Vorsicht bei gefährlichen Zinsspekulationen

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Vorsicht bei gefährlichen Zinsspekulationen
strategie und lösung
FINANZIERUNG
D
er Fall ist typisch: Eine deutsche Großbank möchte
einen typischen mittelständischen Unternehmer für
einen Constant Maturity Swap (CMS) gewinnen mit
dem Argument, dass ohne Kapitaleinsatz eine attraktive Ertragsquelle erschlossen werden könne. Bei CMS handelt es
sich um eine Form des Zinsswaps, bei dem die Zinszahlung
eines Swappartners in regelmäßigen Abständen an einen
– längerfristigen – Referenzzinssatz angepasst wird. Die
Zinszahlung des anderen Swappartners wiederum orientiert sich in der Regel an einem kurzfristigen Zinssatz. Wie
bei einem normalen Zinsswap wird also ein kurzfristiger
Zins gegen einen längerfristigen getauscht, wobei im Unterschied dazu der langfristige Zinssatz über die Laufzeit nicht
konstant ist, sondern regelmäßig angepasst wird.“
Trotz Risikohinweisen wird ein Kontrakt über 2,5 Millionen
Euro abgeschlossen. Die Laufzeit beträgt fünf Jahre. Das
Unternehmen zahlt den 3-Monats-EURIBOR, also den für
drei Monate gültigen Zinssatz für Termingelder in Euro im
Interbankengeschäft – und erhält dann eine Zahlung, die
auf der Zinsdifferenz zwischen einem Festsatz und dem
10-Jahres-Swap abzüglich des 2-Jahres-Swaps basiert. Nach
dem Abschluss verändert sich die Zinsstrukturkurve jedoch
so, dass die Differenz nur noch 0,07 Prozent beträgt. Und
gemäß den Vereinbarungen erhält das Unternehmen dann
keine Zinszahlungen der Bank mehr. Der feste Zinssatz von
3,3 Prozent pro Jahr muss jedoch nach wie vor gezahlt werden – was für das Unternehmen eine jährliche Belastung
von 82.500 Euro mit sich bringt.
Vorsicht bei gefährlichen
Zinsspekulationen
Zinsswaps und ähnlich spekulative Geschäfte sind aus der Ertragsrechnung der
Banken nicht mehr wegzudenken. Doch wenn die Institute die Risiken nicht selbst
tragen, sondern bei ihren Kunden platzieren, sind diese oft die Leidtragenden,
wie das folgende Beispiel zeigt.
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© bonn-sequenz
strategie und lösung
Wenigstens ist der Verlust aufgrund der Gestaltung auf
280.000 Euro begrenzt. Dennoch: Dieses Verlustvolumen
wird zwischenzeitlich erreicht. Und aufgrund des Berechnungsmodus für die Bankzahlung besteht keine Chance
mehr, dass während der Restlaufzeit noch Zahlungen von
der Bank fließen, die den bisher bereits erreichten Verlust
verringern. 280.000 Euro Verlust müssen deshalb in den
Jahresabschluss als Rückstellung eingestellt werden.
Heilmittel „Gegen-Swap“?
Der Unternehmer ist entsetzt. Anstelle des in Aussicht gestellten attraktiven Ergebnisses muss ein Verlust finanziert
werden, der das Unternehmen und dessen Kreditwürdigkeit
schwächt. Erschwerend kommt hinzu, dass dieses Geschäft
nicht mit einem Grundgeschäft in Verbindung gebracht
werden kann. Verluste aus gewerblichen Termingeschäften
dürfen nicht mit anderen Einkünften der Gesellschaft verrechnet werden – es sei denn, es handelt sich hierbei um
Geschäfte, die der Absicherung von Geschäften des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes dienen. Vor diesem Hintergrund
wird das Vor-Steuer-Ergebnis des Unternehmens durch die
Zinsspekulation um 467.000 Euro belastet.
Doch damit nicht genug: Hausbank des Unternehmens ist
eine zweite deutsche Großbank. Diese wird nachträglich
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mit der Problemstellung vertraut gemacht. Ihre Reaktion:
Es wird ein Gegen-Swap in Form eines weiteren CMS vorgeschlagen. Diese Kompensation soll über fünf Millionen
Euro mit einer Laufzeit von zehn Jahren geschlossen werden. Danach zahlt das Unternehmen den 3-Monats-EURIBOR und erhält den 20-Jahres-Swap minus 1,10 Prozent. Zu
Beginn der Laufzeit zahlt die Bank den Barwert aus dem
Abschlag von 1,1 Prozent an das Unternehmen aus. Damit
kann der Anfangsverlust aus dem Erstgeschäft kompensiert
werden.
Allerdings: In den restlichen neun Jahren muss die Zinsdifferenz zwischen dem 3-Monats-EURIBOR und dem 20Jahres-Swap mindestens 1,1 Prozent betragen (da dies dem
Abschlag entspricht), damit keine Zahlung an die Bank fällig
wird. Ist die Differenz geringer als 1,1 Prozent, müssen neun
Jahre lang Zahlungen geleistet werden. Aktuell beträgt die
Differenz gemäß Angebot dieser Großbank 0,68 Prozent,
so dass 0,42 Prozent oder 21.000 Euro jährlich an die Bank
zu leisten wären. Innerhalb von neun Jahren sind das dann
189.000 Euro.
Bis die Zinsdifferenz bei einer möglichen Umkehr zur Inversivität der Zinsstruktur wieder Null beträgt, muss das
Unternehmen über neun Jahre hinweg 1,1 Prozent leisten,
das sind Jahr für Jahr 55.000 Euro. In neun Jahren sogar
495.000 Euro. Aufgrund dieses Zinskontraktes müsste das
Unternehmen möglicherweise am Ende dieses Jahres erneut
eine Rückstellung für das Zinsänderungsrisiko bilden.
Kein Einzelfall
Am Markt ist hinreichend bekannt, welche Erträgnisse derartige Geschäftsabwicklungen ermöglichen: Einnahmen
aus Zinsswaps sind bedeutende Positionen in der Ertragsrechnung von Kreditinstituten. Natürlich tragen die Kredit­
institute die Risiken nicht selbst. Diese Risiken werden bei
anderen Adressen plaziert, die entweder eine andere Markt­
entwicklung erwarten oder die ein entsprechendes anderes
Grundgeschäft absichern wollen.
Unternehmen werden in zunehmendem Umfang von
Kreditinstituten mit der Zielsetzung angesprochen, durch
Zinsspekulationen die Ertragsrechnung zu verbessern. Gesichert ist die Ergebnisverbesserung für die Kreditinstitute,
die in der Regel durch die Initiierung der Kontrakte gleich
zwei Ertragsquellen erschließen, da natürlich an dem Gegengeschäft auch wiederum verdient wird. Den Kunden
empfiehlt IfW daher dringend, Zinsswaps nur dann zu
vereinbaren, wenn ein entsprechendes Grundgeschäft abgesichert werden soll. Von Zinsspekulationen wird dringend abgeraten. Dass die Erwartung von Zinsspekulationen
häufig deutlich verfehlt wird, beweisen Ergebnisse vieler
Finanzinstitute in den letzten Jahren. Auf Zinsswaps zu verzichten, wenn entsprechende Grundgeschäfte abgewickelt
werden, ist nach IfW-Auffassung genauso spekulativ, wie
Zinsswaps abzuschließen ohne ein entsprechendes Grundgeschäft. Dass sich daran viele Unternehmen nicht halten,
beweist die Praxis. Durch spekulative Geschäfte wird die
Existenz von mittelständischen Unternehmen nicht selten
gefährdet.
Karl A. Niggemann
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