Hausmarken - Emsländischer Heimatbund
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Hausmarken - Emsländischer Heimatbund
Hausmarken – geheimnisvolle Zeichen an Häusern und Antiquitäten von Andreas Eiynck In Zeiten, in denen die meisten Menschen weder schreiben noch lesen konnten, markierte man Haus, Inventar und Besitz nicht mit Namen oder Initialen, sondern mit sogenannten Hausmarken (auch Merkzeichen, Merk oder Bolmarke genannt). Häufig findet man diese Marken noch im 17. Jahrhundert unter Verträgen als Ersatz für die eigene Unterschrift, oft verbunden mit dem Zusatz: „dit is dat Merk van N.N. mit sin egen Hand getogen“ oder ähnlich lautend. Das „Merk“, das sich der nicht schreibkundige Unterzeichner fest eingeprägt hatte, galt hier gleichzeitig als Unterschrift und Beglaubigungszeichen. 175 In diesem Beitrag geht es jedoch nicht um die Hausmarken als Bestandteil von archivalischen Dokumenten, sondern um Hausmarken an Gebäuden, Ausstattungsstücken und Gegenständen, wie man sie in Museen und in Privatbesitz immer wieder findet. Zur Gestaltung und Verwendung von Hausmarken Die Zeichen selber sind meistens aus mehreren Strichen zusammengesetzt, die mit Querstrichen und Diagonalen zu Haken oder Winkeln angeordnet sind und so eine individuelle, unverwechselbare Marke ergeben. Die zumeist gerade Linienführung geht wohl darauf zurück, dass diese Marken mit einfachen Werkzeugen als Besitzzeichen in Gegenstände eingeritzt wurden. Doch auch rundlich gestaltete Hausmarken kommen vor. In ihrer Darstellung erinnern die Hausmarken manchmal an römische Zahlzeichen oder häufig auch an Runenbuchstaben. Diese Ähnlichkeiten sind aber rein optisch und technisch durch das Einritzen der geraden Striche bedingt – die Hausmarken haben sich weder aus Zahlen noch aus Runen entwickelt. Es waren vielmehr einprägsame Merkzeichen, mit denen auch Analphabeten ihr Eigentum eindeutig kennzeichnen konnten. Schon auf frühgeschichtlichen Fundstücken kommen einfache Besitzerzeichen bisweilen vor. Aber erst im Mittelalter mit der Herausbildung der Städte, dem Aufblühen von Handel und Handwerk sowie der zunehmenden Siedlungsdichte auf dem Lande nahmen die zunächst wohl willkürlich gewählten Zeichen die Form von Hausmarken nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten der Gestaltung und der Weiterentwicklung an. Anfangs bestanden die Hausmarken vornehmlich aus einem senkrechten Strich, dem sogenannten Schaft, dem man – einseitig oder durchgehend – gerade oder schräge Querstriche hinzufügte. Jedes Zeichen stand für den Besitz einer Familie oder eines Hauses im Sinne der Haus- und Hofgemeinschaft. Jeder weitere Spross der Familie musste die Hausmarke aber geringfügig ändern, damit man sie eindeutig einer Besitzerfamilie zuordnen konnte. So wurden die Zeichen im Laufe der Zeit differenzierter und komplizierter. Mit zunehmender Lese- und Schreibfertigkeit bezog man schließlich auch Namensinitialen in die Hausmarken mit ein. So entstanden die typischen Kombinationen aus Marken und Buchstaben, wie sie im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitet waren. Nach dem Vorbild adeliger und bürgerlicher Wappen entstanden im 16. Jahrhundert auch sogenannte „sprechende“ Hausmarken. Ihre Darstellung knüpft an den jeweiligen Familiennamen an, etwa ein Topf für den Namen Pötter, ein Baum für Böhmer, ein 176 Hausmarke der Familie Tegeder zu Gleesen auf dem Titelblatt des Stammbaums Hausmarke der Familie Tegeder zu Gleesen in der Hofchronik Kranich für Kranepohl oder eine Blume für Blohme. Auch diesen bildhaften Hausmarken stellte man später meistens Initialen an die Seite. Hausmarken wurden einst in Stadt und Land gleichermaßen verwendet, haben sich aber auf dem Lande durchweg länger gehalten. Anfangs dienten sie wohl rein praktischen Zwecken als Besitzzeichen auf Hausrat, Arbeitsgeräten, Vieh und anderem Besitz. Seit dem 16. Jahrhundert lässt sich jedoch eine zunehmende repräsentative Verwendung feststellen, wobei Hausmarken wie Wappen als Symbole der Familie in Szene gesetzt wurden. Rahmen, Kartuschen oder Wappenschilde unterstrichen den wappenartigen Charakter der Hausmarken im Zeitalter von Renaissance und Barock. Gerade aus diesen jüngeren Epochen sind überdies die zahlenmäßig meisten Hausmarken überliefert. Mit der zunehmenden Verschriftlichung des Rechtswesens und der Verwaltung hielten die Hausmarken schließlich auch Einzug in das Schriftgut und dienten Analphabeten als Unterschriftszeichen, wobei die optische Nähe zu Siegelmarken unverkennbar ist. Bei der handschriftlichen Kopie von Dokumenten galt die Abzeichnung der Hausmarken sozusagen als Echtheitsbeleg für die authentische Abschrift. 177 Forschungsgeschichte – Hausmarkenforschung in der NS-Zeit Schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts erschienen die ersten umfassenden Untersuchungen zu Hausmarken, wobei neben ihrer Entstehungsgeschichte vor allem rechtshistorische und germanistische Fragestellungen im Vordergrund standen. Als Standardwerke gelten bis heute „Die Hausmarken – Eine germanistische Abhandlung“, veröffentlicht 1853 vom Juristen A.L.J. Michelsen, sowie die vom Rechtshistoriker Carl Gustav Homeyer verfasste Übersicht „Die Haus- und Hofmarken“ von 1870, die in ihrer umfangreichen Quellensammlung auch interessante Belege aus dem Osnabrücker Land und dem Emsland bietet.1 Schon im 19. Jahrhundert vermuteten manche Autoren eine Ableitung der Hausmarken aus germanischen Runen und spätestens mit der Entstehung der Heimatbewegung setzte allerorten die Dokumentation dieser vermeintlich „altgermanischen“ Rechtszeichen ein.2 Nach dem Ersten Weltkrieg wurden diese Bemühungen noch intensiviert.3 In den 1920er Jahren galten die Hausmarken als wichtige Quelle der Heimatgeschichtsforschung und ihre Erfassung bildete einen festen Bestandteil der heimatkundlichen Arbeit.4 Die häufig postulierte Herkunft der Hausmarken aus dem altgermanischen Sippenwesen und Rechtsbrauchtum sowie ihre vermutete Ableitung aus der Runenschrift kamen der nationalsozialistischen Volkstumsideologie sehr entgegen. Diese war ja allenthalben auf der Suche nach den germanischen Wurzeln des deutschen Volkes und den vermeintlichen Überresten germanischen Kulturgutes in Volkskunst, Brauchtum und Erzählgut. Bald schon rückten die ebenso geheimnisvollen wie weit verbreiteten Hausmarken in den Fokus der NS-Pseudowissenschaften wie Sinnbildforschung, Runen- oder Sippenkunde. Sie wurden von den meisten Universitätswissenschaftlern abgelehnt, fanden aber vor allem unter dem Dach der Organisation „Ahnenerbe“ der SS viel Beachtung und politischen Rückhalt. Im Sommer 1937 wurde der Privatgelehrte Karl Konrad Ruppel, ein leidenschaftlicher Sammler deutscher Haus-, Hof- und Sippenmarken, vom Ahnenerbe angestellt. Er und drei Mitarbeiter sollten in ganz Deutschland und später auch in der „Ostmark“ Hausmarken sammeln und in einer Zentralkartei ordnen.5 Im Spätherbst 1938 rief Ahnenerbe-Präsident Wüst mit einem Informationsblatt die Öffentlichkeit zur Mitarbeit bei dieser Sammlung auf. Auch im Emsland setzte daraufhin die Hausmarkenerfassung durch engagierte Heimatforscher ein.6 Nicht alle Mitarbeiter werden damals durchschaut haben, dass sie auf diese Weise geschickt in die Propagandaarbeit des Ahnenerbes einbezogen wurden und mit ihren Forschungen vor Ort gleichzeitig auch pseudowissenschaftliches Gedankengut im Sinne der nationalsozialistischen Volkstumsideologie verbreiteten. So notierte ein Heimatforscher aus dem nördlichen Emsland in einem Vortragsmanuskript: 178 „Die frühere Auffassung über die Entstehung des Wappenwesens, dass dasselbe mit der Bewaffnung für Krieg und Turnier zusammenhängt, weicht neuerlich der Ansicht, dass schon die Runen Grundlage von Hausmarken, Steinmetzzeichen und Wappen bilden und die altgermanischen Runen- und Heilszeichen die Grundlage hergeben ... Heute mehr denn je muß sich das Augenmerk auf all die kleinen Urzellen richten, welche der Gesundung der völkischen Gesinnung dienen können. Dazu gehört das Schönste, was nicht mit Geldeswert zu messen ist – eben die Vergangenheit der dörflichen Geschlechter und die Erkenntnis, daraus zu lernen und weiterzuarbeiten.“7 In vielen heimatkundlichen und landwirtschaftlichen Publikationen erschienen in den folgenden Jahren Berichte über die angeblichen Fortschritte bei der Erforschung der Haus- und Sippenmarken, die jedoch über eine intensive Sammeltätigkeit niemals herauskam. Der mittlerweile zum Abteilungsleiter der „Pflegstätte für Hausmarken und Sippenzeichen“ beim Ahnenerbe aufgestiegene Karl Konrad Ruppel legte 1939 als Band 1 einer neuen „Schriftenreihe der Forschungsstätte für Hausmarken und Sippenzeichen“ in Berlin seine Publikation „Die Hausmarken. Das Symbol der germanischen Sippe“ vor. Damit war der ideologische Hintergrund der gesamten Sammelaktion klar bezeichnet. Weitere Forschungsergebnisse konnten durch den Zweiten Weltkrieg, aber auch wegen der unwissenschaftlichen Herangehensweise an das Gesamtprojekt nicht erzielt werden. Schließlich wurden die Hausmarken im Rahmen der Kriegspropaganda sogar als „Sinnbilder mittelalterlichen Wehrwillens“ deklariert.8 Hausmarkenforschung nach dem Zweiten Weltkrieg Die Hausmarken und ihre Erforschung waren durch die Tätigkeit des Ahnenerbes auf Jahrzehnte in Verruf geraten. Gleichwohl widmeten sich eifrige heimatkundliche Sammler im Emsland und der Grafschaft Bentheim auch nach 1945 weiterhin der Dokumentation von Hausmarken.9 1963 erschien im Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins sogar ein Aufsatz über die Bedeutung der Hausmarken.10 Der Autor, der Trierer Bürgermeister Hans Horstmann, dessen Vorfahren vom Hümmling stammten11, lobte den Ahnenerbe-Forscher Karl Konrad Ruppel darin als „verdienstvollen Begründer der ehemaligen Hausmarkenforschungsstelle in Berlin“.12 Horstmann hatte Ruppel 1954 veranlasst, seine nach Marburg ausgelagerte Hausmarkenkartei mit über 25 000 nach Provinzen und Orten geordneten Belegen dem Stadtarchiv Trier zu übereignen. Dort lagert das „Hausmarkenarchiv“ bis heute. Erst in den letzten Jahren wurden die Hausmarken als historische Quellen neu entdeckt, nun aber nicht mehr als vermeintliche Zeugnisse germanischen Altertums, sondern als Dokumente der frühneuzeitlichen Repräsentationskultur in Stadt und Land. 179 Hausmarken an Gebäuden Schon die Bezeichnung Hausmarke erinnert daran, dass diese Zeichen als Hinweis auf die Hausbesitzer einst bevorzugt an den Fassaden, Türen und Toren von Gebäuden in Stadt und Land angebracht wurden. Im 16. und 17. Jahrhundert gehörten Hausmarken zum festen Bestandteil der Giebeldekoration der Bürgerhäuser im niedersächsischen und im ostwestfälischen Raum mit ihren aufwendigen Fachwerkschnitzereien oder ihren reichen Sandsteindekoration im Stil der sogenannten „Weserrenaissance“.13 Dort läuft die chronologische Entwicklung von schlichten Handwerkszeichen über wappenartig ausgebildete Hausmarken auf den Torbalken schließlich zu ausgeschriebenen Namen der Bauherren.14 Als demonstratives Zeichen an Haus und Inventar wurden die Hausmarken in den katholischen Gegenden seit der Mitte des 17. Jahrhunderts vom gegenreformatorischen IHS-Zeichen abgelöst.15 Im 18. Jahrhundert kamen sie als Fassadenschmuck auch in den meisten protestantischen Städten außer Mode. Doch selbst an den schlichter gestalteten Bürgerhausfassaden im Münsterland, im Emsgebiet und in den östlichen Niederlanden wurden im 16. und 17. Jahrhundert auf den Torbalken, Dielenbalken und Küchenbalken neben Jahreszahlen und kurzen Inschriften häufig auch Hausmarken angebracht.16 Nur wenige überlieferte Beispiele sind heute noch erhalten, denn anders als im Oberweserraum wurden im Nordwesten die meisten Torbögen der einfachen städtischen Dielenhäuser seit dem 19. Jahrhundert entfernt und durch moderne Haustüren ersetzt. Die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und die Neubauwellen der Nachkriegsjahrzehnte taten hier ihr Übriges. Der früheste Nachweis für die Verwendung von Hausmarken an einem Gebäude im Emsland ist in Emsbüren an einem Inschriftstein zu finden, der heute in Zweit- Hausmarke des Johann von Graes auf einem Kaminstein von 1583 aus Emsbüren (Alles Fotos, soweit nicht anders angegeben, von Andreas Eiynck) 180 verwendung in der Seitenwand eines Bürgerhauses im Ortskern eingemauert ist. Vermutlich war dieser Sandstein ursprünglich als Kaminsturz an der Herdstelle des Vorgängerbaus angebracht. Dieses Haus war einst der Sitz der Emsbürener Vögte.17 Im Mittelpunkt des Steines steht die Inschrift „IVG 1583“, die seitlich von zwei kleinen Wappenkartuschen mit Hausmarken eingerahmt wird. Die Initialen stehen für Johann von Graes, der zwischen 1577 und 1602 als Vogt in Emsbüren erwähnt wird.18 Die älteste Hausinschrift in Lingen ist die einfache Jahreszahl 1583 auf dem Türsturz des heutigen „Kivelingshauses“, einem kleinen steinernen Bürgerhaus am Marktplatz mit einem Schweifwerkgiebel im Stil der Spätrenaissance. Verschiedene Backsteinbauten aus dem 17. Jahrhundert in Lingen zeigten früher eingemauerte Sandsteine, sogenannte Haus- oder Giebelsteine, die mit Hausmarken und Inschriften versehen waren. Im Emslandmuseum sind mehrere dieser Steine von früheren Lingener Bürgerhäusern erhalten geblieben. Ein Stein stammt vom früheren Haus Am Markt 7. Ursprünglich war es ein großes Bürgerhaus, seit dem 19. Jahrhundert dann Sitz der Lingener Stadtverwaltung. An seiner Stelle steht heute die Sparkasse Emsland. Die schmiedeeisernen Maueranker dieses Gebäudes waren als Jahreszahlen gestaltet und bezeichneten das Baujahr 1651.19 Der Giebelstein war im Westgiebel des Gebäudes über der Haustür zum Marktplatz eingemauert.20 Die Vorderseite zeigt zwei geteilte Wappenschilde. Beide Wappen weisen in der linken Hälfte eine Hausmarke und in der rechten Hälfte die Darstellung eines Baumes auf. Es handelt sich dabei um die Hausmarken der Familien Pott (links) und Menken (rechts). Dies belegen die auf einer darüber liegenden Schriftleiste angegebenen Namen des Bauherrn und seiner Gemahlin: GERARDT POT und MARG. MENCKE[N]. Der untere Abschluss des Steines, der vermutlich eine Inschrift mit dem Baudatum enthielt, war leider bereits vor der Bergung des Steines Anfang der 1960er Jahre nicht mehr erhalten.21 Ein weiterer Hausstein war früher am Hause Schlachterstraße 1 (heute Seiteneingang der Sparkasse) angebracht.22 Seine mehr- Giebelstein mit Hausmarken von einem 1651 erbauten Haus am fach übermalte Vor- Marktplatz in Lingen 181 derseite nennt auf einem Schriftband die Jahreszahl 1655 und zeigt eine Kartusche, darin einen geteilten Wappenschild mit zwei Hausmarken. Links ist eine Blumenvase mit den Initialen MP dargestellt und rechts eine Hausmarke mit den Initialen BM. Bei der Vase handelt es sich um das sprechende Zeichen der Familie Pott. Die Hausmarke steht, wie der Wappenstein von 1651 belegt, für die Familie Menken.23 Die Wappenkartusche wird eingerahmt durch sogenanntes „Knorpelwerk“, ein beliebtes Barockornament der Mitte des Giebelstein mit Hausmarken von einem 1655 17. Jahrhunderts. Den unteren Abschluss erbauten Haus an der Lingener Schlachterder Umrahmung bildet ein kleiner, stilisierter straße Maskenkopf. Eine weitere Hausmarke befindet sich über dem Seitenportal des 1655 erbauten Bürgerhauses Burgstraße 7 in Lingen. In einer kleinen Umrahmung im Stil der Mitte des 17. Jahrhunderts zeigt sie in einem geteilten Feld links vier Bäume und rechts drei Zweige. Bislang ist es leider nicht gelungen, diese Hausmarke einer Familie zuzuordnen.24 Hausmarke über dem Seitenportal des 1655 erbauten Hauses Burgstraße 7 in Lingen 182 Auch das vom bekannten Lingener Chirurgen Andreas Wesken 1695 gestiftete Sandsteinrelief am Hause Lookenstraße 10 mit einer Darstellung des Apostels Andreas und einer von chirurgischen Geräten umrahmten Inschriftkartusche mit dem Eid des Hippokrates zeigt im unteren Bereich eine Hausmarke, basierend auf dem Buchstaben W (für Wesken) und begleitet von den Initialen AW für Andreas Wesken.25 Auffällig ist, dass alle erhaltenen Hausmarken an Gebäuden des 17. Jahrhunderts in Lingen zu stattlichen, massiven Stein- Hausmarke des Medicus Andreas Wesken an dem von ihm gestifteten Reliefbild bauten oder zu aufwendigen Backsteinfassaden gehören und in Sandstein gehauen sind. Ob auch die zahlreichen einfachen Fachwerkhäuser, die in Städten wie Lingen, Meppen oder Haselünne wohl den Großteil der städtischen Bebauung ausmachten, auf ihren Tor- und Inschriftbalken mit solchen Zeichen markiert waren, kann mangels erhaltener Beispiele nur vermutet werden. An den dekorativen Fachwerkfassaden, die nach einem Stadtbrand im Jahre 1733 in Haselünne neu entstanden, sind jedenfalls keine Hausmarken mehr nachweisbar, wohl aber das in der Barockzeit in allen katholischen Gebieten so beliebte IHS-Zeichen.26 Die Hausmarken waren hier im 18. Jahrhundert offenbar schon aus der Mode gekommen. Auch im ländlichen Raum des Emslandes sind Hausmarken auf Tor- und Deckenbalken nur selten überliefert. Neben der geringen Zahl der erhaltenen Bauernhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert mag dabei auch die vergleichsweise schlichte Baugestaltung eine Rolle gespielt 1695 stiftete der Medicus Andreas Wesken haben. Holzreiche Fachwerkgiebel mit ein Reliefbild mit seinem Namenspatron aufwendigen Zierschnitzereien und um- 183 fangreichen Hausinschriften waren im Emsland wie auch im angrenzenden Münsterland und in der Grafschaft Bentheim ja nicht üblich. Erst seit dem späten 17. Jahrhundert kam eine solche dekorative Fachwerkbauweise im Gebiet östlich der Ems in Mode. Aber bei den älteren Bauernhäusern gab es, zumindest außen am Gebäude, kaum eine geeignete Stelle für die Anbringung von Hausmarken und Inschriften. Ganz unbekannt waren sie im ländlichen Fachwerkbau dennoch nicht. So zeigt eine frühere Scheune auf dem Hof Homeier in der Bauerschaft Ahlde bei Emsbüren auf einem der Innenbalken neben der Inschrift ANNO 1619 auch eine Hausmarke, die an ein Andreaskreuz mit zwei Querhaken erinnert. Hausmarke und Jahreszahl 1619 an einem Balken bei Homeier in Ahlde Auf dem Torbalken eines 1631 erbauten früheren Altenteilerhauses auf dem Hof Butmeyer in Moorlage ist unter der Inschrift GBM ANNO 1631 DEN 14 MAI ebenfalls eine Hausmarke eingeschnitzt. Im Schatten des weit auskragenden, verbretterten Giebelfeldes ist die Inschrift jedoch nur schwer zu erkennen. Ähnlich verhielt es sich Hausinschrift von 1631 und Hausmarke am Torbalken bei Butmeyer in Moorlage 184 Rauchfangrahmen von 1658 mit Hausmarken im Heimatmuseum Haselünne wohl bei der Torbalkeninschrift der alten Kirchspielschule von Salzbergen mit der Inschrift: KERSPEL SCHOLA Ao 1632 mit den Initialen IW AA, die wohl den damaligen Kirchenräten zuzuordnen sind. Anstelle einer Hausmarke steht hier ein Weihekreuz, da es sich ja um ein kirchliches Gebäude handelte.27 Eine Balkeninschrift mit Hausmarke zeigte auch der alte Schafstall des Hofes Hamann in Beesten. Unter der Schriftzeile ANNO 1658 DEN 7 MEI waren dort die Initialen I H (= Johann Hamann) und eine Hausmarke eingeschnitzt.28 In Häusern, die im 17. Jahrhundert schon über einen Rauchfang verfügten, konnte man die Hausmarken auf der Vorderseite des Rauchfangbalkens anbringen, etwa an der Stelle, an der in späterer Zeit in den Bauernhäusern große Zinnteller und anderer Zierrat aufgestellt wurden. Überliefert ist ein solcher Rauchfangbalken Linke Hausmarke am Rauchfang von 1658 in Haselünne Rechte Hausmarke am Rauchfang von 1658 in Haselünne 185 von 1658 mit zwei großen Hausmarken in runder Umrahmung im Heimathaus Haselünne. Der ursprüngliche Standort dieses Rauchfangs ist leider nicht mehr bekannt – er dürfte wohl aus einem Bürgerhaus in der Stadt Haselünne und nicht aus einem Bauernhaus stammen. Eine Rauchfanginschrift mit dem Wortlaut JOSEPH SEI MIT UNS 1637 ist aus dem Dorf Salzbergen überliefert.29 Auch in der benachbarten Grafschaft Bentheim ist ein Beispiel von 1667 aus Bentheim dokumentiert.30 Eine bevorzugte Stelle für die Anbringung von Zeichen und Inschriften im niederdeutschen Bauernhaus war der „Löchtebalken“, der seitliche Längsbalken in der Küche, der sich stets über dem langen Esstisch befand.31 Auf den Stützkonsolen der „Löchtebalken“ wurden im späten 16. Jahrhundert auch im Emsland die ersten Jahreszahlen eingeschnitzt32, später dann auf den Balken selber kurze Datumsangaben mit Hausmarken und nach dem Dreißigjährigen Krieg dann längere Hausinschriften mit Bibelzitaten und Sinnsprüchen.33 So erscheint auf einem heute in Zweitverwendung eingebauten Löchtebalken im alten Bauernhaus Dülmer in Lünne die Inschrift ANNO 1658 deN 8 MAI in Kombination mit einer Hausmarke. Baudatum und Hausmarke am früheren Löchtebalken im alten Haus Dülmer in Lünne Auf dem früheren Löchtebalken des Bauernhauses Allering in Salzbergen lautet die Inschrift: ALLES NACH GOTTES WILLEN ANNO 1724 DEN 17 MAY ARBEITET FLEISIG VND BETTET ANDECHTIG DAN HELFT VNS GOT ALMECHTIG 186 Inschrift von 1733 auf dem früheren Löchtebalken des Hauses Otten in Ahlde Eingerahmt wird dieser Hausspruch dort von drei Wappenschilden mit Hausmarken und Initialen.34 Die beiden linken Wappenfelder zeigen eine Hausmarke und die Initialen DA (= Dirk Allering) sowie ein Zeichen aus drei Kreisen mit den Initialen TV (ungedeutet). Im rechten Wappenfeld erkennt man ein Handwerkssymbol mit den Buchstaben IL und TM, letztere vermutlich die Abkürzung für TimmerMann oder TimmerMeister.35 Auf dem Hof Otten in Ahlde ist ein ähnlicher Löchtebalken aus dieser Zeit erhalten. Er zeigt die sehr ähnlich lautende Inschrift: ARBEIT : FLEISIG : HANDELT : VP : RICHTIG : VND : BEDET : ANDECHTIG : SO HELPET : IVW : GODT : ALMECHTIG : ANNO 1733 : DEN : 19. MAIVS Auch diese Inschrift wird von zwei schwungvoll dekorierten Wappenkartuschen eingerahmt, wobei das linke Wappenfeld die Initialen HT aufweist und das rechte die Initialen GO. HT steht für Henrich Theissing, der 1728 die Hoferbin Gebbe oder Gebina Otten heiratete und damit den Hofnamen Otten annahm, sich hier aber mit seinem Geburtsnamen nennt.36 Wappenfeld mit den Initialen HT (= Henrich Theissing) auf dem Löchtebalken bei Otten in Ahlde Wappenfeld mit den Initialen GO (= Gebina Otten) auf dem Löchtebalken bei Otten in Ahlde 187 Kaminwand von 1724 mit Wappenfeldern auf den Sandsteinplatten bei Wobbe, früher Pöttering, in Listrup Ähnliche Wappenfelder mit Initialen wurden im gleichen Jahr 1724 auch auf den Konsolen unter dem Löchtebalken des alten Bauernhauses Pöttering (heute Wobbe) in Listrup angebracht, wobei die dortigen Buchstaben IP für Johann Pötter(ing) und SK für seine Frau Susanne Klümpering stehen.37 Auch wenn es sich dabei um keine Hausmarken im eigentlichen Sinne mehr handelt, so zeigt die Umrahmung der Buchstaben durch eine Wappenkartusche doch noch den Typus der barocken Hausmarke als Wappenersatz.38 Das Haus Pöttering (heute Wobbe) in Listrup enthält außerdem die älteste nachweisbare Kaminwand in einem emsländischen Bauernhaus, die mit Sandsteinelementen verziert ist. Sie zeigt auf den Kragsteinen oberhalb der seitlichen Einfassung die Jahreszahl 1724 und auf den unteren Sandsteintafeln wiederum zwei große Wappenfelder mit den Initialen IP und SK. Diese Verwendung von Hausmarken auf den Sandsteinplatten wiederholt sich 1746 an einer Kaminwand im Dorf Emsbüren. Dort zeigt die linke Platte die Inschrift ANNO, die Initialen IAD (= Johann Anton Danckelmann) und die Hausmarke der Familie Danckelmann39, die rechte Platte die Jahreszahl 1746, die Initialen FT (= Fenne oder Euphemia Theißing) und die Hausmarke der Familie Theißing, die vom Stammhof Theißing in Engden bis heute geführt wird.40 188 Und noch ein weiteres Beispiel aus dem Kirchspiel Emsbüren lässt sich hier anführen: der Kaminstein aus dem früheren Fährhaus am Helscher Fähr in Leschede, das von alters her dem Bischof von Münster gehörte und an den jeweiligen Fährmann verpachtet wurde. Diese Sandsteintafel zeigt außer der Jahreszahl 1738 unter einer Fürstenkrone die verschlungenen Initialen C und A, hinter denen sich kein geringerer als der damalige Fürstbischof Clemens August verbirgt. Das dortige Monogramm des Landesherrn macht gleichzeitig deutlich, welch große Bedeutung die Initialen im 18. Jahrhundert in der Heraldik hatten, so dass auch im bürgerlichen und bäuerlichen Bereich die Initialen die altüberWappenfeld mit den Initialen IP (= Johann Pöttering) auf der Konsole unter dem Löch- lieferten Hausmarken immer mehr vertebalken bei Wobbe-Pöttering drängten. So markieren die beiden Hausmarken von 1746 an der Kaminwand des Hauses Danckelmann in Emsbüren den Endpunkt der Verwendung von Hausmarken als Bauschmuck im Emsland. Spätere Beispiele für die Verwendung von Hausmarken an Gebäuden sind bislang nicht bekannt geworden. Außerdem trat seit dem 17. Jahrhundert zunehmend das IHS-Symbol als signifikantes Segenszeichen an die Stelle der älteren Hausmarken auf den Löchtebalken.41 Belegt ist dieses Zeichen an diesem markanten Platz über dem Esstisch erstmals 1703 im Bauernhaus Laumann (früher Niehaus) in Lohe bei Freren und 1727 im Bauernhaus Geising in Ahlde, dort in Verbindung mit einer längeren Inschrift: Kaminstein mit den Initialen des Landesherrn Clemens August im Helscher Fährhaus 189 AG GOT BEWARE DIES HAVS ALLE DI DAR GEN IN VND AVS EN FVR FEVER BRAND VND STVRM WINT LAT MISGVNNERS GVNNEN LAT HATERS HATEN KANN VNS NICHT BATEN WAN GOT IST MET VNS KANN NIMANT WEDER VNS. IOHAN HELMINCK CHRISTINE GESINCK TOSAMEN ELEVTE. 1727 DEN 27. MAJVS.42 Im weiteren Verlauf des 18. Jahrhundert ist das IHS-Zeichen an Häusern und Einrichtungsstücken im südlichen Emsland vielfach belegt und wurde im 19. Jahrhundert sogar auf die Neubauten mit massiven Außenwänden übertragen. Frühe Belege auf Schützensilber Frühe Belege für Hausmarken im Emsland sind auch die Königsketten der alten Schützenvereine in Stadt und Land. An den Ketten der Lingener Kivelinge sind schon die ältesten Plaketten aus dem späten 16. Jahrhundert mit Hausmarken und Initialen, später dann mit Hausmarken und Namensangaben versehen. Auch die älteren Königsplaketten der ländlichen Schützenvereine aus dem 17. und 18. Jahrhundert zeigen solche Hausmarken, etwa an den Königsketten von Thuine (ab 1613)43, Altenlingen (seit 1617), Freren (1722)44 oder Handrup. Da die Plaketten die Hausmarke fast immer in Kombination mit einem Namen und einer Jahreszahl zeigen und zudem Kaminsteine mit den Hausmarken der Eheleute Anton Danckelmann und Fenne Theissing aus einem Haus in Emsbüren 190 durch die Königsketten regional genau zuzuweisen sind, kann man die Schützenplaketten wohl als die wichtigste Quelle zur Identifikation von emsländischen Hausmarken betrachten.45 Spätestens um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Verwendung von Hausmarken auf den Königsplaketten jedoch aufgegeben. An ihre Stelle traten Namen und Inschriften, häufig auch Formeln oder Sinnsprüche. Sie dokumentieren die zunehmende Lese- und Schreibfähigkeit, während Hausmarken nun offenbar als antiquiert galten. Hausmarken auf Fensterbierscheiben Sehr häufig findet man Hausmarken auf den sogenannten Fensterbierscheiben, also aufwendig bemalten kleinen Glasscheiben für Bleiverglasungen, die einst in vielen Kirchen, Rathäusern und Schlössern, Bürger- und Bauernhäusern zu finden waren.46 Ihr Name geht auf das „Fensterbier“ zurück, ein Fest zum Einzug in ein neues Haus, zu dem die Gäste bemalte Scheiben als Geschenke mitbrachten.47 Dieser Brauch ist im 17. Jahrhundert für die Stadt Lingen ,48 aber auch für das Kirchdorf Sögel archivalisch belegt.49 Er war damals wohl im gesamten Emsland allgemein Bäuerliche Hausmarken und Wappen der Familie Pinninck auf den Königsplaketten des 17. Jahrhunderts an der Kette des Schützenvereins Altenlingen; Foto: Lukas Raming 191 verbreitet. Später wurden diese Scheiben auch zu Hochzeiten den Neuvermählten übergeben und waren im 18. Jahrhundert auf dem Lande eines der beliebtesten Hochzeitsgeschenke. Der Reiseschriftsteller Johann Georg Kohl schreibt 1864 in seinen „Nordwestdeutschen Skizzen“ über die Fensterbierscheiben: „Ohne Zweifel stammt wohl diese Sitte noch aus den ersten Zeiten der Erfindung oder doch der Verbreitung des Glases in Norddeutschland. Wenn ein Bauer ein neues Haus baute, kamen seine Freunde mit Glasfenstern angezogen, auf denen ein kleines Bild, ein Spruch und der Name der Geber gemalt waren und die dann nachher in die Fensterrahmen eingesetzt wurden. Der Beschenkte musste dabei Bier spenden und ein Fest geben, das das ‚Fensterbier‘ oder noch häufiger ‚Fensterteer‘ hieß. Die gemalten Fensterscheiben waren nach alter Mode nur klein. Sie hatten den Zuschnitt der Zeit, in der das Glas noch etwas sehr Kostbares war. Auch ließen sie wegen der dick aufgetragenen Farbe nicht viel Licht durch. Als man in der Neuzeit anfing, weniger auf hübsche Bilder und Sprüche als darauf zu achten, dass die Fenster Licht hereinließen, und als die Scheiben zugleich größer wurden, da starb das ‚Fensterteer‘ allmählich aus. Und so sind denn auch die gemalten Fensterscheiben und Fenstersprüche seltener geworden. Doch findet man sie noch in einigen alten Häusern, meist jedoch nicht in der Hauptstube, sondern nur hier und da in irgendeiner kleinen Nebenkammer, bei der es noch nicht so sehr auf Licht ankam ... Manchmal findet man auch Wappen auf den Fenstern dargestellt, vor allem wenn ein adliger Herr der Geber war und seinen Bauern bei ihrem Fensterteer ein bemaltes Glas sandte.“50 Die Ursprünge des Schenkens von dekorierten Glasscheiben sind wohl in der Stiftung mittelalterlicher Kirchenfenster zu suchen. Die bekanntesten Fensterbierscheiben im Emsland befinden sich in den Fenstern der kleinen Kapelle in Höven bei Haselünne. Sie gelangten 1652 als Geschenke von Kirchenvorstehern der umliegenden Gemeinden in den Vorgängerbau des heutigen Gotteshauses.51 Auch aus den Kirchen zu Bramsche52, Thuine53 und anderen Orten sind solche Scheiben mit Widmungen und Stifternamen erhalten. Fensterbierscheiben aus Bürger- und Bauernhäusern sind für viele Orte des Emslandes überliefert. Einst waren sie wohl in jedem größeren Haus anzutreffen. Doch im späten 18. Jahrhundert kamen sie – vielleicht im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Gardinen – außer Mode und wurden schon im 19. Jahrhundert massenhaft beseitigt. Die wenigen noch vorhandenen Beispiele befinden sich heute fast alle nicht mehr am ursprünglichen Standort, sondern in Museen und Sammlungen. Erhalten beziehungsweise nachweisbar sind Belege aus Lingen54, Haselünne, Herzlake55, Werlte56, Sögel57, Spahn58, Lengerich59, Emsbüren, Bramsche, Thuine, Plantlünne und Beesten60. Eine umfangreiche Sammlung solcher Scheiben aus Häusern im 192 Hausmarken auf Fensterscheiben des 17. Jahrhunderts aus der Kapelle in Höven (oben) und aus der Sammlung des Lingener Emslandmuseums (unten) 193 südlichen Emsland besitzt das Emslandmuseum in Lingen. Sie wurde schon vor dem Ersten Weltkrieg von Pfarrer Gerhard Tegeder aus Gleesen zusammengetragen und gelangte 1927 in das Kreisheimatmuseum Lingen. Auch in allen Nachbarregionen des Emslandes waren Fensterbierscheiben im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitet. 61 Der Bestand reicht vielerorts bis in das 17. Jahrhundert zurück, was angesichts der Zerbrechlichkeit der empfindlichen Scheiben doch beHausmarke auf einer Fensterscheibe von 1691 merkenswert ist. Sie waren eben nicht aus einem Bauernhaus in Spahn bloße Gebrauchsgegenstände und Bauteile, sondern Erinnerungsstücke an Verwandte und Vorfahren sowie benachbarte und befreundete Familien. Die gemalten Darstellungen auf den Fensterscheiben zeigen die ganze Bilderwelt bürgerlichen und bäuerlichen Lebens im 17. und 18. Jahrhundert. Zunftzeichen und Berufssymbole waren typische Motive im städtischen Bereich. Auf dem Lande Vögel, Blüten und Hausmarken auf alten Fensterscheiben im Emslandmuseum Lingen 194 erscheinen pflügende und säende Bauern, Reiter auf springenden Rössern mit knallenden Peitschen und Pistolen, Hochzeitswagen mit Brautpaaren und Gästen bei der Anreise zum Fensterbier, stets festlich gekleidet wie vornehme Bürger oder Adelige. Darstellungen von Zimmerleuten beim Richtfest und Hochzeitspaaren zeigen den Zusammenhang der Scheiben mit dem Brauchtum von Fensterbier und Hochzeitsfeier. Auf religiöse Aspekte weisen die Scheiben mit Darstellungen von Heiligen und Wallfahrtsbildern hin. Blumen und Vögel vermitteln eine heitere Stimmung, wie sie mit den guten Wünschen zum Einzug in das neue Haus eben verbunden war. Jahreszahlen und Namen, Inschriften und Sinnsprüche erinnern an fröhliche Tage und großzügige Stifter. Im Mittelpunkt vieler Fensterbierscheiben stehen mehr oder weniger aufwendig dekorierte Hausmarken. Mit Rankenwerk umrahmte und farbig hinterlegte Kartuschen geben den grafischen Zeichen eine wappenartige Wirkung, die den repräsentativen Charakter der Fensterbierscheiben deutlich herausstellt. Auch bei den Fensterbierscheiben lässt sich seit dem 17. Jahrhundert eine zunehmende Kombination von Hausmarken und Initialen feststellen. Gelegentlich findet man sogar eine unmittelbare Verbindung von Bildmotiven und Hausmarken. Offenbar waren die Glasmaler in ihrer Darstellungsweise etwas freier als Zimmerleute und Zierschnitzer bei der Fachwerkdekoration. Gelegentlich erwiesen sie sich wohl auch bei der Neuschöpfung von Hausmarken als recht erfinderisch.62 Hausmarken auf Möbeln In zahlreichen Veröffentlichungen wird immer wieder behauptet, dass Hausmarken regelmäßig an Möbelstücken zu finden seien, auch im Emsland. Doch am umfangreichen Bestand historischen Mobiliars in den Museen und im Privatbesitz der Region lassen sich Beispiele hierfür so gut wie gar nicht finden. Gekennzeichnet wurden Möbel hier erst seit dem 17. Jahrhundert, und zwar fast immer mit Jahreszahlen, Namen und Initialen. Dies gilt insbesondere für die sogenannten „Bauernmöbel“, also die oft aufwendig dekorierten Aussteuermöbel der vollbäuerlichen Schicht. Die Möbel gehörten ursprünglich immer zur Aussteuer einer konkreten Person, meistens der einheiratenden Frau, und zählten damit gerade nicht zum allgemeinen Besitz eines Hofes oder einer Familie. Insofern ist es auch konsequent, dass sie nicht mit Hausmarken gekennzeichnet wurden. Im adeligen Bereich findet man auf solchen Aussteuermöbeln, vor allem auf den obligatorischen Aussteuertruhen, häufig die Wappen der entsprechenden Familien, meist das sogenannte Allianzwappen der Eltern mit dem Familienwappen des Vaters links und dem der Mutter rechts. 195 Die „Pinnincksche Truhe“ von 1620 gilt als ältestes Einrichtungsstück des Gutes Beversundern bei Lingen (Fotos der Truhe: Richard Heskamp) Hausmarke auf der linken Füllung der „Pinninckschen Truhe“ 196 Wappen der Familie Pinninck auf der rechten Füllung der „Pinninckschen Truhe“ Aus dem adeligen Damenstift Wietmarschen sind zwei solche Wappentruhen überliefert, die beim Eintritt der dortigen Stiftsdamen als Aussteuertruhen in das Kloster gelangten und nach deren Tod dort verblieben. Eine dieser Truhen, die sich heute im Emslandmuseum Lingen befindet, zeigt auf der Vorderseite die eingeschnitzten Wappen der Familien von Viefhues und von Rorup sowie die Jahreszahl 1619. Die relativ kleine Kastentruhe ist einfach dekoriert, aber sorgfältig gefügt und diente ursprünglich wohl als „Brieflade“, also zur Aufbewahrung von Dokumenten und Wertsachen. Eine vermutlich aus der gleichen Aussteuer stammende Truhe befindet sich heute in Privatbesitz in Wietmarschen. Die mit Schnitzereien im Renaissancestil dekorierte Kufentruhe wirkt auf den ersten Blick wie eine bäuerliche Aussteuertruhe aus dem Münsterland. Auf den beiden Füllungen zeigt sie jedoch ebenfalls die Wappen der Familien von Viefhus und von Rorup mit den Unterschriften „VIFHVS G N S“ und „ROROP 1630“. Ein vergleichbares Stück, die so genannte „Pinninck’sche Truhe“ aus dem Jahre 162063, ist aus der alten Einrichtung des Gutes Beversundern in Altenlingen überliefert und befindet sich heute als Dauerleihgabe der Familie von Galen im Emslandmuseum in Lingen. Der Wappenschmuck auf dieser großen und aufwendig dekorierten Dreifeldertruhe mit Rollwerkkartuschen und einer Bogenfüllung im Mittelfeld ist etwas rätselhaft. Auf der linken Füllung erscheint ein geteilter Wappenschild, der einen bärtigen Männerkopf und eine Hausmarke zeigt. Darüber stehen die Initialen „IP“, die als „Junker Pinninck“ gedeutet werden. Die rechte Füllung weist ein Wappen mit einem Balken und zwei Vögeln auf, offenbar das Wappen der Familie Pinninck, das in seiner Darstellung jedoch heraldisch nicht vollständig mit dem später üblichen Familienwappen übereinstimmt. Die Innenfläche der Bogenfüllung besitzt in der Mitte ein vertieftes Feld, in dem eine eigenartige Ritzdekoration erkennbar ist. Vermutlich handelt es sich dabei um den Vorriss für eine Intarsienfüllung aus farblich unterschiedlichen Hölzern. Erkennbar ist noch eine reiche Blattwerkdekoration, die wohl einen Wappenschild umrahmte. Das Wappen selber ist leider nicht dargestellt. Die aus Deventer stammende Familie Pinninck gelangte erst 1625 durch Kauf in den Besitz von Beversundern und gehörte damals auch noch nicht dem Adelsstande an. Der Käufer des Gutes, Adrian Pinninck, war kaiserlich-spanischer Amtsrentmeister in Lingen. Sein Vater, der Großkaufmann und Leinenhändler Hermann Pinninck, hatte sich mit der Adeligen Lucie von Reede zu Brandlecht vermählt.64 Adrian Pinninck heiratete am 6. Februar 1617 in Lingen Maria Boncamp oder Boenekamp, die Tochter seines Lingener Amtsvorgängers.65 Doch erst am 10. Januar 1652 wurde Adrian Pinninck von Kaiser Ferdinand III. in den deutschen Adelsstand erhoben.66 Demnach könnte die Truhe die bürgerliche Hausmarke der Familie Boncamp und das Wappen der Familie Pinninck zeigen.67 197 Das einzige ländliche Möbel im Emsland, das zumindest eine den Hausmarken ähnliche Verzierung aufweist, ist eine aufwendig dekorierte Kufentruhe von 1664, die heute auf einem Bauernhof in Wettrup steht. Sie zeigt auf den drei Füllungen eine sehr sorgfältig gearbeitete Dekoration mit Beschlagwerk, dem typischen Ornament der Zeit um 1600. Über dem Schlüsselloch in der Oberleiste ist eine zweiteilige Wappenkartusche eingeschnitzt, die links die Buchstaben HM und die Zahl 16, rechts dagegen die Buchstaben AO und die Zahl 64 aufweist. Das Ganze ist so angeordnet und ausgeführt, dass man zunächst an eine Hausmarke denkt. Die Zahlen stehen jedoch sicher für die Jahresangabe 1664, AO als Frontseite einer Truhe von 1664 in Wettrup Abkürzung für Anno und H M wären mit der Datierung in einem Wappenfeld schließlich die Initialen des damaligen Besitzers oder der Besitzerin. Ob diese Truhe 1664 allerdings tatsächlich als bäuerliche Aussteuertruhe angefertigt wurde, darf bezweifelt werden. Vermutlich stammt sie aus dem städtisch-bürgerlichen Bereich und gelangte erst später an ihren heutigen Standort. Hausmarken auf Bronzemörsern In manchen alteingesessenen Haushalten, aber auch in vielen Museen und Sammlungen findet man Bronzemörser aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die mit Ornamentfriesen, Inschriften, Jahreszahlen, Namen und Hausmarken dekoriert sind. Dabei handelt es sich keineswegs um alte Haushalts- oder Apothekergeräte, sondern um repräsentative Zierstücke, die für einen praktischen Gebrauch in Küche oder Labor viel zu wertvoll waren.68 Die norddeutschen Mörser aus dem 15. Jahrhundert zeigen in der Regel ein schlichtes Dekor, dafür aber häufig eine reliefartig ausgeprägte Hausmarke.69 Die ältesten mit Namen gekennzeichneten Mörser in Nordwestdeutschland stammen aus dem frühen 16. Jahrhundert. Sie entstanden zunächst wohl im Zusammenhang mit Glockengüssen, denn die Herstellungstechnik – der Guss in einer individuell 198 Mörser von 1589 mit eingravierten Ornamenten im Emslandmuseum Lingen Eingraviert ist auch ein Wappenfeld mit einer Hausmarke (Fotos: Richard Heskamp) angefertigten „verlorenen Form“ – war bei Glocken und Mörsern identisch und viele Glockengießer sind auch als Hersteller von Mörsern nachweisbar. Die Namen auf den Mörsern nennen meistens die Eigentümer des Mörsers. Soweit sich diese heute noch identifizieren lassen, handelt es sich um Personen aus der städtischen und ländlichen Honoratiorenschicht. Auch der Adel ist vertreten. Wappen und Hausmarken unterstreichen den repräsentativen Charakter der Mörser ebenso wie die häufig genannten Amtsfunktionen, etwa Pfarrer, Richter oder Verwalter. Seit etwa 1570 werden häufig Ehepaare auf den Mörsern genannt und man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Mörser als repräsentative Hochzeitsgeschenke in besseren Kreisen betrachtet. Die in Nordwestdeutschland nachweisbaren Mörser wurden im 16. Jahrhundert größtenteils in Osnabrück, Münster, Kleve und in den Niederlanden hergestellt, später dann vorzugsweise in Deventer. Die meisten bekannten Stücke aus dem 17. Jahrhundert stammen aus Werkstätten dieser Stadt an der Ijssel. Der Text für die Inschriften, aber auch die Vorlagen für Wappen und Hausmarken mussten also dorthin übermittelt werden, was angesichts der damaligen Post- und Handelsverbindungen für Schreibkundige wohl kein allzu großes Problem war. So lassen sich besonders im Münsterland, aber auch im Weser-Ems-Gebiet noch heute zahlreiche Ziermörser aus niederländischer Produktion mit Namen und Hausmarken einheimischer Honoratioren nachweisen. 199 Die Osnabrücker Mörser des 16. Jahrhunderts zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Dekoration nicht als Relief eingegossen, sondern in die glatte Oberfläche der Mörser eingraviert wurde.70 Ein solcher Mörser befindet sich auch in der Sammlung des Lingener Emslandmuseums. Er zeigt neben verschiedenen Pflanzenornamenten auf der einen Seite ein Schriftband mit der Jahreszahl 1589 und auf der anderen Seite einen Wappenschild mit einer Hausmarke. Ein Name ist leider nicht angegeben und die Marke konnte bislang auch nicht identifiziert werden. Der frühere Standort dürfte aber in einem vornehmen Bürgerhaus in Lingen zu vermuten sein. Ein ebenfalls gravierter Mörser ist in Privatbesitz in Haselünne erhalten. Er stammt ursprünglich aus einer Juristenfamilie in Vechta und zeigt die eingravierte Inschrift ENGELBERTH MVESELER ANNO 1600, verbunden mit einer Hausmarke. Nach der Form zu schließen, könnte dieser Mörser in Münster entstanden sein. Genau verfolgen lässt sich die Herkunft eines Mörsers aus der Familie Danckelmann, die ursprünglich aus Rheine stammte und deren reformierter Zweig sich im 17. Jahrhundert in Lingen niederließ.71 Aufgrund der Zierornamente ist sicher, dass dieser Mörser in der Werkstatt des bekannten Bronzegießers Hendrik Wegewart d.J. (†1624) im niederländischen Deventer hergestellt wurde.72 Bei der Übermittlung des Textes für die Inschrift dorthin ging wohl etwas schief, denn die Inschrift nennt außer der Jahreszahl 1618 die beiden Männernamen IORGEN DANCKELMANN und JOHAN POTKENS. Dahinter verbergen sich jedoch die Eheleute Jürgen Danckelmann und Johanna Pöttken. Der Stammvater dieser Danckelmann-Linie war Johann Danckelmann aus Rheine, der nach Metelen zog und dort 1593 das Bürgerrecht erwarb. Er wurde der Stammvater verschiedener Danckelmann-Linien im Münsterland und in Emsbüren. Sein Sohn, der auf dem Mörser genannte Jürgen Danckelmann, heiratete Johanna Pöttken (um 1600–1653), die Tochter eines Burgsteinfurter Gastwirtes. Das Hochzeitsdatum ist nicht bekannt, der Mörser nennt das Jahr 1618. Das erste Kind aus dieser Ehe wurde allerdings erst 1628 geboren. Jürgen Danckelmann war von 1629 bis 1637 Bürgermeister in Metelen. 1633 wurde er von den hessischen Truppen, die damals das Münsterland besetzt hielten, nach Rheine verschleppt. Er starb 1662 in Metelen. Der Mörser fiel vermutlich an den ältesten Sohn Johann, der sich 1670 in Burgsteinfurt zum Calvinismus bekannte und die reformierte Burgsteinfurt-Linie Danckelmann begründete. Diese starb um die Mitte des 18. Jahrhunderts in männlicher Linie aus. Wie der Mörser damals weiter vererbt oder überliefert wurde, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Vor ein paar Jahren tauchte er auf einer Auktion bei Sotheby’s in London auf und fand über den niederländischen Antiquitätenhandel den Weg nach Lingen. 200 Mörser der Eheleute Danckelmann/Pöttken von 1618 mit eingravierter Hausmarke (Foto: Richard Heskamp) Die Familie Danckelmann stammte aus dem Bürgertum im nördlichen Münsterland und nur der reformierte Zweig in Lingen wurde später in den Adelsstand erhoben. Daher führte die Familie ursprünglich auch kein Wappen, sondern eine Hausmarke. Diese wurde auf dem Mörser nicht eingegossen, sondern der Hersteller modellierte lediglich ein schlichtes Wappenfeld, in das die Hausmarke vor Ort eingraviert werden konnte – ein damals übliches Verfahren. Angesichts der sehr harten Bronze war hier allerdings eine geübte Hand notwendig, die in diesem Fall wohl fehlte. So wurde die Hausmarke ziemlich grob in die Oberfläche des ansonsten sehr kunstvoll gearbeiteten Mörsers eingeritzt. Hausmarken als Gravuren auf Silber und Zinn Vielfach belegt sind Hausmarken auf altem Zinngeschirr, besonders auf Repräsentationsstücken wie Gildepokalen, Trinkbechern und anderen Ziergegenständen. Aus dem Emsland sind solche Stücke nicht überliefert und überhaupt fehlen hier jegliche Nachweise für Hausmarken auf Zinngegenständen. Das ist zunächst erstaunlich, aber leicht erklärbar. Die meisten erhaltenen Zinngeräte im Emsland stammen nämlich erst aus dem 18. und 19. Jahrhundert, also einer Zeit, als in den meisten Bereichen der Repräsentationskultur längst Namensinschriften und Sinnsprüche an die Stelle von Hausmarken getreten waren. Dass Hausmarken auf edlen Metallgefäßen auch im Emsland verbreitet waren, beweist eine Branntweinschale aus Emsbüren, die um 1750 vom Lingener Goldschmied Jan Hindrik Thiel angefertigt wurde. In ihre Wandung ist eine Wappenkartusche mit zwei Hausmarken eingraviert, links ein Kranich und rechts ein Dreieck mit drei Kugeln.73 Es handelt sich um die Wappen beziehungsweise Hausmarken der Familien Danckelmann und Theissing. Die darüber angebrachten Initialen AD und FT stehen für Anton Danckelmann und Fenne Theissing, die sich auch auf dem oben bereits angeführten Kaminstein verewigt haben. 201 Hausmarken auf religiösen Denkmälern Seit dem Mittelalter wurde es üblich, Stiftungen religiöser Bildwerke und kirchliche Ausstattungstücke mit Stifterinschriften, Stifterwappen oder Hausmarken zu versehen. Das früheste nachweisbare Beispiel für die Verwendung von Hausmarken im sakralen Bereich findet man an einer Totenlaterne auf dem alten Kirchhof in Emsbüren. Die aus Bentheimer Sandstein kunstvoll gearbeitete Lichtersäule, deren Bekrönung schon seit langem fehlt, zeigt auf dem achtseitigen Unterbau vier Maßwerkblenden und Wappenfelder mit Hausmarken. Stilistisch gehört die Lichtersäule in die Zeit um 1500. Die Hausmarken lassen sich leider keinen bestimmten Familien zuordnen. So ist auch nicht feststellbar, ob sie für einen bestimmten Stifterkreis oder für die damaligen Kirchenräte stehen. Im Zeitalter der Renaissance und des Barock erreichte diese Art der Selbstdarstellung frommer Stifter durch Epitaphien (Erinnerungsdenkmäler) und Grabsteine ihre weiteste Verbreitung. Während kunsthistorisch wertvolle Arbeiten vornehmlich adeliger Schenker im Emsland noch in vergleichsweise großer Zahl erhalten sind, beispielsweise in den Pfarrkirchen zu Meppen, Haselünne und Aschendorf, Lengerich und Thuine, gingen die einfachen Stücke aus bürgerlichen und bäuerlichen Stifterkreisen wohl größtenteils verloren und sind heute nur noch in wenigen Resten greifbar. Hierzu zählt ein Reliefbild mit einer volkstümlichen Darstellung der schmerzhaften Muttergottes in der Pfarrkirche zu Groß Hesepe. Die Gottesmutter erscheint hier – wie in der Barockzeit üblich – durchbohrt von einem Schwert als Ausdruck des Schmerzes. Ungewöhnlich ist jedoch die Kombination mit den LeidenswerkUnterbau der früheren Totenlaterne auf dem alten Kirchhof in Emsbüren aus der Zeit um 1500 mit spätgotischem Dekor 202 Auf dem Sockel der Totenlaterne sind neben gotischem Maßwerkdekor auch verschiedene Hausmarken angebracht zeugen Christi.74 Unterhalb des Bildfeldes erscheint dort eine Kartusche mit der Jahreszahl 1705 und den sprechenden Hausmarken der Eheleute I.C. KRANNIOLL (ein Kranich75) und M. PLAGGE (drei Marterwerkzeuge für Plagge = Plage). Johann Conrad Kranioll, eigentlich Kranepohl, stammte aus Horstmar im Münsterland und war von Beruf Reitersoldat. Margaretha Plagge, geb. Grüter aus Groß Hesepe, hatte 1651 Gerhard Plagge geheiratet, Halberbe und Gastwirt in Dalum. Er starb 1665 unter Hinterlassung mehrerer kleiner Kinder. Seine Witwe ging im Jahr darauf eine zweite Ehe ein mit Johann Conrad Kranepohl, der 1689 Pächter der Dalumer Fähre wurde. Auch aus dieser Ehe gingen mehrere Kinder hervor. Margaretha Kranepohl, verwitwete Plagge, geborene Grüter, starb am 18. Mai 1705. Das von den Eheleuten gestiftete Marienrelief hatte also gleichzeitig den Charakter eines Erinnerungsdenkmals für die verstorbene Ehefrau.76 In der Barockzeit entstanden auch außerhalb der Kirchen und Kirchhöfe viele religiöse Denkmäler. Neben Wegekreuzen und Kapellen mit Heiligenbildern waren dies im 18. Jahrhundert vor allem die sogenannten „Bildstöcke“. Diese aus Sandstein gefertigten stelenartigen Gehäuse mit Reliefbildern gehen auf die barocken Stationsbilder entlang der Prozessionswege zwischen Münster und dem Wallfahrtsort Telgte sowie entlang des Großen Kreuzwegs in Coesfeld zurück.77 In der giebelartigen Bekrönung sind häufig Stifternamen und Stifterwappen angebracht. 203 Reliefbild von 1705 in der Kirche zu Groß Hesepe mit den Hausmarken der Stifter Bildstock von 1737 in Salzbergen mit den Hausmarken der Stifter 204 Einer der ältesten Bildstöcke im Emsland steht nördlich von Salzbergen am sogenannten „Napoleondamm“, der alten „Friesischen Straße“ von Münster nach Ostfriesland. Er zeigt auf der einen Bildseite eine Kreuzigungsszene und auf der anderen Seite eine volkstümliche Darstellung der sieben Schmerzen der Muttergottes in Form von sieben Schwertern. Eine Inschrift unter dem Marienbild nennt als Stifter des Bildstocks die Eheleute Lubertus Hinterding und Gertrudis Albers aus Salzbergen, die Eltern des späteren Salzbergener Pfarrers Bernhard Hermann Hinterding. Als Stiftungsdatum ist an der Seite des Bildstocks der 25. Oktober 1737 angegeben.78 Der bogenförmige Giebelaufsatz ist auf den Bildseiten mit einem Wolkenhimmel gefüllt, in den als oberer Abschluss auf beiden Seiten zwei gekrönte Hausmarken eingearbeitet sind: links das Zeichen der Familie Hinterding und rechts das Zeichen der Familie Albers. Bemerkenswert ist dies vor allem, weil die Familie Hinterding keine alteingesessene Bauernfamilie war. Um 1750 wird die Familie den „Brinksitzern“ zugeordnet und betrieb eine Gastwirtschaft. Vielleicht wollten die Eheleute mit der Stiftung des Bildstocks und der Führung von Hausmarken ihren neuen sozialen Status als Eltern eines Geistlichen und des zukünftigen Pfarrers unterstreichen. Hausmarken auf Grabdenkmälern Hausmarken findet man auch auf vielen Grabdenkmälern, besonders auf den in manchen Gegenden Norddeutschlands verbreiteten steinernen Grabplatten, Grabstelen und Grabkreuzen.79 In Zeiten, in denen die meisten Familien sich mit zugewiesenen Grabstellen auf einem völlig unregelmäßig belegten Kirchhof begnügen mussten und die meisten Begräbnisplätze allenfalls mit einem Holzkreuz markiert waren, bildeten Familiengruften nicht nur einen wichtigen Bestandteil der Sepulkralkultur, sondern immer auch der Repräsentationskultur. Gerade Hausmarken als Zeichen alteingesessener Familien waren geeignet, auf der Familiengruft nicht nur einzelne Verstorbene, sondern die gesamte Familie oder gar die Verwandtschaft zu repräsentieren. Auf dem Alten Friedhof in Lingen sind noch etwa 25 Grabstellen aus der Zeit vom 17. bis zum frühen 18. Jahrhundert erhalten80, allerdings nicht mehr auf den ursprünglichen Grabstellen, sondern sekundär eingebaut in die heutige Friedhofsmauer.81 In Lingen gehörte zu den größeren Häusern und Anwesen eine feste Begräbnisstätte auf dem Friedhof. Beim Verkauf des Hauses konnte die Grabstelle einem neuen Eigentümer übertragen werden.82 In mehreren Fällen sind sogar die Hausnummern auf den Grabplatten angegeben. Alle identifizierbaren Grabplatten auf dem Alten Friedhof in Lingen gehören zu führenden Familien der Stadt. Diese Honoratioren legten offenbar großen Wert auf eine repräsentative Ausgestaltung ihrer Familiengräber und statteten ihre Grabdenkmäler neben Namen, Inschriften und Ornamenten auch mit ihren Hausmarken oder Wappen aus. Die Grabplatten aus dem 17. und 18. Jahrhundert zeigen größtenteils bürgerliche Wappen, die in den meisten Fällen aus den Familiennamen abgeleitet sind, etwa ein Berg mit einer Kappe für Cappenberg, ein Haus für Blockhus, eine kunstvoll verknotete Kordel für Cordes, eine Eiche für Zur Eick, ein Lindenblatt für Terlinden, 205 In die Mauer des Alten Friedhofs zu Lingen wurden im 19. Jahrhundert zahlreiche historische Grabplatten eingesetzt ein Topf mit Blumen für Pott, eine Martinsgans für Martens usw. Man kann diese ideenreich gestalteten Darstellungen wohl getrost unter den Phantasiewappen einordnen. Drei der ältesten Grabplatten zeigen anstelle der Wappen traditionelle Hausmarken mit strichhaften Zeichen. Im Mittelpunkt einer nur fragmentarisch erhaltenen, vermutlich 1630 entstandenen Platte erscheint ein umkränzter Wappenschild in barocken Formen mit einer Hausmarke und den Initialen D R I M. Durch Vergleich mit den Hausmarken an den Königsketten der Kivelinge lässt sich diese Hausmarke der Familie Drees zuordnen.83 Eine weitere Hausmarke ist als linke Hälfte eines bürgerlichen Ehewappens auf einer Grabplatte aus dem 18. Jahrhundert dargestellt. Wie die Unterschrift des Wappens und ein Vergleich mit den Hausmarken an der Kivelingskette zeigen, handelt es sich um das Zeichen der Bürgermeisterfamilie Dreesmann.84 Fragment einer Grabplatte von 1639 mit Hausmarke der Familie Drees 206 Grabplatte der Familie Dreesmann mit späterer Nachbeschriftung durch die Familie Schmidt Grabplatte von 1663 mit Wappen und Hausmarken auf den Eckpunkten sowie Nachbeschriftung durch die Familie Schmidt Eine der am aufwendigsten dekorierten Grabplatten auf dem Lingener Friedhof zeigt in reichem frühbarockem Rankenwerk eine von zwei Säulen eingerahmte Kreuzigungsszene mit zwei knienden Stifterfiguren sowie einer Sanduhr als VanitasSymbol. Die verwitterte Inschrift lässt neben wenigen Wortresten noch eindeutig die Jahreszahl 1663 erkennen. Die ursprünglichen Texte in den beiden Schriftkartuschen ober- und unterhalb des Bildfeldes wurden später abgeschlagen und durch den Namen des Nachbesitzers, J.C. Müller, ersetzt. Deutlich erkennt man jedoch noch heute, dass in den vier Ecken der Grabplatte vier Wappenfelder angeordnet waren. Die beiden unteren Wappen wurden in späterer Zeit bei einer Einkürzung der Platte entfernt. Die beiden oberen Wappenfelder zeigen links vermutlich einen Topf mit einer Blume, vielleicht die Hausmarke der Familie Pott, und rechts eine aus Strichen zusammengesetzte Hausmarke. Leider lassen sich auch bei dieser Grabplatte die Namen der dort Bestatteten nicht mehr identifizieren. Eindeutig feststellbar ist in diesem Fall jedoch der Hersteller der Platte, der Bildhauer Bernd Meiering aus Rheine.85 Auf den Grabplatten der Lingener Honoratiorenfamilien wurden die Hausmarken als Gestaltungselement im 18. Jahrhundert durch die bürgerlichen Familienwappen 207 Detail des Wappenfeldes einer Grabplatte mit der Hausmarke der Familie Dreesmann und vermutlich dem Wappen der Familie Steding abgelöst. Bei den vereinzelt erhaltenen steinernen Grabkreuzen von ländlichen Friedhöfen fanden sie im bäuerlichen Umfeld im 18. Jahrhundert noch allgemeine Verwendung.86 Zusammenfassung – Zur Verwendung der Hausmarken Als Besitzerzeichen spielten die Hausmarken schon im 16. Jahrhundert keine Rolle mehr. Im privaten Bereich, etwa auf Mobiliar oder Gebrauchsgegenständen, sind sie im Emsland nur selten nachweisbar. Sie sind in ihrem Gebrauch vielmehr untrennbar verbunden mit der bürgerlichen und bäuerlichen Repräsentationskultur in der frühen Neuzeit. Sie finden sich in dieser Zeit an Hausgiebeln und an wichtigen Stellen im Gebäude, also an den Orten im und am Gebäude, an denen später die Hausinschriften angebracht wurden. Häufig findet man Hausmarken auf prestigeträchtigen Luxusgegenständen aus wertvollem Metall und an brauchtümlichen Gegenständen, die die bürgerliche und bäuerliche Gemeinschaft repräsentieren, allen voran die Fensterbierscheiben. 208 Detail einer Grabplatte von 1663 mit einer Hausmarke in der Wappenkartusche oben rechts sowie Nachbeschriftung durch die Familie J.C. Müller Nur die oberen Sozialschichten in Stadt und Land führten eine Hausmarke. Dies waren zum einen die alteingesessenen Bauernfamilien, die durch die Agrarverfassung gegenüber Neubauern und Heuerleuten eine privilegierte Stellung besaßen. Zum anderen waren es die Kaufleute, Handwerker, Akademiker und Honoratioren in den größeren Orten. Diese waren in den Städten auch Inhaber des vollen Bürgerrechtes, während die meisten Stadtbewohner der unteren Sozialschichten nur Einwohner ohne volles Bürgerrecht waren. Für Kleinbauern und Heuerleute, aber auch für die städtischen Unterschichten fehlen jegliche Nachweise von Hausmarken. Die führenden Schichten in Stadt und Land versuchten in der gesamten Frühen Neuzeit, ihre privilegierte Stellung gegen die zahlenmäßig rasch anwachsenden Unterschichten zu behaupten. Die Heiratskreise dieser Familien machen das besonders deutlich. Aber auch nach außen hin waren sie bestrebt, zu zeigen, wer auf der unteren Ebene von Stadt, Kirchspiel und Bauerschaft das Sagen hatte. Ein Mittel dieser ständischen Abgrenzung war die Verwendung von Hausmarken, die eben nicht jede Familie aufzuweisen hatte. Daher haben die Hausmarken neben ihrer heraldischen und rechtlichen Funktion auch eine hohe kulturhistorische Aussagekraft. 209 Grabplatte mit den bürgerlichen Wappen der Familien Flaging und Pott auf dem Alten Friedhof in Lingen Anmerkungen 1 Andreas Ludwig Jacob Michelsen, Die Hausmarke – Eine germanistische Abhandlung. Jena 1853; Carl Gustav Homeyer, Die Haus- und Hofmarken. Berlin 1870, Nachdruck Saarbrücken 2007. Beide Bücher sind mittlerweile in digitalisierter Form auch als Google-Books im Internet einsehbar. Homeyer war Germanist und Rechtshistoriker, Michelsen Professor der Rechte in Jena. 2 Franz Diekmann, Geschichte des Kirchspiels Rhede. Rhede 1913, S. 35, Alte Bauernzeichen aus dem 16.–18. Jahrhundert. 3 Siehe hierzu z.B. Hans Förster, Alte volkstümliche Kunst Niedersachsens. Hannover 1926, S. 108– 113. 4 Das „Handgemal“, die „Bolmarke“ des alten Bauern. In: Lingener Volksbote, Ausgabe vom 17.3.1933; Heinrich Wellmann, Die Bauerschaft Mehringen a. d. Ems und Umgegend des Kirchspiels Emsbüren im Kreise Lingen (Ems). Ein Beitrag zur Heimatkunde. Lingen (Ems) 1934, S. 162. 5 Michael H. Kater, Das „Ahnenerbe“ der SS, 1935–1945, ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches. Stuttgart 1973, S. 76; Einen Nachruf auf Karl Konrad Ruppel (1880–1968), der nach dem Zweiten Weltkrieg als Rechtsanwalt tätig war, publizierte ein Pfarrer i.R. Hermann Knodt im Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete, Bd. 35/36, 1969, S. 151. 6 Beispielhaft zitiert sei hier die Untersuchung der Lengericher Hausmarken von Hermann Meier, Über das „Merk“ der Landbevölkerung. In: Die Kunde. Gemeinsames Mitteilungsblatt des urgeschichtlichen Außendienstes am Landesmuseum der Provinz Hannover und der Arbeitsgemeinschaft für Volkskunde Niedersachsens, Jg. 8, 1940, S. 90–92. Ferner: Emsländische Haus- und Hofmarken. In: Neue Volksblätter, Ausgabe vom 5.4.1939. Auch im Archiv des Heimatvereins Rhede befinden sich Unterlagen über eine örtliche Sammelaktion, bei der 1938 Hausmarken aus alten Urkunden 210 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 und Dokumenten, aus Hofchroniken und von Grabsteinen zusammengetragen und dann zu einer Übersichtstafel aufgearbeitet wurden. Kopie eines Manuskriptes von Franz Vogler, Rhede, wahrscheinlich von 1938. Adolf Dickes, Heimatliche heraldische Kunst. Wappen im Gau Weser-Ems. Sinnbilder mittelalterlichen Wehrwillens. Ursprung und Werden der Hausmarken. In: Neue Volksblätter, Ausgabe vom 9.7.1944. Ludwig Edel, Hausmarken in der Grafschaft Bentheim. In: Jahrbuch des Heimatvereins der Grafschaft Bentheim 1954, S. 63–65 und 1955, S. 110–117; Gerhard Grävemäter, Hausmarken im Kirchspiel Gildehaus. In: Jahrbuch des Heimatvereins der Grafschaft Bentheim 1956, S. 125–130 und 1957, S. 44; Walter Tenfelde: Die Hausmarken im Kreise Lingen. In: Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins 10, 1963, S. 97–101. Hans Horstmann, Die Entwicklung der Hof- und Hausmarken in ihren Grundzügen. In: Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins 10, 1963, S. 86–96. Hans Horstmann, Beiträge zur Geschichte der Familie Horstmann. In: Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins 4, 1957, S. 95–105. Horstmann (wie Anm. 10), S. 89. Wilhelms Hansen, Fachwerk im Weserraum. Hameln 1980. Klaus G. Püttmann, Zur Chronologie und Funktion von Fachwerkornamentik, ausgehend vom Bestand der westfälischen Stadt Wiedenbrück. In: Günter Wiegelmann und Fred Kaspar (Hrsg.), Beiträge zum städtischen Bauen und Wohnen ist Nordwestdeutschland. Münster 1988, S. 97– 140. Wilhelm Schmülling, Hausinschriften in Westfalen und ihre Abhängigkeit vom Baugefüge. Münster 1951, S. 76–78 u. 132. Schmülling (wie Anm. 15), S. 15–18; Everhard Jans, Burgerhuizen tussen Ijssel en Eems 1400–1850. Zutphen 1989; Andreas Eiynck, Häuser, Speicher, Gaden – Städtische Bauweisen und Wohnformen in Burgsteinfurt und im nordwestlichen Münsterland vor 1650. Bonn 1991. Einzelne Torbalken aus der Zeit um 1600 mit Hausmarken sind z.B. in Burgsteinfurt und Vreden noch erhalten. Bernhard Feldmann, Untersuchungen zur Topographie des historischen Emsbüren. In: Christine Hermanns (Hrsg.), Saxlinga – Kirchspiel – Gemeinde. 1175 Jahre Emsbüren. Emsbüren 1994, S. 49–66, hier S. 63. Walter Tenfelde, Urkunden und sonstige schriftliche Quellen zur Geschichte des Kirchspiels Emsbüren. Lingen (Ems) 1990, Nr. 404, S. 64. Die gleiche Hausmarke wie auf dem Kaminstein erscheint auch auf einem Siegel, das Heinrich von Graes 1596 als Vogt von Emsbüren unter eine Urkunde setzte. Siehe genealogische Sammlung Johann Rudolf van Lengerich, Haus Lengerich. Arnold Nöldecke, Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. IV. Regierungsbezirk Osnabrück, 4. Die Kreise Lingen und Grafschaft Bentheim. Hannover 1919, S. 59. Andreas Eiynck, Lingen – Stadt an der Ems. Erfurt 2001, S. 24–25. Ein entsprechendes Foto des Steines am alten Standort befindet sich im Bildarchiv des Emslandmuseums. Nöldecke (wie Anm. 19), S. 59. Siehe auch Tenfelde (wie Anm. 9), S. 42. Walter Tenfelde, Ein altes Bürgerhaus an der Burgstraße. In: Kivelingszeitung Lingen 1984, S. 28–31. Andreas Eiynck, Das Andreasdenkmal am Andreasplatz und der Medicus Andreas Wesken. In: Holger Berentzen (Hrsg.), Aus dem Glauben leben – 16 Stationen in Lingen. Ein Stadtführer für junge und jung gebliebene Menschen. Lingen 2011, S. 34–37; E. Püschel, Wundarzt A. Wesken, †1703 – Beurkundung einer ungewöhnlichen Operation. In: Kivelingszeitung Lingen 1972, S. 29–35. Das IHS-Zeichen befindet sich am reich beschrifteten Torbogen des Hauses Nonnenwall 3, und zwar in Kombination mit einer Giebelinschrift in lateinischer Sprache, einer Giebelbalkeninschrift in deutscher Sprache mit dem Chronogramm 1734 sowie Torbogeninschrift mit den Namen der Erbauer. 211 27 Aloys Kohlstall, Salzbergen – die Geschichte eines Dorfes. Salzbergen 1977, S. 78. Der Torbalken, der schon im 19. Jahrhundert an einem Nebengebäude wiederverwendet wurde, befindet sich heute in der Kolpingbildungsstätte in Salzbergen. 28 Der Schafstall wurde in den 1970er Jahren bei einem Sturm umgeweht. Die Balkeninschrift ist abgebildet bei Bernhard Garmann, Beesten in Vergangenheit und Gegenwart. Beesten 1975, S. 52. 29 Kohstall (wie Anm. 27), S. 152. 30 Schmülling (wie Anm. 15), S. 18. 31 Dieses Phänomen ist bislang noch nicht zusammenhängend untersucht. Frühe Beispiele bei Heinz Riepshoff, Die Bedeutung von Baudaten und Inschriften in und an Gebäuden in der früheren Grafschaft Hoya. In: Der Holznagel 5, 2007, S. 6–21 (Luchtbalken mit Inschrift „IM JAR ANNO 1579“ und Knagge unter einem Luchtbalken mit Jahreszahl „1595“) sowie an einem Bauernhaus in Varel-Obenstrohe mit den Inschriften „Johan“ „B.V.H. 1565“ auf den mit Taustäben verzierten Knaggen unter dem Luchtbalken, abgebildet bei Niklas Hertwig und Andreas Eiynck, Bauernhöfe in Nordwestdeutschland. Eine kulturhistorische Hofreise durch die Region Weser-Ems. Münster 2011, S. 82/83. 32 So 1573 in der früheren Leibzucht des Bauernhofes Feye in Beesten und 1589 im Bauernhaus Thy in Messingen. 33 Weitere Luchtbalkeninschriften aus dem 17. Jahrhundert ohne Hausmarken im südlichen Emsland finden sich z.B. in einem früheren Altenteilerhaus in Bawinkel, wo nur die Datierung ANNO 1617 angegeben ist. In einem früheren Bauernhaus in Ahlde lautet die Inschrift: ANNO 1646 DEN 26. SEPTEMBRI. HERMANN HÜSINCK SWENNE WOLBERS; zitiert nach Wellmann (wie Anm. 4), S. 160. Dies ist gleichzeitig die älteste Hausinschrift mit vollständig ausgeschriebener Namensnennung beider Eheleute im Emsland. Auf dem erhaltenen Luchtbalken des früheren Bauernhauses Venbert in Spelle heißt es: ANNO 1648 DEN 19. FEBERVARIVS und auf dem Luchtbalken im früheren Bauernhaus Sühlmeiners in Langen lautet die Inschrift: ANNO 1678 DEN 23. APRIL JohAN SVL ANNA SINE hVESE FROVWE. Auch für das 18. Jahrhundert lassen sich im südlichen Emsland noch zahlreiche Luchtbalkeninschriften nachweisen. Zu den Luchtbalkeninschriften in der Grafschaft Bentheim siehe Schmülling (wie Anm. 15), S. 18. 34 Den gleichen Spruch wählte man 1727 auch für den noch erhaltenen Luchtbalken des alten Bauernhauses Hopmann in Ahlde: ARBEITET FLEISSIG HANDELT AUFRICHTIG BETET ANDECHTIG SO HIFLT UNS GOTT ALMECHTIG GERT HOPMES GREITE ROLFES EHLEUTE ANNO 1727 DEN 10 JUNIUS sowie 1732 auch für eine Balkeninschrift im früheren Bauernhaus Wintel, später Teipen in Mehringen: ARBEIT FLEISIG HANDEL UPRICHTIG UND BEDDET ANDECHTIG SO HELPET JU GODT ALMECHTIG. BERND RICHTERINK. GESE HEMELS. ANO 1732, DEN 4. MERTEN., letztere zitiert nach Wellmann (wie Anm. 4), S. 160. 35 Kohstall (wie Anm. 27), S. 153. 36 Für die Klärung der genealogischen Zusammenhänge der Familien Otten und Theissing danke ich Herrn Hans König, Darme. 37 Die beiden Sandsteintafeln befinden sich heute in Zweitverwendung in einem Haus an der Papenstraße; zur Deutung der Initialen siehe Norbert Tandecki und Reinhard Cloppenburg (Bearb.), Status Animarum 1749 in den Kirchspielen Emsbüren, Salzbergen und Schepsdorf (Beiträge zur Emsländischen und Bentheimer Familienforschung Band 3, Teilband 3). Sögel 1995, S. 85. 38 Um diese Zeit erscheinen solche Wappenfelder mit Initialen auch 1702 am Speicher des Hofes Gansfort in der Bauerschaft Drievorden, die ebenfalls zum alten Kirchspiel Emsbüren gehörte. Wie beim Haus Allering in Salzbergen lautet dort die Inschrift: ARBEITET FLEISIGH VND HANDELT VPRICHTIG VND BETET ANDECHTIG SO HILFET DICH GODT ALEMECHTIG DEN 16 MERTEN ANNO 1702. Ferner befanden sich Initialen in Wappenfeldern am 1736 erbauten Backhaus des Hofes Hemelt in Mehringen, siehe Wellmann (wie Anm. 4), S. 160. 39 Tenfelde (wie Anm. 18), S. 547. 40 Zur Identifizierung der Initialen siehe Tandecki/Cloppenburg (wie Anm. 37), S. 75. 212 41 Auch im Raum Meppen ist das IHS-Symbol als Segenszeichen auf den Konsolen unter dem Luchtbalken oder an Balken im Wohnteil der Bauernhäuser nachweisbar. 42 Josef Tiesmeyer, Bilder der Heimat. Lingen 1912, S. 23. 43 Bernhard Lau, Fest 375 Jahre St. Georg Schützenverein Thuine 1614–1989. Thuine 1989, S. 29–31. 44 Siehe den Beitrag von Sebastian Kulling in diesem Jahrbuch. 45 Eine detaillierte Zusammenstellung würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. 46 Eine umfassende Übersicht zu diesem Thema bietet Joachim Kleinmanns, Wappen, Reiter, fromme Sprüche. Bemalte Fensterscheiben in Westfalen. Detmold 1997. 47 Otto Lauffer, Niederdeutsches Bauernleben in Glasbildern der neueren Jahrhunderte. Berlin und Leipzig 1936. 48 Friedrich Hilkenbach, Etwas über Fensterbierscheiben aus dem Kreise Lingen. In: Kivelingszeitung 1937, S. 5. 49 Holger Lemmermann, Auf dem freien Hümmling. Ländliches Leben in vier Jahrhunderten (1530– 1870). Sögel 1995, S. 55. 50 Johann Georg Kohl, Reisen durch das weite Land. Nordwestdeutsche Skizzen 1864. Herausgegeben von Geert Demarest. Berlin 1990, S. 278. 51 Ernst Simme, Die Kapelle in Höven. In: Jahrbuch des Emsländischen Heimatvereins 7, 1960, S. 31–40. 52 Heute in Privatbesitz in Handrup. 53 Scheibe im Emslandmuseum Lingen. 54 Mehrere Stücke im Emslandmuseum Lingen. 55 Franz Jostes, Westfälisches Trachtenbuch. Münster 1904, 2. Aufl. 1961, S. 240. 56 Scheiben aus Werlte sind abgebildet bei Lemmermann (wie Anm. 49), S. 55. Eine weitere Scheibe aus Werlte mit einem Reiter und einem Sinnspruch befindet sich heute in Privatbesitz in Haselünne. 57 Horstmann (wie Anm. 11), S. 101. 58 Alter Privatbesitz in Spahnharrenstätte. 59 Eine ganze Anzahl von Fensterbierscheiben aus Lengerich befindet sich im Falkenhof-Museum der Stadt Rheine. Sie wurden aus einer Privatsammlung erworben und sind seit der Neugestaltung des Museums 2003 magaziniert. Abbildung in: Das alte Kirchspiel Lengerich – Bilder erzählen aus vergangenen Tagen. Horb am Neckar 1990, S. 82. 60 Die Belege aus Beesten und Plantlünne sind abgebildet bei Franz Barth, „Wer christlich handelt in der Welt, hat selten großes Gut noch Geld“. 250jährige bunte Glasscheiben – Dokumente eines sinnvollen Brauchtums. In: Lingener Tagespost, Ausgabe vom 16. Oktober 1976. Die Scheiben befanden sich damals in der Sammlung von Pfarrer Josef Gockel in Andervenne. Ihr heutiger Standort ist unbekannt. 61 Zu den Fensterbierscheiben in der Grafschaft Bentheim siehe Rainer Marggraf: Glasmalerei des 18. Jahrhunderts in Bauernhäusern der Niedergrafschaft. In: Jahrbuch des Heimatvereins der Grafschaft Bentheim 1975, S. 131–140; Walter Höltken, Fensterbier und Fensterbierscheiben. In: Bentheimer Jahrbuch 1982, S. 129–134. 62 Lauffer (wie Anm. 47), S. 37–39; Horstmann (wie Anm. 10). 63 Walter Borchers, Kostbarkeiten des Emslandes aus öffentlichem und privatem Besitz. Ausstellungskatalog Städtisches Museum Osnabrück 1968, S. 28, Nr. 80 und Tafel 28. 64 Genealogie Pinninck. Genealogische Zusammenstellung im Archiv des Emslandmuseums Lingen. 65 Seine Schwester Maria Pinninck heiratete laut der Genealogie Pinninck am gleichen Tage in Lingen einen Cornelius Boncamp. 66 Rudolf vom Bruch, Die Rittersitze des Emslandes. Münster 1962, S. 123. 67 Das Pinnincksche Wappen erscheint übrigens auch auf dem silbernen Vogel, den Adrian Pinninck 1644 für die Königskette des Schützenvereins Altenlingen gestiftet hat, sowie auf einer Königsplakette, die an die Regentschaft Heinrich Pinnincks bei den Altenlingener Schützen im gleichen Jahr 1644 erinnert. 213 68 Dirk-Arnold Wittop-Koning, Bronzemörser (Monographien zur pharmazeutischen Kulturgeschichte 4). Frankfurt a.M. 1975. Zahlreiche norddeutsche Beispiele enthält auch die umfangreiche private Mörsersammlung von Ernst Genz, dokumentiert bei B. Dubbe, Die Mörsersammlung Ernst Genz. 1.000 Mörser aus 10 Jahrhunderten. Berg am Starnberger See 1993. 69 Speziell zu den norddeutschen Mörsern siehe Wolfgang Hömberg, Der norddeutsche Bronzemörser im Zeitalter von Gotik und Renaissance. Stuttgart 1983. 70 Hömberg (wie Anm. 69), S. 136–239. 71 Hans Jürgen Warnecke, Die Familie Danckelmann. In: Wilfried Ehbrecht (Hrsg.), Lingen 975– 1975. Zur Genese eines Stadtprofils. Lingen (Ems) 1975, S. 115–144; Stammbaum der Familie Danckelmann, zusammengestellt von Hans Jürgen Warnecke, im Archiv des Emslandmuseums Lingen. 72 Dirk Arnold Wittop-Koning, Nederlandse vijzels. Weert 1989, S. 51–53. 73 Walter Tenfelde, Die Goldschmiede Lingens – Ihr Leben und ihre Arbeit. Lingen (Ems) 1979, S. 123. 74 Roswitha Poppe, Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Meppen, Nr. 53, S. 83; Hermann Prenger (Bearb.), St.-Nikolaus-Kirche Groß Hesepe. Aus der Vergangenheit Hasba-Hesepe. Groß Hesepe 1989, S. 38–40. 75 Der Kranich gilt auch als Symbol der Wachsamkeit. Nach dem Volksglauben stellen die Kraniche, wenn sie sich auf ihrem Zuge niederlassen, Wachen auf, die in ihrem erhobenen Fuß einen Stein halten. Wenn einer der Wächter vor Müdigkeit einschläft, fällt der Stein nieder und er erwacht wieder. Reinhard Bojer, Emsländische Heimatkunde im Nationalsozialismus, Bd. 2. Lingen 2005, S. 56–58; zitiert nach der Ems-Zeitung, Beilage „Mein Emsland“, Nr. 7, 17.5.1936, Ein alter emsländischer Straßenknotenpunkt. 76 Für die genealogischen Angaben zur Familie Plagge-Kranepohl danke ich Herrn Martin Koers. 77 Gertrud Stolte-Adelt, Wegbilder der Barockzeit im Münsterland. Ein Beitrag zur Geschichte der volkstümlichen Plastik Westfalens. Wattenscheid 1936; Andreas Eiynck (Hrsg.), Kreuze, Klusen, Wegebilder. Sakrale Kleindenkmäler im Südlichen Emsland. Lingen (Ems) 2010, S. 18–22. 78 Aloys Kohstall, Die katholische Pfarrgemeinde Salzbergen (Der Kreis Lingen in Wort und Bild, Bd. 1). Lingen 1969, S. 73–74. 79 Dietrich Steilen, Norddeutsche Grabmalskunst. Bremen 1938; Wolfgang Runge, Sprechende Steine. Grabstelen im Oldenburger Land von 1600 bis 1800. Oldenburg 1979; Claudia Bei der Wierden, Erinnerungszeichen. Historische Grabmäler zwischen Elbe und Weser (1231–1900). Stade 2005. 80 Inge Dlugay, Der alte Friedhof zu Lingen-Ems. In: Lingener Heimatkalender auf das Jahr 1954, S. 74–89, hier S. 78–80. 81 Walter Tenfelde, Die Grabplatten der Stadt Lingen. Eine familiengeschichtliche Abhandlung. Lingen-Ems 1950. 82 Auf einer Reihe der Grabplatten befinden sich „Umwidmungen“ mit den Namen der später Bestatteten sowie den entsprechenden Hausnummern, während die älteren Inschriften weggemeißelt wurden. 83 Tenfelde (wie Anm. 81), S. 16–18; mit den späteren Besitzern der Grabstätte, der Kaufmannsfamilie Huilmann, haben Marke und Inschrift wohl nichts zu tun, auch wenn in späterer Zeit der Namenszug DIRK HUILMAN geschickt in die Grabplatte eingefügt wurde. 84 Tenfelde (wie Anm. 9), S. 98, Nr. 13. Unklar bleibt allerdings, ob dort ein Ehepaar Dreesmann oder die in der leider nur fragmentarisch erhaltenen Grabinschrift erwähnte „Juffer Dreesmann“ mit dem Wappen ihrer Eltern verewigt wurde. 85 Reinhard Karrenbrock, Zwei Generationen westfälischer Bildhauer – Heinrich Meiering – Bernd Meiering – Bildwerke des 17. Jahrhunderts aus dem Oldenburger Münsterland, Emsland, Osnabrücker Land. Cloppenburg 1992, S.188–189. 86 Andreas Eiynck und Albert Finke, Hof- und Feldkreuze im Kirchspiel Rhede. In: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 56, 2010, S, 157–180. 214