E.Lichtenberger
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E.Lichtenberger
WIRTSCHAFTS- UND SOZIALGEOGRAPHIE WIRTSCHAFTSINFORMATIONEN Prof. Mag. Wolfgang Sitte – Dr. Christian Sitte Stadträume in den USA em. Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Lichtenberger (Uni Wien)* Städte sind wachsende Systeme: Hierbei sind zwei Regelkreise zu unterscheiden, die einerseits von der Zunahme der Bevölkerung und andererseits vom zunehmenden Flächenbedarf für die städtischen Funktionen (Wohnen, Arbeiten, Bildung, Freizeit, Verkehr usw.) unter den jeweiligen Gegebenheiten von wirtschaftlichem Wachstum un technischer Innovation gesteuert werden. Die politökonomischen Effekte von Plan und/oder Markt bewirken wichtige Unterschiede des Wachstums der physischen Stadtstruktur. Im folgenden werden in vereinfachter Form die Effekte des Privatkapitalismus, des ehemaligen Staatskapitalismus und von sozialen Wohlfahrtsstaaten auf das Stadtwachstum dargestellt. 1. Brachflächen in den USA Im privatkapitalistischen Gesellschaftsystem der USA gehört es implizit zu den Mechanismen des Wachstums von Städten, daß die von der Privatwirtschaft aus der Bodenspekulation und damit den steigenden Bodenwerten gemachten Gewinne dazu verwendet werden, den Prozeß der Aufschließung voranzutreiben und in technische Einrichtungen zu investieren. Damit wird eine sich aufwärts drehende Spirale in Gang gesetzt. Die Aufschließung bewirkt ein weiteres Ansteigen der Bodenpreise in randlichen Lagen, wodurch weitere Gewinne erzielt werden. Konkret bedeutet dies, daß im nordamerikanischen Stadtsystem zwei breite Spekulationszonen vorhanden sind: Auf die innere Spekulationszone um das Stadtzentrum (CBD), welches gegenwärtig durch Verfall und Slumbildung in großen Kernstädten gekennzeichnet ist, wurde schon eingegangen, ebenso auf die Anlage von Stadtautobahnen in dieser Zone. Weit eindrucksvoller, zumindest im Flächenausmaß, sind die um Kernstädte und Suburbs vorhandenen, ausgedehnten peripheren Flächen von Spekulationsbrache, von „vacant land“. Das Ausmaß des vacant land wurde zum ersten und letzten Mal Mitte der 1950er Jahre registriert, betrug damals je nach der Einwohnerzahl der Kernstädte und Suburbs zwischen 20 und 60% und war in den kleinen Suburbs relativ am größten (Bartholomew 1955). Das völlige Außerachtlassen der riesigen Brachflächen in den wissenschaftlichen Lehrbüchern und in der Öffentlichkeit demonstriert, daß die Nichtnutzung von Flächen bzw. Objekten im kapitalistischen System der USA nicht als Problem, sondern als eine Selbstverständlichkeit betrachtet wird. Das Beispiel von Detroit zeigt dies klar (siehe Punkt 3). Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 121 · März/April 2003 2. Die Downtown in Nordamerika Zum Verständnis der Downtown in Nordamerika sei der Ausspruch eines Politikers über Chicago an den Anfang gestellt: “Chicago was not only a place, but a process. Every generation put its hand on it and around it, leaving a mark if not a memorial. Still Chicago existed at least as much für tomorrow as for today. Tomorrow will have its own say-so.” Die Aussage lautet daher: Die Downtown kann man nicht als einen Standort beschreiben, sondern muß sie als einen Prozeß begreifen, in dem Auf- und Abstieg einander ablösen. Um ein Bild zu gebrauchen: Der Aufstieg ist mit dem Image der Wolkenkratzer verbunden und zumeist mit New York oder San Francisco assoziiert. Den Abstieg bis zum Wüstwerden hin symbolisieren die „fabulous ruins of Detroit“, die man im Internet bestaunen kann. Für beide Vorgänge ist kein Vergleich mit europäischen Verhältnissen möglich und angebracht. Anders als in Europa besteht keine Generationen überdauernde relative Stabilität einer kompakt verbauten Stadt, in der die Frage nach dem sozioökonomischen Wandel der jeweils höchstrangigen Einrichtungen des Arbeitsstättenzentrums im baulichen Gehäuse thematisiert werden kann. Vielmehr bildet der Central Business District als Konzentration von hochrangigen Arbeitsstätten in der Downtown das in ständigem Abbruch und Neubau befindliche bauliche Pendant einer wachsenden und sich verändernden metropolitanen Wirtschaft. In Amerika war und ist die Stadtmitte nicht die soziale Mitte der Stadt, sondern durch die Übernahme des britischen Industriestadtmodells hatte sich ein zentrifugaler gesellschaftlicher Schichtungsvorgang vollzogen. Die amerikanische Stadt hatte daher von vornherein die gesellschaftliche Funktion, die Zuwanderer in den „American way of life“ einzuführen, sie zu akkulturieren, um sie dann in Suburbs ziehen zu lassen! Das Modell des Schmelztiegels trifft daher auf die amerikanische Stadt nur sehr eingeschränkt zu, sie wird vielmehr von extremer Segregation nach ethnischen, religiösen, sozioökonomischen und demographischen Merkmalen bestimmt, unter denen die erstgenannten absolute Priorität besitzen. * Lichtenberger, E. (2002): Die Stadt. Von der Polis zur Metropolis. Primus Verl. u. wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt. 302 Seiten, Euro 40,– (www.primusverlag.de) Frau Professor Lichtenberger gab uns freundlicherweise die Erlaubnis, daraus Texte der Seiten 89, 90, 102 und 95 bis 101 abzudrucken. Damit wollen wir auch auf dieses Buch aufmerksam machen, das in keiner Schulbibliothek fehlen sollte – deckt es doch ein wichtiges Thema ab, das in allen 10. Schulstufen in GWK behandelt wird! 47 3. Aufstieg und Verfall: Detroit Detroit ist mit Abstand das beste Beispiel für den rasanten, auch in seinen Ruinen architektonisch noch immer greifbaren Aufstieg einer Millionenstadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und gleichzeitig ein noch mehr beeindruckendes Beispiel des Verfalls seit den 1960er Jahren. In einer großartigen Internetserie (www.atDETROIT.com/web) hat der Künstler und Computerfachmann A. Boileau, beginnend 1997, die Gebäude der Innenstadt von Detroit in dem Bemühen dokumentiert, vor der Spitzhacke zu retten, was in einer ehemaligen „corporate city“, einer Stadt der Konzerne, die in dieser Stadt jedoch nicht mehr investieren, zu retten ist. Detroit ist die Stadt des Automobils im 20. Jahrhundert – man muß hinzufügen: gewesen. In den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts begann hier die zweite industrielle Revolution in einem unglaublichen, nicht vorhersehbaren Tempo. Heute sind die meisten Bauten aus dieser Zeit verlassen, verfallen und zum Großteil zerstört. Im folgenden einige Details: 1904 errichtete Henry Ford die erste Autofabrik, die sogenannte Piquette Avenue Plant. Sie blieb bis 1911 in seinem Eigentum. Das Objekt steht heute mit Ausnahme einer Wäscherei im Erdgeschoß leer. Europäer mag erstaunen, daß in diesem Gebäude nicht schon längst ein amerikanisches Automuseum entstanden ist. 1909 erbaute Albert Kahn eine der berühmtesten Fabriken in der Industriegeschichte, die sogenannte Model T Plant von Ford, in der täglich 1000 sogenannte Tin Lizzies erzeugt wurden, später dann Traktoren, der Betrieb wurde 1970 stillgelegt. Detroit ist ein besonders gutes Beispiel für das Wüstwerden des alten Zentrums auf Kosten der neuen Edge Cities an den Rändern der Metropolitan Region. 1975 wurde in Detroit von der American Motors Corporation 20 km außerhalb des Stadtzentrums in dem Southfield genannten Shopping-Center ein erster Bürohochhauskomplex errichtet. 1988 hatte Southfield allein, die weiteren 7 inzwischen entstandenen Außenstadtzentren im Detroiter Raum nicht mitgerechnet, mit über 7 Mio. m2 bereits mehr Bürofläche als das Stadtzentrum mit 6 Mio. m2. Weitere 11 Bürogebäude mit über 700.000 m2 wurden bis 1990 fertiggestellt. Southfield ist damit zu einer Bürostadt mit 75.000 Einwohnern, über 300.000 Arbeitsplätzen und über 4000 Geschäften geworden. 80 der 500 größten Firmen der USA haben hier entweder ihren Hauptsitz oder zumindest ihre regionale Hauptverwaltung. Ferner gibt es 35 Banken und 70 Werbeagenturen (Holzner 1996, S. 99). Zeitlich komprimiert auf zwei Generationen haben sich damit in Detroit Neubau und Verfall vollzogen, gegründet auf Standortverlagerungen der Corporate Investments. Die Investionen wurden auf allen Gebieten, beginnend mit dem Einzelhandel über das Hotelgewerbe bis zur Autoindustrie und zum Geldwesen hin, aus der Downtown abgezogen und an die Peripherie in neu gegründete Suburbs und Städte verlagert. Die Sprengung der sogenannten „Seven Sisters“, des Kraftwerks für die Detroiter Autoindustrie und einst eine Landmarke von Detroit am Seeufer, besitzt Symbolcharakter für das ökonomische Ende der Autostadt Detroit. Der nahezu völlige Niedergang des Eisenbahnpersonenverkehrs wird in Detroit durch den isoliert stehenden, ver- 48 fallenden Hauptbahnhof besonders eindrucksvoll demonstriert. Die Innenstadthotels sind verfallen und wurden zum Großteil bereits gesprengt. Das ehemalige YMCA Hostel wird dieses Schicksal in absehbarer Zeit teilen. Das National Theatre war eines der ersten Theater der 1920er Jahre. Es ging den Weg von vielen anderen Theatern in der Downtown, aus denen zuerst billige Kinos, dann „strip joints“ geworden sind und die schließlich leerstehen, bevor sie abgetragen werden. Derzeit werden Überlegungen angestellt, aus dem ehemaligen Nationaltheater ein auf afroamerikanische Filme spezialisiertes Kino zu machen. Besonders makaber für Mitglieder der sozialen Wohlfahrtsstaaten ist das Schicksal der psychiatrischen Klinik, die 1870 als Eastern Michigan Asylum errichtet worden ist. Sie verfügte über 3100 Betten, wurde 1997 geschlossen und sodann gesprengt. Das unglückliche Stigma von geistiger Krankheit hat eine Umnutzung des prachtvollen, riesigen und gut erhaltenen Gebäude2 komplexes auf einem Areal von über 25.000 m verhindert. Niemand wollte darüber nachdenken, jedermann wünschte nur, diese Einrichtung zu eliminieren. Eine andere Klinik im Raum von Detroit wurde in ein Gefängnis umgewandelt. Hinzugefügt sei, daß mit der Einführung ambulanter medikamentöser Behandlung seit den späten 1960er Jahren nicht nur sehr viele Kliniken dasselbe Schicksal erlitten, sondern daß Millionen von geistig kranken und behinderten Menschen einfach auf die Straße gestellt und ihrem Schicksal überlassen worden sind. Aus der ethnisch vielfältigen Vergangenheit von Detroit haben sich interessante bauliche Objekte erhalten, darunter die sogenannte „Greektown“, welche in den 1960er Jahren ein beliebtes Unterhaltungsviertel war. Als die Downtown zusammenbrach, konnte sich die Gemeinde der griechischen Eigentümer von Restaurants, Kaffeehäusern, Bäckereien und Gemischtwarenläden als einzige halten. Erst als es plötzlich in den 1980er Jahren schick wurde, in die „Greektown“ auszugehen, wurden die Lokale aufgekauft und durch dem Trend entsprechende Lokale und Boutiquen ersetzt. Das einstige Flair ist verlorengegangen, die griechische Bevölkerung ist in die Suburbs abgewandert. Die Unterhaltungsfunktion des Straßenzugs besteht jedoch weiter. Auch die jüdische Bevölkerung ist aus der Stadt in die Vororte gezogen. In der Detroiter Innenstadt haben sich noch 14 Synagogen erhalten, welche heute überwiegend von christlichen Sekten genutzt werden. Die Frage nach der Wohnbevölkerung in einer Stadt mit Hunderten leerstehenden Industrie- und Kulturbauten stellt sich mit Notwendigkeit. Es ist die afroamerikanische Bevölkerung, welche in der Kernstadt geblieben ist. Sie stellt heute drei Viertel der Bewohner. Damit nimmt Detroit bei insgesamt knapp unter 1 Mio. Einwohner die erste Stelle unter den amerikanischen Metropolen im Hinblick auf den Anteil der Afroamerikaner ein. Es ist daher auch nicht erstaunlich, daß in Detroit das bisher einzige Museum für afroamerikanische Geschichte errichtet worden ist. Grundsätzlich besteht derzeit ein von der Bundesregierung und den Städten geförderter Trend, neue Museen einzurichten. In den 1970er Jahren wurde in Detroit, wie auch in Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 121 · März/April 2003 anderen großen, vom Verfall gezeichneten Kernstädten der USA der Versuch unternommen, ein Comeback der Wirtschaft und eine Erneuerung des Baubestandes zu starten. Bundesmittel dienten als Starthilfe. Es entstand die gegenwärtige Landmarke von Detroit, das Renaissance-Center, das vor kurzem von General Motors als Standort des Zentralbüros für 72 Mio. US-$ erworben wurde. Die Errichtung hatte vor 20 Jahren jedoch 350 Mio. US-$ gekostet. Der Experimentcharakter dieser Downtown-Erneuerung geht auch daraus hervor, daß der gleichzeitig mit dem Renaissance-Center als Hochbahn errichtete „People Mover“ mit einer Länge von 5 Km als „The Train to Nowhere“ bezeichnet wird: Ein leerer Zug führt um leerstehende Objekte. In der Nachbarschaft der Wayne State University sind Bestrebungen zur Erhaltung von architektonisch wertvoller Bausubstanz in jüngster Zeit partiell erfolgreich. Die aus Bundesmitteln unterstützte jüngste Bewegung der Finanzierung von Stadions und Kasinos hat auch Detroit erreicht. Das alte Tigerstadion wurde abgetragen. Zwei neue Stadien sind im Bau, drei große Hotelkasinos in Planung. Während die Metropolitan Region weiter wächst, angefacht von Steuernachlässen, welche Neuaufschließungen begünstigen, hat inzwischen der Prozeß des Verfalls und des Abbruchs auch die Suburbs von Detroit erfaßt. Auch hier begegnet man wieder dem Zyklus von Niedergang und Verfall in einer neuen Generation, wobei die aus den 1960er Jahren stammenden Gebäude nicht mehr die architektonische Qualität der in der Downtown abgetragenenen erreichen. 4. New Downtown (?): Los Angeles Los Angeles wird als eine Stadt angesehen, „in der 100 Suburbs eine City suchen“, d. h., Los Angeles gilt als das Paradebeispiel für die aufgelöste Stadt. Gleichzeitig wird Los Angeles immer als die Stadt mit den meisten Rassenkrawallen beschrieben, der Nichtkenner wird daher eine verfallene Downtown erwarten. Noch dazu, wenn er die historischen Daten heranzieht und diesen entnehmen kann, daß im Jahre 1920 noch über drei Viertel aller kommerziellen und professionellen Unternehmen von Greater Los Angeles in der Downtown angesiedelt waren, wohin täglich über 1,2 Mio. Menschen aus den Suburbs und der metropolitanen Region zur Arbeit und zum Einkaufen pendelten, mehr Menschen als die damalige Wohnbevölkerung von Los Angeles City betrug. Im Jahre 1930 befand sich schon über die Hälfte aller Unternehmen außerhalb der Downtown von Los Angeles, und heute arbeiten dort nur noch 8 Prozent der Beschäftigten der Metroregion. Vom Standpunkt des Verlusts an Arbeitsplätzen gesehen, besteht damit durchaus eine Parallele zu Detroit. Allerdings manifestiert sich ein wesentlicher Unterschied in bezug auf die Bevölkerung. Los Angeles ist eine Metropole mit sehr starker Zuwanderung von hispanischer und ostasiatischer Bevölkerung. Damit mag es zusammenhängen, daß die alte Downtown nicht flächig zerstört worden ist, sondern in Dutzenden Straßenzügen und Baublöcken sowie in Hunderten von Gebäuden noch das Aussehen einer amerikanischen Großstadt aus der Zwischenkriegszeit bewahrt hat. In Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 121 · März/April 2003 diesem baulichen Gehäuse ist ein entscheidener Wan del der Bevölkerung und Nutzung eingetreten. Im folgenden einige Streiflichter. Sie stammen aus der im Internet zugänglichen Walking Tour durch die Downtown Los Angeles, welche vom Geographical In stitute of Southern California unter der Leitung von Cur tis Roseman eingerichtet wurde (www.usc.edu/dept/geography/losangeles/lawalk/). Der Komplex der Downtown besteht aus mehreren Teilen, die eine außerordentlich große architekto nische, kulturelle und ökonomische Diversität aufwei sen: • Der historische Kern liegt beiderseits des Broad way, der einstigen Hauptgeschäfts- und Unterhaltungs straße der europäischen Immigranten mit zahlreichen Kaufhäusern, Spezialitätengeschäften sowie medizini schen und kommerziellen Dienstleistungsunterneh men. Der Broadway ist heute im Erdgeschoß zur Ein kaufsstraße für die spanisch sprechende Bevölkerung geworden, von der ein Großteil mit dem Bus kommt, die oberen Geschoße stehen leer. Der Broadway De partment Store wurde in ein Verwaltungsgebäude mit mehr als 1700 Staatsangestellten umgewandelt. Ebenso wie der Broadway verdankt der Grand Central Market zwischen Broadway und Hill Street, das erste 1917 in Los Angeles errichtete feuer- und erdbebensichere Ge bäude, den hispanischen Zuwanderern seinen lebendi gen Fortbestand. Zahllose Kleinstädte für exotische Le bensmittel aller Art und ein pittoreskes Ambiente ma chen es zu einer Touristenattraktion. Ebenso erhielt sich der Juwelendistrikt, der zweitgrößte in den USA. Zahlreiche Theater sind zu Kinopalästen für die spa nisch sprechende Bevölkerung geworden. Das 1906 gegründete Nobelhotel „Alexandria“ gehört inzwischen zu den „Los Angeles Historical Monuments“, wie über haupt in Los Angeles ein viel stärkeres Bewußtsein für historische Baudenkmäler besteht als in Detroit. Es ist allerdings zu vermuten, daß der Bedarf an historischem Ambiente durch die Hollywooder Filmindustrie zur Er haltung zahlreicher Objekte ganz wesentlich beigetra gen hat. Jedenfalls ist die große Zahl an Theatern, welche zu Großkinos umfunktioniert worden sind, auf Hollywood zurückzuführen. Die südlich parallel zum Broadway verlaufende Spring Street galt seinerzeit als die Wallstreet des Westens, bevor 1960 die Wanderung nach Bunker Hill zur New Downtown begann. 1972 verlagerte die Los Angeles Bank of America ihr Haupt quartier nach Bunker Hill. Als letzte Einrichtung hat die Pacific Strock Exchange in den späten 1980er Jahren ihre Pforten geschlossen. • Das nach Norden anschließende Civic Center umfaßt die größte Konzentration von Regierungsstellen und Regierungsangestellten der Vereinigten Staaten außerhalb von Washington. Die Gründe liegen auf der Hand. Es handelt sich um die Büros des größten County im Staat Kalifornien, Los Angeles, und der zweitgrößten Stadt mit mehreren Staats- und Bundesfunktionen. • Auf der Südseite des historischen Zentrums liegt der Modedistrikt, der einen starken Aufwärtstrend besitzt. Hier befinden sich Tausende von Großhändlern, Gewerbebetrieben und Einzelhandelsgeschäften. An den meisten Tagen, besonders an Samstagen, sind die Straßen voll mit nach Billigangeboten suchenden Menschen. Das Kleidungsviertel breitet sich in das ehemali- 49 ge Textilindustrieviertel aus und überlagert das ehemalige Wohngebiet der afroamerikanischen Gemeinde, deren Feuerwehrgebäude heute ein Museum ist. Es haben sich einzelne Subviertel für bestimmte Waren, Sortimente und Herkunftsländer entwickelt. Die Männerbekleidung ist in der Hand der Italiener. Durch die Zuwanderung von hispanischer Bevölkerung hat auch dieser Distrikt sehr an Lebendigkeit gewonnen, wobei das Einzelgeschäft den Ton angibt. Hinsichtlich der Architektur bietet das Viertel eine große Vielfalt an Gebäuden, wobei die Palette von um 1910 errichteten Bauten bis zu brandneuen Einzelgeschäften reicht. Bemerkenswert sind ferner die Märkte, der Großhandelsmarkt für Blumen und ein von Japanern, Russen und Chinesen um 1910 gegründeter City Market, der inzwischen durch den viel größeren Seven Street Terminal Markt eingeholt worden ist. Als eine der Landmarken von Los Angeles liegt im Osten des Modeviertels das Coca-Cola Building. • Im Osten des historischen Stadtkerns schließt ein Stadtteil mit Großhandelslagerhäusern und einem Spielwarendistrikt an, der in wesentlichen Teilen als das Gebiet der ehemaligen Skid Row durch besonders schwierige soziale Desorganisationsphänomene gekennzeichnet ist. Die Unsicherheit wird recht eindrucksvoll durch das festungsartige Gebäude der Polizeizentrale in Los Angeles dokumentiert, welches mitten in der Skid Row gelegen ist. Die zwei Parkanlagen in diesem zur afroamerikanischen Gemeinde gehörenden Gebiet, Gladys Park und San Julian Park, sind beide „gated green areas“. Los Angeles wurde vielfach als die Hauptstadt der Obdachlosigkeit beschrieben, und es gibt eine Fülle von Artikeln über die Versuche der mexikanischen Zuwanderer in Los Angeles, Squattesiedlungen, so wie sie es von den Rändern mexikanischer Städte gewohnt sind, zu errichten. Diese Ansätze zum „squatting“ wurden meist binnen kurzer Zeit von der Polizei geräumt, ohne daß damit Versuche endgültig gestoppt werden konnten. Die illegale Zuwanderung aus Mexiko hält weiter an. In der Skid Row sind mehrere, von karitativen Stellen organisierte private Einrichtungen für Obdachlose entstanden. Darunter befindet sich die Union Rescue Mission, das größte private Obdachlosenheim in den Vereinigten Staaten mit 25.000 2 m Fläche, in dem 1000 Obdachlose übernachten können. Staatliche bzw. städtische Einrichtungen für die Obdachlosen fehlen bisher. • Langsam geht die Transformation im Viertel des South Park vonstatten, wobei die Planer eine gemischte Wohn- und kommerzielle Nutzung anstreben. Als Elemente der Public-private-Partnership entstanden die Kongreßhalle und ein Stadion, welche den Autobahnanschluß nutzen. Noch nicht entschieden ist die weitere Nutzung der Postzentrale, die noch in Hollywoodfilmen Verwendung findet, und des alten Bahnhofsgebäudes, das ebenso wie die Post im spanisch-mexikanischen Stil errichtet wurde. • Im Nordosten des Behördenviertels und der Stadtautobahn ist im Zuge der extensiven Bauwelle von neuen Gefängnissen in den Vereinigten Staaten das große neue County-Gefängnis errichtet worden, eines unter vielen, mit dessen Nebau der Staat versucht, den Bedarf für die Unterbringung von 2 Millionen Häftlingen zu decken. 50 In diesem Stadtteil liegt auch die Chinatown, welche – zwar räumlich verschoben – ein historisches Relikt aus der Zeit darstellt, als die chinesische Bevölkerung durch Gesetz in einem geschlossenen Viertel siedeln mußte. Es handelte sich dabei um eine Form der primären Ghettobildung, welche durch Anordnung der jeweiligen politischen Machthaber entsteht. Durch den Tourismus hat sich dieses Relikt in Los Angeles wie auch in anderen Städten erhalten. Dagegen ist das historische Little Tokyo im Süden des Civic Centers in den 1970er und 1980er Jahren nahezu vollständig der Stadterneuerung zum Opfer gefallen. Nur 13 Häuser an der First Street sind erhalten geblieben und stehen seit 1986 unter Denkmalschutz. Ebenso unter Denkmalschutz steht die ehemalige Dorfkirche, die Missionskirche Queen of Angels Church, welche 1822 erbaut worden ist. Der Ordenspfarrer Bruder Luis Olivares hat sie zum Central Sanctuary für Zentralamerikaner und illegale Immigranten erklärt. • Die New Downtown ist zum Großteil das Produkt der Anstrengungen der Community Redevelopment Agency der Stadt. Seit den 1960er Jahren koordiniert diese Agentur die Investitionen von Millionen Dollars, um eine neue Downtown mit einem ausgeprägten Wolkenkratzerprofil zu erzeugen, welches zum Weltstadtstatus von Los Angeles beitragen soll. In Los Angeles und anderen großen Metropolen sind die exorbitanten Leerstände in den bereits bestehenden Bürotürmen kein Grund, um Investoren von der Errichtung weiterer Türme abzuhalten. Der sogenannte Library Tower ist mit einer Höhe von 1017 Fuß (310 m) das höchste Gebäude westlich von Chicago und östlich von Hongkong. Seinen Namen erhielt er durch den Ankauf der Air rights von der Los Angeles Central Library für eine Unterstützung zur Renovierung derselben. Die Neue Downtown von Los Angeles partizipiert an der aktuellen Entwicklung auf dem Shoppingsektor, wonach das Design der suburbanen Malls nunmehr die Downtown erobert. Auf diesen mit dem Problem des „gating“ zusammenhängenden Vorgang wird ebenso wie auf die Situation der öffentlichen Verkehrsmittel in Los Angeles im Kapitel „Determinanten und Leitbilder“ eingegangen. Die Ergänzung des Artikels durch virtuelles Material (Zusammenstellung und Kommentierung Christian Sitte): Gerade die zu den beiden Städten im Internet vorhandenen reichhaltigen Materialien lassen eine – insbesondere bildliche – Ergänzung des hier abgedruckten Textauszuges naheliegend erscheinen. Es ermöglicht sich dadurch auch vom Methodischen her, gerade in der Oberstufe ein interessantes Ziel, exemplarisch hier nicht nur ein Überprüfen und Illustrieren der von E. Lichtenberger im Text gemachten Aussagen vorzunehmen, sondern auch ein weitergehendes Eindringen in stadtgeographische Fragestellungen zu diesen beiden US-amerikanischen Städten. U. a. schulen wir damit eine Fertigkeit, sich zu beliebigen regionalen Fragestellungen später selbständig spezifische Informationen zu suchen und auszuwerten (und das auch noch in einer geläufigen Fremdsprache). Die folgenden Links geben fürs erste Bilder als auch Kartenmaterial zu den bei- Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 121 · März/April 2003 den oben im Artikel beschriebenen Städten. Empfehlenswert wäre es, eine der Stadtkarten den Schülern schon ausgedruckt – mit Fragen, die einige Inhalte der folgenden Links aufschließen – in die Hand zu drücken. Eine virtuelle Fassung u.weiter US-Städtelinks & Materialien finden Sie ferner auf der WPF-Seite http://mailbox.univie.ac.at/Christian.Sitte/FD/wpfgwk/kapitel2.htm A.: Detroit 1. www.ci.detroit.mi.us/ Homepage der Stadt > interessant sind hier besonders „other Links“ www.ci.detroit.mi.us/detroitinfolinks.htm zu verschiedenen im Text genannter Orte (ebendort dann etwa weiter mit „Detroit Photo Gallery – Jan Kaulins“: www.jankaulins.com/welcome.html 2. www.detroitvirtualtours.com/detroit.htm ist die auch im Text genannte Adresse, wobei hier besonders das Bildermaterial hervorsticht. 3. Seite zum Detroit-Peoplemover http://transitdetroit.freeservers.com/system.html 4. www.greatlakes-seaway.com/en/ports/portofdetroit.html führt zum Hafen der Stadt und zum traditionellen Thema des Seewegs an den großen Seen (mit interaktiver Karte). 5. a city in transition www.wri.org/enved/suscom-detroit.html gibt nicht nur einen kurzen Abriß zu Detroit, sondern gibt weiters Möglichkeiten der Ausweitung die ganz grundsätzlich die US-Urbanisation (unter der Gemeinsamkeit „sustainable development“) betreffen. Zur Geschichte der Stadt: www.historydetroit.com/ 6. Kartenmaterial: http://detroityes.com/maps/map.htm bzw. http://detroityes.com/maps/mapFullDetroit.htm Daraus dann besonders empfehlenswert: http://detroityes.com/maps/mapgrandcirc.htm Aus dieser Seite: http://detroityes.com/index.html (= Downtown-area) Stadtplan: www.lonelyplanet.com/mapshells/north_america/detroit/detroit.htm www.detroitrenaissance.com/ Stadtentwicklung bei Development Initiatives => dort Karte www2.ci.detroit.mi.us/GISTEST/ online-mapping zu sozialen Indicatoren www.semcog.org/Products/MapsGIS/MapLibrary.htm Landnutzungskarten (langsamer Aufbau) http://wuarchive.wustl.edu/~aminet/pix/map/Detroit.jpg Umgebungskarte 7. Weitere Fotos: http://finderbinder.com/detroit.jpg (Schrägluftbildaufnahme) www.photo.net/photo/pcd0737/detroit-skyline-tight-2 (= Skyline) www.aerialgraphics.com/mcities.htm bietet mehrere Schrägluftbilder zum Vergleich mit der Karte B.: Los Angeles 1. www.usc.edu/dept/geography/losangeles/lawalk/ (C Rosemanns walking tour) Postcards unter: www.placesonline.org/sitelists/nam/usa/california/la/downtownla.asp 2. http://130.166.124.2/LA_1.html Metropolitan area (viele Karten zu Bev., u. a. – Digitaler Atlas etwa http://130.166.124.2/atlas.ca/CALA0001.GIF Einkommensverteilung: http://130.166.124.2/LA_Inc.html u. a. hier family income u. a. m. Earthquake-map: http://quake.wr.usgs.gov/recenteqs/Maps/Los_Angeles.htm 3. Stadtplan bei Namens/Sucheingabe http://maps.yahoo.com/py/maps (> printabel map auch hier) Umgebungskarte: http://wuarchive.wustl.edu/~aminet/pix/map/LosAngeles.jpg bzw. weitere bzw. das Metrop. Area: http://artscenecal.com/Maps.html und hier die Downtown: http://artscenecal.com/Maps/DT.html Übersicht: www.lonelyplanet.com/mapshells/north_america/los_angeles/los_angeles.htm 4. LA-Times (Zeitungsseite für verschiedene thematische Fragen) www.latimes.com/ City council www.ci.la.ca.us/council.htm => www.lacity.org/council/council_map.pdf Und ein weiteres L.A.-Portal: www.laavenue.com/la/livecam.htm 5. Fotos: www.aerialimages.com/fineart/scenic/Los_Angeles/los_angeles.html www.biomath.medsch.ucla.edu/fun/downtown.jpg www.mapposter.com/gifs/mplosangelesfs.gif www.aerialimages.com/los_angeles1.jpg http://members.cox.net/mkpl/interchange/interchange.html Ein Inhaltsverzeichnis aller in den Wissenschaftlichen Nachrichten erschienenen GWK-Beiträge finden Sie unter www.gw.eduhi.at unter Medien/Zeitschriften. Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 121 · März/April 2003 51 Buchbesprechungen PACHLER Norbert Hrsg. (2002): Lehren und Lernen mit IKT. Teil 1: Wie verändert sich der Unterricht mit den neuen Informations- u. Kommunikationstechnologien? 238 Seiten. Teil 2: Herausforderungen und Möglichkeiten. 210 Seiten. Reihe Schulentwicklung Bd. 31. Studien Verlag Innsbruck/Wien/München. Euro 17,50 bzw. 16,50. THISSEN Frank Hrsg. (2003): Multimedia-Didaktik in Wirtschaft, Schule und Hochschule. 286 Seiten. Springer Verlag Berlin/Heidelberg. Mit der Vorstellung dieser beiden Bücher wollen wir wieder (u. a. vgl. im Heft 118) den KollegInnen in den Realienfächern Anstöße für eine verstärkte Beschäftigung mit computer- und internetgestützten Unterrichtselementen geben (vgl. auch Artikel in GW-UNTERRICHT 89/2003). Das erste Buch von PACHLER gibt uns viele Anregungen in seinen verschiedenen Beiträgen, in denen die darin versammelten IKT-erfahrenen Autoren unterschiedliche Zugänge zur Thematik wählen. Allen Beiträgen gemeinsam ist ihre reiche Fülle konkreter Belege und Linkadressen zu Hilfsmitteln und vertiefenden Artikeln: In den ersten beiden Aufsätzen werden Auswirkungen auf eine veränderte Lehrer- und auch veränderte Schülerrolle beschrieben („… weniger durch die Technologie, sondern aus dem Wandel der Verhaltensmuster … wird mehr Eigenverantwortung dem Einzelnen übertragen …“). Ferner werden charakteristische Merkmale von IKT herausgearbeitete und verschiedene Begriffe wie e-learning in ihren Vorteilen aber auch in manchen Diskriminanzen von Erwartungen und Realität beleuchtet. Jedem Kollegen als Einstieg empfohlen sei der Beitrag „Das Internet als Informationsquelle für den Unterricht“! Im darauffolgenden Artikel über das „Unterrichten mit dem Internet“ wird der Einsatz von Unterrichtswerkzeugen praxisorientiert beschrieben. Weitere interessante Aspekte vermitteln uns dann weitere Abschnitte zum „Internetgestützten Projektunterricht“ aber auch über den „Einsatz von offline multimedialen Lehr- und Lernmaterialien“ (CDROMs). Der 2. Teil/Band von PACHLERs Buch beginnt mit einem Aufsatz, der unter dem Titel „Das Internet als Kommunikationsmedium“ uns eine gute Hilfe in der dabei auftretenden Begriffsvielfalt bietet. Ein zweiter Beitrag geht auf „Webseiten erstellen am Beispiel von Schulhomepages“ ein. Einen wichtigen Aspekt in der unstrukturierten Angebotsvielfalt der IKT, spricht sodann ein weiterer über die Beurteilung multimedialer Lehr- und Lernmaterialien an. Das Internet sieht der Autor dabei nicht als ein „Bildungsmedium“, sondern als eine teilweise mit verborgenen Curricula (denken wir dabei an die hinter den jeweiligen Angeboten stehenden z. T. nur implizit ableitbaren Lerntheorien) bestückte Lernumgebung. Danach geht ein Beitrag auf „Kinder und Lernsoftware“ und die dabei wichtigen Auswahl- und Einsatzkriterien ein. Weitere Aufsätze beleuchten „Kompetenz- und Leistungsbeurteilungsmöglichkeiten“ bzw. „die Rolle der IKT bei der Schulentwicklung“ – denn, das streicht der Herausgeber im Nachwort heraus: IKT per se sind bei weitem nicht so wichtig, wie das, was man im Kontext Lehren und Lernen daraus macht! 52 THISSENs Buch beschreibt ebenfalls Möglichkeiten, neue Technologien im Lernprozessen intensiv und effektiv zu nutzen. Es stellt Beispiele aus den unterschiedlichsten Bereich der schulischen – und was besonders den GWK-Lehrer der Oberstufe interessieren sollte – der betrieblichen Bildung sowie in Hochschulprojekten vor und dokumentiert die zugrundeliegenden didaktischen Konzepte. Dadurch erfährt man Interessantes über die Bandbereite und die Potenziale bei einem sinnvollen IKT-Einsatz: „Der Computer im Offenen Unterricht“” oder wenn der Frage nachgegangen wird, ob und wie mit den neuen Medien sozial-kommunikative Kompetenzen virtuell vermittelt werden können; über „Computer als Lern-Coaches“; oder wenn über Erfahrungen mit computersimulierten Szenarios im Management-Training berichtet wird. Beiträge beleuchten verschiedene Formen des Online-Learnings (u. a. auch zwei konkret zu Mathematik und einer zum Gesellschafts-/Wirtschaftsbereich). Besonders Lesenswert für das Verstehens der Hintergründe ist der Aufsatz über den „Fraktalen Wissenserwerb“ (anhand der Vorstellung eines Seminars). Ch. S. BÄTZING Werner (2003): Die Alpen. Geschichte und Zukunft einer europäischen Kulturlandschaft. C.H. Beck München. 430 Seiten Wir haben schon in WN 119 begonnen verstärkt Bücher vorzustellen, die uns in den Schulen helfen können, Intentionen der neuen Oberstufenlehrpläne besser umsetzen zu können. Bätzings Buch ist dabei eines, das in keiner Schule fehlen sollte! U. a. sollen wir wegkommen von der bis dato im Unterricht vorherrschenden Art in sich zusammenhängende Regionen nur „inselkartenartig“ zu beleuchten: Der Alpenraum, seine Vielfalt und unterschiedliche Ausprägung ziehet sich ja über mehrere Staaten Europas hin. Gerade diese Differenzierungen und unterschiedlichen Entwicklungswege, vergleichend in einem Ganzen zu präsentieren ist u. a. ein neues wichtiges Ziel etwa in den 6. Klassen (hier lassen sich auch u. a. bei den derzeit drohenden Stundenrefuktionen „Österreichstoffe“ vorziehen). Das verdeutlichen dem Leser gerade die bei BÄTZING etwa in der Buchmitte abgebildeten Karten, die für den ganzen Alpenraum auf Gemeindebasis die Bevölkerungsentwicklung 1871 bis 1951 (damals mit 7,8 Mio Alpenbewohnern), ferner für 1951 bis 1981 und dann für 1981 bis 2000 (14,3 Mio. Ew) zeigen! Das flüssig geschriebene Buch legt besonderes gewicht auf die Wechselwirkungen zwischen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft – Grundelementen also, die auch für den Blickwinkel nach dem neuen Oberstufenlehrplanentwurf wesentlich sind! Mit seiner Analyse verfolgt der Autor ein problemorientiertes inter- bzw. transdisziplinäres Wissenschaftskonzept, bei der die Geographie die Rolle der „Leitwissenschaft“ spielt. Der Autor streicht auch heraus, dass es sein Anliegen ist, zusammen mit humanökologischen Ansätzen auch das Prinzip der Nachhaltigkeit besonders im Auge zu haben und in seinem Buch Alternativen zur derzeitigen Entwicklung denkbar zu machen. Ch. S. Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 121 · März/April 2003 TAGUNGSBERICHT UND WISSENSCHAFTLICHE ABHANDLUNGEN DES 53. DEUTSCHEN GEOGRAPHENTAGES 2001 IN LEIPZIG. Herausgegeben im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Geographie von A. Mayr, M. Meurer und J. Vogt. Leipzig 2002. 746 Seiten. ISBN 3-9808754-0-7. Der jedes zweites Jahr an einem anderen Universitätsstandort stattfindende Deutsche Geographentag – nicht zu verwechseln mit den Deutschen Schulgeographentagen – hat sich längst zu einem auch international stark beachteten Kongress entwickelt, auf dem in geballter Weise in zahlreichen Vorträgen, Fachsitzungen und Exkursionen neue Forschungsergebnisse der Geographie vorgestellt und diskutiert werden. Indem der Geographentag den aktuellen Stand der Fachdisziplin und ihre gegenwärtigen Forschungstrends zeigt, bildet er ein zentrales Element bei ihrer Innen- und Außendarstellung und die Veröffentlichung aller dort gehaltenen Vorträge bzw. Referate in den meist ein Jahr danach herauskommenden „Tagungsberichten“ informiert auch Nichtteilnehmer ausführlich darüber. Daher sollten nicht nur die Bibliotheken der Universitäten, sondern auch diejenigen der Pädagogischen Akademien die „Tagungsberichte“ enthalten, damit die dort Unterrichtenden und Studierenden über die Entwicklung ihres wissenschaftlichen Bezugsfaches informiert sind. Das Leitthema vom Geographentag 2001 in Leipzig hieß Stadt und Region – Dynamik von Lebenswelten. Es war in vier Subthemen unterteilt: (1) Städte im Wettbewerb, (2) Zur neuen Sozialgeographie der Stadt, (3) Stadtökologie und Umweltmanagement, (4) Modelle, Prognosen und Szenarien für die Zukunft der Stadt und Stadtregion. Insgesamt enthält der „Tagungsband“ 75 Vorträge bzw. Referate. Sie spiegeln eindrucksvoll das Forschungsfeld, die gesellschaftliche Relevanz sowie die Leistungsstärke der modernen geographischen Stadtforschung wider. Anhand einiger im Folgenden beispielhaft gebrachten Titeln, soll die Bandbreite gezeigt werden: „World city network formation in a space of flows“, „Dienstleistungsspezialisierung und europäische Städtekonkurrenz“; „Humangeographie as Socialgeography: From Hagerstrand to Post-Modernism“, „Segregierte Armut und soziale Benachteiligung“, „Die Stadt und die Fremden“; „Landschaftsbewertung und -optimierung“, „Luftschadstoffe und deren gesundheitliche Relevanz“; „Raum-zeitliche Differenzierung lufthygienischer Austauschleistungen in bebauten Tallagen“; „Stadtökologie als Herausforderung für den Geographieunterricht“, „Die eigene Kommune als stadtökologisches Lernfeld“; „Substitution von städtischem Verkehr durch I&K-Technologien“; „Stadtzukünfte – Leitbilder, Modelle und Versionen im Geographieunterricht“. Abschließend möchte ich noch zwei Vorträge hervorheben, die allein die Beschäftigung mit dem Tagungsband lohnen: E. Lichtenbergers von den Zuhörern stürmisch akklamierte Festansprache Wozu braucht die Gesellschaft die Stadt? sowie P. Halls großartiger Vortrag über Die europäische Stad, 2025: Dilemmata und Lösungen der Zukunft. W. S. Wissenschaftliche Nachrichten Nr. 121 · März/April 2003 W. J. WAGNER: Geschichte Österreichs. 336 Sei ten, mit circa 100 farbige Abbildungen und Grafiken so wie rund 200 farbigen Karten. Niederösterreichisches Pressehaus. St. Pölten, 2002. 29, 80 Euro. Wer sich vor allem als Nichthistoriker über die wesentlichen Abläufe der österreichischen Geschichte informieren möchte, kann das in dem vorliegenden Buch relativ rasch und zuverlässig. In chronologischer Reihenfolge werden darin die entscheidenden politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Phasen unter Einblendung interessanter Details und erklä render Hintergründe in leicht verständlicher Sprache dargestellt und mit kurzen einführenden Überblicken, der knappen Vorstellung wichtiger histori scher Persönlichkeiten sowie einer umfangreichen Auflistung prägender Eckdaten ergänzt. Eine wichti ge Funktion bei der Information kommt in dem Buch den zahlreichen farbigen, neu entworfenen Karten zu. Diese geben nämlich nicht nur die historische Kartographie wieder, sondern tragen durch ihre dy namische Gestaltung ganz wesentlich zur raschen Aufnahme und auch zum besserem Verständnis der Geschehnisse bei. Das ausführliche Inhaltsverzeich nis sowie ein umfangreiches Personen- und Sachregistern erleichtern die spezielle Suche nach Informa tionen. Vielleicht hätte man bei der Darstellung der einzelnen Epochen einige wichtige neuere, in öf fentlichen Bibliotheken aufliegende Werke für an Vertiefung interessierte Leser noch angeben können. W. S. 53