liter-Turbodiesel um 27 PS
überboten. Möglich wurde dies,
weil die Einbuße an Hubraum
durch den Einsatz von Vierventiltechnik und Ladeluftkühler
mehr als wettgemacht wurde.
Neben der nominellen Höchstleistung stieg auch das maximale Drehmoment um 20 Nm
auf 330 Nm, das nun schon
bei 1600/min anfällt und dank
elektronischem Motormanagement bis 3600/min erhalten
bleibt.
Der Fahrer nimmt es mit
Staunen zur Kenntnis, denn der
subjektive Eindruck ist anders.
Tritt man das Gaspedal des
S 300 TD beherzt durch und
behält dabei den Drehzahlmesser im Auge, scheint es,
als würde erst jenseits von
2800/min etwas passieren, was
man als Temperament bezeichnen könnte. Die Diskrepanz
zwischen Theorie und Praxis
läßt sich damit erklären, daß
die Drehmomentkurve im Werk
auf einem Prüfstand, also unter
Laborbedingungen, entsteht.
Irritierend und gewöhnungsbedürftig ist das verzö22/1996
71
Geradeaus:
Der Wählhebel
des BMW
wird auf einer
Linie von
einer Fahrstufe
zur nächsten
geführt
Der BMW-Motor spricht spontan
auf Gaspedalbewegungen an
BMW 725 tds
2,5 Liter-SechszylinderZweiventiler mit 143 PS,
Fünfgang-Automatikgetriebe, 84 700 Mark
MERCEDES 300 TD
Dreiliter-SechszylinderVierventiler mit 177 PS,
Fünfgang-Automatikgetriebe, 93 150 Mark
Erst ab 2800/min liefert der Dreiliter
verwertbares Drehmoment
Hier hakelt’s:
Die Kulisse der
Wählhebelführung behindert schnelle
Wechsel
zwischen den
verschiedenen
Fahrstufen
gerte Ansprechen des Mercedes-Dreiliters auf die Gaspedalbetätigung. Gerade beim Anfahren fällt auf, daß das MotorManagement die Befehle des
Fahrerfußes verzögert an die
Einspritzpumpe weitergibt. Eine knappe Sekunde passiert
scheinbar nichts, dann erst setzt
sich die S-Klasse recht behende in Bewegung. Besonders in
der Stadt und bei Überholvorgängen auf der Landstraße ist
diese kurze Pause ein störendes
Phänomen.
Der BMW wirkt da insgesamt viel agiler. Spontan und
gefühlvoll reagiert der 143 PS
starke Zweiventiler-Diesel auf
jeden Gasimpuls und läßt damit
an der Existenz seines maximalen Drehmoments von 280 Nm
bei 2200/min keinen Zweifel
aufkommen.
Das gute Temperament wird
freilich mit einer etwas nervösen Charakteristik der aufpreispflichtigen Fünfgangautomatik
erkauft. Will man per Kickdown zum Überholen ansetzen,
schaltet das Getriebe oft zwei
Gänge herunter, um unmittelbar darauf wieder einen Gang
hochzuschalten.
Harmonischer ist den Mercedes-Technikern die Abstimmung der Antriebseinheit gelungen. Das ebenfalls mit fünf
Stufen arbeitende Getriebe
scheint sich förmlich in den
Fahrer hineinzudenken, denn in
jeder Situation hat es den richtigen Gang parat. Ein WermutsTropfen im Zusammenhang mit
der Automatik ist die sehr hakelige Führung des Wählhebels.
Dafür klingt der MercedesDiesel unter Last etwas kerniger und gibt sich nachhaltig
als Selbstzünder zu erkennen,
während der 725 tds mehr als
Sechszylinder denn als Diesel
wahrgenommen wird. Sein Innengeräuschpegel liegt noch
eine Spur niedriger als im bereits vorbildlich gedämpften
S 300 TD, aber diese Nuancen
fallen höchstens im unmittelbaren Vergleich auf. Selbst das
verbrennungstypische Nageln
nach dem Kaltstart verschwindet nach wenigen Metern.
Der BMW vermittelt insgesamt eine größere Leichtigkeit
WERTUNG: DER GÜNSTIGERE IST BESSER
Fahrzeugtyp
Motorbauart/Zylinderzahl
Hubraum
cm3
Leistung
kW (PS)
bei 1/min
max. Drehm. Nm bei 1/min
Leergewicht/Zuladung
kg
Beschleunigung
s
0 – 60 km/h
0 – 80 km/h
0 – 100 km/h
0 – 120 km/h
0 – 160 km/h
400 m mit steh. Start
1 km mit steh. Start
Höchstgeschw.
km/h
Bremsweg (Verzög.) m (m/s2)
aus 100 km/h kalt
aus 100 km/h warm
Innengeräusch
dB(A)
bei 50 km/h
bei 100 km/h
bei 160 km/h
Testverbrauch
L/100 km
minimal
maximal
Normrunde
Grundpreis*
DM
Doppelverglasung
Elektr. Einparkhilfe
Klimaautomatik
Leichtmetallräder
Navigationssystem
o = Serie, * mit Automatik
Fahrzeugtyp
(pro Wertung max. 20 Punkte)
Karosserie
Fahrkomfort
Antrieb
Fahreigenschaften
Sicherheit/Umwelt
Wirtschaftlichkeit
SUMME (max.120 Punkte)
BMW stellt mit dem
725 tds die überzeugendere Diesel-Luxuskarosse auf die Räder
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22/1996
BMW
725 tds
Reihe/6
2498
105 (143)
4600
280/2200
1866/409
Mercedes
S 300 TD
Reihe/6
2996
130 (177)
4400
330/1600
2117/493
5,4
8,6
13,2
19,1
40,1
18,6
34,4
202
5,0
7,8
11,5
16,0
31,8
17,8
32,6
206
38,6 (10,0)
39,8 (9,7)
39,8 (9,7)
43,3 (8,9)
59
62
71
D 10,8
8,1
12,8
8,6
84 700,–
1900,–
1250,–
2600,–
O
6900,–
58
64
72
D 12,0
9,1
14,6
9,7
93 150,–
O
1438,–
O
1731,–
4025,–
BMW
725 tds
17
19
18
19
18
17
Mercedes
S 300 TD
18
18
17
18
17
15
108
103
a Erstklassiger
Federungskomfort,
harmonisches Fahrverhalten, leiser und
durchzugsstarker
Motor, in der Anschaffung günstiger
und im Verbrauch
sparsamer als der
Mercedes
a Sehr gut aufeinander abgestimmte Motor-AutomatikEinheit, sehr großes
Platzangebot vorn
und hinten
b Nervös schaltende Automatik,
gegenüber dem
Mercedes etwas
eingeschränktes
Platzangebot im
Fond
b Starke Karosseriebewegung in
Kurven, indirekte
Lenkung, eingeschränkte Handlichkeit, Mehrverbrauch
und hoher Anschaffungspreis gegenüber dem
BMW, fehlende
Ablagen vorn
Annäherungsversuche
Die Park Distance Control (1250 Mark) des Siebener signalisiert dem Fahrer mit Piepstönen in unterschiedlichen Höhen, wieviel Platz er beim Einparken zum nächsten Hindernis hat. Etwas Gewöhnung gehört dazu, um
den Ton für vorderen Abstand von dem für den hinteren
zu unterscheiden, in engen Parklücken ein Nachteil. Ein
Dauerton gibt beim BMW die Restentfernung von etwa
20 Zentimetern an. Einfacher macht es das Parktronic
(1438 Mark) genannte Mercedes-System. Zur akustischen Abstandsanzeige kommt noch eine optische. Damit
sind Annäherungsversuche an den Hintermann möglich,
ohne den Kopf drehen zu müssen, weil sich die Balkenanzeige für das Heck via Rückspiegel überwachen läßt.
Ein schräges Hindernis produziert unterschiedlich lange
Balken in der Anzeige,Vollausschlag
eines Balken steht
bei Mercedes für
eine Restentfernung von zwölf
Zentimetern.
Im Mercedes-Rückspiegel kann
man erkennen, wieviel Platz zum
Hindernis hinterm Auto bleibt
Die BMW-Einparkhilfe läßt sich
per PDC-Schalter deaktivieren
beim Fahren. Während er stets
präzise auf Kurs zu halten ist,
muß beim S 300 TD öfter korrigiert werden. Gut 250 Kilogramm mehr Leergewicht und
die indirektere Lenkung des
Mercedes beeinträchtigen das
Handling spürbar.
Bei höheren Geschwindigkeiten hat er Schwierigkeiten
mit dem Geradeauslauf und
schaukelt sich dann schnell auf.
Eine saubere Linie ist damit
viel mühevoller zu fahren als
mit dem BMW. Darum kann
man mit dem viel schwächeren
725 tds dem starken S 300 TD
mühelos folgen, auf sehr kurvigen Strecken fährt man mit
dem BMW dem Mercedes sogar davon.
Dabei ist die Siebener-Federung nicht unkomfortabler
als die der S-Klasse. Im Gegenteil, denn im härter abrollenden
Mercedes wird auf schlechten
Fahrbahnbelägen ein Stuckern
bis ins Lenkrad spürbar; beim
BMW werden diese kurzen
Stöße weitgehend vom Volant
ferngehalten.
Hier unterscheiden sich die
Diesel-Varianten nicht von
ihren Benziner-Brüdern, was
auch für die bekannten sonstigen Qualitäten gilt.
Im Mercedes steht den Passagieren ein nahezu verschwenderisches Raumangebot zur
Verfügung; der BMW bietet
insbesondere auf den Rücksitzen weniger Platz, engt Fahrer
und Beifahrer in Schulterhöhe
zusätzlich ein. Einen Tribut,
den die geringere Fahrzeughöhe und die stärker geneigten
Seitenscheiben fordern.
Der BMW 725 tds ist dennoch die erste Wahl in diesem
Vergleich, und das nicht nur,
weil er in Anschaffung und Verbrauch die günstigere Alternative darstellt. Denn er bietet neben den BMW-typischen dynamischen Vorzügen auch den
besseren Fahrkomfort – gerade
das sollte Mercedes zu denken
geben. Christian Bangemann