ICF - Theologiestudium
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ICF - Theologiestudium
Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) – Hintergründe, Fakten und Kritik – Ein Annäherungsversuch Maturitätsarbeit von Sarah Aemisegger, 1992 Kantonsschule Glattal März bis Oktober 2010 Betreuer: Lothar Janssen Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ................................................................................................................................... 4 1.1 Vorwort ..................................................................................................................................... 4 1.2 Ziel der Arbeit ........................................................................................................................... 4 1.3 Vorgehen.................................................................................................................................. 4 2 ICF – Eine Erfolgsgeschichte?! ............................................................................................... 5 2.1 Entstehung und Entwicklung von ICF in der Schweiz von 1990 – 2009................................... 5 2.2 ICF heute – im Jahr 2010 ......................................................................................................... 7 2.2.1 Theologische Ausrichtung ................................................................................................. 7 2.2.2 Organisation...................................................................................................................... 8 2.3 Angebote und Projekte von ICF Zürich .................................................................................... 9 2.3.1 Celebrations ...................................................................................................................... 9 2.3.2 Smallgroups .................................................................................................................... 10 2.3.3 Aus- und Weiterbildung im ICF ....................................................................................... 10 2.3.4 Events–Lounges–Ferien ................................................................................................. 10 2.3.5 Die Stiftung „ACTS“ ........................................................................................................ 11 2.4 Kritikpunkte an ICF................................................................................................................. 11 2.4.1 Was ist eine Sekte? ............................................................................................................ 11 2.4.2 Fundamentalistische Bibelauslegung.............................................................................. 13 2.4.3 G12-Konzept und Smallgroup-System............................................................................ 14 2.4.4 Verpflichtung zum Geld ................................................................................................... 14 2.4.5 ICF – eine Sekte? ........................................................................................................... 15 3 Jugendarbeit der Landeskirchen im Vergleich mit ICF ....................................................... 15 3.1 Leitbilder im Vergleich ............................................................................................................ 15 3.1.1 Evangelisch-reformierte Kirche ....................................................................................... 15 3.1.2 Katholische Kirche .......................................................................................................... 17 3.2 Angebote im Vergleich ........................................................................................................... 18 3.3 Mitgliederschwund der Landeskirchen – Gründe und Folgen ................................................ 19 4 Neue Projekte der beiden Landeskirchen.......................................................................... 20 4.1 Grundsätzliche Überlegungen zur Jugendkirche.................................................................... 20 4.2 Die streetchurch in Zürich ...................................................................................................... 21 4.3 Die Jugendkirche in Winterthur .............................................................................................. 21 5 Reflexion und Ausblick........................................................................................................... 22 6 Zusammenfassung ................................................................................................................. 24 7 Schlusswort . ........................................................................................................................... 25 8 Danksagung............................................................................................................................. 25 9 Bibliographie ........................................................................................................................... 26 10 Bestätigung ........................................................................................................................... 30 2 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 11 Anhang – Zusammenfassung der wichtigsten Punkte der Interviews 11.1 Telefonisches Interview mit Heinz Strupler – Gründer von ICF Zürich, 07.05.2010 11.2 Mündliches Interview mit Daniel Linder – Pressesprecher von ICF Zürich, 19.04.2010 11.3 Telefonisches Interview mit – ehemaliger ICF Besucher, 30.03.2010 11.4 Mündliches Interview mit Susanne Schaaf – Mitarbeiterin der Beratungsstelle infoSekta, 26.03.2010 11.5 Mündliches Interview mit Georg O. Schmid – Sektenexperte der Sekteninformationsstelle relinfo in Rüti, 06.05.2010 11.6 Mündliches Interview mit Frédéric Légeret – Jugendarbeiter der evangelisch-reformierten Kirche Dübendorf, 21.04.2010 11.7 Mündliches Interview mit Benjamin Stückelberger – Pfarrer mit Schwerpunkt Jugendarbeit, in der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Meilen, 25.06.2010 11.8 Mündliches Interview mit Pfarrer Markus Giger – Leiter streetchurch, Arbeitszweig der evang.- ref. Kirche Zürich,09.04.2010 11.9 Mündliches Interview mit Markus Holzmann – Verantwortlicher für Jugendarbeit der Jugendseelsorge der katholischen Kirche im Kanton Zürich, 11.05.2010 3 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 1 Einleitung 1.1 Vorwort Bei der Suche nach dem passenden Thema für meine Maturitätsarbeit war es mir wichtig, dass ich einen persönlichen Bezug zum Thema habe und es mich so sehr interessiert, dass ich mich für eine längere Zeit damit beschäftigen möchte. Meine allererste Idee war es über die Freikirche International Christian Fellowship (ICF) zu schreiben. Ich war sofort Feuer und Flamme für dieses Thema und nahm Kontakt mit Herrn Janssen auf, um weitere Details mit ihm zu besprechen. Diesen spontanen Entscheid habe ich nie bereut. Zu dem gewählten Thema habe ich einen persönlichen Bezug, da mir mein Glaube wichtig ist und ich den Gottesdienst Generation X (GenX) von ICF am Sonntagabend gelegentlich mit Kollegen und Kolleginnen besuche. Ich bin eigentlich Mitglied der reformierten Kirche, welche sich von der Glaubensbasis her von den Freikirchen unterscheidet. Die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit beiden Kirchen beinhaltet durch diese Unterschiede ein Konfliktpotenzial, was gleichzeitig aber auch sehr interessant ist. Vor allem die unterschiedliche Bibelauslegung kann zu Meinungsverschiedenheiten und gegenseitiger Kritik führen. 1.2 Ziel der Arbeit Ziel meiner Arbeit ist es das Thema ICF aus einem unabhängigen Blickwinkel zu betrachten und mich auf einer wissenschaftlichen Ebene damit zu beschäftigen. Dazu gehört auch, dass ich mich mit vorhandener Kritik an ICF vertieft auseinandersetze. Mein Hauptanliegen ist es dem grossen Erfolg und der hohen Attraktivität von ICF auf die Spur zu kommen und einen Vergleich der Jugendarbeit und -angebote zu den Landeskirchen herzustellen. Geografisch konzentriere ich mich vor allem auf den Kanton Zürich. Dabei erhebe ich in meinen Recherchen und Analysen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Resultat meiner Auseinandersetzung möchte ich den ICFVerantwortlichen, den Vertretern der Landeskirchen und weiteren Interessierten zur Verfügung stellen. 1.3 Vorgehen In einer ersten Phase machte ich mich auf die Suche nach passender Literatur zu den Themen Freikirche, ICF, Landeskirchen und Sekte. Weitergehende Literatur, vor allem zu den Themen ICF und Landeskirchen, fand ich im Internet und in diversen Zeitungsund Fachartikeln. Es war mir wichtig mit Fachpersonen Kontakt aufzunehmen und sie persönlich zu befragen, um persönliche Eindrücke sammeln zu können. Die Begegnungen mit den Interviewpartnern erlaubten mir das Thema für mich lebendiger und fassbarer zu erfahren. Durch die persönlichen Aussagen konnte ich konkrete Eindrücke gewinnen und diverse Meinungen kennenlernen, was meine Arbeit bereicherte. Von den Interviewpartnern habe ich häufig zusätzliche Unterlagen und Informationen, sowie Tipps für weitere Kontaktpersonen erhalten. 4 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 2 ICF – Eine Erfolgsgeschichte?! 2.1 Entstehung und Entwicklung von ICF in der Schweiz von 1990 – 2009 St. Annakapelle Zürich um 1990.1 Dort fand erstmals ein ICF-Gottesdienst statt. Mit dem Gründer Heinz Strupler wechselte ich telefonisch einige Worte.2 Er erklärte mir, dass die Idee hinter ICF war, ein kirchliches Angebot für fremdsprachige Personen aus verschiedenen Ländern zu schaffen und diese so zu integrieren. Der englische Name wurde bewusst gewählt, um die Leute anzusprechen und einen „exotischen Touch“ zu vermitteln. Darum wurden die Gottesdienste auch zweisprachig in Englisch und Deutsch abgehalten. Damals besuchten bis zu 300 Personen die Abendveranstaltungen von ICF. Bis heute hat die englische Sprache für ICF einen hohen Wert. Alle Angebote haben englische Namen. Ein Gottesdienst heisst bei ICF „Celebration“. 1994 übergab Heinz Strupler die Verantwortung für ICF an Leo Bigger. Dieser arbeitete früher als Offset-Drucker und absolvierte seine theologische Ausbildung am IGW (Institut für Gemeindeaufbau und Weltmission)3. Er beschloss den ICF mit der Limmatgemeinde zur „ICFChurch“ zusammenzuschliessen. Die Limmatgemeinde ist ursprünglich aus dem ICF entstanden. Abb.1: Leo Bigger während einer Celebration Das Angebot richtete sich ab dann nicht mehr hauptsächlich auf Personen verschiedener Kulturen, sondern auf säkulare, junge Schweizer Jugendliche und junge Erwachsene. Damit der Gottesdienst als „attraktiv“ erlebt wurde, investierten ICF-Mitarbeiter schon damals sehr viel in Technik und Multimedia. Musik und Showaufwand waren und sind bis heute beträchtlich. Vorbild ist die „Willow Creek Community Church“ in Amerika.4 Dort sucht ICF immer wieder neue Ideen für die Gestaltung der Celebrations. Die unabhängige amerikanische Kirchgemeinde in Chicago macht ICF mit grossem evangelikalem Missionserfolg vor, mittels des Einsatzes von Multimedia und einfach verständlichen Predigten eine Vielzahl von Menschen anzusprechen.5 Unter Leitung von Leo Bigger, Matthias Bölsterli und Micky Conod wurde 1996 in Zürich der Verein „ICF-Church“ gegründet. Matthias Bölsterli baute dann eine ICFGemeinschaft in Genf und Micky Conod eine in Basel auf. 1 http://www.icf.ch/about/history.html , 30.07.2010, 19:58 Uhr Telefonisches Interview mit Heinz Strupler, Gründer von ICF, am 07.05.2010, Ausführliches Interview im Anhang dieser Arbeit 3 http://www.igw.edu/, 20.10.2010, 18:32 Uhr 4 Schmid, Georg und Georg Otto: Kirchen Sekten Religionen- Religiöse Gemeinschaften, weltanschauliche Gruppierungen und Psycho-Organisationen im deutschen Sprachraum. 7.Auflage. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2003, S.154 5 Walthert, Raphael: Ritual, Individuum und religiöse Gemeinschaft. Das International Christian Fellowship Zürich. In: Fluide Religion. Neue religiöse Bewegungen im Wandel. Theoretische und empirische Systematisierungen. Hrsg. von Dorothea Lüddeckens, Raphael Walthert. Bielefeld: transcipt Verlag 2010, S.246 2 5 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Da geplant war weitere Tochtergemeinden zu gründen, wurde dem bisherigen Zürcher Verein „ICF-Church“ 1999 den Namen „icf-zürich“ gegeben.6 2002 führten die Leiter von ICF das „G12-Konzept“ ein und ersetzten so das alte System der „Workshops“, wo jedes ICF-Mitglied nebst den Sonntagsgottesdiensten in einer Kleingruppe (Hauskreise mit Leiter) Gemeinschaft pflegen konnte.7 Das System „G12“ stammt von César Castellanos, der es in der kolumbianischen Gemeinde in Bogotà anwendete. Ziel für jedes G12-Mitglied war der Aufbau eines Kreises von zwölf gleichgeschlechtlichen Personen aus dem persönlichen Umfeld. Die Zahl zwölf wurde bewusst gewählt, weil sich um Jesus zwölf Jünger scharten, die er von Gottes grosser Barmherzigkeit und Herrlichkeit lehrte. Das G12 System stiess auf grosse Kritik worauf ich beim Kapitel 2.4 Kritikpunkte an ICF nochmals zurückkomme.8 Im Jahre 2003 nahmen an zwei Sonntagsgottesdiensten rund 3000 Personen teil. Die Teilnehmerzahl ist also im Vergleich zu 1990 enorm gestiegen. Zudem wechselte ICF ihren Standort und nistete sich nun im Maag-Areal in Zürich ein. Die Nebenhalle der grossen „Maag Event Hall“ bietet 1900 Sitzplätze. 2004 wurde das Kleingruppensystem „G12“ abgeändert und heisst zukünftig „smallgroup“. Der Start der „latin celebration“ folgte im Jahr 2006. Damit wurden auch die spanisch sprechenden jungen Leute angesprochen. 2006 gründeten die ICF-Leiter die Stiftung „ACTS“, um einen sozial-diakonischen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Ab 2008 wurden internationale Gottesdienste zum gleichen Zeitpunkt auf Englisch und Spanisch durchgeführt. Zudem eröffnete ICF unter dem Motto „one church three locations“ zwei neue Standorte in Rapperswil und Winterthur. Seit 2009 sind die Predigten – „Messages“ genannt – von ICF Zürich per Videoübertragung in Winterthur und Rapperswil auf den Bildschirmen zu sehen. 2009 war ein sehr erfolgreiches Jahr für ICF. Im September präsentierte Leo Bigger die brandneu herausgekommene CD der ICF-Band den insgesamt vier ICF-Gemeinden in Deutschland und mittlerweile sieben in der Schweiz. In den letzten Jahren erfolgten neue Gemeindegründungen in Bern, Biel, Baden, Chur, Emmental, sowie in Berlin, Bonn, Hamburg und Nürnberg.9 2009 wurde auch das umgebaute Kino Palace in Winterthur eingeweiht, wo die Zuschauer die Übertragung aus ICF Zürich mitverfolgen können. Das Weihnachtsmusical „Santa Reloaded“ war ebenfalls ein riesiger Erfolg: Mehr als 11‘500 Menschen besuchten eine der 24 Musicalaufführungen und mehrere Hundert Menschen entschieden sich für ein Leben mit Jesus. Die Besucherzahl in ICF Zürich belief sich an 6 http://www.icf.ch/about/history.html , 30.07.2010, 19:58 Uhr Telefonisches Interview mit , ehemaliger ICF- Besucher, am 30.03.2010, Ausführliches Interview im Anhang dieser Arbeit 8 Kirchen Sekten Religionen-Religiöse Gemeinschaften, weltanschauliche Gruppierungen und Psycho-Organisationen im deutschen Sprachraum, a.a.O., S.154 9 Kirchen Sekten Religionen-Religiöse Gemeinschaften, weltanschauliche Gruppierungen und Psycho-Organisationen im deutschen Sprachraum, a.a.O., S.155 7 6 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 den Celebrations im Jahr 2009 etwa auf 2600 Personen.10 Diese Zahl bezieht sich auf die durchschnittliche Besucherzahl pro Wochenende über alle drei Locations Zürich, Rapperswil und Winterthur und über alle Altersstufen.11 2.2 ICF heute – im Jahr 2010 2.2.1 Theologische Ausrichtung „ICF Zürich ist eine überkonfessionelle Freikirche auf biblischer Grundlage, die aus dem Traum entstanden ist, Kirche für die Menschen wieder dynamisch, lebensnah und zeitgemäss zu gestalten. Wir feiern gemeinsam den Glauben an Gott, integrieren ihn im Alltag und leben freundschaftliche Beziehungen.“12 Zum Begriff Freikirche: Freikirchen entstehen in der Regel aus einem freien Zusammenschluss einzelner Christen (Mitglieder werden nicht in die Gemeinde hineingeboren13) und organisieren ihre Kirche mit wenig Bindung an den Staat.14 Theologisch ist ICF evangelikal ausgerichtet und integriert charismatische Elemente.15 Die charismatische Bewegung ist eine christliche, konfessionsübergreifende geistige Strömung, welche die von Gott an den Menschen verliehenen Gaben des Heiligen Geistes (von griechisch „charis“: Gabe, Geschenk) betont. Als Geistesgaben werden zum Beispiel Heilung von Krankheiten oder Vermittlung von Erkenntnis genannt.16 Der Evangelikalismus zeichnet sich durch folgende drei Merkmale17 aus: • Individuelle Bekehrung: Evangelikale entscheiden sich bewusst zu einem Leben als Christ, indem sie Jesus als ihren Erlöser (durch Kreuzestod) anerkennen. Sie wenden sich von ihrem alten, „sündigen“ Leben ab und führen von nun an ein neues, „geistliches“ Leben. Diese Bekehrung ist Voraussetzung für die Erwachsenentaufe. • Wörtliches Bibelverständnis: Evangelikale verstehen Bibeltexte nicht im übertragenen, symbolischen Sinne, sondern als reale historische Tatsachen. • Betonung von Mission: Evangelikale legen viel Wert auf Mission und Evangelisation. Nicht bekehrte Christen, Anhänger anderer Religion und Atheisten (Religionslose) werden für den evangelikalen Glauben gewonnen. Auch ICF legt grossen Wert auf die Evangelisation, was im Ministry Konzept18 zum Ausdruck kommt. Dabei geht es darum aufgrund der eigenen Leidenschaften und 10 http://www.icf.ch/about/history.html , 30.07.2010, 19:58 Uhr Siehe Mail von Daniel Linder, Pressesprecher von ICF Zürich, im Arbeitsjournalordner I vom 16. August 2010 12 http://www.icf.ch/about/willkommen.html, 30.07.2010, 20:08 Uhr 13 http://www.religion.ch/web/andere-christliche-gemeinschaften, 04.08.2010, 16:22 Uhr 14 Landgraf, Michael: Religion, „Sekte“, oder…?. Einführung-Materialien-Kreativideen. 2.Auflage. Stuttgart: Calwer Verlag 2006, S.101 15 http://www.relinfo.ch/icf/infotxt.html, 12.05.2010, 20:21Uhr 16 http://de.wikipedia.org/wiki/Charismatische_Bewegung und http://de.wikipedia.org/wiki/Geistesgaben, 01.08 2010, 17:24 Uhr 17 Favre, Oliver: Die Evangelikalen: Überzeugte Christen in einer zunehmend säkularisierten Welt. In: Eine Schweiz – viele Religionen. Risiken und Chancen des Zusammenlebens. Hrsg. von Martin Baumann. Bielefeld: transcript Verlag 2007, S.129-130 11 7 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Talente eine Aufgabe innerhalb des ICF zu finden und weitere Interessierte für die Mitarbeit zu gewinnen. Der grosse Stellenwert der Mission zeigt sich auch in der ersten und vierten Aussage der Vision19 von ICF: „ICF ermutigt Menschen, Gottes Liebe in ihrem persönlichen Leben zu erfahren und sie an andere weiterzugeben. ICF unterstützt Menschen, ein solides Glaubensfundament zu entwickeln, damit sie die Herausforderungen des Lebens erfolgreich meistern können ICF fördert Menschen, ihre Talente zu entdecken und bildet sie zu authentischen Leitern aus. ICF fordert Menschen heraus, das Gelernte an andere weiterzugeben. 2.2.2 Organisation Es erfolgen immer mehr ICF Gründungen. Der aktuelle Stand von 2010 der ICF Homepage beträgt siebzehn Gemeindegründungen in der Schweiz (u. A. in Luzern, Schaffhausen, Zug, Thun), zwölf in Deutschland (z.B. Karlsruhe, Reutlingen) und acht weitere im übrigen Ausland (Spanien, England etc.). Manche der Gemeinden befinden sich noch in einer Aufbauphase.20 Einige Gemeindegründungen erleben ein starkes Wachstum, Andere bleiben klein. Mehrere ICF, wie z.B. in Basel, wurden gar wieder aufgelöst. Damit die Gemeinden so gut wie möglich funktionieren, werden interessierte Personen während zwei Jahren zu Gemeindeleitern ausgebildet.21 Obwohl ICF (mit Hauptsitz Zürich) als Verein organisiert ist, gibt es im Gegensatz zu den meisten anderen Freikirchen keine geregelte Mitgliedschaft und infolgedessen auch kein Mitspracherecht der Besucher. Eine Zusammenarbeit mit anderen religiösen Gemeinden mit Ausnahme von punktuellem Austausch und die Mitwirkung an Konferenzen werden von ICF Zürich abgelehnt. Manche lokale ICF-Gemeinden wirken jedoch bei der Evangelischen Allianz mit, schreibt Georg O. Schmid in einem Artikel.22 Abb.2: Das aktuelle Logo von ICF Zürich Gemäss Pressesprecher Daniel Linder hat ICF Zürich informell aber viel Kontakt zu anderen Kirchen/Gemeinden. Zum Beispiel leitet Leo Bigger das Pastorengebet, wo ein Mal im Monat Pastoren aus verschiedenen Gemeinden der Region Zürich zusammenkommen, um Anliegen auszutauschen und gemeinsam zu beten.23 ICF wird durch Spenden der Besucher finanziert. Vorgabe ist dabei die Abgabe des zehnten Teils des Einkommens, wie es in der Bibel beschrieben ist. Entscheidungen im 18 http://www.icf.ch/community/ministry-finder.html , 30.07.2010, 20:21 Uhr http://www.icf.ch/de/community/about.html, 30.07.2010, 20:20 Uhr 20 http://www.icf.ch/about/movement.html, 20.10.2010, 18:58 Uhr 21 http://www.icf-movement.org/church-planting.html, 20.10.2010, 19:01 Uhr 22 http://www.relinfo.ch/icf/kurz.html, 12.05.2010, 20:16 Uhr 23 Siehe Mail von Daniel Linder, Pressesprecher von ICF Zürich, im Arbeitsjournalordner I vom 15. September 2010 19 8 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 finanziellen Bereich werden vom Senior Pastor und sechs weiteren Leitern getroffen.24 Von den gesamten Spendeneinnahmen werden 50 Prozent für Personalkosten, 40 Prozent für Raummiete und Infrastruktur und 10 Prozent für wohltätige Projekte eingesetzt.25 Diese Zahlen zeigen die Wichtigkeit attraktiver Räumlichkeiten und modernster Technologien für ICF auf. Mit diesen grossen Investitionen für ein attraktives Erscheinungsbild möchte ICF am Puls der Zeit bleiben und so stetig neue Mitglieder gewinnen. In ICF Zürich sind für die verschiedenen Arbeitsbereiche über 50 Personen engagiert, die für ihre Arbeit bezahlt werden. Auf der Homepage sind Verantwortliche für die einzelnen Celebrations, für andere Standorte wie Winterthur, für Events, Technik, Design, Musik etc. aufgeführt. Zudem gibt es viel Freiwilligenarbeit.26 2.3 Angebote und Projekte von ICF Zürich 2.3.1 Celebrations Im folgenden Kapitel gehe ich aus von den Celebrations GenX, ICFGottesdienste, die regelmässig im Maag-Areal in ICF Zürich durchgeführt werden. Sie sind charakterisiert durch einen vielfältigen Multimediaeinsatz, wie zum Beispiel die Übertragung der Veranstaltung auf eine Grossleinwand. Wichtige Bestandteile einer Celebration sind die Predigten zu einem bestimmten Thema und die Musik einer Band zu Beginn und zum Abschluss. Abb.3: ICF-Band in Aktion Abb.4: Musikdarbietung an einer Celebration Die Songtexte werden zum Mitsingen auf der Leinwand angezeigt. Die Musik ist laut und reisst die Besucher zum Händeklatschen mit. Gelegentlich wird der Einstieg in ein Thema mit einer Theaterszene umgesetzt. Einen wichtigen Stellenwert nehmen persönliche Erfahrungsberichte beispielsweise eines eingeladenen Guest Speaker. Im ruhigeren Teil spricht der Prediger ein Gebet und es bleibt Zeit sich in der Stille persönliche Gedanken durch 24 http://de.wikipedia.org/wiki/ICF_Movement, 2.08.2010, 12:33 Uhr http://www.relinfo.ch/icf/infotxt.html, 12.05.2010, 20:21Uhr 26 http://www.icf.ch/about/staff/staff.html, 20.10.2010, 19:03 Uhr 25 9 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 den Kopf gehen zu lassen. Bei Bedarf kann anschliessend an die Predigt mit einem Seelsorger ein persönliches Gespräch geführt werden. Neueinsteiger erhalten an der Welcome Bar einen Gratisdrink und können sich über ICF informieren. In Zürich finden Celebrations freitagabends, sonntagmorgens und -abends statt. Dabei legt ICF Wert darauf verschiedene Altersgruppen zu erreichen. Aufbau und Inhalt der Celebrations sind auf die jeweilige Altersgruppe ausgerichtet. Die Spannweite reicht von Celebrations für Kleinkinder (Chinderexpress) über Teenager (Groundzero und Youthplanet) bis zu jungen Erwachsenen (Zwänzger). Das Angebot GenX ist offen für alle Altersgruppen.27 Die Celebrations werden in schweizerdeutscher, hochdeutscher, englischer, spanischer und auf Anfrage in französischer Sprache durchgeführt. 2.3.2 Smallgroups Es gibt ein vielfältiges Angebot an smallgroups. Die Mitglieder der smallgroups treffen sich wöchentlich, oder alle zwei Wochen, meist bei jemandem zu Hause. Die smallgroups dienen in erster Linie dazu persönliche Beziehungen zu anderen ICF Interessierten zu pflegen und zu vertiefen. Gemeinsam wird über Gott und die Welt diskutiert, in der Bibel gelesen, gefeiert und Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen geboten. Es gibt smallgroups für diverse Zielgruppen wie Singles, Paare, Frauen, Männer, Arbeitstätige, oder auch für Mütter. Auch in den smallgroups werden verschiedene Sprachen gepflegt und verschiedene Altersstufen angesprochen.28 2.3.3 Aus- und Weiterbildung im ICF Mit dem Kursangebot29 werden grundlegende, als auch aktuelle Themen des ICFKirchenlebens vertieft. Folgender Ausschnitt aus dem aktuellen Kursprogramm zeigt das breite Spektrum der Angebote und Themen: BIG DAYS: Vorbereitung und Durchführung der Wassertaufe ELTERN-BOXENSTOPP: Unterstützung durch Fachleute in der Kindererziehung READY 4 MARRIAGE: Vorbereitung und Planung der Hochzeit INSIDE: sich selber besser kennenlernen und die Beziehung zu Gott vertiefen SCHRITTE NÄHER ZU GOTT: speziell für Muslime und Personen mit islamischem Hintergrund • LIFE SUPPORT: Auseinandersetzung mit Themen wie Essstörungen und Burnout • TOGETHER WE CREATE: Onlineplattform und gemeinsames kreatives Arbeiten in den Bereichen Video, Foto, Grafikdesign, Schauspiel u.a. • COLLEGE: einjährige theoretische und praktische Ausbildung im Bibelstudium und der Leiterschaft • • • • • 2.3.4 Events–Lounges–Ferien ICF bietet auch verschiedene Events an, wie zum Beispiel eine 1.Augustfeier auf dem Bauernhof, ein Beachvolleyball-Turnier, oder eine Silvesterparty. Zudem werden regelmässige Treffen organisiert, beispielsweise für Menschen über 50 Jahre (Evergreen Lounge), christliche Geschäftsleute (Afterwork Lounge), oder speziell für 27 http:// www.icf.ch/about/celebrations.html, 30.07.2010, 20:11 Uhr http://www.icf.ch/smallgroups.html, 30.07.2010, 20:14 Uhr 29 http://www.icf.ch/kurse.html, 30.07.2010, 20:20 Uhr 28 10 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Frauen (Ladies Lounge). Für Familien und Jugendliche werden wöchige Feriencamps angeboten, dieses Jahr auf der Insel Elba in Italien.30 2.3.5 Die Stiftung „ACTS“ Auf der Grundlage des christlichen Glaubens und dem darin enthaltenen diakonischen Auftrag will ICF mit der Stiftung ACTS einen sozialen Beitrag in der Gesellschaft leisten.31 ACTS bezieht sich auf das englische Wort „to act“ (= handeln, etwas tun). „Acts“ ist auch die englische Bezeichnung für die Apostelgeschichte der Bibel, in welcher Taten von den Aposteln beschrieben werden, die im Namen von Jesus handeln.32 Durch ACTS finden Menschen aus unterschiedlichsten Gründen praktische Hilfe und die Möglichkeit, sich mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen. Der Schwerpunkt liegt auf der Förderung und Unterstützung von Familien. • • • • • • • • KIDS REACH: Kinderprogramm für unterstützungsbedürftige, wenig integrierte Familien CHINDERINSLE: Betreuungssplätze für Kinder bis und mit sechs Jahren JOB SEARCH: Beratung und Begleitung für Stellensuchende. ACTS bietet auch das Stellenportal GOOD JOB an. HOME REACH: Übersetzungsdienste, Putzhilfe und weitere Unterstützung im Haushalt PERSONAL MONEY MANAGEMENT: Budgetplanung für Familien, Paare und Einzelpersonen LIGHT IN THE DARK: Alltagsunterstützung für Blinde und Sehbehinderte YOUTH HOSTEL: Backpacker-Hostel in Zürich GEMEINSCHAFTLICHES WOHNEN: Vermittlung von temporären Übernachtungsgelegenheiten33 2.4 Kritikpunkte an ICF 2.4.1 Was ist eine Sekte? Hugo Stamm bezeichnet ICF nicht als Sekte. Er deutet jedoch darauf hin, dass ICF verschiedene sektenhafte Züge aufweist.34 Doch was ist genau eine Sekte und wodurch zeichnet sie sich aus? Der Begriff „Sekte“ ist ein politischer Streitbegriff und nicht genau definiert.35 Sekte kann mit Abspaltung oder Loslösung, aber auch mit Gefolgschaft verbunden werden. Das Wort hat lateinischen Ursprung in den Wörtern „secare“ (=abspalten, trennen) und „sequi“ (=folgen). Sekten sind Glaubensgemeinschaften, die sich von ihrer Mutterreligion abgespalten haben. Die Mitglieder folgen einer Führungspersönlichkeit, das ist in der Regel der Gründer der Gemeinschaft und dessen Botschaft.36 30 http://www.icf.ch/events/alle-events.html, 30.07.2010, 20:27 Uhr http://www.icf.ch/acts/about.html, 20.10.2010, 19:05 Uhr 32 Siehe Mail von Daniel Linder, Pressesprecher von ICF Zürich, im Arbeitsjournalordner I vom 1. September 2010 33 http://www.icf.ch/acts/arbeitsbereiche.html, 30.07.2010, 20:13 Uhr 34 Siehe Mail von Hugo Stamm, Sektenexperte, im Arbeitsjournalordner I vom 12. März 2010 35 Flammer, Philipp: „Sekten“: der Wille zur neuen Gesellschaft zwischen Esoterik, Fundamentalismus und profanem Erfolgsstreben. In: „Sekten“, Psychogruppen und vereinnahmende Bewegungen. Wie der einzelne sich schützen kann. Was der Staat tun kann. Hrsg. von infoSekta. Zürich: NZN Buchverlag AG 2000, S.80 36 Schulze-Berndt, Hermann: Basiswissen, Sekten, Kulte, Weltanschauungen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus GmbH 2003, S.18 31 11 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Der Experte Hugo Stamm charakterisiert Sekten wie folgt: „Es liegt im Wesen von Sekten und vereinnahmenden Gruppen, Macht in ihrer komplettesten Form anzustreben.“37 Die Merkmale38, die eine Sekte bezeichnen sind: Lehrinhalte • Absoluter und exklusiver Wahrheitsanspruch • Schwarz-Weiss-Denken • Realitätsverlust • Elitebewusstsein • Kritikresistenz Innenstruktur • Kontrollsystem nach innen • Absolute Führung und Personenkult • Eingeschränkte Mitgliederrechte • Desinformation der Mitglieder Aussenkontakte • Mission und Anwerbung • Feindseligkeit und Aggression bei Kritik • Desinformation der Aussenwelt Soziale Situation • Entfremdung von Personen die nicht zur Gruppe gehören • Behinderung des Austritts • Finanzielle Ansprüche (auch nach Austritt) • Desorientierung bei Austritt Die Dynamik und Macht einer Sekte werden im persönlichen Erlebnisbericht von Lea Saskia Laasner „Allein gegen die Seelenfänger" dramatisch dargestellt. In dem Buch beschreibt sie das Aufwachsen in der Kultbewegung Ramtha, wo sie mit ihrer Familie bis zu ihrem 21. Lebensjahr in vollständiger Isolation und unter ständiger Kontrolle des Sektenführers lebt. Als 21 Jährige gelingt ihr die Flucht. Eindrücklich beschreibt sie wie sie über Jahre in ihren Gedanken unabhängig bleibt. Als Überlebensstrategie lässt sie die Rituale und Misshandlungen gefühllos über sich ergehen. Das folgende Zitat zeigt ihr Erleben der absoluten Kontrolle durch den Sektenführer Benno: „Benno schien es zu geniessen, uns zu verunsichern. Auch mich. Sein Spiel folgte dem Motto: Immer schön den Widerstand erhöhen. (…) Nur nicht die Spannung verringern. Und immer schön die Anforderungen steigern. Wir mussten permanent strampeln und erreichten das Ziel trotzdem nicht. Wir konnten noch so schnell rennen. (…) Zu diesem Spiel gehörte ebenso die Provokation. Damit sollten wir die inneren Blockaden 37 Stamm, Hugo: Sekten, Im Bann von Sucht und Macht. 2.Auflage. München: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG 1997, S.66 38 Landgraf, Michael: Religion, „Sekte“, oder…?. Einführung-Materialien-Kreativideen. 2.Auflage. Stuttgart: Calwer Verlag 2006, S.7- 8 12 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 überwinden. (…) Und so rannte auch ich wie eine Irre auf das Ziel zu, dass unerreichbar blieb. Dabei merkte ich noch nicht einmal, dass sich der Abstand nicht verringerte. Das Ritual der permanenten Verunsicherung höhlte uns aus. Auf ein Lob folgten zwei Tadel. Und wehe, wenn jemand mal den Blick hob. Benno gab vor, aus uns starke, unverwechselbare und spirituelle Persönlichkeiten zu machen. Dabei trieb er uns jede Eigenheit aus. Er machte aus uns kontrollierte uniforme Wesen. Auf diese Art verteidigte und stabilisierte er seine Führungsposition und band die Gruppenmitglieder an sich und die Familie.“39 Im Folgenden werden die wesentlichsten Kritikpunkte an ICF dargestellt. 2.4.2 Fundamentalistische Bibelauslegung Die Bibel gilt in ICF als inspiriertes Wort Gottes, welche Antworten auf alle wichtigen Lebensfragen liefert. ICF erhebt den Anspruch, die biblischen Aussagen prägnanter und klarer zu formulieren als andere Kirchen. Das Leben mit Gott wird von dem sündigen Leben ohne Gott abgegrenzt. „Neutrale Zonen gibt es nicht in deinem Leben als Christ. Entweder beeinflusst dich Gott oder der Satan.“ 40 Dies illustriert ein ausgeprägtes schwarz-weiss Denken. Die im ICF engagierten Personen fühlen sich klar als Vertreter des „richtigen Glaubens“ und sehen das Leben nicht-gläubiger Personen als unvollkommen und unvollständig an. Gelehrt werden bestimmte Haltungen und Handlungen im Leben, wie zum Beispiel Zeit für die Kirche zu investieren, um Jesus zu dienen. Wenn sich trotz Bemühungen Unzufriedenheit, Zweifel und Misserfolg einstellen wird das mit mangelndem Einsatz und falscher Haltung des Gläubigen erklärt.41 Die fundamentalistischen Bibelauslegungen zeigen sich in strengen Moralvorstellungen, wie die sexuelle Enthaltsamkeit ausserhalb der Ehe, oder die Ablehnung der Homosexualität. Diese bilden einen Gegensatz zum trendigen und modernen Auftreten von ICF.42 Die Botschaften, welche durch die Predigten vermittelt werden sind in der Regel einfach und es mangelt auch an theologischer Tiefe.43 Gemäss Daniel Linder, Sprecher von ICF Zürich, sind wissenschaftliche und theologische Kenntnisse nicht notwendig, um die Bibel zu verstehen.44 Eine für jedermann verständliche Bibelauslegung birgt jedoch Gefahren der Willkür und Fehlinterpretation und wird durch die subjektive Sicht beeinflusst. Dies zeigt sich in den Predigten, in welchen häufig persönliche Erlebnisberichte aus dem Alltag dominieren und keine Vermittlung von historischen, kritisch-theologischen Ausführungen erfolgt. 45 39 Laasner, Lea Saskia: Allein gegen die Seelenfänger. Meine Kindheit in der Psycho-Sekte. Aufgezeichnet von Hugo Stamm. Frankfurt am Main: Eichborn Verlag 2005, S.114 40 http://www.infosekta.ch/infos-zu-gruppen-und-themen/icf/marktformige-inszenierung-und-leibsozialisatorischemassnahmen-friess-2004/#die-organisation-und-ausrichtung-der-icf-4-glaubensinhalte, 12.05.2010, 21:00 Uhr 41 http://www.infosekta.ch/infos-zu-gruppen-und-themen/icf/marktformige-inszenierung-und-leibsozialisatorischemassnahmen-friess-2004/#versprechen-und-leibsozialisatorische-massnahmen, 12.05.2010, 21:00 Uhr 42 Siehe Mail von Hugo Stamm, Sektenexperte, im Arbeitsjournalordner I vom 12. März 2010 43 http://www.kath.ch/infosekten/text_detail.php?nemeid=6387, 26.02.2010 16:17 Uhr 44 http://www.infosekta.ch/infos-zu-gruppen-und-themen/icf/darstellung-und-stellungnahme-zur-international-christianfellowship-icf-friess-2003/#21-ausschliesslichkeit, 12.05.2010, 20:59 Uhr 45 Walthert, Raphael: Ritual, Individuum und religiöse Gemeinschaft. Das International Christian Fellowship Zürich. In: Fluide Religion. Neue religiöse Bewegungen im Wandel. Theoretische und empirische Systematisierungen. Hrsg. von Dorothea Lüddeckens, Raphael Walthert. Bielefeld: transcipt Verlag 2010, S.257 13 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 2.4.3 G12-Konzept und Smallgroup-System Wenn ICF 1990 in der Presse noch Lob46 zugesprochen wurde, verflog dieses spätestens bei der Einführung des G12-Systems. Da jedes G12-Mitglied auch selbst seine eigenen zwölf Jünger als „Mentor“ auf ihrem Glaubensweg beriet, ergab sich ein pyramidenartiges System mit den Leitpersonen an der Spitze.47 Mit dieser Hierarchie wurden die Gläubigen und Mentoren kontrolliert und überwacht. Dieses System war nicht auf die Bibel abgestützt48, sondern radikal auf die Evangelisation und somit auf das Gemeindewachstum ausgerichtet. Die Mitglieder waren einem hohen Druck ausgesetzt neue ICF-Interessierte zu gewinnen. Dies konnte zusammen mit dem grossen Zeitaufwand für die G12-Gruppe leicht zur Überforderung führen.49 Die Ausrichtung auf die Mentoren förderte Personenkult und Abhängigkeit. Mit dem G12System konnten viele Besucher nicht umgehen. Dadurch verlor ICF etwa die Hälfte der Besucher, welche zum Teil das trendige Auftreten von ICF in andere Kirchen einzubringen und traditionelle Werte der Kirche mit zeitgemässer Musik, Präsentationsformen etc. zu kombinieren versuchten.50 Auch das heutige smallgroup-System ist nach wie vor missionarisch ausgerichtet, aber nicht mehr in der hierarchischen Form des G12-Prinzips.51 Die smallgroup-Mitglieder sind aufgerufen ausschliesslich Freundschaften mit Menschen zu pflegen, die sie in ihrem Glauben bestärken und den Kontakt zu Nicht-Gläubigen zu meiden.52 Dies kann zur Entfremdung innerhalb von Familie und Freundeskreis und erhöhter Abhängigkeit innerhalb der smallgroup führen.53 Die Qualität der persönlichen Begleitung der Gläubigen ist bedingt durch den smallgroup-Leiter. Ausserhalb der smallgroup gibt es bei ICF keine Angebote, die überdauernde und verbindliche Beziehungen fördern. Der Schwerpunkt liegt auf unpersönlichen Grossveranstaltungen, oder einmaligen Events. 2.4.4 Verpflichtung zum Geld „Wer den Zehnten nicht bezahlt, bestiehlt Gott“ Mit dieser auf der Bibel basierenden und von ICF unterstützten Aussage werden Spenden als Zeichen der Liebe zu Gott verstanden. Sie macht es den Gläubigen schwer sich gegen finanzielle Forderungen zu wehren.54 Aufgrund des fehlenden Mitspracherechts innerhalb ICF können die Spender bei der Verwendung der Gelder nicht mitreden.55 46 Mündliches Interview mit Georg O. Schmid, Sektenexperte, am 06.05.2010, Ausführliches Interview im Anhang dieser Arbeit 47 http://www.relinfo.ch/icf/kurz.html, 12.05.2010, 20:16 Uhr 48 http://www.relinfo.ch/icf/g12.html, 12.05.2010, 20:19Uhr 49 http://www.kath.ch/index.php?na=11,0,0,0,d,26676, 26.02.2010, 16:17 Uhr 50 Telefonisches Interview mit , ehemaliger ICF- Besucher, am 31.04.2010, Ausführliches Interview im Anhang dieser Arbeit 51 http://www.relinfo.ch/icf/kurz.html, 12.05.2010, 20:16 Uhr 52 http://www.infosekta.ch/infos-zu-gruppen-und-themen/icf/darstellung-und-stellungnahme-zur-international-christianfellowship-icf-friess-2003/#22-isolation,12.05.2010, 20:59 Uhr 53 http://www.kath.ch/index.php?na=11,0,0,0,d,26676, 26.02.2010, 16:17 Uhr 54 http://www.kath.ch/index.php?na=11,0,0,0,d,26676, 26.02.2010, 16:17 Uhr 55 http://www.jesus.ch/index.php/D/article/154/27987/, 10.03.2010, 19:14 Uhr 14 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 2.4.5 ICF – eine Sekte? Vergleichen wir die beschriebenen Kritikpunkte an ICF mit den unter Kapitel 2.4.1 aufgestellten Sektenmerkmalen, treffen folgende Kriterien auf ICF zu: • • • • • Absoluter und exklusiver Wahrheitsanspruch Schwarz-Weiss-Denken Eingeschränkte Mitgliederrechte Mission und Anwerbung Entfremdung von Personen die nicht zur Gruppe gehören Die Aussage von Hugo Stamm, dass ICF sektenhafte Züge aufweist, kann bestätigt werden: ICF erhebt den absoluten und ausschliesslichen Wahrheitsanspruch ihres Glaubens und zeigt eindeutiges schwarz-weiss Denken bei der Unterscheidung in eine „gute“ und „böse“ Welt. Die Entfremdung und Abgrenzung von Andersdenkenden ist dadurch gegeben. ICF kennt keine Mitbestimmung und kein Mitspracherecht. Zudem ist ihre Ausrichtung ausgesprochen stark auf die Mission fokussiert. Finanzielle Ansprüche werden nicht direkt, sondern durch moralischen Druck erhoben. Die übrigen unter Kapitel 2.4.1 aufgeführten Kriterien sind innerhalb ICF kaum, oder gar nicht zu beobachten. 3 Jugendarbeit der Landeskirchen im Vergleich mit ICF Im folgenden Kapitel werden die Leitbilder der Jugendarbeit der beiden Landeskirchen im Kanton Zürich skizziert und mit der Vision von ICF verglichen, die Angebote von ICF den Angeboten der Landeskirchen gegenübergestellt, sowie Gründe und Folgen des Mitgliederschwundes der Landeskirchen dargestellt. 3.1 Leitbilder im Vergleich 3.1.1 Evangelisch-reformierte Kirche Die evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich beschreibt in ihrem religionspädagogischen Gesamtkonzept (rpg)56 die Grundlagen und Ziele ihrer Jugendarbeit. In Phase 3 für 12 bis16 Jährige werden folgende Ziele beschrieben: • Sich selber finden (z.B. Mädchentreff) • In Beziehungen leben (z.B. Gesprächsgruppen) • Seine Wurzeln kennen (z.B. Gottesbilder in der Bibel und anderen Religionen) • Seinen Glauben ausdrücken (z.B. Taufe und Abendmahl) • Seinen Blick weiten (z.B. andere Kirchen kennenlernen) • Verantwortlich handeln (z.B. Sozialpraktikum) Abb.5: Typische evang.-ref. Kirche 56 Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich (Hrsg.): aufwachsen-aufbrechen. Religionspädagogisches Gesamtkonzept 2004, siehe Arbeitsjournalordner II. Auch http://www.rpg-zh.ch/pdfdoks/rpggesamtkonzept-1.pdf 15 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 In Phase 4 für 16 bis 25 Jährige stehen folgende Themen im Vordergrund: • Spiritualität (z.B. Lobgottesdienst) • Selbstorganisation, Partizipation (Jugendband) • Integration, Prävention (Tanzprojekt) • Selbstverpflichtung, Vorbild (Schulung zur Leiterfunktion) Vergleicht man diese Punkte mit der Vision von ICF (siehe Kapitel 2.2.1) kann Folgendes festgestellt werden: Das evangelisch-reformierte Konzept ist viel detaillierter und umfassender ausgearbeitet. Die Vision von ICF ist dagegen allgemeiner gehalten und weniger konkret formuliert. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind in der folgenden Tabelle dargestellt: Rpg der evang.-ref. Kirche ICF Vision sich selber finden Talente entdecken seinen Glauben ausdrücken Spiritualität Gottes Liebe erfahren, Glaubensfundament entwickeln Selbstverpflichtung, Vorbild Ausbildung zu authentischen Leitern, das Gelernte weitergeben in Beziehungen leben - seine Wurzeln kennen - seinen Blick weiten - Verantwortlich handeln Integration, Prävention - Selbstorganisation, Partizipation - Tab.1:Das religionspädagogische Gesamtkonzept der evangelisch-reformierten Kirche im Vergleich mit der ICF Vision Dieser Vergleich zeigt, dass in der Vision von ICF gewisse Schwerpunkte, welche von der evangelisch-reformierten Kirche gefördert werden, fehlen. Auffällig ist, dass diese teilweise mit den Kritikpunkten (2.4 Kritikpunkte an ICF) übereinstimmen. Ein Beispiel ist das fehlende Thema „seinen Blick weiten“, welches dem Kritikpunkt der „Entfremdung und Abgrenzung von Andersdenkenden“ entspricht. Ein weiteres Beispiel, das bei ICF fehlt, ist der Punkt „Beziehungen pflegen“. Ausser den smallgroups gibt es kein Angebot von ICF, welches überdauernde Beziehungen fördert. 16 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 3.1.2 Katholische Kirche Die katholische Jugendarbeit stützt sich auf die Magna Charta57, welche die Grundlage der kirchlichen Jugendarbeit in der deutschsprachigen Schweiz bildet. In der Magna Charta sind die Grundsätze weniger konkret formuliert, als im religionspädagogischen Gesamtkonzept der evangelisch-reformierten Kirche. Die Angebote der katholischen Kirche sind den Grundsätzen der Magna Charta nicht eindeutig zugeordnet. Die Magna Charta basiert auf folgenden Grundsätzen: • Lebenswelt: Experimentier- und Freiraum für Jugendliche • Wertschätzung und Anerkennung: partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Jugendlichen (Mitsprache und Mitbeteiligung) • Beziehung und Vertrauen: Unterstützung und Begleitung der Jugendlichen in jeder Lebenssituation Abb.6: Kreuz vor einer kath. Kirche • Orientierung an der Lebenspraxis Jesu: Ermutigung zur Verantwortung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung • Sinn-, Glaubens- und Identitätsfindung: Auseinandersetzung mit Lebens- und Glaubensfragen • Leben deuten und feiern: sinnvolles Feiern von Leben und Glauben • Genderbewusstsein: Begleitung der Jugendlichen in ihrer Identitätsfindung als Mann und Frau Magna Charta der kath. Kirche ICF Vision Lebenswelt Talente entdecken Wertschätzung und Anerkennung - Beziehung und Vertrauen - Orientierung an der Lebenspraxis Jesu Gottes Liebe erfahren, Glaubensfundament entwickeln Sinn-Glaubens- und Identitätsfindung Gottes Liebe erfahren, Glaubensfundament entwickeln Leben deuten und feiern - Genderbewusstsein - Tab.2: Magna Charta der katholischen Kirche im Vergleich mit der ICF Vision 57 Dokument Magna Charta- Grundlagenpapier der katholischen Kirche für eine gelingende kirchliche Jugendarbeit in der deutschsprachigen Schweiz der Mitgliederversammlung des Vereins Deutschschweizer JugendseelsorgerInnen 2005, siehe Arbeitsjournalorder II 17 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Auch der Vergleich mit dem Leitbild der katholischen Kirche zeigt, dass dieses mehr Themen beschreibt als die ICF Vision. „Die Unterstützung und Begleitung der Jugendlichen in jeder Lebenssituation“, wie auch „die Identitätsfindung als Mann und Frau“ haben in der katholischen Kirche einen grossen Stellenwert. Die persönliche Begleitung und Unterstützung der Jugendlichen fehlen in der ICF Vision. Auch die wertschätzende und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Einbezug von Mitsprachemöglichkeiten werden bei ICF nicht aufgeführt. 3.2 Angebote im Vergleich Sowohl die evangelisch-reformierte, als auch die katholische Kirche decken mit ihren Jugendangeboten die ganze Palette der ICF-Angebote ab: Jugendgottesdienste, diverse Kleingruppenangebote (z.B. Workshops), Events (z.B. Openair Konzerte, Filmabende), Ferien (z.B. Kulturreisen), Leiterausbildung (z.B. bei Blauring, Jungwacht, Cevi), sowie Treffpunkte und Lounges für Jugendliche.58 Beide Landeskirchen bieten aber noch viele weitere Angebote für junge Erwachsene an, welche bei ICF fehlen. Exemplarisch möchte ich einige herausgreifen: Beratungsstellen der katholischen Kirche59 • psychologische Beratung • Beruf-, Studien- und Laufbahnberatung • Beratung zu Sekten- und Weltanschauungsfragen Sozialprojekte der katholischen Kirche60 • Förderung und Begleitung von Jugendlichen in einem schwierigen sozialen oder persönlichen Umfeld (1:1-Betreuung oder Kleingruppen) • Praktikumsstellen (z.B. in der Haustechnik) • Begleitendes Wohnen für junge Menschen mit Drogenproblemen • Auftrag zu Studien z.B. über Strassenkinder Während der Schwerpunkt bei den Projekten der ACTS Stiftung auf der Familie liegt, sind diese Sozialprojekte der katholischen Kirche auf die Jugendlichen ausgerichtet. Überkonfessionelles und gesellschaftliches Engagement der evang.- ref. Kirche • Vermittlung von Einsatzorten für Zivildienstleistende61 • Begegnungen mit Angehörigen einer anderen Religion62 • Vielfältige Zusammenarbeit mit anderen Kirchen 58 http://www.jugendseelsorge.ch/jungeerwachsene/jungeerwachsene_start.htm, 04.08.2010, 17:11Uhr http://www.jugendseelsorge.ch/jugendberatung/jugendberatung_start.htm, 04.08.2010, 17:07 Uhr 60 http://www.jugendseelsorge.ch/solidaritaet/solidaritaet_start.htm, 04.08.2010, 17:07 Uhr 61 http://www.kirche-jugend.ch/jugendarbeit/zivi/, 04.08.2010, 17:46 Uhr 62 rpg a.a.O 59 18 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 3.3 Mitgliederschwund der Landeskirchen – Gründe und Folgen Beide Landeskirchen leiden seit Jahrzehnten unter Mitgliederschwund. Besonders gross war und ist die Anzahl der Kirchenaustritte in den Städten. Zwischen 1970 und 2000 verlor die katholische Kirche in den Städten 30 Prozent ihrer Mitglieder, die reformierte Kirche annähernd 50 Prozent.63 Im letzten Jahr sind so viele Menschen in einem Jahr aus der katholischen Kirche im Kanton Zürich ausgetreten wie noch nie zuvor. 3864 Austritte verzeichnet Abb.7: So voll sind die Landeskirchen selten der Jahresbericht 2009, 52 Prozent mehr als die 2542 Austritte in dem Jahr zuvor.64 Viele Jugendliche sind nach der Konfirmation nicht mehr in der evangelisch-reformierten Kirche tätig. Auch die katholische Kirche hat Mühe neue Jugendliche mit ihren Angeboten zu gewinnen. Folgende unter Jugendlichen weitverbreitete Haltungen65 Landeskirchen schwer die jungen Erwachsenen zu erreichen: machen es den • „Was ich glaube, ist meine Sache“ Jugendliche gehen von einer subjektiven Wahrnehmung und Empfindung aus. Religion wird als Privatsache bezeichnet. • „Was wahr ist, weiss niemand“ Das Christentum hat angesichts verschiedener Religionen seinen Anspruch verloren die einzige und absolute Religion zu sein und ausschliessliche Orientierung in religiösen und ethischen Fragen zu geben. • „Was bringt mir Religion?“ Religion wird am Lebenssinn und an der Hilfe für ein gutes und gelingendes Leben gemessen. • „Ich suche mir zusammen, was mir passt“ Durch die Vielfalt von neureligiösen Bewegungen, die sich in den letzten Jahren gebildet haben, entsteht eine „Collage-“, oder „Patchwork Religion“. Es besteht die 63 http://www.kath.ch/index.php?&na=12,1,0,0,d,87608, 04.08.2010, 16:33 Uhr http://www.ref.ch/index.php?id=127&tx_ttnews%5Btt_news%5D=1678&tx_ttnews%5BbackPid%5D=21, 4.08.2010, 17:03 Uhr 65 Kohler-Spiegel, Helga: Jugendliche sind Kirche. Kirchliche Jugendarbeit und Glaubensweitergabe an die nächste Generation. In: Kirchliche Jugendarbeit. Berichte, Reflexionen, Perspektiven. Hrsg. von Stephan Kaiser-Creola. Zürich: NZN Buchverlag AG 2003, S.17-18 64 19 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Möglichkeit alles zu glauben und zu denken. Jugendliche bilden ihre eigene religiöse Identität aus verschiedenen religiösen Strömungen und Weltanschauungen. In der Deutschschweizer Studie von 200066 wurden über Tausend 14-16 Jährige SchülerInnen nach ihrer Religiosität befragt. Bei der Auswertung der Studie lässt sich ein markanter Unterschied zwischen der Häufigkeit des Betens und des Gottesdienstbesuches feststellen. Nur etwas mehr als sechs Prozent der Befragten geben an wöchentlich einen Gottesdienst zu besuchen. Auch nimmt über die Hälfte nie, oder höchstens an Festtagen an Gottesdiensten teil. Dies zeigt eindeutig einen Rückzug der Religion aus der Öffentlichkeit. Folgende Aussage illustriert die Meinung vieler Jugendlicher: „Der Gottesdienst ist langweilig. Immer dasselbe. Diese furchtbare Musik…“ Daraus lassen sich folgende Anforderungen an einen attraktive Jugendkirche ableiten: 1. Der Gottesdienst soll kurzweilig und interessant sein 2. Die Themen sollen zeitgemäss und vielfältig sein und Jugendliche ansprechen 3. Es wird mehr moderne als traditionelle Kirchenmusik gewünscht.67 Diese Anforderungen erfüllt ICF mit seinen trendigen Celebrations. Dies ist einer der Hauptgründe für den grossen Erfolg und die hohe Besucherzahl der ICF-Celebrations. 4 Neue Projekte der beiden Landeskirchen 4.1 Grundsätzliche Überlegungen zur Jugendkirche Die evangelisch-reformierte, sowie die katholische Landeskirchen erkannten, dass es an attraktiven Angeboten für gefirmte und konfirmierte Jugendliche und junge Erwachsene fehlt. Es wurde festgestellt, dass das Angebot lebendiger, bunter, vielfältiger, offensiver und vielleicht auch provokativer werden soll, um auch bei kirchenfernen Jugendlichen Aufmerksamkeit zu erregen.68 Deshalb entstand auf Antrag des Kirchenrates das Projekt „Junge Gottesdienste braucht die Stadt“ für eine Pilotphase von 2003 bis 2006. Durch die geschaffenen Jugendprojekte reagierten die Landeskirchen auf die derzeitige Krise zwischen Kirche und Jugend. Über Gottesdienste, niederschwellige Seelsorgeangebote und weitere Begegnungsmöglichkeiten sollen Jugendliche erreicht und dadurch Raum für gottesdienstliches Feiern geschaffen werden.69 Besonderen Wert wurde darauf gelegt, dass sich die Jugendlichen an der Gestaltung der Angebote aktiv beteiligen und auch einmalige Events mit aussergewöhnlichen Präsentationen (z.B. Sprayen, Skaten) angeboten werden. So erfahren die Jugendliche eine Erlebnisdimension und können für die Kirche begeistert werden.70 Nachfolgend werden beispielhaft zwei erfolgreiche Projekte der evangelisch-reformierten Kirche dargestellt: 66 Schenker, Dominik: Jugend und Religion. Empirische Forschung, gesellschaftliches Umfeld und ausgewählte Erlebnisse. In: Kirchliche Jugendarbeit. Berichte, Reflexionen, Perspektiven. Hrsg. von Stephan Kaiser-Creola. Zürich: NZN Buchverlag AG 2003, S.39 67 Böhning, André: Gott ist den Menschen immanent. Jugendliturgie im Spielfeld von Mystagogie und Korrelation. In: Kirchliche Jugendarbeit. Berichte, Reflexionen, Perspektiven. Hrsg. von Stephan Kaiser-Creola. Zürich: NZN Buchverlag AG 2003, S.43 68 http://www.jugendseelsorge.ch/jugendarbeit/documents/Schlussbericht_Jugendkirche_im_Kanton_Zuerich_000.pdf, 29.05.2010, 19:18 Uhr, S.9 69 http://zh.ref.ch/content/e6/e73/e7045/e14638/e14643/2006WeiterfhrungJugendkirchen.pdf, S.3-5, 29.05.2010, 18:15 Uhr 70 http://www.jugendseelsorge.ch/jugendarbeit/documents/Schlussbericht_Jugendkirche_im_Kanton_Zuerich_000.pdf, 29.05.2010, 19:18 Uhr, S.9/10 20 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 4.2 Die streetchurch in Zürich Das Ziel der streetchurch ist „das Leben, die sozialen Probleme und Nöte der Strasse in die Kirche zu bringen und die Botschaft des Evangeliums auf die Strasse“. Die monatlichen Gottesdienste für Jugendliche jeden Alters mit Black Music (Gospel, HipHop Soul, Rap und R&B) fanden von Anfang an Anklang, was sich auch in den guten Besucherzahlen zeigte. Im Gegensatz zum konventionellen Gottesdienst wird mehr Multimedia eingesetzt. Vor allem das seelsorgerische und diakonische Angebot wird häufig von Jugendlichen unterschiedlichster Herkunft in schwierigen Lebenssituationen in Anspruch genommen. Der Einbezug der Jugendlichen funktioniert gut, eine grosse Zahl engagiert sich freiwillig bei der Vorbereitung und Gestaltung der Gottesdienste. Die streetchurch ist beliebt in der Öffentlichkeit und geniesst eine grosse Medienpräsenz. 71 Abb.8: streetchurch-Gottesdienst Abb.9: Aktion „saubere Jungs für saubere Fenster“ Ein persönlicher Besuch bei streetchurch ergab, dass ein gewisser Austausch und eine Zusammenarbeit mit Jugendlichen aus dem freikirchlichen Milieu stattfinden. Diese Jugendlichen beteiligen sich teilweise auch aktiv an den Gottesdiensten der streetchurch. Ebenfalls treten freikirchliche Musiker an den streetchurch-Gottesdiensten auf. Weitere Angebote der streetchurch: • Chor • Psychologische Beratung/Sozialberatung • LifeSchool: z.B Hilfe bei Jobsuche, Zahlungen von Rechnungen • „Saubere Jungs für saubere Fenster“: Fensterreinigung für Privatkunden mit dem Ziel der Arbeitsintegration • PrisonHope: Unterstützung für Jugendliche in Gefängnissen und geschlossenen Einrichtungen 72 4.3 Die Jugendkirche in Winterthur Die anfänglich zweimonatlichen Gottesdienste waren von Beginn der Pilotphase weg gut besucht. Die Jugendkirche erreicht mit ihren Gottesdiensten viele reformierte Erwachsene aus Stadt und Region Winterthur zwischen 18 und 30 Jahren (darunter Konfirmandenklassen, Jugendgruppen, sowie einzelne Familien mit Kleinkindern). Auch in der Jugendkirche Winterthur helfen gerne Freiwillige mit. 71 http://zh.ref.ch/content/e6/e73/e7045/e14638/e14643/2006WeiterfhrungJugendkirchen.pdf, 29.05.2010, 18:15 Uhr, S.5, 8-10 72 Mündliches Interview mit Pfr. Markus Giger, Leiter streetchurch, 09.04.2010, Ausführliches Interview im Anhang dieser Arbeit 21 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Erfolg haben die Gottesdienste vor allem dadurch, dass sie an unterschiedlichen Orten (Casino Theater, Festzelt etc.) durchgeführt werden. Heute finden die Gottesdienste in einer Fabrik statt (Fabrikkirche). Kreative Gestaltungsmittel wie Tanz, Videosequenzen, Lichtinstallationen, Theaterszenen und Musikdarbietungen durch eine Band tragen zu einer hohen Attraktivität der Gottesdienste bei. Die Gottesdienste werden durch Einbezug von prominenten Persönlichkeiten wie Altbundesrat Samuel Schmid bereichert. Die Jugendkirche ist stark in den Medien vertreten und zeichnet sich durch eine grosse Bekanntheit und Akzeptanz in der Öffentlichkeit aus (u.A. viele Geldspenden von Firmen und Privaten). Sie beteiligt sich auch an gemeinsamen Projekten mit städtischen Kirchgemeinden. 73 Weitere Angebote der Fabrikkirche: • Barbetrieb • GospelWorkshop • Fotoworkshop • Freiwilligendienst in Alagoinhas /Bahia, Brasilien • Events wie Konzerte, Schneeweekends • Lebensberatung • Büroservice: externe Bürodienstleistungen wie Versandservice, Flyergestaltung • Fabrikbistro: Sozialprojekt mit drei bis vier betreuten Arbeitsplätzen74 Abb.10: Fabrikkirche Winterthur 5 Reflexion und Ausblick Die vertiefte Betrachtung von ICF zeigt folgende Gründe für den grossen Erfolg und die hohe Attraktivität in den letzten Jahren: Mittels einer gigantischen technischen Ausstattung und einem reibungslosen perfekt funktionierenden Ablauf wird den jungen Erwachsenen an den Celebrations eine perfekte Show geboten. Das Evangelium wird mit den neusten technischen Möglichkeiten und verschiedenen Medien (z.B. Theater, Video, Film) erlebbar gemacht. Dieses Gesamterlebnis wird von den Jugendlichen verinnerlicht und kann so in den Alltag mitgenommen werden. ICF erfüllt damit das weitverbreitete Bedürfnis den Glauben durch die Sinne zu erleben. Die gebrauchte Sprache entspricht dem modernen „Jugendslang“ und ist für die Jugendlichen leicht verständlich. „Mega“ und „krass“ gehören zum Standardvokabular. Die Celebrations werden von mehrheitlich attraktiven Personen mit einem modernen und gestyltem Aussehen gestaltet. Durch bekannte Prominente ICF-Anhänger, wie zum Beispiel Jeanette Macchi-Meier wurde die Anziehungskraft von ICF noch gesteigert. Die einfache Hauptbotschaft der Predigten ist die Vermittlung der Liebe Gottes. Dadurch werden auch Jugendliche angesprochen, die sich wenig mit der Bibel auseinandersetzen. Zusammenfassend können die Stärken von ICF in einem genialen Marketing und organisatorisch-technischen Meisterleistungen beschrieben werden. ICF bietet Erlebnismöglichkeiten auf 73 74 http://zh.ref.ch/content/e6/e73/e7045/e14638/e14643/2006WeiterfhrungJugendkirchen.pdf, 29.05.2010, 18:15 Uhr, S.6-8 http://www.fabrikkirche.ch, 02.09.2010, 20:19 Uhr 22 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 unverbindliche Art und erlaubt Besuchern sich an Grossveranstaltungen in einer gewissen Anonymität mit Gleichgesinnten verbunden zu fühlen. An den Celebrations wirkt die Dynamik der Massenpsychologie. Die Theorie der psychologischen Ansteckung besagt, dass vorherrschende Gefühle in einer Menschenmasse sich ähnlich wie ein Viruserreger auf das Individuum übertragen75. Die Freude, Begeisterung und Euphorie an den Celebrations werden dadurch verstärkt. Logisches und kritisches Denken76 geraten dabei in den Hintergrund und das Individuum ist offen für die gefühlsbetonten und auf persönlichen Erlebnissen basierenden Predigten. Die euphorischen Gefühle werden durch die laute Musik zusätzlich gefördert. Durch die Gleichschaltung der Gefühle77 verstärkt sich die Empfindung der Einheit und Verbundenheit, obwohl sich die Besucher grösstenteils persönlich gar nicht kennen. Ein verwandter Ansatz ist das Konzept der „emotional energy“. Die Celebrations sind geprägt durch das Handeln auf der Bühne. Doch auch die Partizipation der Zuschauer z.B. durch Mitsingen, Tanzbewegungen, Lachen und Gebetsgesten sind von hoher Wichtigkeit. Durch dieses Zusammenspiel des Geschehens auf der Bühne und der Reaktion der Zuschauer entsteht eine rituelle Interaktion. Die Besucher erfahren durch die Uniformität ihres Handelns ihr Verhalten als emotional erfolgreich und richtig. Über diese Zustände emotionaler Energie wird ein Gefühl von Gruppensolidarität erzeugt.78 Abb.11: Emotional energy durch rituelle Interaktion 75 Brudermann, Thomas: Massenpsychologie. Psychologische Ansteckung Kollektive Dynamiken Simulationsmodelle. Wien: Springer-Verlag 2010, S.38 76 Brudermann, Thomas: Massenpsychologie. Psychologische Ansteckung Kollektive Dynamiken Simulationsmodelle. Wien: Springer-Verlag 2010, S.26 77 Brudermann, Thomas: Massenpsychologie. Psychologische Ansteckung Kollektive Dynamiken Simulationsmodelle. Wien: Springer-Verlag 2010, S.28 78 Walthert, Raphael: Ritual, Individuum und religiöse Gemeinschaft. Das International Christian Fellowship Zürich. In: Fluide Religion. Neue religiöse Bewegungen im Wandel. Theoretische und empirische Systematisierungen. Hrsg. von Dorothea Lüddeckens, Raphael Walthert. Bielefeld: transcipt Verlag 2010, S.250/51 23 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Meine Vermutung, dass Mitglieder der Landeskirchen zu ICF abwandern, kann nicht bestätigt werden. ICF-Besucher stammen meist aus freikirchlichen Kreisen, in welchen die Mobilität ohnehin schon gross ist.79 ICF stellt so keine direkte Konkurrenz für die Landeskirchen dar, trotzdem besteht ein Druck sich der Attraktivität der ICF-Angebote anzunähern. Wagen wir einen Blick in die Zukunft, tauchen folgende zwei Fragen auf: Wohin entwickelt sich ICF ohne das Mitwirken von Leo Bigger? Wie kann ICF auch in der Zukunft attraktiv bleiben? Der Pressesprecher von ICF, Daniel Linder, beantwortet die Frage nach der Zukunft von ICF mit einem noch erweiterten Technikeinsatz, z.B. Holografie und an einem steten Dranbleiben am Lifestyle der Jugendlichen und am Puls der Zeit.80 Die Entwicklung von ICF Zürich ist auch stark von Leo Biggers Nachfolger abhängig. 6 Zusammenfassung ICF wurde 1990 von Heinz Strupler als kirchliches Angebot für fremdsprachige Personen gegründet. 1994 wurde die Leitung an Leo Bigger übergeben, welcher die überkonfessionelle Freikirche ausbaute und neu auf kirchenferne Schweizer Jugendliche ausrichtete. Durch attraktiv gestaltete, am Vorbild einer amerikanischen Freikirche sich orientierende Gottesdienste mit beträchtlichem Multimediaaufwand, stieg die Besucherzahl rasch an. 2010 hat ICF gemäss der Homepage siebzehn Gemeinden in der Schweiz (u.A. in Luzern, Schaffhausen, Zug, Thun), zwölf in Deutschland (z.B Karlsruhe, Reutlingen) und acht weitere im übrigen Ausland (Spanien, England etc.). Theologisch ist ICF evangelikal ausgerichtet und integriert charismatische Elemente. ICF bietet neben den Gottesdiensten in verschiedenen Sprachen und für verschiedene Altersgruppen eine Vielzahl von weiteren Angeboten und Projekten: Kleingruppen, Aus- und Weiterbildung zu bestimmten Themenschwerpunkten, Events, Ferienangebote, sowie die sozialdiakonische Stiftung „ACTS“, welche mit ihren Projekten vielfältige Alltagsunterstützung anbietet. Ein Vergleich mit den Landeskirchen zeigt, dass diese noch ein breiteres Angebot, wie Beratungs- und Praktikumsstellen und begleitetes Wohnen für Jugendliche bereitstellen. Auch ein Vergleich der Leitbilder zeigt, dass diese bei den Landeskirchen umfassender formuliert sind. Zum Beispiel fehlen in der ICF Vision die Betonung des Beziehungsaspektes, sowie die Auseinandersetzung mit anderen Religionen. Trotzdem wird das Angebot der Landeskirchen nicht ausgeschöpft und sie kämpfen seit Jahren mit dem zunehmenden Mitgliederschwund. Als Antwort starteten die Landeskirchen mit diversen neuen Projekten, welche sich in Gestaltung und Präsentation an ICF anlehnen. Mit der Einführung des pyramidenartig aufgebauten und hierarchisch ausgerichteten G12-Systems stiess ICF 2002 auf grosse Kritik. Das radikal auf die Evangelisation ausgerichtete System setzte die Mitglieder unter hohen Druck und wurde zwei Jahre 79 Walthert, Raphael: Ritual, Individuum und religiöse Gemeinschaft. Das International Christian Fellowship Zürich. In: Fluide Religion. Neue religiöse Bewegungen im Wandel. Theoretische und empirische Systematisierungen. Hrsg. von Dorothea Lüddeckens, Raphael Walthert. Bielefeld: transcipt Verlag 2010, S.245 80 Mündliches Interview mit Daniel Linder, Pressesprecher von ICF Zürich, 19.04.2010, Ausführliches Interview im Anhang dieser Arbeit 24 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 später umgewandelt. Trotzdem wird auch heute noch die starke Ausrichtung von ICF auf die Mission kritisiert. Ebenso wird von liberalen Kreisen die wortwörtliche fundamentalistische Bibelauslegung in Frage gestellt. Für den Experten und Journalisten Hugo Stamm weist ICF sektenhafte Züge auf. Eine kritische Betrachtung von ICF im Hinblick auf die in der Fachliteratur aufgeführten Sektenmerkmale bestätigt diese Sichtweise: ICF erhebt den absoluten und ausschliesslichen Wahrheitsanspruch ihres Glaubens und zeigt eindeutiges schwarz-weisses Denken bei der Unterscheidung in eine „gute“ und „böse“ Welt. Die Entfremdung und Abgrenzung von Andersdenkenden ist dadurch gegeben. ICF kennt keine Mitbestimmung und kein Mitspracherecht. Zusammenfassend kann die Attraktivität von ICF für die heutigen Jugendlichen mit dem trendigen Auftreten und den perfekt ablaufenden Shows mit Theater, Videos, lauter Musik als Grossgottesdienste erklärt werden. Bei diesen Veranstaltungen wirken massenpsychologische Phänomene wie die Ansteckung von Euphorie und Begeisterung in der grossen Zuschauermenge (durchschnittlich 2600 Besucher im Jahre 2009 pro Wochenende über die drei Locations Zürich, Rapperswil und Winterthur). Das kompromisslose Ausrichten von ICF am Lifestyle der Jugendlichen und am Puls der Zeit kann als das Erfolgsrezept bezeichnet werden. 7 Schlusswort . Durch meine Maturitätsarbeit zur Attraktivität von ICF habe ich gelernt, mich vertieft auf wissenschaftlicher-objektiver Basis mit dem Thema zu beschäftigen. Vor allem bei der Auseinandersetzung mit der Kritik an ICF, fiel es mir nicht immer leicht eine unabhängige Sicht einzunehmen. Meine subjektiven Empfindungen und Erlebnisse standen teilweise im Widerspruch zu formulierter Kritik. In diesen Momenten musste ich mich immer wieder daran erinnern, die eigenen Gefühle in den Hintergrund zu stellen und in die neutrale Rolle zurückzufinden. Durch meine Maturitätsarbeit habe ich heute eine differenziertere und kritisch-bewusstere Haltung dem ICF gegenüber. Aussagen zu Bibelstellen in ICF-Predigten werde ich zukünftig genauer untersuchen und mir meine eigene unabhängige Meinung bilden. Zudem hat es für mich heute einen höheren Stellenwert religiöse Fragen und Themen mit anderen Gläubigen zu diskutieren und mich mit verschiedenen Ansichten zu beschäftigen. Insgesamt ist es mir gut gelungen, die Fragestellung nach der Attraktivität von ICF ausreichend zu untersuchen und zufriedenstellend zu beantworten. 8 Danksagung Mein grosser und herzlicher Dank geht an Herrn Lothar Janssen für seine hilfreiche Unterstützung beim Aufbau und der Struktur der Maturitätsarbeit, für alle wertvolle Literaturempfehlungen und seine Hinweise auf mögliche Interviewpartner. Ich schätzte den Freiraum, den er mir für die Entwicklung und Ausarbeitung meiner Ideen gewährte, wie auch seine kompetenten Ratschläge, welche auf seiner breiten Erfahrung basieren. Seine Begleitung empfand ich stets als motivierend und ermutigend. Weiter möchte ich bei meinen Interviewpartner bedanken. Von ihnen erhielt ich zahlreiche wertvolle Informationen. Sie waren mir ein engagiertes und hilfsbereites Gegenüber. 25 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Bei Herrn Lustenberger bedanke ich mich für die Bereitstellung des Laptops, für seine Hilfsbereitschaft, seinen Einsatz und seine Unterstützung bei technischen Problemen. Zum Schluss bedanke ich mich bei meiner Familie und meinen Freunden für die Anteilnahme und meiner Gotte für die Gastfreundschaft in ihrem ruhigen Büro, die moralische Unterstützung und das Gegenlesen der finalen Fassung. 9 Bibliographie Literarische Quellen • Böhning, André: Gott ist den Menschen immanent. Jugendliturgie im Spielfeld von Mystagogie und Korrelation. In: Kirchliche Jugendarbeit. Berichte, Reflexionen, Perspektiven. Hrsg. von Stephan Kaiser-Creola. Zürich: NZN Buchverlag AG 2003 • Brudermann, Thomas: Massenpsychologie. Psychologische Ansteckung Kollektive Dynamiken Simulationsmodelle. Wien: Springer – Verlag 2010 • Favre, Oliver: Die Evangelikalen: Überzeugte Christen in einer zunehmend säkularisierten Welt. In: Eine Schweiz – viele Religionen. Risiken und Chancen des Zusammenlebens. Hrsg. von Martin Baumann. Bielefeld: transcript Verlag 2007 • Flammer, Philipp: „Sekten“: der Wille zur neuen Gesellschaft zwischen Esoterik, Fundamentalismus und profanem Erfolgsstreben. In: „Sekten“, Psychogruppen und vereinnahmende Bewegungen. Wie der einzelne sich schützen kann. Was der Staat tun kann. Hrsg. von infoSekta. Zürich: NZN Buchverlag AG 2000 • Kohler-Spiegel, Helga: Jugendliche sind Kirche. Kirchliche Jugendarbeit und Glaubensweitergabe an die nächste Generation. In: Kirchliche Jugendarbeit. Berichte, Reflexionen, Perspektiven. Hrsg. von Stephan Kaiser-Creola. Zürich: NZN Buchverlag AG 2003 • Laasner, Lea Saskia: Allein gegen die Seelenfänger. Meine Kindheit in der PsychoSekte. Aufgezeichnet von Hugo Stamm. Frankfurt am Main: Eichborn Verlag 2005 • Landgraf, Michael: Religion, „Sekte“, oder…?. Einführung-Materialien-Kreativideen. 2.Auflage. Stuttgart: Calwer Verlag 2006 • Schenker, Dominik: Jugend und Religion. Empirische Forschung, gesellschaftliches Umfeld und ausgewählte Erlebnisse. In: Kirchliche Jugendarbeit. Berichte, Reflexionen, Perspektiven. Hrsg. von Stephan Kaiser-Creola. Zürich: NZN Buchverlag AG 2003 • Schmid, Georg und Georg Otto: Kirchen Sekten Religionen- Religiöse Gemeinschaften, weltanschauliche Gruppierungen und Psycho-Organisationen im deutschen Sprachraum.7.Auflage. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2003 • Schulze-Berndt, Hermann: Basiswissen, Sekten, Kulte, Weltanschauungen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus GmbH 2003 26 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 • Stamm, Hugo: Sekten, Im Bann von Sucht und Macht. 2.Auflage.München: Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG 1997 • Walthert, Raphael: Ritual, Individuum und religiöse Gemeinschaft. Das International Christian Fellowship Zürich. In: Fluide Religion. Neue religiöse Bewegungen im Wandel. Theoretische und empirische Systematisierungen. Hrsg. von Dorothea Lüddeckens, Raphael Walthert. Bielefeld: transcipt Verlag 2010 Internetquellen http://www.icf.ch • • • • • • • • • • • • • http://www.icf.ch/about/history.html , 30.07.2010, 19:58 Uhr http://www.icf.ch/about/willkommen.html, 30.07.2010, 20:08 Uhr http://www.icf.ch/community/ministry-finder.html , 30.07.2010, 20:21 Uhr http://www.icf.ch/de/community/about.html, 30.07.2010, 20:20 Uhr http:// www.icf.ch/about/celebrations.html, 30.07.2010, 20:11 Uhr http://www.icf.ch/smallgroups.html, 30.07.2010, 20:14 Uhr http://www.icf.ch/kurse.html, 30.07.2010, 20:20 Uhr http://www.icf.ch/events/alle-events.html, 30.07.2010, 20:27 Uhr http://www.icf.ch/acts/arbeitsbereiche.html, 30.07.2010, 20:13 Uhr http://www.icf.ch/about/movement.html, 20.10.2010, 18:58 Uhr http://www.icf-movement.org/church-planting.html, 20.10.2010, 19:01Uhr http://www.icf.ch/about/staff/staff.html, 20.10.2010, 19:03 Uhr http://www.icf.ch/acts/about.html, 20.10.2010, 19:05 Uhr http://www.infosekta.ch • http://www.infosekta.ch/infos-zu-gruppen-und-themen/icf/marktformige-inszenierungund-leibsozialisatorische-massnahmen-friess-2004/#die-organisation-und-ausrichtungder-icf-4-glaubensinhalte, 12.05.2010, 21:00 Uhr • http://www.infosekta.ch/infos-zu-gruppen-und-themen/icf/marktformige-inszenierungund-leibsozialisatorische-massnahmen-friess-2004/#versprechen-undleibsozialisatorische-massnahmen, 12.05.2010, 21:00 Uhr • http://www.infosekta.ch/infos-zu-gruppen-und-themen/icf/darstellung-undstellungnahme-zur-international-christian-fellowship-icf-friess-2003/#21ausschliesslichkeit, 12.05.2010, 20:59 Uhr • http://www.infosekta.ch/infos-zu-gruppen-und-themen/icf/darstellung-undstellungnahme-zur-international-christian-fellowship-icf-friess-2003/#22isolation,12.05.2010, 20:59 Uhr http://www.jugendseelsorge.ch • http://www.jugendseelsorge.ch/jungeerwachsene/jungeerwachsene_start.htm, 04.08.2010, 17:11Uhr • http://www.jugendseelsorge.ch/jugendberatung/jugendberatung_start.htm,04.08.2010, 17:07 Uhr • http://www.jugendseelsorge.ch/solidaritaet/solidaritaet_start.htm, 04.08.2010, 17:07 Uhr 27 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 • http://www.jugendseelsorge.ch/jugendarbeit/documents/Schlussbericht_Jugendkirche_i m_Kanton_Zuerich_000.pdf, 29.05.2010, 19:18 Uhr http://www.kath.ch • http://www.kath.ch/infosekten/text_detail.php?nemeid=6387, 26.02.2010 16:17 Uhr • http://www.kath.ch/index.php?&na=12,1,0,0,d,87608, 04.08.2010, 16:33 Uhr http://www.ref.ch • http://www.ref.ch/index.php?id=127&tx_ttnews%5Btt_news%5D=1678&tx_ttnews%5Bb ackPid%5D=21, 4.08.2010, 17:03 Uhr • http://zh.ref.ch/content/e6/e73/e7045/e14638/e14643/2006WeiterfhrungJugendkirchen. pdf, S.3-5, 29.05.2010, 18:15 Uhr http://www.relinfo.ch • http://www.relinfo.ch/icf/infotxt.html, 12.05.2010, 20:21Uhr • http://www.relinfo.ch/icf/kurz.html, 12.05.2010, 20:16 Uhr • http://www.relinfo.ch/icf/g12.html, 12.05.2010, 20:19 Uhr http://de.wikipedia.org • http://de.wikipedia.org/wiki/Charismatische_Bewegung • http://de.wikipedia.org/wiki/Geistesgaben, 01.08 2010, 17:24 Uhr • http://de.wikipedia.org/wiki/ICF_Movement, 2.08.2010, 12:33 Uhr Weitere Homepages • • • • • http://www.jesus.ch/index.php/D/article/154/27987/, 10.03.2010, 19:14 Uhr http://www.religion.ch/web/andere-christliche-gemeinschaften, 04.08.2010, 16:22 Uhr http://www.kirche-jugend.ch/jugendarbeit/zivi/, 04.08.2010, 17:46 Uhr http://www.fabrikkirche.ch, 02.09.2010, 20:19 Uhr http://www.igw.edu/, 20.10.2010, 18:32 Uhr Andere Quellformen • Kirchenrat der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich (Hrsg.): aufwachsen-aufbrechen. Religionspädagogisches Gesamtkonzept 2004 • Dokument Magna Charta - Grundlagenpapier der katholischen Kirche für eine gelingende kirchliche Jugendarbeit in der deutschsprachigen Schweiz der Mitgliederversammlung des Vereins Deutschschweizer JugendseelsorgerInnen 2005 Bildquellen Anmerkung: Die Bilder von der ICF-Homepage sind professionell gestaltet und stark auf die Werbung ausgerichtet. • Titelbild: http://www.icf.ch/footer/presse.html, 21.10.2010, 15:37 • Abb.1: http://www.icf.ch/footer/presse.html, 21.10.2010, 15:37 28 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) • • • • • • • • • • Sarah Aemisegger, N6 Abb.2: http://lapiz.t-lutz.org/logo_icf_mega.gif, 21.10.2010, 15:38 Abb.3: http://www.icf.ch/footer/presse.html, 21.10.2010, 15:37 Abb.4: http://www.icf.ch/footer/presse.html, 21.10.2010, 15:37 Abb.5:http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Reformierte_Kirche_Wipkingen.jpeg?usel ang=de, 21.10.2010,15:39 Abb.6: http://www.hadeln.eu/images/kath.kirche1.jpg, 21.10.2010, 15:41 Abb.7: http://www.kathmoehlin.ch/?page=news&show=archive, 21.10.2010, 15:45 Abb.8: Siehe Mail von Sandro Süess, streetchurch-Mitarbeiter, im Arbeitsjournalordner I vom 21.Oktober 2010 Abb.9: Siehe Mail von Sandro Süess, streetchurch-Mitarbeiter, im Arbeitsjournalordner I vom 21.Oktober 2010 Abb.10: http://www.church.ch/bilder_d.php, 21.10.2010, 13:23 Uhr Abb.11: http://www.icf.ch/footer/presse.html, 21.10.2010, 15:37 Uhr 29 Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 10 Bestätigung Hiermit bestätige ich, dass • Ich diese Maturitätsarbeit selbstständig verfasst und in schriftliche Form gebracht habe, • sich die Mitwirkung anderer Personen auf Beratung und Korrekturlesen beschränkt hat, • alle verwendete Unterlagen und Gewährpersonen vollständig aufgeführt worden sind. Ort/Datum: Unterschrift 30 11 Anhang – Zusammenfassung der wichtigsten Punkte der Interviews 11.1 Telefonisches Interview mit Heinz Strupler – Gründer von ICF Zürich, 07.05.2010 Wie ist ICF entstanden und wie hat die Kirche sich weiterentwickelt? ICF ist aus der Motivation entstanden, fremdsprachige Leute in die Kirche zu integrieren und ihnen das Evangelium bekannt zu machen. Den Veranstaltungen von ICF sollten am Vorbild amerikanischer Freikirchen, durch den Wert der englischen Sprache, einen „exotischen Touch“ vermittelt werden. In den ersten Jahren wurden die Gottesdienste immer zweisprachig (meist englisch/deutsch) abgehalten. Ich hatte dabei noch keine bestimmte Vorstellung davon, wie sich die Kirche in der Zukunft entwickeln würde. Darüber habe ich mir auch keine grossen Gedanken gemacht. Ich gründete ungefähr zur gleichen Zeit wie ICF die Bibelschule IGW. Die Vision hinter diesen Gründungen berief sich auf einer progressiven und lebendigen Kirche, in der Menschen Gott begegnen können. Ich wollte den Stil der Kirche ändern, um die Bevölkerung ändern zu können. Nach vier Jahren beschloss ich aufgrund meiner vielen anderen Tätigkeiten die Leitung von ICF Leo Bigger, den ich vier lange Jahre lang gecoacht hatte zu übergeben: In der Bibelschule IGW erwarb Leo Bigger nach einer abgeschlossenen Lehre und Berufserfahrungen eine theologische Ausbildung in den grundlegenden theologischen Fächern, sowie praktische Erfahrungen. Durch ihn hat sich die Ausrichtung von ICF verändert. Leo gestaltete die Gottesdienste in einem neuen Stil, sie wurden aber immer noch in Fremdsprachen (auch Spanisch) durchgeführt. Ziel war es aber, säkulare, junge Schweizer Jugendliche zu erreichen. Heute muss ich sagen, dass ich nicht mit dem grossen Erfolg von ICF gerechnet habe. Es ist schön zu sehen, wie sehr sich ICF Zürich von dem kleinen Verein (bis zu 300 Besucher besuchten die Abendveranstaltungen) in eine trendige, übergemeindliche, von insgesamt 2000-3000 Besuchern der drei Locations in Zürich, Rapperswil und Winterthur besuchte Freikirche verwandelt hat. Es ist auch erfreulich, dass ICF in den Medien wahrgenommen wird, obwohl viel Kritik mitschwingt. Ich gehe immer wieder mit Freude zu ICF, um meine persönlichen Freundschaften zu pflegen und auch weiterhin junge Leute als „Coach“ zu Pastoren auszubilden. 11.2 Mündliches Interview mit Daniel Linder – Pressesprecher von ICF Zürich, 19.04.2010 Wie ist ICF entstanden? ICF war in den 90er Jahren Teil der Gemeindegründungsbewegung. Die Leute sehnten sich nach einer neuen Form von Kirche. Ziel von ICF war es die jüngere, auch fremdsprachige Generation anzusprechen. Die Kirche sollte sich näher am Leben platzieren, frei von Strukturen und historisch wachsenden Bräuchen, aber durch die Vermittlung von mittelalterlichen christlichen Werten, welche immer noch in unserer Zeit angewendet werden können. Für ICF war ein Ausbrechen aus bestehenden Formen und Strukturen notwendig. Kirche soll für Menschen da sein und nicht umgekehrt. Es ist nicht Pflicht wie bei den Landeskirchen (Jugendliche werden ohne Kirchenbesuche nicht konfirmiert oder gefirmt) die Gottesdienste zu besuchen. Ihnen soll in ICF einen Platz geboten werden, wo sie sich wohlfühlen und sie immer willkommen sind. Durch die alltagsbezogenen Predigten und modernster Multimediatechnik können sie Gott begegnen, ihn besser kennenlernen und intensiver erleben. In ICF erleben Menschen Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 tiefe Gemeinschaft, ihre Talente werden auch gefördert. Dabei liegt das Schwergewicht auf der Evangelisation. Wie hat sich ICF weiterentwickelt? Anfangs fand einmal im Monat eine freie und spontane Form von Gottesdienst statt. Es wurden bereits Theater- und Multimediaelemente eingesetzt. 1996 wandelte man den Namen „ICF Church“ um, weil mehrere Ableger in der Schweiz entstanden. ICF in Zürich wurde „ICF Zürich“ genannt. ICF hat sich dann am Vorbild amerikanischer Freikirchen weiterentwickelt, verändert und ist nach und nach gewachsen. Das Angebot hat sich auch vervielfältigt. Neben Konzerten, Camps, Kongressen und Celebrations (Gottesdienste für verschiedene Altersstufen) haben wir auch die sozialdiakonische Stiftung ACTS aufgebaut. Personen in schwierigen Lebenslagen werden nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten, also praktischer Hilfe, unterstützt. Wie stand und steht es mit der Kritik? Vor allem zu Beginn der Entstehung von ICF kam viel Kritik auf. Man war sich nicht an eine offensive, laute und evangelikale Kirche gewohnt. Neues regt in unserer Gesellschaft Widerstand an. Heute ist ICF zwar etablierter und es gibt keinen allzu grossen Medienrummel mehr. Die Leute denken immer noch gerne in Schubladen und so wird ICF gerne als Sekte abgestempelt. So muss man sich nicht mit der Kirche auseinandersetzen. Mit Kritik haben wir schon viele schlechte Erfahrungen (zum Beispiel bösartige Vorwürfe) gemacht. Wir haben Mühe mit dem Sektenexperten Hugo Stamm umzugehen. Er fällt sein Urteil über ICF und geht nicht neutral mit der Kritik um. Zu der Sekteninformationsstelle infoSekta pflegen wir auch kein direktes Verhältnis. Ihre Homepage ist nicht „up to date“ und sie wollen die Kritik an ICF bewusst negativ halten. Da nützt es auch nichts, wenn wir das Gespräch suchen und auf die Mitarbeiterinnen zugehen. Das Verhältnis zu Georg O. Schmid ist offen, der Umgang ist auch respektvoll. Grundsätzlich respektiert er, was wir machen. Er teilt nur den Glauben als solchen nicht. Das ist sein gutes Recht und erklärt, wieso er uns gegenüber auf kritischer Distanz bleibt. Soweit es uns betrifft, bleibt er dabei aber weitestgehend fair. Wenn Kritiker fair bleiben, suchen wir gerne eine offene Diskussion und hoffen, dass wir ihre negative Wahrnehmung von ICF ändern können. Oft ist Kritik auch gesucht und nicht berechtigt wie z.B. der Zeitungsartikel, in dem an ICF kritisiert wird, dass YoutubeVideos zur Evangelisation von Kindern im Primarschulalter beitragen sollten. Die Videos waren aber lediglich dafür gedacht, dass Kindern von ICF die Möglichkeit gegeben wurde, Predigten, welche sie verpasst, oder noch nicht gesehen haben, im Nachhinein auf youtube anzusehen. Wie sieht die Kritik im Detail aus?* G-12 System Grosse Kritik gab es am G12-System, das am Vorbild südamerikanischer Kirchen aufgebaut war. Die Umsetzung von G12 in ICF hat sich nicht wie erhofft entwickelt. Es entstand eine grosse Überforderung und eine Zusatzbelastung der Teilnehmer, welche sich auch sonst noch im ICF Ministry (Arbeitsbereiche wo Jugendliche ihre Talente und Begabungen im ICF einsetzen und Verantwortung übernehmen können) betätigten. Das strukturelle Problem haben wir nicht besser zu lösen gewusst, als dass Leo Bigger den Männerteil und seine Frau den Frauenteil betreute. Dadurch wurde das System als zentralistisch und sektenartig aufgebaut bezeichnet. Diesen Eindruck zu bewirken war nie unsere Absicht. Das Ziel Menschen zum Glauben zu führen wurde durch G12 nicht erfüllt. Dies haben wir eingesehen. Durch den Misserfolg haben wir das System Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 abgeschafft und durch smallgroups (verschiedenste Typen von Kleingruppen) ersetzt. Das Ziel der smallgroups ist immer noch die Evangelisation, aber auf eine gelockerte Art und Weise. Die Smallgroups können sich bei einem Gruppemitglied treffen, Gemeinschaft geniessen und sich vertieft mit dem christlichen Glauben auseinandersetzen (Bibel lesen, Hintergrundsmaterial zu den Predigten durcharbeiten etc.). (Homo-)Sexualität Die Ehe dient zum Beispiel als geschützten Rahmen, um Sexualität auszuleben. Wir wollen homosexuelle Personen nicht brüskieren, ihnen aber klar machen, dass Gott einen besseren Plan für ihr Leben vorbereitet hat. Darum wird die Person in der Kirche auch so respektiert, wie sie ist und man versucht sie liebevoll dazu zu bewegen sich mit dem Thema auf christlicher Basis auseinanderzusetzen. Wenn Personen homosexuell leben wollen, ist dies ihre Entscheidung, die sie auch selber treffen müssen. Sie haben eine Eigenverantwortung für ihre Taten. Der Zehnte Auch das Spenden von Geld ist freiwillig. Uns liegt nichts daran, so viel Geld wie möglich zu bekommen. Besucher müssen selber entscheiden, wie viel Geld sie bereit sind zu geben, damit Gott etwas auf dieser Erde bewirken kann. In der Kritik wird oft der hohe Prozentsatz bemängelt. Man kann es ja auch so betrachten: Ein fairer Deal, dass sich Gott zehn Prozent von unserem Einkommen wünscht, denn 90 Prozent können wir behalten. Man kann dies mit dieser Metapher vergleichen: Wir bezahlen den Wirt in einem Restaurant (Gott) für das gute Essen (Wohlstand, Gesundheit, Zukunft etc.). Schätze im Himmel anzulegen zwingt die Besucher finanzielle Ordnung walten zu lassen und das Geld nicht für Falschausgaben (zum Beispiel viel zu hohe Handyrechnung) zu verwenden. So bekommen sie es besser in den Griff mit den Finanzen umzugehen. Die Geldmenge über zehn Prozent des Einkommens fliesst in Missionswerke weiter (an Bill Wilson, Pfarrer Sieber, auch Drogenentzugsarbeitsstelle Meilenstein). Der Fokus liegt aber vorerst auf Investitionen innerhalb ICF. Falls es Personen gibt, welche durch Irrtum, oder Übermut zu viel Geld in ICF gegeben haben, kann das Geld auch wieder zurückerstattet werden. Ratsam ist es bei Schulden, diese zuerst abzubezahlen, bevor man Geld in die ICF Kasse hineingibt. Wie stehen Sie zu der Kritik? Jede Kirche muss sich definieren und eine Ansichtsweise vertreten. Kein Sex ausserhalb der Ehe, keine Homosexualität und Abgabe des zehnten Teils des Einkommens sind Überzeugungen von ICF, Interpretationen der Bibel auf moderne Art, aber keine Gesetze. Wir denken, dass Gott uns mit diesen Empfehlungen zeigen will, wie man in seinem Sinn ein bestmögliches Leben führen kann. Wenn Menschen nicht mit Gott leben wollen, akzeptieren wir dies, sie müssen aber auch selbst die Konsequenzen tragen. Wir halten uns an den christlichen Glauben, weil Jesus auf dieser Erde anwesend war und nur er uns erlösen kann. Wir müssen keine Kriterien erfüllen um Gott zu gefallen und nichts für unsere Erlösung tun. Zudem sind die Erzählungen der Bibel zeitlich am nächsten an geschichtlichen Ereignissen. Der Glaube ist für uns wie ein guter Film von dem wir so begeistert sind, dass wir Freunden davon erzählen wollen. Firmen werben ja schliesslich auch mit ihren Produkten. Christen sollten sich dabei aber nicht von ihren Freunden abwenden und sich als etwas Besseres fühlen, sondern ihnen Tag für Tag mit Worten und Taten der Nächstenliebe Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 begegnen. Kritiker bezeichnen ICF zum Teil als zu wenig „kritisch“. Dies kann so herüberkommen. Wir lassen uns aber einfach nicht so schnell entmutigen und glauben an Wunder. Das Risiko bei sehr vielen Gottesdienstbesuchern ist, dass man keinen Überblick über die Menschenmenge hat. An ICF wurde kritisiert, dass nur gutaussehende Personen in Frage kommen, zur Mitarbeit in ICF beizutragen. Das Aussehen kann aber ganz klar kein Kriterium für das Auswählen von MitarbeiterInnen sein, sie werden nur über ihre Begabungen und Talente ausgewählt. Man kann aber trotzdem nicht ausschliessen, dass es Personen im ICF gibt, die nicht so denken. Was sind grundsätzliche Unterschiede zwischen ICF und den Landeskirchen?* Finanzierung Organisation: Formeller Unterschied Theologischer Unterschied ICF Nicht staatlich durch Steuergelder, sondern durch Spenden Verein mit nur vier Mitgliedern, keine offizielle Mitgliedschaft der Besucher Bekehrung zu ChristIn Es braucht Erlösung von Jesus für ewiges Leben Landeskirchen Staatlich angehörig, daher über Steuergelder der Mitglieder Mitglieder werden in Kirche hineingeboren auf Entscheid der Eltern Wird als ChristIn geboren Katholische Kirche sieht sich als alleinige richtige Kirche, Papst Vertreter von Jesus Wie ist das Verhältnis zu den Landeskirchen, was denkst du von streetchurch? Handlungen von Freikirchen werden aus der Sicht von Landeskirchen tendenziell als sektenhaft bezeichnet. Zur katholischen Kirche ist das Verhältnis distanziert, es gibt praktisch keine Berührungspunkte. In der evangelisch-reformierten Kirche gibt es Kirchen, die positiv, oder negativ zu ICF eingestellt sind und auch solche, die keine Stellung beziehen. Das Verhältnis ist aber grundsätzlich offen und entspannt, dass heisst man konkurrenziert sich nicht und stellt sich gegenseitig auch nicht unter Druck. Die streetchurch ist eine Reaktion der Landeskirchen auf ICF. Die Landeskirchen dachten, dass sie die Jugend schon verloren hätten und haben deshalb nicht versucht Gottesdienste attraktiv für die Jugend zu gestalten. ICF hat aber bewiesen, dass man Jugendliche auf moderne Art sehr wohl erreichen kann. Darum eifern die Landeskirchen ICF nach, damit es nicht heisst, dass sie sich nicht für junge Leute eingesetzt haben (Entstehung von Jugendkirchenprojekten der Landeskirchen). Wir freuen uns aber wenn neue Kirchen entstehen, die Jugendliche für Gott begeistern wollen. Wir pflegen daher auch ein gutes Verhältnis zu streetchurch, die theologisch grosse Ähnlichkeiten zu ICF aufweist. Der Leiter der streetchurch kommt aus der methodistischen Kirche, die z.B. auch Erwachsene tauft, Schwerpunkte und die Form der Jugendarbeit aber anders setzen. Streetchurch hat durch Sozialarbeit eine Kirche entwickelt (Zuerst Tat, dann Wort) und ICF hat die Verkündigung durch das Wort über die Stiftung erweitert (Zuerst Wort, dann Tat). Wie denkst du, entwickelt sich ICF in der Zukunft? Ich bin überzeugt, dass das riesige Potential, Ideen in der Kirche umzusetzen noch in zwanzig Jahren in der Gesellschaft relevant sein wird und zwar nicht nur in der Kirche Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 als Gebäude. Der Lifestyle von Menschen gehört genau so zur Entwicklung, denn sie sind Teil eines lebendigen Organismus und leben sieben Tage in der Woche als Christen. Dies hinterlässt Spuren: Gebäude der Kirchengeschichte in der Vergangenheit und Gegenwart sind kulturell anerkannt. Die zusätzlichen technischen Möglichkeiten werden sich bestimmt ausweiten. Vielleicht werden im ICF mehr holografische Übertragungen durchgeführt. Holografie ist eine Technik, durch die man Objekte dreidimensional darstellen kann. Das kann neuerdings auch in der Übertragungstechnik eingesetzt werden, so dass zum Beispiel jemand, der physisch gerade irgendwo anders ist, per holografische Übertragung in ein Fernsehstudio, oder eben auch in einen Kirchensaal übertragen werden kann. Holografie bringt aber den Nachteil mit sich, dass das Gemeinschaftsleben benachteiligt wird. 11.3 Telefonisches Interview mit Besucher, 30.03.2010 – ehemaliger ICF Wann und wie sind Sie dazu gekommen ICF Celebrations zu besuchen? 1997. Dort haben ICF nur rund 200 bis 300 Personen besucht. Freunde von mir haben mich damals in einen ICF Gottesdienst in Zürich eingeladen. Anfangs bin ich nur selten hingegangen, mit der Zeit aber immer häufiger und regelmässiger. Ich bezeichnete mich aber nicht als Mitglied von ICF, das heisst ich habe ICF nicht als meine alleinige Kirche angesehen. Im juristischen Sinne besitzt ICF sowieso keine Mitglieder. Mit meinen damaligen 17/18 Jahren fand ich ICF eine „gute Sache“. Die revolutionäre Art der Gottesdienste hat mich fasziniert. Das moderne Auftreten von ICF war in der Kirchenwelt Zürich noch unbekannt. Ideen für die Gestaltung der Celebrations werden bis heute von impulsgebenden Kirchen in Amerika kopiert und weiterentwickelt. Dadurch ist eine breite Palette von Angeboten vorhanden. Durch die Attraktivität von ICF ist die Kirche als Leitkultur für andere Kirchen geworden. Mich haben vor allem die verschiedenen abwechslungsreichen Workshops angesprochen. Wann haben Sie sich entschieden ICF nicht mehr zu besuchen? 2002 wurde das hierarchische Jüngersystem G12 radikal eingeführt. Meiner Meinung nach ist es eine Stärke von ICF, dass die Gottesdienste sehr organisiert ablaufen. Das G12-System bereitete mir aber Mühe. Die Einführung von G12 konnten auch viele andere Besucher von ICF nicht nachvollziehen. Durch das problematische System gerieten Besucher, die nicht danach leben wollten in Schwierigkeiten. Für viele war es auch eine Überforderung. Von einer etwa zwanzig Personen grossen Workshop Gruppe (Hauszellensystem mit Leiter, Gruppe trifft sich bei jemandem zu Hause) haben etwa zehn bis fünfzehn Jugendliche oder junge Erwachsene ICF über kurz, oder lang nicht mehr besucht. Auch ich habe keinen Sinn mehr dahinter gesehen, ICF weiterhin zu besuchen. Über die Zeitspanne nach der G12 Ausrichtung hat ICF etwa die Hälfte der Besucher verloren (Die Zahl hat sich nach der Abschaffung von G12 wieder stabilisiert). Ich war einer unter mehreren jungen Erwachsenen, der trotz des G12-Systems von der theologischen Ausrichtung und dem modernen Auftreten von ICF inspiriert war. Ich versuchte deshalb traditionellen Werten mit zeitgemässer Musik und Präsentationsformen sowie breiter Unterstützung mit Materialien, Coaches etc. u.a. auch mittels Internet kombiniert in einer Vineyard Kirche umzusetzen. Auch heute finde ich ICF eine fortschrittliche Freikirche. Die Lehre von ICF weist zwar auf eine schwarzweiss Haltung hin, aber sie ist auf die Bibel formiert. In meinen Augen kann ICF daher nicht als Sekte bezeichnet werden. Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 11.4 Mündliches Interview mit Susanne Schaaf – Mitarbeiterin der Beratungsstelle infoSekta, 26.03.2010 Was sind in ihren Augen Kritikpunkte an ICF? ICF zeigt einen grossen Kontrast zwischen Inhalt und Form der Predigten auf – die Kirche hat ein doppeltes Gesicht. Einerseits vermitteln die Pastoren mit ihrer „lässigen“ aufgestellten Art mit viel Humor die Botschaft der Predigt, die Stimmung ist locker und gelöst. ICF scheint unverbindlich. ICF ist in den Augen von Jugendlichen trendig und cool. Hinter der glitzernden und gewinnenden Oberfläche müssen die Gläubigen nach ICF strenge biblische Grundsätze erfüllen. Durch diese besteht zum Beispiel eine Verpflichtung zum Geld. Auf Wunsch der ICF- Besucher wird den Gläubigen durch einen Dauerauftrag automatisch Geld vom Konto abgezogen. Als ICF in das Maag Areal umgezogen ist, gab es einen moralischen Druck mehr Geld zu geben, um die Miete und Soundanlage am neuen Ort bezahlen zu können. Dies kann so zu Verschuldungen der ICF- Besucher führen. Ich denke, dass ICF auch nicht angemessen mit Leuten umgeht. Es mangelt an Sensibilität und Respekt, wenn Leute mit Suchtproblemen, physischen und psychischen Krankheiten als von Dämonen besessen bezeichnet werden. ICF gibt dabei klare Richtlinien vor, wie es nach Gott richtig ist, sich zu verhalten. Daher ist auch Konfliktpotenzial (z.B. Schuldgefühle bei Nichteinhalten) vorhanden, weil Homosexualität oder Sexualität vor der Ehe als Sünde angesehen werden. Aus meiner Sicht ist es auch problematisch, dass durch enge Beziehungen in der smallgroup, Besucher an die Gruppe gebunden werden können. Vor allem Leute in Lebenskrisen finden in den smallgroups Halt und sie beginnen ihr Umfeld auf ICF aufzubauen. Dabei besteht die Gefahr von Entfremdung von Familie und Freunden ausserhalb ICF. Auf die Kritik an ICF geht Leo Bigger aber gar nicht ein. Er nimmt sie auch nicht ernst. Im Verhältnis machen die Kritikpunkte (v.a. Dämonenglaube und Vorstellung von Verlorengehen von Nicht-Bekehrten) aber nur etwa 20 Prozent aus. 80 Prozent ist an ICF nicht zu bemängeln. ICF gibt Gläubigen die Möglichkeit in der Kirche mitzuwirken und ihren Glauben leben zu können. Das moderne Auftreten im amerikanischen Stil zieht viele Jugendliche an, die in der Kirche neuen Sinn für ihr Leben finden. Welche Personen melden sich bei infoSekta, um etwas über ICF zu erfahren? Meist besorgte Angehörige (Eltern, Geschwister) der Jugendlichen , aber auch Personen aus dem Freundeskreis. Der/die Jugendliche hat sich plötzlich sehr verändert durch die Begeisterung für ICF. Dies alarmiert Angehörige und Freunde, die deshalb mehr über ICF herausfinden wollen. Viele Jugendliche geraten in einen Sog, sie lassen sich für die Begeisterung an ICF mitreissen. Dadurch, dass sie ICF durch eine „rosarote Brille“ sehen, hinterfragen sie ICF nicht kritisch. Dies macht Angehörigen und Freunden Angst. Oft wird gefragt, ob ICF eine Sekte sei, denn Schubladendenken ist bei Menschen sehr beliebt. Die Frage kann ich aber nicht mit ja beantworten. Der Begriff „Sekte“ ist auch nicht genau definiert. Die erwähnten Kritikpunkte haben sektenhafte Tendenzen. ICF kann aber nicht auf die Stufe von Scientology gestellt werden. Wie entwickelt sich ICF in den nächsten Jahren ihrer Meinung nach? Das Angebot von ICF wird wahrscheinlich so bestehen bleiben, wenn nicht noch mehr ausgeweitet werden. Falls Leo Bigger nicht mehr Pastor bei ICF wäre, könnte es eine grosse Veränderung geben, weil der Erfolg von ICF stark von Leo Bigger abhängt. Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Besteht durch ICF ein Druck auf die Landeskirchen? Ist die streetchurch ein Gegenentwurf zu ICF? Ich denke schon, dass ein gewisser Druck besteht. Die Landeskirche müssen ihr Angebot auch attraktiv gestalten, um mit ICF mithalten zu können. Dadurch ist auch streetchurch entstanden. Streetchurch ist eher eine Alternative zu ICF. Die moderne Gestaltung wurde von ICF abgeschaut. In der Glaubensbasis unterscheiden sich die Kirchen aber. Für mich sind die Landeskirchen allgemein nachdenklicher, individueller und schauen auch auf die verletzliche Seite der Mitglieder. 11.5 Mündliches Interview mit Georg O. Schmid – Sektenexperte der Sekteninformationsstelle relinfo in Rüti, 06.05.2010 Wie ordnen Sie ICF ein? ICF ist gewissermassen der „Rolls Royce“ in der Schweizer Kirchenlandschaft– keine andere Kirche nimmt pro Anhänger so viel Geld ein wie ICF. Bis ins Jahr 2002 galt ICF unter Sektenexperten als normale Freikirche. Mit der Einführung des G12-Systems änderte sich das aber, weil das G12-System an Strukturen erinnert, wie sie Sekten kennen. Allerdings wurde das G12-System nicht bei allen Ablegern von ICF Zürich umgesetzt. So führte der ICF Zürcher Oberland das G12-System nicht ein, was ich natürlich positiv vermerke. Fakt ist, dass kein Freikirchenverband ausser den Migrationsgemeinden afrikanischer, südamerikanischer oder asiatischer Kirchen in den letzten fünf Jahren nachhaltig gewachsen ist. Die Besucherzahl von ICF Zürich hat in den Jahren 1996 bis 2002 stark zugenommen. Der Stand von 2002 wurde seither aber nicht mehr erreicht.Das Christentum schrumpft in der Schweiz stark. ICF kann diesen Trend zur Sakulärisierung auch nicht verhindern. Das Christentum ist bei den Jugendlichen nicht modern, und es ist schwierig, dies zu ändern. Es besteht ein Druck auf alle Kirchen, weil viele Jugendliche sich nicht für die Kirche begeistern können. Würde ICF das Rezept kennen, wie junge Menschen fürs Christentum zu begeistern wären, würde ICF von allen anderen Kirchen noch so gerne kopiert.ICF arbeitet zwar zielgruppenorientiert und nimmt auf den Mainstream-Musikgeschmack Rücksicht. Dennoch gelingt es ICF kaum, Menschen zu gewinnen, die nicht schon christlich sozialisiert sind. Ich schätze, dass etwa 80 Prozent der Besucher von ICF Zürich in einer Freikirche aufgewachsen sind, und das nur je 5 Prozent von den Landeskirchen zu ICF hinzustossen. Da die kirchenfernen Jugendlichen weder von den Landeskirchen noch von ICF wirklich erreicht werden können, besteht in diesem Bereich kaum Konkurrenz zwischen ICF und den Landeskirchen. Es geht allen schlecht, alle sitzen im „gleichen Boot.“ Wie sehen Sie das Verhältnis von ICF zu der evang.-ref./kath. Kirche? Die katholische Kirche hat gegenüber freikirchlicher Theologie, wie sie auch der ICF vertritt, grundsätzliche Vorbehalte. Daher ist das Verhältnis zu ICF eher distanziert. ICF wird als eine unter vielen Freikirchen angesehen. In den evangelisch-reformiert Kirchen finden sich ICF gegenüber ganz verschiedene Haltungen: Pfarrerinnen und Pfarrer, die selbst dem Evangelikalismus und der Charismatik nahe stehen, sehen ICF zum Teil sehr positiv. Was sind Kritikpunkte an ICF? Kritik an ICF wurde vor allem zur Zeit laut, als ICF sich an dem G12-System orientierte. Die G12-Struktur wies sektenhafte Strukturen auf (z.B. Kontrolle durch Mentorensystem, pyramidenartiger und hierarchischer Aufbau). Das G12-System wurde seither umgestaltet, so fiel die Pflicht weg, selbst zwölf Leute für den ICF anzuwerben. Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Des Weiteren wurde die Geschlechtertrennung gelockert, so dass Ehepaare nun dieselbe Kleingruppe besuchen können. Erhalten blieb in vielen ICF aber das Mentoring-System, das von Sektenexperten kritisch gesehen wird: Wenn jeder ICFler eine Mentorin, einen Mentor erhält, dann hat das die positive Auswirkung einer persönlichen Betreuung, aber auch die negative einer intensiven Überwachung. In unserer Beratungsarbeit hören wir immer wieder davon, dass Mentorinnen und Mentoren ausstiegswilligen ICFlern noch über längere Zeit "auf die Bude steigen". Solches wirkt sektenhaft und hat in meinen Augen mit biblischem Christentum nichts zu tun. Kritiker aus anderen Freikirchen sehen ICF quasi als parasitäre Kirche, die überall dort aktiv wird, wo schon blühende Freikirchen bestehen, um diesen dann die Leute abzuziehen. Als Beispiele genannt werden hierzu etwa Rapperswil oder jetzt unlängst Winterthur. Landeskirchliche Kritiker verweisen auf das fundamentalistische Bibelverständnis und auf die Zehntenforderung, sowie auf den oft ruppigen und ordinären Stil mancher ICFPastoren. Ich persönlich als Vertreter des Zürcher Liberalismus schätze an modernen Freikirchen ihr engagiertes und munteres Glaubensleben. Freikirchen sind da stark, wo sie ihren eigenen Glauben leben und beschreiben. Sie sind aber wegen ihres fundamentalistischen Bibelverständnisses dort schwach, wo sie sich zu anderen Glaubensformen äussern. Hier zeigt sich, auch bei ICF, viel Abwertung Andersdenkender. Als liberaler Christ und als Sektenexperte lehne ich ferner jeden Zwang in Glaubensfragen ab. Wenn ICF etwa lehrt, dass Gottes Segen nur dann erwartet werden kann, wenn man ICF den Zehnten zahlt, dann handelt es sich hier in meinen Augen um einen sowohl theologisch als auch sektenkundlich inakzeptablen Druckversuch. Weiter empfinde ich die undemokratische Struktur von ICF Zürich als problematisch. Wie häufig wird in relinfo nach ICF gefragt? Etwa 1-2 Mal pro Monat. Die Zahl hat gegenüber den Neunzigerjahren abgenommen, weil sich viele Menschen heute direkt im Internet informieren -z.B. auf unserer Website www.relinfo.ch. Bei Infostellen nachgefragt werden heute vor allem Organisationen, zu denen sich im Web nichts oder nur wenig Aussagekräftiges findet. 11.6 Mündliches Interview mit Frédéric Légeret – Jugendarbeiter der evangelisch-reformierten Kirche Dübendorf, 21.04.2010 Wie ist die Jugendarbeit der evang.- ref. Kirche Dübendorf aufgebaut, was sind die Ziele? Die Jugendarbeit ist nach dem religionspädagogischen Gesamtkonzept (rpg) aufgebaut. Das Konzept versucht die Kinder- und Jugendarbeit in den evang.- ref. Kirchen im Kanton Zürich zu vereinheitlichen. Jede Kirche kann aber autonom bestimmen, wie sie das Konzept nach den Vorgaben umsetzen soll. Grundsätzliche Ziele sind, den Jugendlichen eine Heimat in der Kirche zu geben und ihnen zu helfen sich im Glauben auszudrücken und ihre eigene Sprache zu finden. Die evang.- ref. Kirche möchte den Jugendlichen gemäss rpg: • Religiöses Wissen und Traditionen weitergeben • Grundformen des christlichen Glaubens lehren • Biblisches Wissen vermitteln • Erfahrungen mit dem Glauben machen Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Im Alter von 12 – 16 Jahren sollen sich die Jugendlichen mit ihrer Identitätsfindung im Leben, sowie im Glauben beschäftigen und Schöpfung, Befreiung und Versöhnung erfahren. Sie sollen mit der evang.- ref. Kirche gemeinsam unterwegs sein, in einer partnerschaftlichen Beziehung, die sich durch gegenseitiges Geben und Nehmen auszeichnet. Über 16 Jährige haben die Möglichkeit selbst Verantwortung in der Kirchgemeinde zu übernehmen. Sie können sich zum Beispiel in der Leitung der Konflager aktiv einbringen. Die Jugendlichen werden dazu motiviert, ein Leben in der Gemeinschaft mit Gott zu führen. Viele Jugendliche sind in ihrem Glauben noch nicht gefestigt. Sie befinden sich von verschiedenen Standpunkten der Entwicklung aus auf einer individuellen Suche nach Gott. Sie befinden sich von der Taufe bis zur Mündigkeit in der Kirche, der Konfirmation, auf einem Ausbildungsweg. Was gibt es für Unterschiede zwischen der evang.- ref. Kirche und ICF?* Ergänzungen zur Tabelle des Interviews mit Daniel Linder: Unterschiede in: Religiöse Vermittlung Schwerpunkte auf christlichen Werten Akzeptanz in Gesellschaft Mitgliedschaft, Besucherzahlen Möglichkeit um Beziehungen zu pflegen Auftreten Evang.- ref. Kirche Eher ruhig, zurückhaltend, traditionell, altmodisch Offen, verschiedene Ansichten, weniger radikal legt sich nicht genau auf Glaubenselemente fest, liberal Wird akzeptiert etabliert durch lange Kirchengeschichte, seriös kann aber aufgrund Strukturen nicht schnell handeln Mitgliedschaft rückläufig, grosse Abwanderung in reichere Gemeinden+ Durch Abdankungen, Beerdigungen mit vielen Leuten in Kontakt Gemeindeleiter Leo Bigger von ICF Zürich mit „Drive“, guter Ausstrahlung und Charisma× ICF Modern,viel Multimediaeinsatz Bibel wird wortwörtlich in die heutige Zeit interpretiert Nur teilweise akzeptiert, dafür innovativ und progressiv, flexibel, mehr Möglichkeiten Keine Mitglieder, aber gut besucht Kein so grosses Kontaktfeld Mehrere Pfarrer, keiner tritt hervor Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Unterschiede in: Finanzen Evang.- ref. Kirche Nicht von Spenden abhängig, weniger innovativ Sarah Aemisegger, N6 ICF Pfarrer verdienen wahrscheinlich weniger, Kirche muss innovativ sein, auf Spendengelder angewiesen + In reicheren Gemeinden vor allem am Zürichsee geschieht eher Wachstum der ev.-ref. Kirchgemeinden durch finanziell stärkere Schweizer Familien. Dübendorf: Von den 7000 Mitgliedern besucht der Durchschnitt wenn überhaupt 1-2 Mal jährlich einen Gottesdienst. An den traditionellen Gottesdiensten sind meist nur 50 bis 60 Leute über 55 Jahren anzutreffen. Es arbeiten aber bis zu 200 Leuten in der Kirche mit, welche die Gottesdienste nicht unbedingt besuchen × Hinterfragungswert: Was passiert wenn Leo Bigger abtritt? Sind die Besucher bereit sich von einem anderen Pastor leiten zu lassen? ICF könnte zerbrechen, aber auch aufblühen Was sind aus deiner Sicht Kritikpunkte an ICF?* • Geld Ich finde Aussagen zur Abgabe des 10. Teils heikel formuliert. Wenn die Menge von Geld, das man ICF spendet, von der Liebe zu Gott abhängig ist, kann dies problematische Folgen für Leute haben, die nicht differenziert mit dem Thema „Glaube und Geld“ umgehen können.Ich unterstütze aber die Aussagen, dass Gott der Versorger der Menschen ist und er in Finanzproblemen weiterhelfen kann. • Entfremdung vom sozialen Umfeld ausserhalb von ICF Es soll auch nicht geschehen, dass Jugendliche das soziale Umfeld ausserhalb von ICF verlieren. Abgesehen von einigen problematischen Bereichen, finde ich die Kirche im Grossen und eine gute Kirche. Kritik in den Zeitungen ist oft negativ ausgerichtet; die Journalisten oft kirchenkritisch. Dies kann dazu führen, dass der Leser ein falsches Bild von ICF bekommt. Anderseits ist es eigentlich klar, dass Menschen, die nicht an Gott glauben, Kirche nicht verstehen können. Besteht durch ICF ein Druck und Konkurrenz auf die evang.- ref. Kirche? Einen Druck bestimmt. Es ist eine Herausforderung, dass ICF Zürich sehr nahe gelegen ist und Jugendliche von dem attraktiveren Programm in Zürich profitieren können. Nur eine sehr kleine Minderheit der ev.-ref. Jugendlichen von Dübendorf besuchen ICF. Von den Konfklassen (bis zu 60 Konfirmanden) beteiligen sich nur ca. 5-10 Jugendliche nach der Konfirmation weiter an kirchlichen Anlässen. Eine Konkurrenz sofern, dass wir uns hinterfragen, wie wir unser Angebot abändern müssen, dass wir trotz ICF attraktiv sind. Damit haben wir aber einige Schwierigkeiten. Die Jugendgottesdienste „Praise Jam“ haben wir wegen mangelnder Kapazität abgeschafft. Der Aufwand stimmte nicht mit dem Ertrag überein. Das Angebot K16+ für bereits konfirmierte Jugendliche kann man stückweise als eine Reaktion auf ICF bezeichnen. Wir versuchen das Angebot durch Surfcamps, Kulturreisen, Winterweekends, Leitung in Konfirmandenlagern etc. attraktiv gestalten, um die konfirmierte Jugendliche, zu denen wir oft den Kontakt verlieren, wieder erreichen wollen. In der Gestaltung von K16+ können Jugendliche die Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Kirche durch ihre eigenen Ideen prägen. Falls wir die Jugendliche trotzdem nicht mit den Angeboten erreichen können hoffen wir darauf, dass Jugendliche in ihrem späteren Leben durch ihre Lebensumstände wieder Kontakt zu der evang.- ref. Kirche finden können (Heirat, Todesfall, Lebenskrise etc.) 11.7 Mündliches Interview mit Benjamin Stückelberger – Pfarrer mit Schwerpunkt Jugendarbeit, in der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Meilen, 25.06.2010 Wie ist die Jugendarbeit der evang.- ref. Kirche Meilen aufgebaut? Wir verfügen über ein stufengemässes Angebot für jede Altersstufe. Wir begleiten Kinder bereits im Alter von sechs Monaten. Das Angebot für junge Erwachsene bewegt sich im Raum bis zu 25 Jahren. Diese lange Zeitspanne bringt uns den Vorteil Jugendliche sehr lange begleiten und so eine enge Beziehung zu ihnen aufbauen zu können. Was sind Ziele der Jugendarbeit? Wir möchten, dass Jugendliche das Evangelium auf spielerische Art (Lieder, Gebet, Spiel und Spass) erleben und nicht nur einfach hören. Ziel ist es auch, die Jugendlichen zu motivieren Verantwortung zu übernehmen und Reife zu zeigen (Gespräche führen, Lager leiten). Wie bringen sich die Jugendlichen in die Kirche ein? Sie sind meistens an Dorfveranstaltungen mit Ständen und Aktivitäten präsent; sogenannte Jungleiter wirken im Konfirmationsunterricht, oder wie schon erwähnt in Lagern mit. Wie viele Jugendliche sind es etwa, die sich engagieren, oder an kirchlichen Aktivitäten teilnehmen? Bis zu 50 Personen. Sie werden aber schon dazugezählt wenn sie sich mindestens einmal im Jahr für eine Stunde eingesetzt haben. Etwa 20 Prozent der Konfirmanden (recht hoher Prozentsatz) beteiligen sich an kirchlichen Aktivitäten. Ab und zu laden diese auch weitere Freunde ein (eher die Ausnahme). 90 Prozent der Teilnehmer an Aktivitäten sind ehemalige Konfirmanden. Sommerlager, vor allem ein Segellager hat besonders viele Teilnehmer, weil es zu einer sehr beliebten Freizeitaktivität der Jugendlichen gehört. Es helfen auch etwa acht bis zehn Jugendliche an den Teenagergottesdiensten“ rise up“ mit. Zudem besuchen auch etwa 40-55 Personen den Jugendclub CLJK (Club Lebendiger Jugendlicher in der reformierten Kirchgemeinde Meilen). Was ist die Motivation der Jugendlichen? Faktor für die Motivation ist sicher ihre Integrität in den Kollegenkreis. Durch sogenannte Peergroups verspüren sie Gruppenzugehörigkeit zu anderen Jugendlichen ähnlichen Alters und ähnlicher sozialer Herkunft. Wie bekennen sich die Jugendlichen zur Kirche? Die Kirche ist für sie ein Ort, um tolle Erfahrungen zu sammeln und das Evangelium zu erleben. Sie finden die Jugendgottesdienste „cool“, weil sie befähigt sind Verantwortung zu übernehmen und Lager mitzugestalten. Sich mit Glaubensfragen Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 auseinanderzusetzen ist kein Hauptfaktor und steht nicht im Vordergrund. Am Sonntagmorgen sind sie auch nie in der Kirche anzutreffen. Wird ICF Zürich als Konkurrenz angesehen. Geschieht eine Abwanderung? Zu beiden Fragen: Nein. In der evang.- ref. Kirche Meilen sind zwar zwei bis drei Jugendliche in ICF engagiert. Dies bewirkt aber noch keine Abwanderung nach dem von Meilen eher weiter weg gelegenen Zürich. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass die Kirchen im Umfeld der Stadt Zürich mehr Druck durch ICF Zürich verspüren. Mit der Konfirmandenklasse haben wir auch einmal eine Celebration in Zürich besucht. Die Jugendlichen waren von dem fremden Frömmigkeitsstil etwas abgeschreckt und haben sich nicht sehr wohl gefühlt. Unbekanntes macht ihnen Angst. Auch Eltern der Jugendlichen sind oft kritisch gegenüber ICF. Sie befürchten eine Entfremdung ihres Kindes. Sie sagten auch klar, dass der Gottesdienst von ICF nicht ihre Art sei. Ich bin mir bewusst, dass jede Kirche nur einen bestimmten Sektor von Jugendlichen ansprechen kann. Ich finde es daher gut, dass es verschiedene Arten von Jugendarbeit gibt. ICF kann dadurch wieder andere Jugendliche erreichen als die evang.- ref. Kirche Meilen. Es besteht also kein Druck durch ICF sich mehr nach der Freikirche zu orientieren? Nein, wir wollen weder moderner noch frommer werden. Wieso auch? Die Gottesdienste werden gut besucht und die Jugendarbeit ist zeitgemäss und lebendig. Finanziell gehört Meilen zu den reicheren evang.- ref. Kirchen im Kanton Zürich. Durch die finanzielle Möglichkeit können die Angebote attraktiv gestaltet werden. Die Jugendarbeiter pflegen einen guten Draht zu den Jugendlichen. Ein Faktor zur erfolgreichen Jugendarbeit ist auch, dass sich ein ganzes Pfarramt darauf fixiert und nicht nur einzelne Jugendarbeiter angestellt sind. Was halten Sie persönlich von ICF? Der Umgang mit Technik und Multimedia ist bewundernswert. Ich bin aber trotzdem kritisch gegenüber manchen Inhaltsformen der Lehre von ICF. Mit dem G-12 System bin ich überhaupt nicht klargekommen, weil es sektenhafte Züge aufweist. Ich finde es sehr problematisch, wenn Jugendliche durch Gruppendruck den zehnten Teil ihres Geldes an ICF spenden, oder jeden Sonntag eine Celebration besuchen, weil sie ihre Freunde mitziehen und sie sonst etwas verpassen könnten. 11.8 Mündliches Interview mit Pfarrer Markus Giger – Leiter streetchurch, Arbeitszweig der evang.- ref. Kirche Zürich,09.04.2010 Durch welche Beweggründe ist streetchurch entstanden? Vor sieben Jahren (2003) bestand das Bedürfnis des Parlaments der evangelischen Synode nach einer neuen Form von Jugendgottesdiensten, mit einem sozialdiakonischen Begleitangebot. Vor allem Jugendliche im Alter von 17-25 Jahren aus Familien mit Migrationshintergrund (aus unterschiedlichster Herkunft wie Afrika, Südamerika, Karibik, Albanien, Türkei etc.), die aufgrund einer belasteten Biografie, schwerwiegender Probleme (Schulden, Alkohol- und Drogenprobleme etc.) und aktueller psychischer Labilität durften jahrelange Begleitung erfahren. Der monatliche Gottesdienst in der St. Jakob Kirche steht deshalb auch nicht im Vordergrund. Streetchurch soll für die Jugendlichen in schwierigen Situationen im Alltag da sein. Wir sind der Ansicht, dass wir uns als protestantische Kirche im Auftrag Jesu um schwächere und benachteiligte Jugendliche kümmern sollten. Wir wollen Hoffnungslosen Hoffnung geben. Hoffnung, dass sie ihren Alltag mit Gott und unserer Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Hilfe bewältigen können. Die meisten Jugendlichen, welche zu uns kommen, interessieren sich zwar anfangs nicht für Gott. Einige aber öffnen sich mit der Zeit und beginnen sich für den christlichen Glauben zu interessieren. Wie helft ihr den Jugendlichen weiter? Durch das Fensterputzprojekt „saubere Jungs für saubere Fenster“ haben arbeitslose Jugendliche die Möglichkeit neue Arbeitserfahrungen zu machen, in dem sie Fenster von Kunden (Privatpersonen und auch Firmen) reinigen. Zum Teil können die Jugendlichen auch Gartenarbeiten und andere Aufträge verrichten. Viele werden durch Komplimente von den Arbeitsgebern motiviert, bekommen wieder neues Selbstwertgefühl und neue Hoffnung auf einen Job. Viele der Jugendlichen, die Hilfe in der streetchurch suchen, sind nicht in den Arbeitsmarkt integriert. Acht bis zwölf von ihnen können wir einen Platz anbieten. Arbeitsintegrationsprojekte wie die Fensterputzaktion florieren gut. Zurzeit haben wir Aufträge von über 1200 Kunden. Für mich persönlich ist es ein zentrales Anliegen, dass die Jugendlichen auch mit dem christlichen Glauben in Berührung kommen. Wer will, kann belastende Erlebnisse in der Seelsorge mit mir aufarbeiten. Gespräche unter vier Augen sollen die Jugendliche über die schmerzlichen Erlebnisse von Scham und Bedrücktheit befreien, ihren Schmerz lindern, oder sie zumindest erleichtern. In der Sozialberatung werden die jungen Besucher in Alltagsfragen unterstützt. Sie bekommen durch Gespräche und praktischer Hilfe neue Motivation sich mit ihren Schulden (ungeöffnete Briefe mit Mahnungen und Betreibungen) und anderen Problemen auseinanderzusetzen. Bei persönlichen Problemen wie Konflikte, Ängste, Depressionen, Sucht etc. können sich die Jugendlichen auch bei der psychologischen Beratungsstelle von streetchurch melden. Zum Teil werden Jugendlichen auch in Drogenrehabilitationszentren vermittelt. Seelsorge und psychologischen Beratung sind kostenlos und Informationen werden vertraulich behandelt. In LifeSchool (Module in Gruppen von 2-10 Personen) lernen die Jugendlichen vertieft die Aufgaben des Alltages zu meistern. Durch die Module lernen sie zum Beispiel wie man Rechnungen einbezahlt und auf was man bei der Jobsuche achten muss. In streetchurch haben begabte Jugendliche die Möglichkeit, in den Gottesdiensten ihr Talent weiter zu geben (singen, rappen, breakdancen etc.) Durch das Projekt PrisonHope werden auch gesellschaftlich am Rand stehende Jugendliche in Gefängnissen und geschlossenen Einrichtungen angesprochen. Es werden gratis Single-CDs, von einem Sänger von streetchurch produziert, verteilt, um die Jugendlichen mit Gottes Botschaft zu berühren, ihnen neue Hoffnung zu geben und sie dazu anzuregen sich mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen. Durch die aufwendige sozialdiakonische Begleitung (60- 80Jugendliche werden begleitet) hat die Anzahl der Mitarbeiter in streetchurch stetig zugenommen. Momentan arbeiten bis zu vierzehn Personen voll- oder teilzeitlich bei streetchurch. Was sind die Unterschiede zu ICF? Eine breitere Schicht von durchmischtem Publikum besucht streetchurch. Der Arbeitszweig der evang.- ref. Kirche Zürich verfügt über keinen Gemeindeaufbau (keine smallgroups oder andere Gefässe, wie z.B. Hauskreise, in denen sich die Mitglieder regelmässig treffen). Die Glaubensbasis ist vor allem verschieden, wie allgemein zwischen Freikirchen und evang.- ref. Kirchen. ICF ist radikaler ausgerichtet, moralische Aussagen der Bibel nehmen einen grösseren Stellenwert ein. ICF Zürich ist auch stark durch Leo Biggers Persönlichkeit geprägt. Streetchurch hält sich in dieser Beziehung bewusst zurück. Wir können viel voneinander lernen. Wir tauschen uns zwar nicht intensiv aus, aber wir kennen und respektieren uns. Mitarbeiter von streetchurch haben ICF besucht und umgekehrt. Ziel ist es nämlich uns gegenseitig zu unterstützen und Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 nicht zu kritisieren. Vom organisatorischen Aufbau her hat streetchurch von ICF gelernt; zum Beispiel das Einsetzen von Multimediaelementen. ICF geht aber viel professioneller mit dem Umgang von Technik um. Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt. Streetchurch legt wie ICF einen grossen Wert auf moderne Musik, die Musikstile unterscheiden sich aber. In streetchurch ertönt mehr Gospel, Blackmusic, R’n‘B und Hip Hop aus den Boxen. Ein Austausch geschieht auch auf sozialdiakonischer Ebene. Ich denke, dass ICF das starke sozialdiakonische Engagement von streetchurch zum Vorbild für ihr ACTS-Programm genommen hat. Die Gottesdienste sind weniger gut besucht, als diejenigen von ICF. Es nehmen aber auch 150-500 Leute teil, darunter auch Konfirmandenklassen. Streetchurch betreibt kein „church planting“, das heisst, streetchurch hat keine Ableger an anderen Orten wie ICF. 11.9 Mündliches Interview mit Markus Holzmann – Verantwortlicher für Jugendarbeit der Jugendseelsorge der katholischen Kirche im Kanton Zürich, 11.05.2010 Wie ist die Jugendarbeit der katholischen Kirche im Kanton Zürich aufgebaut, was sind Ziele? Die Pfarreien im Kanton Zürich sind Träger ihrer Jugendarbeit. In der Regel arbeiten sie nach einem Konzept, welches sich an der Magna Charta, dem Grundlagenpapier einer gelingenden Jugendarbeit in der deutschsprachigen Schweiz, orientiert. Viele Pfarreien haben professionelle Jugendarbeiter und Jugendarbeiterinnen angestellt, diese werden von der Jugendseelsorge Zürich fachlich begleitet und unterstützt. Die kirchliche Jugendarbeit gliedert sich in offene und verbandliche Jugendarbeit. In der offenen Jugendarbeit können die Jugendlichen durch Theater- und Musikprojekte, Ferien- und Wochenendangebote, Jugendcafés etc. unverbindliche Gemeinschaft mit anderen Jugendlichen, unabhängig von Konfession und Religion, pflegen. Zur verbandlichen Jugendarbeit in der katholischen Kirche gehören Jungwacht Blauring und der VKP (Verband katholischer Pfadfinder). Jungwacht Blauring ist mit 31000 Mitgliedern der grösste katholische Kinder und Jugendverband in der Schweiz. Das Leben in Jungwacht Blauring spielt sich vorwiegend in der Kindergruppe mit Gleichaltrigen ab, die sich in der Regel wöchentlich treffen. Alle Kindergruppen einer Pfarrei bilden zusammen eine Schar. Geleitet werden die Kindergruppen und die Schar von Jugendlichen zwischen 16-22 Jahren, die in verbandsinternen Leiterkursen von Jugend + Sport ausgebildet werden. Die alljährlichen Höhepunkte einer Schar sind die Lager. Mit Sack und Pack vereist die ganze Schar für eine oder zwei Wochen ins Sommer-, Herbst oder Winterlager. Eine Besonderheit in der katholischen Jugendarbeit sind die Ministrantinnen und Ministranten. Ihnen kommt eine besondere Aufgabe zu, nämlich die Mitgestaltung von Gottesdiensten. Ministranten gibt es fast in jeder Pfarrei, an vielen Orten treffen sie sich neben dem ministrieren auch zu Gruppenstunden, zu Ausflügen, Weekends und Lager. Kirchliche Jugendarbeit möchte Jugendliche ermutigen ihren eigenen Fähigkeiten und Ressourcen zu vertrauen. Sie geht davon aus, dass in jedem Menschen das Göttliche vorhanden ist, darum schafft sie bewusst auch Räume, damit spirituelle und religiöse Themen, Fragen und Ausdrucksformen ihren Platz haben können. Sie möchte Jugendliche begleiten, damit sie solidarische, freie, verantwortliche und selbstbewusste Menschen sein können. Zur Attraktivität von International Christian Fellowship (ICF) Sarah Aemisegger, N6 Was für eine Rolle spielt ICF in der katholischen Kirche, besteht ein Druck durch die grosse Attraktivität? Im Alltag der Pfarreien spielt ICF keine grosse Rolle. Die katholische Kirche ist ICF gegenüber eher abgeneigt und kritisch. Konkurrenz besteht aus meiner Sicht jedoch kaum, Kirchliche Jugendarbeit möchte Jugendliche nicht missionieren oder instrumentalisieren, Es wird in der Regel auch mehr Wert auf Gruppenerlebnisse und nicht sosehr auf Grossanlässe gelegt. Von Abwanderung zu ICF kann man sicher nicht sprechen, denn die meisten Jugendliche in ICF stammen aus dem freikirchlichen Milieu und nur ein kleiner Teil aus der katholischen Kirche. Natürlich leidet die kirchliche Jugendarbeit darunter, dass immer mehr Jugendliche sich von den Landeskirchen abwenden. Der grosse Erfolg von ICF stellt deshalb auch eine Herausforderung für die Jugendarbeit dar. Jedoch weniger für verbandliche oder offene Jugendarbeit, viel mehr was Gottesdienste und Jugendliturgien betrifft. Von der Aufmachung und Präsentierung der ICF Gottesdienste kann auch die katholische Kirche sehr viel lernen, jedoch sicher nicht vom Inhalt. Inspiriert durch den Erfolg von ICF haben auch die evangelisch-reformierte, wie auch die katholische Kirche im Kanton Zürich verschiedene Projekte wie z.B die Jugendkirchen mit Erfolg initiiert. Die kath. Jugendkirche „Jenseits“ im Viadukt in Zürich legt grossen Wert darauf, junge Erwachsene, welche sich nach der Firmung von der Kirche verabschiedet haben (wenn sie nicht in einem Jugendverband sind, haben sie wenig bis kein Kontakt zur Kirche) durch kulturelle, soziale aber auch zeitgemässe religiöse Angebote zu erreichen. Die Gottesdienste unterscheiden sich zwar inhaltlich von denjenigen von ICF, es wird aber auch vermehrt Wert auf Ästhetik im Gottesdienst gelegt, dazu gehören u. A attraktive und zeitgemässe Musikstile sowie eine jugendästhetische Gestaltung der Kirchenräume. Könnten Sie mir kurz Kritikpunkte aus der Sicht katholischer Kirchen im Kanton Zürich erläutern? • Inhalt wirkt missionarisch und anbiedernd • Das Gottesbild, welches vermittelt wird, ist zu einseitig. Gott erscheint als der grosse Moralwächter • Das wortwörtliche Bibelverständnis ist problematisch • Die kath. Kirche wird oftmals wegen ihrer konservativen/strengen Haltung kritisiert. ICF pflegt aber viel strengere Moralvorstellungen. Die Einteilung von Gut und Böse, von Himmel und Hölle ist sehr problematisch. • Jugendliche suchen nach Antworten, die ihnen im Leben Sinn und Hoffnung geben. Die Antworten, welche sie von ICF bekommen, erscheinen mir angesichts der Komplexität der Wirklichkeit als viel zu einfach. Es ist ein typisches schwarz-weiss Denken vorhanden • Die fundamentalistische Tendenzen lehne ich ab • Soziales und politisches Engagement, welches gerade für die christliche Botschaft zentral ist, wird dort kaum realisiert. * Informationen mit einem Stern wurden der Übersichtlichkeit halber nochmals bearbeitet