Abendzeitung München, 14.10.2013 - IT

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Abendzeitung München, 14.10.2013 - IT
4
POLITIK UND GELD
W I R T S C H A F T kompakt
Irland will aus dem Rettungsschirm
D U B L I N Irland ist auf dem besten Weg, bald nicht mehr
auf den Euro-Rettungsschirm angewiesen zu sein. Das
Land sei bereit ihn „am 15. Dezember zu verlassen“, so
Premierminister Enda Kenny zur BBC. „Die wirtschaftliche Notsituation wird vorüber sein“, versprach Kerry.
Trotzdem stünden Irland noch „unsichere Zeiten bevor“.
Talfahrt in der Musikbranche vorbei
D Ü S S E L D O R F Zum ersten Mal seit zehn Jahren steigt der
Umsatz mit CDs und digitalen Downloads wieder an. Das
hat eine Studie von PricewaterhouseCoopers ergeben.
Demnach ist das Plus im Digitalgeschäft erstmals größer
als das Minus bei physikalischen Tonträgern wie CDs und
Vinyl-Platten. Bis 2017 soll laut Studie der deutsche
Musikmarkt durchschnittlich um 0,8 Prozent pro Jahr
wachsen.
Airbus: Kampfansage an Boeing
PA RIS Noch hat Flugzeughersteller Boeing dank des
Dreamliners im Konkurrenzkampf mit Airbus die Nase
vorn. Laut Airbus-Chef Fabrice Bregier sind diese Tage
aber gezählt: „2017/2018 werden wir auch bei den Auslieferungen wieder in Führung gehen können.“ Das neue
Modell A320neo und der Langstreckenjet A350 sollen
Airbus zur Nummer eins im Flugzeug-Geschäft machen.
Chinas Exporte sinken
PEKING Chinas Exporte sind überraschend zurückgegan-
gen. Die Ausfuhren sanken im September um 0,3 Prozent
im Vergleich zum Vorjahresmonat. Im August hatten die
Exporte noch um 7,2 Prozent zugelegt. Die neuen Zahlen
befeuern die Sorgen um ein Nachlassen der Konjunktur
in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Deutsche Mails nicht
mehr über US-Server?
Zum Schutz vor Spionen
und Hackern will die
Telekom ein nationales
Email-Netz einrichten
B O N N Geht es nach dem Willen der Telekom, dann soll der
Email-Verkehr zwischen Teilnehmern in Deutschland
nicht mehr über internationale Knotenpunkte laufen. Damit reagiert das Unternehmen
auf die Spitzeleien des US-Ge-
heimdienstes NSA und der zunehmenden Gefahr durch internationale Hackerbanden.
Beim Transport zwischen
Sendern und Empfängern in
Deutschland solle „kein Byte“
mehr das Land verlassen“, so
Datenschutzvorstand Thomas
Kremer. Auch Knotenpunkte
in Großbritannien sollen umgangen werden. Damit der
Plan umgesetzt werden kann,
müssen aber alle deutschen
Mail-Provider mitziehen.
C
A B E N D Z E I T U N G M O N TA G , 1 4 .1 0 . 2 0 1 3
Gauner aus dem Netz
Erst im Netz Videos
angeschaut, dann
per Post abgezockt
worden? So leisten Sie
unseriösen Anbietern
Widerstand!
M Ü N C H E N Post im Briefkasten,
und zwar keine erfreuliche.
Eine unbekannte Firma stellt
eine Rechnung, meistens über
einen Betrag unter 100 Euro.
Der Angeschriebene habe im
Internet eine Seite aufgerufen
und ein Abo abgeschlossen –
oder sich des Verstoßes gegen
ein Gesetz schuldig gemacht,
indem er beispielsweise ein Video angesehen habe, das urheberrechtlich geschützt ist.
Was tun? Immer wieder sehen sich Internet-Nutzer mit
solchen Forderungen konfrontiert. Viele unseriöse Firmen
nutzen aus, dass technisch unbedarfte Nutzer kaum in der
Lage sind, zu beweisen, dass
sie nichts Unrechtes getan haben. Sie präsentieren Verbindungsprotokolle, die angeblich einwandfrei beweisen,
dass über die IP-Adresse ihres
Computers Daten ins Netz eingespeist wurden. Häufig ist
der Nutzer in eine Falle getappt, hat entweder das Kleingedruckte für einen angeblich
kostenlosen
Gratis-Service
nicht gelesen oder sah auf
dem Bildschirm eine manipulierte Website, die mit den angeblich gekauften Inhalten
nichts zu tun hatte. Was tun?
Vertragsabschluss bestreiten. Der
Nutzer darf eine solche Rechnung keinesfalls in den Papierkorb werfen – sonst riskiert er
Mahngebühren und schlimmstenfalls ein Gerichtsverfahren.
Aber er sollte sich auch nicht
aus der Ruhe bringen lassen,
rät Stefan Lutz, Fachanwalt für
Internet-Recht. Sein Tipp lautet: Sofort die Forderung bestreiten, beispielsweise mit
dem Satz „Die gegen mich geltend gemachte Forderung
wird vollumfänglich bestritten. Ihnen stehen in Ermangelung eines wirksam zustande
gekommenen Vertrages keinerlei Ansprüche mir gegenüber zu.“
Wenn die Kinder sich
verklickt haben, hilft
ein einfacher Brief
könne, sollten Verbraucher
den Widerruf erklären, rät
Lutz. Das Widerrufsrecht für
Online-Geschäfte gilt zwei
Wochen ab dem Tag, an dem
der Kunde in einer gesonderten Mail oder einem Brief
über seine Recht aufgeklärt
wurde. Hat der Kunde kein
Schreiben bekommen, kann
er unbeschränkt weiter seine
Käufe widerrufen, sagt Anwalt
Stefan Lutz. Es reiche nicht,
wenn sich der Verbraucher
die Belehrung irgendwo auf
der Website des Anbieters herunterladen konnte.
Schon bezahlt? Das verpflichtet zu
nichts. Wer eine Rechnung bezahlt hat, ist womöglich zusätzlich verunsichert: Die Zah-
lung sei mit der Anerkennung
eines Vertrages gleichbedeutend, argumentieren die Anbieter. Stimmt nicht, entgegnet der Internet-Anwalt und
beruft sich auf den Bundesgerichtshof: Der habe entschieden, dass eine Bezahlung allein keine Willenserklärung ersetzt. Ergo „Selbst wenn Sie
die erste Rechnung bereits bezahlt haben, müssen Sie nicht
automatisch auch jede weitere Rechnung bezahlen.“
Kinder sind nicht geschäftsfähig.
Was, wenn der Nachwuchs unbedacht Filme heruntergeladen oder ein Abo abgeschlossen hat? Zwischen sieben und
18 Jahren sind Kinder nur beschränkt geschäftsfähig. An-
Mo-Fr 0-7 Uhr
Mo-Fr 7-9 Uhr
Mo-Fr 9-10 Uhr
Mo-Fr 10-17 Uhr
Mo-Fr 17-19 Uhr
Mo-Fr 19-21 Uhr
Mo-Fr 21-24 Uhr
Sa, So 19-21 Uhr
Sa, So 21-19 Uhr
01028
01052
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01097
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01070
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01013
01070
01013
01038
01079
0,10
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0,56
0,65
0,56
0,65
0,56
0,95
0,56
0,95
0,55
0,59
0,71
0,87
0,40
0,79
1,36
1,49
Den Widerruf erklären. Nur für
den Fall, dass ihnen doch
der Abschluss eines Geschäftes nachgewiesen werden
Auch im Internet kann man
beraubt werden – bestimmte Websites sind
darauf aus,
Ihnen das Geld
aus der Tasche
zu ziehen und
Rechnungen
ohne Gegenleistungen zu
schicken.
Ferngespräche im Inland
01028
01052
01088
Mo-Fr 7-9 Uhr
01041
010052
Mo-Fr 9-10 Uhr
01088
01088
Mo-Fr 10-17 Uhr
01038
010052
Mo-Fr 17-18 Uhr
01088
010052
Mo-Fr 18-19 Uhr
01038
010052
Mo-Fr 19-24
Uhr
01013
01088
Sa, So 0-19 Uhr
01038
01013
Sa, So 19-24
Uhr
010052
Mo-Fr 0-7 Uhr
0,10
0,21
0,77
0,87
0,63
0,77
0,77
0,91
0,67
0,77
0,50
0,91
0,42
0,51
0,77
0,98
0,45
0,48
Gespräche zu den Mobilfunknetzen
Mo-So 0-18 Uhr
01011
01038
2,01
2,45
Mo-So 18-24 Uhr
01011
01038
2,01
2,45
Anbieter mit offenem Festnetz Call-by-Call im Inland, Tarife in Cent pro Minute. Manche Ortsnetz-Anbieter sind nicht in allen Ortsnetzen freigeschaltet. Achtung: Bei manchen Anbietern kann es zeitweise zu Engpässen kommen. Bitte beachten Sie, dass sich Tarife häufig ändern. Für eine aktuelle Auskunft informieren Sie sich bitte unter: www.teltarif.de. Stand 13.10.2013. Angaben ohne Gewähr. Teltarif-Verbraucherhotline: (Mo-Fr. 9-18Uhr) &
0900/133 0100 (1,86 Euro/Min.) Alle mit Tarifansage.
Preis-Absprachen
Mehreren Brauereien
drohen wegen Preisabsprachen Bußgelder in
Millionenhöhe. Wettbewerbshüter werfen elf
der größten Pilsbrauereien die Bildung eines
illegalen Kartells vor.
TA U G T WA S
Elternzeit für Väter
Mehr als jeder vierte
Vater eines Neugeborenen geht in Elternzeit.
Damit würde vielen
Frauen nach der Geburt
der Wiedereinstieg in
den Beruf erleichtert,
so eine Studie.
TA U G T N I X
walt Lutz empfiehlt deshalb
folgende Formulierung für ein
Rückschreiben: „Ich weise darauf hin, dass mein Sohn/
meine Tochter beschränkt geschäftsfähig ist und eine Genehmigung des möglicherweise geschlossenen Vertrags
nicht erteilt wird. Aufgrund
der Verweigerung der Genehmigung ist der möglicherweise geschlossene Vertrag
von Anfang an als unwirksam
anzusehen. Wir werden den
geforderten Rechnungsbetrag
daher nicht bezahlen.“
Susanne Stephan
Lutz rät außerdem, vorsorglich der Weitergabe der persönlichen Daten an die Schufa
und andere Auskunfteien zu
widersprechen – so könne
vermieden werden, dass
die versuchte Abzocke
Folgen für die Kreditwürdigkeit des Nutzers hat.
Am besten geschieht dies
alles schriftlich per Einwurf-Einschreiben.
GÜNSTIG TELEFONIEREN
Ortsgespräche
(ohne Nahbereich Dt. Telekom)
W W W. A Z - M U E N C H E N . D E
„Die Verbraucher sind zu arglos“
Ein Rechtsanwalt über
die Abzock-Firmen im
Netz, Fehler der Nutzer
und Streaming im Netz
S
eit fünf Tagen sind eine
Reihe von Neuregelungen
gegen Internet- und Telefon-Abzocke in Kraft. Unter anderem sind Verbraucher jetzt
besser vor unerlaubten Werbeanrufen und unseriösen Abmahnungen von Kanzleien geschützt. Das Ende der Gaunereien im Netz bedeutet das Gesetz allerdings nicht – welche
Fallen noch lauern, erklärt Anwalt und Buchautor Stefan
Lutz.
AZ: Was sind das für Firmen,
die sich auf die Online-Abzocke spezialisiert haben?
STEFAN LUTZ: Es gibt ein paar
im Rhein-Main-Gebiet. Beispielsweise waren eine Zeitlang die Brüder Andreas und
Manuel Schmidtlein sehr erfolgreich. Sie spezialisierten
sich auf Internetseiten mit Hilfen für Hausaufgaben und
Liedtexte und haben damit
Nutzer geködert. Das Geschehen hat sich allerdings mittlerweile verlagert, zu GmbHs in
den Frankfurter Raum. Und es
kamen Firmen nach britischem Recht dazu. Außerdem
versucht es eine Chemnitzer
A Z-INTERVIEW
mit
Stefan
Lutz
Der 39-jährige
Anwalt aus Bremen
hat sich auf die Beratung
in IT-Streitfällen
spezialisiert.
Firma mit angeblichen Angeboten für Gewerbetreibende,
die allerdings offensichtlich
auf private Schnäppchenjäger
zugeschnitten sind. Der Auftritt als Plattform für Gewerbetreibende dient dazu, das Widerrufsrecht auszuschließen.
Warum ist es so schwer, unseriösen Geschäftemachern im
Internet das Handwerk zu legen? Sind die Staatsanwaltschaften da nicht hartnäckig
genug?
Doch, beispielsweise wurden
über 4000 Anzeigen gegen
den Osnabrücker Inkasso-Anwalt Olaf Tank bearbeitet. Die
Schmidtlein-Brüder wurden
in Darmstadt angeklagt. Das
Problem ist halt: Schlagen Sie
einer Hydra einen Kopf ab,
wachsen zwei nach. Genau so
ist es mit diesen Firmen.
Was sind die unangenehmsten Tricks der Betrüger?
Zum Teil werden unter ein
und
derselben
Internet-
Adresse tagsüber, wenn Anwälte oder Ermittler einen
Blick darauf werfen, regelkonforme Seiten mit allen vorgeschriebenen Hinweisen zu Kosten geschaltet, abends aber Seiten mit Abofallen. Der private
Nutzer meldet sich abends an,
klickt auf die Seite und tappt
in eine Abo-Falle. Wenn er später eine Rechnung bekommt,
hat die Seite schon wieder ihr
Aussehen verändert, und er
wundert sich, wie dumm er
sein konnte, dieses kostenpflichtige Angebot zu buchen.
Was können Internet-Nutzer
in so einem Fall tun?
Sie können beispielsweise
Dieses Buch von Stefan Lutz zum
Thema ist heuer erschienen.
beim Internet-Auftritt des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen über gängige Abofallen informieren. Generell sollten sie hellhörig werden,
wenn sie eine Rechnung bekommen, sich aber an keine
Buchung erinnern können.
Was sind die häufigsten Fehler, die Verbraucher im Netz
begehen?
Sie geben ihre Daten viel zu
arglos preis. Der Name, die Anschrift, die Email-Adresse sind
alles Informationen, die eigentlich vollkommen unnötig sind,
um beispielsweise eine kostenlose Software herunterzuladen. Werden diese Daten abgefragt, sollte man vorsichtig
sein.
Häufig kommt es zu Problemen, weil Kinder im Internet
urheberrechtlich geschützte
Filme ansehen oder Musik herunterladen und dann horrende Forderungen ins Haus
flattern. Können sich die Eltern im Fall des Falles wirklich immer darauf berufen,
dass ihr Nachwuchs noch
nicht schuld- oder geschäftsfähig ist – oder müssen sie nicht
doch ihren Internetzugang
für die Kinder sperren?
Das kommt sehr auf den Entwicklungsstand des Kindes an.
Eltern müssen ihre Kinder ausdrücklich darüber belehren,
dass fremdes geistiges Eigen-
tum zu schützen ist. Das ist
normalerweise ausreichend.
Wenn es freilich schon öfters
Probleme mit dem Verhalten
des Kindes im Internet gab, ist
von den Eltern zu erwarten,
dass sie Vorsicht walten lassen.
Wie sieht es mit dem sogenannten Streaming aus, also
dem reinen Angucken von Filmen? Anders als das Filesharing, das Austauschen von Dateien, soll es legal sein.
Das ist eine rechtliche Grauzone. Es wird zwar nicht wie
beim Filesharing eine Kopie einer Datei auf der Festplatte gespeichert, aber im Arbeitsspeicher werden sehr wohl Daten
gespeichert, und dies kann als
Vervielfältigungs-Handlung
gewertet werden. So sah es jedenfalls Ende 2011 ein Leipziger Amtsgericht im Zusammenhang mit der Nutzung des
Portals Kino.to. Wenn Sie bedenken, dass Streaming-Angebote im Netz auch von Strohfirmen der Musik- oder Filmrechte-Inhaber betrieben werden könnten, die über ihre
Seite Zugriff auf Ihre InternetAdresse haben, wäre ich vorsichtig. Das sollten Sie überhaupt immer sein, wenn im Internet etwas kostenlos angeboten wird, für das man normalerweise Geld bezahlt.
Interview: sun