ERASMUS – Erfahrungsbericht, Universidad Complutense Madrid
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ERASMUS – Erfahrungsbericht, Universidad Complutense Madrid
26. Juli 2010 ERASMUS – Erfahrungsbericht, Universidad Complutense Madrid Daniel Seidler Wintersemester 2009/2010 & Sommersemester 2010 Madrid Ich habe mich damals für Madrid entschieden, weil ich bei einem früheren Besuch in der Stadt sofort die unglaubliche Lebendigkeit und Lebensfreude dieser Stadt gespürt habe. Madrid wird generell unterschätzt, gerade im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen, kann sich aber in jeder Hinsicht mit ihnen messen. Abgesehen von der lebendigen Mentalität der Menschen dieser Stadt herrscht dort natürlich auch ein sehr angenehmes Klima, welches die Madrilenen zu jeder Tages- und Nachtzeit auf die Straße treibt. In der spanischen Hauptstadt merkt man an jeder Ecke den Stolz dieser südeuropäischen Nation, für die ein vollkommenes Freiheitsgefühl für unsere Verhältnisse noch relativ neu ist. Nicht selten wird einem ein ¡Que viva España! -Gefühl vermittelt. Die Menschen dort lieben ihr Land! Doch nicht nur mit der spanischen Kultur wird man in Madrid konfrontiert. Spanien ist ein Einwanderungsland und daher trifft man vielerorts auf Lateinamerikaner oder Nordafrikaner, die meiner Meinung nach diese Stadt sehr bereichern. Nicht zuletzt ist Madrid aber auch eine Studentenstadt. Es gibt ungefähr zehn Universitäten in Madrid und näherem Umkreis und vermutlich jede dieser Universitäten be- herbergt auch ausländische (zum Beispiel ERASMUS) Studenten. Jene geben der Stadt insbesondere nachts ein besonderes und unvergleichliches internationalen Flair. Es überrascht mithin nicht, dass Madrid für viele ein lohnendes Ziel ist. Sprache Zuallererst muss ich sagen, dass bei einem Aufenthalt in Madrid Spanischkenntnisse nahezu unerlässlich sind. Man sollte also schon bei Ankunft zumindest Grundkenntnisse besitzen, um gerade die ersten Tage zu überbrücken, da sich die Spanier leider mehrheitlich nicht durch große Englischkenntnisse auszeichnen. Deshalb ist es empfehlenswert, vielleicht vorher Spanischkurse am Heidelberger Sprachlabor zu absolvieren. In Madrid angekommen wird einem jedoch auch von Seiten der Universität schnell geholfen, schließlich kann man sich schon im Rahmen des ersten Schriftverkehrs an der Complutense für einen dreiwöchigen Sprachkurs anmelden. Nach ein paar Wochen ist man dann „drin“ in der Sprache und am Ende des Jahres kann man mit Sicherheit über sein erreichtes Spanischniveau zufrieden sein. Dies ist eine nicht zu unterschätzende Qualifikation, denn von Jahr zu Jahr wird Spanisch immer wichtiger. Beherrscht man die spanische Sprache öffnet sich einem die Tür nicht nur gen iberischer Halbinsel sondern auch Richtung Lateinamerika. Außerdem können gute Kenntnisse der spanischen Sprache helfen, wenn man sich beispielsweise dazu entschließt, irgendwann Portugiesisch, Italienisch oder Französisch zu lernen. Unterkunft Die Wohnungssuche ist sicher der Punkt, der vielen in den ersten Tagen in Madrid am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Viele Kommilitonen sind deshalb schon Monate früher für ein paar Tage nach Madrid geflogen, ausschließlich für die Wohnungssuche. Für solche Panikaktionen besteht jedoch keine Notwendigkeit. Der Wohnungsmarkt in Madrid ist riesig, jeder findet etwas Passendes – garantiert. Zuallererst kann man sich bei der Complutense schon bei der Anmeldung für ein Zimmer in einer von der Universität gestellten Wohnung bewerben. Dafür muss man allerdings sehr schnell sein und man sollte in diesem Fall sofort nach Erhalt der ersten Papiere der Gastuniveristät sein diesbezügliches Interesse bekunden. Dies hätte natürlich den Vorteil, dass einem die Suche vor Ort erspart bleibt. Der Nachteil, wenn man es denn so nennen möchte, ist vielleicht, dass man nicht mit spanischen Muttersprachlern zusammenwohnen wird. Diese Wohngemeinschaften bestehen lediglich aus Erasmus – Studenten. Hat man aber noch nichts bei Ankunft, gibt es viele Möglichkeiten. Die beste ist hier vielleicht das Internet, hier kann man zum Beispiel auf den Seiten www.segundamano.es oder www.pisocompartido.com nach einem „piso compartido“ suchen. Eine andere Möglichkeit ist einfach einmal über den Campus der Complutense zu laufen, dort hängen viele Zettel mit Mietangeboten extra für Studenten aus. In jedem Fall muss man aufpassen, ob es sich um Kalt – oder Warmmieten handelt („gastos incluidos“ oder „sin gastos“). Wichtig ist auch, dass man schnell einen Termin ausmacht, da natürlich gerade Gutes und Günstiges schnell vergriffen ist. Insgesamt muss man sagen, dass man in Madrid hinsichtlich der Unterkunft durchaus tief in die Tasche greifen muss: 350 – 450 Euro für ein (meistens eher kleines) Zimmer ist der Standard. Was die Lage der Wohnungen angeht, kann ich nur persönliche Empfehlungen abgeben, da viele Stadtviertel doch sehr unterschiedlich sind und die Wahl letztendlich Geschmackssache sein wird. Vorteilhaft ist jedoch sicherlich, irgendwo zu suchen, von wo aus sowohl die Uni als auch das Zentrum gut zu erreichen ist. Dies trifft einerseits auf die Gegend um Moncloa und Arguelles zu, andererseits auch auf das Vierteil um Cuatro Caminos. In letzterem habe auch ich gewohnt und kann dies nur empfehlen. Hierbei handelt es sich um ein Einwandererviertel in dem sehr viel Leben herrscht, immer etwas los ist und in dem vor allem die Mietpreise unschlagbar günstig sind. Sicherheitsbedenken braucht man keine zu haben. Sehr angenehm ist auch, dass man die Facultad de Derecho zu Fuß erreichen kann. Des Weiteren gibt es sehr schöne Wohnmöglichkeiten in den Vierteln Malasaña, Lavapiés, Chueca oder Chamberí. Diese Viertel liegen sehr zentral und haben einen sehr lässigen und alternativen Charme (insbesondere Malasaña und Lavapiés), sind aber dafür etwas weiter von der Uni entfernt. Wer eher auf ein gehobenes Wohnniveau Wert legt und auch in dem vielleicht architektonisch schönstem Viertel von Madrid unterkommen will, muss in Salamanca suchen. Die Wohnpreise sind dort dann natürlich auch entsprechend. Alles in allem muss man aber auch sagen, dass die Uni durch das gute und weitläufige Metronetz letztendlich von jedem Viertel gut zu erreichen ist. Universität Complutense Der erste Besuch an einer ausländischen Uni ist sicher zunächst mal etwas Aufregendes aber auch Begrüßenswertes. Jeder, der die Gelegenheit dazu hat (z.B. via ERASMUS), sollte diese wahrnehmen, weil dies wahrlich den Horizont erweitert. Nach der Ankunft gibt es kurze Einführungspräsentationen, einmal von einem überfakultärem ERASMUS-Team und eine speziell von der Jurafakultät. Insbesondere die zweite ist durchaus hilfreich, weil einem dort die Funktionsweise der Kurswahl erklärt wird. Bei der Wahl seiner Kurse muss man aufpassen, dass nicht alle im Internet aufgelisteten Kurse von Erasmusstudenten besucht werden können. Es gibt nämlich nur eine beschränkte Anzahl von Kursen, die ausländischen Studierenden offen stehen. Hierfür bekommt man aber eine nützliche Übersicht auf dieser Begrüßungsveranstaltung. Sobald man sich für seine Kurse entschieden hat, muss man dem jeweiligen Professor eine „Ficha“(= eine Karteikarte mit Name etc.) überreichen, was einer Kursanmeldung gleichkommt. Insgesamt muss man sagen, dass das Niveau der Kurse deutlich unter den aus Heidelberg gewohnten Anforderungen liegt. Es wird pure Reproduktion verlangt, die Anwendung von Gesetzestexten (beispielsweise an einem praktischen Fall) ist eine Seltenheit. Das bedeutet natürlich nicht, dass man ganz ohne Anstrengung gut durch kommt, aber wenn man sich mit dem gebotenen Ernst an die Klausurvorbereitung macht, dürfte man problemlos bestehen. An dieser Stelle sei gesagt, dass es keinen Bonus für Erasmusstudenten gibt, dieser ist jedoch auch nicht nötig. Natürlich sind die Professoren aber großzügig hinsichtlich Grammatik- oder Rechtschreibfehler. Hilfreich für die Klausurenvorbereitung können nicht nur Lehrbücher sondern auch die sogenannten „apuntes“(= das, was in den Vorlesungen mitgeschrieben wurde) sein. Weil nämlich die Professoren häufig die Klausuren sehr stark an ihrer eigenen Vorlesung und nicht an Lehrbüchern ausrichten, ist es wichtig sich irgendwann im Laufe des Kurses mit spanischen Kommilitonen diesbezüglich kurzzuschließen. Alles in allem sollte die Uni aber gut machbar sein, insbesondere wenn die ersten Sprachbarrieren überwunden sind. Sicherheit und Kriminalität Madrid ist eigentlich eine sichere Stadt, in der man zu keiner Tages- oder Nachtzeit übertriebene Angst vor Überfällen oder ähnlichem haben sollte. Dies liegt auch daran, dass es heißt, dass in Madrid mehr Menschen bei Nacht auf der Straße anzutreffen sind als tagsüber. Dennoch sollte man gewisse Vorsichtsmaßnahmen einhalten. Gerade bei Nacht ist rund um Madrids größten Knotenpunkt – der Puerta del Sol - Vorsicht geboten. Ich selber war zwei Diebstahlversuchen ausgesetzt, konnte dies aber rechtzeitig abwenden. Die Taschendiebe gehen dabei so vor, dass sie freundlich mit einem ein Gespräch anfangen, nahe an einen herankommen und dabei unauffällig versuchen, einem etwas (Handy, Geldbeutel..) aus der Tasche zu ziehen. Fühlen sie sich ertappt, suchen sie ganz schnell wieder das Weite. In Bars oder Diskotheken sollte man, auch wenn dies mit Mehrkosten verbunden ist, auf jeden Fall seine Jacke/ Tasche an einer Garderobe abgeben. Gerade in solchen Etablissements wird viel gestohlen. Ist eine Abgabe nicht möglich, sind die Sachen immer im Auge zu behalten. Heikel könnte es unter Umständen auch in der Metro bei viel Gedränge werden. Hier ist zu sagen, dass es vorteilhaft ist, immer mit dem Rücken an eine Wand gelehnt zu stehen (wenn möglich), denn auch die Metro ist ein beliebter Ort für Taschendiebe. Den Fall einer Bekannten möchte ich auch kurz erzählen. Ihr wurde in einem Starbuckscafe unter gütiger Mithilfe des Kellners die Handtasche von einem anderen Kunden gestohlen. Hier kam das Pech dazu, dass solche Diebstähle eben häufig organisiert durchführt werden. Trotzdem möchte ich nochmals betonen, dass Madrid keine besonders gefährliche Stadt ist. Eher sollte man sich, wie in vielen Großstädten, Vorsichtsmechanismen aneignen. Diese machen gerade Taschendieben einen Erfolg unmöglich. Lebensfreude auf spanisch Die Spanier hält normalerweise nichts in ihren eigenen vier Wänden, abgesehen vielleicht von ihrer heiligen Siesta. Ansonsten lieben sie es, ihr Leben im Freien oder in Bars zu verbringen. Diese Kultur ist in jedem Fall ansteckend, denn gerade die Bars laden zum Verweilen ein. Die Menschen treffen sich, essen und trinken zusammen und dieses Zusammenkommen wird geradezu zelebriert. Man muss wissen, dass bei Bestellung einer „caña“(= ein kleines Bier) oder eines Softdrinks immer kleine Häppchen serviert werden(= „tapas“). So wird zu jeder Tageszeit Alkohol konsumiert, sogar mittags in der Uni sind Bier oder Wein trinkende Studenten keine Seltenheit. Das ist jedoch völlig normal und sollte nicht abschreckend wirken. Die Spanier mögen es einfach, zu jedem Essen einen guten Wein oder ein Glas Bier zu trinken. Abgesehen von Bars und Restaurants spielt sich das Leben jedoch hauptsächlich im Freien ab. Sobald die Temperaturen es einigermaßen zulassen, sieht man in der ganzen Stadt vor allem Jugendliche in Parks oder an großen Plätzen in Gruppen zusammen sitzend. Von staatlicher Seite wurden zwar schon mehrere Versuche unternommen, gegen diese sogenannte „Botellón-Kultur“(= Trinken und Feiern im Freien) anzukämpfen, mittlerweile scheint man sich aber damit arrangiert zu haben. Das zeigt auch, dass es die städtische Müllabfuhr ist, die Nacht für Nacht den Restmüll dieser Feierlichkeiten beseitigt. Dennoch sollte man sich dieses Lebensgefühl auf den Straßen auf gar keinen Fall entgehen lassen. Kultur und Sport Eingehen möchte ich auch noch einerseits auf kulturelle Möglichkeiten in Madrid, andererseits auf einige Sportevents. Gerade in Sachen Kultur hat Madrid natürlich einiges zu bieten. Ein Besuch in den bekannten Museen, dem Prado, des Reina Sofias und der Thyssen – Sammlung sind ein Muss. Abgesehen davon sind auch verschiedene Musicals, zum Beispiel auf der Gran Via, zu empfehlen. Besonders möchte ich jedoch auf einen günstigen Besuch in der Oper hinweisen. Dort gibt es bei jeder Vorstellung sogenannte Last-Minute-Tickets für junge Menschen bis 26 Jahren. Ab 90 Minuten vor Vorstellungsbeginn zahlt man nur noch 15% des ursprünglichen Ticketpreises. Dies sollte man in jedem Fall einmal wahrnehmen. Darüber hinaus sind die Spanier auch ein sportverrücktes Volk. Um dies aus nächster Nähe erleben zu können, bieten es sich an, das Estadio Santiago Bernabéu zu beehren, in welchem Real Madrid seine Heimspiele austrägt. Etwas weniger bekannt ist das Estadio Vicente Calderón, jedoch auch unbedingt einen Besuch wert. Dort kann man Heimspiele des örtlichen Rivalen Atlético Madrid verfolgen. Auch man selbst kann sportlich aktiv werden. Sportplätze und Laufgelegenheiten gibt es natürlich im Retiro. Aber auch der Parque Canal de Isabel II ( Metro Canal/ Cuatro Caminos) beheimatet Sportplätze und eine Laufbahn. Gerade für Juristen bietet sich jedoch noch eine weitere Möglichkeit: direkt vor der Fakultät befinden sich Fussball-, Tennis- und Basketballplätze, die man mit dem Studentenausweis sehr günstig mieten kann. Fortbewegung und Kommunikation Das große Mobilitätsnetz in der Stadt ist von durchaus ansprechender Qualität. Ob Metro oder Bus, eigentlich kann man von überall recht schnell von A nach B kommen. Dieses Netz wird komplettiert von einer Vielzahl von Bussen. Diese Busse gewinnen nachts an Bedeutung, weil ab circa 1h30 keine Metro mehr fährt. Ab dann kann man sich mit den sogenannten „bujos“(= Nachtbusse) fortbewegen. Um dieses Angebot unbeschwert und flexibel nutzen kann, bietet sich in jedem Fall der Kauf eines Monatsabonnements an (auch wenn dies ca. 45 Euro kostet), aber damit spart man sich vor jedem Weg die Überlegung, ob man sich vielleicht ein Ticket sparen könnte. Im Monat rechnet es sich in der Regel eigentlich immer, weil man doch bei der Vielzahl der Möglichkeiten in Madrid häufig unterwegs ist. Was die Kommunikation angeht, sollte man auf ein spanisches Prepaid-Handy nicht verzichten. Hierfür gibt es viele Anbieter (Vodafone, Movistar, Orange, Yoigo,etc..), die jedoch alle ziemlich teuer sind. Man muss also ein bisschen auf die Häufigkeit der Nutzung achten. Natürlich bietet sich auch an, einen Vertrag mit einem dieser Anbieter abzuschließen. Mangels eigener diesbezüglicher Erfahrungen kann ich jedoch hierüber nichts berichten. Fazit Abschließend möchte ich sagen, dass ich sehr froh bin, diese Möglichkeit eines Erasmusaufenthaltes wahrgenommen zu haben. Dass meine Wahl vor dem Jahr auf Madrid gefallen ist, war ein Glücksfall. Ich würde mich wieder für Madrid entscheiden. Es hat einfach fast alles gepasst, die Sprache, die Uni und auch das Lebensgefühl in der Stadt. Ich kann also allen dazu beglückwünschen, die einen Aufenthalt in Madrid vor sich haben oder solchen, die noch Entscheidungsschwierigkeiten haben, hierzu ermuntern. Daniel Seidler