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16.06.2014
Der Tagesspiegel
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/reise/europa/deutschland/moenchsweg-eine-kerze-fuerpetrus/10041262.html
Mönchsweg
Eine Kerze für Petrus
16.06.2014 11:42 Uhr
von Dagmar Krappe
Der Mönchsweg führt Radler von Bremen bis Fehmarn – vorbei an Kirchen, Klöstern
und Gehöften.
Grüß Gott! Am Benediktinerkloster Nütschau bei Bad Oldesloe verdient der Mönchsweg leibhaftig
seine Bezeichnung: Begegnung mit Bruder Matthäus. - Foto: Axel Baumann
Bruder Matthäus Buß macht einen zufriedenen Eindruck. „Kloster Nütschau ist eine Oase der
Ruhe am Wegesrand“, sagt der Ordensmann. Den schleswig-holsteinischen Abschnitt des
Mönchswegs habe er bereits mehrmals abgeradelt. Nicht nur, um sich fit zu halten. Der
kulturgeschichtliche und der religiöse Aspekt spielten für ihn eine Rolle, vor allem aber die
gemeinsame Erfahrung in der Gruppe beim Unterwegssein.
Seit langem lebt der 72-Jährige im Benediktinerkloster bei Bad Oldesloe, das erst 1951 in
einem Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert von der Diözese Osnabrück gegründet wurde.
Heute leben neben Pater Matthäus 16 weitere Brüder in Nütschau, die sich der Bildungs- und
Tagungsarbeit widmen.
Und Gäste empfangen, die auf dem Mönchsweg unterwegs sind.
Jetzt wurde der niedersächsische Teil des insgesamt 530 Kilometer langen Radpilgerwegs
eröffnet. Die mit einem blauweißen Kirchen-Logo ausgeschilderte Strecke führt durch drei
Bundesländer: von Bremen durch Niedersachsen bis Puttgarden auf Fehmarn in SchleswigHolstein. Die Route zeichnet die Ausbreitung des Christentums in Norddeutschland nach.
„Sie folgt den Spuren der Missionare wie dem ,Apostel des Nordens‘, Erzbischof und
Benediktinermönch Ansgar, der Mitte des 9. Jahrhunderts zunächst in Hamburg und nach der
Vertreibung durch dänische Wikinger in Bremen tätig war“, sagt Pater Matthäus.
„Ansgar ist auch der Patron des Klosters Nütschau. Seine Christianisierungsbemühungen
waren noch wenig erfolgreich, da es immer wieder zu Slawenaufständen kam.“ Erst im 12.
Jahrhundert setzte Vicelin, der Bischof von Oldenburg in Holstein, die Missionierung in
Ostholstein fort. Rund 100 Kirchen – zirka 80 evangelische und 20 katholische – bieten die
Möglichkeit zu innerer Einkehr am Wegesrand, doch es gibt auch zahlreiche weltliche Stopps.
Eine „Pina-Kuh-lada“ zur Stärkung und wieder auf den Sattel
Wir starten am Sankt-Petri-Dom in Bremen. 789 weihte Bischof Willehad den ersten kleinen
Holzdom. 70 Jahre später wirkte Ansgar bereits in einer dreischiffigen Basilika aus Stein. Da
die Wettervorhersage nichts Gutes verspricht, entzünden wir am großen Gebetsleuchter eine
Kerze und bitten Petrus darum, die Himmelsschleusen in den nächsten Tagen geschlossen zu
halten. Pastor Henner Flügger, selbst passionierter Radler, gibt uns den Pilgersegen und
wünscht uns, dass wir „glücklich ans Ziel unserer Fahrt kommen“ mögen. Nun kann ja kaum
noch etwas schiefgehen, also, raus aus dem morgendlichen Berufsverkehr, rein in die
Wümmeniederungen, die durch Kornfelder, Wiesen und verästelte Flussarme geprägt sind.
Vogelgezwitscher überall.
Vorbei an der 1962 aus roten Backsteinen errichteten Johannes-der-Täufer-Kirche in
Horstedt, erreichen wir in Nartum ein leuchtend grünes Holzhäuschen mit rotem Ziegeldach
zwischen knorrigen Bäumen. In ihrem „Melkhus“ bietet Birgit Intemann Milchspezialitäten
an und hilft ausgelaugten Stramplern mit einem Buttermilchshake namens „Pina-Kuh-lada“
wieder auf den Sattel. Über ein Rezept für einen Mönchs- oder Pilgermix grübele sie noch,
meint die Landfrau.
Weiterhin irdisch geht es in der Kleinstadt Zeven zu. Hier wurde das Königreich Hannover
vermessen. Carl Friedrich Gauß, der Mann auf dem letzten Zehn-D-Mark-Schein, legte den
Grundstein für die trigonometrische Landvermessung. Dazu erklomm er 1824 den Kirchturm
von St. Viti. Von hier hatte er sowohl den Wilseder Berg in der Lüneburger Heide als auch
Bremen im Blick.
Prächtiges Fachwerk im Alten Land - Foto: Axel Baumann
Jetzt wird es ganz gemütlich
Etliche Pedalumdrehungen später tauchen rote Backsteinhäuser mit weiß gestrichenen Balken
und Reetdächern auf. Viele weisen kunstvoll geschnitzte „Brauttüren“ und verzierte Giebel
mit plattdeutschen Segenssprüchen auf. Wir haben das Alte Land, Deutschlands größtes
zusammenhängendes Obstanbaugebiet, erreicht. Auf 30 Kilometern Länge erstreckt es sich
direkt hinterm Elbdeich, zwischen Buxtehude und der alten Hansestadt Stade. Auch die zehn
markanten Fachwerkkirchen sind eine Besonderheit der Region.
Da der feuchte Marschboden die Last einer kompletten Kirche nicht tragen würde, stehen die
Türme separat neben dem Kirchenschiff. Vor der St. Martini-et-Nicolai-Kirche in
Steinkirchen wurde dem holländischen Priester Henricus für seine Verdienste ein Denkmal
gesetzt. Denn Anfang des 12. Jahrhunderts hatte der Erzbischof von Bremen mit ihm einen
Vertrag über die Besiedlung der Marschen geschlossen. Über mehrere Generationen
kultivierten die erfahrenen niederländischen Siedler die schlickige, moorige Gegend.
Jetzt wird es ganz gemütlich. Eine halbe Stunde dauert die Fahrt mit der Elbfähre vom
niedersächsischen Wischhafen ins schleswig-holsteinische Glückstadt. An die Reling gelehnt,
beobachten wir den kurz vor der Mündung fast drei Kilometer breiten Strom. Zwei
Containerschiffe kreuzen. Sie sind auf dem Weg von der Nordsee in den Hamburger Hafen.
Die letzte Herausforderung für Körper und Gleichgewichtssinn
Eines der ältesten Gotteshäuser am Mönchsweg ist die romanische Feldsteinkirche in Bosau
am Plöner See, dem größten der rund 200 Seen der Region. Und die sind nahezu anmutig
eingebettet in die Hügellandschaft der Holsteinischen Schweiz. Im kleinsten Gang und mit
einem Puls auf höchster Frequenz erklimmen wir Anhöhe um Anhöhe. Genießen schließlich
vom 94 Meter hohen Gömnitzer Berg, der zweithöchsten Erhebung Schleswig-Holsteins, die
Endmoränenlandschaft mit Buchen- und Tannenwäldern, sonnengelben Raps- und
dunkelgrünen Kornfeldern.
In Grömitz plätschern die Ostseewellen sanft an den Strand. Dann führt der Mönchsweg
wieder durchs Landesinnere bis Oldenburg in Holstein. Starigard lautet der alte Name des
Ortes. Er bedeutet „alte Burg“. Um die slawische Zeit und die Christianisierung der Heiden
nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, eröffnete in den 1980er Jahren das Wallmuseum.
Das Gelände ist als slawentypische Hafensiedlung angelegt. Ehrenamtliche Mitarbeiter führen
an Aktionstagen alte Gewerke wie Spinnen, Weben, Lederverarbeitung oder
Specksteinschleifen vor.
Die letzte Herausforderung für Körper und Gleichgewichtssinn ist der schmale Rad- und
Fußweg über die 23 Meter hohe und fast einen Kilometer lange Fehmarnsundbrücke. Durch
ebenes Land windet sich die Schlussetappe bis Puttgarden. Von hieraus unternahm Apostel
Ansgar 826 seine erste Missionsreise nach Dänemark. Wer noch Kraft, Lust und Zeit hat,
kann weiterradeln. Noch einmal 450 Kilometer auf dem dänischen Munkevejen von Rødby
bis Roskilde. Unsere „Mission“ endet jedoch hier. Kaum ein Wölkchen trübt den blassblauen
Himmel. Eine angenehme Brise weht den Geruch des Meeres herüber. Petrus sei Dank!
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/reise/europa/deutschland/tipps-fuer-den-moenchswegradeln-quer-durch-bremen-niedersachsen-und-schleswig-holstein/10041264.html
TIPPS FÜR DEN MÖNCHSWEG
Radeln quer durch Bremen, Niedersachsen
und Schleswig-Holstein
16.06.2014 11:54 Uhr
ANREISE
Der Weg ist in Bremen und auf Fehmarn direkt an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Es sind
jedoch auch andere „Einstiege“ möglich, etwa an den Bahnhöfen in Stade, Itzehoe, Bad
Bramstedt, Bad Segeberg, Plön oder anderen.
DER WEG
Verlauf über wenig befahrene Landstraßen, Rad- und Wirtschaftswege. Gesamtstreckenlänge
530 Kilometer. Exkurs zum Kloster Nütschau 42 Kilometer. Umfangreiche Informationen zu
Etappen, Orten, Sehenswürdigkeiten und Pauschalangeboten (für den niedersächsischen
Abschnitt erst ab 2015) gibt es beim Mönchsweg e.V.,
Telefon: 043 51 / 73 52 73, Internet: moenchsweg.de
Der aktuelle Bikeline-Radatlas Mönchsweg (von Bremen nach Fehmarn) ist soeben im Verlag
Esterbauer (esterbauer.com) erschienen für 13,90 Euro.
PAUSCHALE
Eine Acht-Tage-Pauschale Glückstadt–Fehmarn kostet 539 Euro inklusive Gepäcktransport
und Frühstück: Velotours Touristik, Telefon: 075 31 / 982 80, Internet: velotours.de