Oscar Wilde - "The basis of optimism is sheer terror"

Transcrição

Oscar Wilde - "The basis of optimism is sheer terror"
Oscar Wilde - "The basis of optimism is sheer terror"
Die Grundlage des Optimismus ist die nackte Angst
Optimismus. Optimismus steht für Positives. Positives Denken, positives Handeln,
positive Weltanschauung, zumindest positive Erwartungen, eine positive Zukunft basiert auf einer positiven Vergangenheit?
Angst. Angst steht für Negatives. Negatives Denken, Handeln und negative
Erwartungen oder Vorahnungen – begründet durch eine negative Vergangenheit?
Beide wirken wie zwei Gegenteile. Eines nahezu naiv, das Andere gefangen. Eines
verbreitet Leichtigkeit, das Andere Schwermut. Eines öffnet Türen, das Andere schließt
sie und das eine öffnet vielleicht zu viele, das andere zu wenige.
Wenn also ein Mensch zu Optimismus neigt, liegt die Vermutung, er tue dies aus Angst
erst einmal fern. Es erscheint weitaus realistischer er tue dies, weil er nichts zu
befürchten hat, da ihm schlechte Erfahrungen in seinem Leben erspart blieben und weil
er die Risiken, die das Leben so zu bergen vermag, nicht wahrnimmt, einschätzt oder
einschätzen kann. Wie soll er auch? Ihm blieb diese Erfahrung bislang verwehrt. Die
Welt der teilweise durchaus erschreckenden, verschreckenden Geschehnisse außerhalb
blieb für ihn reine Theorie und der Zugang zu dieser ein flackernder Bildschirm. Selbst
überschritt er die Grenze nie. Allenfalls schaffte er sich einen persönlichen Zugang zu
der negativen Welt durch Bekannte, dessen Erfahrungen er mit sich teilen lässt. Man
könnte diese indirekten „Erfahrungen“ bezüglich ihrer tatsächlichen Realisierung in
dieser Hinsicht allerdings auch mit den gedruckten Einzelschicksalen der
Boulevardpresse vergleichen: schwarz auf weiß und doch irgendwie scheinend wie
graue Theorie. Diese, nicht einmal beabsichtigte, blinde Naivität wäre offensichtlich
eine grandiose Grundlage für Optimismus, denn was hat man wirklich zu befürchten,
wenn nichts zu Befürchtendes zu sehen ist und das Übel nur in weiter Ferne zu
erhaschen?
Optimismus öffnet Türen und Möglichkeiten weit, doch kann er zu viele öffnen und den
Bezug zur Realität verlieren.
Die Angst beruht normalerweise auf durchaus anderen Gegebenheiten. Angst hat der,
der schlechte Erfahrungen zu verarbeiten hatte und hat. Der, der lernte enttäuscht zu
werden oder der, der in seinem optimistischen, vorausschauenden Denken verletzt
wurde. So kann also die Angst eine Folge des Optimismus sein. Eine Folge des naiven
Optimismus. Den, der nie lernte enttäuscht zu werden, trifft die Enttäuschung umso
herber. Der, der den Bezug zur Realität am meisten verloren hat, trifft diese am meisten.
Oder eben dem, dem die meisten Türen geöffnet wurden, können die meisten wieder
geschlossen werden. Wie ein Schlag.
Die Angst kann diese Türen schließen. Sie schließt sie, um das Risiko einzuschränken.
Sie schützt. Und schränkt ein.
Doch was ist, wenn sich zu viele Türen schließen? Was ist, wenn die Angst, seine
Möglichkeiten gnadenlos einschränkt, sodass es keinen Ausweg mehr zu geben scheint?
In diesem Fall ist der, der sich von der Angst einnehmen lassen hat, in der Situation,
sich entweder vollständig von ihr einnehmen zu lassen oder sich selbst zu befreien,
indem er die Angst mit Optimismus bedeckt, sich eine Maske aufsetzt. Eine Maske, die
selbst er vor seinem Spiegelbild für sein wahres Gesicht hält und die seine Sicht für die
Wahrheit, die bitter sein kann, einschränkt.
Optimismus ist in dieser Situation ein Reflex der Selbstrettung, der einsetzt, wenn man
realisiert, das die Angst anderenfalls die Überhand gewinnen wird. Ein Reflex, der an
den letzten Schlag eines Boxers erinnert, an den letzten Einsatz eines Pokerspielers,
kurz vor der gefürchteten Niederlage. All in – alles oder nichts. Es scheint gar in unserer
Natur zu liegen, vor dem vermeintlichen Ende alle unsere Möglichkeiten
auszuschöpfen, um der letztlichen Katastrophe zu entgehen. Eine Verzweiflungstat und
ein Befreiungsschlag zugleich.
Es ist der Überlebenstrieb, der uns in dieser Lage rettet. Es ist der Teil des Menschen,
von dem sich Viele gerne aus Überheblichkeit distanzieren, nämlich die irrational
wirkende, tierische Intuition, die jeglichen Grenzen, die der Mensch zwischen sich und
dem anderen Tier zieht, einen Strich durch die Rechnung zieht, sie nahezu in Luft
auflösen lässt. Folglich können die, die sich der Rationalität verschrieben haben und den
Trieb so weit wie möglich verbannt haben, um ihre Gedanken und Gefühle verstehen
und ihnen folgen zu können, am wenigsten diesem Optimismus verfallen und also kann
ihnen durch ihn auch am wenigsten geholfen werden. Sie sind es allerdings auch, die am
unwahrscheinlichsten der panischen, teils irrationalen Angst verfallen und überhaupt in
eine solche Lage gebracht werden.
Dieser primitive Trieb macht ihn, den Ängstlichen zu einem Optimisten. Jedenfalls hält
er sich, im Angesicht seines Spiegelbildes, für einen solchen. Er übersieht dabei die
aufgesetzte Maske. Wenn sich allerdings sein Sichtfeld und sein Horizont wieder
geweitet haben und sich genügend Türen geöffnet haben, wird er sie wieder erkennen
und ablegen können. Er wandelt sich so zu einem Realisten. So sieht er, was er als
Mensch wahrnehmen kann, ohne sich voller Weitsicht aus der scheinbaren Realität zu
entziehen oder in ihr verloren zu gehen. Allerdings fehlt ihm so auch die Fähigkeit,
weiter als unsere „Realität“, falls es eine solche geben sollte, zu sehen. Er kann auch
keiner panischen Angst verfallen, da er Dinge realistisch abwägt. Falls er Angst
bekommt, ist es realistische Angst. Angst, die auf etwas begründet ist. Auf seiner
Rationalität. Da die Rationalität die Ebenen, die der Mensch wahrnehmen und
abschätzen kann berücksichtigt und auf dem besteht, was der Mensch sicher und nahezu
ohne Zweifel nachvollziehen kann, ist sie, für das wahrscheinlich beschränkte Blickund Wahrnehmungsfeld des Menschen, das Maß nachdem dieser seine Entscheidungen
treffen sollte, da er nicht ferner gucken kann und ein Maß braucht. So müsste er dieser
Angst Recht geben, da sie auf, für ihn, nachvollziehbaren Gründen besteht und ihm so
möglicherweise ein Warnschild oder Schutz sein soll, der vor Schlimmerem bewahrt.
Aufgrund des möglichen beschränkten Wahrnehmungsfeldes des Menschen ist dieser
auf die Rationalität angewiesen, da für mögliche weiterblickende Denkweisen vorerst
das ersichtliche Fundament fehlt.
Der Optimismus, der auf nackter Angst basiert, ist also kein wirklicher Optimismus,
sondern eher ein künstlicher, intuitiver, der uns auf unserer Talfahrt der Angst stoppen
soll, dass diese nicht Überhand gewinnt und man sie, als nach rationalem Denken und
Handeln strebender Mensch, kontrollieren kann und nicht „Opfer“ einer nicht
durchdachten, auf teils irrationalen, panischen Gefühlen basierenden Handlung zu
werden, dessen Ausgang nicht auf der vermeintlichen rationalen Wahrheit begründet
wäre. Dieser Prozess wird allerdings durch primitive Triebe mit dem Ziel des reinen
Überlebens ausgelöst.
Wirklicher Optimismus ist also die Art des Optimismus, die aufgrund von einfacher,
nicht zwangsläufig gewollten Blindheit und Naivität gegenüber unserer Realität besteht.
(Mona Beyer)