Tagesspiegel Köpfe

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Tagesspiegel Köpfe
INHALT
TAGESSPIEGEL KÖPFE | NR. 97
DIE
Mohammed Keita
& Jakob Maechler
Der 29-jährige Flüchtling aus Mali hat
nicht nur eine neue Heimat in Berlin.
Dank des Chefs von Boeba Aluminium
hat er auch einen Ausbildungsplatz
gefunden. Das Unternehmen wurde
kürzlich zu einem der besten
Ausbildungsbetriebe Berlins gekürt.
SEITE 18
9 | BORIS GOLDSHTEYN HAT GEMEINSAM
MIT SARA WACH UND CLEMENS WAGNER
3-D-VISUALISIERUNGEN ENTWICKELT
24 | STEPHAN SCHWARZ, PRÄSIDENT
DER HANDWERKSKAMMER, IM INTERVIEW
ÜBER AUSBILDUNGSPLÄTZE IN BERLIN
GRÜNDER
EXPERTEN
6 | EIN SOMMER VOLLER IDEEN
Zehn neue Start-ups aus Berlin – empfohlen
von der Tagesspiegel Köpfe-Redaktion
18 | HIER WERDEN SIE GELEHRT
Boeba, Mercedöl und Silke Hiljegerdes
– drei erfolgreiche Ausbildungsbetriebe
KÖNNER
13 | BERLINER UNTERNEHMERIN 2016
Tita von Hardenberg wurde als Chefin der
TV-Produktionsfirma Kobalt ausgezeichnet
15 | EINE SICHERE BANK
Die GLS-Bank hat in Berlin Konkurrenz
bekommen: Europas größte Nachhaltigkeitsbank Triodos hat einen
Standort in der Hauptstadt eröffnet
16 | NETT ZUR FAMILIE
Drei Berliner Unternehmen wurden
für ihr Engagement in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf geehrt
24 | »GOLDENER DENN JE«
Interview mit Stephan Schwarz
von der Handwerkskammer Berlin
26 | KEINE EINBAHNSTRASSE
Dem Handwerk fehlen Azubis – warum das
Bildungssystem so einseitig genutzt wird
30 | KARLSSON VOM DACH
Andreas Zwielich feiert mit
seiner Dachdeckerei zehnjähriges Firmenjubiläum
32 | FÜR JA-SAGERINNEN
Marie-Theres Fischert fertigt
Brautkleider nach Maß. Jetzt
im Sommer ist Hochsaison
36 | INS NETZ GEGANGEN
Handwerk 4.0: Drei Berliner Start-ups
revolutionieren die Traditionsbranche
FOTOS Mike Wolff (5), Promo (2), DAVIDS/Sven Darmer, Marie Staggat/Promo, Sophia Kembowski/dpa
KÖPFE
ANZEIGE
38 | FRAU AM STEUER
Carola Zarth leitet seit
23 Jahren die Autowerkstatt
Bosch Service Holtz
42 | NUR BIS HIERHIN BEZAHLT
Das Handwerk leidet unter der schlechten
Zahlungsmoral seiner Kunden
MACHER
45 | BERLINER WAHLPROGRAMME
Was Unternehmer von den Parteien bei der
Abgeordnetenhauswahl erwarten können
48 | DAS AUFATMEN DER ANDEREN
Bilanz der Ära Yzer – ein Kommentar
50 | LICHT-VERKÄUFER
Matthias Krahl, Chef der
Helonius GmbH, hilft Firmen
beim Energiesparen
61 | MICHAEL MÜLLER WAR NUR KURZ
AUF SEINEM EIGENEN HOFFEST –
DENNOCH WURDE AUSGIEBIG GEFEIERT
NETZWERKER
59 | UNTER SAURIERN
Hoher Besuch bei Tristan im Museum
für Naturkunde: die CDU-Fraktion
52 | DIE APP IST RUND
Lucas von Cranach hat eine
Fußball-App entwickelt, die
weltweit heiß begehrt ist
54 | LÄSSIGE LEKTÜRE
Fünf Buchtipps für die Sommerferien
56 | ALKOHOLFREI DRUCKEN
Das Druckhaus Berlin-Mitte legt Wert auf
eine umweltfreundliche Printproduktion
62 | WIRTSCHAFTSCLUB
Karsten Mühlenfeld sprach
beim Clubabend über vieles –
aber kaum über den BER
RUBRIKEN
12
13
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16
51
53
57
58
64
66
KOMMENTAR
EIGENER HÄNDE ARBEIT
JAHRHUNDERTFIRMA
IMPRESSUM
AUF EIN GLAS MIT ...
PATENT
OMBUDSMANN
NACHRUF
INDEX
MEIN ARBEITSPLATZ
45 | BERLIN-WAHL
FÜR WELCHE WIRTSCHAFTSPOLITIK DIE WICHTIGSTEN
PARTEIEN STEHEN
TAGESSPIEGEL KÖPFE | 5
GRÜNDER
Schnelle Pakete per Bus, Fahrradhostels, Jobvermittlung
weltweit und die App für Amateurtrainer – zehn spannende
START-UPS, empfohlen von der Tagesspiegel Köpfe-Redaktion
IGE
ZE
AN
EIN SOMMER
VOLLER IDEEN
präsentiert
:
DIE GRÜND
ER
FOTOS Kendra Storm Rae/Promo, Promo
TEXTE Sabine Hölper, Michael Pöppl
6 | TAGESSPIEGEL KÖPFE
ONLINE-MODELAGENTUR
FALKO KREMP, MATIAS ENGHILD &
NIKOLAUS ANDRÉEWITCH, Inselberg
1
Viele junge Menschen träumen von einer
Karriere als Model. Doch der Weg dahin ist
steinig. Falko Kremp, Matias Enghild und Nikolaus Andréewitch haben ein Unternehmen gegründet, um Models und solchen, die es werden
wollen, den Einstieg zu erleichtern: Inselberg
ist die nach eigenen Angaben erste digitale
Model-Booking-Plattform, bei der sich jeder
Interessierte anmelden kann. Die Webseite inselberg.com steht also nicht nur Profis, sondern
auch Amateuren offen. Jeder, der Lust hat, vor
der Kamera zu arbeiten, kann sich einschreiben.
Mitgründer Falko Kremp (links) ist selbst
Model, er kennt die Branche gut. Und er lässt
kein gutes Haar an ihr. Sie sei »chauvinistisch«,
sagt er, »von zweifelhaften Rahmenverträgen
und persönlichen Kontakten geprägt«. »Bisher
kam man in der Regel nur über Vitamin B und
ein weitreichendes Netzwerk an lukrative Aufträge. Mit Inselberg geben wir die Macht in die
Hände der eigentlichen Akteure zurück: an die
Models und die Kunden.« Inselberg setzt auf
Transparenz und auf Einfachheit: Ob professionelles Mannequin oder Anfänger: Die Interessenten legen ein kostenloses Profil von sich an,
aussagekräftige Fotos inklusive. Potenzielle Auftraggeber können diese Profile einsehen – und
die Kandidaten direkt, ohne die Zwischenschaltung von Agenturen, buchen. Ein Algorithmus
und ein Suchfilter mit 16 Parametern sorge für
das perfekte Matching, so Kremp. Die Models
können zudem ihre Instagram-Accounts einbinden. So werden Auftraggeber, die Menschen mit
vielen Followern suchen, auf sie aufmerksam.
Anfang des Jahres ist Inselberg gestartet.
Mittlerweile zählt die Plattform 1500 Registrierungen, 150 Models sind freigeschaltet, rund
200 Aufträge sind zustande gekommen. Tendenz
steigend.
inselberg.com
EXPRESSVERSAND
NICOLAS STEPHAN &
DAVID NOTHACKER, Sennder
2
Normalerweise kutschieren Fernbusse
Reisende von Stadt zu Stadt. Jetzt aber
nehmen sie auch Pakete mit. Initiatoren dieser Neuerung sind Nicolas Stephan und David
Nothacker, die Gründer von Sennder. »Durch
die intelligente Nutzung vorhandener Logistikinfrastrukturen und Partnerschaften mit führenden Fernbusanbietern, Transportdienstleistern
und Stadtkurieren ermöglichen wir Lieferungen
am selben Tag«, sagt Stephan. Diese seien zudem besonders kostengünstig. Zu den Kunden
des Start-ups gehören vor allem Online-Händler
und andere Geschäftskunden. Aber auch Privatleuten steht der Service offen.
sennder.com
TAGESSPIEGEL KÖPFE | 7
EXPERTEN
Boeba-Chef Jakob
Maechler (2.v.r.) mit
drei seiner Azubis
in der Werkstatt
HIER WERDEN
SIE GELEHRT
Berlins BESTE AUSBILDUNGSBETRIEBE kümmern sich
mit großem Engagement um die Nachwuchsförderung.
Drei Handwerksunternehmen sind dabei besonders erfolgreich
TEXT Alexander Riedel
18 | TAGESSPIEGEL KÖPFE
METALLBAU
gewesen, sagt Keita. Aber er sei entschlossen, die
Ausbildung zu beenden und zu bleiben.
Maechler kennt inzwischen alle Hürden,
die es zu überwinden gilt, wenn man FlüchtDie Firma BOEBA ALUMINIUM
linge beschäftigen möchte. Die größte ist der
gibt auch Bewerbern eine Chance, Aufenthaltsstatus, vom dem auch die Arbeitserlaubnis abhängt. Dann kommen die Sprache
bei denen nicht alles glatt läuft
und die Qualifikationen, bei denen immer die
Frage ist, welche Abschlüsse aus dem Ausland
it einem derart guten Abschneiden anerkannt werden. Das Personalteam von Boeba
hatte Jakob Maechler nicht gerech- musste viel Neues lernen. »Es geht eher darum,
net, als er sich beim Wettbewerb um wie motiviert die Leute sind, wie sie sich mit»Berlins beste Ausbildungsbetriebe« bewarb. reißen lassen und welche Stärken sie haben, die
Im besten Fall auf den Sonderpreis in Sachen nicht auf dem Papier stehen«, sagt Maechler. Das
Integration hat der Geschäftsführer von Boeba gelte auch für Auszubildende mit Lernschwäche
Aluminium gehofft. Schließlich gehören mehre- oder sogenannte Umschüler, die eine neue Lehre Geflüchtete zum Team. Dass es am Ende zum re anfangen: »Wir versuchen, die Leute für den
Hauptpreis gereicht hat, sorgt für umso größere Betrieb zu begeistern.«
Freude. Nun hofft er darauf, dass der Titel die
Wertschätzung, Anerkennung und Vertrauen
Zahl der eingehenden Bewerbungen erhöht. sind Maechler wichtig. Sie seien auch Mittel zum
Zwar konnte das Unternehmen im Wachstum Zweck, um qualifiziertes Personal zu gewinnen.
der vergangenen Jahrzehnte noch
Dazu kommen handfeste weitere
»BISLANG
jede Stelle besetzen, doch die HeArgumente: Die technische Berausforderung bleibt groß.
rufsausbildung, die das UnternehKONNTEN
Geschäftsführer Jakob Maechmen anbietet, ist seit Langem statt
WIR NOCH
ler hat das 43 Jahre alte Unterbei der Handwerkskammer bei
JEDE STELLE
nehmen im Rahmen einer Nachder IHK angesiedelt – Mitglied
folgeregelung nach und nach
ist Boeba bei beiden Kammern.
BESETZEN «
übernommen. Boeba fertigt und
»Der Vorteil ist, dass wir mehr
JAKOB MAECHLER
montiert mit rund 60 Mitarbeizahlen dürfen«, sagt der Chef.
Geschäftsführer
tern Aluminiumteile für den Fas»Das ist für den einen oder ansadenbereich und war oder ist an
deren natürlich ein Argument.«
vielen namhaften Baustellen Berlins beteiligt, Wenn Boeba dafür einen motivierten Menschen
vom Regierungsviertel über die Mall of Berlin gewinne, lohne sich das für beide Seiten.
bis zum Hauptstadtflughafen BER. Betriebswirt
Angehende Meister werden ebenfalls vom
Maechler, gerade 50 Jahre alt geworden, sucht Unternehmen unterstützt. Auch Zusatzqualifiwegen des Fachkräftemangels immer nach al- kationen oder Auslandsaufenthalte während der
ternativen Möglichkeiten, um Auszubildende Ausbildung sind möglich. »Wir versuchen, alles
zu finden.
zu begleiten und zu unterstützen, was an uns
Eine solche Gelegenheit bietet sich für Hand- herangetragen wird«, sagt Maechler. Jedes Jahr
werksbetriebe durch das Projekt »Arrivo Ber- im Sommer kommen auch viele junge Frauen
lin«, das unter dem Motto »Flüchtling ist kein zum Praktikum in die Werkstatt. Eine weibliche
Beruf« Firmen mit geflüchteten Menschen zu- Azubi gab es bislang allerdings nur einmal. Sie
sammenbringt. Initiiert wurde Arrivo von der wurde aber immerhin im Februar übernommen.
Senatsverwaltung, der Kammer und dem Netz- Der Betrieb nimmt auch die Frauenförderung
werk für Bleiberecht »bridge«. Über das Pro- ernst: Duschen, Umkleiden und Toiletten werden
jekt kam Jakob Maechler auch zu Mohammed künftig getrennt. Und Aluminium sei Dank gibt es
Keita. Der 29-jährige Malier ist inzwischen im auch keine großen, schweren Teile zu schleppen.
ersten Ausbildungsjahr bei Boeba. Seit drei JahBoeba versucht also nach allen Seiten hin ofren ist er in Deutschland, beziehungsweise seit fen zu sein für motivierte Bewerber. Damit aus
zwei Jahren und acht Monaten, wie er selbst aus dieser Vielfalt ein funktionierendes Team wird,
dem Stegreif genau weiß. In seiner Heimat habe appelliert Maechler an alle: »Die gesamte Firma
er auch schon mit Metall gearbeitet, erzählt er. ist dafür verantwortlich, dass die AuszubildenSein Deutsch ist noch nicht so gut, doch es wird. den ankommen und sich bei uns auch wohlfühAm Anfang sei es jedoch sehr, sehr schwierig len.« Vielleicht ist das das Geheimnis.
FOTO Mike Wolff
M
60
UNTERNEHMEN haben
sich in diesem Jahr bei
den Kammern um die
Auszeichnung »BERLINS
BESTE AUSBILDUNGSBETRIEBE« beworben.
Eine Jury wählte in
zwei Kategorien (bis 50
Mitarbeiter und darüber)
einen Hauptgewinner
aus. Neben Boeba Montage- und Aluminumbau
wurde BBO Datentechnik
geehrt. Zudem wird Jahr
für Jahr ein Sonderpreis
vergeben. 2016 ging er
an das Amitola Familiencafé – für die »gelebte
Inklusion« von lernbehinderten Jugendlichen.
TAGESSPIEGEL KÖPFE | 19
EXPERTEN
» ES BRINGT
NICHTS, WENN
DIE BRAUT
VERKLEIDET
AUSSIEHT «
MARIE-THERES FISCHERT
Schneiderin
FÜR JASAGERINNEN
Bis zu 100 Brautkleider fertigen Marie-Theres
Fischert und ihr Team von LA PETITE MARIE
jedes Jahr. Im Sommer ist Hochsaison
TEXT Rita Nikolow | FOTO DAVIDS/Sven Darmer
32 | TAGESSPIEGEL KÖPFE
S
ie ist nicht zu bremsen, zeichnet und zeichnet, obwohl ihre Lehrerin sie immer wieder ermahnt. Schon in der Grundschule
entwirft Marie-Theres Fischert am liebsten
Hochzeitskleider für ihre Klassenkameradinnen.
Woher diese Faszination kommt, weiß sie nicht,
aber die 31-Jährige hat ihre Vorliebe für das Kleid
zum sogenannten schönsten Tag im Leben zu
ihrem Geschäftsmodell gemacht.
Wer ihren Laden in der Christburger Straße
in Prenzlauer Berg betritt, sieht so viel Weiß wie
sonst höchstens im Skiurlaub. Nur die Chefin
und Namensgeberin von »La petite Marie« bildet einen Kontrast zu den hellen Stoffen, die an
den Ständern hängen und sich um die Figurinen
winden. »Ich trage am liebsten Schwarz, so fin-
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det man mich auch gleich«, sagt die 31-Jährige,
die trotz der märchenhaften, fast ein wenig entrückten Atmophäre um sie herum sehr bodenständig und konzentriert wirkt. Ihren Kundinnen
verspricht sie vor allem eines: Ein Kleid, das zu
ihnen passt: »Es bringt nichts, wenn die Braut
verkleidet aussieht.« Der Einstiegspreis liegt bei
1000 Euro, was günstiger ist als viele Stücke von
der Stange, die man im Fachhandel bekommt.
Frauen, die schon vor einigen Jahren »Ja« gesagt
haben, als die Auswahl kleiner war, die Preise
höher und viele Modelle an Sahnebaisers erinnerten, dürften die Bräute von heute um dieses
Angebot beneiden. Durch ihre Spezialisierung
entgeht Fischert auch dem Hamsterrad der
Fast Fashion und damit dem Zwang, jedes Jahr
mindestens zwei Kollektionen auf den Markt
zu bringen. Über mangelnde Wertschätzung
für ihre Entwürfe kann sie sich im Unterschied
zu vielen Kolleginnen ebenfalls nicht beklagen.
IHRE KUNDINNEN KOMMEN NICHT NUR aus
Prenzlauer Berg und nicht ausschließlich
aus Berlin, sondern auch aus Österreich, der
Schweiz oder Großbritannien. Im Jahr verkauft
Fischert 80 bis 100 Brautkleider. Was wünschen
sich die Bräute, wenn sie die freie Wahl haben?
Vor einigen Jahren seien vor allem schlichte, geradlinige Modelle gefragt gewesen. »Seit einiger
Zeit steigt die Nachfrage nach aufwendigeren
Entwürfen, nach Spitze und Stickereien.« Und
überhaupt nach viel mehr Details.
In der Werkstatt im hinteren Zimmer surren
die Nähmaschinen. Ihre drei Mitarbeiterinnen,
die wie sie selbst ausgebildete Schneiderinnen sind, arbeiten an den nächsten Modellen.
Fischert ist froh, dass Laden und Atelier unter
einem Dach sind: »So können wir während der
Anproben noch Kleinigkeiten ändern oder Dinge
ausprobieren, und die Kundin kann das Kleid
dann gleich mitnehmen.« Im Moment ist bei
»La Petite Marie« Hochsaison, von dem Trubel
erholt sich das Team im Winter. Dann stehen
nur wenige Kleider auf der Auftragsliste, für die
Bräute, die lieber im deutschen Winter heiraten
– und jene, die in die Sonne fliegen.
Schnurgerade ist Fischerts Weg in den
Schneiderberuf dann aber doch nicht verlaufen.
Als sie ihrem Berufsberater – damals noch im
Münsterland – erzählt, dass sie etwas Kreatives
machen will, reagiert der ähnlich begeistert wie
ihre Grundschullehrerin. Er rät ihr, doch lieber
etwas Vernünftiges zu studieren, BWL zum
Beispiel. Also macht sie ihr Fachabitur mit den
Schwerpunkten Wirtschaft und Verwal-
TAGESSPIEGEL KÖPFE | 33
MACHER
» WIR HABEN
DAS THEMA
FUSSBALLAPP ZUR
RICHTIGEN ZEIT
UMGESETZT «
LUCAS VON CRANACH
Gründer von Onefootball
DIE APP IST RUND
R
Innen rund, außen grün.
auf über 24 Millionen
Smartphones weltweit:
die Onefootball-App
asengrün ist die Farbe, die sich an Wänden, beim Bodenbelag und an der Garderobe von Onefootball wiederfindet. Über
den Schreibtischen hängen die Fanschals europäischer Clubs von Bayern bis Marseille, an den
Wänden Trikots. Hinten im großen Raum steht
ein Trainingstor, Bälle liegen in vielen Ecken.
Man möchte sich gerne einen davon schnappen,
losdribbeln und schießen.
Im lichten Großraumbüro der Onefootball
GmbH in Prenzlauer Berg wird konzentriert
gearbeitet, es ist erstaunlich leise. Zur Europameisterschaft herrscht Hochbetrieb bei den
Mitarbeitern, die die Onefootball-App mit
aktuellen Storys, Berichten und Statistiken bestücken. Mehr als 24 Millionen Mal wurde die
Applikation in über 200 Ländern der Welt herun-
52 | TAGESSPIEGEL KÖPFE
tergeladen. Im gläsernen Konferenzraum erzählt
Gründer Lucas von Cranach von den Anfängen
des Start-ups im Jahr 2008. Von Cranach? Ja, er
ist tatsächlich ein Nachfahre des berühmten
Renaissancemalers und begeisterter Fan des 1.
FC Köln. »Zwischen zwölf und 16 bin ich zu jedem Auswärtsspiel mitgefahren«, sagt er.
»iLiga« hieß die erste App seiner Bochumer
Firma Motain, die aktuelle Fußballergebnisse
präsentierte, »THE Football App« für den internationalen Markt. Fans konnten sich schnell
über ihre Lieblingsclubs und alle Ligen der
Welt informieren, von der argentinischen Primera Division bis zur russischen Dritten Liga.
»Wir waren Pioniere, 2009 war iLiga die erste
Sport-App überhaupt auf dem iPhone«, sagt von
Cranach. Die User waren begeistert, wirtschaft-
FOTOS Mike Wolff, Promo (3)
Das Start-up ONEFOOTBALL betreibt die meist genutzte Fußball-Applikation der Welt.
Ein Besuch bei Gründer Lucas von Cranach im Firmensitz in Prenzlauer Berg
lich gesehen blieb es die ersten Jahre schwierig.
Doch damals sei die Grundlage für den heutigen
Erfolg gelegt worden, analysiert der studierte
Betriebswirt von Cranach. »Es zeigt sich, dass
wir das Thema zum richtigen Zeitpunkt umgesetzt haben und durch diesen First Mover weltweit schon viele Kunden gewonnen hatten. Und
natürlich hatten wir später auch das Quäntchen
Glück, das man braucht.«
Seinen neuen Geschäftspartner Jonathan
Lavigne, der für die Produktentwicklung zuständig ist, lernte von Cranach 2010, nach dem Umzug nach Berlin kennen: »Ein wichtiger Grund,
dass wir hierher gekommen sind, waren die
günstigen Mieten und die IBB-Förderung. Ich
kannte Berlin, hatte bereits an der TU Betriebswirtschaft studiert. Als kreativer internationaler
Standort ist die Stadt ideal.« Von Cranach und
Lavigne fanden Investoren, Earlybird und die
US-Finanzierer Union Square Ventures investierten zusammen einen achtstelligen Betrag.
»Endlich konnten wir unser Produkt so aufstellen, wie wir es immer schon tun wollten«, sagt
von Cranach. Das Team entwickelte die App neu,
benannte sie im März 2014 mutig in Onefootball
um, um mehr internationale User zu erreichen.
Heute bekommen die Nutzer in 14 Sprachen
nicht nur Ergebnisse, sondern individualisierte
Informationen über Lieblingsvereine, Spieler,
EM-Statistiken oder Transfergerüchte. Ein
Netzwerk von bekannten Fußballbloggern liefert
Geschichten über Clubs und Spieler, tausende
Artikel, die täglich durchs Netz ziehen, werden in
der Redaktion gefiltert und bei Interesse verlinkt.
Jeder Nutzer bestimmt, worüber und in welchem
Umfang er informiert werden will.
Mit der Neuausrichtung gelang bereits zur
WM 2014 in Brasilien der erwartete Durchbruch.
Zur Euro 2016 gelang es, Weltkonzerne wie Adidas und Hyundai als Werbepartner zu finden.
Von Cranach bleibt dennoch realistisch: »Viele
dieser neuen Nutzer zur EM sind klassische
Eventnutzer. Die eigentliche Zielgruppe bleibt
der Hardcorefan im Ligafußball, der per App
das neueste Trikot seines Clubs kauft, Pay-TV
abonniert oder Flugtickets fürs Auswärtsspiel
bucht.« Die europäischen Profiligen sind schon
lange im asiatischen oder südamerikanischen
Raum angekommen, die Fanszene in China, Japan
oder Indien wächst enorm. Im Bereich »Fußball
Mobil« ist Onefootball Marktführer. Langfristig
sieht von Cranach noch viel mehr Potenzial, denn
Fußball ist inzwischen die beliebteste Sportart
der Welt: »Da sind noch einige Nutzer, die es auf
dem Weg abzuholen gilt.«
MICHAEL PÖPPL
PATENT
LUXUS AUF
DREI RÄDERN
Das von DENIS NIEHUSEN
entwickelte Tribel ist einem
DDR-Klassiker nachempfunden
A
ls Denis Niehusen ein kleiner Junge war,
wünschte er sich sehnlichst ein Liliput Dreirad.
Aber sein Wunsch ging nie in Erfüllung. Mittlerweile ist Niehusen 43 Jahre alt, das Thema könnte
längst abgehakt sein. Doch vor zwei Jahren brachen die
alten Wunden wieder auf. Damals erzählte ihm sein
Freund Smike Triebel, dass sein Sohn einen Tretroller
geschenkt bekommen habe, der dem Liliput ähnelt, und
dass »das Interesse auf der Straße groß war«.
Es war die Initialzündung für den Ingenieur. Er entwarf ein Dreirad, das ebenso wie das Liliput nicht vorne
eins und hinten zwei Räder hat, sondern vorne zwei und
hinten eins. Diese Konstruktion sorgt für festen Halt auf
der Straße und verhindert das Umkippen in scharfen
Kurven. »Unser Tribel ist eine Neuinterpretation des
Liliput«, sagt Niehusen. Er habe nur hochwertige Materialien wie etwa echtes Birnbaumholz für die Pedale
verwendet. Dafür kostet ein Tretauto auch, je nach Ausführung, zwischen 375 und 595 Euro.
HOEL
Denis Niehusen verkauft das Tribel online über seine
Firmenwebseite smikeson.de
TAGESSPIEGEL KÖPFE | 53
KALENDER
TERMINE
BWG E.V.
8.9. | 8 Uhr
EUROPA IM GESPRÄCH:
CHRISTIAN LINDNER
»Europa im Gespräch« ist eine
Reihe, die sich europäischen
Themen widmet. An diesem Morgen
wird Christian Lindner (FDP) seine
Wirtschaftspolitik skizzieren und mit
den Anwesenden diskutieren.
15.9. | 19 Uhr
»KULTURMACHER«
Paul Spies ist seit einem halben
Jahr neuer Generaldirektor der
Stiftung Stadtmuseum Berlin. Im
Gespräch mit Alice Stroever wird er
über seine Aufgaben und seine Visionen für das neue Amt sprechen.
20.9. | 9 Uhr
KURS »ERFOLGREICH
AKQUIRIEREN«
In diesem Kurs soll es darum gehen,
bewusst an seinem Auftreten zu
feilen, um erfolgreich im Kundenkontakt akquirieren zu können. Kleidung, Sprache, Auftreten, aber auch
Gesprächsführung sind Themen.
24.9. | 15 Uhr
KULTUR VOR ORT: DAS
ORANGERIESCHLOSS
Das Orangerieschloss ist mit über
300 Metern der längste Bau im
Park Sanssouci. Es ist prächtig ausgestattet und bringt italienisches
Flair nach Potsdam. Schlossbereichsleiter Daniel Goral gibt eine
Führung und Einblick in den Umbau.
Anmeldung wird erbeten
unter bwg-ev.net
60 | TAGESSPIEGEL KÖPFE
Haben gut lachen:
Star-Koch Tim Raue mit
Michael Wedell und Martin Behle
von der Metro Group (v.l.)
METRO GROUP
Fußball und Wein satt
Mehr als 300 Gäste waren zur »Weinprobe im Fußballhimmel« gekommen:
Ein kulinarischer Abend auf dem Dach
der Metro-Filiale in Friedrichshain,
bei dem man zuerst Weine verkosten
und anschließend gemeinsam das EMFußballspiel Deutschland gegen Polen
anschauen konnte. Gekommen waren
Sternekoch Thomas Kammeier und der
Staatssekretär des Auswärtigen Amtes,
Stephan Steinlein. Unter den Gästen
war auch Star-Koch Tim Raue, dessen Restaurant seit Mitte Juni auf der
sogenannten »Pellegrino-Liste« steht,
die die besten Restaurants der Welt
versammelt.
KONTAKTPOTENZIAL Hoch, höher, hier
RBB-INTENDANZ
Abschied in großer Runde
13 Jahre war Dagmar Reim die Spitzenfrau des rbb, unter ihr wuchsen der
West-Berliner SFB und der ostdeutsche
ORB zusammen. Ende letzten Jahres
hatte sie bekannt gegeben, das Amt der
Intendantin zwei Jahre vor Vertragsende aufgeben zu wollen, um mehr Zeit
für ihre Familie zu haben. Mitte Juni gab
es die große Abschiedsparty mit zahlreichen Weggefährten und viel Berliner
Prominenz aus Politik, Wirtschaft und
den Medien. Unter den 300 Gästen im
Technikmuseum sah man den Regierenden Bürgermeister Michael Müller
ebenso wie seine Vorgänger Klaus
Wowereit und Walter Momper, Bundesinnenminister Thomas de Maizière,
die IHK-Präsidentin Beatrice Kramm,
Filmproduzentin Regina Ziegler, Schauspieler Boris Aljinovic und TV-TalkLady Anne Will. Auch die
Nachfolgerin von Dagmar
Reim, Patricia Schlesinger, war gekommen.
ATMOSPHÄRE
Fröhlich, fast schon
beschwingt – selten
bei Abschieden
Dagmar Reim
bei ihrer
Abschiedsrede
KALENDER
Matthias Matschke
herzt die Schauspielerin
Laura Tonke, die gleich
eine ihrer beiden
Lolas aus seiner Hand
erhalten wird
TERMINE IM
SEPTEMBER
2.9. | 10 Uhr
INTERNATIONALE
FUNKAUSSTELLUNG
DEUTSCHER FILMPREIS
Heiß begehrt und heftig beklatscht
Das Netzwerk beobachtet unsere Gesellschaft sreporterin Juliane von Friesen
FOTOS Agency People Image/D. Hinz/Promo, Agency People Image/Michael Tinnefeld/Promo, Marco Urban/METRO GROUP/Promo, rbb/Oliver Ziebe/Promo
Sechs Tage lang zeigen über 1000
Aussteller das Neueste im Bereich
Consumer Electronics und Home
Appliances auf der IFA. Sie gilt als
die weltgrößte Messe.
ifa-berlin.de
Sie ist schöner und schlanker als
Hollywoods »Oscar«: die »Lola«,
die Trophäe für den Deutschen Filmpreis. Dass sie
ebenso heiß begehrt ist,
zeigte sich bei der Verleihung Ende Mai im Palais
am Funkturm. Ob Produzentin Regina Ziegler,
die als erste Frau eine
»Ehren-Lola« erhielt,
Schauspielerin Laura
Tonke, die gleich zwei
»Lolas« abräumte,
oder Lars Kraume, Regisseur des Spielfilms
»Der Staat gegen Fritz
Bauer«, sie alle strahlten um die Wette
und wurden heftig beklatscht. Zu
den illustren Gästen des Abends
gehörte auch der internationale
Star Diane Kruger in einer
feuerroten Robe und die
Präsidentin der Filmakademie Iris Berben
elegant in Schwarz.
GLAMOURFAKTOR
Ein selten schickes Berlin!
Diane Kruger und Peter
Kurth (Lola für beste
männliche Hauptrolle)
HOFFEST
Happy auch ohne den Gastgeber
Der Regierende Bürgermeister Michael
Müller musste sein zweites Hoffest
Ende Mai vorzeitig verlassen, weil die
Bundeskanzlerin zur Konferenz der
Ministerpräsidenten geladen hatte.
Aber auch ohne den Gastgeber amüsierten sich mehr als 3000 Gäste im
Innenhof des Roten Rathauses. Die
gesamte Berliner Senatorenriege war
da, aber auch Zoodirektor Andreas
Knieriem, Unternehmer Daniel Wall
mit Ehefrau Stefanie, IHK-Präsidentin
Beatrice Kramm mit Hauptgeschäftsführer Jan Eder und Sänger Alec Völkel
von der Band The BossHoss.
NETZWERKFAKTOR Wie zu erwarten alle
wichtigen Leute auf engstem Raum
TAGESSPIEGEL KÖPFE | 61
3.9. | 18 Uhr
SOMMERFEST
DER WIRTSCHAFT
Anfang September lädt der Verein
Berliner Kaufleute und Industrieller
(VBKI) zu seinem traditionellen
Sommerfest ins Kronprinzenpalais
Unter den Linden.
vbki.de
10.9. | 10.30 Uhr
ZUKUNFTSFESTIVAL
»UMWELTPOLITIK 3.0«
Das Bundesumweltministerium
organisiert das Festival anlässlich
seines 30. Geburtstages. Zwei Tage
lang soll es Gelegenheit geben,
Umweltpolitik zu diskutieren.
festivalderzukunft.de
22.9. | 10 Uhr
KOMMUNIKATIONSKONGRESS 2016
Über 100 Referenten aus Unternehmen, Verbänden und politischen Institutionen machen den
Kommunikationskongress zu einer
der größten deutschsprachigen
Fachkonferenz für Kommunikationsmanager. Schwerpunkte sind unter
anderem Social Media und Change
Management.
kommunikationskongress.de