Online Spiele - Institut für Verteilte Systeme
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Online Spiele - Institut für Verteilte Systeme
Hauptseminar Virtuelle Präsenz Online Spiele Herausforderungen bei der Entwicklung von Persistent World MMORPGs am Beispiel Ultima Online Peter-Paul Pichler [email protected] 20. Januar 2004 Inhalt: 0. Einleitung 1. Kurze Geschichte der Online Spiele 2. Fallbeispiel: Ultima Online 2.1. Die Welt von Ultima Online 2.2. Das Spiel 2.2.1. Persistent World Massively Multiplayer Online Role-Playing Game (PWMMORPG) 2.2.2. Charaktererstellung und Skillsystem 2.2.3. Kommunikation 3. Herausforderungen bei der Entwicklung 3.1. Technische Herausforderungen 3.2. Post-Release Kosten und Support 3.3. Gameplay-Aspekte und Langzeitmotivation 3.4. Ökonomie und Sicherheit 4. Fazit 5. Quellennachweis -2- 0. Einleitung Mitte der 90er Jahre erschienen die ersten kommerziellen Onlinespiele mit persistenten Welten. Die Anfänge dieses Spielegenres gehen zwar schon weiter zurück, durch das Fehlen einer Infrastruktur wie dem Internet, war die Verfügbarkeit damals mehr oder weniger auf Universitäten beschränkt. Erst das Internet und dessen rapide Verbreitung haben einen potentiell großen Markt für Onlinespiele geschaffen. Seit dieser Zeit sind viele Onlinespiele erschienen, nur wenige allerdings haben es geschafft, die Erwartungen von Klientel und Entwicklern, befriedigend zu erfüllen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Es gibt essenzielle Unterschiede in der Entwicklung und vor allem in der ‚Nachbetreuung’ zwischen herkömmlichen Computerspielen und Onlinespielen mit persitenten Welten, bei denen von den Kunden erwartet wird, dass sie monatlich einen gewissen Betrag bezahlen, um das Spiel überhaupt spielen zu können. Welche Unterschiede das sind und was die besonderen Herausforderungen bei Onlinespielen sind, ist das Hauptthema dieser Ausarbeitung. Zur Illustration der getroffenen Aussagen werde ich mich aus Gründen der Übersichtlichkeit auf ein Spiel beschränken. Ultima Online war eines der ersten erfolgreichen Onlinespiele und ist es bis heute. Die Hersteller und Betreiber bei Origin1 haben nach großen anfänglichen Schwierigkeiten und Fehlern, sehr viele Erfahrungen gesammelt, die sicherlich für alle nachfolgenden Entwickler lehrreich waren, oder es zumindest hätten sein sollen. Vielleicht der Kernpunkt, den ich gleich vorwegnehmen will, wird in einer Präsentation eines Electronic Arts Mitarbeiters sehr treffend formuliert: „It’s a service not a product.“2 1 2 Inzwischen Teil von Electronic Arts McCurdy, Keith: Ultima Online: Experiment to Business, S. 34 -3- 1. Kurze Geschichte der Onlinespiele Es ist nicht ganz einfach eine unumstrittene Zeitlinie für die Entwicklung von Onlinespielen anzugeben. Je nachdem, welche Kriterien man wählt, um Onlinespiele zu klassifizieren ergeben sich unterschiedliche Sichtweisen. Da dies kein integraler Aspekt dieser Arbeit ist, werde ich mich exemplarisch auf einzelne Stationen in der Geschichte der ‚Multi-User’Spiele beschränken, die mir im Zusammenhang dieser Ausarbeitung relevant erscheinen. Ca. 1969: Rick Blomme entwickelt eine Zwei-Spieler-Version von Spacewar für PLATO. PLATO war eines der ersten Time-Sharing-Systeme, das ursprünglich an der Universität von Illinois/Urbana gebaut wurde um mit neuen Arten des Lernens mit Hilfe von Computern zu experimentieren. Das kann zwar noch nicht als ‚Onlinespiel’ im eigentlichen Kontext dieser Ausarbeitung bezeichnet werden, ist aber das erste3 Spiel, in dem die Idee des Mehrspielermodus implementiert wurde. Ebenfalls bezeichnend für die Anfänge der Onlinespiele ist es, dass die ersten solchen Spiele nicht etwa von einschlägigen Firmen mit kommerziellem Interesse entwickelt wurden (hätte bei der damaligen Infrastruktur potentieller Kunden auch wenig Sinn ergeben), sondern auf Großrechnern in diversen Universitäten entstanden sind. 1979: Roy Trubshaw und Richard Bartle erfinden das MUD4. Die erste Version des später sehr populären Spiels entstand für die DEC-10 an der Essex University in England. Dies kann in den Augen des Autors als die geistige Geburtsstunde der Onlinespiele gesehen werden. In der Folgezeit entstehen viele Derivate des Ur-MUDs, aber wirklich Neues passiert erst: ~1982 bis ~1994: Anbieter wie CompuServe, Genie uva. entwickeln unterschiedlich erfolgreiche, kommerzielle Onlinespiele, allerdings damals noch mit Stundenpreisen zwischen 4$ und 12$. 1994: Doom von id Software erscheint und der Ruf nach einer Möglichkeit sich quer über das gerade entstehende Internet zu ‚frag’-en wird laut und bald auch erhört. 1997: Ultima Online erscheint und bringt es - trotz ‚anfänglicher’ Schwierigkeiten mit Lag und Bugs - innerhalb der ersten drei Monaten auf 50.000 zahlende Kunden. Damit beginnt die moderne Ära der Onlinespiele übers Internet. 3 4 Das erste zumindest, das der Autor in der Literatur finden konnte. MUD: Multi User Dungeon. Für mehr Information siehe http://www.mud.co.uk -4- 2. Fallbeispiel: Ultima Online Ultima Online wurde 1997 von Origin Systems Inc. (OSI) veröffentlicht und war das erste kommerziell erfolgreiche MMORPG5. Wie die meisten Spiele dieser Art, kann man es nur online spielen und muss dafür eine monatliche Gebühr an die Betreiber entrichten6. Ich werde im Laufe dieser Ausarbeitung auf verschiedene Aspekte und Herausforderungen bei der Entwicklung von Onlinespielen eingehen. Dabei werde ich immer wieder auf Ultima Online als Beispiel zur Veranschaulichung zurückkommen. Ich werde nun im Folgenden das Spiel vorstellen und mich dann bei allen Beispielen mehr oder weniger auch auf Ultima Online beschränken. Aufgrund der nicht unerheblichen Komplexität der meisten Onlinespiele erscheint es mir nicht sinnvoll an dieser Stelle mehrere Spiele ausführlich zu betrachten. Darüber hinaus ist Ultima Online durch seinen Bekanntheitsgrad und seine Etabliertheit am besten für diese Zwecke geeignet. Es mag vielleicht verwundern, dass ich im Jahre 2004 meine Ausführungen mit einem Spiel, das 1997 erschienen ist, illustriere. Ultima Online zählt aber, trotz seines in dieser Branche methusalemisch anmutenden Alters, nach wie vor zu einem der beliebtesten und komplexesten Vertretern seines Genres. Ein Teil dieses Erfolgs ist sicherlich in der Bekanntheit der Ultima Serie begründet. Allerdings gibt es, wie ich im Laufe dieses Textes zu erläutern versuchen werde, auch andere Gründe, warum sich ein populäres Onlinespiel mit einer persistenten Welt lange über sein logisches ‚Verfallsdatum’ hinaus halten kann. Um diese Behauptung zu untermauern ein paar Zahlen: Es gibt derzeit ca. 250.000 zahlende Spieler, mehr als 23.000 Spielergilden7 und mehr als 3.000 Ultima Online bezogene, laufende Auktionen bei Ebay8. 5 MMORPG: Massively Multiplayer Online Role-Playing Game Im Falle von UO sind das knappe 10 USD. 7 sog. Gilden sind Gemeinschaften von Spielern im Spiel. Oft gehen die Aktivitäten dieser Gilden über das eigentliche Spiel hinaus. Sie besitzen z.B. eigene Webseiten und nicht selten gibt es sog. ‚Real-Life’ Treffen, bei denen die Mitglieder auch Kontakte im ‚echten’ Leben knüpfen. 8 Stand aller Zahlen: 04.11.2003 6 -5- 2.1. Die Welt von Ultima Online Die Welt von Ultima Online basiert im Grunde auf der Welt der bekannten Ultima Serie9. Die Welt, Britannia, ist eingebettet in einen mehr oder weniger klassischen Fantasy-Kontext. Die technologische Entwicklung ist etwa auf dem Level unseres Mittelalters. Auch die Gesellschaftsform entspricht in etwa, der für Fantasy traditionellen, romantisierten feudalen Struktur unseres Mittelalters. Hinzu kommen die Existenz verschiedener Formen von Magie und natürlich allerlei mehr oder weniger fantastischer Kreaturen wie Drachen, Trolle, usw.. 2.2. Das Spiel 2.2.1. Persistent World Massively Multiplayer Online Role-Playing Game (PWMMORPG) Hinter der umständlichen, aber vielsagenden Abkürzung PWMMORPG (Persitent World Massively Multiplayer Online Role-Playing Game) verbirgt sich schon viel Information über die Art des Spiels. Zerlegt man diese Bezeichnung in ihre einzelnen Teile, so werden schnell einige Grundeigenschaften deutlich: I. Persistent World: Die Persistenz der Welt ist ein Kernpunkt und ein wichtiges Unterscheidungskriterium für Onlinespiele. Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass die Welt in Ultima Online dauerhaft und unabhängig vom jeweiligen Spieler existiert. Bei herkömmlichen Computerspielen stoppt die Welt, wenn ich das Spiel beende. Bei einem neuen Start ist entweder alles wieder in einem initialen Zustand oder (wenn man den Spielstand speichern kann) alles ist genau wie ich es verlassen habe. Der einzelne Spieler ist sozusagen das ‚Zentrum des Spieluniversums’, alles existiert für ihn und hört ohne ihn gleichsam auf zu existieren. Eine persistente Welt exisitert auch ohne den einzelnen Spieler. Wenn ich das Spiel verlasse geht das Spiel einfach ohne mich weiter. Die Persistenz gibt dem Spiel eine Form von Kontinuität und verleiht ihm damit eine weitere Dimension im Erleben. In einem Spiel ohne persistente Welt beziehen sich alle Handlungen eines Spielers nur auf seine ‚Instanz’ der Welt. In einer persistenten Welt, 9 Für mehr Information siehe: http://www.uo.com/archive/history -6- die sich tausende Spieler teilen, haben Handlungen unter Umständen Konsequenzen für die Welt aller Spieler. II. Massively Multiplayer (Online): das ‚Massively’ heißt in diesem Zusammenhang lediglich, dass es sich nicht um ein Multiplayer-Spiel im herkömmlichen Sinne handelt. Bei den meisten Multiplayer-Spielen (egal ob im lokalen Netzwerk oder im Internet) kann nur eine sehr begrenzte Anzahl von Spielern gleichzeitig in einer Instanz eines Servers spielen. Wenn die Welt nicht persistent ist, spielt es auch keine große Rolle, auf welchem Server ich spiele. Bei Spielen wie Ultima Online spielen mitunter mehrere Tausend Spieler gleichzeitig auf einem Server10. III. Role-Playing Game: Bei einem Rollenspiel übernimmt der Spieler die Rolle seiner fiktiven Spielfigur. Der Spieler hat meist die Möglichkeit schon vor Spielbeginn gewisse Eigenschaften seiner Figur festzulegen (z.B.: Fähigkeiten, Beruf, Aussehen). Im Unterschied zu einem Adventure-Spiel kann die Spielfigur11 im Laufe des Spiels bestimmte Fähigkeiten verbessern oder neu erlernen. Dadurch kann jeder Spieler seine Figur individueller gestalten, um sie besser an den eigenen Spielstil anzupassen zu können. Ein weiterer wichtiger Punkt, der ein Online-Rollenspiel mit einer persistenten Welt auszeichnet, ist das Fehlen eines vorbestimmten Ziels. Es gibt kein Ende, an dem das Spiel als ‚gelöst’ betrachtet werden könnte. Sinn ist einfach, im Rahmen der reichhaltigen Möglichkeiten, die die Spielwelt, besonders aber die Interaktion mit anderen Spielern bieten, virtuelle Macht oder Reichtum zu erlangen, Erfahrungen zu sammeln und - vielleicht am wichtigsten - Unterhaltung zu finden.. 2.2.2. Charaktererstellung und Skillsystem Am Anfang von Ultima Online steht die Generierung eines Charakters. Hier beginnt der Spieler seiner Spielfigur eine gewisse Form zu geben. Im Falle von Ultima Online werden Erscheinungsbild (Name, Geschlecht, Hautfarbe, Haarfarbe, Frisur) und erste grundlegende Fähigkeiten festgelegt. Fähigkeiten in Ultima Online basieren auf so genannten Skillpunkten. Zu Beginn kann man eine kleine Anzahl von Skillpunkten beliebig auf verschiedene Fähigkeiten verteilen. Die Wahl der Fähigkeiten (und damit implizit auch des Anfangsberufes) 10 11 zu diesem Thema siehe Kapitel 3.1. oft wird hierfür das Wort Charakter verwendet, was eigentlich ein etwas verwirrender Anglizismus ist. -7- bestimmt auch die Ausstattung (das Inventory), mit der die Figur in Britannia ‚geboren’ wird. Verteilt man die Anfangspunkte etwa auf Fechten und Parieren wird man mit Trainingsdegen und Schild ausgestattet, verteilt man sie hingegen auf eine andere Fähigkeit, wie etwa das Schneidern, wird man sich eher mit Nadel und Faden in Britannia wiederfinden. Das Skillsystem von Ultima Online ist nach wie vor eines der (wenn nicht das) komplexesten und flexibelsten in der Onlinespiele-Landschaft. Im Unterschied zu vielen anderen Spielen, muss man sich nicht zu Beginn durch eine Auswahl in der späteren Möglichkeit Skills zu erlernen einschränken. Jeder Charakter kann mit etwas Engagement jederzeit jede beliebige Fähigkeit erlernen. Derzeit gibt es ca. 50 verschiedene erlernbare Fähigkeiten in Ultima Online, allerdings kann eine maximale Anzahl von Skillpunkten nicht überschritten werden. Abbildung 1 zeigt ein Beispiel, wie die Punkte verteilt sein können. Abb. 1: Verteilung der Skillpunkte 2.2.3. Kommunikation Der Kommunikation zwischen den verschiedenen Spielern kommt in einem MMORPG eine ungleich höhere Bedeutung zu als in anderen Genres. Nur durch die Möglichkeit mit anderen zu kommunizieren und Beziehungen aufzubauen ist die lange Bindung der Spieler an solch ein Spiel zu erklären. Es wäre wohl nur schwer vorstellbar, dass es Menschen gibt, die ein Spiel ohne Interaktionsmöglichkeiten mit anderen, realen Personen teilweise schon acht Jahre lang spielen würden. Wie wichtig die Kommunikation für das Spiel ist, erkennt man aber auch an den folgenden Abbildungen, in denen ich zuerst die internen Kommunikationsmöglichkeiten von Ultima Online vorstellen werde und anschließend, in Abbildung 4, den typischen Desktop eines UOSpielers. -8- Abb. 2: Eingegebene Aussagen erscheinen über dem Kopf der Spielfigur Abbildung 2 zeigt die in Ultima Online wohl am häufigsten benutzte Form sich jemandem mitzuteilen. Der Spieler tippt ein Wort oder einen Satz, welcher dann über dem Kopf seiner Spielfigur erscheint. Obwohl diese ‚Ingame’-Kommunikation die intuitivste Art sich in Ultima Online mit jemandem zu unterhalten ist, hat sie doch offensichtliche Schwächen. Zum einen funktioniert das nur, wenn der Angesprochene sich im Blickfeld des Sprechenden befindet (auf demselben Bildschirm), zum anderen kann es an bevölkerteren Orten recht schnell unübersichtlich werden, wie in Abbildung 3 zu sehen ist. -9- Abb. 3: Die Grenzen der ' Ingame' -Kommunikation Zusätzlich finden sich noch andere Möglichkeiten in Ultima Online zu kommunizieren. Es gibt ein IRC-ähnliches Chat-System und ein Email-ähnliches Nachrichtensystem. Beide werden aber eher weniger benutzt12. Unverzichtbar sind jedoch einige externe kommunikations-unterstützende Tools. Die verschiedenen Werkzeuge ergänzen sich aber nicht nur aufgrund ihrer technischen Stärken und Schwächen, sondern vor allem unterscheidet sich auch die Art der Kommunikation über die verschiedenen Wege. So wird beispielsweise eine organisatorische Angelegenheit, die den Spielfluss stören würde (oder nur einen anderen anwesenden Spieler betrifft), lieber über ICQ besprochen als ‚Ingame’. 12 zumindest in der Erfahrung des Autors - 10 - Das Ergebnis ist, dass es durchaus etwas Gewöhnung bedarf um den Überblick über den ‚typischen UO-Desktop’ zu behalten. Abb. 4: ein typischer UO Desktop 1) UO-Journal: ‚Ingame’-Gesprochenes wird hier protokolliert 2) UO interne ‚Ingame’-Kommunikation 3) UOAM: 3rd Party (Karten-) Programm mit integriertem Chat 4) IRC: Internet Relay Chat 5) ICQ: externes Instant Messaging Programm - 11 - 3. Herausforderungen Die Entwicklung und Betreuung eines erfolgreichen PWMMORPG birgt mehr Herausforderungen als den meisten Firmen in der Computerspielbranche sich anfangs bewusst war. Heute noch ist es so, dass die meisten Spiele an der Unterschätzung gewisser Faktoren scheitern13, auf die ich im Folgenden näher eingehen werde. 3.1. Technische Herausforderungen Die erste, offensichtliche Herausforderung ist technischer Natur. Wenn mehrere tausend Spieler mit derselben Welt und sich gegenseitig möglichst in ‚Echtzeit’ interagieren wollen, dabei ständig Objekte erzeugen, verändern, bewegen oder zerstören, kann man sich leicht vorstellen, dass die Anforderungen an Protokoll, Speicher und Datenbank enorm sind. Am Beispiel Ultima Online soll nun ein Eindruck von der Dimension der Problematik und eine mögliche Handhabung gegeben werden. Ultima Online arbeitet streng nach dem Client-Server Prinzip. Der Server verwaltet alle Daten und berechnet alle Ergebnisse. Diese werden dann an den Client des Benutzers geschickt. Intuitiv würde man dem Client gerne mehr Aufgaben übertragen um die Last wenigstens ein Stück weit von den zentralen Servern zu nehmen. Dies wurde anfänglich auch versucht, scheiterte aber an den nicht unerheblichen Sicherheitsanforderungen einer solchen Welt. In den Anfängen von Ultima Online wurde dem Client ein wenig mehr ‚Verantwortung’ übertragen, um die Datenlast kleiner zu halten. Allerdings, wie die Macher bald erfahren mussten, gewährleistet nur eine strenge Trennung zwischen den Zuständigkeiten, dass ein Verändern des Datenstroms auf Client-Seite nicht für betrügerische Zwecke (‚cheaten’) verwendet werden kann. Wie ich später noch zeigen werde, hat die Problematik des Cheatens durchaus ernste Auswirkungen in einer solchen Onlinewelt. Es gibt 26 offizielle Ultima Online ‚Welten’. Die Server, die diese bereitstellen, sind geographisch so verteilt, dass ein Spieler sich für den ihm am nächsten stehenden entscheiden 13 vgl. Mulligan, Jessica: Biting the Hand; 1999 - 12 - kann. Alle diese sogenannten Shards sind Instanzen der ursprünglich identen Welt, unterscheiden sich aber natürlich durch ihre individuelle ‚Geschichte’. Wenn man einen Charakter auf einem dieser Spielserver generiert hat, existiert dieser nur dort, genauso, wie alles was der Spieler dort verändert (ein Haus bauen o.Ä.) nur dort verändert wird. Diese ‚Spiegelung’ der Welten war einerseits aufgrund der Vielzahl an Spielern notwendig, aber auch, weil etwa europäische Spieler auf amerikanischen Servern im Bezug auf die Übertragungsgeschwindigkeit gegenüber ihren US-Mitspielern schwer benachteiligt waren. Um die Skalierbarkeit der Welten zu gewährleisten, verwaltet nicht ein physikalischer Server einen Shard sondern mehrere. Anfänglich war jeder Shard in sieben ‚Unterserver’ geteilt. Vier für die Oberwelt, einer für die Unterwelt, einer für Dungeons und Höhlen und ein weiterer für die Verwaltung von Chat und Newsgroups14. Da durch diverse Landerweiterungen die Fläche vergrößert wurde, sind inzwischen 12 Unterserver für einen Shard zuständig. 3.2. Post-Release Kosten und Support Den Punkten Post-Realease Kosten und Support kommt bei der Entwicklung von PWMMORPGs auch eine besondere Bedeutung zu. Allgemein geht man bei der Entwicklung eines Computerspiels davon aus15, dass ungefähr 90% der Arbeit und Kosten während der Entwicklungphase anfallen und lediglich 10% nachdem die Spiele erstmal in den Geschäftsregalen stehen. Bei der Art Onlinespiel wie Ultima Online hat sich jedoch herausgestellt, dass sich dieses Verhältniss beinahe umkehrt. Die wirkliche Arbeit beginnt sozusagen erst nach dem Release. Die Kernpunkte der ‚Nachbetreuung’ eines PWMMORPGs sind, Bugfixing, Support und Langzeitmotivation und Bindung der Spieler durch die periodische Einführung von Neuerungen am Spiel. Der langfristigen Bindung kommt eine große Rolle zu, deshalb werde ich das im nächsten Kapitel noch einmal gesondert behandeln. Die Problematik von Bugs ist hier eine viel größere, als in ‚offline-Spielen’. Durch die nahezu uneingeschränkten Möglichkeiten mit der Umwelt zu interagieren und durch die unglaubliche Anzahl von Objekten ist es nahezu unmöglich vor der Veröffentlichung ‚alle Szenarios’ durchzuspielen. Zudem erweisen sich die Spieler in einem Spiel, für das sie bezahlen müssen und in dem auch den virtuellen Gütern ein realer Gegenwert entspricht, als 14 Berger, Andreas: Spiel mit dem Leben. Eine deskriptive und qualitative Analyse des Multiuserdungeons „Ultima Online“. Wien, 1999. 15 vgl. Mulligen, Jessica: Biting the Hand, A Compilation of the Columns to Date, 1999, S. 5 - 13 - überdurchschnittlich kreativ und engagiert, was das Auffinden und den Missbrauch von Schwachstellen betrifft. Deshalb ist es hier wichtig, dass auf bekannte Schwachstellen schnell, effizient und dauerhaft reagiert werden kann. Ebenso wichtig ist der Support. Kunden, die eine monatliche Gebühr bezahlen um einen Dienst in Anspruch nehmen zu können, stellen verständlicherweise hohe Ansprüche an diesen Dienst. Es stellt sich immer wieder heraus, dass die Spieler recht bald zur Konkurenz abwandern, wenn der Support allzu mangelhaft ist. Dabei ist vor allem die Einstiegsphase in ein Spiel entscheidend. Die Vielfältigkeit der Möglichkeiten und die hohe Komplexität, die unbedingt erforderlich sind, damit ein Spiel seine Spieler lange unterhalten kann, erweisen sich manchmal als Pferdefuß für den Beginn von Spielerkarrieren. Die komplizierten Benutzerinterfaces und Interaktionsmöglichkeiten führen oft zu einer heillosen Überforderung bei neuen Spielern. Ebenfalls ist es für neue Spieler in einer so dynamischen Umgebung, die maßgeblich von ihren Bewohnern geformt wird, nicht immer leicht aktuelle, richtige und sinnvolle Informationen zu erhalten. Mann kann sich die Situation etwa so vorstellen, als wenn man mit einem heutigen Reiseführer, alleine, in die mittelalterliche Mongolei geworfen würde. Im Körper eines Zweijährigen, ausgerüstet mit einer Kerze und einem Holzprügel. Studien haben gezeigt16, dass viele Spieler bereits in der ersten Stunde entscheiden, ob sie bereit sind für ein Spiel zu bezahlen oder nicht. Um den Frust beim Einstieg etwas zu dämpfen, oder erst garnicht aufkommen zu lassen, bietet es sich also an, hier Unterstützung zu geben. Bei Ultima Online hat man versucht auf die verschiedenen Bedürfnisse der Spieler zu reagieren und so ist nach und nach eine Supportstruktur entstanden, mit der versucht wird, einem möglichst großen Teil der Anforderungen nachzukommen17. 16 vgl. Mulligan, Jessica: Biting the Hand; 1999 Das stimmt zwar so inzwischen nicht mehr, allerdings eignet sich die ‚alte’ Struktur besser zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Support-Ziele, wesswegen ich mich hier auf diese beschränke. 17 - 14 - Neben Hotline- und Email-Support ausserhalb der Spielewelt exisiteren in UO folgende ‚Ingame’-Helfer: • Game Master • Counselors • Seers • Companions Game Masters: Die sogenannten GMs sind fest Angestellte von Origin. Sie sind die ‚Götter’ der Welt und besitzen darin nahezu uneingeschränkte Macht. Sie können bei Problemen im Spiel gerufen werden. Sie treten in speziellen roten Roben auf und sind somit leicht als Game Master zu erkennen. In ihre Zuständigkeit fallen hauptsächlich Bugs im Spiel direkt zu beheben (verschwundene Gegenstände zu ersetzen oder verbotene Gegenstände zu löschen), sie haben aber auch eine gewisse Ordnungshüterfunktion. So werden zum Beispiel Spieler, die gegen die Regeln verstoßen (z.B. cheaten, rassistische oder sexistische Aussagen, usw.) erst verwarnt oder direkt aus dem Spiel verbannt und ihre Accounts gesperrt. Da es bei so vielen Spielern sehr viele Anfragen nach Hilfe gibt, teilweise mit sehr ‚trivialen’ Problemen, ist es wohl kaum möglich, den gesamten Support von bezahlten Angestellten abwickeln zu lassen. Deshalb wird in UO, wie in den meisten vergleichbaren Spielen, der Hauptteil des Supports – zum Glück für die Betreiber – von ehrenamtlichen Spielern übernommen. Counselors: Die Counselors sind die Zweiten in der UO-Hierarchie. Sie tragen graue Roben und haben eingeschränkte Möglichkeiten Einfluß auf die Spielewelt zu nehmen. Ihre Hauptaufgabe ist es, bei technischen Problemen zu helfen, Streitfälle zu schlichten und generell ein wenig die Flut der ‚sinnlosen’ Anfragen von den Game Mastern fern zu halten. Sie erfüllen aber auch teilweise soziale Funktionen innerhalb der Spielewelt. So wird es etwa beispielsweise bei Hochzeiten zwischen Charakteren als besondere Ehre gesehen, von einem Counselor getraut zu werden. Erfahrene Spieler können sich durch einen Aufnahmetest als Counselor bewerben. Das ganze System der Counselors beruht auf Ehrenamtlichkeit, das bedeutet, dass die Spieler zwar fest geregelte Arbeitszeiten einhalten müssen, die Betreiber aber keinen Cent kosten. - 15 - Seers: Seers sind ebenfalls unbezahlte Spieler und sind an speziellen, dunkelgrünen Roben zu erkennen. Ihre Aufgabe ist nicht der technische Support, sondern sie sollen zur ‚Unterhaltung’ der Spieler beitragen. Sie organisieren sogenannte Quests, an denen Spieler teilnehmen können und an deren Ende oft kleine Belohnungen und Geschenke stehen. Das Konzept der Seer wurde nie wirklich so gut umgesetzt, wie es eigentlich geplant war, deshalb hat es nie besonders viele gegeben und sie spielten nie eine bedeutende Rolle. Eines der Probleme könnte sein, dass man die Seers, um ihren eigentlichen Sinn erfüllen zu können, mit relativ weitläufigen Kompetenzen im Zugriff auf sensible Bereiche der Welt ausstatten hätte müssen. Da das bei Freiwilligen aber natürlich mit großen Risiken verbunden ist, hat man von Seiten der Betreiber immer davon Abstand genommen. Companions: Die Companions wurden erst in einer späteren Phase von UO eingeführt. Ihre Aufgabe ist es, neuen Spielern über die ersten Hürden zu helfen. Es war in UO immer schon gängige Praxis, dass erfahrene Spieler sich an ihre eigenen Anfänge erinnern und deshalb ihre Erfahrung an neue weitergeben. Mit dem Companionprogramm wurde dies honoriert und erleichtert. Companions werden im Spiel informiert, wenn ein neuer Charakter entsteht und können sich zu ihm ‚beamen’. Für ihre freiwillige Hilfe erhalten die Companions dann verschiedene Belohnungen. 3.3. Gameplay-Aspekte und Langzeitmotivation Bei normalen Computerspielen wird die Halbwertszeit in Monaten gemessen. In der Regel wird ein Spiel veröffentlicht und sollte sich dann in den ersten Monaten so gut verkaufen, dass es dem Hersteller Gewinn bringt. Danach kommt bald ein neueres, aufwändigeres und möglicherweise grafisch besseres Spiel auf den recht schnelllebigen Markt. Bei Welten mit einer persistenten Welt ist das Ziel ein anderes. Man möchte die zahlenden Spieler möglichst lange an das Spiel binden. Das funktioniert, wenn man es richtig anstellt, deshalb, weil ein Spieler sehr viel Zeit investiert um seinen Charakter (bzw. seine Charaktere) auszubilden und weil er im Spiel Besitztümer ansammelt und Menschen kennenlernt, die es schwieriger machen, einfach zum nächsten Spiel zu wechseln. Natürlich braucht das Spiel dazu eine gutes Gameplay. Ein schlechtes Spiel hat es von Anfang an schwer, erfolgreich zu werden. Aber auch das beste Spiel wird, wenn es sich nicht - 16 - verändert, irgendwann langweilig. Deshalb muss es ständig verbessert und verändert werden, um die anspruchvolle Klientel bei Laune zu halten. Wie das beispielsweise aussehen kann, sei wieder am Beispiel Ultima Online skizziert. In UO stehen zwei Möglichkeiten zur nachträglichen Änderungen am Spiel zur Verfügung. Zum einen ist das ein automatisches Patching-System, welches bei jedem Start des UOClients überprüft, ob Neuerungen bereitstehen und diese bei Bedarf automatisch herunterlädt und installiert. Dies wird hauptsächlich für Bugfixes und kleine Änderungen am Spiel benutzt (Feintuning des Skillsystems o.Ä.). Bei größeren Veränderungen am Spiel werden kostenpflichtige ‚Expansion-Packs’ veröffentlicht. Bisher wurden in unregelmäßigen Abständen folgende Erweiterungen angeboten: • Ultima Online: Second Age, November 1998 • Ultima Online: Renaissance, Juni 2000 • Ultima Online: Third Dawn, März 2001 • Ultima Online: Blackthorn' s Revenge, Februar 2002 • Ultima Online: Age of Shadows, Februar 2003 Diese Erweiterungen können verschiedene Bereiche betreffen. Meist ist eine Vergrößerung der Landkarte enthalten, mit neuen Orten, die nur betreten werden können, wenn man sich den Expansion Pack kauft. Aber auch andere Veränderungen sind möglich. So können die Spieler zum Beispiel seit dem 2001 erschienen Ultima Online: Third Dawn zwischen der alten, isometrischen 2D-Ansicht und einer dreidimensionelen Ansicht entscheiden. Abb. 5: Links: UO: Third Dawn 3D-Client, rechts: der ‚klassische’ Client - 17 - 3.4. Ökonomische Aspekte und Sicherheit Persistente virtuelle Welten sind eigene Ökosysteme. Menschen stecken setzen Arbeit und reale Ressourcen ein, um in einer virtuellen Welt erfolgreich zu sein. Die Tatsache, dass die Welt eben dauerhaft und für alle Spieler ‚dieselbe’ ist, ermöglichen es, Besitz an andere Spieler weiterzugeben. Ein Tauschhandel virtueller Güter ist deshalb inhärenter Bestandteil des Spiels. Eigentlich sollte es daher nicht allzu sehr überraschen, dass bald wie von selbst, unterstützt durch die Möglichkeiten des Internets18, auch ein realer Handel mit virtuellen Gütern entstanden ist. In Ultima Online gibt es daher schon seit langem, einen ‚realen Gegenwert’ für virtuelle Güter. Wie eingangs bereits erwähnt, laufen in diesem Augenblick tausende Auktionen bei Ebay, bei denen Gegenstände und ganze Accounts für reales Geld angeboten werden. Die Beträge, um die bei solchen Auktionen gesteigert wird, sind keineswegs vernachlässigbar. So kann eine schöne Burg in guter Lage durchaus mehrere hundert Euro einbringen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf bekommen alle oben genannten Herausforderungen einen neue Ernsthaftigkeit. Denn so ein Ökosystem will gut überlegt sein und die empfindliche Homöostase wird durch viele Faktoren gestört. Es Bedarf großer Umsicht bei der Erhaltung der Balance der ‚natürlichen’ Ressourcen und Objekten im Spiel. Es kann beispielsweise durch einen Bug möglich sein, Gegenstände zu vervielfältigen. In einem normalen Spiel nimmt sich der Spieler eher selbst den Spielspaß, wenn er sich durch cheaten unendlich viel Geld beschafft. In einer virtuellen Welt, in der Spieler echtes Geld für ihr virtuelles bezahlt haben oder buchstäblich Monate hart dafür virtuell gearbeitet haben, sieht das anders aus. Worte wie Inflation sind in Ultima Online keine Fremdworte und bleiben nicht so folgenlos wie das Wort Online-‚Spiel’ nahelegen würde. 18 Im speziellen durch online-Auktionsplatformen wie Ebay - 18 - 4. Fazit Meiner Meinung nach ist es unvergleichbar schwieriger ein gutes und dauerhaft erfolgreiches Onlinespiel zu entwickeln und zu erhalten als ein Computerspiel im herkömmlichen Sinne. Sicher bietet es aber mehr interessante Herausforderungen und, wenn es gut gemacht wird, auch höhere Kundenbindung und damit mehr Möglichkeiten auf langfristigen Profit. Ich denke, dass davon ausgegangen werden kann, dass Onlinespiele in Zukunft ein immer größeres Segment des Spielemarktes ausmachen werden. Der Trend zu Multiplayerspielen ist jetzt schon sehr stark gegeben. Natürlich ist dieser Markt abhängig von einer möglichst weitläufigen, günstigen Verfügbarkeit von Breitband-Internetzugängen. Sind die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen in der realen Welt günstig, bin ich überzeugt, dass auch die Hemmschwelle, die die monatlichen Gebühren zweifellos darstellen, vieler potentieller Spieler kleiner werden. Denn das Hinzunehmen echter Personen in eine virtuelle Umgebung schafft automatisch einen Grad der Immersion, der rein ‚künstlich’ für nur schwer vorstellbar wäre. - 19 - 5. Quellennachweis Ultima Online: http://www.uo.com http://uo.stratics.com McCurdy, Keith: Ultima Online: Experiment to Business, 1996 (Vortrag) Berger, Andreas: Spiel mit dem Leben. Eine deskriptive und qualitative Analyse des Multiuserdungeons „Ultima Online“. Wien, 1999 http://www.univie.ac.at/Publizistik/mud/pdf/UO.pdf Andere Quellen: Raph’s Page: Online World Timeline http://www.legendmud.org/raph/gaming/mudtimeline.html Mulligan, Jessica: Biting the Hand: A Compilation of Columns to Date; 1999 www.skotos.net/articles/BTHarchives/BTH1999.pdf - 20 -