JKJ 1/2007 Aktuelle Rechtsprechung zum Mietrecht

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JKJ 1/2007 Aktuelle Rechtsprechung zum Mietrecht
Aktuelle Probleme des Immobilienrechts- eine Rechtsprechungsübersicht
Aktuelle Rechtsprechung zum Mietrecht
Seminarveranstaltung am 23.11.2007 in Stuttgart
Dr. Peter J. Knösels, Mönchengladbach
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
und Fachanwalt für Familienrecht
1. Schriftform
1.1
Schriftform und ausreichende Individualisierung
Nach § 550 BGB bedarf ein Mietvertrag, der auf mehr als ein
Jahr befristet ist, der Schriftform. Einer Entscheidung des BGH
vom 25.07.2007, Az. XII ZR 143/05, lag folgender Sachverhalt
zugrunde:
Ein gewerblicher Mietvertrag war mit einer festen Laufzeit von
zwanzig Jahren abgeschlossen worden. Die Mieträume, die sich
über mehrere Räume verteilen, sind im Mietvertrag wie folgt beschrieben:
„Die im Haus H. Straße 133, 135 gelegenen Räume,
und zwar: siehe Zeichnung“.
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Die Zeichnung war dem Vertrag allerdings nicht beigefügt. Der
Mieter kündigt mit gesetzlicher Frist und beruft sich darauf, dass
das Mietobjekt im Vertrag nicht hinreichend bestimmbar beschrieben gewesen sei. Deshalb sei der Mietvertrag ordentlich
kündbar. Der Vermieter folgt dieser Rechtsauffassung nicht und
klagt, nachdem er das Objekt zu einer niedrigeren Miete neu
vermietet, den Ausfall und die Differenz ein. Der BGH in dem zitierten Urteil folgt allerdings der Rechtsauffassung des Mieters.
Die Schriftform sei verletzt, so dass der Mietvertrag nach §§ 550,
578 Abs. 1 BGB als für unbestimmte Zeit geschlossen gelte. Die
Vorschrift des § 550 BGB habe den Sinn, dass ein potentieller
Grundstückserwerber, dessen Informationsbedürfnis die Schriftform vorrangig diene, sich über den Umfang der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten informieren könne. Der Erwerber
habe vorliegend aber die präzise Lage und Anordnung der Mieträume an Ort und Stelle nicht feststellen können. Der Mietvertrag
enthalte nämlich alleine die postalische Anschrift, nicht aber die
Lage des Mietobjekts in den Gebäuden. Die Bezugnahme auf eine Zeichnung helfe nicht weiter, da die Zeichnung dem Vertrag
nicht beigefügt gewesen sei. Solle sich die Individualisierung erst
aus Plänen zum Mietvertrag ergeben, muss die Zusammengehörigkeit zwischen Mietvertrag und Plänen zweifelsfrei kenntlich
gemacht werden.
1.2
Verzicht auf Eigenbedarfskündigung und Schriftform
Auch in seiner Entscheidung vom 04.04.2007, Az. XII ZR 223/06,
musste der BGH sich mit der Schriftform des § 550 BGB und
mietvertraglichen Vereinbarungen in einer Anlage zum Mietver-
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trag beschäftigen. Im zugrunde liegenden Mietvertrag war unter
der Überschrift „sonstige Vereinbarungen“ angegeben: „Siehe
Anlagen“. Diese „Anlagen“ bestanden aus einem einzelnen, losen Blatt, welches nicht unterschrieben war und auch keinen
Hinweis auf ein bestimmtes Mietverhältnis enthielt. Die Fassung
des Mieters enthielt den Satz „Auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs wird verzichtet“. In der Fassung des Vermieters fehlte
dieser Hinweis. Es kam zu einem Eigentümerwechsel und der
neue Vermieter kündigte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs.
Der Mieter berief sich auf den Kündigungsverzicht.
Nach ständiger Rechtsprechung fallen auch Mietverträge, die auf
eine unbestimmte Zeit geschlossen wurden und bei denen die
Kündigung für mehr als ein Jahr ausgeschlossen ist, unter die
Regelung des § 550 BGB. Streitig war allerdings, ob auch der
Verzicht des Vermieters auf nur bestimmte Kündigungsgründe
der Schriftform bedarf. Der BGH bejahte diese Frage. Die Eigenbedarfskündigung sei wirksam. Ein über die Dauer eines Jahres
hinausgehender Kündigungsverzicht sei unwirksam. Dies begründete der BGH wiederum mit dem Sinn und Zweck des § 550
BGB. Das Schriftformerfordernis bezwecke in erster Linie, dass
sich der Kaufinteressent über den Umfang der auf ihn übergehenden Bindungen informieren könne. Neben der Warn- und
Beweisfunktion sei der Schutz des Informationsinteresses eines
Erwerbers der Hauptzweck dieser Regelung. Die Anlage zum
Mietvertrag genüge den Anforderungen der §§ 550, 126 BGB
nicht. Bei ausgelagerten Schriftstücken müsse die Zusammengehörigkeit in geeigneter Weise zweifelsfrei kenntlich gemacht
werden. Vorliegend sei aber die Anlage weder mit dem Mietvertrag verbunden noch separat unterzeichnet worden. Sie nehme
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auch nicht Bezug auf den Hauptvertrag. Der Verzicht auf die Ei-
genbedarfskündigung sei somit unwirksam und das Mietverhältnis habe innerhalb der gesetzlichen Frist gekündigt werden können.
1.3
Schriftform bei ungewissem Laufzeitbeginn
Mit Urteil vom 02.07.2007, Az. XII ZR 178/04, setzte der BGH
sich mit der Frage auseinander, ob die Schriftform auch dann
gewahrt sei, wenn der Vertragsbeginn nicht bestimmt, sondern
an die zeitlich noch nicht feststehende Übergabe des Mietobjekts
geknüpft sei. Vermietet wurde ein Ladenlokal für eine Apotheke.
Bei Abschluss des Mietvertrags waren die Mieträume noch nicht
errichtet. Der Mietvertrag sah daher vor, dass das Mietverhältnis
mit dem Ersten des Monats, der auf die Übergabe des bezugsfertigen
Mietobjekts
folge,
beginne,
voraussichtlich
am
01.10.1993. Das Mietverhältnis wurde befristet auf 15 Jahre abgeschlossen. Im November 2002 kündigte der Mieter den Mietvertrag vorzeitig mit der Begründung, dass wegen des ungewissen Mietbeginns die gesetzliche Schriftform nicht gewahrt sei.
Der BGH gab allerdings dem Vermieter Recht. Die Klausel genüge dem Schriftformerfordernis. Dem Schutzgedanken des §
550 BGB sei genüge getan. So könne zwar ein späterer Grundstückserwerber aus dem Mietvertrag nicht Beginn und Ende des
Mietverhältnisses erkennen. Es gebe aber zahlreiche Fallgestaltungen, in denen der Mietvertrag keine erschöpfende Auskunft
über die Bedingungen eines langfristigen Mietverhältnisses gäbe.
Dies sei beispielsweise der Fall, wenn der Mietvertrag eine Verlängerungsoption zugunsten des Mieters enthalte. Auch dann
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könne der Grundstückserwerber nicht erkennen, ob die Option
ausgeübt worden sei. Auch in jenem Fall sei also das Ende des
Mietverhältnisses ungewiss. Allerdings sei der Grundstückserwerber durch das im Mietvertrag niedergelegte Optionsrecht ausreichend gewarnt, so dass ihm Erkundigungen zuzumuten seien.
Zudem entspreche die Klausel einem praktischen Bedürfnis, bei
der Vermietung vom Reißbrett den Mietbeginn an Fertigstellung
oder Übergabe der Mietsache zu knüpfen. Dies gelte auch in
dem Fall, dass die Parteien im Mietvertrag vorgesehen hatten,
ein Übergabeprotokoll zu erstellen, dies jedoch später versäumten. Ob die gesetzliche Schriftform eingehalten sei, richte sich
nämlich nach den Umständen bei Vertragsschluss. Spätere Umstände, wie die Versäumung der Erstellung des Übergabeprotokolls, können die Wahrung der Form nicht mehr in Frage stellen.
1.4
Schriftform bei Vertragsschluss unter Abwesenden
Das Kammergericht Berlin befasste sich mit Urteil vom
25.01.2007, Az. 8 U 129/06, mit der interessanten Frage, welche
rechtliche Konsequenz es habe, dass bei einem Vertragsabschluss unter Abwesenden, § 147 BGB, zwischen dem Angebot
auf Abschluss eines Mietvertrags und der Annahme einige Zeit
vergeht. Im zugrunde liegenden Fall schlossen die Parteien im
September 1993 einen Gewerbemietvertrag auf zwanzig Jahre.
Im Jahre 2004 vereinbaren die Parteien einen Nachtrag zum
Mietvertrag. Die Mieterin unterzeichnet die Vereinbarung am
01.03.2004, die Vermieterin am 12.03.2004. Das von der Vermieterin unterzeichnete Exemplar des Mietvertrags erhält die
Mieterin aber erst am 23.04.2004. Im Jahr 2005 kündigt die Mieterin das Mietverhältnis dann mit gesetzlicher Kündigungsfrist
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und vertritt die Rechtsauffassung, dass der Mietvertrag nicht dem
Schriftformerfordernis genüge. Das Kammergericht gibt der Mie-
terin Recht. Der Gewerbemietvertrag entspreche nicht der
Schriftform der §§ 550, 126 Abs. 2 BGB. Die Mieterin habe am
01.03.2004 ein Angebot zum Abschluss der Nachtragsvereinbarung abgegeben. Die Annahmeerklärung der Vermieterin sei der
Mieterin aber erst am 23.04.2004 zugegangen. Gemäß § 147
Abs. 2 BGB kann der gegenüber einem Abwesenden gemachte
Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Diese Frist des § 147 Abs. 2 BGB
sei am 23.04.2004 bereits abgelaufen gewesen. Folglich gelte
die verspätete Annahme des Antrags als neuer Antrag, § 150
BGB. Diesen neuen Antrag habe die Vermieterin, indem die Vereinbarungen des Nachtrags umgesetzt wurden, konkludent angenommen, die Schriftform sei allerdings nicht mehr gewahrt.
Die Schriftform sei nämlich nur dann gewahrt, wenn die schriftlichen Erklärungen der Vertragspartner unmittelbar zum Vertragsabschluss führten. Nur dieses Ergebnis entspreche auch dem
Zweck des Schriftformerfordernisses. Ein möglicher Erwerber
des Mietobjektes solle nicht an mündliche Abänderungen und
Ergänzungen eines schriftlichen Vertrages gebunden sein. Die
„übliche Annahmefrist“ im Sinne des § 147 Absatz 2 BGB beträgt
wohl maximal zwei bis drei Wochen.
1.5
Schriftform und salvatorische Klausel
Mit Urteil des BGH vom 25.07.2007, Az. XII ZR 143/05 setzte der
BGH sich mit der Frage auseinander, ob eine allgemeine salvatorische Klausel (Erhaltungs- und Ersetzungsklausel) die Verlet-
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zung der Schriftform retten kann. Auch in diesem Fall war das
Mietobjekt im Mietvertrag nicht hinreichend bestimmbar beschrie-
ben. Allerdings enthielt der gewerbliche Mietvertrag eine übliche
allgemeine salvatorische Klausel mit den Bestandteilen Erhaltungsklausel und Ersetzungsklausel. Die Erhaltungsklausel soll
die nach § 139 BGB im Zweifel aus der Teilnichtigkeit folgende
Gesamtnichtigkeit des Vertrages verhindern. Die Ersetzungsklausel gilt für die Fälle, in denen eine Klausel endgültig unwirksam ist und deshalb durch eine gültige sinngemäße Klausel ersetzt werden soll. Der BGH vertritt nun aber die Auffassung, dass
eine solche Ersetzung durch die Nachholung der Schriftform
nicht erfolge. Durch den Mangel der Schriftform werde die feste
Mietdauer unwirksam. Die Unwirksamkeit der vereinbarten Mietdauer beruhe daher nicht auf dem Inhalt der Vereinbarung, sondern darauf, dass die Parteien formell die Schriftform nicht gewahrt haben. Folglich ersetze die Nachholung der Schriftform
des Vertrags die unwirksame Vereinbarung auch nicht durch eine andere, sondern lasse sie mit unverändertem Inhalt wirksam
werden. Allgemeine salvatorische Klauseln können mithin die
mangelhafte Schriftform nicht heilen.
1.6
Vertragliche Verpflichtung zur Einhaltung der Schriftform
Gegenstand einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin, Urteil vom 13.11.2006, Az. 8 U 51/06, war nicht die allgemeine salvatorische Klausel, sondern eine spezielle Klausel, in welcher die
Vertragsparteien sich gegenseitig verpflichtet hatten, alles zu tun,
was nötig ist, um dem Schriftformerfordernis genüge zu tun. Im
zugrunde liegenden Fall hatten die Parteien einen gewerblichen
Mietvertrag mit einer Befristung bis zum 31.03.2007 geschlos-
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sen. In § 18 Abs. 4 des Mietvertrags hatten die Parteien vereinbart, dass sie sich gegenseitig verpflichten, jederzeit alle Hand-
lungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem Schriftformerfordernis genüge zu tun und bis
dahin den Mietvertrag nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der Schriftform vorzeitig zu kündigen. Gleichwohl kündigte
die Mieterin vorzeitig. Die Mieterin begründet dies damit, dass
die Schriftform des § 550 BGB nicht eingehalten sei. Der Mietvertrag sah vor, dass eine Sicherheitsleistung als Mietbürgschaft
zu leisten sei. Mündlich aber hatten die Parteien sich darüber
geeinigt, dass die Kaution in Form von Fonds-Anteilen zu hinterlegen sei. Diese Vereinbarung habe man schon vor Abschluss
des schriftlichen Vertrags getroffen. Das Kammergericht gab jedoch dem Vermieter Recht. Der Mieterin sei die Berufung auf einen vermeintlichen Schriftformmangel gemäß § 18 Abs. 4 des
Mietvertrags verwehrt. Die Klausel verstoße nicht gegen § 305 ff.
BGB, insbesondere sei sie auch nicht überraschend oder unangemessen (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2004,
Az. 24 U 264/03). Die Parteien können sich somit nach Auffassung des Kammergerichts wirksam zur Einhaltung der Schriftform verpflichten.
2. Beendigung des Mietverhältnisses
2.1
Mietsicherheit und Anlagepflicht
In einem Klageerzwingungsverfahren musste das OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08.03.2007, Az. 1 Ws 47/07, sich mit der
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Frage auseinander setzen, ob sich ein Vermieter strafbar macht,
wenn er die Kaution nicht getrennt von seinem Vermögen anlegt.
Die Parteien hatten mietvertraglich vereinbart, dass die Mieterin
eine Barkaution zu leisten habe. Die Vermieterin zahlt den Betrag auf ihr eigenes Sparkonto ein. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zahlt die Vermieterin die Kaution nicht zurück. Die
Mieterin stellt Strafanzeige wegen Untreue. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein. Deshalb das Klageerzwingungsverfahren, §§ 172 ff StPO. Ob die gesetzeswidrige Nichtanlage
der Kaution eine strafbare Untreue darstellt, ist umstritten (vgl.
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 18.12.1997, Az.
5 StRR 67/97). Vor dem Hintergrund vertrat das OLG Zweibrücken in dem zitierten Beschluss die Auffassung, dass die Staatsanwaltschaft Anklage zu erheben habe. Dies folge aus dem Legalitätsprinzip. Zur Verjährung einer solchen Tat führt das OLG
aus, dass die fragliche Tat erst mit der vollständigen Realisierung
des Schadens eingetreten sein könne. Ob und in welcher Höhe
sich ein Kautionsrückzahlungsanspruch errechne, stehe erst bei
Mietvertragsbeendigung fest. Erst damit beginne die Verjährung.
Dies entspricht auch praktischen Erwägungen. So wird der Mieter oft erst bei Beendigung des Mietverhältnisses feststellen, ob
seine Kaution ordnungsgemäß angelegt wurde. Hinzuweisen ist
darauf, dass, sollte der Vermieter auf Aufforderung des Mieters
die Nichtanlage der Kaution nicht nachweisen, der Mieter in entsprechender Höhe ein Zurückbehaltungsrecht hat.
2.2
Fristlose Kündigung bei Nichtzahlung der Kaution?
Der BGH stellte mit Urteil vom 21.03.2007, Az. XII ZR 36/05,
fest, dass der Vermieter bei der Gewerberaummiete in der Regel
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das Mietverhältnis fristlos kündigen könne, wenn der Mieter die
Kaution nicht leistet. Die Parteien hatten einen Mietvertrag über
ein Ladengeschäft geschlossen. Sie hatten eine Mietkaution in
Höhe von 60.000,00 Euro vereinbart. Der Mieter leistete die Kaution jedoch nicht. Der Vermieter mahnte die Leistung der Kaution
an und kündigte anschließend das Mietverhältnis wegen Nichtzahlung der Kaution fristlos. Der BGH gab dem Vermieter Recht.
Der Vermieter habe das Mietverhältnis wirksam aus wichtigem
Grund gemäß § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB gekündigt. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist
sei dem Vermieter unzumutbar. Die Kaution befriedige regelmäßig ein legitimes Sicherungsbedürfnis des Vermieters und die
Nichtzahlung der Kaution stelle somit grundsätzlich eine erhebliche Vertragsverletzung dar. Jedenfalls im Bereich der Gewerberaummiete kann der Vermieter vor der Kündigung nicht auf die
Einklagung der Kaution verwiesen werden. Im Wohnungsmietrecht ist dies weiterhin umstritten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil
vom 12.01.1995, Az. 10 U 36/94).
2.3
Kaution und Vermieterwechsel
Mit Urteil vom 04.04.2007, Az. VIII ZR 219/06, nahm der BGH zu
der Frage Stellung, von wem der Mieter die Kaution zurückverlangen kann, wenn er nach einem Verkauf des Objekts aber
noch vor Eigentumsumschreibung auszieht. Der Mieter hatte bei
Mietvertragsbeginn eine Barkaution gezahlt. Er kündigte das
Wohnraummietverhältnis zum 30.06.2004 und zog aus. Im November 2004 wird das Grundstück zwangsversteigert. Der ehemalige Mieter verlangt von dem neuen Eigentümer die Abrechnung und Auskehr der Kaution. Der BGH verneint einen entspre-
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chenden Anspruch des Mieters gegenüber dem neuen Eigentümer. Zwar seien die Vorschriften der §§ 566 und 566 a BGB
auch im Falle des Eigentumserwerbs im Wege der Zwangsversteigerung anwendbar, § 57 ZVG. Nach ihrem Wortlaut setzen
die §§ 566, 566 a BGB grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt
des Eigentumswechsels ein wirksames Mietverhältnis besteht
und sich der Mieter noch im Besitz der Wohnung befindet. Die
wohl herrschende Meinung nimmt eine Ausnahme für den Fall
an, dass der Mieter im Zeitpunkt des Eigentumswechsels die
Wohnung trotz Ablauf des Mietvertrags noch nicht geräumt hat.
In diesem Fall solle der Erwerber entsprechend § 566 BGB in
das Abwicklungsverhältnis mit dem Mieter eintreten. Dies gilt
nach der Auffassung des BGH aber dann nicht, wenn der Mieter
noch vor dem Eigentumsübergang auf den Erwerber ausgezogen ist. § 566 BGB diene dem Schutz des Mieters, dem die
Wohnung aufgrund eines wirksamen Mietvertrags überlassen
sei. Die ihm durch seinen Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung solle ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des
Grundstücks erhalten bleiben. Ist der Mieter aber bereits ausgezogen, bedürfe er des Schutzes der §§ 566, 566 a BGB nicht.
Seine Rechtsposition werde durch den Eigentumswechsel nicht
mehr berührt. Ansprüche muss der Mieter daher gegenüber seinem ehemaligen Vermieter geltend machen.
2.4
„Kalte Räumung“
Das Landgericht Berlin entschied mit Urteil vom 28.11.2006, Az.
65 S 220/06, über die höchst streitige Frage, ob der Vermieter
nach Beendigung des Wohnraummietverhältnisses die Wasserund Stromzufuhr unterbrechen darf. Dem Fall lag zugrunde, dass
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der Mieter seit mehr als einem Jahr keine Miete gezahlt hatte.
Der Vermieter kündigte daraufhin fristlos. Er stellte kurz darauf in
einem nur ihm zugänglichen Kellerraum die Wasserzufuhr ab
und unterbrach auch die Stromversorgung. Die Mieter erwirkten
beim Amtsgericht eine einstweilige Verfügung auf Wiederherstellung der Strom- und Wasserzufuhr. Auf den Widerspruch des
Vermieters hebt das Amtsgericht die einstweilige Verfügung auf.
Die Mieter legen Berufung ein. Umstritten ist es, ob der Vermieter die Wasser- und Stromversorgung auch nach Beendigung
des Mietverhältnisses gewährleisten muss (bejahend, wegen des
besonderen grundrechtlichen Schutzes des Wohnraums und der
Sozialpflichtigkeit des Eigentums: OLG Saarbrücken, Beschluss
vom 25.09.2005, Az. 8 W 205/05 für den Gaststättenvertrag;
verneinend, da nach Vertragsende keine Gebrauchsgewährungspflicht mehr besteht: Kammergericht Berlin, Beschluss vom
08.07.2004, Az. 12 W 21/04, ebenfalls zum Gewerberaummietverhältnis, Streyl, WuM 2006, 234). Das Landgericht Berlin in der
zitierten Entscheidung vom 28.11.2006 sah die Rechtslage differenzierter:
Die Unterbrechung der Stromversorgung durch den Vermieter
sei verbotene Eigenmacht, § 858 BGB. Der Vermieter habe mit
der Unterbrechung der Stromversorgung in die Versorgungsbeziehung zwischen Mieter und Stromlieferanten eingegriffen. Dies
sei unzulässig. Anders sei dies bei der Unterbrechung der Wasserversorgung. Es handele sich dabei nur um ein Unterlassen.
Ein Unterlassen stelle nach allgemeiner Ansicht nur dann verbotene Eigenmacht dar, soweit eine Pflicht zum Tun bestehe. Mit
Beendigung des Mietverhältnisses sei der Vermieter aber nicht
mehr verpflichtet gewesen, die Wohnung mit Wasser zu versorgen. Eine obergerichtliche Entscheidung zu dem Problem im
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Wohnraummietverhältnis steht leider noch aus. Im Wohnungseigentumsrecht wird dagegen grundsätzlich die Wohnungseigen-
tümergemeinschaft als berechtigt angesehen, eine Versorgungssperre auszusprechen und umzusetzen (vgl. beispielsweise OLG
Frankfurt aM, Beschluss vom 21.02.2006, Az. 20 W 56/06).
2.5
Kündigung bei Eigenbedarf und Betriebsbedarf
Mit Urteilen vom 23.05.2007, Az. VIII ZR 113/06, und vom
27.06.2007, Az. VIII ZR 261/06, befasste der BGH sich mit der
Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Kommanditgesellschaft oder eine Vermieter-GbR ein Wohnraummietverhältnis
wegen Eigenbedarf oder Betriebsbedarf kündigen kann.
Der Entscheidung des BGH vom 23.05.2007 lag zugrunde, dass
eine Kommanditgesellschaft ein Betriebsgrundstück erworben
hatte. Auf dem Gelände befinden sich auch einige Wohnungen.
Zwei der Wohnraummietverhältnisse kündigte die KG. In eine der
Wohnungen sollte der Geschäftsführer der KG, in die andere ihr
„Eventmanager“ einziehen. Dies sei aus betrieblichen Gründen
dringend erforderlich. Der BGH stellt fest, dass beide Kündigungen unwirksam seien. Ein berechtigtes Interesse im Sinne von §
573 BGB der KG liege nicht vor. Eigenbedarf komme bereits
deshalb begrifflich nicht in Betracht, da eine KG Räume weder
als Wohnung für sich noch für Familien- und Haushaltsangehörige benötigen könne. Auch einen Betriebsbedarf verneint der
BGH. Bei einer Kündigung wegen Betriebsbedarf müsse der
Vermieter vernünftige Gründe haben, die den Nutzungswunsch
nachvollziehbar erscheinen lassen. Für den Betriebsbedarf
komme es darauf an, dass nach Funktion und Aufgaben des Mitarbeiters (hier Geschäftsführer bzw. Eventmanager) sein Woh-
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nen gerade in dieser Wohnung von nennenswertem Vorteil für
den Betriebsablauf sei. Hier sei es aber aus betrieblichen Grün-
den weder geboten noch für den Betriebsablauf von nennenswertem Vorteil, dass die beiden Mitarbeiter auf dem Betriebsgelände wohnen. Der KG gehe es in beiden Fällen nur um das private Interesse ihrer Mitarbeiter an einem kurzen Heimweg. Dem
komme aber kein entscheidendes Gewicht zu. Offen lässt der
BGH die Frage, ob die KG Eigenbedarf für einen Gesellschafter
geltend machen kann (vorliegend wurde nicht festgestellt, dass
der Geschäftsführer auch Gesellschafter sei).
Die Entscheidung des BGH vom 27.06.2007 lag der mögliche
Eigenbedarf einer Vermieter-GbR zugrunde. Es wurde eine
BGB-Gesellschaft gegründet, um ein Wohnhaus zu kaufen und
zu sanieren. Die Gesellschafter wollten das Haus selbst bewohnen. Die Erdgeschosswohnung vermietete die Gesellschaft allerdings zunächst an einen Mieter. Einige Jahre später erkrankte
der in der Dachgeschosswohnung lebende Gesellschafter
schwer und wollte deshalb in die Erdgeschosswohnung umziehen. Die GbR kündigt dem Erdgeschossmieter wegen Eigenbedarfs. Der BGH gibt der Vermieter-GbR Recht. Die Räumungsklage sei begründet. Zwar könne eine GbR als rechtsfähige Personengesellschaft schon begrifflich keinen Eigenbedarf im Sinne
von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB haben. Der GbR sei aber der Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter zuzurechnen. Es sei nämlich im
Ergebnis nicht gerechtfertigt, die Gesellschafter einer GbR bei
einer Eigenbedarfskündigung schlechter zu stellen als die Mitglieder einer einfachen Vermietermehrheit. So hänge es häufig
nur vom Zufall ab, ob eine Personenmehrheit eine Wohnung als
Gemeinschaft oder als GbR vermiete. Die Interessenlage sei
aber dieselbe. Es komme dabei auch nicht darauf an, ob die
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GbR personalistisch auftrete, also ob ihr Gesellschafterkreis
überschaubar und dem Mieter namentlich bekannt sei. Es sei
auch
nicht erforderlich, dass bei allen Gesellschaftern Eigenbedarf bestehe. Dies sei auch nicht bei einer einfachen Vermietermehrheit
erforderlich. Zugleich weist der BGH allerdings darauf hin, dass
der Eigenbedarf eines nach Abschluss des Mietvertrags hinzutretenden Gesellschafters nicht ausreiche. Der Wohnbedarf müsse
bei einem solchen Gesellschafter bestehen, der bereits bei Abschluss des Mietvertrags der Gesellschaft angehörte. Andernfalls
drohe dem Mieter sonst durch später hinzutretende Gesellschafter ein unkalkulierbares Risiko von Eigenbedarfskündigungen.
2.7
Aufwendungsersatz des Mieters für zugelassene Änderungen an
der Mietsache?
Mit Urteil vom 13.06.2007, Az. VIII ZR 387/06, nimmt der BGH
Stellung zu der Frage, ob der Mieter für ausdrücklich zugelassene Änderungen an der Mietsache, hier: Anpflanzungen im Garten
des Einfamilienhauses, nach Beendigung des Mietverhältnisses
einen finanziellen Ausgleich fordern kann. Dies verneint der BGH
im Ergebnis. Dem Fall lag zugrunde, dass der Mieter ein Einfamilienhaus gemietet hatte, dessen Garten bei Mietbeginn unbepflanzt war. Der Mietvertrag gestattete dem Mieter, den Garten
nach individuellen Wünschen zu gestalten. Etwa zwanzig Jahre
später endet das Mietverhältnis. Die Mieter fordern von den
Vermietern Aufwendungsersatz für diejenigen Bäume und Sträucher, die wegen ihres Alters oder ihrer Größe nicht mehr umgepflanzt werden können. Der BGH weist jedoch die Klage der Mieter ab. Die Auslegung des Mietvertrags würde ergeben, dass die
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Mieter ohne Aufwendungsersatzansprüche bleiben sollten. Ausgangspunkt ist § 539 BGB. Danach kann der Mieter vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht
nach § 536 a Abs. 2 BGB zu ersetzen hat, nach den Vorschriften
über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen. Hierzu stellt der BGH fest, dass eine Bepflanzung der Freiflächen
nicht zwangsläufig im Sinne des Vermieters sei. Man könne auch
nicht ohne Weiteres annehmen, dass ein Vermieter, der seinen
Mietern erlaubt, die Mietsache nach individuellen Wünschen und
Interessen zu verändern, auch noch verpflichtet sein solle, den
Mietern die Aufwendungen hierfür zu ersetzen. Auch steigere
nicht jede Bepflanzung den Grundstückswert. Im Ergebnis kann
der Mieter nur in den folgenden Fällen erfolgreich einen Aufwendungsersatz geltend machen: Aufwendungen für die Mängelbeseitigung, § 536 a Abs. 2 BGB, Ersatz sonstiger Aufwendungen
nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag,
§§ 539 Abs. 1, 683 Satz 1, 670 BGB (an dem erforderlichen
Fremdgeschäftsführungswillen fehlt es in der Regel, wenn der
Mieter die Aufwendungen nur im eigenen Interesse tätigt, beispielsweise um die Mietsache zu verschönern), Ansprüche aus
unberechtigter GOA, §§ 684 Satz 1, 812 BGB. In dem Fall muss
der Vermieter durch die Mieterinvestitionen bereichert sein.
3. Auswirkungen der Wohnflächenberechnung
3.1
Wohnflächenermittlung
Mit Urteil vom 23.05.2007, Az. VIII ZR 231/06, legt der BGH fest,
nach welchen Bestimmungen die Wohnfläche zu ermitteln sei.
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Über die richtige Berechnungsmethode bei der Wohnflächenermittlung gibt es häufig Streit. In Betracht kommen die DIN 277,
die DIN 283, die §§ 42 ff der II. Berechnungsverordnung und die
Wohnflächenverordnung. Die Ergebnisse weichen teilweise beträchtlich von einander ab. Im Hinblick auf die Wesentlichkeitsgrenze (ein Flächenminus von mehr als 10 % berechtigt erst zur
Minderung) ist dies von erheblicher Bedeutung. Im entschiedenen Fall geht es um eine preisfreie Wohnung, die im Jahr 1999
vermietet wurde. Der Mieter wendet zu seinen Gunsten die DIN
283 an und berücksichtigt den Hobbyraum und den Flur im Untergeschoss zu ½, die Terrasse zu ¼. Dann kommt er zu einem
Wert, der mehr als 10 % unter der im Mietvertrag genannten
Wohnfläche liegt. Der Vermieter legt dagegen die Wohnflächenverordnung zugrunde. Die Flächen von Hobbyraum und Flur seien ganz und die Terrassenfläche zu ½ anzusetzen. Eine Abweichung von 10 % sei daher nicht gegeben.
Der BGH folgt der Rechtsauffassung des Vermieters. Zunächst
stellt er fest, dass der Begriff der Wohnfläche auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen sei. Dies
hätten die Parteien stillschweigend vereinbart. Von daher seien
bei einem Mietvertragsabschluss bis zum 31.12.2003 die §§ 42 ff
der II. Berechnungsverordnung anwendbar, ab dem 01.01.2004
gelte die Wohnflächenverordnung. Da vorliegend der Mietvertrag
im Jahre 1999 geschlossen worden sei, sei die II. Berechnungsverordnung anzuwenden, die vorliegend zu dem gleichen Ergebnis führte wie die Wohnflächenverordnung. Ergänzend führte der
BGH aus, dass eine andere Berechnungsmethode nur dann in
Betracht komme, wenn die Mietvertragsparteien eine abweichende Vereinbarung getroffen hätten. In Betracht käme auch
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eine „ortsübliche Berechnungsmethode“. Dafür war vorliegend
aber nichts ersichtlich.
3.2
Mieterhöhung und Wohnfläche
Welche Konsequenzen sich aus der zutreffenden Berechnung
der Wohnfläche ergeben können, ergibt sich aus der Entscheidung des BGH vom 23.05.2007, Az. VIII ZR 138/06. Die Parteien
hatten einen Wohnraummietvertrag geschlossen und eine Wohnfläche von 121,49 m² mietvertraglich vereinbart. Tatsächlich betrug die Wohnfläche 131,8 m². Der Vermieter verlangte sodann
die Zustimmung zu einer Mieterhöhung und geht dabei von der
tatsächlichen, höheren Wohnfläche aus. Der Mieter meint dagegen, dass die im Mietvertrag genannte Wohnungsgröße maßgeblich sei. Da vorliegend die 10 % Grenze nicht überschritten
ist, folgt der BGH der Auffassung des Mieters. Bei Beurteilung
des Mieterhöhungsverlangens sei von der Wohnflächenangabe
im Mietvertrag auszugehen. Hätte die Abweichung aber mehr als
10 % (sowohl nach unten wie auch nach oben) betragen, sei die
tatsächliche Wohnfläche für das Mieterhöhungsverlangen maßgeblich. Der Vermieter sei nicht auf Dauer an seinen Irrtum über
die tatsächliche Größe der Wohnung gebunden. Hierfür sei
maßgeblich, dass es sich um ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis handele und der Vermieter aufgrund seines Kalkulationsirrtums nicht berechtigt sei, sich durch Kündigung von dem Vertrag zu lösen. Es sei deshalb die tatsächliche Wohnungsgröße
zugrunde zu legen.
Folgende weitere Entscheidungen des BGH gibt es zur Wohnfläche:
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-
Mangel bei Flächenminus von mehr als 10 %
(24.03.2004, Az. VIII ZR 295/03),
-
Mangel
auch
bei
„ca.“-Angabe
im
Mietvertrag
(24.03.2004, Az. VIII ZR 44/03),
-
Flächenmaßstab nach Verkehrssitte, regelmäßig II. Berechnungsverordnung bzw. Wohnflächenverordnung
(24.03.2004, Az. VIII ZR 133/03),
-
Mieterhöhungsverlangen mit überhöhter Flächenangabe berechtigen den Mieter zur Rückforderung
(07.07.2004, Az. VIII ZR 192/03),
-
vereinbarte Flächenangabe auch bei noch nicht fertig
gestellter Wohnung verbindlich (28.09.2005, Az. VIII ZR
101/04),
-
Minderfläche ist Mangel auch bei Umbauten nach
Wunsch des Mieters (28.09.2005, Az. VIII ZR 101/04),
-
Dachterrasse regelmäßig mit 25 % zu berücksichtigen,
kein Mangel, wenn offenkundig 50 % angesetzt
(22.02.2006, Az. VIII ZR 219/04),
-
nur Mehrfläche von größer 10 % berechtigt bei Mieterhöhung die tatsächliche größere Fläche anzusetzen
(23.05.2007, Az. VIII ZR 138/06),
3.3
Gehören Souterrainräume zur Wohnfläche?
20
Das Landgericht Itzehoe hat mit Urteil vom 28.07.2006, Az. 9 S
131/05, entschieden, dass auch Räume, die bauordnungsrecht-
lich nicht als Wohnräume gelten und deshalb nach den Vorschriften zur Wohnflächenberechnung nicht zu berücksichtigen seien,
vertragsrechtlich als Wohnfläche anzusehen sein können. In dem
Fall hatten die Mieter eine Wohnung angemietet, deren Fläche
mit ca. 97 m² angegeben wurde. Teilweise lagen die Räume im
Erdgeschoss. Zwei weitere, schlecht belichtete Zimmer mit einer
Fläche von 40 m² liegen im Souterrain. Alle Räume werden zu
Wohnzwecken genutzt. Nach einigen Jahren machen die Mieter
eine Minderung geltend, weil die tatsächlich anrechenbare
Wohnfläche um mehr als 10 % geringer sei als die vereinbarte.
Die Souterrainräume seien gemäß § 42 Abs. 4 Nr. 4 II. Berechnungsverordnung alte Fassung nicht zu berücksichtigen, weil sie
den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Wohnräume
nicht genügten (kein ausreichendes Tageslicht). Das Landgericht
gab dem Vermieter recht. Ein Mangel im Sinne von § 536 BGB
sei nicht gegeben. So sei der Begriff Wohnfläche auslegungsbedürftig. Zunächst sei zu fragen, welche Vereinbarung die Parteien über die Größe der vermieteten Fläche getroffen hätten. Nur
ohne eine solche Vereinbarung sei Raum für die Anwendung der
Regelungen zur Berechnung der Wohnfläche. Vorliegend sei für
die Parteien nach der Wohnungsbesichtigung klar gewesen,
dass sowohl die Zimmer im Erdgeschoss als auch die Souterrainzimmer zu Wohnflächen vermietet werden sollten und dass
sich die im Vertrag angegebene Quadratmeterzahl auf alle Räume beziehe. Die Flächendifferenz von 40 m² sei nämlich so ins
Auge springend, dass auch ein Laie erkennen müsse, dass die
vereinbarte Fläche von 97 m² nicht durch die im Erdgeschoss
liegenden Räume erreicht würde. Der Begriff der Wohnfläche ist
ein Rechtsbegriff und damit auslegungsbedürftig. Es kommt dar-
21
auf an, wie die Parteien den Begriff „Wohnfläche“ verstehen. Bereits in der Dachterrassen-Entscheidung vom 22.02.2006 hat der
BGH festgestellt, dass kein Mangel durch eine Minderfläche vorliegt, wenn die Parteien sich einig sind, dass die vereinbarte
Wohnfläche nur dann richtig sein kann, wenn man die Terrasse
nicht nur zu 25 %, sondern zu 50 % anrechnet (so auch im
Spitzboden-Fall, BGH, Urteil vom 24.03.2004, Az. VIII ZR 44/03).
Entscheidend ist mithin, ob sich die Parteien subjektiv auf eine
Wohnflächenkalkulation geeinigt haben. Mit den maßgeblichen
Rechtsvorschriften (II. Berechnungsverordnung oder Wohnflächenverordnung) muss dies nicht zwingend zu tun haben.
Die WEG-Reform
1. Einführung
Zum 01.07.2007 ist die WEG-Reform in Kraft getreten. Die Reform hat
insbesondere folgende Themen neu geregelt:
-
Teilrechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft,
-
Neuregelung der Haftungsfolgen,
-
Erleichterungen für die Änderung von Verteilungsschlüsseln und für Abweichungen von der Gemeinschaftsordnung durch Beschluss,
-
neue Aufgaben und Befugnisse des Verwalters,
22
-
Einführung des ZPO-Verfahrens,
-
bevorrechtigte Befriedigung in der Zwangsversteigerung.
Von wesentlicher Bedeutung sind insbesondere die wesentlichen Erleichterungen für die Änderung von Verteilungsschlüsseln und insgesamt für
Abweichungen von der Gemeinschaftsordnung durch Beschluss. Von
Bedeutung sind auch die Änderungen bezüglich der Haftungsfolgen der
einzelnen Wohnungseigentümer und die Einführung des ZPO-Verfahrens
in Wohnungseigentumsangelegenheiten. Die folgenden Ausführungen
werden sich daher im Wesentlichen hierauf beschränken. Kurz werden
auch die Änderungen im Fall der Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums beschrieben.
2. Teilrechtsfähigkeit der
Wohnungseigentümergemeinschaft,
§ 10 WEG
2.1
Grundsätzliches
§ 10 Abs. 6 bestimmt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gegenüber Dritten und Wohnungseigentümern selbst Rechte erwerben und Pflichten eingehen kann. Die
Gemeinschaft ist Inhaberin der als Gemeinschaft gesetzlich begründeten und rechtsgeschäftlich erworbenen Rechte und Pflichten. Damit regelt der Gesetzgeber die Rechtsfähigkeit der Eigen-
23
tümergemeinschaft. Der Bundesgerichtshof hatte schon mit Beschluss vom 02.06.2005, Az. V ZB 32/05, die Rechtsfähigkeit der
Eigentümergemeinschaft bejaht. § 10 Abs. 8 regelt die Haftungsfrage der Wohnungseigentümer neu. § 11 Abs. 3 bestimmt, dass
die Eigentümergemeinschaft nicht insolvenzfähig ist.
2.2
Verwaltungsvermögen
Eigentümer des Verwaltungsvermögens gemäß § 10 Abs. 7 ist
die rechtsfähige Gemeinschaft. Der einzelne Wohnungseigentümer ist am Verwaltungsvermögen nicht unmittelbar beteiligt. Beispielsweise werden die Forderungen auf Wohngeldzahlungen
dem Verbandsvermögen zugerechnet. Alles, was im Laufe der
Verwaltung angeschafft wird, ist Vermögen des Verbands. Dazu
gehören auch Rechtsverhältnisse mit Dritten und mit Wohnungseigentümern, § 10 Abs. 7. Zum Gemeinschaftsvermögen gehört
aber nicht das Gemeinschaftseigentum selbst. Dieses steht im
Eigentum der Wohnungseigentümer.
2.3
Bezeichnung der Eigentümergemeinschaft
Gemäß § 10 Abs. 6 Satz 4 führt die Gemeinschaft die Bezeichnung „Wohnungseigentümergemeinschaft“ gefolgt von der bestimmten Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks. Dies bedeutet, dass die Gemeinschaft durch die postalische Adresse
bestimmt wird, und zwar beispielsweise Wohnungseigentümergemeinschaft Bismarckstraße 87, 41061 Mönchengladbach. Sie
kann hierunter vor Gericht klagen und verklagt werden.
24
2.4
Wahrnehmung von Rechten und Pflichten durch die Gemeinschaft
Gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 übt die Gemeinschaft die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und
nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Außerdem übt die Gemeinschaft die zum Verwaltungsvermögen gehörenden Rechte und Pflichten aus. Die
Ausübungsbefugnis wird also aus der bisherigen Kompetenz
der Gesamtheit der Wohnungseigentümer ausgegliedert und der
Gemeinschaft zugeordnet. Die Ausübungsbefugnis steht künftig
nur der Gemeinschaft und nicht den Wohnungseigentümern zu.
Es ist nunmehr von erheblicher praktischer Bedeutung, für welche Rechte und Pflichten die Wohnungseigentümer einzeln aktivund passivlegitimiert sind und welche Rechte und Pflichten der
Wohnungseigentümer unter § 10 Abs. 6 Satz 3 oder § 10 Abs. 7
fallen, so dass die Wahrnehmung den Wohnungseigentümern
entzogen ist und nur der Gemeinschaft zusteht.
„Gemeinschaftsbezogen“ sind nunmehr die Angelegenheiten, für
die nach der bis zum 30.06.2007 geltenden Fassung des WEG
gemäß § 21 Abs. 1 eine ausschließliche Verwaltungszuständigkeit der Gesamtheit der Wohnungseigentümer bestand, so dass
der Anspruch grundsätzlich nur durch alle Wohnungseigentümer
gemeinsam aufgrund eines Beschlusses geltend gemacht werden konnte (Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, Kommentar
zum WEG, 8. Auflage, § 10 Rd. 60). Beispielsweise fallen hierunter:
-
der deliktische Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums,
25
-
der Anspruch gegen den Verwalter auf Auskunftserteilung,
-
Anspruch auf Minderung und kleinen Schadensersatz aus Erwerbsverträgen,
-
Vermietung des Gemeinschaftseigentums.
Bezüglich dieser gemeinschaftsbezogenen Rechte und Pflichten
der Wohnungseigentümer besteht die alleinige Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft. Gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 zweiter
Halbsatz kann die Gemeinschaft aber auch die „sonstigen Rechte“ durch Mehrheitsbeschluss zur Angelegenheit der Gesamtheit
der Wohnungseigentümer machen. Diese „sonstigen Rechte“ der
Wohnungseigentümer sind Ansprüche, die grundsätzlich den
Wohnungseigentümern als Individualansprüche zustehen und
von den Eigentümern allein und ohne vorherigen Mehrheitsbeschluss gerichtlich geltend gemacht werden können. Beispielsweise zählen hierzu:
-
Ansprüche gegen einen Wohnungseigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung des gemeinschaftlichen Eigentums wegen unzulässiger baulicher Veränderung oder unzulässigen Gebrauchs,
-
Besitzschutzansprüche gegen Dritte nach §§ 859 ff.
BGB wegen Störung des Gemeinschaftseigentums,
-
Ansprüche aus Erwerbsverträgen auf Nacherfüllung, Erstattung aufgewendeter Fertigstellungs- und
26
Mangelbeseitigungskosten sowie Kostenvorschuss
wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum.
Wie sich aus Vorstehendem ergibt, ist bezüglich der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen zu differenzieren. Die
Ansprüche auf Minderung und auf kleinen Schadensersatz gehen nicht auf die erstmalige Herstellung eines mangelfreien Zustands. Diese Rechte fallen in die alleinige Ausübungsbefugnis
der Gemeinschaft. Die sonstigen Mängelrechte (Anspruch auf
Nacherfüllung, Vorschussanspruch, Selbstvornahmerecht und
Anspruch auf Ersatz der zur Mängelbeseitigung erforderlichen
Aufwendungen) können durch jeden einzelnen Wohnungseigentümer ausgeübt werden. Bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum muss die geschuldete Mängelbeseitigung an alle Eigentümer
gemeinschaftlich erbracht werden. Den Wohnungseigentümern
steht es aber aufgrund ihrer Beschlusskompetenz frei, sämtliche
oder einzelne Mängelrechte durch Beschluss zur Ausübung dem
Verband zuzuweisen. Die Ansprüche auf Rückabwicklung des
Vertrags (Rücktritt, großer Schadensersatz) stehen aber nur dem
jeweils betroffenen Wohnungseigentümer zu.
2.5
Eigentümergemeinschaft als Verbraucher
Es ist noch nicht entschieden, ob die Gemeinschaft als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB oder aber als Verbraucher im
Sinne von § 13 BGB anzusehen ist. Da aber die Gemeinschaft
weder einer gewerblichen noch einer selbständigen Tätigkeit
nachgeht, ist sie einem Verbraucher gleichzustellen, wenn sie
überwiegend aus Eigennutzern oder nicht gewerblichen Vermie-
27
tern besteht (vgl. Niedenführ, a. a. O., § 10 Rd. 55). Die Gemeinschaft ist daher in der Regel keine Unternehmerin.
2.6
Haftung der Wohnungseigentümer
Gemäß § 10 Abs. 8 haftet jeder Wohnungseigentümer einem
Gläubiger nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils für
Verbindlichkeiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Der Gesetzgeber hat sich also für eine quotale Außenhaftung
entschieden. Einem Gläubiger der Eigentümergemeinschaft haftet der einzelne Wohnungseigentümer nur in Höhe seiner Beteiligungsquote, und zwar unmittelbar.
Beispiel:
Ein Gläubiger der Gemeinschaft hat ihr gegenüber eine
Forderung in Höhe von 100.000,00 Euro. Die Gemeinschaft besteht aus zwanzig Wohnungen, die alle gleich
groß sind. Der Gläubiger kann dann gleichzeitig die Gemeinschaft auf Zahlung von 100.000,00 Euro und jeden
einzelnen Wohnungseigentümer auf jeweils 5.000,00 Euro
verklagen.
Mit dieser gesetzlichen Neuregelung hat der Gesetzgeber sich
gegen eine gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer entschieden. Der Gläubiger kann nur quotal gegen jeden
einzelnen Wohnungseigentümer vorgehen. Hat der Gläubiger einen Titel gegenüber der Gemeinschaft, so kann er sich den Anspruch der Gemeinschaft gegenüber dem einzelnen Wohnungs-
28
eigentümer auf Zahlung des Hausgeldes in Höhe der entsprechenden Quote pfänden und überweisen lassen.
2.6.1
Haftung für Altverbindlichkeiten
Gemäß § 10 Abs. 8 haftet jeder Wohnungseigentümer einem
Gläubiger gegenüber für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft, die
während seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entstanden
oder während dieses Zeitraums fällig geworden sind. Insbesondere im Falle eines Eigentumswechsels ist also zu prüfen,
wann die Verbindlichkeit entstanden oder fällig geworden ist. Für
einen neuen Eigentümer bedeutet dies, dass er für alle Verbindlichkeiten haftet, die nach seinem Eintritt in die Gemeinschaft fällig geworden sind. Für den ausscheidenden Eigentümer bedeutet dies, dass er für die Altverbindlichkeiten haftet, soweit sie
während seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entstanden (begründet) sind. Die Rechtsstellung des Gläubigers hat sich für die
Ansprüche, die im Zeitpunkt des Eigentumswechsels entstanden,
aber noch nicht fällig waren, verbessert. Wegen dieser Ansprüche kann er nunmehr sowohl den ausgeschiedenen wie auch
den neuen Eigentümer in Anspruch nehmen. Diese beiden haften gesamtschuldnerisch. Die Haftung des ausgeschiedenen
Wohnungseigentümers wird gemäß §§ 10 Abs. 8 Satz 1 WEG,
160 HGB auf fünf Jahre beschränkt. Die Frist beginnt mit dem
Datum der Eigentumsumschreibung. Ist bereits vorher Verjährung eingetreten, gilt selbstverständlich diese kürzere Frist.
29
2.6.2
Einwendungen und Einreden
Nach § 10 Abs. 8 Satz 2 kann der Wohnungseigentümer gegenüber dem Gläubiger die der Gemeinschaft zustehenden Einwendungen und Einreden geltend machen, nicht aber seine Einwendungen und Einreden gegenüber der Gemeinschaft. Er kann also
beispielsweise einwenden, dass die Forderung bereits verjährt
ist. Nicht aber kann er einwenden, dass er sein Wohngeld ordnungsgemäß geleistet hat. Für ihn besteht mithin die Gefahr der
„Doppelinanspruchnahme“. Hat er sein Wohngeld ordnungsgemäß gezahlt und wird er gleichwohl von einem Gläubiger in Anspruch genommen, so kann er wegen der Doppeltzahlung die
anderen Wohnungseigentümer in Anspruch nehmen.
3. Die erweiterte Beschlusskompetenz
der Wohnungseigentümer
3.1
Allgemeines
Der Gesetzgeber hat die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer deutlich erweitert, und zwar für folgende Bereiche:
-
Abänderung des Verteilungsschlüssels, § 16 Abs.
3 – 5,
-
Regelung der Art und Weise von Zahlungen, § 21
Abs. 7,
-
Beschlüsse zu baulichen Veränderungen, § 22.
30
Mit der Reform hat der Gesetzgeber die Beschlusskompetenz
der WEG beträchtlich erweitert. Dies vor dem Hintergrund, dass
auch die „Jahrhundertentscheidung“ des BGH vom 02.09.2000,
Az. VIII ZB 58/99, zu den Zitterbeschlüssen keine vollkommene
Rechtssicherheit geschaffen hat. Der BGH hatte in dieser Entscheidung entschieden, dass, wenn Beschlüsse ohne entsprechende Beschlusskompetenz gefasst würden, keine Bestandskraft eintreten würde, da diese Beschlüsse nichtig seien. Abweichungen von der Gemeinschaftsordnung konnten nur beschlossen werden, wenn diese eine so genannte Öffnungsklausel enthielt.
3.2
Abänderung des Verteilungsschlüssels
Nach der bisherigen Rechtslage hatten die Wohnungseigentümer keine Beschlusskompetenz, um einen Kostenverteilungsschlüssel generell abweichend von der Gemeinschaftsordnung
zu beschließen. Die Abänderung unbilliger Verteilungsschlüssel
war daher nur sehr schwer möglich. Änderungen waren nur möglich durch Vereinbarung oder gerichtliche Entscheidung. Der Gesetzgeber hat dies erkannt und in § 16 Abs. 3 BGB bestimmt,
dass die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit beschließen können, die Betriebskosten nach einem anderen, neuen Verteilungsschlüssel zu verteilen. Die Beschlusskompetenz
hierfür kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht
eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, § 16 Abs. 5. Bezüglich der Betriebskosten verweist der Gesetzgeber auf § 556 Abs.
1 BGB. Diese Vorschrift verweist ihrerseits wiederum auf die Betriebskostenverordnung. Neben den Betriebskosten können auch
die Kosten der Verwaltung nach einem anderen Verteilungs-
31
schlüssel verteilt werden. Der Begriff der „Kosten der Verwaltung“ ist weit auszulegen. Gemäß § 16 Abs. 7 gehören zu den
Kosten der Verwaltung insbesondere auch die Kosten eines
Rechtsstreits oder der Ersatz eines Schadens im Falle des § 14
Nr. 4. Es sind also nicht nur die Kosten des Verwalters gemeint.
Darunter fallen auch Kosten der Eigentümerversammlung oder
Kosten des Geldverkehrs.
Beispielsweise schlägt § 16 Abs. 3 vor, die Kosten nach
Verbrauch oder Verursachung zu verteilen. Dies ist aber nur beispielhaft. Die Wohnungseigentümer können auch jeden anderen
Verteilungsschlüssel wählen, der ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Dies bedeutet, dass eine ungerechtfertigte Benachteiligung einzelner unzulässig ist.
§ 16 Abs. 3 lässt auch eine Verteilung der Kosten nach der Verursachung zu. Dies bedeutet, dass Kosten der Verwaltung, wie
zum Beispiel: Nutzung Waschmaschine, Mahnkosten, Klagepauschalen oder Verzugszinsen, verursachungsabhängig verteilt
werden können.
3.3
Kosten der Instandhaltung oder Instandsetzung
§ 16 Abs. 4 bestimmt, dass die Wohnungseigentümer im Einzelfall zur Instandhaltung oder Instandsetzung die Kostenverteilung
ebenfalls durch Beschluss regeln können. Der Beschluss bedarf
allerdings einer doppelten Mehrheit, und zwar einer Mehrheit
von ¾ aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer und
mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile. Erforderlich ist
folglich eine qualifizierte Mehrheit.
32
Beispiel:
Die Gemeinschaft besteht aus zehn Wohnungen. Davon
gehören dem Wohnungseigentümer A acht Wohnungen
und dem Wohnungseigentümern B und C jeweils eine
Wohnung. A hat 80 % der Miteigentumsanteile. Er möchte
den Verteilungsschlüssel für bestimmte Instandhaltungsund Instandsetzungskosten ändern. Er stimmt für diese
Änderung. Die beiden anderen Wohnungseigentümer enthalten sich.
Der Beschluss ist nicht wirksam zustande gekommen. Die Enthaltungen wirken wie Nein-Stimmen. Es ist nach Köpfen abzustimmen. Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme, § 25
Abs. 2 Satz 1. Es kommt insoweit nicht darauf an, wie viele
Wohnungen der einzelne Wohnungseigentümer hat.
Darauf hinzuweisen ist, dass § 16 Abs. 4 eine Änderung des Verteilungsschlüssels nur für den Einzelfall zulässt. Soll eine generelle Regelung für die Zukunft beschlossen werden, so bedarf
dies der Form der Vereinbarung.
3.4
Öffnungsklauseln
Die Befugnisse im Sinne von § 16 Abs. 3 und Abs. 4 können
durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Öffnungsklauseln in der
Gemeinschaftsordnung sind mithin nicht möglich, als sie eine
höhere Anforderung als die qualifizierte Mehrheit von ¾ vorsehen. Möglich ist es allerdings, in einer Öffnungsklausel zu regeln,
33
dass Veränderungen mit einer Zweidrittelmehrheit der in einer
Eigentümerversammlung
anwesenden
Wohnungseigentümer
beschlossen werden können. Diese Klausel ist dann vorrangig
gegenüber der gesetzlichen Regelung.
3.5
Regelung der Art und Weise von Zahlungen etc.
Die Wohnungseigentümer können die Regelung der Art und
Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folge des Verzugs
sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen, § 21 Abs. 7 WEG. Mit
Stimmenmehrheit können die Wohnungseigentümer nunmehr
beispielsweise Folgendes beschließen:
-
Einführung des Lastschriftverfahrens,
-
Beschlüsse zur Fälligkeit des Wohngelds (Beschlüsse zu Folgen des Verzugs des Einzelnen
Wohnungseigentümers mit Zahlungen),
-
Umzugskostenpauschalen,
-
Beschlüsse über die Vermietung von Stellplätzen
im Gemeinschaftseigentum,
-
Sanktionsgebühren für Nichtteilnahme am Lastschriftverfahren,
34
-
Beschluss über eine Klagepauschale oder Mahngebühren des Verwalters, wenn er gegen säumige
Wohnungseigentümer vorgeht,
-
Beschluss über die Kostentragung für die Sondervergütung des Verwalters im Falle der Veräußerungszustimmung, § 12 Abs. 1.
3.6
Bauliche Veränderungen, § 22 Abs. 1-3
Bisher war ein Beschluss über bauliche Veränderungen grundsätzlich nicht möglich. Die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung war nur möglich in Form einer Vereinbarung. Dies hat
der Gesetzgeber nunmehr grundlegend geändert. Beschlüsse
über bauliche Veränderungen sind möglich. Je nach Art der baulichen Veränderung sind unterschiedliche Mehrheiten erforderlich. Es ist wie folgt zu differenzieren:
-
allgemeine bauliche Veränderung: Zustimmung
aller Beeinträchtigten,
-
Modernisierung bzw. Anpassung an den Stand
der Technik: Zustimmung mit qualifizierter Mehrheit (auf eine Beeinträchtigung kommt es nicht an),
-
modernisierende Instandsetzung: Mehrheitsbeschluss.
35
3.6.1
Allgemeine bauliche Veränderungen, § 22 Abs. 1
Gemäß § 22 Abs. 1 können bauliche Veränderungen beschlossen (oder verlangt!) werden, wenn jeder Wohnungseigentümer
zustimmt, dessen Rechte durch die Maßnahmen über das in §
14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Diese
„allgemeinen baulichen Veränderungen“ können also beschlossen werden. Dies geht allerdings nicht durch Mehrheitsbeschluss. Erforderlich ist es, dass jeder beeinträchtigter Wohnungseigentümer der Veränderung zustimmt. Wird nur ein
Mehrheitsbeschluss gefasst, bleibt es bei der „Zitterbeschlussproblematik“. Es besteht eine Beschlusskompetenz, so dass ein
Beschluss mit Mehrheit in Bestandskraft erwachsen kann. Der
beeinträchtigte Wohnungseigentümer ist darauf angewiesen, den
Beschluss anzufechten.
3.6.2
modernisierende bauliche Veränderungen, § 22 Abs. 2
Bauliche Veränderungen, die der Modernisierung entsprechend
§ 559 Abs. 1 BGB dienen oder der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen, können durch eine Mehrheit von ¾ aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden. Auf die Frage der Beeinträchtigung
kommt es nicht an. Es ist auf die Anzahl aller stimmberechtigten
Wohnungseigentümer abzustellen. Einschränkend regelt der Gesetzgeber, dass die Eigenart der Wohnanlage nicht verändert
und kein Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigt werden darf. Ein einzelner Wohnungseigentümer hat
keinen Anspruch auf Durchführung von Modernisierungsmaß-
36
nahmen. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach § 22 Abs. 2
Modernisierungen nur beschlossen, nicht aber wie allgemeine
bauliche Veränderungen verlangt werden können. Die Bestimmung ist zwingendes Recht, § 22 Abs. 2 Satz 2. Die Neuregelung kann durch Vereinbarungen nicht zu Ungunsten der vorgesehenen Mehrheit der Wohnungseigentümer eingeschränkt oder
ausgeschlossen werden. Öffnungsklauseln mit geringeren Anforderungen (beispielsweise ohne das Erfordernis der vorgeschriebenen qualifizierten Mehrheit) sind zulässig, weil solche Beschlüsse die Befugnis der Mehrheit der Wohnungseigentümer
nicht einschränken, sondern erweitern.
3.6.3
Maßnahmen der modernisierenden Instandsetzung, § 22
Abs. 3
Maßnahmen der modernisierenden Instandsetzung gemäß §
22 Abs. 3 können mit Mehrheitsbeschluss beschlossen werden.
Der Unterschied zu den Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 2 liegt in
der Reparaturbedürftigkeit.
Beispiele zur Abgrenzung:
-
Die Haustüranlage ist defekt und die Wohnungseigentümer beschließen den Einbau einer neuen
Türanlage: Modernisierende Instandsetzung,
-
Einbau eines Aufzugs: Maßnahme gemäß § 22
Abs. 2,
37
-
Austausch der Haustüranlage, ohne dass eine Reparaturbedürftigkeit besteht: Allgemeine bauliche
Veränderung,
-
Austausch von einfach verglasten Fenstern gegen
doppelt verglaste Fenster: Maßnahme gemäß § 22
Abs. 2.
3.7
Sonderfall: Anspruch auf Änderung einer Vereinbarung
§ 10 Abs. 2 Satz 3 bestimmt, dass jeder Wohnungseigentümer
eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen kann, soweit ein Festhalten
an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Diese Vorschrift gibt dem einzelnen Eigentümer einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Abschluss einer Vereinbarung
bzw. Zustimmung zu einer Vereinbarung, mit der eine bestehende Vereinbarung abgeändert oder eine vom Gesetz abweichende Regelung erstmals getroffen wird. Hierfür gibt es zwei Tatbestandsvoraussetzungen, und zwar zum einen das Vorliegen von
„schwerwiegenden Gründen“ und zum anderen muss die bisherige Regelung „unbillig“ sein. Einen solchen Anspruch hat der
Gesetzgeber nunmehr erstmalig geregelt. Auch bisher kannte die
Rechtsprechung einen solchen Anspruch. Der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung aber die von der Rechtsprechung bislang
aufgestellte Hürde für einen Abänderungsanspruch senken. Dies
ergibt sich aus der Begründung des Gesetzes. Ein Abände-
38
rungsanspruch kann es beispielsweise für den Fall unbilliger
Kostentragungsregelungen geben.
4.
Das gerichtliche Verfahren
4.1
Übergangsvorschrift
Gemäß § 62 Abs. 1 sind für alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens
des WEG-Änderungsgesetzes (01.07.2007) bei Gericht anhängigen Verfahren in Wohnungseigentums- und Zwangsversteigerungssachen die Vorschriften des III. Teils des WEG – dies sind
die Verfahrensvorschriften der §§ 43 ff. – sowie die Vorschriften des ZVG in der bis zum 30.06.2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Die durch das WEG-Änderungsgesetz geänderten materiellen Vorschriften (I. und II. Teil des WEG) gelten
hingegen – auch für bereits anhängige Verfahren – sofort mit
ihrem Inkrafttreten (vgl. Niedenführ, a. a. O., § 62 Rd. 2). Dies
bedeutet, dass für die am 01.07.2007 bei Gericht anhängigen
Verfahren bezüglich der materiellen Rechtsänderungen das
WEG in der seit diesem Zeitpunkt geltenden Fassung bereits
Anwendung findet. Bedeutung kann dies insbesondere in Beschlussanfechtungsverfahren haben.
4.2
Zuständigkeit
In der ersten Instanz ändert sich bei der örtlichen und sachlichen
Zuständigkeit grundsätzlich nichts. Örtlich zuständig ist weiterhin
das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, § 43. Eine
Besonderheit gilt nur für das Mahnverfahren, § 43 Ziffer 6. Ist
39
die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Antragstellerin, so
ist auch dann das Amtsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk
das Grundstück liegt.
4.3
Rechtsmittel
Gegen die Entscheidung der Amtsgerichte ist nunmehr das
Rechtsmittel der Berufung gegeben. Zuständig ist das Landgericht. Eine Besonderheit besteht insoweit nur, als gemäß § 72
Abs. 2 GVG das am Sitz des Oberlandesgerichts gelegene für
die Berufung örtlich zuständig ist. Die Landesregierungen sind
ermächtigt, durch Rechtsverordnung ein anderes Landgericht im
Bezirk des Oberlandesgerichts zu bestimmen, § 72 Abs. 2 Satz 3
GVG.
Da nunmehr die Vorschriften der ZPO einschlägig sind, ist
grundsätzlich auch eine Revision zum Bundesgerichtshof möglich, wenn die Voraussetzungen des § 543 ZPO (grundsätzliche
Bedeutung oder Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung und Zulassung durch das Berufungsgericht) gegeben sind. Wird die Revision nicht zugelassen,
besteht grundsätzlich die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. Für die ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten des WEGÄnderungsgesetzes ist die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde aber ausgeschlossen (§ 62 Abs. 2 WEG).
4.4
Verfahren im Allgemeinen
Da nunmehr die Vorschriften der ZPO auch für das WEGVerfahren gelten, sind Versäumnis- oder Anerkenntnisurteile
40
möglich. Es kann auch im Urkundsverfahren geklagt werden. Die
Verspätung eines Vortrags ist möglich.
Das WEG-Änderungsgesetz sieht für das WEG-Verfahren aber
Erleichterungen vor:
Wird die Klage durch oder gegen alle Wohnungseigentümer mit
Ausnahme des Klagegegners erhoben, so genügt für ihre nähere
Bezeichnung in der Klageschrift die Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks, § 44 Abs. 1. Sind die Wohnungseigentümer
Beklagte, ist in der Klageschrift außerdem der Verwalter (und der
gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 bestellte Ersatzzustellungsvertreter)
anzugeben. Die namentliche Bezeichnung der Wohnungseigentümer (offen ist noch, ob auch deren jeweilige Adresse anzugeben ist) hat spätestens bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung zu erfolgen, § 44 Abs. 1. Das Gericht hat die Klage
dann grundsätzlich dem Verwalter als Zustellungsvertreter des
Wohnungseigentümer zuzustellen, § 45 Abs. 1. Das Gericht hat
an den Ersatzzustellungsvertreter zuzustellen, wenn an den
Verwalter wegen einer drohenden Interessenskollision nicht zugestellt werden kann.
Die Anfechtungsklage ist gemäß § 46 Abs. 1 gegen die Wohnungseigentümer und nicht gegen den Verband zu richten. Wird
fälschlicherweise der Verband verklagt, wird wohl eine bloße
Rubrumsberichtigung nicht mehr in Betracht kommen.
Die Anfechtungsfrist beträgt weiterhin einen Monat. Innerhalb
zweier Monate nach der Beschlussfassung muss die Anfechtungsklage begründet werden, § 46 Abs. 1 Satz 2. Eine Verlängerung der Begründungsfrist ist nicht möglich. Versäumt aller-
41
dings der Kläger diese Frist unverschuldet, so hat er die Möglichkeit der Wiedereinsetzung, § 46 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung
mit §§ 233 ff. ZPO.
Als verfahrensrechtliche Besonderheit für das WEG-Verfahren
gilt, dass das Gericht den Kläger auf Tatsachen hinzuweisen hat,
aus denen sich eine Nichtigkeit des Beschlusses ergeben, § 46
Abs. 2.
4.5
Kosten
Im Normalfall ergibt sich die Kostenentscheidung nunmehr aufgrund der §§ 91 ff. ZPO. § 49 regelt nur eine Ausnahmeentscheidung. Nur dann, wenn das Gericht gemäß § 21 Abs. 8 (Entscheidung des Gerichts nach billigem Ermessen anstelle der
Wohnungseigentümer) entscheidet, so können die Prozesskosten nach billigem Ermessen verteilt werden.
Die Kostenerstattung ist gemäß § 50 grundsätzlich beschränkt
auf die Erstattung der Kosten eines bevollmächtigten Rechtsanwalts.
4.6
Streitwert
Gemäß § 49 a GKG ist der Streitwert auf 50 % des Interesses
der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung beschränkt. Der Streitwert darf das Interesse des Klägers und der
auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das fünffache des Wertes ihres Interesses nicht
42
überschreiten. Der Verkehrswert des Wohnungseigentums des
Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen darf den Streitwert nicht übersteigen. Beschließen beispielsweise die Wohnungseigentümer die Erhebung einer Sonderumlage in Höhe von
100.000,00 Euro und besitzt der Wohnungseigentümer A, der
den Beschluss über die Sonderumlage anficht, 10 % der MEA,
beträgt der Streitwert 50.000,00 Euro (5 x 10.000,00 Euro).
5.
Zwangsversteigerung
In der Vergangenheit blieb die Immobiliarvollstreckung gegen
zahlungsunfähige Wohnungseigentümer wegen rückständiger
Wohngeldforderungen häufig erfolglos. Das Wohnungseigentum
des Schuldners war regelmäßig bis zur Höhe des Verkehrswerts
mit Grundpfandrechten belastet. Mit dem WEG-Änderungsgesetz
erhielten die Wohngeldansprüche der Eigentümergemeinschaft
nunmehr ein begrenztes Vorrecht. Die Wohngeldforderungen fallen nunmehr in einem gewissen Umfang in die zweite Rangklasse des § 10 Abs. 1 ZVG. Das Vorrecht erfasst die laufenden und
die rückständigen Beträge aus dem Jahr der Beschlagnahme
und den letzten zwei Jahren. Das Vorrecht einschließlich aller
Nebenleistungen ist allerdings begrenzt auf 5 % des Verkehrswerts der Wohnungseigentumseinheit. Bevorrechtigt sind alle
Beiträge zu den Lasten und Kosten des Gemeinschaftseigentums und des Sondereigentums. Dies unabhängig davon, ob
diese auf einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über einen Wirtschaftsplan, eine Sonderumlage oder einer
Jahresabrechnung beruhen.
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Zu differenzieren ist zwischen einer „aktiven Zwangsvollstreckung“ und einer „passiven Zwangsvollstreckung“:
Betreibt ein anderer Gläubiger als die sonstigen Wohnungseigentümer aus einem Titel die Immobiliarzwangsvollstreckung, so
ist eine Titulierung der Ansprüche der Wohnungseigentümer
nicht erforderlich, um das Vorrecht der zweiten Rangklasse des §
10 Abs. 1 ZVG geltend zu machen. Die sonstigen Wohnungseigentümer müssen in dem Verfahren nur gemäß § 45 Abs. 3 ZVG
ihre Ansprüche glaubhaft machen. Zur Glaubhaftmachung
reicht es, die Niederschrift der Beschlüsse der Wohnungseigentümer einschließlich ihrer Anlagen oder aber einen entsprechenden Titel vorzulegen. Sodann sind die Ansprüche der Wohnungseigentümer im Rahmen des §§ 10 Abs. 1 Ziffer 2 ZVG in
das geringste Gebot mit aufzunehmen.
Wollen die sonstigen Wohnungseigentümer aktiv die Immobiliarzwangsvollstreckung betreiben, so muss die Forderung tituliert
sein. Die Wohnungseigentümer können sich dann eine Zwangssicherungshypothek eintragen lassen und aus dieser den Versteigerungsantrag stellen. Gemäß § 10 Abs. 3 ZVG ist der
Zwangsversteigerungsantrag aber nur möglich, wenn die Forderung einen Betrag von 3 % des Einheitswertes der zu versteigernden Wohnung übersteigt, § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass eine Zwangssicherungshypothek nur für einen Betrag von mehr als 750,00 Euro eingetragen werden darf, § 866 Abs. 3 ZPO.
Mönchengladbach, 3. Januar 2008