Nachts Schäfchen zählen fällt aus
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Nachts Schäfchen zählen fällt aus
Reise | W15 u neues deutschland | Sonnabend/Sonntag, 20./21. Juli 2013 * Caritas-Bergeinsatz im Wallis: Bäuerin für ein paar Tage – Sensen, Füttern, Ausmisten und viel Spaß Nachts Schäfchen zählen fällt aus Von Heidi Diehl Was für ein Empfang. »Schön, dass Du da bist«, begrüßt mich Evelyne am Bahnhof, als sei ich eine lang fortgewesene Freundin, die endlich wieder nach Hause kommt. Nach 20 Minuten Serpentinenfahrt immer bergauf wartet Teil zwei der Begrüßung. Und die ist einfach tierisch! Sassi kennt kein Fremdeln, kuschelt sich zügig an und macht mir sofort klar, wie sie sich die nächsten Tage vorstellt: Streicheln vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Wohl wissend, dass daraus nichts wird, denn sowohl Sassi als auch ich sind auf »Evelynes Hescha« (Häuschen) nicht im Urlaub, sondern zum Arbeiten. Sassi, die Border-CollieHündin, als Evelynes rechte Hand bei der Arbeit mit den Schafen, ich als Hilfsbäuerin für ein paar Tage. Evelyne Saxer lebt mit ihren Tieren – 30 Schafen, Hund Sassi und den Katzen Annarösli und Samisi – allein auf einem abgelegenen Hof oberhalb Embds im Wallis. Rund um das steilste Dorf der Schweiz liegen auch ihre 13 Hektar Wiesen, auf denen die Schafe weiden und die Heu für den Winter geben. Sehr viel Arbeit für den Ein-Frau-Betrieb. Deswegen ist sie froh über jede Hilfe. Als die Bernerin im Mai 2002 gemeinsam mit ihrem Mann den Hof kaufte, hielten sie noch Kühe, Ziegen, Schweine und Schafe, dann erkrankte ihr Mann schwer. Seit 2006 bewirtschaftet Evelyne den Bio-Hof allein, hat sich ganz auf Schafe konzentriert, die die Landschaft pflegen und deren Fleisch und Wurst sie auf mehreren regionalen Märkten verkauft. Außerdem kocht Evelyne köstliche Marmeladen und Sirup aus den Früchten des Gartens, wo auch die Zutaten für ihre Kräutertees wachsen. Fünf Uhr morgens beginnt der Tag für die Bäuerin, spätestens abends um neun fällt sie hundemüde ins Bett. Nur im Winter findet die frühere Erzieherin Zeit, Schafwolle zu spinnen. »Andere gehen zum Meditationskurs, ich spinne, das ist sehr beruhigend«, erzählt Evelyne. Im Sommer aber dient das Spinnrad reinen Dekorationszwecken, da könnte der Tag 48 Stunden haben. Heu muss gemacht werden, was auf den Wiesen, die allesamt ein Gefälle zwischen 18 und 35 Prozent haben, eine richtige Schinderei ist. Maschinen sind da nur bedingt einsetzbar, erste Wahl bleiben Sense und Rechen. Die Bäuerin kann sich noch gut an ihr »Schicksalsjahr« 2006 erinnern: »Mein Mann war krank und ich völlig ratlos, wie ich das Heu reinkriegen soll«. Da gab ihr ein Freund den Tipp, beim Caritas-Bergeinsatz anzurufen, einer Organisation, die in Not geratenen Bauern durch Vermittlung von Freiwilligen hilft. »Ich schilderte meine schwierige Situation und stieß auf offene Ohren. Schon bald waren die ersten Helfer da, mir fiel ein Stein vom Herzen«, erzählt sie. Seitdem kommen im Sommer regelmäßig Freiwillige für mindestens eine Woche, die ihr vor allem beim Heuen helfen, viele seit Jahren immer wieder. Es sind Menschen mit den verschiedensten Berufen, die einen Teil ihres Urlaubs nutzen, um Bauer und Bäuerin auf Zeit zu sein: Zahntechni- ker, Manager, Tierarzt, Filmregisseurin, Musiker, Schuldirektor, Schreiner oder Philosoph. Der »Deal« ist ganz simpel: Die Helfer geben kostenfrei ihre Arbeitskraft, die Bäuerin Unterkunft und Verpflegung. Dass dabei Freundschaften entstehen und sich Menschen kennenlernen, die sich ansonsten wohl nie getroffen hätten, ist ein schöner Nebeneffekt. Alle Helfer haben eines gemeinsam: Spaß an dieser für sie ungewohnten, schweren Arbeit, sie lieben die Berge, die frische Luft, die Tiere und die Ruhe weit weg von ihrem gewohnten alltäglichen »Hamsterrad«. Für nicht wenige geht mit dem Bergeinsatz ein lang gehegter Traum vom einfachen Leben in und mit der Natur in Erfüllung, für das sie gern auch eine längere Anreise in Kauf nehmen: aus der Schweiz, Deutschland, Tschechien Frankreich und Österreich. Sogar ein Nordkoreaner war schon da. Die Helfer kommen vor allem im Hochsommer, Arbeit indes gibt es das ganze Jahr über. Als ich im späten Frühjahr auf die Hescha komme, müssen neue Weidezäune gesetzt werden. Gar nicht so einfach in einem Gelände, wo man schon froh ist, wenn man am Hang festen Halt unter den Füßen behält. Ohne gute Bergschuhe geht da gar nichts. Während sich Evelyne sicher wie eine Bergziege durchs Gelände bewegt, bin ich anfangs froh, dass wenigstens der Kreislauf nicht kapituliert – gefährlich steil geht es abwärts. Nur nicht wegrutschen, denke ich, der nächste Stopp ist erst 100 Meter tiefer. Doch man gewöhnt sich schnell an ein Leben als Hanghuhn: Später beim Sensen läuft die Sache schon besser, und ich bin stolz wie Oskar, dass ich bei meinem ersten Mal meistens tatsächlich Gras schneide und nur manchmal Löcher in den Rasen hacke. »Komm, ich stell dir meine Schafe vor«. Evelyne öffnet den Zaun zur Weide, auf der die braungelockten Walliser Landschafe gemütlich vor sich hingrasen. Diese Rasse sei nicht nur besonders hübsch, sondern auch genügsam und trittsicher, und somit der steilen Bergwelt ideal ange- passt, erklärt sie. Vorsichtig nähere ich mich den Tieren, denn die langen, spitzen Hörner flößen gehörigen Respekt ein. Doch kaum sind wir auf der Weide, stürmen sie auf uns zu, wohl wissend, dass Evelyne nie ohne Leckerli kommt. Ehe ich richtig begreife, was los ist, sind wir umringt von den putzmunteren vierbeinigen Wollknäuels, zum Angst haben bleibt gar keine Zeit. »Wenn du sie streichelst, wirst du sie nicht wieder los«, hatte mich Evelyne gewarnt. Doch weder sie noch ich können anders, jetzt ist erst mal Kuscheln angesagt. »Das sind Müslüm, Pimpinella, Katjinka, Emma und Ilulissat«, erfahre ich. Jedes ihrer Tiere hat einen Namen. Und zu jedem kann die Bäuerin eine Hintergrundgeschichte erzählen. Ilulissat beispielsweise ist nach der gleichnamigen grönländischen Stadt benannt. Dort lebt ein Bauer, der weit oberhalb des Polarkreises Erdbeeren und Kartoffeln anbaut und sich nun in den Kopf gesetzt hat, in dem rauen Klima Kühe zu züchten. Über den »Verrückten« hat Evelyne im Fernsehen eine Reportage gesehen und war begeistert. Menschen, wie dieser Gunar, die wagen, was andere für unmöglich halten, beeindrucken sie sehr. Leute, die ein bisschen wie sie selbst sind. Als Evelyne und ihr Mann die »Hescha« kauften, wurden auch sie von nicht wenigen für verrückt erklärt. Auf dem Hof liege ein Fluch, hieß es, keiner hätte es dort je länger ausgehalten. Vier Jahre später, als die Quereinsteigerin dann auf sich allein gestellt war, wurden unten im Dorf sogar Wetten abgeschlossen, wie lange sie noch durchhält. Mehr als zwei bis drei Monate gab ihr keiner. Doch denen wollte sie es schon zeigen. Zurück in die Stadt kam nicht infrage, zumal sie inzwischen eine Ausbildung zur Landwirtin erfolgreich abgeschlossen hatte. Um den Hof halten zu können, arbeitet die 53-Jährige seit einigen Jahren noch zusätzlich als Pflegerin in einem Heim für Demenzkranke. »Ohne die freiwilligen Helfer hätte ich irgendwann wohl doch aufgeben müssen«, sagt sie. »Ich bin ihnen so dankbar, dass sie ihre Ferien nutzen, um mir zu helfen.« Nicht nur die Schafe genießen das Kuscheln, auch wir haben einen Heidenspaß dabei. Doch bis zum Feierabend liegt noch ein Stück Arbeit vor uns, das nicht so angenehm, wie die Schmusestunde, aber notwendig ist. Der Stall muss ausgemistet und frisch eingestreut werden. Na dann mal ran an Forke und Schubkarre! Mit jeder vollen Karre, die ich auf den Misthaufen fahre, werden die Arme länger. Doch das werde ich Evelyne nicht sagen, ich bin doch schließlich kein Weichei! Zuletzt füllen wir noch die Tränken mit frischem Wasser auf, verteilen ein bisschen Heu als »Betthupferl«, dann ziehen Evelyne und Sassi los, um die Rasselbande einzusammeln und für die Nacht in den Stall zu führen. Endlich haben auch wir Feierabend – Zeit für gemeinsames Kochen, zum Erzählen und für Sassi, Annarösli und Samisi. Die warten schon sehnsüchtig auf ihre Streicheleinheiten. Kurz nach neun liegen wir alle hundemüde im Bett. Schäfchen zählen fällt diese Nacht garantiert aus. Das Letzte, was mir vor dem Einschlafen einfällt, ist, dass ich am nächsten Morgen Nesthäkchen Katjinka das Fläschchen geben darf. Was für schöne Aussichten! CARITAS-BERGEINSATZ Die Caritas vermittelt schweizweit Freiwillige an Bauern, die dringend Hilfe benötigen. Die Helfer sollten zwischen 18 und 70 Jahre alt, motiviert und gesund sein. Spezielle landwirtschaftliche Kenntnisse sind nicht nötig. Bergeinsätze dauern mindestens eine Woche, länger ist meistens möglich und gern gesehen. Verpflegung und Unterkunft übernehmen die Bauernfamilien, für An- und Rückreise kommen die Helfer selbst auf. Detailinfos und Anmeldungen: www.bergeinsatz.ch Sensen bei Hangneigung von rund 35 Grad ist gar nicht so einfach (o.), Evelyne freut sich immer über Helfer (l.), auch Schafe wollen ihre Streicheleinheiten, und am liebsten alle gleichzeitig. Sassi ruht sich nach getaner Arbeit aus (r.). Fotos: privat ● Infos: Evelyne Saxer, Hescha, 3926 Embd, Tel: (0041) 27 952 1224, mobil: (0041) 79 543 2124 ● Infos zu Urlaub in der Schweiz: Schweiz Tourismus, Postfach 16 07 54, 60070 Frankfurt am Main, Tel.: (00800) 100 200-30, Fax: -31 (beides gebührenfrei), E-Mail: [email protected],www.MySwitzerland.com ANZEIGEN Bücher Ungarn Rom Tschechien/Slowakei/Polen 5-tägige Städtereise 2013 Budapest Sie in einem mit Frühstück. der übernachten Fischerbastei bringt4-Sterne-Hotel Ihnen die beiden Stadtteile Buda und Pest nahe. Außerdem machen Sie einen Ganztagsausflug zum Barock- Fakultative Ausflüge: Stadtbesichtigung Rom – Petersdom und Schloss Gödöllo (Lieblingsresidenz von Kaiserin Sissi) und zum Vatikanische Museen mit Sixtinischer Kapelle – Antikes Rom Lazar-Reitpark mit Reit- und Dressurvorführung und einem typisch Zusätzliches: ungarischen Mittagessen. • Einzelzimmerzuschlag Sie übernachten in einem 4-Sterne-Hotel mit Frühstück.245,- g • Ausflugspaket inkl. 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