Tagesspiegel Köpfe
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INHALT TAGESSPIEGEL KÖPFE | NR. 97 DIE Mohammed Keita & Jakob Maechler Der 29-jährige Flüchtling aus Mali hat nicht nur eine neue Heimat in Berlin. Dank des Chefs von Boeba Aluminium hat er auch einen Ausbildungsplatz gefunden. Das Unternehmen wurde kürzlich zu einem der besten Ausbildungsbetriebe Berlins gekürt. SEITE 18 9 | BORIS GOLDSHTEYN HAT GEMEINSAM MIT SARA WACH UND CLEMENS WAGNER 3-D-VISUALISIERUNGEN ENTWICKELT 24 | STEPHAN SCHWARZ, PRÄSIDENT DER HANDWERKSKAMMER, IM INTERVIEW ÜBER AUSBILDUNGSPLÄTZE IN BERLIN GRÜNDER EXPERTEN 6 | EIN SOMMER VOLLER IDEEN Zehn neue Start-ups aus Berlin – empfohlen von der Tagesspiegel Köpfe-Redaktion 18 | HIER WERDEN SIE GELEHRT Boeba, Mercedöl und Silke Hiljegerdes – drei erfolgreiche Ausbildungsbetriebe KÖNNER 13 | BERLINER UNTERNEHMERIN 2016 Tita von Hardenberg wurde als Chefin der TV-Produktionsfirma Kobalt ausgezeichnet 15 | EINE SICHERE BANK Die GLS-Bank hat in Berlin Konkurrenz bekommen: Europas größte Nachhaltigkeitsbank Triodos hat einen Standort in der Hauptstadt eröffnet 16 | NETT ZUR FAMILIE Drei Berliner Unternehmen wurden für ihr Engagement in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf geehrt 24 | »GOLDENER DENN JE« Interview mit Stephan Schwarz von der Handwerkskammer Berlin 26 | KEINE EINBAHNSTRASSE Dem Handwerk fehlen Azubis – warum das Bildungssystem so einseitig genutzt wird 30 | KARLSSON VOM DACH Andreas Zwielich feiert mit seiner Dachdeckerei zehnjähriges Firmenjubiläum 32 | FÜR JA-SAGERINNEN Marie-Theres Fischert fertigt Brautkleider nach Maß. Jetzt im Sommer ist Hochsaison 36 | INS NETZ GEGANGEN Handwerk 4.0: Drei Berliner Start-ups revolutionieren die Traditionsbranche FOTOS Mike Wolff (5), Promo (2), DAVIDS/Sven Darmer, Marie Staggat/Promo, Sophia Kembowski/dpa KÖPFE ANZEIGE 38 | FRAU AM STEUER Carola Zarth leitet seit 23 Jahren die Autowerkstatt Bosch Service Holtz 42 | NUR BIS HIERHIN BEZAHLT Das Handwerk leidet unter der schlechten Zahlungsmoral seiner Kunden MACHER 45 | BERLINER WAHLPROGRAMME Was Unternehmer von den Parteien bei der Abgeordnetenhauswahl erwarten können 48 | DAS AUFATMEN DER ANDEREN Bilanz der Ära Yzer – ein Kommentar 50 | LICHT-VERKÄUFER Matthias Krahl, Chef der Helonius GmbH, hilft Firmen beim Energiesparen 61 | MICHAEL MÜLLER WAR NUR KURZ AUF SEINEM EIGENEN HOFFEST – DENNOCH WURDE AUSGIEBIG GEFEIERT NETZWERKER 59 | UNTER SAURIERN Hoher Besuch bei Tristan im Museum für Naturkunde: die CDU-Fraktion 52 | DIE APP IST RUND Lucas von Cranach hat eine Fußball-App entwickelt, die weltweit heiß begehrt ist 54 | LÄSSIGE LEKTÜRE Fünf Buchtipps für die Sommerferien 56 | ALKOHOLFREI DRUCKEN Das Druckhaus Berlin-Mitte legt Wert auf eine umweltfreundliche Printproduktion 62 | WIRTSCHAFTSCLUB Karsten Mühlenfeld sprach beim Clubabend über vieles – aber kaum über den BER RUBRIKEN 12 13 14 16 51 53 57 58 64 66 KOMMENTAR EIGENER HÄNDE ARBEIT JAHRHUNDERTFIRMA IMPRESSUM AUF EIN GLAS MIT ... PATENT OMBUDSMANN NACHRUF INDEX MEIN ARBEITSPLATZ 45 | BERLIN-WAHL FÜR WELCHE WIRTSCHAFTSPOLITIK DIE WICHTIGSTEN PARTEIEN STEHEN TAGESSPIEGEL KÖPFE | 5 GRÜNDER Schnelle Pakete per Bus, Fahrradhostels, Jobvermittlung weltweit und die App für Amateurtrainer – zehn spannende START-UPS, empfohlen von der Tagesspiegel Köpfe-Redaktion IGE ZE AN EIN SOMMER VOLLER IDEEN präsentiert : DIE GRÜND ER FOTOS Kendra Storm Rae/Promo, Promo TEXTE Sabine Hölper, Michael Pöppl 6 | TAGESSPIEGEL KÖPFE ONLINE-MODELAGENTUR FALKO KREMP, MATIAS ENGHILD & NIKOLAUS ANDRÉEWITCH, Inselberg 1 Viele junge Menschen träumen von einer Karriere als Model. Doch der Weg dahin ist steinig. Falko Kremp, Matias Enghild und Nikolaus Andréewitch haben ein Unternehmen gegründet, um Models und solchen, die es werden wollen, den Einstieg zu erleichtern: Inselberg ist die nach eigenen Angaben erste digitale Model-Booking-Plattform, bei der sich jeder Interessierte anmelden kann. Die Webseite inselberg.com steht also nicht nur Profis, sondern auch Amateuren offen. Jeder, der Lust hat, vor der Kamera zu arbeiten, kann sich einschreiben. Mitgründer Falko Kremp (links) ist selbst Model, er kennt die Branche gut. Und er lässt kein gutes Haar an ihr. Sie sei »chauvinistisch«, sagt er, »von zweifelhaften Rahmenverträgen und persönlichen Kontakten geprägt«. »Bisher kam man in der Regel nur über Vitamin B und ein weitreichendes Netzwerk an lukrative Aufträge. Mit Inselberg geben wir die Macht in die Hände der eigentlichen Akteure zurück: an die Models und die Kunden.« Inselberg setzt auf Transparenz und auf Einfachheit: Ob professionelles Mannequin oder Anfänger: Die Interessenten legen ein kostenloses Profil von sich an, aussagekräftige Fotos inklusive. Potenzielle Auftraggeber können diese Profile einsehen – und die Kandidaten direkt, ohne die Zwischenschaltung von Agenturen, buchen. Ein Algorithmus und ein Suchfilter mit 16 Parametern sorge für das perfekte Matching, so Kremp. Die Models können zudem ihre Instagram-Accounts einbinden. So werden Auftraggeber, die Menschen mit vielen Followern suchen, auf sie aufmerksam. Anfang des Jahres ist Inselberg gestartet. Mittlerweile zählt die Plattform 1500 Registrierungen, 150 Models sind freigeschaltet, rund 200 Aufträge sind zustande gekommen. Tendenz steigend. inselberg.com EXPRESSVERSAND NICOLAS STEPHAN & DAVID NOTHACKER, Sennder 2 Normalerweise kutschieren Fernbusse Reisende von Stadt zu Stadt. Jetzt aber nehmen sie auch Pakete mit. Initiatoren dieser Neuerung sind Nicolas Stephan und David Nothacker, die Gründer von Sennder. »Durch die intelligente Nutzung vorhandener Logistikinfrastrukturen und Partnerschaften mit führenden Fernbusanbietern, Transportdienstleistern und Stadtkurieren ermöglichen wir Lieferungen am selben Tag«, sagt Stephan. Diese seien zudem besonders kostengünstig. Zu den Kunden des Start-ups gehören vor allem Online-Händler und andere Geschäftskunden. Aber auch Privatleuten steht der Service offen. sennder.com TAGESSPIEGEL KÖPFE | 7 EXPERTEN Boeba-Chef Jakob Maechler (2.v.r.) mit drei seiner Azubis in der Werkstatt HIER WERDEN SIE GELEHRT Berlins BESTE AUSBILDUNGSBETRIEBE kümmern sich mit großem Engagement um die Nachwuchsförderung. Drei Handwerksunternehmen sind dabei besonders erfolgreich TEXT Alexander Riedel 18 | TAGESSPIEGEL KÖPFE METALLBAU gewesen, sagt Keita. Aber er sei entschlossen, die Ausbildung zu beenden und zu bleiben. Maechler kennt inzwischen alle Hürden, die es zu überwinden gilt, wenn man FlüchtDie Firma BOEBA ALUMINIUM linge beschäftigen möchte. Die größte ist der gibt auch Bewerbern eine Chance, Aufenthaltsstatus, vom dem auch die Arbeitserlaubnis abhängt. Dann kommen die Sprache bei denen nicht alles glatt läuft und die Qualifikationen, bei denen immer die Frage ist, welche Abschlüsse aus dem Ausland it einem derart guten Abschneiden anerkannt werden. Das Personalteam von Boeba hatte Jakob Maechler nicht gerech- musste viel Neues lernen. »Es geht eher darum, net, als er sich beim Wettbewerb um wie motiviert die Leute sind, wie sie sich mit»Berlins beste Ausbildungsbetriebe« bewarb. reißen lassen und welche Stärken sie haben, die Im besten Fall auf den Sonderpreis in Sachen nicht auf dem Papier stehen«, sagt Maechler. Das Integration hat der Geschäftsführer von Boeba gelte auch für Auszubildende mit Lernschwäche Aluminium gehofft. Schließlich gehören mehre- oder sogenannte Umschüler, die eine neue Lehre Geflüchtete zum Team. Dass es am Ende zum re anfangen: »Wir versuchen, die Leute für den Hauptpreis gereicht hat, sorgt für umso größere Betrieb zu begeistern.« Freude. Nun hofft er darauf, dass der Titel die Wertschätzung, Anerkennung und Vertrauen Zahl der eingehenden Bewerbungen erhöht. sind Maechler wichtig. Sie seien auch Mittel zum Zwar konnte das Unternehmen im Wachstum Zweck, um qualifiziertes Personal zu gewinnen. der vergangenen Jahrzehnte noch Dazu kommen handfeste weitere »BISLANG jede Stelle besetzen, doch die HeArgumente: Die technische Berausforderung bleibt groß. rufsausbildung, die das UnternehKONNTEN Geschäftsführer Jakob Maechmen anbietet, ist seit Langem statt WIR NOCH ler hat das 43 Jahre alte Unterbei der Handwerkskammer bei JEDE STELLE nehmen im Rahmen einer Nachder IHK angesiedelt – Mitglied folgeregelung nach und nach ist Boeba bei beiden Kammern. BESETZEN « übernommen. Boeba fertigt und »Der Vorteil ist, dass wir mehr JAKOB MAECHLER montiert mit rund 60 Mitarbeizahlen dürfen«, sagt der Chef. Geschäftsführer tern Aluminiumteile für den Fas»Das ist für den einen oder ansadenbereich und war oder ist an deren natürlich ein Argument.« vielen namhaften Baustellen Berlins beteiligt, Wenn Boeba dafür einen motivierten Menschen vom Regierungsviertel über die Mall of Berlin gewinne, lohne sich das für beide Seiten. bis zum Hauptstadtflughafen BER. Betriebswirt Angehende Meister werden ebenfalls vom Maechler, gerade 50 Jahre alt geworden, sucht Unternehmen unterstützt. Auch Zusatzqualifiwegen des Fachkräftemangels immer nach al- kationen oder Auslandsaufenthalte während der ternativen Möglichkeiten, um Auszubildende Ausbildung sind möglich. »Wir versuchen, alles zu finden. zu begleiten und zu unterstützen, was an uns Eine solche Gelegenheit bietet sich für Hand- herangetragen wird«, sagt Maechler. Jedes Jahr werksbetriebe durch das Projekt »Arrivo Ber- im Sommer kommen auch viele junge Frauen lin«, das unter dem Motto »Flüchtling ist kein zum Praktikum in die Werkstatt. Eine weibliche Beruf« Firmen mit geflüchteten Menschen zu- Azubi gab es bislang allerdings nur einmal. Sie sammenbringt. Initiiert wurde Arrivo von der wurde aber immerhin im Februar übernommen. Senatsverwaltung, der Kammer und dem Netz- Der Betrieb nimmt auch die Frauenförderung werk für Bleiberecht »bridge«. Über das Pro- ernst: Duschen, Umkleiden und Toiletten werden jekt kam Jakob Maechler auch zu Mohammed künftig getrennt. Und Aluminium sei Dank gibt es Keita. Der 29-jährige Malier ist inzwischen im auch keine großen, schweren Teile zu schleppen. ersten Ausbildungsjahr bei Boeba. Seit drei JahBoeba versucht also nach allen Seiten hin ofren ist er in Deutschland, beziehungsweise seit fen zu sein für motivierte Bewerber. Damit aus zwei Jahren und acht Monaten, wie er selbst aus dieser Vielfalt ein funktionierendes Team wird, dem Stegreif genau weiß. In seiner Heimat habe appelliert Maechler an alle: »Die gesamte Firma er auch schon mit Metall gearbeitet, erzählt er. ist dafür verantwortlich, dass die AuszubildenSein Deutsch ist noch nicht so gut, doch es wird. den ankommen und sich bei uns auch wohlfühAm Anfang sei es jedoch sehr, sehr schwierig len.« Vielleicht ist das das Geheimnis. FOTO Mike Wolff M 60 UNTERNEHMEN haben sich in diesem Jahr bei den Kammern um die Auszeichnung »BERLINS BESTE AUSBILDUNGSBETRIEBE« beworben. Eine Jury wählte in zwei Kategorien (bis 50 Mitarbeiter und darüber) einen Hauptgewinner aus. Neben Boeba Montage- und Aluminumbau wurde BBO Datentechnik geehrt. Zudem wird Jahr für Jahr ein Sonderpreis vergeben. 2016 ging er an das Amitola Familiencafé – für die »gelebte Inklusion« von lernbehinderten Jugendlichen. TAGESSPIEGEL KÖPFE | 19 EXPERTEN » ES BRINGT NICHTS, WENN DIE BRAUT VERKLEIDET AUSSIEHT « MARIE-THERES FISCHERT Schneiderin FÜR JASAGERINNEN Bis zu 100 Brautkleider fertigen Marie-Theres Fischert und ihr Team von LA PETITE MARIE jedes Jahr. Im Sommer ist Hochsaison TEXT Rita Nikolow | FOTO DAVIDS/Sven Darmer 32 | TAGESSPIEGEL KÖPFE S ie ist nicht zu bremsen, zeichnet und zeichnet, obwohl ihre Lehrerin sie immer wieder ermahnt. Schon in der Grundschule entwirft Marie-Theres Fischert am liebsten Hochzeitskleider für ihre Klassenkameradinnen. Woher diese Faszination kommt, weiß sie nicht, aber die 31-Jährige hat ihre Vorliebe für das Kleid zum sogenannten schönsten Tag im Leben zu ihrem Geschäftsmodell gemacht. Wer ihren Laden in der Christburger Straße in Prenzlauer Berg betritt, sieht so viel Weiß wie sonst höchstens im Skiurlaub. Nur die Chefin und Namensgeberin von »La petite Marie« bildet einen Kontrast zu den hellen Stoffen, die an den Ständern hängen und sich um die Figurinen winden. »Ich trage am liebsten Schwarz, so fin- ANZEIGE det man mich auch gleich«, sagt die 31-Jährige, die trotz der märchenhaften, fast ein wenig entrückten Atmophäre um sie herum sehr bodenständig und konzentriert wirkt. Ihren Kundinnen verspricht sie vor allem eines: Ein Kleid, das zu ihnen passt: »Es bringt nichts, wenn die Braut verkleidet aussieht.« Der Einstiegspreis liegt bei 1000 Euro, was günstiger ist als viele Stücke von der Stange, die man im Fachhandel bekommt. Frauen, die schon vor einigen Jahren »Ja« gesagt haben, als die Auswahl kleiner war, die Preise höher und viele Modelle an Sahnebaisers erinnerten, dürften die Bräute von heute um dieses Angebot beneiden. Durch ihre Spezialisierung entgeht Fischert auch dem Hamsterrad der Fast Fashion und damit dem Zwang, jedes Jahr mindestens zwei Kollektionen auf den Markt zu bringen. Über mangelnde Wertschätzung für ihre Entwürfe kann sie sich im Unterschied zu vielen Kolleginnen ebenfalls nicht beklagen. IHRE KUNDINNEN KOMMEN NICHT NUR aus Prenzlauer Berg und nicht ausschließlich aus Berlin, sondern auch aus Österreich, der Schweiz oder Großbritannien. Im Jahr verkauft Fischert 80 bis 100 Brautkleider. Was wünschen sich die Bräute, wenn sie die freie Wahl haben? Vor einigen Jahren seien vor allem schlichte, geradlinige Modelle gefragt gewesen. »Seit einiger Zeit steigt die Nachfrage nach aufwendigeren Entwürfen, nach Spitze und Stickereien.« Und überhaupt nach viel mehr Details. In der Werkstatt im hinteren Zimmer surren die Nähmaschinen. Ihre drei Mitarbeiterinnen, die wie sie selbst ausgebildete Schneiderinnen sind, arbeiten an den nächsten Modellen. Fischert ist froh, dass Laden und Atelier unter einem Dach sind: »So können wir während der Anproben noch Kleinigkeiten ändern oder Dinge ausprobieren, und die Kundin kann das Kleid dann gleich mitnehmen.« Im Moment ist bei »La Petite Marie« Hochsaison, von dem Trubel erholt sich das Team im Winter. Dann stehen nur wenige Kleider auf der Auftragsliste, für die Bräute, die lieber im deutschen Winter heiraten – und jene, die in die Sonne fliegen. Schnurgerade ist Fischerts Weg in den Schneiderberuf dann aber doch nicht verlaufen. Als sie ihrem Berufsberater – damals noch im Münsterland – erzählt, dass sie etwas Kreatives machen will, reagiert der ähnlich begeistert wie ihre Grundschullehrerin. Er rät ihr, doch lieber etwas Vernünftiges zu studieren, BWL zum Beispiel. Also macht sie ihr Fachabitur mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Verwal- TAGESSPIEGEL KÖPFE | 33 MACHER » WIR HABEN DAS THEMA FUSSBALLAPP ZUR RICHTIGEN ZEIT UMGESETZT « LUCAS VON CRANACH Gründer von Onefootball DIE APP IST RUND R Innen rund, außen grün. auf über 24 Millionen Smartphones weltweit: die Onefootball-App asengrün ist die Farbe, die sich an Wänden, beim Bodenbelag und an der Garderobe von Onefootball wiederfindet. Über den Schreibtischen hängen die Fanschals europäischer Clubs von Bayern bis Marseille, an den Wänden Trikots. Hinten im großen Raum steht ein Trainingstor, Bälle liegen in vielen Ecken. Man möchte sich gerne einen davon schnappen, losdribbeln und schießen. Im lichten Großraumbüro der Onefootball GmbH in Prenzlauer Berg wird konzentriert gearbeitet, es ist erstaunlich leise. Zur Europameisterschaft herrscht Hochbetrieb bei den Mitarbeitern, die die Onefootball-App mit aktuellen Storys, Berichten und Statistiken bestücken. Mehr als 24 Millionen Mal wurde die Applikation in über 200 Ländern der Welt herun- 52 | TAGESSPIEGEL KÖPFE tergeladen. Im gläsernen Konferenzraum erzählt Gründer Lucas von Cranach von den Anfängen des Start-ups im Jahr 2008. Von Cranach? Ja, er ist tatsächlich ein Nachfahre des berühmten Renaissancemalers und begeisterter Fan des 1. FC Köln. »Zwischen zwölf und 16 bin ich zu jedem Auswärtsspiel mitgefahren«, sagt er. »iLiga« hieß die erste App seiner Bochumer Firma Motain, die aktuelle Fußballergebnisse präsentierte, »THE Football App« für den internationalen Markt. Fans konnten sich schnell über ihre Lieblingsclubs und alle Ligen der Welt informieren, von der argentinischen Primera Division bis zur russischen Dritten Liga. »Wir waren Pioniere, 2009 war iLiga die erste Sport-App überhaupt auf dem iPhone«, sagt von Cranach. Die User waren begeistert, wirtschaft- FOTOS Mike Wolff, Promo (3) Das Start-up ONEFOOTBALL betreibt die meist genutzte Fußball-Applikation der Welt. Ein Besuch bei Gründer Lucas von Cranach im Firmensitz in Prenzlauer Berg lich gesehen blieb es die ersten Jahre schwierig. Doch damals sei die Grundlage für den heutigen Erfolg gelegt worden, analysiert der studierte Betriebswirt von Cranach. »Es zeigt sich, dass wir das Thema zum richtigen Zeitpunkt umgesetzt haben und durch diesen First Mover weltweit schon viele Kunden gewonnen hatten. Und natürlich hatten wir später auch das Quäntchen Glück, das man braucht.« Seinen neuen Geschäftspartner Jonathan Lavigne, der für die Produktentwicklung zuständig ist, lernte von Cranach 2010, nach dem Umzug nach Berlin kennen: »Ein wichtiger Grund, dass wir hierher gekommen sind, waren die günstigen Mieten und die IBB-Förderung. Ich kannte Berlin, hatte bereits an der TU Betriebswirtschaft studiert. Als kreativer internationaler Standort ist die Stadt ideal.« Von Cranach und Lavigne fanden Investoren, Earlybird und die US-Finanzierer Union Square Ventures investierten zusammen einen achtstelligen Betrag. »Endlich konnten wir unser Produkt so aufstellen, wie wir es immer schon tun wollten«, sagt von Cranach. Das Team entwickelte die App neu, benannte sie im März 2014 mutig in Onefootball um, um mehr internationale User zu erreichen. Heute bekommen die Nutzer in 14 Sprachen nicht nur Ergebnisse, sondern individualisierte Informationen über Lieblingsvereine, Spieler, EM-Statistiken oder Transfergerüchte. Ein Netzwerk von bekannten Fußballbloggern liefert Geschichten über Clubs und Spieler, tausende Artikel, die täglich durchs Netz ziehen, werden in der Redaktion gefiltert und bei Interesse verlinkt. Jeder Nutzer bestimmt, worüber und in welchem Umfang er informiert werden will. Mit der Neuausrichtung gelang bereits zur WM 2014 in Brasilien der erwartete Durchbruch. Zur Euro 2016 gelang es, Weltkonzerne wie Adidas und Hyundai als Werbepartner zu finden. Von Cranach bleibt dennoch realistisch: »Viele dieser neuen Nutzer zur EM sind klassische Eventnutzer. Die eigentliche Zielgruppe bleibt der Hardcorefan im Ligafußball, der per App das neueste Trikot seines Clubs kauft, Pay-TV abonniert oder Flugtickets fürs Auswärtsspiel bucht.« Die europäischen Profiligen sind schon lange im asiatischen oder südamerikanischen Raum angekommen, die Fanszene in China, Japan oder Indien wächst enorm. Im Bereich »Fußball Mobil« ist Onefootball Marktführer. Langfristig sieht von Cranach noch viel mehr Potenzial, denn Fußball ist inzwischen die beliebteste Sportart der Welt: »Da sind noch einige Nutzer, die es auf dem Weg abzuholen gilt.« MICHAEL PÖPPL PATENT LUXUS AUF DREI RÄDERN Das von DENIS NIEHUSEN entwickelte Tribel ist einem DDR-Klassiker nachempfunden A ls Denis Niehusen ein kleiner Junge war, wünschte er sich sehnlichst ein Liliput Dreirad. Aber sein Wunsch ging nie in Erfüllung. Mittlerweile ist Niehusen 43 Jahre alt, das Thema könnte längst abgehakt sein. Doch vor zwei Jahren brachen die alten Wunden wieder auf. Damals erzählte ihm sein Freund Smike Triebel, dass sein Sohn einen Tretroller geschenkt bekommen habe, der dem Liliput ähnelt, und dass »das Interesse auf der Straße groß war«. Es war die Initialzündung für den Ingenieur. Er entwarf ein Dreirad, das ebenso wie das Liliput nicht vorne eins und hinten zwei Räder hat, sondern vorne zwei und hinten eins. Diese Konstruktion sorgt für festen Halt auf der Straße und verhindert das Umkippen in scharfen Kurven. »Unser Tribel ist eine Neuinterpretation des Liliput«, sagt Niehusen. Er habe nur hochwertige Materialien wie etwa echtes Birnbaumholz für die Pedale verwendet. Dafür kostet ein Tretauto auch, je nach Ausführung, zwischen 375 und 595 Euro. HOEL Denis Niehusen verkauft das Tribel online über seine Firmenwebseite smikeson.de TAGESSPIEGEL KÖPFE | 53 KALENDER TERMINE BWG E.V. 8.9. | 8 Uhr EUROPA IM GESPRÄCH: CHRISTIAN LINDNER »Europa im Gespräch« ist eine Reihe, die sich europäischen Themen widmet. An diesem Morgen wird Christian Lindner (FDP) seine Wirtschaftspolitik skizzieren und mit den Anwesenden diskutieren. 15.9. | 19 Uhr »KULTURMACHER« Paul Spies ist seit einem halben Jahr neuer Generaldirektor der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Im Gespräch mit Alice Stroever wird er über seine Aufgaben und seine Visionen für das neue Amt sprechen. 20.9. | 9 Uhr KURS »ERFOLGREICH AKQUIRIEREN« In diesem Kurs soll es darum gehen, bewusst an seinem Auftreten zu feilen, um erfolgreich im Kundenkontakt akquirieren zu können. Kleidung, Sprache, Auftreten, aber auch Gesprächsführung sind Themen. 24.9. | 15 Uhr KULTUR VOR ORT: DAS ORANGERIESCHLOSS Das Orangerieschloss ist mit über 300 Metern der längste Bau im Park Sanssouci. Es ist prächtig ausgestattet und bringt italienisches Flair nach Potsdam. Schlossbereichsleiter Daniel Goral gibt eine Führung und Einblick in den Umbau. Anmeldung wird erbeten unter bwg-ev.net 60 | TAGESSPIEGEL KÖPFE Haben gut lachen: Star-Koch Tim Raue mit Michael Wedell und Martin Behle von der Metro Group (v.l.) METRO GROUP Fußball und Wein satt Mehr als 300 Gäste waren zur »Weinprobe im Fußballhimmel« gekommen: Ein kulinarischer Abend auf dem Dach der Metro-Filiale in Friedrichshain, bei dem man zuerst Weine verkosten und anschließend gemeinsam das EMFußballspiel Deutschland gegen Polen anschauen konnte. Gekommen waren Sternekoch Thomas Kammeier und der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Stephan Steinlein. Unter den Gästen war auch Star-Koch Tim Raue, dessen Restaurant seit Mitte Juni auf der sogenannten »Pellegrino-Liste« steht, die die besten Restaurants der Welt versammelt. KONTAKTPOTENZIAL Hoch, höher, hier RBB-INTENDANZ Abschied in großer Runde 13 Jahre war Dagmar Reim die Spitzenfrau des rbb, unter ihr wuchsen der West-Berliner SFB und der ostdeutsche ORB zusammen. Ende letzten Jahres hatte sie bekannt gegeben, das Amt der Intendantin zwei Jahre vor Vertragsende aufgeben zu wollen, um mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Mitte Juni gab es die große Abschiedsparty mit zahlreichen Weggefährten und viel Berliner Prominenz aus Politik, Wirtschaft und den Medien. Unter den 300 Gästen im Technikmuseum sah man den Regierenden Bürgermeister Michael Müller ebenso wie seine Vorgänger Klaus Wowereit und Walter Momper, Bundesinnenminister Thomas de Maizière, die IHK-Präsidentin Beatrice Kramm, Filmproduzentin Regina Ziegler, Schauspieler Boris Aljinovic und TV-TalkLady Anne Will. Auch die Nachfolgerin von Dagmar Reim, Patricia Schlesinger, war gekommen. ATMOSPHÄRE Fröhlich, fast schon beschwingt – selten bei Abschieden Dagmar Reim bei ihrer Abschiedsrede KALENDER Matthias Matschke herzt die Schauspielerin Laura Tonke, die gleich eine ihrer beiden Lolas aus seiner Hand erhalten wird TERMINE IM SEPTEMBER 2.9. | 10 Uhr INTERNATIONALE FUNKAUSSTELLUNG DEUTSCHER FILMPREIS Heiß begehrt und heftig beklatscht Das Netzwerk beobachtet unsere Gesellschaft sreporterin Juliane von Friesen FOTOS Agency People Image/D. Hinz/Promo, Agency People Image/Michael Tinnefeld/Promo, Marco Urban/METRO GROUP/Promo, rbb/Oliver Ziebe/Promo Sechs Tage lang zeigen über 1000 Aussteller das Neueste im Bereich Consumer Electronics und Home Appliances auf der IFA. Sie gilt als die weltgrößte Messe. ifa-berlin.de Sie ist schöner und schlanker als Hollywoods »Oscar«: die »Lola«, die Trophäe für den Deutschen Filmpreis. Dass sie ebenso heiß begehrt ist, zeigte sich bei der Verleihung Ende Mai im Palais am Funkturm. Ob Produzentin Regina Ziegler, die als erste Frau eine »Ehren-Lola« erhielt, Schauspielerin Laura Tonke, die gleich zwei »Lolas« abräumte, oder Lars Kraume, Regisseur des Spielfilms »Der Staat gegen Fritz Bauer«, sie alle strahlten um die Wette und wurden heftig beklatscht. Zu den illustren Gästen des Abends gehörte auch der internationale Star Diane Kruger in einer feuerroten Robe und die Präsidentin der Filmakademie Iris Berben elegant in Schwarz. GLAMOURFAKTOR Ein selten schickes Berlin! Diane Kruger und Peter Kurth (Lola für beste männliche Hauptrolle) HOFFEST Happy auch ohne den Gastgeber Der Regierende Bürgermeister Michael Müller musste sein zweites Hoffest Ende Mai vorzeitig verlassen, weil die Bundeskanzlerin zur Konferenz der Ministerpräsidenten geladen hatte. Aber auch ohne den Gastgeber amüsierten sich mehr als 3000 Gäste im Innenhof des Roten Rathauses. Die gesamte Berliner Senatorenriege war da, aber auch Zoodirektor Andreas Knieriem, Unternehmer Daniel Wall mit Ehefrau Stefanie, IHK-Präsidentin Beatrice Kramm mit Hauptgeschäftsführer Jan Eder und Sänger Alec Völkel von der Band The BossHoss. NETZWERKFAKTOR Wie zu erwarten alle wichtigen Leute auf engstem Raum TAGESSPIEGEL KÖPFE | 61 3.9. | 18 Uhr SOMMERFEST DER WIRTSCHAFT Anfang September lädt der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) zu seinem traditionellen Sommerfest ins Kronprinzenpalais Unter den Linden. vbki.de 10.9. | 10.30 Uhr ZUKUNFTSFESTIVAL »UMWELTPOLITIK 3.0« Das Bundesumweltministerium organisiert das Festival anlässlich seines 30. Geburtstages. Zwei Tage lang soll es Gelegenheit geben, Umweltpolitik zu diskutieren. festivalderzukunft.de 22.9. | 10 Uhr KOMMUNIKATIONSKONGRESS 2016 Über 100 Referenten aus Unternehmen, Verbänden und politischen Institutionen machen den Kommunikationskongress zu einer der größten deutschsprachigen Fachkonferenz für Kommunikationsmanager. Schwerpunkte sind unter anderem Social Media und Change Management. kommunikationskongress.de