Arbeitskreis Deutsche England-Forschung Bd. 16

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Arbeitskreis Deutsche England-Forschung Bd. 16
Arbeitskreis Deutsche England-Forschung
Bd. 16
1995
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Arbeitskreis Deutsche England-Forschung
hg. von Gustav Schmidt (Bochum)
in Verbindung mit
Ronald G. Asch (Münster), Roland Sturm (Tübingen),
Bernd-Jürgen Wendt (Hamburg)
Veröffentlichung 16
Der Eigentumsbegriff im englischen
politischen Denken
Günther Lottes (Hg.)
Der Eigentumsbegriff im
englischen politischen Denken
Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer
Bochum 1995
96.
5062
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Lottes, Günther:
Der Eigentumsbegriff im englischen politischen Denken /
Günther Lottes.
- Bochum: Universitätsverlag Brockmeyer, 1995
(Veröffentlichung / Arbeitskreis Deutsche England-Forschung; Bd. 16)
ISBN 3-8196-0398-0
NE: Arbeitskreis Deutsche England-Forschung: Veröffentlichung
ISBN 3-8196-0398-0
Alle Rechte vorbehalten
© 1995 by Universitätsverlag Dr. N. Brockmeyer
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Inhalt
GÜNTHER LOTTES:
Einleitung
GÜNTHER LOTTES:
Von "tenure" zu "property". Die Entstehung des Eigentumsbegriffes aus dem Zerfall des Feudalrechts
HANS-DIETER METZGER:
Zur Grundlegung des liberalen Eigentumsbegriffs im 17. Jahrhundert
RONALD G. ASCH:
Eigentum und Steuerwesen unter den frühen Stuarts von Bate's
Case (1606) bis zum Case of Ship money( 1637/38)
HELGARD FRÖHLICH:
Parlament und "Property" in den VerfassungsVorstellungen am
Beginn des 17. Jahrhunderts
IAIN HAMPSHER-MONK:
John Locke's ambiguous Theory of Property
GERD STRATMANN:
Property in der englischen Literatur des 18. und des frühen 19.
Jahrhunderts
IAIN HAMPSHER-MONK:
Radicalism or Radicalisms?: Radicals' ideas of property in
eighteenth-century Britain
MICHAEL WEINZIERL:
169
Liberty and Property and No Equality. Zur Entwicklung der
Eigentumsdiskussion im 18. Jahrhundert
ANDREAS WIRSCHING:
181
Arbeit und Bildung als Eigentumsfaktoren im 18. und frühen 19.
Jahrhundert
WILLIBALD STEINMETZ:
197
'Property', 'interests', 'classes' und politische Rechte. Die britische Debatte im späten 18. und im 19. Jahrhundert.
KARL H. METZ:
229
Vom Besitzindividualismus zur Sozialpflichtigkeit: Eigentumsbegriff und Sozialpolitik an der Wende zum 20. Jahrhundert
AUTORENVERZEICHNIS
247
GÜNTHER LOTTES
Einleitung
Der Begriff des Eigentums spielt in der Gründungsgeschichte der westlichen
Welt sowohl in ideen- als auch in sozialgeschichtlicher Hinsicht eine entscheidende Rolle. Zum einen nimmt er in dem Vorstellungsfeld, mit dem
sich dieser definiert, eine Schlüsselstellung ein: Freiheit ist zwar nicht nur,
aber immer auch Freiheit des Eigentümers und Freiheit zum Eigentum.
Gleichheit bedeutet bekanntlich nicht Gleichheit der Lebens- und Eigentumsverhältnisse, sondern nur Gleichheit vor dem Gesetz und meint auch
und gerade noch in der modernen Massendemokratie Gleichheit im Sinne
von Chancengleichheit des Zugangs zur Ungleichheit. Die Vorstellung vom
Marktcharakter der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen
setzt Eigentum und Freiheit gleichermaßen voraus. Schließlich sind die Ideen
der Verantwortlichkeit politischer Herrschaft und der Herrschaftspartizipation der Herrschaftsunterworfenen ideengeschichtlich eng mit der Staatsfunktion der Eigentumsgarantie verbunden. Die westliche Gesellschaft versteht sich ursprünglich geradezu als Eigentümergesellschaft, der gleichwohl
auch die Eigentumslosen, nämlich als Besitzer ihrer eigentumsschaffenden
Arbeitskraft, angehören.
Zum anderen entwickelt die Eigentumsidee eine revolutionäre Sprengkraft,
als sie im Zuge der Aufklärung und der politischen und gesellschaftlichen
Umwälzungen um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert auf die alteuropäischen Rechtsordnungen des Kontinents übertragen wird, und setzt in diesen Gesellschaften, wenngleich mit zeitlichen Verschiebungen, einen Prozeß
der Modernisierung in Gang. Wohl spielen dann bei der Ausgestaltung des
neuen Eigentumsrechts die römisch-rechtlichen Traditionen in den einzelnen
IX
Ländern Kontinentaleuropas eine nicht unwesentliche Rolle. Den Anstoß für
die Rekonstruktion der kontinentaleuropäischen Gesellschaften um die Idee
des Eigentums kam jedoch nicht aus dieser Richtung, sondern ging vom dem
Eigentumsbegriff aus, der sich in England herausgebildet hatte und seit dem
17, Jahrhundert politik-, gesellschafts- und wirtschaftstheoretisch reflektiert
wurde. Die Entwicklungsgeschichte dieses Begriffs von seiner Entstehung
aus dem Zerfall des englischen Feudalrechts bis zu seiner Rückbindung an
die Idee der Sozialpflichtigkeit des Eigentums seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist das Thema dieses Bandes.
In diesen einleitenden Bemerkungen seien vorab drei distinktive Merkmale
der englischen Eigentumsidee hervorgehoben, die sich in unterschiedlichen
Phasen der Formationsgeschichte der property-Vorstellung ausprägen.
Einmal ist die Eigentumsbeziehung eine uneingeschränkte und individuelle.
Die englische Vorstellung von property verträgt sich weder mit der Vorstellung von Ober- und Untereigentum, wie sie sowohl im Feudalrecht als auch
in den alteuropäischen Agrarverfassungen zu finden ist. Noch ist property
mit Gemeineigentum vereinbar. Gemeinschaftseigentum ist - was etwa bei
der Behandlung des Gemeindelandes in Einhegungsverfahren besonders
deutlich wird - letztlich nur als eine prinzipiell auflösbare und in individuelle
Besitztitel zerlegbare Anteilgemeinschaft denkbar. Was nicht individuell und
exklusiv besessen werden kann wie die Luft oder das Licht, entzieht sich der
property-Kategorie überhaupt. Bezeichnenderweise steht die Entstehungsgeschichte der englischen Eigentumsidee im Zeichen der Befreiung von den
Fesseln einmal des Feudalrechts, die in der 1660 bestätigten Überwindung
des Fiskalfeudalismus der Krone gipfelt, und dann der alten Agrarverfassung, deren Transformation sich in von Konjunkturimpulsen bestimmten
Schüben vom 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts hinzieht.
Das zweite distinktive Merkmal der englischen Eigentumsidee besteht darin,
daß sie Eigentum an der öffentlichen Gewalt sowohl in der indirekten Form
der personenrechtlichen Privilegierung bzw. Unterprivilegierung als auch in
der direkten des Herrschaftsbesitzes ausschließt. Die Existenz einer Aristokratie mit einer eigenen Kammer im Parlament und das Herrschaftseigentum
des Königs scheinen dem auf den ersten Blick zu widersprechen. Indes weist
der Adelsrang seinem Träger in England anders als in den kontinentaleuro-
X
päischen Adelsgesellschaften keinen - privilegierten - Stand zu, sondern
macht aus ihm lediglich ein mit einem Titel geehrtes Mitglied der Eigentümergesellschaft, dem der Sitz im Oberhaus kaum zusätzliches politisches
Gewicht verleiht. Und im Zuge der Verfassungskämpfe des 17. Jahrhunderts
wird der Grundsatz des Amtscharakters der politischen Herrschaft dann gegen die Vorstellung der Stuarts von ihrem Herrschaftsrecht als einem von
Gott verliehenen proprium durchgesetzt. Das heißt natürlich nicht, daß die
Eigentumsverhältnisse in England keine Herrschafts Verhältnisse begründen.
Die Beziehung zwischen Herr und Knecht ist hier jedoch wesentlich ökonomischer Natur und hat ihrem Ursprung nach privaten Charakter.
Drittens schließlich tritt in der englischen Eigentumsidee ein Moment der
Universalität hervor, das sich ausprägt, als auf den Diskurs über das Verhältnis von Eigentum und Herrschaft im 17. Jahrhundert die gesellschafts- und
wirtschaftstheoretische Reflexion des Eigentumsbegriffs im 18. Jahrhundert
folgt. John Locke schlägt in seinen Treatises of Civil Government die Brücke
zwischen diesen beiden Diskursen. Auf der Suche nach ihrer Ratio und ihren
Bewegungsgesetzen definiert die englische Eigentümergesellschaft das
Verhältnis des Menschen zu der Welt, in der er lebt, nunmehr wesentlich als
ein Verhältnis der Appropriation und des Tausches. Und sie leitet daraus als
Grundprinzip der Verteilungsgerechtigkeit in der Eigentümergesellschaft ab,
daß nur Eigentum und Arbeit - nach Lockes Arbeitslegitimation des Eigentums gleichsam nur ein anderer Aggregatzustand des Eigentums - einen
legitimen Anspruch auf Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum begründen.
Was Locke in seiner Idealgeschichte der englischen Eigentümergesellschaft
in den Two Treatises zum ersten Mal mit kühnen Linien umreißt, arbeitet die
politische Ökonomie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Wissenschaft aus. Hand in Hand damit geht die Verknüpfung der ja im Schöße
der Agrargesellschafi; entstandenen Eigentumsidee mit den neuen
Eigentumsformen und Eigentumsinhalten der Handels- und später dann der
Industriegesellschaft, die zunächst bemerkenswert gut gelingt. In der
universellen Marktgesellschaft des frühen 19. Jahrhunderts entfaltet die
englische Eigentumsidee ihre ganze soziale und ökonomische Dynamik. Erst
an seinem Ende setzt sich allmählich die Einsicht durch, daß Eigentum und
Arbeit allzu ungleiche Ansprüche auf Teilhabe am gesellschaftlichen
XI
Reichtum vermittelt und ein Verteilungsmechanismus, der nur auf diesen
beruht, zumal dann eines Korrektivs bedarf, wenn der Kreis der politisch
Berechtigten entscheidend erweitert wird. Der besitzindividualistischen
Tradition
tritt
eine
neue
als
"kollektivistisch"
bezeichnete
Gesellschaftsauffassung entgegen, die das Eigentumsrecht allerdings
keineswegs negiert, sondern mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums
argumentiert und über das Steuersystem zunächst nur ganz zaghaft ein
größeres Maß an Verteilungsgerechtigkeit herstellen will. Mit der Errichtung
des Wohlfahrtsstaates berechtigt neben Eigentum und Arbeit, wenngleich
vorerst nur fur eine Minimalversorgung, die Zugehörigkeit zur Nation dazu,
am gesellschaftlichen Reichtum zu partizipieren.
Bis dahin freilich wirkt die besitzindividualistische und sozusagen entherrschaftlichte Eigentums vor Stellung, die bei ihrem Export in die kontinentaleuropäischen Gesellschaften dort revolutionäre Folgen zeitigt, in England
selbst affirmativ. Das hat seinen Grund wesentlich darin, daß es in England
in der Geschichte der Besitzordnung zu keiner Gegenüberstellung einer Idee
mit einer davon grundsätzlich abweichenden gesellschaftlichen Wirklichkeit
kommt, sondern der politik-, gesellschafts- und wirtschaftstheoretische Diskurs von den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen ausgeht. Als
Locke in den 80er Jahren des 17. Jahrhunderts in den Two Treatises of Civil
Government die Declaration of Independence der englischen Eigentümergesellschaft formuliert, ist deren realhistorische Genese bereits abgeschlossen.
Property stellt bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das Fundament des gesellschaftlichen Grundkonsenses in England dar, der dann mit unterschiedlichen
Akzenten versehen und sich wandelnden ökonomischen Rahmenbedingungen angepaßt wird. In diesem Sinne ist property für die einen die entscheidende Garantie eines wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts im
Zeichen der historischen Kontinuität der Rechtsverhältnisse, machen die anderen property zum Kristallisationspunkt konservativer Ideologiebildung.
Nicht einmal die Radikalen, weder die der Verfassungsrevolution der Mitte
des 17. Jahrhunderts noch die der - mit Robert Palmer zu reden - demokratischen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts, vermögen wirklich, sich
aus dem Bann der Eigentumsidee zu lösen.
XII
Dieser Band legt die Ergebnisse der Jahrestagung 1990 des Arbeitskreises
Deutsche Englandforschung vor. Der Aufsatz von Helgard Fröhlich und der
Beitrag von Ian Hampsher-Monk über Lockes Eigentumstheorie wurden zusätzlich aufgenommen. Ich danke dem Arbeitskreis fur seine Unterstützung
und Herrn Thomas Engelke, M.A. für seinen Einsatz und seine Geduld bei
der Erstellung des Drucksatzes.
XIII
GÜNTHER LOTTES
Von tenure zu property.
Zur Ausbildung des Eigentumsbegriffs im Zerfall des Feudalrechts1
Der Prozeß der Transformation der englischen Feudalgesellschaft zur Eigentümergesellschaft begann bereits im Hohen Mittelalter, etwa ein Jahrhundert nach der Normannischen Eroberung, die das Feudalwesen in England etabliert hatte, und endete mit der Beseitigung der letzten Überbleibsel
des Fiskalfeudalismus im 17. Jahrhundert. Er vollzog sich mit zeitlichen
Verschiebungen und in unterschiedlicher Weise sowohl auf der tenurialen als
auch auf der manorialen Ebene des Feudalsystems. Auf der tenurialen Ebene
ist dabei zwischen den Entwicklungen im Verhältnis des Königs zu seinen
tenantes in capite (tenants-in-chief) und denjenigen im Verhältnis dieser
Hauptlehensträger zu ihren Aftervasallen zu unterscheiden, die im übrigen
keine getrennten Personengruppen darstellten. Es war durchaus üblich, daß
ein und dieselbe Person einen Teil ihres Besitzes direkt vom König, das übrige Land aber von einem anderen Lehensherrn erhielt, der Hauptlehensträger oder selbst wieder Aftervasall sein mochte. Auf der manorialen Ebene
hing die Tiefe der Proprietarisierung vom Status der Personen und des Landes ab, das sie besaßen. Ich kann diesen sich fast über ein halbes Jahrtausend
erstreckenden Prozeß, bei dem sozioökonomische, militärische und rechtliche Faktoren ineinandergriffen, hier natürlich nicht im einzelnen darstellen,
sondern muß mich darauf beschränken, diejenigen Züge herauszuarbeiten,
die für den Umbau der Feudal- zur Eigentümergesellschaft bedeutungsvoll
geworden sind.
1
Zu Beginn sei für das Verständnis der rechtsgeschichtlichen Zusammenhänge generell verwiesen auf W. HOLDSWORTH, A History of English Law, 16 Bde., London
1924-1966, sowie auf T. F. T. PLUCKNETT, A Concise History of the Common Law,
London 5 1956.
1
I.
Die erste Weichenstellung fur diese Transformation lag darin, daß das Ensemble von Imperium und Dominium, von Herrschaft und Eigentum, das fur
die feudale Gesellschaft charakteristisch ist, in England anders als auf dem
Kontinent nicht zur herrschaftlichen, sondern zur proprietären Seite hin zerfiel. Während das Hauptkennzeichen des Feudalsystems in Kontinentaleuropa die Zersplitterung oder Aushöhlung der öffentlichen Gewalt war, nahm
die Entwicklung in England einen anderen Verlauf. Entscheidend hierfür
war, daß die Eroberung und Feudalisierung hier auf einer Entwicklungsstufe
und von einer Handlungsebene des kontinentaleuropäischen Feudalwesen erfolgte, auf welchen die Feudalordnung keine Zerfalls-, sondern eine Aufbauform politischer Herrschaft darstellte2. Anders als der praktisch zu einem
Feudalfürsten unter anderen herabgesunkene französische König oder auch
anders als der deutsche Kaiser hatten die großen Feudalherrn Frankreichs
ihre Machtstellung nach der Krise der zweiten Völkerwanderung und den
Machtkämpfen untereinander im 9. und 10. Jahrhundert nämlich bereits wieder so weit konsolidieren können, daß ein Rückfall in die Fraktionierung der
politischen Gewalt wenig wahrscheinlich war. Im 11. Jahrhundert war in
Westeuropa das Feudalfürstentum der Ort der Macht, an dem die Sprache
des Lehenswesen als übergreifendes politisches Ordnungssystem doppelzüngig gesprochen wurde. Gegenüber der Zentralgewalt diente sie der Abwehr
von Herrschaftsansprüchen, gegenüber den eigenen Vasallen dagegen dem
Ausbau der eigenen Partikulargewalt als Zentralgewalt.
Konsequent nutzten die Normannenherrscher die Möglichkeiten zur Bildung
eines Monopols der öffentlichen Gewalt, die ihnen ihre Stellung als Oberlehensherr gab. Sie betonten die Treueverpflichtung aller Lehensmänner, nicht
nur der Kronvasallen, sondern auch der Aftervasallen gegenüber dem König.
In diesem Sinne hatte sich Wilhelm der Eroberer 1086 in Salisbury von allen
bedeutenden Landbesitzern, "wessen Vasallen sie auch wären", einen Treueid schwören lassen.3 Die Verpflichtung der Aftervasallen zur Heeresfolge
2
3
Vgl. zu dieser Unterscheidung G. LOTTES, Art. Staat, Herrschaft, in: R. VAN DÜLMEN
(Hg.), Fischer Lexikon Geschichte, Frankfurt 1990, S. 313-316.
Zu den Umständen und zur Bedeutung dieses Eides siehe D. C. DOUGLAS, William
the Conqueror, The Norman Impact upon England, London 1966, S. 355 f. Douglas
warnt zwar zurecht davor, dem Eid eine gleichsam vorgreifende verfassungsge-
2
wurde auf den Königsdienst, die baroniale Gerichtsbarkeit in Zivilsachen auf
die jeweils eigenen Gefolgsleute beschränkt. Streitigkeiten zwischen den Gefolgsleuten verschiedener Lords fielen in die Zuständigkeit des Suzerains eine Regelung, deren Bedeutung für den Ausbau der Zentralgewalt erst vor
dem Hintergrund der Belehnungspolitik der Normannenherrscher ganz verständlich wird. Denn schon Wilhelm der Eroberer hatte die Zahl der Kronvasallen groß gehalten und großen Lehensbesitz nicht in geschlossenen Blökken, sondern als Streubesitz ausgegeben, so daß sich der Zuständigkeitsbereich der königlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip über das ganze Land hin erstreckte.4 Ob hinter dieser Belehnungspolitik bereits eine antifeudale Strategie steckte oder ob sich Wilhelm lediglich an den tenurialen Mustern der angelsächsischen Zeit orientierte, kann hier dahingestellt bleiben. Entscheidend
ist das Resultat: Das Strukturmuster der feudalen Landverteilung stellte eine
erste Weichenstellung in Richtung auf die Verprivatrechtlichung des Lehenszusammenhangs dar. Die englischen Baronien wurden nicht zu Territorien, sondern blieben Landapanagen, die mit einem Ehrentitel und später
dem Recht auf einen Sitz im House of Lords verbunden waren.5 Hieran änderte sich auch in den kommenden Jahrhunderten nichts.6 Der politische Bezugsrahmen der großen Barone blieb die Gesamtheit des Königreiches.
Darüber hinaus übernahmen die Normannenkönige den vornormannischen
Herrschaftsapparat und bauten ihn weiter aus. Weder wurde das, was an öffentlicher Gewalt vorhanden war, vergeben. Noch wurde ihr Geltungsbereich
durch die Einrichtung von Immunitäten eingeschränkt. Es wirkte sich nun
aus, daß die Zeit der Invasionen, die im 8. und 9. Jahrhundert auf dem Kontinent die Weichen für die Entwicklung des Feudalwesens gestellt hatten,
vorüber war. Dieser nachlassende Problemdruck nahm der Feudalverfassung
4
5
6
schichtliche Bedeutung beizulegen, die er zu dem Zeitpunkt, da er geleistet wurde,
noch gar nicht haben konnte, sieht darin aber gleichwohl ein Strukturmerkmal der
normannischen Feudalherrschaft. Vgl. hierzu DERS., The Norman Fate 1100-1154,
Berkeley/Los Angeles 1976, S. 101.
Vgl. G. W. S. BARROW, Feudal Britain. The Completion of the Medieval Kingdom,
London 1956, S. 42-54, bes. S. 51 ff. sowie R. A. BROWN, Origins of English Feudalism, London 1973.
Vgl. S. PAINTER, Studies in the History of the English Barony, Baltimore 1943.
Für das spätere Mittelalter ist hier vor allem auf die Forschungen von K. B.
MACFARLANE, The Nobility of Later Medieval England, Oxford 1973, zu verweisen,
die für das Verständnis der englischen Feudalgesellschaft zentral sind.
3
auch als Kriegs Verfassung immer mehr von ihrer ursprünglichen Bedeutung,
die darüber hinaus durch den demographischen Faktor von innen heraus zersetzt wurde. Die Ablösung der Kriegsdienstpflicht durch die Zahlung von
Schildgeld (scutage) wurde schon im Laufe des 12. Jahrhunderts so häufig,
daß vom Beginn einer Monetarisierung der Kriegsverfassung gesprochen
werden kann.7 Als Kriegssteuer eignete sich das Schildgeld jedoch auf längere Sicht nicht, da es wie der Ritterdienst auch fixiert war und deshalb der
Kostenentwicklung im Kriegswesen nicht angepaßt werden konnte. Lediglich das Selbstverständnis der Macht- und Besitzelite als Kriegerelite und vor
allem auch die Profitchancen, welche die Beteiligung an einem Kriegszug
eröffnete, wirkten, wenngleich mehr kulturell als militärisch, im Zerfallsprozeß der Feudalverfassung als Militärsystem retardierend.
Gewiß gab es auch in England gegenläufige Tendenzen, denen die Krone jedoch langfristig stets wirksam entgegengetreten ist. Aber nicht einmal die
Regierungszeit König Stephens (1135-1153), in der das Land in einen Zustand der feudalen Anarchie zurückzufallen schien, stellte verfassungs- und
sozialgeschichtlich wirklich ein retardierendes Moment dar. Auch wenn sich
die Mächtigen im Reich hoheitliche Rechte anmaßten, so war der Weg zu einer Landeshoheit in dem Sinne, in dem dieser Begriff vor dem Hintergrund
der deutschen Verfassungsgeschichte verstanden werden muß, doch zu keiner Zeit offen.8 Englands Barone setzten bis zum Ende der mittelalterlichen
Monarchie nicht auf Aushöhlung oder Aneignung, sondern auf die korporative Kontrolle der öffentlichen Gewalt in Gestalt der Krone.
Seit Heinrich II. (1154-1189) war das englische Königtum darauf bedacht,
diese Ansätze zur Entherrschaftlichung der englischen Feudalordnung und
zur Errichtung eines Monopols der öffentlichen Gewalt weiter auszubauen.9
Das Hofgericht des Königs, die curia regis, die streng genommen nur für die
7
8
9
S. C. W. HOLLISTER, The Military Organization of Norman England, Oxford 1965,
sowie J. BEELER, Warfare in England 1066-1189, Ithaca 1966, S. 279 ff., sowie Kap.
11.
Vgl. die Bemerkungen bei H. MITTEIS, Der Staat des Hohen Mittelalters. Grundlinien einer vergleichenden Geschichte des Lehenszeitalters, Darmstadt 9 1976, S. 295
f.
Vgl. hierzu auch K. KLUXEN, Englische Verfassungsgeschichte. Mittelalter, Darmstadt 1987, S. 29-47.
4
Hauptlehensträger zuständig war, grub durch prozedurale Reformen und einer Konkurrenzgerichtsbarkeit auf der Grundlage eines dem ganzen Land
gemeinen Rechts, eben eines Common Law, den Feudalgerichten der Barone
das Wasser ab. Im Zentrum stand dabei, fur die Entwicklungsrichtung des
englischen Feudalsystems schon charakteristisch, das Angebot eines wirksamen Besitzschutzes gegen Landraub, zivilrechtliche Selbstjustiz und lehensherrliche Willkür durch die Richter des Königs, die sowohl in London
als auch als Reiserichter vor Ort tätig wurden. Die Krone wuchs ab dem 12.
Jahrhundert in die Rolle des Garanten aller Besitztitel hinein, indem sie den
Konsens der Landbesitzer gegen die Ansprüche von legitimen und illegitimen Gewalthabern ausspielte. Die Assize of Novel Disseisin (c.l 166) und die
Assize of Mort d'Ancestor (c. 1176), die zusammen mit der Assize of Darrein
Presentment als die possessory assizes bezeichnet werden, machten das
Zeugnis einer Jury von zwölf Grundbesitzern guten Leumunds aus der
Nachbarschaft zum entscheidenden Kriterium der Bestimmung der je legitimen Besitztitel auf der Grundlage (friedlich) gelebter Besitzverhältnisse.10
Damit waren nicht nur tragende Elemente der Feudalordnung in Frage gestellt. Wichtiger noch war, daß nun auch die Leihebeziehungen zwischen den
Hauptlehensträgern und ihren Aftervasallen unter die Rechtsaufsicht des Königs gerieten und neu interpretiert wurden. Die königlichen Richter hielten
dabei am Prinzip der Landleihe, tenure, zwar fest, deuteten den tenurialen
Zusammenhang aber in ein Geflecht von Besitzansprüchen um, die gegeneinander abgewogen und abgeglichen werden konnten. Sie trugen damit den
Bedürfnissen einer Gesellschaft Rechnung, die von sich aus daran ging, die
Rechtsinstitute des Lehensrechts proprietär umzufunktionieren.11
Der erste und wichtigste Schritt auf diesem Wege, die Anerkennung der
Erblichkeit der Lehen, war früh getan. 12 Schon in der Krönungscarta Heinrichs I. hieß es, daß der Erbe das Lehen des Erblassers nicht zurückkaufen
,0
S . D. W. SUTHERLAND, The Assize of Novel Disseisin, Oxford 1973.
Vgl zum englischen Lehensrecht in vorrangig lehensrechtlicher Perspektive S. F. C.
MILSOM, The Legal Framework of English Feudalism, Cambridge 1976, unter
besitzrechtlichen Gesichtspunkten dagegen A. W. B. SIMPSON, The Land Law,
Oxford 1986, Kap. I-VIII.
12
Vgl. MILSOM, Legal Framework, S. 154-186.
11
5
müsse, sondern es gegen die Entrichtung einer Heimfallgebühr antreten
könne, deren Höhe schließlich fixiert wurde. Schwieriger und langwieriger
gestaltete sich dagegen die Überwindung des feudalen Erbrechts, das, wenn
männliche Nachkommen vorhanden waren, aus Gründen der Leistungssicherung die Primogeniturerbfolge vorsah. Hinterließ der Erblasser nur Töchter,
bildeten diese eine Erbengemeinschaft (coparcenary), wobei zunächst die
älteste Tochter, späterhin jede Tochter fur sich das homagium leistete. Für
die Ausstattung jüngerer Söhne blieb nur die Möglichkeit einer Landübertragung zu Lebzeiten des Vaters, die naturgemäß so lange wie möglich hinausgeschoben und deshalb oft genug durch den Tod verhindert wurde. Die Lösung, die sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts durchsetzte, lag in der Kombination des Fideikommisses (entail, fee tail), um den Bestand der Familie zu
sichern, mit frei verwendbarem Land (fee simple), fur das die Testierfreiheit
im Laufe des folgenden Jahrhunderts durch eine gleich noch eingehender zu
behandelnde ingeniöse Manipulation des Lehnsrechts zumindest de facto
und im Rahmen der Equity-Gerichtsbarkeit sogar de iure gewonnen wurde.
Der zweite Schritt auf dem Wege der Transformation der Feudal- in eine Eigentümergesellschaft war die Durchsetzung der Veräußerungsfreiheit, die
zunächst in der Sprache, aber gegen den Inhalt des Lehensrechts formuliert
wurde.13 Für die Abwicklung von Besitzwechseln bediente sich die englische Grundbesitzergesellschaft nämlich des Instruments der Subinfeudation
in einer Weise, die auf die Logik des Feudalsystems als Militär- und Leistungsverfassung keinerlei Rücksicht mehr nahm, aber auch die Obereigentumsansprüche derjenigen Lehensherrn nur ungenügend schützte, die ihr
Land nicht veräußern, sondern tatsächlich nur als Lehen ausgeben oder die
Veräußerung an bestimmte Bedingungen knüpfen wollten. Am Ende des 13.
Jahrhunderts trugen zwei Gesetze den Verhältnissen in einer für die Proprietarisierung des tenurialen Zusammenhangs bezeichnenden Weise Rechnung.
1285 legte das Statutum de Donis fest, daß die Bedingungen, an welche die
Verleihung von Land geknüpft wurde, durch die Veräußerung im Wege der
Subinfeudation nicht annulliert werden dürften. Die Regelung zielte vor al13
Vgl. die bedeutende und materialreiche Studie von J. M. W. BEAN, The Decline of
English Feudalism 1215-1540, Manchester 1968, die jedoch zu sehr von der Niedergangsperspektive geprägt ist, um den Gesichtspunkt der Transformation der Feudalzur Eigentümergesellschaft angemessen zu würdigen.
6
lern auf die Fälle, in denen Land als Mitgift und als Erbteil für die aus der
Ehe hervorgehenden Kinder übertragen wurde. 1289 ersetzte das Statut Quia
Emptor es die Subinfeudation durch die Substitution. Der Erwerber trat von
nun an einfach in die Verpflichtungen des Veräußeres ein. Das Gesetz erkannte mit dieser Regelung die volle Veräußerungsfreiheit des feudum an,
indem es die Rechte des Lehensherrn beim Besitzwechsel verliehenen Landes zwar schützte, den lehensherrlichen Anspruch aber zugleich auf seinen
proprietären Kern reduzierte und monetarisierte.
Damit war ein entscheidender Schritt von tenure zu property vollzogen und
die Existenz eines mit der Idee der Feudalordnung unvereinbaren Landmarkts gesetzlich sanktioniert. Der zunächst mehr geahnte als gedachte, allmählich jedoch immer deutlicher hervortretende logische Fluchtpunkt dieser
Anpassungen des Lehensrechts an die gesellschaftliche Entwicklung war der
Eigentumsbegriff.14 Im Gehäuse der Feudalordnung war eine Landbesitzergesellschaft entstanden, welche die Sprache des Lehensrechts so virtuos zu
manipulieren verstand, daß es schließlich eines Bruchs mit ihr gar nicht mehr
bedurfte und die estates des tenurialen Zusammenhangs von John Locke als
property klassifiziert werden konnten.
Ausgangslage und Entfaltung des Feudalwesens in England unterschieden
sich mithin in doppelter Weise von den Verhältnissen auf dem Kontinent.
Erstens kam der anglonormannische Feudalismus nicht als Macht- oder
Schutz-, sondern als Verteilungsfeudalismus auf den Weg. Zweitens wurde
diese Weichenstellung durch die weitere Entwicklung bestätigt und verstärkt.
Während sich auf dem Kontinent die tatsächlichen Machtbesitzer die öffentliche Gewalt aneigneten, kam es in England zu einer Entherrschaftlichung
des Feudalnexus. Oder anders gesagt: Der Verstaatsrechtlichung des Lehenswesens auf dem Kontinent stand in England eine weitgehende Verprivatrechtlichung gegenüber. Es verdient Beachtung, daß dabei kaum Rückgriffe auf das Römische Recht mit seiner klaren, aber für die bestehenden
Rechtsverhältnisse natürlich auch explosiven Eigentumskonzeption zu beobachten sind und daß ein Transfer von Paradigmen aus dem in mancher Hin14
Vgl. hierzu parallel die Ausführungen zur Sozialstruktur bei MACFARLANE, Nobility
in Later Medieval England, passim.
7
sieht moderneren Sachen- und Vertragsrecht jedenfalls in größerem Umfang
offensichtlich nicht stattfand. Dies mag darauf zurückzufuhren sein, daß die
Umdeutung von tenure zu property im Rahmen des Lehensrechts im großen
und ganzen erfolgreich verlief und daß gerade die totale Proprietarisierung
des feudalen Anspruchszusammenhangs Lösungen ausschloß, welche lehensherrlichen Obereigentumsansprüchen keine Rechnung trugen.
Wie dem auch sei, festzuhalten ist: Die für die englische Eigentümergesellschaft schlechthin zentrale Vorstellung vom Privateigentum an Grund und
Boden bildete sich in einem weitgehend eigenständigen juridischen Diskurs
heraus, der in einer geradezu exemplarischen Weise empirischen Charakter
trug und zunächst nur über einschlägige Gesetzesinitiativen, seit 1290 dann
über die Entscheidungsprotokolle der Year Books faßbar ist. Das ausgehende
13. Jahrhundert erweist sich insofern auch von der Quellenlage her als
Schwellenepoche im Übergang von der Feudal- zur Eigentümergesellschaft.
II.
Der Nexus von Eigentum und Herrschaft blieb am Ende des skizzierten
Transformationsprozesses nur noch an einer Stelle erhalten, nämlich an der
Spitze der Feudalpyramide, beim König, der als Oberlehensherr nach dem
gerade im normannischen Feudalismus konsequent umgesetzten Prinzip
nulle terre sans seigneur zugleich auch Obereigentümer allen Landes auf der
Insel war. Die Krone machte sich diese Tatsache, je mehr ihr Finanzbedarf
die Einnahmen aus dem Krongut überstieg, zunehmend nicht mehr nur unter tenurialen, sondern auch und vor allem unter fiskalischen Gesichtspunkten zunutze.15 Die Feudalgefalle, die feudal incidents, wurden zu einer wichtigen, wenngleich in der Höhe schwankenden Einnahmequelle der Krone.
Hierbei handelte es sich erstens um relief die Eintrittsgebühr des Erben,
zweitens um wardship und marriage, das Recht auf die Einkünfte des Lehensherrn aus dem Land eines minderjährigen Erben bzw. das Recht auf die
Verheiratung einer Erbin, sowie drittens um den Anspruch auf die feudal
15
Vgl. BEAN, Decline, Kap. 4.
8
aids, Unterstützungsleistungen, zu denen die Lehensnehmer in Notfällen
herangezogen werden konnten. Die Feudalgefälle fielen natürlich nicht nur
im Verhältnis des Königs zu seinen tenants-in-chief sondern in allen Lehensverhältnissen an, stellten also für alle "Zwischenlehensherrn", mesne
lords, sowohl eine Zahlungsverplichtung als auch eine Einnahmequelle dar,
was den Kampf gegen den Fiskalfeudalismus komplizierte. Hinsichtlich der
der Krone zustehenden Feudalgefälle bestand gleichwohl Einigkeit, zumal
die tenants-in-chief immer wieder versuchten, die daraus resultierenden Belastungen an ihre eigenen Lehensnehmer weiterzugeben.
Das erste Ziel der sich im Gehäuse des Lehensrechts formierenden Grundbesitzergesellschaft mußte es sein, die Höhe dieser Zahlungsverpflichtungen
festzuschreiben. In diesem Sinne hatte Heinrich I. die Unterstützung seiner
Barone gegen seinen Bruder Robert gewonnen, indem er in seiner Krönungscharta zugesichert hatte, daß die Erbgebühren künftig "just and legitimate" sein sollten. Als legitim galten die Summen von 100 Schillingen für
ein Ritterlehen und von 100 Pfund für eine Baronie, Einkünfte, die der König
offensichtlich durch die Forderung zusätzlicher Bestechungsgelder aufbesserte. Kein Wunder, daß die Barone den Erbfall deshalb als einen Notfall
interpretierten, der sie berechtigte, ihrerseits von ihren Lehensleuten finanzielle Unterstützung einzufordern. Die Magna Charta reagierte auf diese
Praktiken und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit, indem sie erstens
die genannten Erbsteuertarife fixierte und damit langfristig als Einnahmequelle abwertete. Zweitens definierte sie die Anlässe, zu denen feudal aids
ohne den Konsens des commune concilium in Anspruch genommen werden
durften. Die Lehensnehmer sollten fortan nur noch bei Lösegeldforderungen
im Anschluß an die Gefangennahme des Lehensherrn, bei der Schwertleite
des ältesten Sohnes und bei der Heirat der ältesten Tochter leistungspflichtig
werden.
Als wesentlich schwieriger erwies sich die Abwehr der Belastungen, die sich
aus wardship und marriage ergaben, zumal nicht alle Familien gleicher-
,6
A . L. POOLE, From Domesday Book to Magna Charta 1087-1216, Oxford
Repr. 1993, S. 20 f.
9
2
1955,
maßen betroffen waren. 17 Ländereien, die regelmäßig von einem volljährigen
Erben übernommen wurden, mochten dieser speziellen Belastung über Generationen hinweg entgehen. Wardship bedeutete ursprünglich nichts anderes,
als daß der Lehensherr im Falle der Minderjährigkeit des Erben beim Tode
seines Vasallen in dessen Rechte und Pflichten eintrat. Als Lehensvormund
standen ihm die Einkünfte aus dem Lehen für die Dauer der Minderjährigkeit
zu. Als Gegenleistung hatte er für den standesgemäßen Unterhalt und die
entsprechende Erziehung des Erben zu sorgen. Diese Regel entsprach zwar
der Logik einer Feudalgesellschaft, die dem Prinzip Land gegen Leistung
folgte, mußte aber der sich herausbildenden Eigentümergesellschaft zumal
dann ein Dorn im Auge sein, wenn der Lehensherr seine Rolle als Vormund
alles andere als uneigennützig spielte. Dies war um so wahrscheinlicher, je
mehr die Lehensvormundschaft proprietär umgedeutet wurde. Schon Heinrich I. hatte mit dem Verkauf von wardships begonnen. Am Ende des 12.
Jahrhundert war das Vormundschaftsrecht dann zu einer als chattel real oder
bewegliche Sache auch rechtlich anerkannten Ware geworden, für die es
einen regelrechten Markt gab. Die Lehensvormundschaft war so zu einer Investitionsmöglichkeit geworden, bei der der Investor die größtmögliche Rendite fur sein Kapitel zu erwirtschaften trachtete. Die Hauptgefahr bestand
unter diesen Umständen darin, daß der Vormund das Land überbeanspruchte,
modern gesprochen, nicht das fixe Kapital selbst antastete, sei es daß er notwendige Erhaltungsinvestionen nicht vornahm, sei es daß er jungen Wald
abholzen oder Fischteiche rücksichtslos abfischen ließ. Der Erbe besaß hiergegen, sofern es sich um ein Militärlehen handelte18, kein Rechtsmittel. Aber
selbst wenn es ein solches analog zu den Möglichkeiten, gegen das entsprechende Verhalten eines Lehensnehmers oder Pächters auf Zeit vorzugehen,
gegeben hätte, die Grenzen zwischen legitimer und illegitimer Nutzung des
Landes wären immer fließend genug geblieben, um ein erhebliches Risiko
darzustellen. Die Minderjährigkeit blieb eine schwere Belastung selbst dann,
wenn ein naher Verwandter die Vormundschaftsrechte kaufte, um Schlim17
Vgl. zu diesem Komplex neben SIMPSON, Land Law, S. 18 f., H. E. BELL,, History
and Records of the Court of Wards and Liveries, Cambridge 1953, sowie J. HURSTFIELD, The Queen's Wards. Wardship and Marriage under Elizabeth I., London 1958.
18
Für die socage genannte Leiheform galten die Regeln der treuhänderischen Verwaltung, über die der Erbe seit dem Statut von Malbourough 1267 Rechenschaft fordern
konnte.
10
meres zu verhindern. Denn er bezahlte immer noch den Marktpreis und
mußte das dafür notwendige Kapital dem Lehen entnehmen.
In ganz ähnlicher Weise hatte sich aus dem Heiratskonsens oder genauer gesagt dem Heiratsveto des Lehensherrn das Recht entwickelt, den Ehepartner
einer Erbin zu bestimmen. Parallel zur Entstehung des Vormundschaftsmarktes hatte auch in diesem Fall ein Kommerzialisierungsprozeß eingesetzt,
der die proprietäre Pervertierung des Feudalnexus noch viel deutlicher zum
Ausdruck bringt. Die Erbin war nur insofern geschützt, als der fur sie ausersehene Ehepartner standesgemäß sein mußte. Wenn sie die Heirat verweigerte, was angesichts des kirchenrechtlich gebotenen Eheeinverständnisses
möglich war, war sie dem Lehensherrn bzw. dem Besitzer ihrer
Heiratsrechte Schadenersatz in der Höhe des Werts ihrer Heirat schuldig.
Wardship und marriage war Einnahmequellen für alle Lehensherrn, was das
Vorgehen gegen diese Praktiken sicherlich erschwert hat. Der Hauptnutznießer war jedoch der König, weil er keinen Lehensherrn über sich hatte und
weil er in den Fällen, in denen einer seiner Hauptlehensträger auch von anderen Lehensherrn Land geliehen hatte, unter Berufung auf das Recht der Prärogativvormundschaft (prerogative wardship) auch auf diese Ländereien zugreifen konnte. Wie gut er diese Einkunftsquelle ausschöpfte, hing entscheidend davon ab, wie genau die Vormundschaftsfalle registriert wurden, wie
effektiv die Ausweichmanöver der Grundbesitzer bekämpft wurden und wie
gut die Vormundschafts- und Verheiratungsrechte schließlich verwaltet wurden. Nachdem der Zugriff der Krone sich in den Wirren des 15. Jahrhunderts
kurzfristig gelockert hatte, schlug Heinrich VII., der erste Herrscher aus dem
Hause Tudor, ein neues Kapitel in der Geschichte des Fiskalfeudalismus auf,
indem er die Erfassung und Vermarktung von Vormundschaftsfällen entscheidend verbesserte. Heinrich VIII. vermehrte die Einnahmen aus wardship und marriage schließlich noch einmal entscheidend, indem er das durch
die Säkularisierung der Klöster an die Kirche gelangte Land in der Form von
Ritterlehen an die Grundbesitzergesellschaft weiterverkaufte, so daß der
11
Krone nicht nur der Verkaufserlös zufloß, sondern zusätzlich die Aussicht
auf künftige Einnahmen aus den Feudalgefallen gegeben war. 19
Der Kampf gegen den Fiskalfeudalismus der Krone stellte denn auch neben
der proprietären Umdeutung des Lehensrechts die zweite Seite der Formationsgeschichte der englischen Eigentümergesellschaft dar. Zunächst stellte
sich dieser Kampf als eine Art Guerillakrieg auf dem Rechtsweg dar, bei
dem das bereits erwähnte Instrument der uses genannten Lehenstreuhänderschaften und Nießbrauchsabkommen die Schlüsselrolle spielte. Es handelt
sich dabei um ein Verfahren, das vielleicht im Zusammenhang mit dem
Wunsch der Bettelorden aufkam, das Armutsgelübde mit dem Besitz von
Land zu vereinbaren, aber schon bald anderen Zwecken dienlich gemacht
wurde. 20
Wer sein Land frei vererben und den Feudalgefällen entgehen wollte, der
übertrug es im Wege der Subinfeudation an eine Korporation von Lehensnehmern unter dem Vorbehalt, daß sie über dieses Land nicht frei, sondern
nur nach seinen Direktiven verfugen konnten. Die Belehnten waren also
nicht selbst Nutznießer des Lehens, sondern nur Treuhänder der Nutznießerschaft einer vom Lehensgeber benannten dritten Person: in der Sprache des
Feudalrechts feoffees
to use fur einen cestuique use. Die Leihebedingungen
konnten den Lehensgeber selbst zum Nutznießer seines Lehens besteilen und
des weiteren vorschreiben, an wen das Land nach dem Tode des Lehensgebers weiterzugeben sei. Die Lehensübertragung verband sich also mit einer
Testamentshinterlegung und der Bestellung der Lehenstreuhänder als Testamentsvollstrecker. Den Primogeniturerben blieb nichts anderes übrig als in
das von seinem Vater zugunsten der jüngeren Brüder begründete
Lehensverhältnis einzutreten. Dieses wurde in der Regel auch nicht durch
den Tod der Lehenstreuhänder beendet, da diese angewiesen werden konn-
19
S . W. C. RICHARDSON, Tudor Chamber Administration 1485-1547, Baton Rouge
1952, S. 1 6 6 - 1 7 5 , S. 3 4 5 - 3 6 1 .
20
Vgl. BEAN, Decline, Kap. 3, für das an den in ANM. 13 geäußerten Vorbehalt zu erinnern ist.
12
ten, die Korporation im Bedarfsfall durch die Kooptation neuer feoffees
use zu ergänzen. 21
to
Die Erlangung der Testierfreiheit und die Versorgung jüngerer Söhne war
indes nur ein Ziel dieser Nießbrauchsabkommen. Das komplizierte Verfahren hatte den weiteren Vorteil, daß es den Lehensherrn dessen, der sich seiner bediente, sei es der König oder ein mesne lord, zugleich um die ihm zustehenden Feudalgefälle brachte. Denn wenn der Lehensnehmer starb,
konnte der Lehensherr nur auf die Einkünfte des nicht verliehenen Landes
und im Falle von verliehenem Land auf die im Lehensvertrag genannten Leistungen, nicht aber auf die daraus zu ziehenden Einkünfte zugreifen. Dies
wäre nur dann möglich gewesen, wenn mit seinem Lehensnehmer auch dessen Lehensnehmer gestorben wäre und einen minderjährigen Erben hinterlassen hätte. Die Korporation der Lehenstreuhänder aber starb nicht und
hinterließ auch keine minderjährigen Erben, weil der Lehensanteil eines verstorbenen Mitgliedes der Treuhänderkorporation nicht an seinen Erben, sondern an die übrigen Mitglieder des Treuhänderverband ging. Wenn der
tatsächliche Landhalter, der Realvasall als cestuique use starb, blieben die
gesetzlichen Landhalter, die Nominalvasallen also am Leben und konnten an
die Stelle des Verstorbenen einen von ihm benannten neuen cestuique use,
einen neuen Nutznießer, setzen oder diesen in sein "Eigentum" eintreten lassen, damit er seinerseits neue feoffees
to use bestellen konnte.
Hier konstituierte sich ganz offensichtlich eine Solidargemeinschaft der
tenurialen Landbesitzer, die sich gegenseitig für das ihnen im Wege der Belehnung überlassene Land zu Treuhändern einsetzten, um darüber die volle
Verfügungsgewalt zu gewinnen. Natürlich barg dieses System Gefahren,
wenn die Treuhänder das in sie gesetzte Vertrauen mißbrauchten. Aber so
groß, wie es scheint, war das Risiko, das der feoffor einging, wiederum doch
nicht. Erstens wurde meist nur ein Teil des Landes im Wege des Nießbrauchsabkommens ausgegeben und dieser Teil möglicherweise auf verschiedene Lehenstreuhänderkorporationen verteilt. Zweitens bot die Krone
erstaunlicherweise zwar nicht auf dem normalen Rechtsweg des Common
Law, sondern auf dem außerordentlichen der Equity-Gerichtsbarkeit, vor al21
Vgl. ausführlich zu diesem Komplex SIMPSON, Kap. VIII.
13
lern des Kanzleigerichts, Rechtsschutz. Rechtsstreitrigkeiten über Lehenstreuhandschaften mit Nießbrauchsabkommen stellten den häufigsten
Prozeßgegenstand am Kanzleigericht des Lordkanzlers dar. 22
Dies änderte sich erst, als Heinrich VIII. 1536 mit dem Statute of Uses das
System der Lehenstreuhänderschaften und Nießbrauchsabkommen zerschlug. Fortan sollte der tatsächliche Landhalter auch als der gesetzliche Besitzer gelten. Es lag dabei nicht in der Absicht des Königs, die Transformation der Feudal- in eine Eigentümergesellschaft aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen. Vier Jahre später konzedierte er, nachdem der Verlust der
Testiermöglichkeit auf heftige Kritik gestoßen war, im Statute of Wills die
Testierfreiheit als einen weiteren entscheidenden Schritt auf dem Weg zur
freien Verfügbarkeit des im Wege der Landleihe überlassenen Landes. Heinrichs Ziele waren fiskalischer Art. Es ging ihm wie bei der Ausgabe des eingezogenen Klosterlandes als Ritterlehen in erster Linie um die Steigerung
der Einkünfte der Krone aus ihrem Obereigentum an allem englischen Land.
Das Statute of Uses und das Statute of Wills waren insofern Weichenstellun-
gen für den letzten Akt in der Entstehungsgeschichte der englischen Eigentümergesellschaft Das Statute of Uses gab dem Fiskalfeudalismus ein neues
Fundament und verhalf ihm als StaatsfinanzierungsStrategie zum Durchbruch; das Statute of Wills erkannte andererseits an, daß sich die Feudalgesellschaft unwiederbringlich zur Eigentümergesellschaft gewandelt hatte - zu
einer Eigentümergesellschaft, die, wie sich zeigen sollte, in einer die Integrität des Eigentums von einer anderen Seite bedrohenden Steuerfrage den
Verfassungskonflikt nicht scheuen sollte.
Die letzte Stunde des Fiskalfeudalismus schlug 1660 mit dem Restoration
Settlement, als die erstmals 1646 durch eine Ordinance beider Häuser verfugte und 1656 unter dem Protektorat durch ein Parlamentsgesetz bekräftigte
Allodifikation der Lehen endgültig bestätigt wurde. Das erscheint spät und
könnte auch auf eine niedrige Priorität dieser Frage schließen lassen, zumal
das Lange Parlament 1640 in seiner Generalabrechnung mit dem Stuart-Re22
Vgl. F. METZGER, Das Englische Kanzleigericht unter Kardinal Wolsey 1515 - 1529,
Phil. Diss. Erlangen 1977, S. 144-152.
14
gime den Fiskalfeudalismus nicht ins Visier nahm. Andererseits reichen die
Versuche des Parlaments, den Fiskalfeudalismus zu beseitigen, bis in die elisabethanische Zeit zurück. 1589 ergriff das Unterhaus zum ersten Mal die
Initiative; und in den Auseinandersetzungen zwischen Jakob I. und seinem
Parlament über die Frage, wie das englische Verfassungssystem zu interpretieren sei, spielte die Kritik an wardship eine wesentliche Rolle. Wenn der
Angriff auf den Fiskalfeudalismus in den folgenden Jahrzehnten in den Hintergrund tritt, so hat dies wohl damit zu tun, daß die Steuerfrage fur sehr viel
brennender und grundsätzlicher gehalten wurde.
III.
Es bleibt zu fragen, inwieweit die dritte Ebene des Feudalzusammenhangs,
die manoriale Ebene der Beziehungen zwischen dem Grundherrn und seinen
Pächtern von der Transformation der englischen Feudalgesellschaft zur Eigentümer gesellschaft berührt wurde. Einerseits ließen sich die Techniken der
Proprietarisierung eines tenurialen Zusammenhangs im Grundsatz leicht vom
vasallitischen auf den manorialen Bereich übertragen. Es bestand ja durchaus
eine Art Rechtsverwandtschaft, die darin zum Ausdruck kam, daß die
tenurialen Rechtsfiguren im manorialen Kontext ganz bewußt imitiert wurden. Gelegentlich gab es sogar Diskussionen darüber, ob Gesetze, die fur den
tenurialen Zusammenhang gemacht waren, auf den manorialen ausstrahlten. 23 Viele Techniken der proprietären Umgestaltung des vasallitischen Leiherechts begegnen auf der manorialen Ebene wieder - mit dem freilich entscheidenden Unterschied, daß das sich so entwickelnde Gutsrecht vor den öffentlichen Gerichten nicht einklagbar war. Wie auf der tenurialen Ebene gab
es innerhalb der Grundherrschaften und sogar zwischen Grundherrschaften
eine beträchtliche Mobilität von Land und Leuten, die dadurch begünstigt
wurde, daß die Rechtseigenschaften "frei" und "unfrei" in personenrechtlicher Hinsicht eine immer geringere Rolle spielten und sich statt dessen
an das Land hefteten bzw. von den zu leistenden Diensten her definiert wurden. Freie konnten also unfreies Land halten und umgekehrt Unfreie freies
23
Vgl. SIMPSON, Land Law, S. 169 f.
15
Land. Andererseits stellte die Proprietarisierung der bäuerlichen Leihe die
sozioökonomische Basis der Grundbesitzer in Frage, die nicht nach unten
verlieren wollten, was sie von oben gewonnen hatten.
Für die weitere Entwicklung wurde der Unterschied zwischen freien und unfreiem Land entscheidend, obschon er sozial und ökonomisch nur geringe
Bedeutung hatte. Während das freie Land uneingeschränkt in die Transformation der Feudal- in die Eigentümergesellschaft einbezogen werden mußte
und wurde, schien beim unfreien Land der Hebel ansetzbar, um einer weiteren Proprietarisierung des manorialen Zusammenhangs einen Riegel vorzuschieben. Denn während das Besitzrecht für einfreehold durch eine Urkunde
bestätigt wurde, die bei Rechtsstreitigkeiten jederzeit einem öffentlichen Gericht präsentiert werden konnte, waren die Besitzverhältnisse unfreien Landes nur in der Gutsrolle beim Gutsgericht eingetragen, das bei Rechtsstreitigkeiten allein zuständig war. Der tenant konnte sich zwar nötigenfalls eine
Kopie des Eintrags beschaffen, weshalb diese Form der bäuerlichen Leihe
auch als copyhold bezeichnet wurde. Er sah sich jedoch bei Auseinandersetzungen mit seinem Grundherrn immer einem Richter in eigener Sache gegenüber. Wirkliche Rechtssicherheit konnte der copyholder erst erlangen,
wenn er zu den öffentlichen Gerichten vordrang.24
Eben dies war seit dem Ende des 15. Jahrhunderts der Fall. 25 Die Richter der
Krone nahmen sich zuerst im Wege der E^w/'/y-Gerichtsbarkeit der Besitzrechte der copyholders an, weil die Common Law - Gerichte sich
zunächst nicht von der Vorstellung lösen konnten, daß die zur Verfugung
stehenden Rechtsmittel im Landrecht nur vom Grundherrn als dem gesetzlichen Eigentümer des in bäuerliche Leihe ausgegebenen Landes in Anspruch
genommen werden konnten.26 Im Laufe des 16. Jahrhunderts absorbierte das
Common Law jedoch auch diese Rechtsmaterie und akzeptierte den Gutbrauch als einen auch vor öffentlichen Gerichten einklagbaren Rechtsbesitz
der Pächter, der die Handlungsfreiheit des Grundherrn einschränkte. Ganz
24
Vgl. zur sozialgeschichtlichen Ausgangslage J. A. RAFTIS, Tenure and Mobility. Studies in the Social History of the Medieval English Village, Toronto 1944.
25
Vgl. hierzu ausführlich C. M. GRAY, Copyhold, Equity and the Common Law, Cambridge, Mass. 1963.
2 6
METZGER, K a n z l e i g e r i c h t , S. 1 5 2 - 1 6 6 .
16
so wie in den vorangegangenen Jahrhunderten der tenuriale so wurde nun der
manoriale Leihezusammenhang proprietär umgedeutet. Das heißt: Die Leihebeziehungen zwischen Grundherrn und Pächtern wurden nicht etwa in
Frage gestellt, sondern wie gehabt als ein Geflecht von Besitzrechten uminterpretiert, die gegeneinander aufgewogen werden konnten. 27 Zu diesem
Zweck mußte der Gutsbrauch auf dem Stand, den er erreicht hatte, fixiert
werden. Die customs of the manor mutierten so zum Gutsrecht, welches das
Common Law in toto in seiner je unterschiedlichen Gestalt als Grundlage der
manorialen Leihebeziehungen ansah. Der copyholder wurde also nicht etwa
von der Verpflichtung befreit, seinem Grundherrn Abgaben oder eine Eintrittsgebühr zu bezahlen. Auch andere Rechte des Grundherrn, etwa der Anspruch auf das Besthaupt beim Tode des Pächters (heriot), blieben als lästige
Erinnerung an den minderen Status von copyhold-Eigentum erhalten. Die
Leihebedingungen mußten so erfüllt werden, wie sie im Gutsbrauch festgehalten waren. Doch hatte der copyholder nun die Sicherheit, daß der Grundherr die Regeln nicht, zumindest nicht einseitig, verändern konnte. 28
Für die Grundbesitzer war diese Entwicklung fatal. Denn fortan war die
Möglichkeit, ihre Abgabeforderungen der Preisentwicklung auf dem Agrarmarkt anzupassen, auf den in der Regel engen Spielraum beschränkt, den der
Gutsbrauch vorsah. Unter den Bedingungen der Preisinflation des
16. Jahrhunderts bedeutete das, daß ihre Einkünfte immer weniger wert wurden, während ihre Pächter von der Agrarkonjunktur profitierten.29 Kein
Wunder, daß sie jede Gelegenheit nutzten, die Leihe form des copyhold durch
die zeitlich terminierte des leasehold zu ersetzen, die es ihnen erlaubte, im
Geschäft zu bleiben. Die Anerkennung von copyhold als einer Eigentumsform machte die Umstellung auf Zeitpachtformen jedoch schwierig. Letztlich
blieb dem Grundherrn keine andere Wahl als abzuwarten, bis die Familie des
copyholders ausgestorben war und das Land an ihn zurückfiel. So stellte sich
die Proprietarisierung des manorialen Zusammenhangs aus dem Blickwinkel
27
Zum rechtsgeschichtlichen Kontext siehe neben GRAY, Copyhold, mit rechtsdogmatischem Akzent auch SIMPSON, Land Law, S. 155-172.
28
Vgl. für eine entsprechende Auseinandersetzung den bei RAITIS, Tenure, S. 277-288,
geschilderten Fall.
29
Über die ökonomischen Probleme gerade der großen Landbesitzer in der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts vgl. L. STONE, The Crisis of the Aristocracy 1558-1641,
Oxford 1965.
17
der Grundbesitzer als eine schleichende Enteignung dar, die von der Krone
gedeckt wurde.
Warum die Krone diese Rechtsentwicklung zuließ und warum die Grundbesitzergesellschaft sich nicht durch politischen Druck wie im Falle des Statute
of Uses gegen die Proprietarisierung des manorialem Zusammenhangs
wehrte, läßt sich nicht ohne weiteres sagen. Rechts- und sozialgeschichtliche
Untersuchungsansätze haben in der Vergangenheit recht wenig Notiz voneinander genommen, auch wenn die Verzahnung der Landrechtsentwicklung
mit dem Wandel der sozioökonomischen Rahmenbedingungen im Grundsatz
nicht bestritten wird. 30 Gerade hier sind jedoch die Antworten auf unsere
Fragen zu vermuten.
So läßt sich die Haltung der Krone vielleicht ordnungspolitisch als Reaktion
auf den sozialen Wandel des 16. Jahrhunderts erklären. Die Proprietarisierung des manorialen Zusammenhangs hinderte die Grundbesitzer ja nicht nur
daran, ihre Pachtforderungen der Geldwert- und der Konjunkturentwicklung
anzupassen, sondern stand auch Ertragsoptimierung durch wirtschaftliche
Modernisierung im Wege. Gegen den Widerstand betroffener copyholder
ließen sich keine Bauernstellen zu größeren Betriebseinheiten zusammenlegen oder Acker- in Weideland verwandeln. Die absehbaren sozialen Folgen
solcher Modernisierungsmaßnahmen waren es jedoch, die die Krone zu einer
auch in anderen Maßnahmen faßbaren Bauernschutzpolitik veranlaßt haben
mögen. Sie sah sich in der Verantwortung für die Nahrungsmittel Versorgung
der Gesellschaft und fürchtete darüber hinaus ein Anschwellen der landlosen
Bevölkerung, die als Gefahr für den sozialen Frieden und die gesellschaftliche Stabilität galt.31 Hier scheint eine Konfliktkonstellation auf, die der Revolution des 17. Jahrhunderts eine spezifische ökonomische Dimension geben sollte. Während die Krone im Sinne des Ordo-Gedankens als Fürspre-
30
Dies gilt sowohl für die rechtsgeschichtlichen Gesamtdarstellungen als auch für die
für unser Thema einschlägigen Spezialstudien von MILSOM, Framework; GRAY, Copyhold; SIMPSON, Land Law.
31
Siehe etwa J. POUND, Poverty and Vagrancy in Tudor England, London 1971.
18
eher der Gesamtgesellschaft auftrat, entdeckte die Eigentümergesellschaft
ihre besitzindividualisitischen Triebe.32
Die politische Zurückhaltung der Grundbesitzer angesichts eines Problems,
auf das sie ökonomisch sehr wohl reagierten, ist weniger leicht zu erklären.
Eine Rolle mag gespielt haben, daß die meisten copyholder in der TudorZeit copyholders for life waren, eine Umstellung des etate management auf
Zeitpachtformen mithin wenn auch nur längerfristig doch möglich war. Jedenfalls nahm die Zahl der copyholders und vor allem die Fläche des von ihnen bewirtschafteten Landes seit dem Ausgang des 16. Jahrhunderts kontinuierlich ab. Manche Grundbesitzer, vor allem solche mit einer geringeren
Einkommens- oder Kapitaldecke mögen auch analog zum Fiskalfeudalismus
der Krone auf die Eintrittsgebühren als Einnahmequellen nicht haben verzichten können, die schnelleres Geld als langfristig höhere Pachteinnahmen
versprachen.
Mit der Proprietarisierung des manorialen Zusammenhangs hatte die Transformation der Feudal- in die Eigentümergesellschaft eine überschießende
Dynamik entwickelt, die sie in einen partiellen Gegensatz zu der sich parallel
herausbildenden Marktgesellschaft brachte. Der Sieg vor den Gerichten
konnte den copyholder nämlich nicht vor dem Druck des Marktes schützen.
Eine Überlebenschance hatte der Pächter dieses Typs nur dort, wo günstige
Besitzrechte und ökonomische Leistungsfähigkeit zusammenfielen. So
trennte die ökonomische Entwicklung die Spreu vom Weizen: Wer sich
durchsetzte, erwarb sich die Eintrittskarte in die Eigentümergesellschaft, wer
scheiterte, der wurde ein Opfer der in dieser ökonomischen verborgenen
tenurialen Revolution zu modernen Leihformen.33
32
Vgl. etwa den sozial- und kulturgeschichtlichen Interpretationsansatz bei D. UNDERDOWN, Revel, Riot and Rebellion. Popular Politics and Culture in England 16031660, Oxford 1985.
33
Vgl. G. BATHO, Noblemen, Gentlemen, Yeomen, in: J. Thirsk, The Agrarian History
of England, Bd. 4: 1500-1640, Cambridge 1967, S. 301-306, zur Mobilität der Yeomen-Schicht.
19
I.
Zur Transformation der englischen Feudal- in eine Eigentümergesellschaft
gehörte schließlich auch, daß die Fesseln des aiteuropäischen Produktionszuammenhangs abgeschüttelt wurden, der durch die Gemengelage der Felder
{open field system), die Allmende und die Existenz gemeinheitlicher Rechte
gekennzeichnet war. Auch hier begann im 16. Jahrhundert mit der ersten
großen Welle von Einhegungen (enclosures) eine Entwicklung, bei welcher
der Eigentumsgedanke geradezu modellhaft in Erscheinung trat. Einhegungen hörten im 16. Jahrhundert mehr und mehr auf, eine Strategie zur Kultivierung von Brachland zu sein, die den besonderen Einsatz von Initiative,
Arbeit und Kapital mit exklusivem Eigentum belohnte. Sie dienten nun zunehmend dazu, Land aus der Flurgemeinschaft des überkommenen openfield-system auszugliedern und in größeren geschlossenen Betriebseinheiten
zusammenzulegen. An die Stelle der kollektiven ökonomischen Entscheidungen des Dorfes traten damit individuelle Verfügungsgewalt und individuelle ökonomische Verantwortung. Dieses Zusammenspiel von Proprietarisierung und Individualisierung wurde noch deutlicher, wenn die Allmende betroffen war bzw. die Möglichkeiten, diese zu nutzen, geschmälert wurden.
Rechtlich beruhten die Einhegungen auf Verabredungen, die häufig bei den
königlichen Gerichten hinterlegt wurden, um späteren Rechtsstreitigkeiten
vorzubeugen. Es waren Vereinbarungen, welche die Stärkeverhältnisse im
manorialen Verband widerspiegelten. Der Grundherr und die Pächter, die
über die besten Besitzrechte, das meiste Land, das meiste Kapital und nicht
zuletzt die größte Initiative verfugten, schrieben den Gutsbrauch in ihrem
Interesse um. Und alle diejenigen mit schlechten Besitzrechten, wenig Land
und wenig Kapital, die für das Überleben auf die Allmende und die Wahrnehmung der gemeinheitlichen Rechte angewiesen waren, hatten das Nachsehen. Die Krone stellte sich der Einhegungsbewegung unter den Tudors
zunächst aus den bereits angesprochenen ordnungspolitischen Motiven in
den Weg, gab ihren Widerstand zu Beginn des 17. Jahrhunderts dann aber
auf und beschränkte sich darauf, die Einhegungen einem Rechts verfahren zu
unterwerfen. Es bedurfte nun eines Parlamentsgesetzes in Gestalt einer private bill, die der Eigentümlichkeit und Stärke der Eigentumsverhältnisse im
20
jeweiligen Einzelfall besser Rechnung trug als ein allgemeines, öffentliches
Einhegungsgesetz.34
Der Sieg des Eigentums über die kommunitäre Agrarverfassung wurde damit
im ökonomischen Alltag des Dorfes spürbar und vor allem auch sichtbar:
Hecken, Steinmauern und Gräben machten als Instrumente der Abgrenzung
von Eigentumsansprüchen und als symbolische Repräsentationen das gesellschaftliche Ordnungsprinzip des Eigentums nicht mehr nur vor Gericht, sondern im dörflichen Lebenszusammenhang selbst sinnfällig. Wer durch England reist, der begegnet noch heute den Spuren, die die Landschaftsgärtner
der frühen Eigentümergesellschaft hinterlassen haben.
34
Vgl. J. THIRSK, Enclosure and Engrossing, in: DERS. (Hg.), The Agrarian History of
England, Bd. IV: 1500-1640, Cambridge 1967, S. 200-255, sowie DIESS., Agricultural Policy: Public Debate and Legislation, in: Ebd., Bd. V: 1640-1750, Cambridge
1985, S. 378-382.
21
HANS-DIETER METZGER
Zur Grundlegung des liberalen Eigentumsbegriffs im 17.
Jahrhundert
I.
Für die Ausbildung der modernen Eigentums Vorstellung werden in der kritischen Literatur der begrifflichen Entwicklung von Eigentum im 17. Jahrhundert und dabei ganz besonders der Eigentumstheorie John Lockes eine herausragende Bedeutung zugesprochen. Dieser Aufsatz überprüft diese These
auf dem Hintergrund sowohl des realgeschichtlichen als auch des begriffsgeschichtlichen Wandels von Eigentum in diesem Jahrhundert. Er plädiert dafür, statt des Ökonomischen einen politischen und staatstheoretischen Erkenntnisansatz bei der Untersuchung von John Lockes Beitrag zur Grundlegung des liberalen Eigentumsbegriffs zu verfolgen. Auf diesem Wege soll
gezeigt werden, daß es im 17. Jahrhundert und auch bei John Locke nicht
darum ging, eine Erfahrung marktwirtschaftlichen Eigentums Verkehrs auf
den Begriff zu bringen, als vielmehr darum, Eigentum im politischen Spannungsfeld mit den Polen Herrschaft und Freiheit zu verorten. Die zu Lockes
bedingt liberalem Eigentumsbegriff hinführende Entwicklung ist von dieser
politischen Problematik bestimmt.
II.
Die Eigentumstheorie John Lockes steht auch heute noch im Brennpunkt der
Diskussion um die Legitimität von (Privat-) Eigentum. Auf Locke beruft sich
beispielsweise der amerikanische Philosoph Robert Nozick in seinem Plä-
23
doyer für eine "entitlement theory of justice", die neben dem Prinzip einer
ursprünglichen Besitzergreifung nur die legitimen Austauschakte: Geschenk,
Tausch und Erblassung und als Rechtssubjekt nur das radikal autonome, naturrechtlich legitimierte Individuum kennt. Für Nozick ist Eigentum ein kategoriales Grundrecht. Es gehöre durch den ursprünglichen acquisitiven Akt
eines "unowned objects" der ureigensten Rechtssphäre desjenigen an, der
diese erstmalige Erwerbung ("original acquisition or appropriation of unheld
things") bewerkstelligt hat (solange diese ursprüngliche Besitzergreifung
keinem anderen zum Nachteil gereiche), oder dem, der es gemäß den
"principles of justice in transfer" heute besitze. Ihm allein stehe es zu, dieses
Eigentum rücksichtslos zu nutzen oder nach Gutdünken zu übertragen. Dieses von Nozick unter Berufung auf Locke ins Feld geführte naturrechtliche
Eigentum verweigert sich dem Gedanken jedweder sozialen Bindung. Das
Argument hält den regulierenden Eingriff des Staates in die Sphäre privaten
Wirtschaftens für einen unvertretbaren Rechtsbruch und richtet sich unmittelbar gegen die moderne Entwicklung des Wohlfahrtsstaates. Die Funktion
des Staates gegenüber dem anarchischen Gesellschaftshandeln der Individuen wird dabei radikal auf die Sicherung des Raumes zur freien persönlichen Verwaltung individueller Rechte, insbesondere des Rechts auf Eigentum, beschränkt.1
Umgekehrt kritisiert der kanadische Politologe C. B. Macpherson das heute
dominierende privatwirtschaftlich-kapitalistische System und das ihm zugrundeliegende dinglich-absolute Eigentumsverständnis. Macpherson rückt
völlig zu Recht die Erkenntnis der Historizität von Eigentumsauffassungen
in den Mittelpunkt. Seiner Ansicht nach handelt es sich beim Eigentum
1
R. NOZICK, Anarchy, State, and Utopia, Oxford (1974) 6 1990, S. 9 ff., 150-153, 174182; zu Nozicks Theorie und ihrer Beziehung zu der Lockes siehe S. B. DRURY,
Locke and Nozick on Property, in: PoISt 30 (1982), S. 28-41; A. Ryan, Property and
Political Theory, Oxford 1984, S. 37; A. RYAN, Property, Milton Keynes 1987, S.
67-68, sowie H. STEINER, The Natural Right to the Means of Production, in: PhQ
XXVII (1977), S. 41-49, die die Differenzen zwischen Lockes und Nozicks Appropriationstheorie (insbesondere das bei Locke grundlegende Prinzip Arbeit und die
Anbindung an die Transzendenz) herausheben. J. TULLY, A Discourse on Property.
John Locke and his adversaries, Cambridge 1980, S. 79, zeigt gegenüber Nozick,
daß es bei Locke nicht nur absolut verfügbares Privateigentum, sondern auch andere
Arten von Eigentum, z.B. das Anrecht auf (Gemein-) Eigentum, gibt. J. O. GRUNEBAUM, Private Ownership, London 1987, S. 78-85, rückt die Probleme in den
Mittelpunkt, die sich aus der Setzung "unowned object" bei Nozick ergeben.
24
sowohl um eine Institution als auch um ein Konzept, und er unterstellt, daß
diese beiden Kategorien in einem wechselseitig sich bedingenden und dem
geschichtlichen Wandel unterliegendem Verhältnis zueinander stehen. Unter
Eigentumskonzept wird dabei eine mehr oder weniger konsistente Theorie
von Rechten verstanden, die einerseits eine spezifische Verteilung von Eigentum legitimiert, andererseits system konforme Verkehrs formen unter diesen Bedingungen statuiert. Macpherson wirft nun ein, daß "property, in the
works of most modern writers, is usually treated as identical with private
property, an exclusive individual right".2 Er hält dieses spezifische Verständnis für die Folge eines "particular set of historical circumstances" im 17.
Jahrhundert, "the product of the new relations of emergent capitalist society".3 Sichtbares und von den Theoretikern von Hobbes bis Locke wiedergegebenes Kennzeichen dieser gesellschaftlichen Entwicklung sei ein bestimmtes Verhalten, der Besitzindividualismus ("possessive individualism"),
der wiederum in der Konzeptualisierung zur Auffassung vom absoluten Eigentum in der Hand des autonomen Individuums gefuhrt habe. Macpherson
qualifiziert diese Auffassung als eine "misconception".4 Er hält diese Charakterisierung für angebracht, weil mit der Beschränkung von Eigentum auf
dinglich-exklusives Privateigentum in seinen Augen eine ungebührliche und
heute durch nichts mehr zu rechtfertigende Verengung vorgenommen worden sei, die die vor dem 17. Jahrhundert gängige moralisch-soziale Gebundenheit von Eigentum negiere und die Vorstellung vom vormals ebenso üblichen Gemeineigentum völlig abgedrängt habe.5 Trotz ihres höchst unterschiedlichen Erkenntnisinteresses und ihrer gegensätzlichen politischen Forderungen sehen damit sowohl Nozick als auch Macpherson in John Lockes
2
3
4
5
C. B. MACPHERSON, Property. Mainstream and Critical Positions, Oxford 1978, S. 2.
C. B. MACPHERSON, Democratic Theory, Oxford 1975, S. 124.
MACPHERSON, Property, S. 9.
MACPHERSON, PROPERTY, S. 13: "John Locke,...at the end of the seventeenth century,
set out for the first time the case of an individual right of unlimited appropriation.
His case remained the standby of those who shaped the thinking of the ruling class in
England, from the Whig Revolution for a century or more, and of those who made
and consolidated the French and American Revolutions in the eighteenth century.
His justification of property was thus in effect written into, or at least was implied in,
the constitution of the first great modern capitalist nation-states." Siehe ebenfalls C.
B. MACPHERSON, The Political Theory of Possessive Individualism. Hobbes to
Locke, Oxford (1962) 1965, S. 261-262, und MACPHERSON, Democratic Theory, bes.
S. 122-124.
25
Eigentumstheorie die theoretische Grundlage für die moderne kapitalistische
Gesellschaft mit ihrer Konzeption des exklusiv-dinglichen Privateigentums
und dem laissez-faire-Staat.
Diese These von der entscheidenden Grundlegung der modernen Eigentumsauffassung und des bürgerlichen liberalen Staates im 17. Jahrhundert bei
Locke wird auch von anderen Autoren vertreten. So schrieben beispielsweise
bereits Karl Marx und Friedrich Engels: "Diese Theorie (der Reduzierung
der Verhältnisse der Individuen untereinander auf das der Brauchbarkeit und
des gewinnträchtigen Austausches, H.-D. M.) kam auf mit Hobbes und
Locke, gleichzeitig mit der ersten und zweiten englischen Revolution, den
ersten Schlägen, wodurch die Bourgeoisie sich natürliche politische Macht
eroberte."6 Ebenso wie Macpherson, wenngleich nicht mit derselben Emphase, hat auch der Historiker Christopher Hill die von Macpherson kritisierte duplizistische Rationalität von einerseits naturrechtlicher Gleichheit
und andererseits abgeleiteter faktischer Ungleichheit in der Lockeschen Eigentumstheorie herausgestrichen.7 Ähnlich verweist der konservative Philosoph Leo Strauß auf die von gesellschaftlichen Bindungen befreite Lehre
vom selbstisch-individualistischen, produktiven Gewinnstreben bei Locke
und deren antizipatorischer Bedeutung für die bürgerlich kapitalistische Gesellschaft.8 Nach Peter J. Opitz erwuchs Lockes Eigentumstheorie aus den
Problemen des "wachsenden Kolonialreichs Englands und des beginnenden
Kapitalismus."9 Walter Euchner wiederum sieht in Locke den Repräsentanten der englischen halbfeudalen Bourgeoisie, deren transitorischer Charakter
in dem eigentümlichen Mischverhältnis von moderner bürgerlicher Eigentumstheorie und traditioneller naturrechtlicher Sozialphilosophie zum Ausdruck komme. 10 Elmar Waibl schließlich urteilt in seinem jüngst erschie6
KARL MARX/FRIEDRICH ENGELS, Deutsche Ideologie, in: Dies., Werke, Bd. 3, Berlin
1958, S. 3 9 4 .
7
C. HILL, Reformation to Industrial Revolution, Neudruck Harmondsworth 1980, S.
273; vgl. auch C. HILL, Puritanism and Revolution. Studies in Interpretation of the
English Revolution of the 17th Century, Neudruck London 1969, S. 272.
8
L. STRAUB, Naturrecht und Geschichte, Frankfurt a.M. 1977, S. 259.
9
P. J. OPITZ, John Locke, in: Eric Voegelin (Hg.), Zwischen Revolution und Restauration, München 1968, S. 128.
10
W. EUCHNER, Einleitung des Herausgebers, in: John Locke, Zwei Abhandlungen
über die Regierung, hg. v. W. EUCHNER, Frankfurt a.M. 4 1989, S. 9-59, bes. S. 35,
44. Siehe dazu auch I. FETSCHER, Die englische Ideologie. Von Locke bis Mill - eine
26
nenen zweibändigen Werk Ökonomie und Ethik: "Locke darf mit Recht als
der spiritus rector des bürgerlich-kapitalistischen
Wirtschafts ethos apostro-
phiert werden, weil er wie niemand sonst den Interessenstandpunkt der sich
emanzipierenden bürgerlichen Klasse aufgegriffen und den zu seiner Zeit innerhalb des fortschrittlichen Bürgertums allgemein gehegten Wertidealen
einen klaren und entschlossenen sprachlichen Ausdruck sowie ein leicht faßbares theoretisches Begründungsfundament gegeben hat." 11
III.
Eine solche Bewertung von Lockes Eigentumstheorie unter dem ausschließlichen Gesichtspunkt der Grundlegung des kapitalistisch-liberalen Eigentumsverständnisses und des liberalen "nightwatchman state"12 scheint indes
zu kurz zu greifen. Die scheinbar offensichtliche Übereinstimmung von Lokkes Eigentumsbegriff mit dem modernen, absolut "freien" Eigentum könnte
demnach allzu leicht dazu verleiten, den historischen Terminus und die moderne Institution ungeprüft dem gleichen Erfahrungsraum unterzuordnen und
damit den spezifischen Gehalt von Lockes Begriff und die besonderen Bedingungen für die Herausbildung des Eigentumsbegriffs im 17. Jahrhundert
zu verkennen.
Zu wenig beachtet wird bei dieser Frage, daß das Eigentumskonzept Lockes
nicht in einem Werk zur Wirtschaftswissenschaft zu finden ist. Vielmehr bilkritische Retrospektive, in: I. FETSCHER (Hg.), Herrschaft und Emanzipation. Zur
Philosophie des Bürgertums, München 1976, S. 87-91, der Euchner folgt. Obwohl
Fetscher konzediert, daß sich der Begriff Eigentum bei Locke nicht nur auf dingliches Eigentum bezieht, sondern auch Leben und Religionsfreiheit umfaßt (S. 92),
negiert er diese weite Bedeutung in seinem wertenden Urteil, wenn er schreibt: "Im
Mittelpunkt der Lockeschen Staatstheorie steht die Lehre von der Funktion des Gemeinwesens als Mittel zur Sicherung des - längst ungleich gewordenen - Besitzes
(S. 90; Hervorhebung von mir, H.-D. M.).
11
E. WAIBL, Ökonomie und Ethik L Die Kapitalismusdebatte in der Philosophie der
Neuzeit, Stuttgart-Bad Canstatt 1988, S. 67. Ähnlich auch R. MÜNCH, Die Kultur der
Moderne, Band 1, Frankfurt a.M. 1986, S. 224. Siehe ebenfalls H. RITTSTIEG, Eigentum als Verfassungsproblem, Darmstadt 1975, bes. S. 61, 83, der auch Hobbes'
und Lockes Theorien auf der verschwiegenen Annahme einer entwickelten kapitalistischen Marktgesellschaft ruhen sieht.
1 2
DRURY, L o c k e , S. 30.
27
det es einen wesentlichen Teil der staatstheoretischen Arbeit Two Treatises
ort Government. Und hier gilt - wie Franz L. Neumann aufzeigt daß "weder
Hobbes noch Locke...klar zum Ausdruck [bringen], daß...wirtschaftliche
Macht die Wurzel der politischen Macht ist...Aus der Auffassung von Hobbes und Locke folgt, daß Wirtschaft und Gesellschaft, so weit sie überhaupt
Freiheit haben, diese allein zur Aufrechterhaltung einer stabilen politischen
Ordnung erhalten....Die mythologische Vorstellung des laissez-faire-Staates", so lautet das abschließende Urteil, "sollte endlich aufgegeben werden." 13 Manfred Riedel spitzt dieses Argument zu, wenn er darauf aufmerksam macht, daß John Locke das 7. Kapitel seiner Two Treatises on Government mit Of Political or Civil Society betitelte. Hier werden Staat und Gesellschaft synonym gesetzt. Sie treten nicht, wie dann bei Hegel, auseinander. Damit steht - so Riedel weiter - Locke noch ganz in der Tradition der
klassischen Politiktheorie, fur die 'bürgerliche Gesellschaft' eine zentrale
Grundkategorie der politischen Welt ist. Das in sich homogene Herrschaftsgefüge wird durch das Verhältnis von Herr und Diener und von häuslichknechtlicher Arbeit und durch den regulierenden Eingriff des Staates bestimmt.14 Nozicks Plädoyer für den Minimalstaat, dessen Funktion es sei,
den Freiraum und die Chancen für die persönlichen Entscheidungen zu garantieren, kann sich somit nicht direkt auf Locke berufen.
Zum zweiten ist das von Macpherson, Marx, Engels, Waibl und mit Einschränkung Euchner unterstellte Bestehen einer dominanten kapitalistischen
Wirtschaftsordnung als Basis oder das Vorhandensein eines "fortschrittlichen
13
14
F. L. NEUMANN, Demokratischer und autoritärer Staat. Studien zur politischen Theorie, hg. v. H. MARCUSE, Frankfurt a.M. 1967, S. 90-91.
M . RIEDEL, Hegels Begriff der bürgerlichen Gesellschaft und das Problem seines geschichtlichen Ursprungs, in: M. RIEDEL (Hg.), Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, Band 2, Frankfurt a.M. 1975, S. 253; M. RIEDEL, Gesellschaft, bürgerliche, in:
Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache
in D e u t s c h l a n d , h g . v . O . BRUNNER/W. CONZE/R. KOSELLECK, B d . 2, S t u t t g a r t 1975,
S. 734. Eindeutig belegt wird dieser Zusammenhang durch Lockes Definition der
"Politischen Macht". Locke schreibt: "Political Power then I take to be a Right of
making Laws with Penalties of Death, and consequently less Penalties, for the
Regulation and Preserving of Property, and of employing the force of the Community, in the Execution of such Laws, and in the defence of the Commonwealth
from Foreign Injury, and all this only for the Publick Good" (JOHN LOCKE, Two
Treatises of Government, hg. v. P. LASLETT, Oxford 1967, Second Treatise, § 3, S.
286).
28
Bürgertums" als Träger für eine solch sozioökonomisch bestimmte Theorie
in jüngster Zeit für das 17. Jahrhundert bestritten worden. Zwar wird man
eine relativ weit fortgeschrittene Marktbeziehung und eine ökonomisch vermittelte regionale und soziale Interdependenz kaum abstreiten können. Besonders der agrarische Sektor mit seiner Zulieferfunktion für den Wollhandel
und die Bedarfsdeckung Londons sind hier zu nennen.15 Gleichzeitig gilt es
jedoch zu betonen, daß einerseits für den zu dieser Zeit auftretenden Individualismus weiter zurückreichende Wurzeln aufzuzeigen sind und andererseits die sozialen Beziehungen noch nicht von einem rigiden marktwirtschaftlichen Konkurrenzverhalten dominiert wurden.
So weist beispielsweise der Anthropologe und Historiker Alan MacFarlane
Christopher Hills These von der bürgerlichen Revolution des Parlaments im
17. Jahrhundert entschieden zurück. Während Hill glaubt, das Parlament sei
angetreten, um die feudalen Fesseln zu zerreißen und die unbeschränkte Eigentums Verfügung als notwendige Voraussetzung für kapitalistisches Wirtschaften zu erkämpfen16, hält MacFarlane dagegen, der 'Feudalismus' des 17.
Jahrhunderts sei eine Fiktion. Was als solcher angesehen werde, seien lediglich als drückend empfundene Relikte eines bereits Jahrhunderte toten
Vgl. H.-C. SCHRÖDER, Die neuere englische Geschichte im Lichte einiger Modernisierungstheoreme, in: R. KOSELLECK (Hg.), Studien zum Beginn der modernen Welt,
Stuttgart 1977, S. 31, 43-51; H.-C. SCHRÖDER, Der englische Adel, in: A. v. REDENDOHNA/R. MEVILLE (Hg.), Der Adel an der Schwelle des bürgerlichen Zeitalters,
1780-1860, Stuttgart 1988, S. 54-55; D. ZARET, The Heavenly Contract. Ideology
and Organization in Pre-Revolutionary Puritanism, Chicago/London 1985, S. 47-53,
183-192, argumentiert in Anlehnung an Christopher Hill und bes. R. H. TAWNEY,
Religion and the Rise of Capitalism (1922), Neudruck Harmondsworth 1987, daß bereits im 16. Jahrhundert im ländlichen Bereich eine Marktgesellschaft bestanden
habe, die bei den sich dieser sozialen Form anpassenden Puritanern zur besonders
starken Betonung des Vertragsgedankens führte. Zaret vernachläßigt sowohl den
starken biblischen Ursprung des Vertragsgedankens als eines politischen Bundes bei
Mose (Sinai-Vertrag) als auch die ausgeprägte Bundestheologie bei verschiedenen
kontinentalen Reformatoren.
^ C. HILL, From Reformation to Industrial Revolution, Neudruck Harmondsworth
1980, S. 135, 146-148 u.a.O.; C. HILL, The Century of Revolution, 1603-1714, New
York 1966, S. 146, 202-207. Für Hills neuerliches Abweichen von der intendierten
Revolution der bürgerlichen Klasse hin zu einer Betonung der eine bürgerliche Gesellschaft fördernden Wirkungen der Revolution (C. HILL, Über einige geistige Konsequenzen der englischen Revolution, Berlin 1990, S. 30-39; C. HILL, A Bourgeois
Revolution? in: J. G. A. POCOCK (Hg.), Three British Revolutions: 1641, 1688, 1776,
Princeton 1980, S. I l l , 115-119); siehe H.-C. SCHRÖDER, Die Revolutionen
Englands im 17. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1986, S. 195 ff.
29
Systems sozialer Beziehungen gewesen, mit deren Hilfe die Krone eine Steigerung ihrer Einnahmen ("fiscal feudalism") betreiben konnte. Darüber hinaus lasse sich der von Macpherson als ein Phänomen des 17. Jahrhunderts
angesehene Besitzindividualismus bereits im 13. Jahrhundert in England
feststellen.17 Ähnlich vertritt Richard Tuck gegenüber Macpherson die
These, der possessive Individualismus und das Konzept vom absoluten Eigentum seien schon im 14. Jahrhundert in den Arbeiten von Rechtsgelehrten
anzutreffen.18 Vehement widerspricht der Sozialhistoriker Peter Laslett der
These von der Existenz einer dominanten Marktgesellschaft bzw. einer bürgerlichen Klasse. Laslett gelingt in seinen Forschungen vielmehr der Nachweis, daß es sich beim 17. Jahrhundert um eine patriarchalische Gesellschaft
gehandelt habe, in der der soziale Umgang durch die Paradigmen: Ehrerbietung, Autorität und Status bestimmt war. 19
In die gleiche Richtung weisen die Ergebnisse von Penelope Corfields Untersuchung über "economic issues and ideologies" im Vorfeld der Englischen
Revolution. Ihr zufolge gab es weder rivalisierende ökonomische Theorien,
die zu der Frontstellung im Bürgerkrieg in Beziehung gebracht werden können, noch war die "English economy ... on the verge of take-off into a modern growth society. This was not a burgeoning economy restrained only by
the bonds of restrictive government economic politics, though some royal
policies may well have had harmful effects on economic development."20 Zu
überzeugen vermag aber auch die Kritik von Lawrence Stone an R. H.
Tawney. Tawney verbindet in seinem zu einem Klassiker gewordenen Aufsatz The Rise of the Gentry das Auftreten einer agrarkapitalistischen Gentry
mit dem Revolutionsgeschehen, wenn er behauptet, die Entrepreneurs hätten
sich als revolutionäre Elite auf der Seite des progressiven Parlaments, die
17
A. MACFARLANE, The Culture of Capitalism, Oxford 1987, S. 148-149, 164; A.
MACFARLANE, The Origins of English Individualism: The Family, Property, and Social Transition, New York 1979, S. 183, 203, und M. MCKEON, The Origins of the
English Novel, 1600-1740, Baltimore/London 1987, S. 176-177. Vgl. auch L.
STONE, Results of the English Revolution, in: J. G. A. POCOCK (Hg.), Three British
Revolutions: 1641,1688, 1776, Princeton 1980, S. 44.
18
R . TUCK, Natural Rights Theories, Cambridge 1981, S. 2-3, 15-17.
19
P . LASLETT, The World We Have Lost - further explored, London 3 1983, bes. S. 2252.
20
P. CORFIELD, Economic Issues and Ideologies, in: C. RUSSELL (Hg.), The Origins of
the English Civil War, London 1973, S. 197-218, zit. S. 202.
30
auch in ökonomischer Hinsicht traditionalistisch denkenden Adligen auf der
Seite des Königs befunden.21 Obwohl Stone zu konzedieren bereit ist, daß
"the English Revolution resulted in a significant psychological and political
shift towards free enterprise and possessive individualism", hält er Tawneys
These für nicht triftig, da "the hypothetical relationship between estate entrepreneurship and political affiliation" einer statistischen Nachprüfung nicht
standhalten könne 2 2 Ähnlich ausgewogen ist das Urteil Hans-Christoph
Schröders. Er weist die Behauptung von der bürgerlichen Revolution zurück,
da die revolutionären Kräfte in England weder unter einem ökonomischen
Programm angetreten seien noch überhaupt ein eindeutiger Zusammenhang
von revolutionärer Einstellung und sozioökonomischem Hintergrund zu entdecken sei. Weder lasse sich ein starkes, revolutionäres städtisches Bürgertum feststellen noch könne der Adel als Ersatz eines solchen gesehen werden. Während er einerseits die Existenz eines stark am wirtschaftlichen Gewinn und am Markt ausgerichteten Adels einräumt, stellt er andererseits heraus, daß beim englischen Adel das Motiv der Profitmaximierung hinter einer
von jeder Parteienstellung unabhängigen aristokratisch-paternalistischen
Haltung zurückgestanden habe. 23
Schließlich gilt es noch J. G. A. Pocock anzuführen. Auch er kritisiert - und
dabei namentlich Macpherson - die These von der Prägung des Eigentumsbegriffs im 17. Jahrhundert in England durch eine entwickelte Marktgesellschaft.24 Nach Pocock wurde zu dieser Zeit Eigentum vielmehr als ein moralisches und politisches Phänomen angesehen. Eigentum sei primär unter dem
Blickwinkel einer qualifizierenden Voraussetzung für den Besitz und die
Ausübung von politischer Macht betrachtet worden. In dieser Perspektive
war Eigentum ein eminent moralischer, da zum tugendhaften Eintreten für
das Wohl der Gemeinschaft notwendiger, gemeinschaftsbezogener Begriff25
Daneben sei Eigentum als ein juristischer Begriff in dem relativ autonomen
21
R . H. TAWNEY, The Rise of the Gentry, in: L. STONE (Hg,), Social Change and Revolution in England, 1540-1640, London 4 1970, S. 6-18.
22
L . STONE, The Bourgeois Revolution Revisited, in: PaP 109 (1985), S. 44-54.
23
SCHRÖDER, Revolutionen, S. 189-201; SCHRÖDER, Der englische Adel, S. 56.
24
J . G. A. POCOCK, Virtue, Commerce, and History. Essays on Political Thought and
History, Chiefly in the Eighteenth Century, Cambridge u.a.O. 1985, S. 53, 59-61,
105-107.
25
POCOCK, Virtue, S. 103 ff.
31
Bereich des Rechts und der Rechtssprechung vorhanden gewesen, wo er eine
selbständige Rationalisierung durchlaufen habe. 26 Das durch die Errichtung
der Bank von England herbeigeführte erstmalige massive Auftreten von beweglichem Kapital in der Mitte der 1690er Jahre 27 habe die Entwicklung des
juristischen Eigentumsbegriffs kaum tangiert, dafür jedoch die Rationalität
des herkömmlichen politischen Eigentumsbegriffs ausgehöhlt. Landbesitz als
fixes, sichtbares und damit Ansehen und ein Herrenleben ermöglichendes
Eigentum habe ebenso an Attraktivität gegenüber einem kommerziellen Eigentum verloren wie das damit verbundene traditionale Tugendkonzept28 gegenüber einem einseitigen Gewinnstreben, das als eine sozial ungefährliche
Leidenschaft gedeutet wurde. 29 Pococks Erkenntnisse treffen sich hier mit
denen Albert O. Hirschmans und Joyce O. Applebys. Hirschmans Untersuchung zum Wandel des Interessenbegriffs weist eine wichtige Zäsur im gleichen Zeitraum auf. Ihm zufolge hat das Wort Interesse bis zum Ende des 17.
Jahrhunderts soviel wie rationale Überprüfung eines Standpunktes bedeutet.
Erst danach sei Interesse auch als ökonomisches Interesse verstanden worden. Appleby wiederum hebt hervor, daß erst nach 1690 ein "invariable
desire of market participants to seek their profit when reaching a bargain"
geäußert wurde. 30 Lockes Two Treatises of Government - verfaßt in den Jah-
2 6
POCOCK, Virtue, S. 104.
27
Siehe dazu auch H. T. DICKINSON, Liberty and Property. Poltical Ideology in Eighteenth-Century Britain, London 1977, S. 51-52, 85-86.
28
POCOCK, Virtue, S. 67-70, 107 ff. J. G. A. POCOCK, The Machiavellian Moment,
Princeton 1975, passim; J. G. A. POCOCK, Introduction, in: The Political Works of
James Harrington, hg. v. J. G. A. POCOCK, Cambridge 1977, S. 1-152, Siehe dazu
auch Dickinson, Liberty, S. 106-107; H.-C. SCHRÖDER, Das Eigentumsproblem in
den Auseinandersetzungen um die Verfassung von Massachusetts, 1775-1787, in: R.
VIERHAUS (Hg.), Zur Eigentumsdiskussion im ausgehenden 18. Jahrhundert, Göttingen 1972, S. 22-23 und Anm. 41, sowie A. RYAN, Property. Concepts in the social
sciences, Milton Keynes 1987, S. 23 ff.
29
A. O. HIRSCHMAN, Leidenschaften und Interesse. Politische Begründungen des Kapitalismus vor seinem Sieg, Frankfurt a.M. 1980, S. 39 ff.
30
HIRSCHMAN, Leidenschaften, S. 51-7; J. O. APPLEBY, Economic Thought and Ideology in Seventeenth-Century England, Princeton 1978, S. 247-248. Auch Stone
nennt das späte 17. Jahrhundert als den entscheidenden Zeitraum für wirtschaftliche
Veränderungen (STONE, The Bourgeois Revolution Revisited, S. 44-54, und STONE,
Results, S. 44).
32
ren 1679-168031 - gehören daher einer Epoche an, die nicht von einem rigiden Marktdenken beherrscht wurde. 32
IV.
Der eingangs skizzierten Interpretation, die in Locke den "spiritus rector des
bürgerlich-kapitalistischen
Wirts chafts ethos",
den
Exponent
des
"Interessenstandpunktfs] der sich emanzipierenden bürgerlichen Klasse" und
den Theoretiker des "liberale[n] Minimalstaatskonzept[s]"33 sieht, stehen
somit gewichtige Überlegungen entgegen. Dies muß jedoch nicht besagen,
daß auch die Auffassung aufgegeben werden muß, Locke komme eine besondere Bedeutung bei der Entwicklung des Eigentumsbegriffs zu, da er am
Ende einer für das 17. Jahrhundert charakteristischen Entwicklung der Vorstellung von einem weitgehend unabhängigen persönlichem Eigentum stehe.
So haben etwa die Untersuchungen des Historikers Gerald E. Aylmer zur Eigentumsauffassung in Rechtskommentaren, die in den Jahren zwischen 1520
und 1729 verfaßt wurden, klar die Herausbildung eines Eigentumsbegriffes
im Sinne von Lockes Definition gezeigt. Während beispielsweise in John
Cowells The Interpreter (1607) noch zwischen dem Herrenrecht
("dominium") als einzigem vollem Eigentum des Königs und dem Nutzrecht
("dominium utile") der privaten Eigentümer unterschieden wurde, erklärte
John Lilly in The Practical Register (1719) in nahezu wörtlicher Übereinstimmung mit Locke: "And every Man (if he hath not forfeited it) hath a
Property and Right allowed him by the Law to defend his Life, Liberty, and
Estate; and if either be violated, it gives an Action to redress the Injury, and
punish the Wrongdoer."34 Zu einem ähnlichen Ergebnis wie Aylmer kommt
auch der große Rechtsgelehrte Sir William S. Holdsworth. Bei Klagen auf
die Wiederherstellung eines Besitzstandes im 17. Jahrhundert - so schreibt er
- "the common law had come to recognize that ownership was an absolute
31
P. LASLETT, I n t r o d u c t i o n , in: LOCKE, TWO T r e a t i s e s , S. 35.
32
POCOCK, Virtue, S. 108.
WAIBL, Ökonomie I, S. 67, 85.
34
G. E. AYLMER, The Meaning and Definition of 'Property' in Seventeenth-Century
England, PaP 86 (1980), S. 87-97, zit. S. 88.
33
33
right as against all the world, and not merely the better right of a plaintiff as
against the defendant to possession."35 Nicht ganz so weit geht der Jurist
S.F.C. Milsom. Ihm zufolge "the owner's position was strengthened by an
extension of the range of persons he could hold liable to return the value of
his property."36 Aylmer weist darüber hinaus daraufhin, daß sich eine Angleichung in der Behandlung von Grundeigentum ("real property") und beweglichem Eigentum ("personal property") vollzogen habe. Ganz eindeutig
kann somit die Stärkung der Eigentumsrechte sowohl im Rechtsdenken als
auch in der Rechtspraxis verzeichnet werden.37
Freilich ist dabei zu berücksichtigen, daß diese Entwicklung durch die Debatten und Ereignisse während der Englischen Revolution entscheidend beschleunigt wurde. Aylmer betont, daß sich die neue Definition in den
Rechtskommentaren in den 1650er Jahren durchgesetzt habe. 38 Auf diesen
Zeitpunkt als entscheidende Zäsur deutet auch eine Analyse der öffentlichen
Auseinandersetzung während der Revolution hin. Während 1643 der royalistische Pamphletist Dudley Digges das Zugriffsrecht des Königs auf das Eigentum der Untertanen noch mit dem Hinweis auf dessen feudal rechtliche
Stellung rechtfertigte, indem er daraufhinwies, daß der Monarch als einziger
absoluter Eigentümer sei, da er sein Obereigentum ("alodium") in England
auf die Eroberung im Jahr 1066 und seine Stellung als "liege-lord" stütze39,
35
Sir W. S. HOLDSWORTH, A History of English Law, London 1937, S. 458, zit. in: A.
REEVE, The Meaning and Definition of 'Property' in Seventeenth-Century England,
PaP 89 (1980), S. 139, und A. REEVE, Property. Issues in Political Theory, Houndsmill/London 1986, S. 49.
36
S. F. C. MILSOM, Historical foundations of the Common Law, London 1969, S. 332,
zit. in: REEVE, Property, S. 49. Hier erweist sich deutlich Webers These, daß die
Entwicklung des eher unformalen "Common Law" in England durch rechtstranszendente Einflüsse - insbesondere die enge Klientelbeziehung zwischen Landeigentümern und Juristen einerseits sowie die durch die Vereinigung der Juristen in nationalen Korporationen und die außerordentlich starke Konzentration der Gerichtshöfe
in London erreichte Rechtseinheit andererseits - einen eher materialen Rationalisierungsprozeß zugunsten besonders der landbesitzenden Eliten durchlaufen hat (vgl.
MAX WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1985, S. 445-450, 467, 484;
siehe dazu auch MÜNCH, Kultur, Bd. 1, S. 182-183, 214, 224, sowie W. SaiLUChTER, Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus, Tübingen 1979, S. 139-140).
37
AYLMER, The Meaning and Definition of'Property1, S. 95.
38
AYLMER, The Meaning and Definition of'Property', S. 92.
39
"The King only has directum dominium this being reserved by the conquerors, who
changed many of our lawes, and introduced the customes of the Normandy, and
instituted all our Lawes in French, and passed over the utile dominium only. [He
34
wird die Diskussion in der Kirche von Putney zwischen den sozialradikalen
Levellers und den Soldatenräten auf der einen Seite, den sozialkonservativen
Generalen der "new model army" auf der anderen, im Oktober/November
1648 bereits ganz von naturrechtlichen Eigentumsdefinitionen bestimmt.
Auch hier bei Digges und in den Putney-Debates wurde der Eigentumsbegriff in einem politischen und nicht in einem ökonomischen Sinn benutzt.40
Ebenfalls aus politischen Gründen verwendeten Hobbes und einige Autoren
der vielbeachteten Engagement-Debatte - einer Auseinandersetzung um das
Treuegelöbnis auf die Republik - das Argument vom absoluten Eigentum
"by conquest" (dominium) sowohl für die Herrschaft als auch für das
Privateigentum 4 1 Der viel rezipierte Niederländer Hugo Grotius hatte jedoch
schon vorher zwischen der obrigkeitlichen Gewalt ("imperium") und dem
Privateigentum
("dominium
privatum")
unterschieden 42
Diese
Differenzierung wird in dem Hauptwerk des Republikaners James
Harrington, Oceana (1656), ebenfalls vollzogen. Macht - so lautet die
zentrale These - sei die natürliche Folge von (Grund-)Eigentum. Als
entscheidendes Eigentumsobjekt sah Harrington darum einzig das freie
Grundeigentum der freien Bürger an. 43 Auch in den Debatten der Parlamente
der 1650er Jahre und nach der Restauration stößt man auf einen absoluten
Eigentumsbegriff sowie auf die Trennung von Herrschaft und Eigentum. 44
40
holds land not as] tenure but from God and the Sun (without burden)" (D. DIGGES,
The Unlawfulness of Subjects Taking Up Arms, Oxford 1643, S. 81-83, zit. S. 81).
A. S. P. WOODHOUSE, Puritanism and Liberty, Neudruck London 1974, S. 53-79.
Siehe dazu auch P. WENDE, 'Liberty' und 'Property' in der politischen Diskussion der
Levellers. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des politischen Individualismus im
E n g l a n d d e s 17. J a h r h u n d e r t s , in: Z H F 1 ( 1 9 7 4 ) , S. 1 5 8 - 1 6 1 ; R. GLEISSNER, T h e L e -
vellers and Natural Law: the Putney Debates of 1647, in: Journal of British Studies
20/1 ( 1 9 8 0 ) , S. 7 4 - 8 9 .
41
Siehe beispielsweise ANTHONY ASCHAM, Of the Confusions and Revolutions of Governments, London 1649, bes. Kap. III und IV, S. 8-11. Zur Rezeption von Grotius
und Seiden siehe R. TUCK, 'The Ancient Law of Freedom': John Seiden and the Civil
War, in: J. MORRILL (Hg.), Reactions to the English Civil War, 1642-1649, London/Basingstoke 1982, S. 137-163. Zur Rezeption von Hobbes siehe H.-D.
METZGER, Thomas Hobbes und die Englische Revolution 1640-1660, Stuttgart-Bad
Cannstatt 1991, Kap. IV. und die dort angeführte Literatur.
42
D. SCHWAB, Eigentum, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, S. 96.
43
Siehe dazu neben den erwähnten Schriften von Pocock vor allem RJTTSTIEG, Eigentum, S. 86-92.
44
J. T. RUTT (Hg.), Diary of Thomas Burton, Esq. Member of the Parliaments of Oliver and Richard Cromwell, From 1656 to 1659, with an...Account of the Parliament
of 1654, from the Journal of Guibon Godard, Neudruck New York und London
35
Richard Schlatter schließlich zeigt, wie diese neue Eigentumsauffassung
nach der Restauration in den Predigten der Geistlichkeit popularisiert und
verbreitet wurde. 45
Die Englische Revolution brachte aber auch in praktischer Hinsicht einen
wichtigen Umbruch mit sich. Insbesondere die Aufhebung der aus dem Feudalrecht stammenden Einschränkungen des Eigentumsrechts wie Erbfallgebühren, Mündelgeld, die Erklärung aller Kronlehen zu freiem Eigentum sowie die Abschaffung der Restriktionen bei Einhegung und Schafhaltung sind
hier zu nennen. Es handelt sich dabei aber weniger um das revolutionäre
Umstürzen lebendiger Institutionen als vielmehr um das Abreißen einer antiquierten Fassade, die vom König als Vorwand für steuerliche Auflagen verwandt worden war. Zu erwähnen gilt es auch die Beseitigung der Produktionsmonopole während des Interregnums und den Bedeutungsverlust der
Handelsmonopole - von Hans-Christoph Schröder als Indizien für das
"Absterben" des interventionistischen paternal istischen Staates gedeutet.46
Das Grundmotiv für diese Schritte war jedoch nicht das Drängen auf eine
Befreiung von ökonomischen Zwängen zugunsten einer Wirtschaft des laissez-faire.47 Vielmehr ging es im wesentlichen darum, "to free man of
property from arbitrary fiscal impositions, levied in the name of paternalist
control."48 Von dieser Aufhebung der feudalen Relikte profitierten vor allem
1974, Bd. I, S. LXX, wo behauptet wird, daß "no man can, de jure, obtain a
dominion over another man's person, without his own consent" sowie ebd., Bd. I, S.
175-176, wo ein "Bill concerning the dividing of Commons &c." wegen Eingriff in
das persönliche Eigentumsrecht abgelehnt wird.
45
R. B. SCHLATTER, The Social Ideas of Religious Leaders, 1660-1688, Oxford u.
London 1940, S. 87-105.
46
S i e h e dazu SCHRÖDER, Revolutionen, S. 197; CORFIELD, Economic Issues, S. 205206; HILL, Reformation, S. 146-147; HILL, Century, S. 145-151; HILL, Über einige
geistige Konsequenzen, S. 30; Hill, A Bourgeois Revolution? S. 15-19; S. R.
GARDINER (Hg.), The Constitutional Documents of the Puritan Revolution, 16251660, ND Oxford 1979, S. 29; G. E. AYLMER, The Struggle for the Constitution.
England in the Seventeenth Century, London 4 1971, S. 174-175; STONE, Results, S.
47
47
J . THIRSK, in: J. THIRSK ( H g . ) , T h e R e s t a u r a t i o n , L o n d o n 1 9 7 6 , S. ILL; C . WILSON,
in: J. THIRSK (Hg.), Restauration, S. 148.
CORFIELD, Economic Issues, S. 206.
48
36
die Grundbesitzer49, die ihr Eigentum zunehmend als ein "absolute
propriety" betrachten konnten. Der puritanische Geistliche Richard Baxter
machte dieses neue Eigentums Verständnis dafür verantwortlich, daß Grundbesitzer sich nun von der sozialen Bindung ihres Eigentums befreit fühlten
und dies zur skrupellosen Steigerung ihrer Pachten ("rack-renting") nutzten. 50 Es darf indes nicht übersehen werden, daß die Profitorientierung durch
die Einbettung in die auf Ehrerbietung und gesellschaftliches Ansehen gegründete Gesellschaft in Schach gehalten wurde. So hat beispielsweise Sir
William Wentworth seinen Sohn Thomas in einer Ratgeberschrift ausdrücklich dazu angeleitet, Reichtümer zu akkumulieren. Die Wünschbarkeit eines
solchen Verhaltens wird jedoch nicht mit dem erhofften großen Vermögen
begründet. Vielmehr werden die statussichernden Folgen von Reichtum betont, insbesondere die Wertschätzung im Kreise der Nachbarn und das Erhalten von Freundschaften.51 Politisch argumentierte auch ein Mitglied der
aristokratischen Opposition gegen Karl I., als er die Funktion der Hocharistokraten geradezu über das Eigentum definierte. Er betrachtete Eigentum als
die, die Peers und ihren erblichen Sitz im Oberhaus legitimierende Grundlage, da es eine freiheitliche und vom Monarchen unabhängige Stellung ermögliche. Dagegen rühre die Ehre vom König her. Sie bilde daher keinen
Grund für eine unabhängige Position. In die gleiche Richtung weist auch,
daß sich die Adligen mit dem strict settlement - eine dem Fideikommiß ähnliche Regelung, die dem aktuellen Eigentümer zwar die Nutzung der Güter
gewährt, im Interesse der folgenden Generationen jedoch die Veräußerung
des Familienbesitzes untersagt - selbst eine Beschränkung hinsichtlich der
Verfügbarkeit ihres Eigentums auferlegten.52 Deutlich wird damit, daß hinter
dem im England dieser Zeit erkennbaren Zusammenhang von Status und Eigentum53 eine eindeutige Zweck-Mittel-Hierarchie stand. Nicht dem Ziel der
49
SCHRÖDER, Revolutionen, S. 197; WEBER, Wirtschaft, S. 434; CORFIELD, Economic
Issues, S. 206; THIRSK, Restauration, S. 113.
50
R. BAXTER, The Poor Husband's Advocate to Rich Racking Landlords (1691), in: W.
MEYERS (Hg.), Restauration and Revolution, London 1986, S. 223-237 und ebd., Introduction, S. 26.
51
Sir WILLIAM WENTWORTH, A d v i c e to h i s s o n ( 1 6 0 4 ) , in: J. P. COOPER ( H g . ) , W e n t -
worth Papers, 1597-1628, London 1973, S. 10. Siehe dazu auch L. STONE, Family,
S e x a n d M a r r i a g e in E n g l a n d , 1 5 0 0 - 1 8 0 0 , H a r m o n d s w o r t h
52
53
2
1 9 8 2 , S. 7 8 - 7 9 .
SCHRÖDER, Der englische Adel, S. 33; SCHRÖDER, Revolutionen, S. 197.
SCHRÖDER, Der englische Adel, S. 31.
37
Profitmaximierung, sondern der Machtakkumulation gebührte - wie bereits
von Hobbes erkannt - der Vorrang.54
Damit zeigt es sich auch hier, daß Eigentum im 17. Jahrhundert immer in
engster Berührung mit dem Politischen gedacht wurde. Die Entwicklung in
der Eigentumsauffassung von der beschränkten hin zur unbeschränkten Verfügung und die Steigerung der Durchsetzbarkeit von Rechtsansprüchen
dienten vor allem dazu, die Stellung der alten Eliten zu stärken und ihren
Herrschaftsanspruch zu zementieren. Zusammenfassend kann man sagen,
daß die Entwicklung des Eigentumsverständnisses der Realität einer Gesellschaft nun nicht des marktwirtschaftlich bestimmten "Besitzindividualismus"
(Macpherson) als vielmehr einer Gesellschaft relativ autonomer, machtorientierter "householder" entsprach.
Gleichzeitig zeichnete sich mit diesem Prozeß hin zum absoluten Eigentümer
und der sozialen Identität von Eigentümer und Hausvater aber gerade für die
Unabhängigkeit dieser "householder" auch eine Gefahr ab. Sir William
Temple schrieb in seinem An Essay upon the Original and Nature of Go-
vernment (1680): "The Father, by a natural Right as well as Authority,...[is] a
Governour in this little State...Thus a Family...[is] a little Kingdom, and a
Kingdom...but a great Family."55 Daran schließt sich die Frage an: Wenn ein
Vater der absolute Herr über seinen "Estate" ist, ist dann nicht auch der König als pater patriae ein absoluter Eigentümer über das ganze Reich? Diese
bittere Konsequenz des absoluten Eigentumsrechts wurde schon 1654 im
Parlament diskutiert und verworfen. Dem Herrscher - so führte ein Abgeordneter aus - ein absolutes Eigentumsrecht über seine Untertanen aufgrund seiner Gleichsetzung mit dem Urmonarchen Adam einzuräumen, sei impertinent. "Men are not like sheep under a shepherd, where the dignity of the kind
may justly challenge superiority and dominion over the inferior kind, in
regard of the great difference."56 Dreißig Jahre später wurde diese naheliegende Analogie auch von John Dryden abgelehnt: "The Estate of England is
indeed the King's...but it follows not, that the people are his goods and chat54
SCHRÖDER, Der englische Adel, S. 56.
Sir WILLIAM TEMPLE, Miscellania...An Essay upon the Original of Government
(1680), in: MEYERS (Hg.), Restauration, S. 144.
56
BURTON, Diary, Bd. 1, S. LXIX-LXX.
55
38
teJs on it." 57 Damit läßt sich nunmehr der genuine Zusammenhang von Absolutismus und absolutem Eigentum erkennen. Mit der Abschaffung der feudalen Relikte war die traditionelle Spannung zwischen Herrscherwille und
Privileg aufgehoben und auf die einfache Frage nach dem absoluten Eigentumsrecht reduziert. Wurde dieses Recht dem König zuerkannt, so war er
unumschränkter Herr. War hingegen ein Untertan absoluter Eigentümer, so
hatte der König auf dieses Recht Rücksicht zu nehmen und war damit in seiner Machtfülle eingeschränkt. Es ist die Verortung des absoluten Eigentumsrechts im Rahmen von Herrschaft, die die Theoretiker von Hobbes bis Locke
bewegte und nicht das Problem der begrifflichen Fassung eines unter kapitalistischen Marktbedingungen sich herausbildenden absoluten Eigentumsbegriffs.
Damit kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück. Es stellt sich nämlich
nunmehr die Frage, ob wir die Entwicklung der Eigentums Vorstellung im
England des 17. Jahrhunderts, an deren Ende sich Lockes Theorie befindet,
nicht besser unter einem politischen und staatsphilosophischen statt einem
ökonomischen Blickwinkel und im Lichte der mit der Englischen Revolution
anhebenden politischen "Fundamentaldiskussion"58 betrachten sollten. Iii
dieser theoretischen Auseinandersetzung stehen Autoren, die das Eigentumsrecht den Erfordernissen von Herrschaft unterordneten, Autoren gegenüber,
die das Eigentumsrecht mit der Behauptung eines Freiheitsanspruches verbanden. In den folgenden Abschnitten soll dieser Diskurs - jedoch nur so
weit er sich unmittelbar auf Lockes Theorie bezieht - nachgezeichnet und zu
Lockes Lehre in Beziehung gebracht werden.
V.
Die ersten systematischen und metajuridischen Neubegründungen des Eigentumsbegriffs kamen aus den Reihen der Royalisten. Der umfassendste
stammt von Thomas Hobbes. Seine Eigentumstheorie stellt eine gewaltige
Rationalisierungsleistung dar. Die Bedeutung dieser Theorie für den
57
JOHNDRYDEN, zit. in: MEYERS, I n t r o d u c t i o n , S. 3.
58
SCHRÖDER, Revolutionen, S. 203.
39
weiteren Verlauf der theoretischen Auseinandersetzung um den
Eigentumsbegriff kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Die
zweite Theorie, die es anzusprechen gilt, ist die im späten 17. Jahrhundert
bei den Anhängern des Absolutismus außerordentlich populäre
Eigentumstheorie Sir Robert Filmers, die wie die Theorie Hobbes' eine
Vielzahl von Entgegnungen, darunter die Lockes, provozierte.
Hobbes negierte in seinen Werken von vornherein die gängigen rechtlichen
Definitionen von Eigentum.59 Für den Philosophen ist Eigentum untrennbar
mit der Bedingung der Berechenbarkeit oder Stetigkeit im Umgang mit den
in Frage kommenden Sachen oder Vermögenswerten Ansprüchen verbunden.
Eigentum ist für ihn "continued possession". Die konstitutive Forderung der
rationalen Kalkulierbarkeit sah Hobbes erst mit der Errichtung einer uneingeschränkten Macht gegeben. Sie habe durch die ihr zu Gebote stehenden
Zwangsmittel die Möglichkeit, Recht zu setzen und zu garantieren. Erst
durch ihr Auftreten sei es möglich, Recht und Unrecht, wahr und falsch oder
gut und schlecht sozial verbindlich zu definieren. Sie erst erlaube rationales
wirtschaftliches Handeln. Auch die Unterscheidung von meum und tuum erhalte erst mit dem Vorhandensein einer rechtliche Zuschreibungen garantierenden Zwangsgewalt eine handlungsnormierende Relevanz. Der Staat wird
bei Hobbes mithin nicht wie bei Locke geschaffen, um das Eigentum zu
schützen. Eigentum ist bei Hobbes vielmehr ein Effekt der Staatlichkeit.60
Man kann der Bemerkung von Maurice Goldsmith, Hobbes habe sich bei der
genauen Bestimmung seiner Eigentumstheorie schwer getan 61 , nur zustimmen. Zwar hielt der Philosoph von Anfang an daran fest, daß es die unüberwindliche ordnungschaffende Macht sei, die das Eigentum hervorbringe und
dem Souverän ein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf das Eigentum der
59
Für eine rechtshistorische Behandlung des Eigentumsbegriffs bei Hobbes siehe
THOMAS HOBBES, A Dialogue between a Philosopher and a Student of the Common
Law of England, hg. v. J. CROPSEY, Chicago/London 1971, S. 163.
60
Siehe dazu METZGER, Thomas Hobbes, S. 37-39; B. B. LOPATA, Property Theory in
Hobbes in: Political Theory 1/2 (1973), S. 204-205; D. SCHWAB, Eigentum, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, S. 74; GRUNEBAUM, Private Ownership, S. 87-92;
WAIBL, Ökonomie I, S. 62-66; R. SCHLATTER, Private Property. The History of an
Idea, London 1951, S. 140.
61
M . M. GOLDSMITH, Hobbes's Science of Politics, New York/London 1966, S. 199.
40
Untertanen einräume. In der Frage nach der Stellung des Eigentums in dem,
dem Gesellschaftszustand hypothetisch vorausgehenden Naturzustand zeigte
Hobbes dagegen zunächst wenig Klarheit.62 So vertrat der Philosoph in seinem Werk von 1640, Elements of Law, die später von Samuel Pufendorf akzeptierte Ansicht, es gebe auch im Naturzustand persönliches Eigentum, das
durch eine vertragliche Übereinkunft unter Individuen zustande gekommen
sei und das mit in die Gesellschaft hineingenommen werden könne. 63 In seinem nächsten politischen Buch vom Jahr 1642, De Cive, beschränkte Hobbes die mögliche Existenzform des Eigentums aber bereits auf Gemeineigentum. 64 Schließlich erreichte Hobbes im Leviathan seine endgültige und
mit seinem Gesamtsystem in völliger Übereinstimmung befindliche Position.
Dort insistiert er, es gebe im Naturzustand weder persönliches Eigentum,
noch Gemeineigentum, sondern lediglich Unsicherheit ("uncertainty"), da jeder jedem alles zu jeder Zeit mit Hilfe seiner Macht oder seiner Schläue und
Listigkeit nehmen könne. 65 Der gedankliche Radikalisierungsprozeß zwischen Elements of Law und Leviathan springt damit ins Auge. Hobbes sah
Eigentum zunehmend unter dem formalen Aspekt der Dauerhaftigkeit und
Berechenbarkeit. Diese Entwicklung ist aber nicht nur in systematischer Hinsicht konsequent, sondern auch in politischer Hinsicht. Erst im Leviathan
gibt es keine die politische Herrschaft bindende, weil von ihr vorgefundene,
Form des Eigentums mehr. Ein vorstaatliches Gemeineigentum als Ausgangspunkt der Eigentumsgeschichte wurde von Hobbes im Leviathan völlig
abgelehnt. Hobbes kannte damit kein Anrecht auf einen ursprünglichen Gemeinbesitz.
Wie entschieden Hobbes gegen den Gedanken vom natürlichen Eigentum
Stellung bezog, wird erst ganz deutlich, wenn wir die für ihn eigentumsfähigen Dinge betrachten. So ist es richtig, wenn Karl Olivecrona darauf hinweist, daß der Terminus "propriety" bei Hobbes sich hinsichtlich seines Be62
M . M. GOLDSMITH, Introduction, in: Thomas Hobbes, The Elements of Law, Natural
& Politic, hg. v. F. TÖNNIES, London 1984, S. XI-XIV.
63
GOLDSMITH, Hobbes's Science, S. 199; derselbe, Introduction, S. XII, sowie K. THOMAS, The Social Origins of Hobbes's Political Thought, in: K. BROWN (Hg.), Hobbes
Studies, Oxford 1965, S. 188.
64
T H O M A S HOBBES, D e C i v e , X I I / 7 , hg. v. H . WARRENDER, Oxford 1984, S. 151, 172.
65
T H O M A S HOBBES, L e v i a t h a n , hg. v. C. B. MACPHERSON, H a r m o n d s w o r t h 1981, S.
188,202, 296.
41
deutungsumfangs von dem im 17. Jahrhundert in England gebräuchlichen
und mit dem lateinischen "suum" deckungsgleich behandelten Eigentumsbegriff nicht unterscheidet.66 Hobbes erklärte im Leviathan: "Of things held in
propriety, those that are dearest to a man are his own life, & limbs; and in the
next degree, (in most men), those that concern conjugall affection: and after
them riches and means of living". Da diese Dinge dem Menschen wichtig
seien - so Hobbes weiter sei es eine der Pflichten des Souveräns, sie dauerhaft zu schützen.67 Auch hier bleibt die Bindung des Eigentums an die Existenz des Staates gebunden. Das Anrecht auf Leben kann nur unter der Bedingung des Staates als ein positives Recht gegenüber anderen Bürgern angesehen werden. Zwar trifft es zu, wie in der Hobbes-Literatur immer wieder
herausgestellt wird, daß Hobbes einen vorstaatlichen Anspruch auf körperliche Erhaltung und Unversehrtheit einräumt, der sogar eine - positiv rechtlich
gesehen - widerrechtliche Aneignung von Grundnahrungsmitteln vorsieht. Es
handelt sich hier aber nicht um eine rechtliche Gewährung, sondern um eine
Logik zwingender Selbsterhaltung. Es ist der faktische Entzug jeden Sinns
der Unterwerfung unter eine Herrschaft, der durch die elementare Bedrohung
des konkreten Individuums aufgelöst wird und damit eine aber immer auf das
Individuum begrenzte, rechtmäßige aber nicht rechtliche Widerstandshandlung hervorrufen darf.68
Ähnliches gilt für Eigentumsrechte, die sich auf "conjugal affection" beziehen. Andrew Reeve macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam,
daß "many of today's readers are surprised to discover that Hobbes included
'conjugal affection' as a form of property, perhaps forgetting the parallel between 'to have and to hold', used in the marriage ceremony, and the same
phrase used when referring to land tenure."69 Hier handelt es sich m.E. jedoch weniger um eine konziliante Geste gegenüber dem Gewohnten - wie
Reeve es andeutet -, die Hobbes dazu bewog, "conjugal affection" als ei^
K. OLIVECRONA, The Term 'Property' in Locke's Two Treatises of Government, in:
ARSPLXI/1 (1975), S. 113.
6 7
HOBBES, Leviathan, S. 382-383.
^ Siehe dazu vor allem die Behandlung dieses kniffligen Problems bei K.-M.
KODALLE, Sterbliche Götter: Martin Luthers Ansichten zu Staat, Recht und Gewalt
als Vorgriff auf Hobbes, in: Hobbes Oggi, Milano 1990, S. 139-140, dem ich hier
folge.
6 9
REEVE, Property, S. 6, siehe auch S. 57, 120, 123.
42
gentumsfähig anzuerkennen. Vielmehr ist es der rechtliche Schritt der Eheschließung, der auch hier die Eigentumsfahigkeit erst schafft. Außerhalb des
Staates ist es nach Hobbes lediglich die faktische Verfügungsgewalt - ebenfalls kein natürliches Band -, die ein Anrecht über die Kinder gewährt.
Darum liege die Verfugung über die Kinder logischerweise zunächst bei der
Mutter, die die Kinder gebiert und damit als erste in ihrer Gewalt habe. Da
die Frauen allerdings ihrerseits in aller Regel einem patriarchalisch regierten
Haushalt zugehörten, falle die Verfügungsgewalt an den Hausvater.70 Recht
in einem positiven Sinne und damit Eigentum als Institution ist immer auf
die Existenz des Staates angewiesen.
Man wird Hobbes' Überlegungen zum Eigentum in systematischer Hinsicht
nicht gerecht, wenn man darin nur eine politisch motivierte Begründung des
absoluten Zugriffs- und Besteuerungsrechts des Souveräns sehen wollte. Der
Philosoph glaubte vielmehr, daß es ein Grundbedürfnis nach Eigentum gebe,
das unter den Bedingungen des Naturzustands in keiner Weise realisiert werden kann. Es ist die Chance, Eigentum erwerben und akkumulieren zu können, die zusammen mit der Bereitstellung des Friedens die Unterwerfung
"unter das Joch des Staates" überhaupt erst attraktiv macht.71 Doch bleibt
dieses Grundbedürfnis nach Eigentum dem Primat des Friedens untergeordnet. Nur um den Preis der völligen Aufgabe der vorstaatlichen Freiheit ist der
Zweck von Politik: die Sicherung des Friedens, erreichbar. Freiheit und Eigentum haben damit nicht den Rang von Rechten, die nach dem Abschluß
des Gesellschaftsvertrags gegen den Herrscher mobilisiert werden können,
wie dies später bei Locke der Fall ist.
Der zweite hier anzusprechende royalistische Theoretiker, Sir Robert Filmer,
ging im Gegensatz zu Hobbes nicht von einem kulturlosen und herrschaftsfreien Urzustand aus. Er vermied damit nicht nur wie Hobbes die Vorstellung eines uranfanglichen Gemeineigentums72, sondern bestritt auch, daß
70
HOBBES, Leviathan, S. 253.
HOBBES, Leviathan, S. 202, 223. Siehe auch M. OAKESHOTT, Introduction, in: THOMAS HOBBES, Leviathan, Oxford 1946, S. XLI.
72
"If there hath been a time when all things were common and all men equal and that it
be otherwise now; we must needs conclude that the law by which things were common, and men equal, was contrary to the law by which now things are proper [i.e.
privately owned] and men subject. If we will allow Adam to have been lord of the
71
43
"the people...were free by nature".73 Filmer interpretierte vielmehr die biblische Lehre in Genesis 1:28 als direkte Übereignung der Schöpfung von Gott
an Adam, den Urvater aller Menschen und ersten Herrscher. Das Geschenk
Gottes habe Adam zum absoluten Eigentümer über die Welt, seine Frau und
seine Kinder gemacht, ein Recht, das Adam mit dem Akt der Zeugung an
den erstgeborenen Sohn weitergegeben habe. So erkläre sich die Institution
der Primogenitur, die bis auf den heutigen Tag in England das Erbrecht bestimme.74 Nach der Sintflut, als die Anzahl der Menschen enorm angewachsen sei, habe Noah die Welt unter seinen drei Söhnen geteilt. Im Laufe der
Geschichte hätten sich weitere Aufspaltungen in Völker vollzogen. Eine unmittelbare leibliche Abstammung der gegenwärtigen Könige vom Urvater
Adam lasse sich heute aufgrund dieser Verzweigungen nicht mehr nachweisen. Trotzdem müsse das Legitimitätsprinzip auch jetzt noch als gültig angesehen werden, denn - schrieb Filmer - das ius divinum des Vaters sei als
"substance" im König als pater patriae immer noch erhalten.75
Gegenüber der Lehre von Hobbes wird die paternalistische Eigentumstheorie
von Sir Robert Filmer reaktionär, ja "anachronistisch" entwickelt 76 Doch ist
es kaum zweifelhaft, daß Filmers patriarchalische Theorie der sozialen
Wirklichkeit des 17. Jahrhunderts mit der dominierenden Stellung des durch
die väterliche Gewalt regierten Haushalts weit eher entsprach77 als Hobbes'
Theorie der "generation" eines mechanistisch konzipierten Staates durch
Vertragsschluß unter den Individuen. Im Gegensatz zu Hobbes hat Filmer es
vermocht, sowohl "[to] conform...with the generally accepted pattern of soworld and of his children, there will need no such distinctions of the law of nature
and of nations" (Filmer, zit. nach J. R. WESTERN, Monarchy and Revolution. The
English State in the 1680s, Houndsmill/London 1972, S. 10-11).
73
FILMER, Works, S. 229.
74
FILMER, Works, S. 57, 187-188.
75
Siehe dazu vor allem G. J. SCHOCHET, Patriarchalism in Political Thought, Oxford
1975, S. 1 3 9 - 1 7 9 ; EUCHNER, E i n l e i t u n g , S. 2 6 - 2 7 ; M . GOLDIE, A b s o l u t i s m u s , Parla-
mentarismus und Revolution in England, in: I. FETSCHER/H. MÜNKLER (Hg.), Pipers
Handbuch der politischen Ideen. Neuzeit: Von den Konfessionskriegen bis zur Aufklärung, München 1985, S. 313.
76
RITTSTIEG, Eigentum, S. 71; siehe auch EUCHNER, Einleitung, S. 25-29.
77
Siehe dazu P. LASLETT, Introduction, in: P. LASLETT (Hg.), Patriarcha and other
Works of Sir Robert Filmer, Oxford 1949, S. 22; DICKINSON, Liberty, S. 25; WESTERN, Monarchy, S. 8-13, 17.
44
cial organization of his time" 78 als auch mit den gängigen theologischen Lehren in Einklang zu sein. 79 Aber auch hinsichtlich der Eindeutigkeit der
Rechtfertigung einer unumschränkten Herrschaft stand Filmer Hobbes nicht
nach. Dies führte zu dem außerordentlichen Ausmaß an Zustimmung, das
Filmer während der Restaurationsepoche erfuhr.
In praktischer Hinsicht - und dies ist in unserem Zusammenhang besonders
wichtig - gingen Filmer und Hobbes konform.80 Beide lehnten die Hypothese
vom Gemeineigentum an der Schöpfung am Anfang der Zeit ab. Übereinstimmend verneinten sie die Existenz von persönlichem Eigentum außerhalb
herrschaftlicher Gemeinschaft. Beide dachten das Eigentumsrecht des Souveräns über das Herrschaftsgebiet als ein absolutes. Sie verweigerten damit
den Untertanen ein eigenes, vom Souverän unabhängiges Eigentum und
räumten auch der Freiheit keinen gegenüber dem Herrscherrecht autonomen
Rang in der politischen Gemeinschaft ein.
VI.
Zweifellos hätten diese Eigentumstheorien, die dem Monarchen ein absolutes Eigentumsrecht über das Staatsgebiet zusprachen, den König zu einem
absoluten Herrscher werden lassen. Die erste kritische Antwort auf diese absolutistischen Eigentumstheorien kam von dem Geistlichen George Lawson.
Sie richtete sich - wie die anderen Kritiken von Richard Cumberland und J.
Shafte an absolutistischen Eigentumstheorien - gegen Thomas Hobbes.
78
WESTERN, Monarchy, S. 8.
F ü r Hobbes siehe dazu METZGER, Thomas Hobbes, S. 219-250.
80
Dies erkannte Filmer selbst (vgl. FILMER, Works, S. 239). Das Werk von JOHN HALL
OF RICHMOND: Of Government and Obedience, London 1654 (bes. S. 132-136, 187)
ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Thesen Hobbes' und Filmers verschmolzen werden konnten. Hall verband sein sozial-technologisches Staatsmodell nach dem Vorbild Hobbes' Leviathan mit Filmers patriarchalischer Begründung von Herrschaft
(siehe dazu auch METZGER, Thomas Hobbes, S. 165-167, 171-172).
79
45
Lawson, mit dessen Werk sich dann Locke unmittelbar auseinandersetzte81,
sah in Hobbes "an enemy to English liberty" ß2 Unter Bezugnahme auf die
Freiheit akzeptierte er die moderne Definition von Eigentum als absolutem
Eigentum, wandte sich aber gleichzeitig gegen jede Form einschränkenden
Obereigentums. Eigentum sei "an independent right of total alienation,
without the license of an Superior or any other". 83 Er wies außerdem darauf
hin, daß das Eigentum als eine Institution des Naturrechts dem Staat vorausgehe und darum über der "civil power" stehe. 84 Der Mensch würde die drei
unaufgebbaren Rechte "propriety of goods, liberty of persons, equality of
members" in die durch Vertragsschluß gegründete Gesellschaft der gleichen
Bürger (civitas) mithineinnehmen, die ihrerseits eine Regierung als "trustees"
der Zwangsgewalt einsetzen. Das Recht zu regieren wird damit der Regierung nur zur Verfugung gestellt. Aus dem vorstaatlichen Recht auf Eigentum
erwachse so die strenge Trennung der Sphären in der Gesellschaft, eine
"difference inter res & possessiones publicas and privatas"85 zur Bewahrung
von "liberty...without levelling".86
Lawsons eher beiläufige Überlegungen zum Wesen des Eigentums waren
aus der Notwendigkeit einer Zurückweisung Hobbes' Überlegungen zur königlichen Herrschaft entstanden. Eine umfassende und systematische Behandlung dieses Problems findet sich aber erst in Richard Cumberlands De
legibus naturae disquisitio philosophica.
Cumberland entwickelt dort
das
teleologische System einer umfassenden natürlichen Harmonie der Welt 87 ,
der Menschen und ihres wohlwollenden Schöpfers und Gesetzgebers. Er
81
Siehe dazu J. FRANKLIN, John Locke and the Theory of Sovereignty. Mixed
Monarchy and The Right of Resistance in the Political Thought of the English
Revolution, Cambridge 1981, S. 89 ff., sowie J. BOWLE, Hobbes and his Critics. A
Study in Seventeenth Century Constitutionalism, London 1951, S. 86, 98.
82
G. LAWSON, An Examination of the Political Part of Mr Hobbs his Leviathan, London 1657, S. 61.
8 3
LAWSON, A n E x a m i n a t i o n , S. 131.
84
LAWSON, A n E x a m i n a t i o n , S. 73, 131.
85
LAWSON, A n E x a m i n a t i o n , S. 84.
8 6
87
LAWSON, A n E x a m i n a t i o n , S. 69.
J. TYRELL, A Brief Disquisition of the Laws of Nature, According to the Principles
and Method laid down in the Reverend Dr. Cumberland's (now Lord Bishop of
Peterborough's) Latin Treatise on that Subject, Second Edition Corrected, and somewhat enlarged, London 1701, S. 275, 354, 378.
46
hielt eine grundlegende Übereinstimmung des Allgemeinwohls mit dem Interesse des Einzelnen für gegeben. Die Weisung der Natur und der Vernunft
werden hier gleichwertig als moralische Imperative interpretiert. Grundsätzlich gilt fur Cumberland, daß die Bedingungen des Naturzustands der physiologischen und psychischen Konstitution des Menschen entsprechen.88
Im Gegensatz zu Hobbes ist es nicht die unsoziale Natur, sondern die
schlichte empirische Tatsache, daß der, der ein Ding nutzt, es vorher in Besitz nehmen muß, die bei Cumberland eine dauerhafte Eigentumsbildung
nahelegt. Nachdem sich im Naturzustand zunächst ein temporäres Eigentumsrecht herausgebildet habe ("post rerum occupationem"), das auf dem
zeitweiligen Gebrauch einer Sache zur momentanen Befriedigung eines Bedürfnisses basiert, werden von Cumberland Fälle pathologischer Natur, verstärkt durch die historische Entwicklung (Anwachsen der Bevölkerung, zunehmende wirtschaftliche Interdependenzen89), für die dauernde Aufteilung
des Gemeinbesitzes geltend gemacht.90 Allerdings bedarf dieser qualitative
Einschnitt der Übereinkunft aller Menschen. Dieser Vertrag legitimiert nach
Cumberland auch die gegenwärtige Ungleichheit der Eigentumsverhältnisse,
die man als de facto gegeben akzeptieren müsse. Die Vernünftigkeit dieser
Regelung sei selbstevident und würde darum "jene Menschen selbst und die
später geborenen verpflichten, die Aufteilung, die dem höchsten Zweck
dient, so zu erhalten."91 "In dieser dauernden Begrenzung der Dinge und
menschlichen Tätigkeiten, die notwendig sind für das Leben, die Gesundheit
und das völlige Glück der einzelnen, liegt das Wesen, die Gesundheit und
das völlige Glück der einzelnen, liegt das Wesen, die Kraft und die moralische Stärke des Eigentums."92 Der Staat, durch einen Vertrag gegründet93,
88
Ich stütze mich hier auf die Einleitung und den einleitenden Kommentar zu dem Extrakt aus Richard Cumberlands De legibus naturae disquisitio philosophica von R.
BRANDT, Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, Stuttgart-Bad Cannstatt 1974, S.
9-41 und 50-58.
89
TULLY, A Discourse on Property.
90
RICHARD CUMBERLAND, Über die Naturgesetze, Kap. I, § 22, Kap. II, § 2, zit. nach
BRANDT, Eigentumstheorien, S. 61, 63; siehe auch TYRELL/CUMBERLAND, A Brief
Disquisition, S. 276-283.
91
CUMBERLAND, Über die Naturgesetze, Kap. II, § 8, S. 66.
92
CUMBERLAND, Über die Naturgesetze, Kap. II, § 2, S. 64-65, § 9, S. 68.
93
TYRELL/CUMBERLAND, A Brief Disquisition, S. 346-347.
47
hat bei Cumberland die Funktion einer zusätzlichen Sicherstellung der vernünftigen Teilung des Eigentums. Ein Eingriff des Staates in das Eigentum
der Untertanen sei nicht statthaft, da dem vorpositiven Naturrecht als Ausdruck von Gottes Willen eine höhere Qualität zukomme.94 Es wäre indes
falsch, nur von einer Konsolidierung bereits bestehender Rechtsverhältnisse
zu sprechen. Wie dann bei Locke hat die Legislative die Funktion, das Eigentum nicht nur zu schützen. Sie muß statt dessen auch auf das natürliche
Anrecht eines jeden an der Schöpfung aufgrund seiner Gotteskindschaft
achten und eine sozial unverträgliche Konzentration durch regulierende
Maßnahmen vermeiden 9 5 So wenig es also damit einer Regierung erlaubt
ist, in das Eigentumsrecht der Bürger einzugreifen, so gerechtfertigt ist es,
daß sie Vorkehrungen gegen den völligen und andauernden Entzug des ursprünglichen Eigentumsanrechts eines jeden trifft.
Zu beachten gilt es auch hier, daß diese Eigentumstheorien vor einem konkreten historischen Hintergrund entstanden sind. Lawsons Kritik an Hobbes
und sein Plädoyer für eine gemischte Monarchie basierte auf der Erfahrung
mit der Diktatur Oliver Cromwells. Cumberlands Arbeit, ebenfalls als eine
Kritik an Hobbes1 Absolutismus angelegt, wurde 1671 publiziert und kann
als implizite Kritik an der dem Absolutismus zuneigenden Politik Karls II.
gelesen werden. Deutlicher wird die implizite Wendung gegen den Absolutismus in der Arbeit von J. Shafte, die 1673 erschien und von Cumberland
geprägt ist.
Wie Cumberland ging Shafte von der Hypothese eines jeder Gesellschaft
vorhergehenden Naturzustandes aus, den auch er als eine umfassende civitas
94
"Every invasion or violation of another's Right and Property, is Injury, by whatever
Law he enjoys it: And much more of the Right be conferred upon him by the Law of
Nature, given by God as a Legislator, than if it proceeded from meer Humane
Compacts" (TYRELL/CUMBERLAND, A Brief Disquisition, S. 299).
95
Cumberland schreibt in De legibus naturae disquisitio philosophiae: "Since the
Right to the making such a Division can only be deduc'd from a Care of the Common Good, it manifestly follows that the dominion of God over all things is
preserv'd unviolated; and that, from this Principle, no Right of Dominion can accrue
to any man over others, which will license him to take from the Innocent their necessaries; but on the contrary, that the Right of Empire is therefore given to them, that
the Rights of all may be protected from the evils of contention, and may be
encreased, as far as the nature of Things, assisted by human industry, will permit"
(zit. nach TULLY, A Discourse on Property, S. 93).
48
Dei konzipierte. Konstitutiv dafür ist die Annahme eines allgegenwärtigen
und unveränderlichen Gottes, Quell und Teil der Vernünftigkeit des Universums. Die universelle Harmonie werde bewahrt durch die Ausrichtung am
Naturgesetz, das mit den Anweisungen der "right reason" identisch sei. 96
Vernünftig sei vor allem die Erhaltung der Schöpfung. Folgerichtig sei ein
Recht auf individuelle SelbstbeWährung zu schließen.97 Dies impliziere, daß
unter der Bedingung der Gleichheit im Naturzustand keiner mehr Freiheit
fordern solle als er seinem Nächsten zubillige, da sonst die Harmonie gestört
werde.98 Nachdem unter den natürlichen Individuen keine wechselseitigen
Verpflichtungen bestünden, könnten Vereinbarungen nur auf Vertragsbasis
und unter Anerkennung der allgemeinen Prinzipien "Charity", "Justice" und
"Modesty" geschlossen werden. Da Menschen aber nicht nur vernunftbestimmte Wesen sind, sondern auch von den Leidenschaften geleitet werden,
sei vernünftiges Verhalten nicht immer gewährleistet. Dieser Mangel sei
Anlaß dafür, den von Gott den Menschen verliehenen Gemeinbesitz aufzuteilen, "for quietness and securities sake." 99 Diese Unzulänglichkeit aber sei
auch der Grund dafür, eine Regierung einzurichten, denn "to avoid those
mischiefs, and that each may enjoy what in Justice and Equity belongs to
him without strife and danger, Reason adviseth them, as the only remedy,
that they should chuse one or more to administer Justice, and to sit as sole
Arbitrator in all Causes, and that they should unanimously agree to submit
themselves to his or their judgment and determination in all their concerns,
who is by mutual Covenant to see Justice impartial executed." 100 Gleichzeitig dürfe dem Herrscher aber auch keine absolute Macht eingeräumt werden,
denn "absolute power in any one mans hand is too great and unsafe, unless
we should suppose him always the best of men, or little less than some
Divinity."101 Auch der Herrscher sei an das Naturgesetz der "right reason"
gebunden. Verstoße er dagegen, so drohe dies den Staat aufzulösen. Ohne direkt ein Widerstandsrecht einzuräumen, verwies Shafte darauf, daß das Naturrecht auf Selbstbewahrung und die Gesetze der Rationalität auch im Falle
96
J. SHAFTE, The Great Law of Nature, London 1673, S. 18.
SHAFTE, The Great Law of Nature, S. 6-7, 27, 36, 39.
98
SHAFTE, The Great Law of Nature, S. 14.
"SHAFTE, The Great Law of Nature, S. 24.
100
SHAFTE, The Great Law of Nature, S. 25.
101
SHAFTE, The Great Law of Nature, S. 38.
97
49
der Nichtachtung der Vernunft durch den Herrscher Gültigkeit behielten,
auch wenn der Souverän durch die Untertanen nicht direkt zur Rechenschaft
gezogen werden könne. 102 Sowohl bei Shafte als auch bei Cumberland ist
dem Herrscher der Eingriff in das Eigentum der Bürger untersagt. Gleichzeitig gilt aber aufgrund des Harmoniegebots, daß der Regierung eine vorsichtig
regulierende Einflußnahme in die Entwicklung der Eigentumsverhältnisse
zugesprochen wird. Gegenüber den Absolutisten, die dem absoluten Eigentumsbegriff anhängen, vertreten diese Theoretiker damit einen bedingten Eigentumsbegriff, der jedoch die Verfugungsberechtigung des Eigentümers
nicht einschränkt.
Den hier nur kurz skizzierten Naturrechtstheorien von Lawson, Cumberland
und Shafte ist gemeinsam, daß sie im Naturzustand ein uranfängliches Gemeineigentum kennen und die Rechtmäßigkeit von persönlichem Eigentum
generell vor der Errichtung des Staates aus den Postulaten zum Naturzustand
ableiten. Das Naturgesetz ist damit materialiter determiniert. Sein Inhalt sind
die Vernunftsätze zur optimalen Realisierung der Schöpfung - und das ist die
teleologische Vervollkommnung des Menschen in der Freiheit, dem Gott die
niedere Schöpfung zur Verfolgung dieses Ziels überlassen hat. Die
(finalistische) Zwecksetzung gebietet (imperativistisch) die (verbindliche)
Konvention der Aufteilung des gemeinsamen Besitzes durch die Erlaubnis
einer prima occupatio. Der Staat schließlich ist ein weiteres, wichtiges, jedoch zugleich nachgeordnetes Mittel, um das Ziel der Geschichte und damit
die Anlagen des freien Menschen angesichts der empirischen Wirklichkeit
pathogenen Verhaltens einzelner optimal zu verwirklichen. Die Hegung und
die Förderung der individuellen Freiheit und des erworbenen Eigentums sind
seine ihn legitimierenden Aufgaben. Eigentum und Freiheit haben hier bei
transzendentem Bezug einen unmittelbar säkularen Effekt. Einem Eingriff
des Staates in das persönliche Eigentum und in die Freiheit ist die transzendente und logische Grundlage entzogen.
102
SHAFTE, The Great Law of Nature, S. 27.
50
VII.
Die hier vorgestellten Eigentumstheorien bilden den Ausgangspunkt für den
Entwurf Lockes. Man kann davon ausgehen, daß Locke sie gekannt hat. In
seinen Two Treatises befaßt sich Locke ausführlich mit der Theorie Filmers,
die er zu widerlegen suchte. Obwohl Filmers Thesen die Argumentationsführung Lockes im wesentlichen bestimmen, wird die Theorie Hobbes' doch
immer mitgedacht und teilweise indirekt auch angesprochen.103 Auf der anderen Seite kann Julian Franklin zeigen, daß sich Locke ausfuhrlich mit den
Thesen George Lawsons beschäftigt und dies seinen Niederschlag in den
Two Treatises gefunden hat. 104 Wenn auch vielleicht nicht mit dem Buch
Shaftes, so war Locke durch seinen Freund James Tyrell, der De legibus
naturae disquisitio philosophica in den 1680er Jahren ins Englische übertrug, doch mit Cumberlands Werk bekannt gemacht worden. 105
Gleichzeitig muß man im Auge behalten, daß Lockes Eigentumstheorie Teil
einer aktuellen politischen Debatte war. In der Forschung ist man sich seit
den bahnbrechenden Ergebnissen Peter Lasletts darüber einig, daß Locke
seine Two Treatises im Auftrag seines Patrons, des Politikers Anthony
Ashley Cooper, Graf von Shaftesbury, auf dem Höhepunkt der Exklusionskrise verfaßte. Sie sollten durch die Zurückweisung der populären paternalistischen Lehre Filmers, die den Erbfolgeanspruch des katholischen Prätendenten Jakob theoretisch fundierte, das politische Ziel Shaftesburys, der
diese Thronfolge verhindern wollte, systematisch begründen.106 Dies war der
Grund dafür, daß Locke "apparently developed his theory of property to meet
Filmer's argument".107 Unter dieser Voraussetzung gilt es, die Eigentumstheorie Lockes zu betrachten und ihre allgemeine Bedeutung für die Grundlegung des Liberalismus herauszuarbeiten.
103
Vgl. LASLETT, Introduction, in: LOCKE, TWO Treatises, S. 67 ff.; siehe auch G. NONNENMACHHR, Die Ordnung der Gesellschaft, Weinheim 1989, S. 74.
104
FRANKLIN, L o c k e , S. 9 4 ff.
105
TULLY, A Discourse on Property, S. 6, 53, 97-98.
106
Siehe neben LASLETT, Introduction, in: LOCKE, Two Treatises, S. 27 ff., jetzt vor allem R. ASHCRAFT, Revolutionary Politics and Locke's Two Treatises on Government, Princeton 1986, passim, aber auch U. THIEL, John Locke, Reinbek bei Hamburg 1990, S. 49-50, 96, der die neusten Forschungsergebnisse zusammenfaßt.
51
Alle vor Lockes Werk erschienenen Eigentumstheorien, die einen den Herrscher in seiner Machtvollkommenheit einschränkenden Eigentumsbegriff
vertraten, waren mit einem entscheidenden Nachteil behaftet. Lawson, Cumberland und Shafte - das gleiche gilt aber auch für Hugo Grotius und Samuel
Pufendorf - gingen vom historischen Beginn eines Urkommunismus aus und
mußten daher die Umwandlung des Gemeineigentums in persönliches Eigentum begründen. 108 Zwei Verfahren hatten sich angeboten: zum ersten die
Hypothese vom de facto-Recht des ersten Besitznehmers; zum zweiten die
universelle Vereinbarung. Die erste Begründungs form, die proprietas mit
dominium gleichsetzt, war aufgrund ihres Absolutheitsanspruchs denkbar
ungeeignet, den Herrscher einzuschränken. 109 Mit dieser Theorie verband
sich auch das moralische Problem, daß hier Macht in Recht umgedeutet
wurde. Die zweite Form der Rechtfertigung, die die These von der universellen Vereinbarung nutzt, war in ihrer Ausschließlichkeit dagegen historisch
nicht haltbar. Höhnisch konfrontierte Sir Robert Filmer die Vertragstheoretiker mit der schwerwiegenden Frage: "Can they show or prove that ever the
whole multitude met and divided this power God gave them in gross, by
10
breaking it into parcels
John Locke war der erste Theoretiker, der Filmers Kritik am Gesellschaftsvertrag mit Hilfe einer neuen Überlegung zu begegnen wußte. 111 Er konzedierte zunächst, daß "if such a consent as that was necessary, man had starved, notwithstanding the Plenty God had given him." 1 1 2 Dann entwickelte er
seine Eigentumstheorie, die der Hypothese der universellen Vereinbarung
und des faktisch vollzogenen Gesellschaftsvertrags nicht bedurfte und dennoch an der Unantastbarkeit des vorstaatlich erworbenen Eigentums festhält.
Eigentum, so lautete Lockes neue Lehre, ist ein Ergebnis von Arbeit.
107
Vgl. LASLETT, Introduction, in: Locke, Two Treatises, S. 34; MEYERS, Restauration,
S. 2 0 .
108
109
1 1 0
Dies betont neben anderen vor allem REEVE, Property, S. 55.
Siehe dazu METZGER, Thomas Hobbes, S. 171-172.
FILMER, W o r k s , S. 81.
111
Siehe dazu M. SELIGER, John Locke, in: I. FETSCHER/H. MÜNKLER (Hg.), Pipers
Handbuch der politischen Ideen: Neuzeit, München 1985, S. 390; RYAN, Property, S.
14-15; Reeve, Property, S. 53.
112
LOCKE, Second Treatise, § 28, S. 306.
52
Nach Locke ist Gott Eigentümer der Welt und allem, was darin ist zum Zeitpunkt der Schöpfung.113 Dieses Recht als Eigentümer resultiere aus der Arbeit, die Gott mit seinem Schöpfungswerk vollbracht habe. Auch der Mensch
sei darum Gottes Eigentum. Aus diesem Postulat leitete Locke die Selbstbewahrungspflicht des Menschen ab. 1 1 4 Wie Lawson, Cumberland und Shafte
sprach Locke davon, daß Gott den Menschen ein Nutzungsrecht über die
niedere Schöpfung zugesprochen und ein Eigentum an sich selbst gewährt 115
habe, das nun aber in ein Anrecht auf Eigentum aus eigener produktiver Tätigkeit münde. 116 Durch den Akt der Arbeit ahme der Mensch Gott nach. 117
Aus der schöpferischen Handlung, der tätigen Vermischung der Individualität mit dem Vorgefunden, erwächst ein distinktes Anrecht 118 , das zugleich
als eine exklusive Freiheit auf das Kultivierte interpretiert werden kann. 119 In
diesem Licht bedeutet Lockes berühmte Definition: "Property, that is, his
Life, Liberty and Estate" 120 , nicht nur daß es ein Naturrecht auf Leben, Freiheit und dingliches Gut gebe und dieses (An)Recht als das einem jeden Menschen zustehende Eigentum zu betrachten sei - eine Definition, mit der
Locke sich an die im Common Law und bei den Levellers zu findende libertäre Tradition des "birth right" anschließt121; vielmehr wird durch die
"Erweiterung des Selbstbesitzes des Menschen über seinen Körper hin13
LOCKE, Second Treatise, § 6, S. 289.
LOCKE, First Treatise, § 88, S. 224, Second Treatise, § 6, S. 289.
15
Zum scheinbaren Widerspruch zwischen dem Menschen als Eigentum Gottes und als
Selbsteigentum siehe BRANDT, Eigentumstheorien, S. 70.
16
LOCKE, Second Treatise, § 25-27, § 32, § 34-36, S. 303, 308, 309-311.
17
Darauf weisen besonders TULLY, A Discourse on Property, S. 108-111, und RYAN,
Property and Political Theory, S. 17 ff., hin.
18
LOCKE, Second Treatise, § 27-28, S. 305-307. Siehe dazu auch H. MEDICK, Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft, Göttingen 1973, S. 74 ff.
14
19
20
21
REEVE, P r o p e r t y , S. 77; RYAN, P r o p e r t y , S. 36.
LOCKE, Second Treatise, § 87, S. 341.
Siehe dazu bes. WENDE, 'Liberty', S. 170; J. P. DAY, Locke on Property, in: PQ 16
(1966), S. 219; H.-C. SCHRÖDER, Countryposition und Levellerprogramm. Zur Kontinuität politischen Denkens im frühneuzeitlichen England, in: Festschrift für Rudolf
Vierhaus, Göttingen 1982, bes. S. 125, 132; H.-C. SCHRÖDER, Die Grundrechtsproblematik in der englischen und amerikanischen Revolution, in: G. BIRTSCH (Hg.),
Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, Göttingen
1981, bes. S. 77-78; G. STOURZH, Die Begründung der Menschenrechte im englischen und amerikanischen Verfassungsdenken des 17. und 18, Jahrhunderts, in: E.
W. BÖCKENFÖRDE/R. SPAEMANN (Hg.), Menschenrecht und Menschenwürde, Stuttgart 1987, S. 78-84; MÜNCH, Kultur der Moderne, Bd. 1, S. 184, 219 ff.
53
aus" 122 durch die Vermischung von individueller Freiheit, Lebenszeit und
vorgefundener Natur im Vorgang der Arbeit Freiheit und Leben ebenso untrennbar in das entstehende Eigentum hineingewoben wie das naturhafte
Rohmaterial. Auch darum ist ein Eingriff in das Eigentumsrecht ein Eingriff
in die Freiheit.
Nach Locke ist das Motiv für den Eintritt in eine politische Gemeinschaft die
Bewahrung von "Lives, Liberties and Fortunes".123 Doch handelt es sich
längst nicht mehr um die Menschen, die ein ursprüngliches Eigentum mit der
Arbeit ihrer Hände gebildet haben und zu deren Zeit die Akkumulation von
Eigentum durch das Gebot der unmittelbaren Verwendbarkeit desselben
gleichsam natürlich begrenzt war. Vielmehr liegt Locke zufolge schon eine
differenzierte und verfeinerte Gesellschaft124 vor, die durch die stillschweigend akzeptierte Verwendung von Geld und Gold als universales
Tauschmittel eine über die unmittelbare Verwertbarkeit des sächlichen Eigentums hinausgehende Eigentumskonzentration kennt. 125
Gleichzeitig dachte Locke, wenn er vom Eigentümer sprach, nicht an isolierte Einzelpersonen einer arbeitsteiligen Marktgesellschaft, sondern "an
den pater familias als den Repräsentanten der Hausgenossen: die Arbeit
können Tiere, Kinder, Knechte oder Tagelöhner verrichten".126 Doch sind
Knechte und Kinder nicht das Eigentum des Hausvaters - wie bei Filmer -,
sondern aufgrund der ursprünglichen Freiheit eines jeden nur durch einen
Lohnvertrag, oder aufgrund kindlicher Unmündigkeit und daraus
entstehender Erziehungsbedürftigkeit,
zeitweise seiner Verfügung
untergeordnet und damit auch potentielle Eigentümer von Freiheit. 127 Die
Regierung, statt durch einen Gesellschaftsvertrag wie im Leviathan durch die
1 2 2
BRANDT, E i g e n t u m s t h e o r i e n , S. 2 2 .
123
LOCKE, Second Treatise, § 87, § 137, S. 341, 377.
LOCKE, Second Treatise, § 35, S. 310.
124
1 2 5
LOCKE, S e c o n d T r e a t i s e , § 3 6 , § 38, § 4 5 - 5 0 , S. 3 1 1 , 3 1 3 , 3 1 7 - 3 2 0 .
126
LOCKE, Second Treatise, § 85-86; BRANDT, Eigentumstheorien, S. 85; vgl. auch
RIEDEL, Hegels Begriff, S. 253.
127
LOCKE, Second Treatise, § 52-76, S. 321-336. Siehe zu Lockes Erziehungsvorstellungen vor allem E. LEITES, Puritanisches Gewissen und moderne Sexualität, Frankfurt a.M. 1988, S. 54-70. Für eine andere Sicht des Lohnverhältnisses siehe beispielsweise WAIBL, Ökonomie I, S. 115-131, der bei Locke die Rechtfertigung kapitalistischer Lohnarbeit zu erkennen glaubt.
54
stillschweigende Zustimmung der Bürger legitimiert 128 , ist durch ihren
Zweck begrenzt. 129 Ihre Funktion ist indes nicht nur die Sicherung von
Eigentum, sondern auch "to preserve and enlarge Freedom".130 Locke weist
also der Regierung nicht bloß die negative Aufgabe des Schutzes eines
autonomen Marktes zu, sondern auch eine regulierende Funktion, die dem
Eigentum und der Freiheit forderlich ist. 131 Bricht der Herrscher die
Vereinbarung, das Recht der Untertanen auf Eigentum und Freiheit zu
respektieren, so erlischt der Gesellschaftsvertrag; das Recht auf Widerstand
tritt in Kraft. 132
Freiheit und Zwang werden damit bei Locke nicht einander entgegengesetzt,
sondern im Begriff einer rechtmäßigen Regierung miteinander verknüpft.
Erst wenn diese durch Willkürmaßnahmen die rechtmäßige Verknüpfung
zerschlägt, wird die ursprüngliche Freiheit reaktiviert, das Widerstandsrecht
wirksam. Die allgemeine Idee der kultivierten Freiheit erfährt im Verständnis
Lockes ihre Verwirklichung nicht im Ausleben individuellen Erwerbshandelns in einem dem Staat entgegengesetzten gesellschaftlichen Raum. Es
handelt sich darum auch nicht um eine gegen den Staat mobilisierbare Kultur
des absoluten Rechts auf Eigentum, sondern um die Pflege von privatem Eigentum und politischer Freiheit in einem immer nur politisch zu denkenden
Gemeinwesen. 133 Freiheit und Eigentum im vorstaatlichen Raum sind somit
bedingt. Sie bedürfen der Regulierung durch den Staat. Locke ist damit kein
Liberaler in dem Sinne, daß er (scheinbar) die Freiheit des Eigentümers dem
Staat entgegensetzt. Er ist vielmehr darum ein Liberaler, weil sein Eigentumsbegriff eine praktisch-politische Dimension beinhaltet, welche die Individuen zur Sicherung ihrer Bürgerrechte und ihrer Freiheit gegen eine per-
128
LOCKE, Second Treatise, § 98, S. 351.
LOCKE, Second Treatise, § 138, S. 378.
130
LOCKE. Second Treatise, § 57, S. 324.
131
LOCKE, Second Treatise, § 3, S. 286. Siehe dazu besonders GRUNEBAUM, Private
Ownership, S. 67-69 und SELIGER, John Locke, S. 393-399.
132
LOCKE, Second Treatise, § 90, S. 344.
133
Siehe dazu die Überlegungen von M. CRANSTON, Some Aspects of the History of
Freedom, in: M. CRANSTON, The Mask of Politics, London 1973, S. 29-30.
129
55
vertierte staatliche Macht richten können 134 , wobei er gleichzeitig aber dem
Staat - wie schon Cumberland und Shafte - die Aufgabe der Harmonisierung
der individuellen Freiheits- und Eigentumsrechte zuweist. Darin, daß Locke
diese freiheitlich-politische Dimension des Eigentums in seiner Polemik gegen Filmer freigelegt und damit eine Tendenz des politischen Denkens im
England des 17. Jahrhunderts zu ihrem konsequenten Ende gefuhrt hat, liegt
das eigentliche, aber doch auch wiederum bedingte, liberale Verdienst dieses
Theoretikers.
134
Vgl. M. SELIGER, Authentischer Liberalismus. Grundideen, Entwicklungspotential
und Krisen der Verwirklichung, in: R. v, THADDEN (Hg.), Die Krise des Liberalismus zwischen den Weltkriegen, Göttingen 1978, S. 31-32.
56
RONALD G . ASCH
Eigentum und Steuerwesen unter den frühen Stuarts von
Bate's Case (1606) bis zum Case of Ship Money (1637/38)'
I.
Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen um die Grenze zwischen dem Besteuerungsrecht der Krone und dem Eigentumsrecht der Untertanen im frühen 17. Jahrhundert war die schwere Finanzkrise, in die Jakob I. schon bald
nach seinem Regierungsantritt geriet. Elisabeth I. hatte ihrem Nachfolger
nicht nur eine erhebliche Staatsschuld hinterlassen - diese war mit rund £
370.000 etwas höher als das reguläre Einkommen eines Jahres und somit
nach den Maßstäben frühneuzeitlicher Finanzpolitik noch vergleichsweise
bescheiden - sondern auch ein Finanzsystem, das strukturell antiquiert war.2
Veraltet war dieses Finanzsystem sicherlich nicht zuletzt deshalb, weil die
finanzielle Situation der Krone in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts so
relativ günstig gewesen war. Schon Heinrich VII. hatte den Domänenbesitz
der Krone erheblich vergrößern können, und die Auflösung der Klöster unter
Heinrich VIII. vermehrte den Landbesitz der Krone kurzfristig nochmals in
großem Umfang. Hinzu kam, daß die Krone traditionell einen großen Teil
ihrer Einkünfte aus den Zöllen bezog, einer zumindest potentiell inflationssicheren Einkommensquelle. Diese bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts recht
hohen Einkünfte aus Regalien und dem Kammergut waren sicher mit dafür
verantwortlich, daß eine Reform des Systems der direkten Besteuerung von
der Krone trotz gewisser Ansätze in dieser Richtung nicht mit großem Nach1
2
Dies ist die etwas gekürzte und überarbeitete Fassung des Vortrages, den ich 1990
auf der Tagung des Arbeitskreises deutsche Englandforschung gehalten habe. Nach
Abgabe des Manuskriptes (August 1990) bis 1993 erschienene Literatur wurde soweit möglich zumindest im Einzelfall ergänzend nachgetragen.
Zu Finanzsituation am Ende der Regierungszeit Elisabeths I.: J. GUY, Tudor England, Oxford 1988, S. 384 f.
57
druck verfolgt wurde; ein fur die Beziehungen zwischen Parlament und
Krone entscheidender Punkt.3
Für die Regierungszeit Elisabeths I. hat Christopher Haigh jüngst festgestellt:
Queen Elizabeth did not attempt to solve problems, she simply
avoided them - and then survived long enough for some to go away.
The rest returned to plague her successor, James I - but that was his
problem.4
Dieses Urteil ist auf kaum irgendeinem Gebiet so zutreffend wie auf dem der
elisabethanischen Finanzpolitik. Gewiß gelang es der Königin, den Krieg
gegen Spanien und den noch ruinöseren irischen Krieg in den 1590er Jahren
ohne Staatsbankrott oder größere Steuerrevolten zu überstehen, aber der
Preis, den sie dafür zahlte, war hoch. Ein großer Teil der Kriegslasten war
durch den Verkauf von Kronland finanziert worden. Die immer häufiger und
umfangreicher werdenden parlamentarischen Steuerbewilligungen wurden
erkauft durch die stillschweigende Hinnahme des Prinzips der degressiven
Besteuerung für die Mitglieder der landbesitzenden Oberschicht. Ja, man
könnte fast sagen, daß sich England unter Elisabeth einer faktischen Steuerfreiheit fur den höheren Adel, also die peerage und die oberen Ränge der
gentry annäherte, wie sie juristisch hier im Gegensatz zum Kontinent nicht
bestand.5
Auf diese faktische Steuerfreiheit war es zurückzufuhren, daß der Ertrag eines sogenannten subsidy, der üblichen parlamentarischen Steuer, von rund £
140.000 um 1560 auf ca. £ 80.000 gegen Ende des Jahrhunderts und schließlich auf rund £ 55.000 Ende der 1620er Jahre sank.6 Die Effektivität des
parlamentarischen Besteuerungssystems war aber nicht nur durch das auf lokaler Ebene bestehende System der Selbsteinschätzung der Steuerzahler be3
4
5
6
Zu einem Teil des Kammergutes, den Krondomänen, siehe jetzt die Aufsatzsammlung R. W. HOYLE (Hg.), The Estates of the English Crown, 1558-1640, Cambridge
1992.
C. HAIGH, Elizabeth I, London 1988, S. 173.
P. WILUAMS, The Tudor Regime, Oxford 1979, S. 70-78, bes. S.74 f.
GUY, Tudor England, S. 383; vgl. R. SCHOFIELD, Taxation and the political limits of
the Tudor State, in: C. CROSS et al. (Hg.), Law and Government under the Tudors:
Essays Presented to Sir Geoffrey Elton on His Retirement, Cambridge 1988, S. 227255.
58
grenzt, das für das Absinken des Steuerertrages verantwortlich zu machen
war, sondern auch durch das Fehlen einer jeden permanenten direkten oder
indirekten Steuer. Auch gegen Ende des 16. Jahrhunderts war noch - oder
wieder - die Theorie vorherrschend, daß der Herrscher unter normalen Umständen, das heißt in Friedenszeiten, von seinen eigenen permanenten Einnahmen zu leben habe, daß heißt von den Einkünften der Domänen, den
Zöllen, sowie den verschiedenen Regalien. Zwischen 1530 und 1580 hatten
sich Praxis und Theorie der Besteuerung zwar schon dem Prinzip einer permanenten Besteuerung in Friedenszeiten angenähert. Doch diese Ansätze
waren gegen Ende des 16. Jahrhunderts nicht mehr weiterentwickelt worden;
dafür war die schon vor 1588 sich abzeichnende Kriegsgefahr, die eine hinreichende Legitimation für Steuerforderungen abgab, ebenso verantwortlich
wie die sehr sparsame Politik der Herrscherin, der es gelang, die Ausgaben
für Verwaltung und Hofhaltung auf ein Minimum zu beschränken.7
Die Notwendigkeit, finanzpolitische Innovationen in Friedenszeiten durchzuführen, entfiel damit. Als die kostspieligen Kriege nach 1588 das bisherige
Besteuerungs- und Finanzsystem dann doch zum Einsturz zu bringen drohten, nahm die Königin ihre Zuflucht zunehmend zu Behelfsmaßnahmen, wie
sie dann auch unter Jakob I. wieder eine große Rolle spielen sollten. Zum
einen wurden Amtsträger und Höflinge durch Übertragung oft recht zweifelhafter Rechtstitel, wie etwa von Monopolen oder Privilegien zur Durchsetzung von Strafgesetzen statt durch Bargeld entlohnt; zum anderen suchte
man die nicht von der Bewilligung des Parlamentes abhängigen Abgaben zu
erhöhen. So wurde das traditionell nur von den Hafenstädten zu zahlende
Schiffsgeld auf inländische Gemeinden ausgedehnt, eine Vorwegnahme der
Praxis der 1630er Jahre.8
7
8
J. D. ALSOP, The Theory and Practice of Tudor Taxation, in: EHR 97 (1982), S. 130; vgl. DERS., Innovation in Tudor Taxation, in: EHR 99 (1984), S. 83-93.
Zum ship money unter Elisabeth: WILLIAMS, Tudor Regime, S. 76 f.; A. H. LEWIS, A
Study of Elizabethan Ship-Money, Philadelphia 1928; vgl. D. MACCULLOCII, Suffolk
and the Tudors, Oxford 1985, S. 274-279. Zu den Monopolen: G. D. DUNCAN, Monopolies under Elizabeth I, 1558-1585, ungedr. Ph. D. thesis, Cambridge 1977, und
J. NEALE, Elizabeth I and her parliaments, 2 Bde., London 1953-57, II, S. 352-356
und 376-393.
59
Der Friedensschluß mit Spanien unmittelbar nach dem Tode Elisabeths hätte
zwar zu einer Entpannung der finanziellen Lage fuhren können, faktisch bedeutete er jedoch nur, daß dem König nunmehr die Legitimation für eine
grundsätzliche Reform des Finanzsystems und eine permanente Erhöhung
der Abgaben und Steuern fehlte. Die Ausgaben gingen hingegen keineswegs
auf das Niveau der Zeit vor 1588 zurück. Das Gegenteil war der Fall. Jakob
I. vergrößerte nicht nur die Hofhaltung, die er vorfand, erheblich, er verteilte
auch freigebig Geld, Land, Pensionen und wertvolle Privilegien an englische
und schottische Adlige und Höflinge.9 Sicher war diese Politik nicht unbedingt immer sehr weitsichtig, doch eine Fortsetzung der elisabethanischen
Sparpolitik wäre nach 1603 kaum denkbar gewesen. Jakob I. konnte kaum
hoffen, sein Heimatland Schottland, wo die Machtstellung der Krone in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhundertes sehr labil gewesen war, unter seiner
Kontrolle zu behalten, wenn er nicht eine ausreichende Zahl von schottischen Magnaten durch Positionen an seinem Hof und durch eine freigebige
Patronagepolitik an sich band. Umgekehrt vermochte er als landesfremder
Herrscher auch in England seine Position nur zu sichern, indem er sich von
der extremen Sparsamkeit seiner Vorgängerin, deren Popularität unter ihrer
mangelnden Freigebigkeit nach 1590 zunehmend gelitten hatte, distanzierte.10
Die aufwendige Hofhaltung Jakobs I. entsprach im übrigen ganz wesentlich
einer Tendenz der Zeit. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatten
sich in England ebenso wie in vielen anderen europäischen Ländern eher bürokratische Regierungs- und Verwaltungsformen durchgesetzt - rechtsgelehrte Verwaltungfachleute hatten die großen adligen Magnaten zumindest
9
Über die Finanzlage in den ersten Regierungsjahren Jakobs I.: A. G. R. SMITH,
Crown, parliament and finance: the Great Contract of 1610, in: P. CLARK et. al (Hg.),
The English Commonwealth 1547-1640, Leicester 1979, S. 111-128, hier S. 113 f.,
und R. ASHTON, Deficit finance in the reign of James I, in: EHR, 2nd ser. 10
(1957/58), S. 15-29; vgl. C. RUSSELL, Parliament and the King's finances, in: DERS.
(Hg.), The Origins of the English Civil War, Basingstoke 1973, S. 91-118, sowie M.
PRESTWICH, Cranfield. Politics and Profits under the Early Stuarts, Oxford 1966.
10
Z u r Hofhaltung Jakobs I. und den damit verbundenen Ausgaben siehe N. CUDDY,
The revival of the entourage: the Bedchamber of James I, 1603-1625, in: D. STARKEY (Hg.), The English Court from the Wars of the Roses to the Civil War, London,
1987, S. 173-225; zur Patronagepolitik Jakobs I.: L. STONE, The Crisis of the Aristocracy, Oxford 1965, S. 473-476; vgl. L. L. PECK, Court Patronage and Corruption
in Early Stuart England, Boston 1990. Zur Unpopularität Elisabeths in ihren letzten
Regierungsjahren siehe die freilich sehr drastischen Bemerkungen HAIGHS, Elizabeth
I., S. 161 f.
60
zum Teil aus den Schlüsselpositionen in der Zentralverwaltung verdrängt.11
Unter Jakob I. nimmt die adlige Präsenz in der Umgebung des Herrscher
hingegen wieder zu - der Ausbau der Hofhaltung trug gewissermaßen der
Tatsache Rechnung, daß die höheren Adligen, also in diesem Falle die
peerage und die wohlhabendsten Mitglieder der gentry, sich in England wie
auch anderswo der Modernisierung des frühneuzeitlichen Staates angepaßt
hatten. Unter partieller Aufgabe lokaler Machtpositionen wandten sich die
Angehörigen dieser Schicht nun dem Hof und der Hauptstadt zu, um dort als
Patronagemakler in der Umgebung des Königs aber auch im Parlament ein
neues Betätigungsfeld zu finden. Nur über den Hof konnte der Adel in das
politische Herrschaftssystem integriert werden.'2 Selbst die Kritiker der recht
sorglosen Finanzpolitik des Königs wie etwa der Lord Schatzmeister Salisbury gaben daher zu, daß man zumindest einige große adlige Magnaten mit
Pensionen ausstatten müsse und daß der Aufwand für die Hofhaltung kaum
reduzierbar war. 13
11
So war es bezeichnend, daß der Geheime Rat Elisabeths I. gegen Ende ihrer Regierungszeit nur noch aus etwa einem Dutzend Mitgliedern bestand, die eigentlich alle
hohe Amtsträger waren, und von denen kaum einer, obwohl manche durchaus der
peerage angehörten, die lokalen Magnaten, die sich als die geborenen Ratgeber der
Herrscherin betrachteten, repräsentierte (HAIGH, Elizabeth I, S. 67 f.; GUY, Tudor
England, S. 310).
12
Z u r Bedeutung des Hofes vgl.: R. G. ASCH, Krone, Hof und Adel in den Ländern der
Stuart Dynastie im frühen 17. Jahrhundert, in: ZHF 16 (1989), S. 183-220, und
DERS., Der Hof Karls I. von England. Politik, Provinz und Patronage, 1625-1640,
(Norm und Struktur Bd. 3), Köln 1993; Wichtige Hinweise zum Wandel des Hofes
nach dem Tode Elisabeths I. verdanke ich Dr. D. Starkey, London.
13
A COLLECTION o r SEVERAL SPEECHES a n d T r e a t i s e s of the late L o r d T r e a s u r e r C e -
cil...in the years 1608, 1609, 1610, hg. v. P. CROFT, in: Camden Miscellany 29
(Camden Society Publications 4. Folge, 34), London 1987, S. 273-318, hier S. 304:
"Secondly, it is most necessary to resolve of some certain portion to be yearly paid to
a selected number of choice servants of both kingdoms. For it cannot be denied that
there are many of them that ought not to reside about you in a common fashion, nor
would be left, to live only upon the hopes of mere casualties."; vgl. ebd., S. 286. Zu
den schottischen Höflingen vgl. K. M. BROWN, Courtiers and Cavaliers: Service,
anglicization and loyalty among the royalist nobility, in: J. S. MORRILL (Hg.), The
Scottish National Covenant in its British Context, Edinburgh 1991, S. 155-192, und
DERS., The Scottish Aristocracy, Anglicization and the Court 1603-1638, in: HistJ
3 6 , ( 1 9 9 3 ) , S. 5 4 3 - 5 7 6 .
61
II.
Wie waren dann aber die finanziellen Probleme der Krone, die sich nach
1603 rasch zuspitzten, überhaupt zu lösen? Nach 1603 beschritten der Lordschatzmeister Dorset und Robert Cecil, Earl of Salisbury, als Staatssekretär
zunächst den Weg einer Aufbesserung des Kroneinkommens ohne Mitwirkung des Parlamentes. Hierfür boten sich die Zolleinnahmen an. Die Zölle
waren dem König bei Regierungsantritt pauschal auf Lebenszeit bewilligt
worden - bei der Bemessung der Zolltarife fur einzelne Waren hatte der
Monarch jedoch seit jeher einen gewissen, nur vage umgrenzten Ermessensspielraum gehabt 14 . Dorset und Salisbury waren entschlossen, diesen Ermessenspielraum auszunutzen. Sie begannen eine Reihe von Importwaren mit
neuen Zöllen, den sogenannten impositions zu belegen.15 Dabei handelte es
sich vor allem um Güter des gehobenen Bedarfs - die Oberschichten, die
durch eine geringe Selbsteinschätzung den direkten Steuern entgingen, sollten somit über die Zölle doch noch zur Mitfinanzierung der gestiegenen
Staatsausgaben herangezogen werden16. Der Testfall für diese neuen Zölle
waren die impositions auf currants, Korinthen. Diese boten sich deshalb fur
einen derartigen Versuch an, weil sie schon unter Elisabeth mit Sonderabgaben belegt worden waren. Die damaligen impositions waren freilich von der
Levant Company, einer Handelsgesellschaft, der ein Monopol für den Handel mit dem östlichen Mittelmeer und dem osmanischen Machtbereich
verliehen worden war, erhoben worden. Die Levante-Gesellschaft hatte daraus die hohen Nebenkosten des Handels mit dem osmanischen Reich, zu
denen auch der Unterhalt einer Gesandtschaft in Istanbul gehörte, getragen.
Nach der Auflösung der Gesellschaft erhob nun der König selbst eine entsprechende Abgabe von allen Kaufleuten, auch den früheren Mitgliedern der
Levant Company.17
14
Schon der neue Zolltarif von 1604, der die erste durchgreifende Tarifreform seit
1558 darstellte, allerdings dennoch nur eine recht bescheidene Erhöhung der
Zolleinnahmen brachte, war ohne Mitwirkung des Parlamentes beschlossen worden
(F. C. DIETZ, English Public Finance 1558-1641, New York/London 1932, S. 366368, und ebd. S. 362 ff., zu den impositions unter Elisabeth).
15
DIETZ, Finance, S. 368-372.
16
DIETZ, Finance, S. 370 f.; zu Finanzsituation unter Jakob I. im allgemeinen vgl. auch
C. RUSSELL, Parliament and the King's Finances.
I7
Z u Bate's Case: P. CROFT, Fresh Light on Bate's Case, in: HistJ 30 (1987), S. 523539, dort weitere Literatur; vgl. G. D. G. HALL, Impositions and the Courts 15541606, in: LQR 69 ( 1953), S. 200-218.
62
Freilich blieben die currant impositions nicht unangefochten. Ein Levante
Kaufmann namens Bate weigerte sich, die neuen Zölle zu zahlen. Dies
brachte ihn erst ins Gefängnis und dann vor den Court of Exchequer, das für
diese Fragen zuständige Gericht. Bate's Case, der Prozeß um die currant impositions ist deshalb so bedeutsam, weil in ihm zum ersten Mal all jene juristischen und politischen Argumente aufgeboten wurden, die in den folgenden
dreieinhalb Jahrzehnten in der Debatte um die Grenze zwischen Prärogativgewalt und Eigentum eine so große Rolle spielen sollten. In Bate's Case entschied Chief Baron Fleming, zusammen mit seinen Kollegen für die Krone.
In der Begründung für seine Entscheidung entwickelte er die Theorie von der
doppelten Herrschaftsgewalt des Königs - der ordinary und der absolute
power of the king. Die gewöhnliche Herrschaftsgewalt des König habe sich
an dem Ziel zu orientieren, das Eigentum der Untertanen zu schützen, und
sei in ihrer Ausübung an das positive Recht gebunden. Nicht so die potestas
absoluta des Herrschers. Diese absolute, nicht an das Recht gebundene Herrschaftsgewalt finde ihre Anwendung dort, wo es nicht um das Wohl des Einzelnen, sondern um das des ganzen Gemeinwesens ginge, also um im engeren Sinne politische Probleme, wie etwa um Krieg und Frieden.18
Nach Fleming fielen alle Fragen, die die Beziehungen zu anderen Staaten berührten, also auch die gesamte Handels- und Zollpolitik in den Bereich der
absoluten Prärogativgewalt des Königs. Obwohl Fleming ausdrücklich feststellte, daß der König nicht dazu in der Lage sei, Steuern ohne Zustimmung
der beiden Häuser des Parlamentes zu erheben, so gelte gleiches doch nicht
für eine Anpassung der Zölle an veränderte handelspolitische Bedingungen,
da hier die Beziehungen zu anderen Staaten berührt waren. 19
,8
J . P. KENYON, The Stuart Constitution, Cambridge 2 1986, S. 55 f.; vgl. W.
COBBETT/T. B. HOWELL (Hg.), Complete Collection of State Trials, 34 Bde., London
1809-1828, II, Sp. 371 ff. Zu Bate's Case und seinen Folgen siehe auch J. W.
GOUGH, Fundamental Law in English Constitutional History, Oxford 1955, S. 56-58;
W. J. JONES, Politics and the Bench, The Judges and the Origins of the English Civil
War, London 1971, S. 54 f.; J. SOMMERVILLE, Politics and Ideology in England
1603-1640, London 1986, S. 151-155. Zur Theorie der doppelten Prärogative des
Königs auch F. OAKLEY, Jacobean political theology: the absolute and the ordinary
p o w e r s o f t h e K i n g , in: J H I 2 9 ( 1 9 6 8 ) , S. 3 2 3 - 3 4 6 ; C . C . WESTON/J. R. GREENBERG,
Subjects and Sovereigns. The Grand Controversy over Legal Sovereignty in Stuart
England, Cambridge 1981, S. 11-15. Wichtig zum Verständnis der verschiedenen
Rechtsauffassungen, die im Streit um die impositions aufeinandertrafen, ist auch G.
BURGESS, The Politics of the Ancient Constitution, An Introduction to English Political Thought 1603-1642, Basingstoke 1992, S. 140-146.
19
State Trials, II, Sp. 387-394.
63
Es liegt nahe, die Diskussion über impositions ausschließlich unter den Vorzeichen eines sich eskalierenden Konfliktes zwischen Krone und Parlament
zu interpretieren; doch wäre dies eine unzulässige Vereinfachung. Die Memoranden des Lordschatzmeister Salisbury aus den Jahren 1608 bis 1610,
die Pauline Croft vor kurzem veröffentlicht hat, zeigen deutlich, daß Salisbury, der in diesen Jahren die Politik der Krone leitete und auch wesentlich
an der Einführung und Ausweitung der impositions beteiligt gewesen war,
im Parlament zumindest zum Teil auch einen potentiellen Bundesgenossen
im Kampf um eine Finanzreform und um eine Einschränkung der Ausgaben
des König sah. Ohne das Parlament das ein Forum der öffentlichen Kritik
darstellte, hätte Salisbury wohl alle Hoffnung, den König zu mehr Sparsamkeit zu bewegen, endgültig aufgeben können.20
Ebenso komplex wie die Haltung von König und Lord Schatzmeister war jedoch die Haltung des Parlamentes. Sicherlich hatten die seit 1606 verfügten
Zollerhöhungen, die der Krone mehrere £ 10.000 an Mehreinnahmen einbrachten, eine erhebliche Beunruhigung verursacht. Man befürchtete nicht
nur, daß der Handel unter den neuen Zollerhöhungen leiden würde, sondern
auch, daß auf die Dauer das dermaßen vergrößerte Einkommen aus den Zöllen die Krone überhaupt von allen parlamentarisch bewilligten Steuern unabhängig machen würde.21 Andererseits bestritt keiner der Abgeordneten im
Parlament dem König grundsätzlich das Recht, die englische Außen- und
Handelspolitik zu bestimmen. Was man vermeiden wollte, war, daß unter
dem Vorwand handelspolitischer Abwehrmaßnahmen gegen ausländische
Konkurrenten rein fiskalische Zollerhöhungen durchgeführt wurden. Juristisch war ein solcher Standpunkt jedoch nicht leicht zu formulieren. Grundsätzlich gingen eben auch die Kritiker der impositions wie ihre Verteidiger
20
D i e s wird deutlich aus den Memoranden, die Salisbury dem König vor Einberufung
d e s P a r l a m e n t e s u n t e r b r e i t e t e : s i e h e A COLLECTION OF SEVERAL SPEECHES, bes. S.
302, wo Salisbury zur Sparsamkeit und einem vorsichtigen Gebrauch der Prärogativgewalt riet. In einem früheren Memorandum hatte er noch nachdrücklicher darauf
hingewiesen, daß die bisherige Methode, nur gestützt auf die Prärogative die Einnahmen zu erhöhen, sehr fragwürdig sei - er bezog sich dabei sogar auf die impositions, obwohl er anscheinend deren Umpopularität weiter unterschätzte - und stellte
fest "you have also been constrained for want of means to reward others to suffer
your people to be molested and enquired after upon every claim and obscurc title"
(S. 290). Zu den Versuchen Salisburys, die Ausgaben des Königs etwa durch ein
"Book of Bounty", eine Liste verbotener Patente, einzuschränken siehe; CUDDY, Revival, S. 199 f.
21
W. NOTESTEIN, The House of Commons 1604-1610, New Haven/London 1971, S.
310-327,361-392.
64
von einer doppelten Herrschaftsgewalt des Königs aus - einer ungebundenen
Herrschaftsgewalt und einer an die Zustimmung der Untertanen gebundenen,
die er als King in Parliament ausübte. Die Kritiker einer starken Prärogativgewalt vertraten freilich die Ansicht, daß die Herrschaftsgewalt des Königs,
die er außerhalb des Parlamentes ausübe seiner Herrschaftsgewalt als King in
Parliament untergeordnet sei. 22 Dabei räumte man aber ein, daß alle Fragen
der Außenpolitik grundsätzlich in das Ermessen des König gestellt seien.
Wenn man dem König aber prinzipiell das Recht zugestand, die Häfen des
Landes - etwa im Kriegsfall - zeitweilig zu schließen oder den Handel mit
bestimmten Ländern zu untersagen, dann lag es nahe, ihm a fortiori auch das
Recht einzuräumen, den Handel mit bestimmten Gütern oder Ländern nur
unter einschränkenden Bedingungen freizugeben - und zu solchen Bedingungen konnte eben die Zahlung besonderer Abgaben gehören.23
Die Widersprüche in der Argumentation der Gegner der impositions ergaben
sich zum Teil aus ihrem Verfassungsideal: fur sie war die Herrschaftsgewalt
des König und die Freiheit der Untertanen grundsätzlich konfliktlos miteinander vereinbar:24 Diese Harmonie zwischen Freiheit und Herrschaft setzte
freilich voraus, daß der König herrschen konnte, ohne Ansprüche auf das Eigentum der Untertanen geltend zu machen.
Es hätte freilich eine Möglichkeit gegeben, die ersehnte Harmonie wiederherzustellen: Indem man die dauerhaften Einkünfte des Königs so erhöhte,
daß er von allen Übergriffen auf das Eigentum seiner Untertanen absehen
konnte, und indem man gleichzeitig dieses Eigentum auch rechtlich klarer
definierte. Eben dies war die Grundidee des Great Contract, durch den Salisbury 1610 hoffte, das Verhältnis zwischen Parlament und König auf eine
22
Siehe Whitelockes Rede, KENYON, Constitution, S. 61, und State Trials II, Sp. 482 f.
(dort fälschlich als Rede Yelvertons abgedruckt).
23
Es war in der Praxis eine problematische Konstruktion, dem König ein custodium
der Häfen des Landes zuzugestehen, nicht jedoch ein dominium utile - also ein Aufsichtsrecht - nicht aber ein nutzbares Eigentumsrecht; so Whitelocke in seiner Rede
im Unterhaus, State Trials II, Sp. 514 vgl. R. FOSTER (Hg.), Proceedings in Parliament 1610, 2 Bde., New Haven und London 1966, II, S. 221-224, und WILLIAM
HAKEWILL, The Libertie of the Subject against the Pretended Power of Imposing
Maintained by an Argument in Parliament 7o Jacobi Regis, London 1641, S. 130136, und State Trials II, Sp. 407-476. Im übrigen kam auch Sir Edward Coke, damals Chief Justice of Commons Pleas, in diesen Jahren zu dem Schluß, daß impositions als handelspolitische, wenn auch nicht als fiskalische Maßnahmen,
gerechtfertigt seien (J. R. TANNER (Hg.), Constitutional Documents of the Reign of
James I, Cambridge 1930, S. 264, nach COKE, Twelfth Report)
24
Siehe die Rede Hedleys (Proceedings 1610, II, S. 191).
65
neue Basis stellen zu können. Salisbury bot dem Parlament im Namen des
Königs eine Garantie für das Eigentumsrecht der Untertanen, das bis dahin
durch die oberlehensherrlichen Rechte der Krone ebenso wie durch andere
Regalien, etwa die Möglichkeit, Lebensmittel für den Hof zu einem festgesetzten Preis zu requirieren, beschränkt war. 25 Auch wenn die umstrittenen
impositions nicht als solche Teil des Great Contract waren, so hatte der König dem Parlament doch schon im Mai 1610, bevor die Verhandlungen über
den Contract in ihr entscheidendes Stadium traten, versprochen, in Zukunft
neue Zollerhöhungen nur mit Einwilligung der beiden Häuser vorzunehmen. 26
Der wichtigste Teil des Great Contract wäre freilich nicht die
Einschränkung des Ermessensspielraums der Krone bei der Bemessung der
Zölle gewesen, sondern die Aufhebung all jener lehensrechtlichen Rechte
der Krone, die vom Court of Wards verwaltet wurden.27 Die Abschaffung
dieser Rechte und aller anderen oberlehensherrlichen Ansprüche hätte für
alle größeren Landbesitzer erhebliche Vorteile mit sich gebracht. Faktisch
hätte ein solcher Schritt überhaupt erst ein volles Eigentumsrecht der
Untertanen hergestellt, denn noch 1607 hatte der Jurist Cowell in seinem
umstrittenen Interpreter festgestellt, daß im vollen Sinne des Wortes nur der
König Eigentum besitze, da alle anderen Besitzansprüche unter dem
Vorbehalt seiner lehensherrlichen Rechte stünden.28 Der Preis, den der
25
Z u m Problem der Purveyance: E. N. LINDQUIST, The king, the people and the house
of Commons: The problem of early Jacobean purveyance, in HistJ 31 (1988), S.
549-570; P. Croft, Parliament, purveyance and the city of London, in: Parliamentary
History 4 (1985), S. 9-34 und G. E. AYLMER, The last years of purveyance 16101660, in: EHR, 2. Folge 10 (1957), S. 81-103.
26
Proceedings 1610, I, S. 88 f.: "If ever I have occasions to raise impositions I am resolved never to do it but in parliament, though I will not tie my prerogative in point
of glory." Vgl. NOTESTEIN, Commons, S. 324; eine Reihe der weniger einträglichen
impositions wurde auch wieder aufgehoben (DIETZ, Finance, S. 371 F.).
27
D a z u gehörte vor allem die Stellung des Königs als Vormund aller minderjährigen
oder weiblichen Erben seiner Lehensleute, faktisch also der gesamten landbesitzenden Oberschicht. Bislang hatte der König seine vormundschaftlichen Rechte meist an
Höflinge und Amtsträger delegiert, die die wardship zu ihrem Vorteil, aber keineswegs immer zu dem ihrer Mündel auszunutzen wußten. Siehe J. HURSTRELD, The
Queen's Wards, London 1958.
28
JOHN COWELL, The Interpreter, Cambridge 1607, sub voce property. Zum Interpreter
vgl. J. W. ALLEN, English Political Thought 1603-1660, Bd. I, 1603-1644, London
1938, Ndr. 1967, S. 73-75; SOMMERVILLE, Politics, S. 121-127. Zum Eigentumsbegriff bei Cowell und generell im frühen 17. Jahrhundert siehe auch G. E. AYLMER,
The Meaning and Definition of 'Property' in 17th-century England, in: PaP 86
(1980), S. 87-97; J. SOMMERVILLE, Ideology, property and the constitution, in: R.
66
König für die Abschaffung von wardship sowie von purveyance und einige
andere Zugeständnisse verlangte, war freilich hoch. Er ersuchte das
Parlament um die Bewilligung eines festen jährlichen Einkommens von
mindestens £ 200.000. Wäre der Great Contract verabschiedet worden, wäre
somit in England zum ersten Mal eine permanente direkte Besteuerung der
Untertanen eingeführt worden.
Die Verhandlungen über den Great Contract kamen jedoch nicht zu einem
erfolgreichen Abschluß. Die Gründe dafür lassen sich nicht mit absoluter Sicherheit klären. Doch scheinen beide Seiten in letzter Minute begonnen zu
haben, am Sinn des gesamte Abkommens zu zweifeln. Der König befürchtete einerseits, daß die vom Parlament zu bewilligende Steuer, die ja ein für
alle mal fixiert war, schon bald nicht mehr ausreichen würde, um die steigenden Ausgaben auszugleichen, andererseits scheint er erkannt zu haben,
daß durch die Abschaffung der lehensherrlichen Rechte die Bindung der politischen Führungsschicht an die Krone geschwächt worden wäre. 29
Zweifel gab es jedoch auch auf der Seite des Parlamentes. Problematisch war
es schon, ob die Schichten unterhalb der gentry überhaupt bereit sein würden, eine allgemeine Steuer mitzutragen, um von der Krone Zugeständnisse
zu erlangen, von denen sie wenig oder gar nicht profitierten. Außerdem aber
war anzunehmen, daß das Parlament sich selber überflüssig machen würde,
wenn es wirklich gelang, die Finanzprobleme der Krone zu lösen.30 Hier
zeigte sich das ganze Dilemma der Stellung des Parlamentes - bewilligte
man der Krone nicht ausreichend Geld, waren Übergriffe auf das Eigentum
Cusr/A. HUGHES (Hg.), Conflict in Early Stuart England. Studies in Religion and
Politics 1603-42, London/New York 1989, S. 47-71, dort auch weitere Literatur,und
M. SAMPSON, "Property" in Seventeenth-Century English Political Thought, in: G. J
SCHOCHET (Hg.), Religion, Resistance and Civil War (Folger Institute Center for the
History of British Political Thought, Proceedings 3), Washington 1990, S. 259-276.
29
SMITH, Contract, S. 125 f.; vgl. E. LINDQUIST, The Failure of the Great Contract, in:
JMH 57 (1985), S. 616-651; anders als Smith sieht Lindquist vor allem den Widerstand des Parlamentes als ausschlaggebend für das Scheitern des Contract an. Zu den
Bedenken gegen den Great Contract siehe auch das Memorandum Sir Julius Caesars
(TANNER, Constitutional Documents, S. 348-355). Nach 1610 nahm die finanzielle
Bedeutung der vom Court of Wards verwalteten Rechte übrigens nicht ab, sondern
wurde vielmehr bis 1640 immer größer; siehe PRESTWICH, Cranfield, S. 240 f.
30
SMITH, Contract, S. 119-125.
67
der Untertanen fast unvermeidlich - beschloß man aber ausreichende dauerhafte Abgaben, verlor das Parlament seine raison d'etre.31
Mit dem Great Contract war der Versuch gescheitert, zusammen mit einer
grundlegenden Modernisierung der Steuerverfassung auch eine Auflösung
der juristischen Residuen der Lehensverfassung durchzufuhren, um auf diese
Weise zu einer klaren und eindeutigen Neufassung des Eigentumsbegriffes
zu gelangen. Ohne Zweifel belastete das Scheitern des Great Contract die
Beziehungen zwischen Krone und Parlament auch nach 1610 ebenso wie der
Streit um die von der Krone einseitig verfugten Zollerhöhungen, die impositions, der ja nicht beigelegt worden war. In der Tat war die Tatsache, daß das
Parlament von 1614 schon kurz nach seiner Einberufung wieder aufgelöst
wurde und somit als Addled Parliament, als unfruchtbares Parlament in die
Geschichte einging auch darauf zurückzufuhren, daß im Unterhaus die Diskussion um die impositions wieder aufgeflammt war. 32
Indes, als erst sieben Jahre später, 1621, erneut ein Parlament zusammentrat,
spielten die impositions keine große Rolle. Conrad Russell hat geradezu von
einem "ohrenbetäubenden Schweigen" gesprochen, das die Haltung des Parlamentes zu dieser Frage kennzeichnete.33 Die Abgeordneten hatten begriffen, daß der König nicht bereit war, auf eine Einnahmequelle zu verzichten, aus der er jährlich bis zu 70.000 Pfund bezog, zumal das Parlament
kaum in der Lage war, ihm für einen solchen Verzicht eine wirkliche Gegenleistung zu bieten.34 Überdies standen 1621 andere Themen im Vordergrund - vor allem die Kritik an den Monopolprivilegien, die die Krone in den
vorhergehenden Jahren so freigebig an Höflinge und Projektemacher aller
Art vergeben hatte. Auch hier ging es in letzter Instanz um die Grenze zwi3
'Zumindest einige Abgeordnete erkannten dieses Problem damals und später, wie
etwa Sir John Eliot (J. N. BALL, Sir John Eliot and Parliament 1624-1629, in: K.
SHARPE (Hg.), Faction and Parliament, Oxford 1978, S. 173-208, hier S. 179) oder
John Pym (C. RUSSELL, The parliamentary career of John Pym, in: CLARK, Commonwealth, S. 147-165, bes. S. 151-154).
32
T . L. MOIR, The Addled Parliament of 1614, Oxford 1958, S. 94 f., 110-112, 114122, 137-139; M. JANSSON (Hg.) s Proceedings in Parliament 1614, Philadelphia
1988, S. 138, 147, 362; vgl. L. L. PECK, Northampton. Patronage and Policy at the
Court of James I, London 1982, S. 205-212.
33
C. RUSSELL, Parliamentary history in perspective, in: History 61 (1976), S. 1-27, hier
S. 22; vgl. aber D. HIRST, The Place of principle, in: PaP 92 (1981), S. 79-99, hier S.
89 f.
34
C . RUSSELL, Parliaments and English Politics 1621-1629, Oxford 1979, S. 93, 99;
vgl. R. ZALLER, The Parliament of 1621, Berkeley 1971.
68
sehen den Eigentumsrechten der Untertanen und den Hoheitsrechten der
Krone. Zwar wurde durch die Schaffung von Handelsmonopolen und die
Einrichtung neuer Ämter mit nutzbaren Hoheitsfunktionen - auch solche
Amter fielen im weiteren Sinne des Wortes unter den Begriff monopolies bestehende Eigentumsrechte nicht unmittelbar angegriffen, sie konnten jedoch durchaus in ihrem Wert gemindert werden. Insgesamt war jedoch der
Streit um die Monopole leichter beizulegen als der um impositions, denn von
den Monopolen profitierten direkt nur die von der Krone Begünstigten, nicht
die Krone selbst. Dies wurde erst in den 1630er Jahren bei der Wiederbelebung der Monopolprojekte anders, da jetzt derartige Patente bewußt genutzt
wurden, um eine Art indirekte Verbrauchssteuer einzuführen, eine Akzise,
die der Krone zufloß.35
Auch 1624 stand die ungeklärte Frage des Zollerhebungsrechtes eher im
Hintergrund - dies war schon deshalb der Fall, weil das politische Geschehen
im Parlament beherrscht wurde durch die Vorbereitungen auf den Krieg gegen Spanien.36 Der Rechtsstatus der Impositions blieb ungeklärt. Es gab jedoch in der Monarchie der frühen Stuarts genauso wie in dem Staate ihrer
Vorgänger eine Fülle ungeklärter Rechtsfragen. Keineswegs alle gaben Anlaß zu fundamentalen Verfassungskonflikten.
III.
1625, beim Regierungsantritt Karls I., gab es auch in der Tat nur vereinzelte
Anzeichen, daß die Diskussion um die Grenzen zwischen Eigentum und königlichen Hoheitsrechten eskalieren würde. Allerdings wurde die Chance
versäumt, durch entsprechende Formulierungen in dem Act of Tonnage and
Poundage, durch den dem König traditionellerweise zu Beginn seiner Herr35
Zu den Monopolen: W. H. PRICE, The English Patents of Monopoly, Boston und
New York 1906; vgl. R. G. ASCH, The revival of monopolies: court and patronage
during the personal rule of Charles I. 1629-1640, in: R. G. ASCH/A. M. BIRKE (Hg.),
Politics, Patronage and the Nobility. The Court at the Beginning of the Modern Age,
Oxford 1990, S. 357-392.
36
Im Impeachmentverfahren gegen den Lordschatzmeister Cranfield spielten allerdings
die impositions doch eine gewisse Rolle und auch in einigen anderen Debatten
schien der alte Streit von 1610 wiederaufzuflammen: R. E. RUIGH, The Parliament of
1624, Cambridge, Mass. 1971, S. 50, 317-324; RUSSELL, Parliaments, S.198 f. Vgl
auch T. COGSWELL, The Blessed Revolution. English Politics and the Coming of War
1621-1624, Cambridge 1989.
69
schaft das Recht der Zollerhebung auf Lebenszeit übertragen wurde, das
Problem der impositions zu lösen. Es hätte ja nahegelegen, die bisherigen
einseitig verfügten Zollerhöhungen nachträglich zu legalisieren und in Zukunft alle derartigen Maßnahmen ausdrücklich an die Zustimmung des Parlamentes zu binden. Die Legalisierung und gleichzeitige rechtliche Beschränkung von impositions wäre jedoch nur möglich gewesen, wenn man
gleichzeitig ein neues book of rates, einen umfassenden Zolltarif für alle
Waren verabschiedet hätte. Ein book of rates war jedoch unmöglich in wenigen Wochen zu erstellen. Das Unterhaus beantragte daher 1625, dem König
Tonnage und Poundage nur für ein Jahr zu bewilligen - dies wurde vom
Oberhaus zurückgewiesen, und in Folge dessen zog der König nun nicht
mehr nur die impositions, sondern alle Zölle ohne jede parlamentarische
Bewilligung ein. Im folgenden Jahr hatte sich dann das politische Klima angesichts des ungünstigen Verlaufes, den der Krieg gegen Spanien nahm, aber
auch wegen der starken innerhöfischen Spannungen zwischen dem Favoriten
des alten und neuen Königs, Buckingham, und anderen großen Adligen und
Höflingen so verschlechtert, daß an eine einvernehmliche Regelung der
Zollerhebungsfrage nicht mehr zu denken war. 37
Zu dem Konflikt um die indirekten Abgaben trat jedoch nun bald auch eine
Auseinandesetzung um die direkten Steuern. Nachdem das Parlament von
1626 sich geweigert hatte, dem König die für seine kriegerischen Unternehmungen notwendigen Mittel zu bewilligen, entschloß sich Karl I. 1626/27,
eine Zwangsanleihe zu erheben. Dieser Forced Loan, brachte in der Tat die
erkleckliche Summe von gut £ 250.000 ein. Dieser Betrag war jedoch nur
zustandegekommen, weil man durch die Verhaftung und Festsetzung Widerspenstiger jeden Widerstand rücksichtslos gebrochen hatte 38 . Die Einziehung
37
Z u m Parlament von 1625: RUSSELL, Parliaments, S. 227-229; sowie vgl. DERS., Parliamentary history in perspective, S. 10; ferner C. THOMPSON, Court politics and parliamentary conflict in 1625, in: CUST/HUGHES, Conflict, S. 168-192; M. JANSSON/W.
B. BIDWELL (Hg.), Proceedings in Parliament 1625, New Häven/London 1987, bes.
S. 511 (ELIOT, Negotium Posterorum zu den impositions). Zur Situation 1626: RUSSELL, Parliaments, S. 260 ff., und R. LOCKYER, Buckingham, London 1981, S. 308330; vgl. auch M. B. YOUNG, Buckingham, war and parliament: Revisionism gone
too far, in: Parliamentary History 4 (1985), S. 45-69. Siehe ferner zum Problem von
Tonnage and Poundage: L. S. POPOFSKY, The Crisis over Tonnage and Poundage in
Parliament in 1629, in: PaP 126 (1990), S. 44-75.
38
R . CUST, The Forced Loan and English Politics, Oxford 1987, S. 92, und passim; im
Vergleich dazu hatten die fünf subsidies, die das Parlament 1628 bewilligte, auch
nicht mehr als £ 275.000 eingebracht, obgleich dies eine außergewöhnlich hohe
Summe von Steuern war.
70
des Forced Loan machte jedermann deutlich, wie sehr der Schutz des Eigentums verknüpft war mit der Frage der persönlichen Freiheit überhaupt denn wenn der König das Recht hatte, Personen, die sich weigerten, die von
ihm verlangten Abgaben zu zahlen, einzusperren, dann ließ sich das Eigentum nicht mehr länger gegen Übergriffe der Krone verteidigen.
Der Forced Loan führte daher im Parlament von 1628, das der König, nachdem auch der 1627 begonnene Krieg gegen Frankreich in einer Niederlage
zu enden drohte, einberufen hatte, zu einer grundsätzlichen Debatte über die
Schranken der königlichen Prärogativgewait. Die im Unterhaus eingebrachte
Petition of Right suchte das Eigentum der Untertanen gegen jede Form von
Besteuerung ohne Einwilligung des Parlamentes zu schützen, denn faktisch
hatte es sich beim Forced Loan um eine solche Besteuerung gehandelt, da er
die 1626 verweigerten Subsidies ersetzte und seine Rückzahlbarkeit fraglich
blieb.39 Mit der erneuten Festschreibung des parlamentarischen Steuerbewilligungsrechtes bewegte man sich freilich ganz im Rahmen des überkommenen Rechtes und konnte sich in letzter Instanz sogar auf die Magna Charta
von 1215 berufen.
Die turbulenten Jahre von 1626 bis 28 hatten allerdings gezeigt, daß das Eigentum der Untertanen nur zu schützen war, wenn man auch seine persönliche Freiheit schützte. Hier war jedoch der bestehende Rechtszustand sehr
viel unklarer, denn bislang war das Recht des Königs, in Ausnahmefällen,
wenn etwa die Sicherheit des Staates auf dem Spiele stand, ohne Angabe von
Gründen und damit ohne die Möglichkeit zu einer gerichtlichen Nachprüfbarkeit zu verhaften, nie grundsätzlich in Frage gestellt worden; hatte doch
sogar Sir Edward Coke dieses Recht 1615 als Chief Justice bestätigt.40 Die
Debatte über die Petition of Right wurde somit zu einer Auseinandersetzung
über das Verhältnis zwischen Rechtsordnung und Ausnahmezustand. Im
39
Z u r Petition of Right: F. H. RELF, The Petition of Right, Minneapolis 1917; D. S.
BERKOWITZ, Reason of State in England and the Petition of Right, in: R. SCHNUR
(Hg.), Staatsräson. Studien zur Geschichte eines politischen Begriffs, Berlin 1975, S.
165-212; J. GUY, The origins of the Petiton of Right reconsidered, in: HistJ 25
(1982), S. 289-312; L. J. REEVE, The legal status of the petition of Right, in: Ebd. 29
(1986), S. 257-277. Zum weiteren Hintergrund auch T. COGSWELL, A Low Road to
Extinction? Supply and Redress of Grievances in the Parliaments of the 1620s, in:
HistJ 33 (1990), S. 283-303, hier S. 297-299.
40
RELF, Petition, S. 2-22; vgl. S. D. WHITE, Sir Edward Coke and "The Grievances of
the Commonwealth", 1621-1628, Chapel Hill, North Carol. 1979, S. 232-235, zum
Meinungswechsel Cokes in der Frage der Verhaftung kraft Prärogativgewalt in den
Jahren nach seinem Ausscheiden aus dem Privy Council.
71
Prinzip war der König durchaus bereit, das parlamentarische Besteuerungsrecht und damit die Unverletzlichkeit des privaten Eigentums ebenso anzuerkennen wie das Prinzip der gerichtlichen Überprüfbarkeit königlicher Haftbefehle. Jedoch wollte er sich fur den Ausnahmefall, über den am Ende er
allein glaubte entscheiden zu können, einen letzten, nicht mehr auf rechtliche
Regeln reduzierbaren Ermessensspielraum vorbehalten.41
Mit der Petition of Right erreichte der von Common Lawyers wie Sir Edward Coke unternommene Versuch, aus dem Eigentumsrecht des Common
Law ein umfassendes Staats- und Verfassungsrecht zu entwickeln und diesem Recht alle politischen Entscheidungen unterzuordnen, seinen Höhepunkt, aber auch seine Grenzen. Coke und die anderen Vorkämpfer der Petition of Right hatten versucht, das Eigentumsrecht der Untertanen in so absoluten Kategorien zu definieren, daß es durch die königliche Prärogative,
die als solche nicht geleugnet wurde, nicht antastbar war. Dieser Versuch
mußte schon deshalb scheitern, weil man gleichzeitig allzu viele Rechts- und
Verfassungsfragen ungelöst ließ - vor allem das Problem der Zölle bestand
weiter, da das Unterhaus Warnungen seiner eigenen Mitglieder, man zwinge
den König geradezu zum Rechtsbruch, wenn man ihm Tonnage und Poundage nicht bewillige, ignorierte.42 Ein Anspruch des Parlamentes, selber Träger der souveränen Gewalt zu sein, wurde jedoch erst erhoben, nachdem der
Versuch gescheitert war, den königlichen Souveränitätsvorbehalt gegenüber
4 1
RUSSELL, P a r l i a m e n t s , S. 3 6 2 : R. C. JOHNSON/M. F. KEELER ET AL. ( H g . ) , P r o c e e -
dings in Parliament 1628, 6 Bde., New Haven 1977-83. III, S. 372 f. (Brief des Königs an das Oberhaus vom 12. Mai); vgl. CUST, Forced Loan, S. 88 f. Vgl. J.
FLEMION, A Savings to Satisfy All: The House of Lords and the Meaning of the
Petition of Right, in: Parliamentary History 10 (1991), S. 27-44, und DERS., The
struggle for the Petition of Right in the House of Lords: The study of an opposition
party victory, in: JMH 45 (1973), S. 193-210. Zum allgemeinen Hintergrund siehe
auch: J. G. A. POCOCK, The Ancient Constitution and the Feudal Law, Cambridge
2
1987.
42
RUSSELL, Parliaments, S. 386-88. Die Verabschiedung der Bill of Tonnage und
Poundage scheiterte danach außer an schierer administrativer Inkompetenz vor allem
daran, daß für den König nur ein Gesetz annehmbar war, das sowohl die bestehenden
impositions als auch die ohne Rechtsgrundlage zwischen 1625 und 1628 eingezogenen Zölle nachträglich legalisierte - dies war jedoch in der kämpferischen Atmosphäre von 1628 schwer durchzusetzen. Allerdings scheint es, daß man im Unterhaus
hoffte, der König werde sich durch einen Protest gegen Tonnage und Poundage dazu
bewegen lassen, das Haus nicht offiziell zu vertagen (prorogation), sondern nur eine
bloße Unterbrechung der Sitzungen (recess) stattfinden zu lassen, so daß das für
einen neuen Zolltarif zuständige Komitee des Hauses bis zur nächsten Sitzung weiterarbeiten konnte (Proceedings 1628, IV, S. 449, Anm. 37). Vgl. POPOFSKY, Crisis.
72
allen Eigentumsrechten mit Hilfe des Rechtes wenn schon nicht gänzlich
aufzuheben so doch weitgehend zu entschärfen.
IV.
Die Petition of Right hatte erneut bekräftigt, daß der König keine Steuern
ohne Einwilligung der beiden Häuser des Parlamentes erheben durfte. Welche Abgaben Steuern im Sinne dieser Bestimmung waren, war jedoch nicht
mit letzter Eindeutigkeit geklärt worden, und ebenso wenig war das Problem
gelöst worden, wie weit der Ermessenspielraum des Königs in Notfällen reichen sollte. Welche Bedeutung das Fehlen einer erschöpfenden Definition
des Begriffes Steuer haben konnte, zeigte sich schon bald nach Verabschiedung der Petition of Right, als die zuständigen Richter erklärten, die Zolleinnahmen, also Tonnage und Poundage, die ja immer noch nicht vom Parlament bewilligt worden waren, gehörten nicht zu den Abgaben, die von der
Petition of Right betroffen seien. Diese Entscheidung betraf die normalen
Zolleinnahmen, aber sie wurde auch auf die impositions angewandt, die
während der 1630er Jahre noch erheblich erhöht wurden.43
Durch Ausnutzung dieser und ähnlicher rechtlicher Unklarheiten gelang es
Karl I., während der 11 Jahre von 1629 bis 40, in denen kein Parlament einberufen wurde, seine Einkünfte so zu erhöhen, daß er in Friedenszeiten auf
direkte Steuern, wie sie vom Parlament bewilligt werden mußten, ohne weiteres verzichten konnten.44 Es blieb freilich nicht nur das Problem, wie ein
möglicher Krieg zu finanzieren sei, problematisch war vielmehr schon die
Bereitstellung der notwendigen Mittel fur jene Rüstungen, die schon in Friedenszeiten für die Verteidigung und die Vorbereitung eines Krieges notwendig waren. Dies galt - da England wegen seiner Insellage auf die Anlage umfangreicher Befestigungen verzichten konnte - vor allem für die Flotte, deren
43
44
W. J. JONES, Politics and the Bench, S. 74-77, und DIETZ, Finance, S. 375 f. 1639/40
betrugen danach die Einnahmen aus impositions aller Art ca. 245.000 Pfund.
Die gesamten regulären Einnahmen der Krone (ohne ship money und ähnliche Sonderabgaben) lagen 1640 bei knapp £ 900.000. Siehe DIETZ, Finance, S. 284-286; vgl.
C. RUSSELL, Charles Ys financial estimates for 1642, in: BIHR 58 (1985), S. 109-
120.
73
mangelnde Einsatzbereitschaft zwischen 1625-30 vor Cadiz und La Rochelle
nur allzu deutlich geworden war. 45
Traditionell bestand eine Pflicht der englischen Hafenstädte, dem König im
Kriegsfall Schiffe zur Verfugung zu stellen, die die königliche Flotte verstärkten. Diese Leistung war im 16. Jahrhundert wiederholt eingefordert
worden, wobei die kleineren Städte meist Geld, eben ship money gezahlt
hatten, statt Schiffe zu stellen. Gelegentlich waren auch die Städte des Hinterlandes bei der Aufbringung des Schiffsgeldes mitherangezogen worden,
um die Bürde, die auf den Hafenstädten lastete, zu verringern. Diese Ausdehnung des Schiffsgeldes über die Hafenstädte hinaus war zwar nie sehr
populär gewesen und auch vereinzelt auf Widerstand gestoßen, aber nie
grundsätzlich angefochten worden.46
Dies galt grundsätzlich auch noch für den ersten writ of ship money, der
1634 zunächst nur an die Hafenstädte geschickt wurde. Zwar befand sich
England nicht im Krieg, aber die Bedrohung durch Piraten und die Auseinandersetzung vor allem mit den Niederländern um die Seeherrschaft in der
Nordsee, waren zunächst eine hinreichende Rechtfertigung fur die königlichen Forderungen. In den folgenden Jahren wurde das ship money jedoch
auf ganz England, also auch die binnenländischen Grafschaften ausgedehnt.
Auf unverkennbare Weise wurde das Schiffsgeld damit zu einer regulären
Steuer, denn selbst unter den Hafenstädten stellte nur London tatsächlich
Schiffe, alle anderen Häfen zahlten statt dessen Geld und das galt natürlich
erst recht für die binnenländischen Gemeinden. Als Steuer war das Schiffsgeld ohne Zweifel recht effektiv, denn der zu erzielende Ertrag war anders
als bei parlamentarischen Steuern schon bei der Ausschreibung fixiert und
wurde dann nach einem bestimmten Schlüssel auf die einzelnen Grafschaften, Gemeinden und schließlich Haushalte umgelegt 47
45
Z u r Flottenpolitik Karls I. siehe: B. QUINTRELL, Charles I. and his Navy, in: The
S e v e n t e e n t h C e n t u r y 3 ( 1 9 8 8 ) , S. 1 5 9 - 1 7 9 , u n d n e u e r d i n g s K . SHARPE, T h e P e r s o n a l
Rule of Charles I, New Haven 1992, S. 97-105 und 596-598.
JONES, Politics and the Bench, S. 123 f. und oben Anm. 7.
47
Zum ship money und dem Case of Ship Money: D. L. KEIR, The Case of Shipmoney, in: LQR 52 (1936), S. 546-574; C. RUSSELL, The Ship Money judgment of
Bramston and Davenport, in: EHR 72 (1962), S. 312-318; M. D. GORDON, The
collection of ship-money in the reign of Charles I, in Transactions of the Royal
Historical Society, 3. Folge, 4 (1910), S. 141-162; P. LAKE, The collection of ship
money in Cheshire in the 1630s: a case study of relations between central and local
46
74
Es war daher kaum möglich, der Steuer durch eine zu geringe Selbsteinschätzung zu entgehen - allenfalls konnte man den Verteilungsschlüsssel
anfechten, was auch gelegentlich geschah. Ansonsten blieb nur die Möglichkeit der offenen Zahlungsverweigerung - und ein solcher offener Widerstand
zeigte sich in einigen Grafschaften allerdings tatsächlich. Auch wenn er den
Ertrag der Abgabe bis 1637 nicht allzu sehr minderte, sah der König es doch
als ratsam an, einen der Verweigerer des Schiffsgeldes, John Hampden, vor
Gericht zu stellen, um sich so in einem Musterprozeß ein für alle mal die Legalität des ship money bestätigen zu lassen. Es muß zunächst betont werden,
daß in dem Verfahren vor der Exchequer Chamber, dem höchsten Gerichtshof für diese Fälle, dem alle Richter der drei obersten Gerichte angehörten,48
von keiner der beiden Seiten der Grundsatz der Unverletzlichkeit des privaten Eigentums als solcher in Frage gestellt wurde. Dieser wurde vielmehr
auch von den Vertretern der Krone, dem Generalprokurator Littleton und
dem Generalkronanwalt Bankes und jenen sieben (von 12) Richtern, die Anfang 1638 ein Votum für die Krone abgaben, ausdrücklich anerkannt 49 Die
knappe Mehrheit der Richter folgte allerdings der Argumentation der Krone,
daß es sich beim Schiffsgeld gar nicht um eine das Eigentum der Untertanen
antastende Steuer handele, denn von den Untertanen werde in den königlichen Ausschreiben ja nicht Geld verlangt, sondern die Stellung von Schiffen
- diese aber blieben das Eigentum der Untertanen und würden ihnen nach
Beendigung der Operationen der Flotte zurückgegeben.50
government, in: Northern History 17 (1981), S. 44-47, und SHARPE, Personal Rule,
S. 5 4 5 ff.
48
Also die Richter der Courts of King's Bench, Common Pleas und des Court of
Exchequer.
49
S i e h e insbesondere LITTLETON, State Trials, III, Sp. 924 f. und die Urteilsbegründung von Richter Berkeley (ebd. Sp. 1090 f. und S. R. GARDINER (Hg.), Constitutional Documents of the Puritan Revolution, Oxford 3 1906, S.l 16 f.): "Though the king
of England hath a monarchical power and hath jura summae majestatis, and hath an
absolute trust settled in his crown and person, yet his government is to be secundum
leges regni....By those laws the subjects are not tenants at the king's will of what they
have. They have in their lands feodum simplex,...They have in their goods a
property, a peculiar interest, a meum and tuum...; none of their law can be altered
and abrogated without common consent in parliament".
50
So Berkeley in seiner Urteilsbegründung, GARDINER, Documents, S. 119. Die Richter
behaupteten, nur aus rein praktischen Gründen ziehe man in der Regel der Fälle dann
eben doch Geld ein, statt auf der Stellung von Schiffen zu bestehen. Dies war eine
juristisch zwar scharfsinnige, aber doch nicht ganz plausible Argumentation, denn es
war schwer einzusehen, wie etwa die Stadt Oxford, die nicht einmal einen Hafen besaß, überhaupt Schiffe hätte stellen sollen. Zwei der fünf Richter, die Hampden recht
gaben, griffen denn auch gerade diesen Punkt auf und erklärten die Einziehung des
75
Die Vertreter der Krone operierten jedoch nicht nur mit dem Argument, ship
money sei gar keine Steuer, sondern auch - wie schon in den Debatten der
Jahre 1625-29 mit dem Prinzip salus publica suprema lex. D. h. auch, wenn
unter normalen Umständen Steuern vom Parlament bewilligt werden müßten,
so könne der König in Ausnahmefällen, wenn kein anderer Weg bleibe, das
Gemeinwesen zu retten, auch das Eigentum seiner Untertanen für Zwecke
der Verteidigung heranziehen, ohne die Zustimmung der beiden Häuser des
Parlaments einzuholen.51 Interessanterweise wurde dieses Argument von den
Anwälten Hampdens, St. John und Holborne, nicht in toto zurückgewiesen.
Beide gestanden dem König außerordentliche Vollmachten für den Notfall
zu. Nur müsse es rechtlich überprüfbare Kriterien für die Anwendbarkeit dieser Vollmachten geben, und nach diesen Kriterien stelle die bloße Möglichkeit einer Bedrohung im Gegensatz zu einer unmittelbar bevorstehenden Invasion für die Erhebung außerordentlicher Abgaben keine ausreichende
Grundlage dar. 52 Freilich wurde damit dem Gericht die Aufgabe übertragen,
die letzten Endes nicht juristische, sondern politische Frage zu entscheiden,
ob eine wirkliche Ausnahmesituation vorliege. Die Richter behalfen sich
zum Teil damit, einfach festzustellen, allein dem König stehe die Kompetenz
zu, über den Ausnahmezustand zu entscheiden. Einige der Richter gingen jedoch weiter und bestätigten ausdrücklich, daß die außenpolitische Lage eine
hinreichende Rechtfertigung für Abwehrmaßnahmen jeder Art sei. 53
Der ship money-Prozeß wurde zu einer Niederlage für beide Seiten. Der König hatte sich zwar durch die Mehrheit seiner Richter die Legalität der Abgabe bestätigen lassen, aber zum einen war die Mehrheit so knapp gewesen,
daß in der Öffentlichkeit die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Schiffsgeldes eher zunahmen, zum anderen machte gerade die gerichtliche Bestätigung
der neuen Abgabe jedermann deutlich, daß das Schiffsgeld keine Ausnahmemaßnahme, sondern eine dauerhafte Steuer sein würde. Daß aber wieSchiffsgeldes für unzulässig, da die Art seiner Verwendung es faktisch doch zu einer
Steuer mache (RUSSELL, Bramston and Davenport). Zur Bewertung der Argumente
im Prozeß siehe jetzt auch BURGESS, Politics, S. 205-211, und SHARPS, Personal
Rule, S. 717 ff.
51
State Trials III, Sp. 926 (Littleton), 1065 (Bankes).
52
S t . John, State Trials III, Sp. 881 f. und Holborne, ebd., Sp. 1012 f.; vgl. KEIR, Shipmoney, S. 558 f., mit etwas anderer Akzentuierung.
53
Berkeley (State Trials III, Sp. 1098) betonte, der König allein könne darüber urteilen, wie groß die Gefahr sei. Sir Francis Weston akzeptierte die Existenz eines
Notstandes, 1. weil der König dies selber bezeuge, und 2., weil die Gefahr jedermann sichtbar sei (ebd., Sp. 1067 ff., Finch betonte ebenfalls, daß die Gefahr allen
sichtbar sei (Sp. 1234; vgl. KENYON, Constitution, S. 103).
76
derum verstärkte die Zweifel daran, ob wirklich noch die Sicherheit des Privateigentums gewährleistet war. Dies hatten die Richter, die für den König
entschieden, zwar versichert, aber ihnen war es mißlungen, für die Notstandsgewalt des Königs eine klare rechtliche Grenze zu zeigen.54
Auf der anderen Seite zeigte das Urteil denjenigen, die gehofft hatten, im
Recht ein Bollwerk gegen alle Übergriffe der Prärogativgewalt auf das private Eigentum zu finden, daß der König im Zweifelsfall fast immer eine
Mehrheit der Richter auf seiner Seite finden würde; nicht nur, weil die Richter von ihm gegebenenfalls entlassen werden konnten, sondern auch, weil die
Rechtslage nicht eindeutig war, und die Richter dazu neigten, der alten
Maxime zu folgen 'in dubio pro rege presumendum est' - im Zweifelsfall ist
der für den König günstigsten Interpretation zu folgen.55 Wenn alle anderen
Argumente versagten, so konnte der König immer noch auf die Notwendigkeit und salus populi verweisen - ein Argument, das mit juristischen Interpretationen schwer zu entkräften war, da es ja gerade darauf abzielte, alle
rein juristischen Argumentationsmuster zu transzendieren.
Im Kurzen Parlament von 1640 und zu Beginn des Langen Parlamentes
wurde das Urteil von 1638 jedoch trotzdem in ganz traditioneller Weis kritisiert. Die Richter der Exchequer Chamber hatten betont, daß das individuelle
Eigentumsrecht in letzter Instanz durch die Forderungen der Staatsräson und
durch Verpflichtungen gegenüber anderen Mitgliedern des Staatswesens beschränkt sei; es habe nicht nur jedermann ein Eigentumsrecht an dem, was er
besitze, sondern auch "a property in general in another man's goods, for the
common good, and all private property must give way to the public".56 1640
/41 wurde von den Kritikern der Entscheidung von 1638 hervorgehoben, daß
keine wie immer geartete politische Notwendigkeit die Rechts- und Eigen54
Zu den Auswirkungen des Prozesses: E. S. COPE, Politics without Parliament, 16291640, L o n d o n 1987, S. 1 1 9 - 1 2 1 , u n d SHARPE, P e r s o n a l R u l e , S. 7 2 8 - 7 3 0 .
55
Der Richter Crawley führte diese Maxime ausdrücklich an (State Trials III, Sp. 1085
f.) sie entsprach in der Tat der Tradition der englischen Rechtsprechung, in die sich
das Urteil überhaupt sehr viel harmonischer einordnete, als die Abgeordneten des
Langen Parlamentes später wahr haben wollten ( KEIR, Ship-money, S. 573 f.; vgl.
JONES, Bench, S. 126). Keir weist daraufhin, daß die Urteile von Hutton und Croke
die die außerordentlichen Vollmachten des Königs im Notfall auf ein Minimum reduzieren wollten, mit der traditionellen Verfassung Englands kaum in Übereinstimmung waren.
56
Zitiert bei M. MENDLE, The ship money case, The case of Shipmony, and the development of Henry Parker's parliamentary absolutism, in: HistJ 32 (1989), S. 513536, hier S. 520, nach State Trials III, Sp. 1225 und 1231.
77
tumsordnung in Frage stellen könne. 57 Für die Parlamentarier war das individuelle Recht auf Eigentum allen Gesichtspunkten des Gemeinwohls und der
Staatsräson übergeordnet.
Wie sich bald genug zeigen sollte, verfehlte ein derart strikter Legalismus jedoch die politischen Realitäten. Es gab denn auch einzelne Publizisten, die in
Vorwegnahme der Argumente des Bürgerkrieges den Streit um das Schiffsgeld nicht mehr als einen juristisch entscheidbaren, sondern als einen politischen Konflikt auffaßten, in dem es um die Grundlagen der englischen Verfassung ging. Dies gilt vor allem fur Henry Parkers 1640 veröffentliches
Pamphlet The Case of Shipmony.58 Parker griff die Argumente der Vertreter
der Krone und der Richter, die dem König Recht gegeben hatten, auf und
kehrte sie gegen den König selbst. Er ordnete wie diese das Eigentum und
das positive Recht einschränkungslos dem Gemeinwohl unter: "rather that a
nation shall perish, any thing shall be held necessary and legal by necessity." 59 Die Kompetenz über den Ausnahmezustand, der eine Abweichung
vom überkommenen Recht und eine Verletzung des privaten Eigentums erlaubte, zu entscheiden, sollte freilich beim Parlament liegen; implizit in letzter Instanz sogar nur beim Oberhaus und Unterhaus, ohne Beteiligung des
Königs. Parker legte die Grundlagen für die 1640 noch ungewöhnliche Theorie der Souveränität des Parlamentes, die er und eine Reihe anderer Autoren
später nach Beginn des Bürgerkrieges zu ihrer vollen Konsequenz entwikkeln sollten, 60 während der König seit 1641/42 das Parlament durch Streit57
M E N D L E , S h i p m o n e y , S. 5 2 0 f.; vgl. E. S. COPE u n t e r M i t a r b e i t v o n W . H. COATES
58
59
(Hg.), Proceedings in the Short Parliament of 1640, (Camden Society Publications,
4. Folge, XIX) London 1977, S. 127, 185, 196, 208 f.
Zu Parkers Person und seiner Verbindung mit dem oppositionellen Lord Saye and
Sele: M. MENDLE, Dangerous Positions, Mixed Government, the estates of the Realm
and the Answer to the XIX Propositons, Tuscaloosa, Alabama 1985, S. 128-134;
DERS., Henry Parker, The Public's Privado, in: SCHOCHET, Religion, S. 151-178, und
DERS., Ship money, S. 520. Lord Saye war Parkers Onkel. Vgl. ferner: W. K. JORDAN, Men of substance: A study of the thought of two English revolutionaries, Henry
Parker and Henry Robinson, Chicago 1942; M. A. JUDSON, Henry Parker and the
theory of parliamentary sovereignty, in: C. WITTKE (Hg.), Essays in history and political theory in honor of Charles Howard Mcllwain, Cambridge, Mass. 1936, S.
138-167.
H E N R Y PARKER, T h e C a s e o f S h i p m o n y [1640], N a c h d r u c k A m s t e r d a m 1976, S. 7.
60
Z u r Verbreitung dieser Theorien und zu Parkers Bedeutung: R. TUCK, Natural Rights
T h e o r i e s , C a m b r i d g e 1979, S. 9 9 - 1 0 4 , 146 f.,150 f.; ALLEN, T h e o r y I, S. 4 2 4 - 4 8 1 . ;
GOUGH, F u n d a m e n t a l L a w , S. 8 0 - 9 7 , WESTON/GREENBERG, S u b j e c t s , S. 35 ff.;
JUDSON, Parker, und zuletzt M. MENDLE, Parliamentary sovereignty: a very English
absolutism, in: N. PHILLIPSON/Q. SKINNER (Hg.), Political Discourse in Early Modern
Britian, Cambridge 1993, S. 97-119, bes. S. 99 f.
78
Schriften bekämpfte, in denen er betonte, er sei der wahre Verteidiger der bestehenden Verfassung, des Rechtes und der Eigentumsordnung.61
V.
Aus der Auseinandersetzung über die Grenzen zwischen Prärogativgewalt
und Eigentum, die 1606 mit Bate's Case begonnen hatte, war am Ende ein
Souveränitätskonflikt geworden, in dem sich die ursprünglichen Fronten verkehrten. Diese Verkehrung der Fronten war freilich so überraschend nicht,
denn trotz aller Konflikte im Einzelnen sprachen die Verteidiger der Prärogative und die Anwälte des unantastbaren Eigentumsrechtes der Untertanen
doch durchaus die gleiche Sprache, mochten sie auch die Akzente unterschiedlich setzen. Dies erklärt auch, warum so viele Juristen und Männer des
politischen Lebens so leicht den Übergang von der Seite des Königs auf die
Seite seiner Kritiker fanden und umgekehrt.62
Daß aus bloßen Unterschieden in der Akzentuierung von Werten, die beide
Seiten anerkannten, am Ende ein offener Konflikt wurde, war vor allem auf
zwei Umstände zurückzuführen: Die ständig wachsenden finanziellen Bedürfnisse des Staates machten eine Reform der Steuerverfassung unabweisbar notwendig. Doch konnten sich König und Parlament weder 1610 noch
später auf eine einvernehmliche Modernisierung des Finanzwesens einigen.
Auf dem Kontinent, oder doch zumindest in vielen deutschen Territorien
war eine solche Modernisierung zumindest teilweise gelungen, weil die
Stände selber an der Verwaltung der Steuern beteiligt waren. Dem in dieser
Hinsicht weit schwächeren englischen Parlament fehlte eine eigene Finanzverwaltung und umso mehr befürchtete man, daß durch eine Erhöhung der
beständigen Einnahmen der Krone das Parlament als Institution überflüssig
werden würde.
61
Siehe R. ASHTON, Form Cavalier to Roundhead Tyranny, in: J. MORRILL (Hg.), Reactions to the English Civil War, London 1982, S. 185-207, hier S. 186 f.; vgl. J.
SANDERSON, But the People's Creatures. The philosophical Basis of the English Civil
War, Manchester 1989, S. 67-72.
62
Beispiele bieten Thomas Wentworth, Earl of Strafford, der aus einem Vorkämpfer
für die Petition of Right zu einem der Paladine des persönlichen Regimentes Karls I.
wurde, ebenso wie Sir Edward Coke, der unter Jakob I. den umgekehrten Weg vom
Privy Councillor zum parlamentarischen Kritiker der herrschenden Hoffaktion ging.
Einer der eklatantesten Fälle ist aber der des Kronanwaltes der frühen 1630er Jahre
William Noy. Siehe W. J. JONES, 'The great Gamaliel of the law. Mr. Attorney
Noye', in: Huntington Library Quarterly 40 (1977), S. 199-226; DERS., Politics and
the Bench, S. 92-95.
79
Die aus dem Kampf des Königs um eine Erhöhung der Einnahmen entstehenden Konflikte wurden verschärft durch jene Fortschritte in der Rechtskultur, die auf anderen Gebieten einen so wesentlichen Beitrag zum inneren
Frieden der englischen Monarchie leisteten,63 obwohl beide Seiten sich gerade vom Recht eine Lösung des Konfliktes zwischen prerogative und
property erwarteten. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden altüberkommene
informelle Herrschaftspraktiken zunehmend durch institutionalisierte
Verwaltungsstrukturen ersetzt, und an die Stelle gelegentlicher finanzieller
Notbehelfe der Krone traten in Rechtsform vollzogene administrative Maßnahmen. Mochte es unter Elisabeth noch akzeptiert worden sein, wenn die
Königin im Kriegsfall ihren Untertanen gelegentlich besondere Lasten aufbürdete, so stieß es doch auf Widerstand, wenn daraus ein gerichtlich bestätigter allgemeiner Rechtsanspruch der Krone auf außerparlamentarische Abgaben wurde. Den rechtlich verfestigten Ansprüchen der Krone wurden nun
ebenso starre Rechtsprinzipien zum Schutze von Eigentum und Freiheit
entgegengesetzt. Imperium und Dominium, prerogative und property
gerieten im frühen 17. Jahrhundert in Konflikt, weil gerade in einer Zeit, als
neue finanzielle Bedürfnisse der Krone die Grenzen zwischen beiden
Sphären besonders fließend werden ließen, die Verrechtlichung politischer
Strukturen das Streben nach einer klaren rechtlichen Abgrenzung der beiden
Bereich stärker denn je hatte werden lassen.
63
Zum Wandel der politischen Kultur und der gestiegenen Bedeutung des Rechtes
siehe STONE, Crisis, S. 234 ff.; M. JAMES, English politics and the concept of honour,
in: DERS., Society, Politics and Culture, Cambridge 1986, S. 308-415 sowie DERS.,
At a crossroads of political culture. The Essex revolt, 1601, ebd., S. 416-445. James
kommt zu dem Schluß: "The dissidents of the Long Parliament gave precedence not
to the language of honour but of law and religion; the terminology of Tudor conformity and social wholeness had been adapted to the needs of dissidence". (At a
crossroads, S. 465). Zur Bedeutung des Rechtes des Ideals des Rule of Law siehe
auch W. PREST, The Rise of the Barrister. A Social History of the English Bar 15901640, Oxford 1986; BURGESS, Politics; J. G. A. PococK, The Ancient Constitution
and the Feudal Law, Cambridge 2 1987, und C. RUSSELL, The Causes of the English
Civil War, Oxford 1990, S. 131 ff., sowie C. BROOKS/K. SHARPE, History, English
law and the Renaissance, in: K. SHARPE, Politics and Ideas in Early Stuart England,
London 1989, S. 174-181. Vgl. jedoch die Einwände gegen eine Überbewertung der
steigenden Häufigkeit von Prozessen von C. BROOKS, Pettyfoggers and Vipers of the
Commonwealth: The 'Lower Branch' of the Legal Profession in Early Modern England, Cambridge 1986, S. 48-76, 90-109.
80
HELGARD FRÖHLICH
Parlament und "Property" in den Verfassungsvorstellungen
am Beginn des 17. Jahrhunderts
Als Karl I. 1640 nach einähriger parlamentsloser Regierung das Kurze Parlament einberufen mußte, trug John Pym, einer der bedeutendsten Parlamentsführer, die Beschwerden der Opposition vor. In seiner berühmten Rede
vom 17.4.1640 subsumierte er diese unter drei Hauptpunkte: "First greevances against the priviledges and liberties of Parliament. Secondly innovations
in matters of religion. Thirdly greevances against the free propriety of our
goods".1 Im 3. Hauptpunkt, der Eigentums fragen direkt berührte, wurden
Steuererhebungen ohne parlamentarische Zustimmung, Monopol vergäbe,
Tonnen- und Pfundgeld, Schiffsgeld und ähnliche Mißbräuche angeprangert.
Nur wenn diese politischen, religiösen und ökonomischen Forderungen von
der Krone erfüllt würden, stellte die parlamentarische Opposition die Bewilligung der fur Karl I. so wichtigen Subsidien in Aussicht. Aus der Erfahrung
früherer Parlamente war klar, daß die Sicherung der durch das Parlament
vertretenen Eigentümerinteressen nur realisiert werden konnte, wenn es gelang, dem Parlament als Faktor der politischen Mitbestimmung auf Dauer
verfassungsrechtliche Geltung zu verschaffen.
Insofern besteht in der englischen Revolution ein enger Konnex der politisch-institutionellen, ökonomischen, religiösen Aspekte und Aufgaben.2
1
2
E. S. COPE/W. H. COATES (Hg.), Proceedings of the Short Parliament of 1640
(=Camden Fourth Series, vol. 19, Royal Historical Society), London 1977, S. 254.
Die Autorin teilt die Auffassung, daß die Ursachen und Wirkungen der englischen
Revolution besonders im politisch-institutionellen Bereich angesiedelt sind und hält
daher den Begriff der Verfassungs- oder Staatsrevolution fur nicht unberechtigt. So
formuliert z.B. von H.-C. SCHRÖDER, Die amerikanische und die englische Revolution in vergleichender Perspektive, in: H.-U. Wehler (Hg.), 200 Jahre amerikanische
81
Ideen, Rechts- und Verfassungsvorstellungen müssen daher einerseits im
engen Zusammenhang mit den sozialen und ökonomischen Strukturen gesehen werden. Das heißt, daß sie letztlich auch in Beziehung zu bestimmten
Eigentümerinteressen, die sich im Parlament manifestierten, in Beziehung zu
setzen sind. Andererseits unterliegt die Entwicklung von Ideen eigenen Gesetzen, können sie auch als relativ selbständige historische Kräfte wirken, die
nur letztlich und nicht unmittelbar von ökonomischen Strukturen bestimmt
werden.
Lawrence Stone hat - allerdings 1972 vor den Debatten um die
"revisionistische" Neuinterpretation der englischen Gesellschaftsentwicklung
in der Frühneuzeit - den breiten Konsens zwischen Historikern verschiedener
Richtungen und Schulen konstatiert, Verfassungen als Widerspiegelung der
Verteilung von politischer und ökonomischer Macht, d.h. bestimmter Kräftekonstellationen und daraus resultierender Interessen, zu erfassen.3 VorstelRevolution und moderne Revolutionsforschung, (^Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 2), Göttingen 1976, S. 32. Siehe auch H. Klenner, John Locke und der
Formierungsprozeß der politischjuristischen Standardtheorie des Bürgertums
(^Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, Ges.-wiss. Reihe Jg.
1979, Nr. 10/G7), Berlin 1979, S. 12. Mit Blick auf einen Revolutionsbegriff, der
Revolution als Gesamtheit der qualitativen Umgestaltung der Gesellschaft, also
sowohl der ökonomischen, sozialen, politischen, religiösen, kulturellen Umgestaltung faßt möchte ich den engen Zusammenhang betonen zwischen den seit Ende des
15. Jhs. vor sich gehenden sozial-ökonomischen Veränderungen in England und der
Politischen Revolution im 17. Jh. Diese wird m.E. entscheidend durch die z.T. schon
vor sich gegangenen Eigentumsveränderungen, etwa durch die Säkularisation der
Kirchenländer während der Reformation, präfiguriert. In der Revolution selbst
kommt es, wie Schröder betont, nur zu geringen Umverteilungen von Grundbesitz.
Ihre Aufgabe ist mehr die politisch-institutionelle Sicherung der Eigentümerinteressen, nachdem agrarkapitalistisch-marktorientierte Landlords sowie das Handelsbürgertum bereits im 16. Jh. einen gewissen ökonomischen Durchbruch erzielt hatten.
Die ökonomische Vorentscheidung zugunsten dieser Gruppen, die von marxistischen
Historikern als neuadlig-bürgerliche Klassenkräfte bezeichnet werden, engte die
Realisierungschancen kleinbäuerlich-demokratischer Agrarprogramme in der Revolution von vornherein ein oder führte dazu, daß Forderungen nach weitgehenden
Eigentumsveränderungen wie nach einer stärkeren rechtlichen Absicherung der
copyholder bzw. auch nach Aufhebung dieser Leiheform oder nach Abschaffung des
Zehnten weniger nachdrücklich formuliert wurden. Vgl. dazu E. KROSS, Revolution
und Reform bei der bürgerlichen Umwälzung in England 1640-1832. Ein Beitrag zur
Debatte um die Wegeproblematik, phil. Habil. Leipzig 1989. Insofern ist die englische Revolution im wesentlichen eine Revolution, deren soziale Komponente vor
allem, aber nicht ausschließlich in der Sicherung der dominanten Eigentumskonstellation liegt, wie sie sich vor der politischen Revolution herausgebildet hatte.
3
Vgl. L. STONE, Ursachen der englischen Revolution 1529-1642, (1972), Frankfurt
a.M./Berlin/Wien 1983, S. 55 ff. Zur historiographischen Bedeutung Lawrence Sto-
82
lungen von politischer Machtverteilung müssen jedoch in die historischen
Traditionen des jeweiligen Landes eingeordnet werden. Gerade in England
gilt es, das Rechtsdenken, religiöse Entwicklungen, kulturelle Werte und den
Bildungshintergrund derer zu berücksichtigen, die zum Verfassungsdiskurs
beitrugen.
1.
Gerade mit Blick auf das Vorfeld der Französischen Revolution ist vergleichend immer wieder festgestellt worden, daß die Gegner der absoluten
Stuartmonarchie erst nach Ausbruch der Revolution die Souveränitätsansprüche des englischen Parlaments und damit Vorstellungen über eine Verfassungsänderung klar formuliert haben.4 Vor 1640 herrschte in parlamentarischen und royal istischen Verlautbarungen, politischen und theoretischen
Traktaten verschiedener Couleur die Meinung vor, England sei der Jahrhunderte alten Tradition folgend, eine göttlich sanktionierte "mixed monarchy",
in der das Common Law als von den Vorvätern ererbtes Recht über den Einzelelementen der Verfassung stehe. Diese "fundamental laws" bilden den
Rahmen des Agierens von König, Parlament und Gerichten und würden gleichermaßen die Rechte der Krone und life-liberty-estate der Untertanen sichern.5 Der damit aufgeworfene Grundgedanke weist bereits auf das zentrale
4
5
nes vgl. u.a. D. CANNADINE, Elite History, in: DERS., The Pleasures of the Past, London/Glasgow 1990, S. 194-205. Zur Revisionismusdebatte vgl. u.a. P. WENDE, Revisionismus als neue Orthodoxie? Parlament und Revolution in der modernen englischen Historiographie, in: HZ 246 (1988), S. 89 ff., und E. HELLMUTH, Die englische
Revolution in revisionistischer Perspektive, in: GuG 15 (1989), S. 441-454. Der eher
pauschal-generalisierende revisionistische Historiker Jonathan Clark wirft sowohl
Whighistorikern als auch marxistischen Historikern ein "economic reductionist and
teleological model" vor. J. CLARK, Revolution and Rebellion. State and society in
England in the seventeenth and eighteenth centuries, Cambridge 1986, S. 6-23, zit.
S. 10.
Vgl. C. HILL, Intellectual Origins of the English Revolution, Oxford 1965, S.287 f.;
H. KLENNER, Let Reason be the Judge. Vernunft als Legitimation von Macht in der
englischen Revolution des 17. Jahrhunderts, in: M. BUHR/W. FÖRSTER (Hg), Aufklärung-Gesellschaft-Kritik, (= Studien zur Philosophie der Aufklärung, Bd. 1), Berlin
1985, S. 48.
Diese Vorstellungen wurden zurückprojiziert in die Zeit der großen englischen
Rechtsdenker des 13.-15. Jhs., Henri de Bracton und Sir John Fortescue, vgl. insgesamt dazu: K. KLUXEN, Englische Verfassungsgeschichte. Mittelalter, Darmstadt
83
Anliegen der Sicherung von bestehenden Eigentümerinteressen hin, welches
dann in den Verfassungsdiskussionen nach 1640 offenbar wird.6
Allerdings ist zu bedenken, daß sich das 17. Jh. im Vorfeld jener Zeit bürgerlicher Emanzipationsbestrebungen befindet, die mit schriftlich fixierten
Verfassungsurkunden die Rechtsunsicherheit und feudale Willkürherrschaft
des Mittelalters überwinden hilft. Bis hinein ins 19. Jh. ist die Existenz
schriftlicher Verfassungsurkunden eine Ausnahme, die auf wenige Länder
beschränkt bleibt. Was Verfassung ist, ist also interpretierbar. Im Falle Englands wird dieser Umstand noch durch die Besonderheiten des angelsächsischen Rechtssystems verstärkt.
Wenn vor 1640 die Mehrheit der Engländer ihre Verfassungsrealität mit nahezu identischen Begriffen beschrieb, so bedeutet dies nicht, daß dieser
scheinbaren Harmonie der Verfassungstheorie vor 1640 eine harmonische
Verfassungsrealität entspricht. So sprengte Jakobs I. Werk "The True Law of
Free Monarchies" mit seinen unverhüllten, in Richtung kontinentalen Absolutismus weisenden Ansprüchen durchaus den Rahmen des "absolutism by
consent", wie er sich unter den Tudors herausgebildet hatte. Auch die 1610
von parlamentarischer Seite durch James Whitelocke vorgebrachten Forderungen nach legislativer Suprematie eines "king in parliament" signalisierten
eher das Ende der relativ harmonischen Verfassungsbeziehungen der Tudorzeit und die Zunahme einer konfrontativen Tendenz zwischen Krone und
parlamentarisch vertretenen Herrschaftseliten.
6
1987; Sir D. L. KEIR, The constitutional history of modern Britain, New York 1967;
vgl. P. WENDE, Vernunft und Tradition in der englischen Staatslehre der frühen Neuzeit, in: HZ 226 (1978), S. 317 ff. J. G. A. POCOCK, The ancient constitution and the
feudal law. A study of english historical thought in the seventeenth century, Cambridge 1957.
Der vorbereitende Einfluß calvinistischer Vertragstheorien, der monarchomachischen Tradition, des Baconschen Empirismus, der Ideen Macchiavellis und Bodins
soll deshalb nicht geleugnet werden. Vgl. besonders HILL, Intellectual Origins; U.
BERMBACH, Widerstandsrecht, Souveränität, Kirche und Staat: Frankreich und Spanien im 16. Jahrhundert, in: I. FETSCHER/H. MÜNKLER (Hg.), Pipers Handbuch der
politischen Ideen, Bd. 3, München/Zürich 1985, S. 101-162. F. RAAB, The English
Face of Macchiavelli, London/Toronto 1965; U. KRAUTHEIM, Die Souveränitätskonzeption in den englischen Verfassungskonflikten des 17 Jahrhunderts, Frankfurt a.M.
1977.
84
Margaret Judson hat nur oberflächlich betrachtet Recht, wenn sie feststellt:
In many, although not all respects, most royalists and parlamentarians
agreed in their ideas of the king's position and the subject's rights.
They both loved the law and tneir balanced polity. They both believed in parliament and its place in the English Commonwealth...Englishmen,
in short were broadly, united in their political
attitudes.7
Begriffe wie "mixed monarchy", "ancient constitution", "fundamental laws"
etc. wurden zwar von beiden Seiten argumentativ benutzt, doch zunehmend
mit verschiedenen Inhalten und Zielen verbunden. So hat Derek Hirst in
Auseinandersetzung mit Standpunkten der sog. Revisionisten darauf hingewiesen, daß "the use of the same metaphors does not, however, mean that the
same construction will be put on them."8
Symptomatisch fur die konfrontative Tendenz war, daß sie an einem fur die
"property"-Sphäre so wichtigen Punkt wie der Frage der Steuerbewilligung
aufbrach. Besondere Bedeutung kommt dabei dem politischkonstitutionellen
Streit um die Prärogativrechte des Königs zu. Unter Prärogativen verstand
man am Beginn des 17. Jhs. Sonderrechte des Königs, die er unabhängig von
der Mitwirkung des Parlaments zum Wohle des Staates einsetzen konnte.
Diese Sonderrechte bezogen sich sowohl auf seine Person (z.B. die Tatsache,
daß der Besitz des Königs von allen Abgaben und Steuern befreit war) als
auch auf Rechte, die in seiner Funktion als Haupt der Regierung lagen
(Einberufung, Vertagung bzw. Auflösung des Parlaments, Dispensation von
Gesetzen, Rechtsergänzung durch Proklamation).9 Nicht die Existenz solcher
Prärogativen wurde vom Parlament in Frage gestellt, sondern ihre Ausdeh7
8
9
M. A. JUDSON, The crisis of the constitution. An essay in constitutional and political
thought in England, 1603-1645, New Brunswick/New York 1949, S. 14; J. P. SOMMERVILLE, Politics and ideology in England, 1603-1640, London/New York 1986, S.
2. Darüber hinaus besonders J. W. ALLEN, English political thought 1603-1660, vol.
I, London 1938, S. 49 ff.
D. HIRST, Revisionism revised IL The Place of principle, in: PaP 92 (1981), S. 81.
Vgl. ferner zum mentalitätsgeschichtlichen Aspekt der seit 1625 zunehmenden verfassungspolitischen Konfrontationen D. UNDERDOWN, Reyel, Riot and Rebellion. Popular Politics and Culture in England 1603-1660, Oxford 2 1987, bes. S. 121-131.
Vgl. P. WENDE, Probleme der englischen Revolution, Darmstadt 1980, S. 24; G. A.
RITTER, Divine right und Prärogative der englischen Könige 1603-1640, in: HZ 196
( 1 9 6 3 ) , S. 5 9 6 .
85
nung auf Bereiche der "property"-Sphäre, die nach zeitgenössischem Verständnis life, liberty und estate 10 der Untertanen umfaßte. Eingriffe in die Eigentümerinteressen durch Zölle und Besteuerung gehörten zu den "ordinary
rights" des Königs, die nur mit Zustimmung des Parlaments wahrgenommen
werden konnten. Nur extra ordinem sollte der König seine Prärogativen gebrauchen können.
Dieser allgemeine rechtliche Grundsatz konnte jedoch den Interessengegensätzen zwischen Krone und Parlament nicht standhalten. Mit sinkenden feudalen Einnahmen der Krone häuften sich insbesondere seit der Thronbesteigung Karls I. Eingriffe in die "property "-Sphäre. Bate's Case (1606), Darnel's
Case (1627), der Shipmoney Case (1637-8) und andere Vorfalle machten die
zunehmenden verfassungspolitischen Differenzen transparent. Dennoch oder
gerade deswegen versuchte das englische Parlament 1628 mit der Petition of
Right den König rechtlich zu binden, seine legislativen Kompetenzen festzuschreiben sowie Oppositionelle vor willkürlicher Verhaftung zu sichern. Das
Experiment scheiterte. Die Petition of Right blieb ein "papierner Sieg".11 Die
Entscheidungen der vom König ernannten und absetzbaren Richter zeigten,
daß das Common Law als alleiniges Mittel zur Sicherung von Eigentümerinteressen untauglich war. Immer mehr drängte die Verfassungsrealität
den Theoretikern und Politikern die Frage auf, wer in einer "mixed monarchy" im Konfliktfall das oberste Entscheidungsrecht und das Recht "to declare and interprete the law" habe. Damit wurde durch die heranreifende
Konfliktsituation die Frage nach dem Ort der Souveränität im Staat gestellt.
Schon bald sollte sich zeigen, daß die Forderung nach Wiederherstellung der
"fundamental laws" und der "alten" Verfassung auf dem reinen Argumentationsweg nicht mehr zu realisieren war. Noch 1641/42 versuchte die Verfassungstheorie bestehendes Recht und Revolution, also Rechtsbruch12, in
10
Vgl. G. E. AYLMER, The meaning and definition of'property' in seventeenth-century
England, in: PaP 86 (1980), S. 87 ff. R. BRANDT, Menschenrechte und Güterlehre,
in: R, BRANDT (Hg), Rechtsphilosophie der Aufklärung, Berlin/New York 1982, S.
79 ff.
ll
P . WENDE, Geschichte Englands, Stuttgart 1985, S. 142. Den Klimawechsel nach der
Thronbesteigung Karls I. hat Conrad Russell überzeugend dokumentiert. Vgl. C.
RUSSELL, Parliaments and English Politics 1621-1629, Oxford 1979, bes. S. 422 f.
12
Vgl. H. KLENNER, Das Recht zur Revolution - die sozialphilosophische Quadratur
des Kreises?, in: ZGW 9 (1986), S. 771 ff.
86
Übereinstimmung zu bringen. Hermann Klenner charakterisiert diese Ausprägung politischer Theorie präzise folgendermaßen: "Das war noch die
mittelalterliche Denkungsart, den Fortschritt als Rückkehr zum Vergangenen
aufzufassen...Entwicklung nach vorn als reformatio, regeneratio, restauratio
zu autorisieren."13
Insgesamt läßt sich für die Mehrheit der Theoretiker und Politiker am Vorabend der Englischen Revolution ein sich tendenziell vertiefendes Auseinanderklaffen zwischen Verfassungstheorie und Verfassungsrealität konstatieren. Die Ursachen für diesen Umstand klangen mit dem Hinweis auf die in
der frühen Neuzeit nicht existierenden schriftlichen Verfassungen und die
Besonderheiten des englischen Rechtssystems bereits an. Sie begünstigten
das subjektive Wollen der parlamentarischen Opposition, die vorhandenen
Widersprüche in konservativen Bahnen zu lösen. Historiker haben diesen
Tatbestand immer wieder in die Formulierung des common-law-minded, insular, conservative Englishman 14 gefaßt. Interpretiert als Tendenz, gesellschaftlich notwendige Veränderungen bisherigen Rechtsformen möglichst
anzupassen - ohne also die qualitativen inhaltlichen Akzente der Veränderungen zu negieren - ist dem zuzustimmen.15
Darüber hinaus muß vom Historiker des 20. Jhs. immer wieder betont werden, daß im Denken und Fühlen der Menschen des 17. Jhs. die monarchischen Traditionen fest verwurzelt waren, auch wenn tendenziell der sich
ausbreitende Puritanismus mit seinen Überlegungen zu demokratischen Formen des Kirchenaufbaus den Boden fur die Herausbildung revolutionärer
Theorien des Staatsaufbaus lockerte.
13
DERS., John Locke, S. 5. Vgl. dazu auch K. GRIEWANK, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff. Entstehung und Entwicklung, Frankfurt a.M. 2 1969, bes. S. 123-142.
D . HIRST, Authority and conflict, England 1603-1658, London 1986, S. 86.
15
U.a. haben sich folgende marxistische Historiker mit der Dialektik von Revolution
und Reform in der englischen Geschichte der Neuzeit beschäftigt: G. SCHILFERT,
Bürgerliche Revolution und Reform in England (1640-1832), in: M. KOSSOK (Hg.),
Studien zur vergleichenden Revolutionsgeschichte 1500-1917, Berlin 1974, S. 53 ff.;
KROSS, Revolution und Reform. Eric J. Hobsbawm hat - in einer zu wenig
beachteten These - als Charakteristikum der englischen Gesellschaftsentwicklung
"die Aufrechterhaltung der Formen alter Institutionen bei völlig verändertem Inhalt"
bezeichnet.
Vgl.
E.
HOBSBAWM,
Industrie
und
Empire.
Britische
Wirtschaftsgeschichte seit 1750, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1969, S. 16.
14
87
Als weitere Ursache für die Verzögerung revolutionärer verfassungstheoretischer Vorstellung hat Christopher Hill die Tatsache angeführt, daß die Regierungspolitik der Stuarts in den Jahrzehnten vor der Revolution nicht einen
sich kontinuierlich steigernden Konfrontationskurs verfolgte. Taktische und
tatsächliche zeitweilige Beruhigungen des politischen Klimas, so etwa am
Beginn der 30er Jahre des 17. Jahrhunderts,16 nährten die Hoffnung, daß die
Ursachen für die politischen Differenzen vor allem in den schlechten Ratgebern des Königs im Privy Council und am Hof zu suchen seien. Der Glaube
an die Schuld der schlechten Ratgeber (Laud, Strafford u.a.), die vor allem
auch im Zusammenhang mit der "popish party" gesehen wurde, nährte die
Hoffnung, die gestörte Einheit zwischen King und people im Rahmen der
"alten" Verfassung wiederherstellen zu können. Die Steuerpolitik der 30er
Jahre, die darauf gerichtet war, der Krone ohne Einberufung des Parlamentes
die notwendigen finanziellen Ressourcen zu verschaffen, spitzte die politische Krise in den 30er Jahren jedoch so zu, daß es innerhalb der alten Verfassung objektiv keine Lösung mehr gab.
II.
Die Widersprüche brachen offen auf, als Karl I. wegen des Schottlandkrieges
nach 11 Jahren im April 1640 ein neues Parlament berufen mußte. Dieser offene politische Krisenausbruch initiierte einen Wandel im verfassungstheoretischen Denken, aber dieser Wandel vollzog sich nicht als "radical disjuncture in political thinking"17, - wie von revisionistischer Seite erklärt wird
16
Vgl. K. SHARPE, Crown, Parliament and Locality: Government and Communication
in Early Stuart England, in: EHR 101,1 (1986), S. 343. Wenn ich auch die Schlußfolgerungen der Revisionisten in dieser Frage nicht teile, so besteht m.E. ihr Verdienst u.a. gerade darin, zur Relativierung des "high road to civil war" beigetragen
zu haben und neben der Kontinuität die Diskontinuität der Ursachenentwicklung (das
allerdings in anderer Richtung einseitig) betont zu haben. Vgl. dazu etwa RUSSELL,
Parliaments and Politics, S. 417-433. Zur revisionistischen These des
unwillentlichen "Hineinschlidderns" in den Bürgerkrieg vgl. vor allem A. FLETCHER,
The Coming of War, in: J. MORILL (Hg.), Reactions to the English Civil War,
1642-49, London 1982, S. 29-50, sowie A. FLETCHER, The Outbreak of the English
Civil War, London 1981.
17
M i t dieser Feststellung zieht Robert Eccleshall die logische Schlußfolgerung aus der
revisionistischen These, daß es vor 1640 keine entscheidenden Widersprüche zwischen König und Parlament gegeben habe und es sich bei der Revolution um einen
88
- sondern als ein allmählicher Prozeß parallel zu den revolutionären
Veränderungen auch als Erfordernis, diese zu rechtfertigen. Erst allmählich
wurden die Argumentationsmuster der Berufung auf althergebrachtes
"fundamental law" oder göttliche Autorität durch das Argument der
menschlichen Vernunft ersetzt - und auch das nie total. 18 Allmählicher
Theorienwandel heißt indes nicht, daß die Verfassungswirklichkeit nicht ab
1640 entscheidend, wenn auch ebenfalls Schritt für Schritt, geändert wurde
und hinter der "Fassade der Legalität" die Revolution begann. Hinter immer
wieder betonter juristischer Kontinuität vertiefte sich historische
Diskontinuität.19
In der schon erwähnten Rede vom 17.4.1640 gestand John Pym in "tymes of
extreame danger and necessitie" der Krone ein Recht zu, außerhalb der durch
das Common Law vorgegebenen Präzedenzien zu handeln. Auch der Grundsatz "the king can do no wrong" wurde aufrechterhalten und
"misinformacion" durch die Ratgeber zu einer der Ursachen der Mißstände
erklärt. Denn zu diesem Zeitpunkt war Pym noch nicht der Meinung, daß das
Parlament versuchen müsse, Einfluß auf die Regierung, etwa durch Auswahl
der Privy Councils, zu nehmen. Die Äußerung, daß die Privy Councillors die
"lights of the Realme" sein müßten, blieb Allgemeinplatz.20 Indes hing von
der Beseitigung der Beschwerden der Opposition und der konstitutionellen
Sicherung der Interessen der im Parlament vertretenen Eigentümer ab, ob
und in welchem Umfang man die finanziellen Forderungen der Krone unterstützte. Pym beklagte nicht nur, daß "inferiour courts" sich Entscheidungen
anmaßten, die nur dem "High Court", dem Parlament zustünden, sondern
auch, daß der König ohne Einwilligung des Parlaments in die Eigentumsrechte der Untertanen eingegriffen habe.
plötzlichen Zusammenbruch, ausgelöst vor allem durch äußere Ereignisse, gehandelt
habe. R. ECCLESHALL, Order and reason in politics. Theories of absolute and limited
monarchy in early modern England, Oxford 1978, S. 153.
18
Vgl. P. WENDE, Vernunft und Tradition in der englischen Staatslehre der frühen
Neuzeit, in: HZ 226 (1978), S. 324 ff., S. 330.
19
Vgl. DERS., Probleme der englischen Revolution, S. 63; KLENNER, Let Reason be the
Judge, S. 51.
20
Vgl. Proceedings of the Short Parliament, S. 254.
89
Die Forderung Sir Benjamin Rudyards "to take it into consideration how to
remove so ill Councellour from about him" 21 , blieb zunächst eine Überlegung, die den Gesamttenor des Parlaments, die Sicherung bzw. Wiederherstellung der bisherigen konstitutionellen Positionen nicht wesentlich beeinflußte. Erst die erneute Auflösung des Parlaments, die damals verbreitete und
nicht unbegründete Angst vor einer katholischen Verschwörung bzw. davor,
Truppen aus dem schottischen Krieg könnten gegen die Opposition eingesetzt werden, veranlaßte diese Opposition in dem im November zusammengetretenen Langen Parlament entschiedener aufzutreten. In seiner Rede vom
7.11.1640 formulierte Pym nun, daß es, um den beabsichtigten Umsturz in
Kirche und Staat zu verhindern, u.a. nötig sei, jene zur Verantwortung zu
ziehen, denen der König vertraue.22 In welch unmittelbare Nähe dabei die
konstitutionellen Fragen und der Schutz der Eigentümerinteressen auch von
den Zeitgenossen gerückt wurden, wird in einer Parlamentsrede von Denzil
Holies deutlich. Holies verband die Angriffe auf die "schlechten" Ratgeber
mit dem Hinweis, daß deren Agieren im wesentlichen die Eigentum sinteressen der Untertanen schädige. "These Counsels cross our designs,...they make
us to be not Masters of our Business and so not Masters of our Money".23
In logischer Konsequenz folgten nun entschiedenere Schritte der parlamentarischen Opposition zur Entfernung der "schlechten" Ratgeber aus ihrem Amt.
Auch dieses Ziel versuchte man zunächst auf legalem Weg im Rahmen der
bisherigen Verfassung zu realisieren. So wurde am 11.November 1640 der
Antrag eingebracht, den Earl of Strafford mittels Impeachment anzuklagen.
Dieses am Beginn des 17. Jhs. wiederbelebte Verfahren wurde nun angewandt, um den Ersten Minister und dann weitere wichtige hohe Staatsbeamte
der Krone rechtlich zur Verantwortung zu ziehen.
21
Vgl. ebd., S. 225.
J . P. KENYON (Hg.), The Stuart Constitution. Documents and Commentary, Cambridge 1976, S. 205.
23
The Parliamentary or Constitutional History of England. From the earliest Times to
the Restoration of King Charles II., vol. IX, London 1763, S. 297.
22
90
III.
In den nächsten Monaten ging das Parlament sehr energisch daran, seine verfassungsmäßige Stellung zu sichern und auszubauen. Dies allerdings stets
unter Hinweis darauf, alte Rechte und Freiheiten zu sichern. Am 15.2.1641
wurde der Triennial Act erlassen, der das regelmäßige Einberufen des Parlaments festschrieb und selbst für den Fall vorsorgte, daß die Ausschreibung
nicht rechtzeitig erging. Durch den Act vom 10.5.1641 wurde das Parlament
dann unwiderruflich als permanenter Bestandteil der Verfassung gesichert.
Von nun an konnte es selbst über seine Vertagung oder Auflösung entscheiden. Auch die Abschaffung der königlichen Prärogrativgerichtshöfe (Court
of Star Chamber, Court of High Commission im Juli 1641) stellte einen erheblichen Eingriff in königliche Sonderrechte dar und stärkte die legislativen
Befugnisse des Parlamentes.
Ausdrücklich hieß es im "Act for the Abolition of the Court of Star Chamber", daß weder seine Majestät noch seine Privy Councillors "have or ought
to have any jurisdiction, power or authority by English bill, petition, articles,
libel, or any other arbitrary way whatsoever, to examine or draw into
question, determine or dispose of the lands, tenements, hereditaments, goods
or chattels of any of the subjects of this kingdom, but that the same ought to
be tried and determined in the ordinary Courts of Justice and by ordinary
course of the law." 24 Der König wurde an den "ordinary course of the law"
gebunden und zwar ausdrücklich überall dort, wo die Eigentums Sphäre der
Untertanen berührt war. In dieser Sphäre war die Zustimmung des Parlaments zwingend notwendig. Deshalb wurde am 7.8.1641 auch die Erhebung
des Schiffsgeldes als gegen "the right of property, the liberty of the subjects"
verstoßend und damit als "unlawful and void" erklärt.25
Es ging indes nicht nur um Sicherung des Parlaments als Faktor der legislativen Machtausübung und die Beschneidung der Möglichkeiten der Krone,
über Sondergerichte die Rechte des "Highest Court of Parliament" zur
Rechts interpretation zu umgehen. Die großen politischen Streitigkeiten
24
S. R. GARDINER, The constitutional documents of the puritan revolution, 1625-1660,
Oxford 1906, S. 183.
25
Ebd., S. 189 ff.
91
konnten letztlich nur beigelegt werden, wenn es dem Parlament auch gelang,
direkten Einfluß auf die Regierung des Königs zu nehmen. Im Frühjahr 1641
scheiterte das Projekt der Krone, durch Aufnahme einiger oppositioneller
Parlamentarier in den Privy Council dieser Tendenz entgegenzuwirken. Zu
einem Bruchpunkt des Vorgehens in dieser Frage wurde das gegen Strafford
laufende Impeachment. Entsprechend dem bisherigen Argumentationsschema lautete die Anklage gegen Strafford vom 28.1.1641 auf "high treason
against our sovereign lord the King, his Crown and Dignity..."26 Die Beweisführung, die immer am hypothetischen Grundsatz festhielt, "the king can do
no wrong", scheiterte aber an der Beweislage, die dafür sprach, daß Strafford
im Auftrage Karls gehandelt hatte. Nach langem Hin und Her mußte das Impeachment fallengelassen werden. Historische Diskontinuität konnte nicht
mehr hinter dem Schleier juristischer Kontinuität verborgen werden. Die
Verurteilung Straffords durch Act of Attainder vom 10. Mai 1641 basierte
schließlich auf einem neuen Hochverratsbegriff - Hochverrat gegen die Nation, gegen die "fundamental laws of the Kingdom". Ausdrücklich betonte
die Anklage, Strafford habe seine "tyrannous and exorbitant power" gegen
die "liberties, estates and lifes of His Majesty's subjects" genutzt.27 Verfassungsrechtlich und fur die Kompetenzen des Parlaments wichtig war, daß
auch das königliche Begnadigungsrecht faktisch außer Kraft gesetzt wurde.
Der König mußte das Todesurteil unterschreiben.
Dieses auch unter außerparlamentarischem Druck zustandegekommene Abrücken von Recht und Herkommen durch die parlamentarische Opposition
fand in Ansätzen zu einem neuen verfassungstheoretischen Denken seine
Entsprechung. Henry Parkers Pamphlet "The Shipmoney-Case", erschienen
1640, weist neben den traditionellen historischrechtlichen Argumenten bereits politische Argumentationen auf, die sich vor allem auf Vernunft als
staatstragendes Prinzip stützen. Auch Parker betonte einleitend das notwendige Zusammenwirken von König und Parlament im Gesetzgebungsverfahren, ging also von der Mischverfassung aus und hoffte, die Differenzen bezüglich des Schiffsgeldes zwischen König und Parlament einvernehmlich
26
V g l . J. RUSHWORTH (Hg.), Historical collections of Private Passages of State, II,
27
L o n d o n 1689, S. 6 1 - 7 5 .
Vgl. GARDINER, Constitutional documents, S. 156 ff.
92
beilegen zu können. Dabei näherte er sich aber von einem neuen Ansatzpunkt dem Streitfall: "the supreame of all humane lawes is salus populi".
Dieses allgemeine Wohl des Volkes zu verteidigen sei oberste Pflicht des
Königs als Amtsträger.28 Parker unterstrich die große Autorität des Parlamentes indem er darauf verwies, daß es sich auf "public consent" des Volkes
berufen könne, also den Staat selbst repräsentiere 2 9 Dabei ging er letztlich
nicht so sehr von einem individuellen Eigentümerinteresse aus, sondern
vielmehr von einem kollektiven Gesamtinteresse, das sich im Parlament repräsentiere. Dabei blieb eine mögliche und tatsächlich existierende Divergenz zwischen im Parlament repräsentiertem "salus populi" und individuellen Interessen von Teilen des "people" unberücksichtigt. (Einer der Grundgedanken, an dem die später begründete Idee der Volkssouveränität ansetzt.)
In dieser Arbeit von 1640 ging Henry Parker auch noch nicht explizit davon
aus, daß dem Parlament die letztliche Entscheidung in einem Streitfall oder
in besonderen "cases of danger or necessity" zukomme. Er argumentierte
noch, daß das Parlament ein besserer Ratgeber als "Cabinet Councillors"
sei. 30 Die Begründung aber, die er gab, lief auf die faktische Gleichstellung
von Parlament und Staat hinaus. Die Vorstellung vom Parlament als oberster
Verkörperung des "salus populi" enthält bereits den "genetischen Code" fiir
seine später dann vollständig ausgearbeitete Theorie der Parlamentssouveränität.31 Das Urteil gegen Strafford wegen Verrates an der Nation erhob dann
das von Parker formulierte "salus populi" zum höchsten aller staatsrechtlichen Grundsätze und stellte damit das Allgemeinwohl auch über die Autorität des Königs.
28
Vgl. [H. PARKER], The Case of Shipmoney Briefly Discoursed, According To The
Grounds of Law, Policie and Conscience. And Most Humbly presented to the Censure and Correction of the High Court of Parliament, London 1640, S. 7, S. 9.
29
E b d . , S. 15 f.
30
Ebd., S. 38.
31
Vgl. M. MENDLE, The Ship-money case, in: HistJ 32 (1989) S. 526. Vgl. dazu ebenfalls M. A. JUDSON, Henry Parker and the theory of parliamentary sovereignty, in: C.
WITTKE (Hg.), Essays in history and political theory in honor of Charles Howard
Mcllwain, Cambridge, Mass./New York 1967, S. 138 ff.
93
I.
Nach dem Straffordprozeß kam es zu einem ersten Abbröckeln der bis dahin
relativ geschlossenen Front gegen den König und die Hofpartei. Bereits am
24. Juni 1641 formulierte John Pym in den "Ten Propositions" die Forderung, der König solle nur Ratgeber beschäftigen, denen das Parlament vertraue und auch in der lokalen Verwaltung nur "good Lord-lieutenants" ernennen.32 Diese "Vertrauten" des Parlaments sollten sich vor allem aus Vertretern der reichen Eigentümer in Stadt und Land rekrutieren.
Im Herbst spitzte sich die Situation weiter zu. Dafür sorgten u.a. die Schottlandreise Karls (entgegen der Bitte des Parlaments, sich nicht von "High
Court" zu entfernen), vor allem aber der irische Aufstand und damit die
Frage, wie dieser zu unterdrücken sei und vor allem wem der Oberbefehl und
die Verfugung über die militärischen Kontingente zustünden. In der "ancient
constitution" war das zweifellos der König. Das tiefe Mißtrauen aber, Karl
könne mit einer neuen irischen Armee auch das bisher Erreichte wieder in
Frage stellen, rückte die Forderung nach parlamentarischer Souveränität näher. Hans-Christoph Schröder hat dieses Paradox folgendermaßen formuliert:
"Die Abwehr einer Konterrevolution machte eine Revolution erforderlich."33
Und da die bisherigen staatlich-institutionellen Veränderungen auch schon
revolutionären Charakter trugen, könnte man ftir den weiteren Verlauf der
Ereignisse durchaus allgemein formulieren, daß zur Abwehr der möglichen
Konterrevolution die Weiterfuhrung und Vertiefung der Revolution unvermeidbar wurde. Bereits in der "Additional instruction to the Commission of
both Houses in Edinburgh" vom November 1641 formulierte das Unterhaus,
der König möge solche Ratgeber ernennen "as might be approved by Parliament". 34 Wiederholt wurde diese Forderung der Kontrolle der exekutiven
Gewalt durch das Parlament in der Großen Remonstration vom 22.11.1641.
Dort wurde im Punkt 193 auch schon in allgemeiner Weise von einem parlamentarischen Komitee gesprochen, das verantwortlich sein solle für "all
due means by execution of the laws to prevent all mischievous designs
32
33
Vgl. GARDINER, Constitutional documents, S. 163 ff.
H . - C . SCHRÖDER, D i e R e v o l u t i o n e n Englands im 17. Jahrhundert (= H.-U. WEHLER
(Hg.), Neue Historische Bibliothek), Frankfurt a.M. 1986, S. 52.
KENYON, Stuart Constitution, S. 227.
34
94
against the peace and safety of this kingdom."35 Hier klingt die Idee der parlamentarischen Regierung durch Ausschüsse an, die während des Bürgerkrieges dann praktiziert wurde.
Nachdem Anfang Januar 1642 der versuchte Staatsstreich mißlang, verließ
Karl I. London. Der letzte parlamentarische Entwurf, dem Karl I. am
15.2.1642 noch seine königliche Zustimmung gab, war das Gesetz über den
Ausschluß der Bischöfe aus dem House of Lords. Mit dieser Maßnahme gelang es, den Schwerpunkt der parlamentarischen Initiative eindeutiger in das
House of Commons zu verlagern und die Mehrhe its Verhältnisse im House of
Lords so zu gestalten, wie es für das weitere Vorgehen der parlamentarischen Opposition günstig erschien.36 Im Vorfeld dieser Entscheidung, die
sich in das Gesamtbestreben nach einer Kirchenreform einordnete, hatte sich
in interessanter Weise manifestiert, wie eng die religiösen mit den konstitutionellen und ökonomischen Aspekten der Revolution zusammenhingen.
Insofern ist auch die Tatsache zu relativieren, daß in der Flut der seit 1640
erscheinenden Pamphlete, Flugschriften, Petitionen usw. die religiöse Frage
als die dominierende erschien.
Die Frage der Neuordnung der Kirchenverfassung beschäftigte das
Parlament in besonderer Weise seit der Root and Branch Petition vom
11.12.1640, die mit 15.000 Unterschriften eine radikale Neuordnung und die
Abschaffung des Episkopats verlangte.37 Mit dem Angriff auf die Bischöfe
verband sich der Angriff auf eine der Hauptstützen der absoluten Monarchie.
Insofern war der parlamentarischen Opposition der außerparlamentarische
Druck des Volkes, auch in Form von Petitionen, durchaus genehm. Daß die
Forderungen selbst aber nicht auf die ungeteilte Zustimmung der
Parlamentarier stießen, hing mit den möglichen sozialen Folgen radikaler
Lösungen der Kirchenfrage zusammen. Nicht nur konstitutionelle Royalisten
35
GARDINER, Constitutional documents, S. 230.
Dieser Aspekt kann hier nicht weiter verfolgt werden. Vgl. dazu C. C. WESTON,
English constitutional theory and the House of Lords, 1556-1832, London 1965, bes.
S. 47 ff.
37
Vgl. dazu M. J. MENDLE, Politics and Political Thought 1640-1642, in: C. RUSSELL
(Hg.), The origins of the english civil war, London 1973, S. 234 f.
36
95
wie Lord Digby formulierten ihre Bedenken in dieser Hinsicht.38 Am
deutlichsten zum Ausdruck kommt die Tatsache,
daß die
Eigentümerinteressen der im Parlament dominierenden Landlords und
bürgerlichen Kreise nicht mit denen der unteren Volksschichten
übereinstimmten, in der Rede Edmund Wallers:
I look upon Episcopacy as a Counter-scarf, or outwork, which if it be
taken by this assault of the people, and with all this Mysterie once
revealed, that we must deny them nothing when they aske it thus in
troopes, we may in the next place, have as hard a taske to defend our
propriety, as we have lately nad to recover it from the prerogative. If
by multiplying hands, and petitions, they prevail for an equality in
things Ecclesiasticall, this next demand perhaps
may be LEX AGRARIA, the like equality in things Temporalis39
Hier wurde sehr deutlich, daß die im Parlament vertretenen Klassen und
Schichten, Eigentümerinteressen nicht nur vor den Eingriffen der absoluten
Monarchie zu wahren wünschten. Diese sollten auch in doppelter Frontstellung gegen weitergehende soziale Forderungen, wie z.B. die nach Erleichterungen bzw. rechtlichen Sicherheiten für die copyholder und nach Aufhebung des Zehnt ("tithes"), nach "unten" durchgesetzt werden. Im Frühjahr
1642 gestaltete sich diese Kräftekonstellation jedoch eindeutig in einer
Weise, in der die antiabsolutistische Komponente dominierte und das Parlament tatsächlich Träger der nationalen Interessen Englands, des
"Gemeinwohls", wurde.
Im Bereich der Verfassungstheorie fand das seinen Niederschlag in der nun
vollständigen Ausarbeitung der Theorie der Parlamentssouveränität vor allem durch Henry Parker, wobei Theorieentwicklung und politische Praxis
korrelierten: Nachdem Karl der Entfernung der Bischöfe aus dem House of
Lords noch seine Zustimmung gegeben hatte, verweigerte er diese fur die
Militia Ordinance, die ihm den Oberbefehl über militärische Kontingente
entzogen hätte. Am 15.3.1642 erklärte das Parlament die Militia Ordinance
ohne königliche Zustimmung für rechtsgültig; eine königliche Proklamation
38
Vgl. The Third Speech of the Lord George Digby, To the House of Commons, Concerning Bishops, and the Citie Petition. British Library, Collection of Thomason
Tracts, E 196 (30).
39
A Speech made by Mr. Waller Esquire, in the Honourable House of Commons, concerning Episcopacy. Thomason Tracts, E 198 (30).
96
aus York bestritt dies. Es wurde nun immer schwieriger, den Souveränitätsstreit zu verhüllen. Das Parlament gebrauchte zwar immer noch die Formel
von den "schlechten Ratgebern", die den König fehlleiteten. Dazu trat nun
aber die Hilfskonstruktion, das königliche Amt von der Person Karls zu trennen. Weil Karl sich persönlich von seinem Parlament auf Rat der "evil councilors" entfernt habe, falle nun in dieser extremen Gefahrensituation für das
Königreich dem Parlament die Aufgabe zu, den königlichen Willen zu erklären. Gleiches wurde für Eigentumsfragen geltend gemacht: "his Majesty's
Towns are no more his own, than his Kingdom is his own", daher habe Sir
John Hotham dem König mit Recht im Mai 1642 den Zutritt zum königlichen Waffenmagazin in Hull verwehrt.40
Die "Nineteen Propositions", die dem König am 1.6.1642 zu York übergeben
wurden, bargen in der Mischverfassungsrhetorik bereits den Gedanken der
Parlamentssouveränität. Sie konnten jedoch nicht Verfassungsrecht werden,
da Karl den Anspruch auf königliche Souveränität nicht aufgab. Der Waffengang war unvermeidlich. Er wurde begleitet von einem Krieg der Manifeste beider Seiten. Während vor allem Henry Parker und William Prynne
theoretisch ausgearbeitet die Position der Parlaments Souveränität als Eigentümersouveränität vortrugen, formulierte Filmers freilich erst später publizierte Schrift "Patriarcha" die Gegenposition. Neben diesen theoretisch klaren Positionen wirkten freilich die alten Argumentationsschemata und Vorstellungen um die "ancient constitution" und die "mixed monarchy" weiter.
Im weiteren Verlauf der Revolution traten dann politische Kräfte auf den
Plan, die die von Parker entwickelte Lehre konsequent zu Ende dachten. Aus
dem "salus populi" Parkers entwickelten die Levellers den Gedanken der
Volkssouveränität und der notwendigen Sicherung elementarer Menschenrechte unabhängig vom Willen der Parlamentsmajoritäten. Die berühmten
Putney-Debatten von 1647 lieferten später ein besonders anschauliches Beispiel dafür, in wie enger Weise politischinstitutionelle Fragen mit den ökonomischen Aspekten in der Revolution verknüpft waren.
40
Vgl.: A Remonstrance of both Houses, May 26, in Answer to the King's Declaration
concering Hull, in: Parlamentary History, vol. XI, S. 89 ff.
97
IAIN HAMPSHER-MONK
John Locke's ambiguous Theory of Property
I. Introduction
The theory of property famously outlined in John Locke's Two Treatises of
Government emerged from two interrelated contexts, one intellectual, one
political. The political context generated a need on the part of the opposition
to Charles II, and later to James II, for a theory of private property right
which, consistent with ensuring material support for government, was
sufficiently strong to deny to it arbitrary rights of taxation or other
imposition, over the property of its subjects. The intellectual context was that
provided by the court party's revival and their republication of the works of
the deceased royalist pamphleteer, Sir Robert Filmer, to articulate their
aspirations in support of the Stuarts.
The wider significance often claimed for Locke's work has been that in providing an account whereby political authority could be established consistently with the guarantee of individual property right, he first clearly articulated the basic elements of a liberal political order. On these grounds, it
has been argued, any evasions or biasses traced in his work, can by implication be attributed to that social order, the theory of which he supposedly
presaged. Now there are serious interpretive difficulties in holding Locke
responsible for the moral failings of a future social order, details of which
may well not have been apparent to him; more especially since the work in
which he supposedly committed this solecism was concerned to rebutt the
particular and very specific challenge to private property posed by a theory
of absolutist monarchy, and not at all devised to address the possible discri-
99
minations that might desirably be made amongst other regimes of political
economy.
However, theorists can no more than other men or women chose the role that
history alots to them, and there are two [one should say at least two] quite
distinct constructions that have been put on Locke's theory of property. The
purpose of this essay is simply to develop a kind of abridgement of these two
interpretations in order to bring out this important ambiguity which played
and still plays such an importand role, not only in "Locke studies" but in the
way we theorise about property.1
Filmer had written during the Civil War, and was recruited posthumously as
champion of the later Stuarts' apparent bid for absolute monarchy. His original target had not been Locke, then a schoolboy, but contractualists and natural rights theorists of an earlier generation, in particular Grotius and Seiden.
Grotius, in De Jure Belli et Pads, and his antagonist John Seiden in his
Mare Clausum, had argued that rights to the earth derived from a divine
grant, were once common, and had become private as a result of convention
or agreement amongst humans.2 Filmer's case rested not merely on the Biblical fundamentalist argument that God gave the world to Adam, not to
mankind in general (thus differing from his opponents in his reading of
Genesis.) More importantly [at least for posterity] he advanced a more
general argument against any contractualist account of the origin of private
property, and in doing so determined the ground on which Locke had to construct his reply.
If all were once common, Filmer questions, how could it now, rightfully, be
private? Even granting that there may once have been a universal and
unanimous agreement (for such it would have had to have been) to assign
privately what was held in common - "a rare felicity" he notes ironically, and
one for which there is no evidence - but even granting that: "how the consent
1
2
One reworking of Locke which was in political terms vastly symptomatic, if not
indeed politically influential was that of R. NOZICK in his Anarchy, State and Utopia,
Oxford 1974.
Sir ROBERT FILMER, Patriarcha and other Political Works, ed. P. LASLETT, Oxford
1974.
100
of mankind could bind posterity when all things were common, is a point
not so evident."3 Indeed it is so inevident, Filmer argues, that it effectively
disqualifies the contractualists' claim that both kingly rule (also a result of a
grant) and private property "depends perpetually on the will of them that
constitute, and upon no other necessity". The implications of such positions
are clearly "desparate inconveniences", leading to anarchy in politics, and
instability and communism in economics.4 Filmer thus seeks to impale his
opponents on the horns of a dilemma: either God's grant was to Adam as an
individual and so to the archetype, if not the ancestor of all Kings, or, as
Grotius and his followers say, it was a grant to Adam as the representative of
mankind, in which case community of goods follows. Then (per impossibile)
it must be explained how property could legitimately come to be privately
owned in perpetuity. Since it is impossible to overcome the problems
involved in the second position, we must revert to the first: private property
must have derived from the grant of a monarch, descended from, or
representative of Adam, and inheritor of his dominium. But what a monarch
could grant he could recall. If private property existed, he concluded, it must
derive from, and be susceptible to, political authority. The two forms of
dominion, over men and over goods, were ultimately indivisible.5 This
proposition formed one of Locke's central targets.
Locke accepted Filmer's analysis of the problem, and so acknowledged that
his task was to "shew, how Men might come to have a property in several
parts of that which God gave to Mankind in common, and that without any
express Compact of all the Commoners."6 Moreover, having accomplished
the task to his satisfaction, Locke pressed the point that he believed he had
shown that such private property could legitimately emerge prior to, and thus
independently of political authority: "This partage of things, dots men have
made practicable out of the bounds of Society, and without compact dots".7
3
4
5
6
7
FILMER, Patriarcha, p. 65; Observations on H. Grotius p. 273.
FILMER, Patriarcha, pp. 70, 71.
Filmer, Patriarcha, p. 78.
JOHN LOCKE, Two Treatises of Government, ed. P. LASLETT, Cambridge
Second Treatise, 25; and having shown it Locke reiterates the point: 39
Second Treatise, 50.
101
2
1967,
As is well known, Locke achieves this intellectual feat by combining an
assertion of original common right, with an individual right of appropriation
through the "mixing of one's labour" with what was common, thus individuating an entitlement originally held jointly, and so establishing private
property.
This much will, I think, be agreed by all Locke scholars. But from here on
matters become more contentious. For there is wide disagreement as to just
how absolute and individualist are the entitlements so established. Two
recent full-length studies by established Locke scholars have reached
apparently opposed conclusions. For Neal Wood
Locke's thought was in part expressive of certain basic social changes
occurring in England, of a transition to the early stages of capitalism,
and...he began to conceive of the social relations of production in a
manner suggestive of an embryonic capitalist outlook...some of
Locke's ideas symbolise or represent the "formal" subjection of labor
to capital, and perhaps the beginnings of the real subjection...Locke's
thought testified to important changes in agriculture and the social
relations of agricultural production, the necessary conditions for the
eventual emergence of English industrial capitalism.8
Whereas for Dick Ashcraft,
by framing his argument in such a way as to knit together "labor",
"cultivated land" and "the common good" Locke produced a powerful natural law critique of those individuals in society who neither
laboured nor contributed to the common good of society. Indeed
Locke's chapter on property is one of the most radical critiques of the
landowning aristocracy produced during the last half of the seventeenth century.9
The more discerning reader, synthesising these two quotations through
marxist categories, will perhaps see less conflict between them than might
appear to the innocent reader. After all, if, as an orthodox marxian schema
would suggest, "agrarian capitalist" is regarded, not as a synonym for, but as
the dialectical negation of "landowning aristocracy", then the critique of the
latter is indeed consistent with the recognition or celebration of the former.
8
9
N. WOOD, John Locke and Agrarian Capitalism, Los Angeles/London 1984, p. 92.
R. ASHCRAFT, Revolutionary Politics and Locke's Two Treatises of Government,
Princeton, N.J. 1986, p. 275.
102
The support for an emerging order of capitalist property is not only consistent with, but requires a critique of its precapitalist forms; a fact which few
of the protagonists in the debate seem willing to acknowledge. This issue,
however, turns out to be beside the point, or at least, beside one of them. For
Locke is mainly concerned to defend property rights against absolutist rulers
and is, not surprisingly, lax about discriminating between the different kinds
of proprietors whose rights such a ruler might offend.10 The debate has, in
consequence, understandably focussed more on the purely analytical
question of how collectivist or individualist Locke's theory of property
was. 11 Although on the face of it a less historical question, it is not obviously
less so than the question of where Locke should be located in a yet-to-bearticulated historic-oeconomic schema. Two interpretive paraphrases of
Locke's argument have thus been built up, one depicts Locke supporting an
unencumbered individualistic right to property. The other sees his defence of
private right persistently vulnerable to and limited by collectivist criteria and
institutions.
II. Locke's case for unrestricted individual property
According to this view, the right to property is an absolute right which
becomes wholly emancipated from its collectivist origins. In the original
state of nature, the right to privatise what was held in common derived,
Locke thought, from the basic right of survival. Whereas Filmer had seen the
condition of original communism precluding the development of private
10
Having said this Richard Ashcraft's study nevertheless makes tremendous efforts, in
large part successful, to persuade the reader that Locke had a particular kind of
proprietor in mind - the active, energetic, involved and socially responsible owner,
not the foolish country gentleman or the absentee rentier living an idle life in London. ASHCRAFI , Revolutionary Politics, p. 266 ff.
11
WOOD, John Locke and Agrarian Capitalism, is most sensitive to thesubtleties of
capitalism's development, "what we should be searching for is some discernible sign
[of the beginnings of capitalism] not some miraculous premonitions of the end
result." (p. 92). He stresses the importance of the fact that for Locke, "servant...
represented a juridically free man who was being paid for his time, so that all he
mixed his labour with - the turfs he cut - belonged to the employer according to their
contracted agreement." (p. 88), and that Locke "began to envisage the labor in
general as a commodity to be exchanged for wages in the market." (p. 114).
103
property, through the impossibility of collecting the necessary consent from
all the rightsholders, Locke turns this impossibility into a reductio ad absurdum which subverts Filmer's argument. "If such a consent as that was necessary, Man had starved, notwithstanding the Plenty God had given him." 12
God's grant in common would have been cruel and meaningless, if there had
not been some way of making use of it: "there must of necessity be a means
to appropriate them some way or other before they can be of any use, or at
all beneficial to any particular Man." 13 That means of appropriation is insinuated into the very act of "making use" of God's grant to ensure our survival. Consuming what we need from nature both turns what is natural into
us (biologically) and follows morally (since "ought" implies "can") from the
right and duty of self-preservation.14 Thus the two conditions of property "right" and "possession" - are both fulfilled.
The act of consumption is, however, invariably preceded by an act of
abstraction, performed by our hands upon external nature. It is this that
proves crucial in establishing the right: "'tis the taking any part of what is
common and removing out of the state Nature leaves it in, which begins the
Property without which the Common is of no use."15 This action - an act, if
only a minimal one, of labour - is presented by Locke as the more generalised source of individual proprietory right:
every Man has a Property in his own Person. This no Body has any
Right to but himself. The Labour of his Body, and the Work of his
Hands we may say are properly his. Whatsoever then, he removes out
of the State that Nature hath provided, and left it in, he hath mixed
his Labour with, and joyned to it something that is his own, and
thereby makes it his Property.16
12
LOCKE, Second Treatise, 28.
Second Treatise, 26.
14
The idea that acquisition "turns nature into us" is found in the following passage: "he
that is nourished by the Acorns he pickt up under an Oak, or by the Apples he
gathered from the Trees in the Wood, has certainly appropriated them to himself. No
Body can deny but the nourishment is his." Follows...since "ought" implies "can": "If
such a consent [the consent of all mankind] as that was necessary, Man had starved,
notwithstanding the Plenty God had given him." (both Second Treatise, 28).
15
Second Treatise, 28.
16
Second Treatise, 27.
13
104
That this "right of appropriation" is held to establish an unencumbered right
is immediately made clear by what, paradoxically, has often been viewed as
a condition applied to it. For Locke sums up the argument thus far by
insisting that what is appropriated through labour is "the unquestionable
property of the Labourer, no man but he can have a right...at least where
there is enough, and as good left in common for others."17 So firstly, not only
does Locke insist on the absolute and exclusive nature of the right
established by labour, but secondly, far from (as many commentators suggest) stipulating the condition under which the right obtains, he specifically
opens up the possibility that the right might obtain in any case. For "at least
where" should be read as "certainly under the following conditions, and possibly in other circumstances too"; and not, as it has been commonly, if perversely understood, to mean "if and only if the following conditions are
met", is
There is, however, one clear limitation to private appropriation, and that is
that we may only take "as much as any one can make use of to any advantage of life before it spoils."19 This limitation follows from the intention
of God in granting the world to mankind for the survival of all.
The right so established applies both to consumed goods - Locke instances
wild fruit, game and water - and to the land itself. Thus the private appropriation of the soil is legitimate as long as the appropriator labours on it,
and does not take more than he can use without going to waste (sc. lie
fallow). Not only do property rights arise from labour, but so does value
itself, or at least, "the far greatest part of the value of things, we enjoy in this
World".20 There is then, both a labour theory of property and a labour theory
of value to be found in Locke's account.
17
Second Treatise, 27.
See J. WALDRON, Enough and as good left for others, in: PhQ (1979), pp. 321-323.
19
LOCKE, Second Treatise, 31, see also 37 "if they perished in his Possession,...he
offended..." and 46 "the exceeding of the bounds of his just Property not lying in the
largeness of his Possesion, but the perishing of any thing uselesly in it."
20
Second Treatise 42, in 40 commodities are reckoned to have 99/100ths of their value
imparted by labour, in 43 the product of cultivated land is reckoned at 1000 times
that of its natural product.
18
105
These conditions of appropriation outline the limits of legitimate appropriation, true "property". It follows that if these constraints are observed,
the rights established are absolute and enduring. No individual (or group) can
rightfully lay claim to another's private property-right once established. And
by implication, the right, once rightfully established, continues inviolable
even if the title is transferred, through trade, inheritance or donation to
another. Indeed this was an essential point of the political context of the Two
Treatises, since it was the disastrous effects on trade of insecurely held
property rights, that was one of the reasons for wanting to oust the absolutist
and crypto or openly Catholic Stuarts.21
This limited right of appropriation applied only in "the first Ages of the
World", although Locke writes that it would hold still
had not the Invention of Money and the tacit Agreement of Men to
on it. introduced (by Consent) larger Possessions, and a
gutighta value
to them; wnich, how it was done, I shall, by and by shew more
at large. 22
This demonstration involves showing that the invention of money "some
lasting thing that men might keep without spoiling, and...take in exchange
for the truly useful, but perishable Supports of Life", overcomes the spoilage
limitation 2 3 In doing so Locke "removed the previous natural limitations of
rightful appropriation, and in so doing...invalidated the natural provision that
everyone should have [only] as much as he could make use of."24 This
leades to, and justifies the possibility, indeed the likelihood, of an extremely
inegalitarian society.
Locke acknowledged that from the earliest times men have "different
degrees of industry".25 But the original, natural, limitations on acquisition
come into play long before that differential could create an* significant
21
R . ASHCRAFT, Revolutionary Politics and Locke's Two Treatises of Government, p.
230 ff.
22
LOCKE, Second Treatise, 36.
23
Second Treatise, 47.
24
C . B. MACPHERSON, The Political Theory of Possessive Individualism, Oxford 1962,
p. 204.
25
LOCKE, Second Treatise, 48.
106
variations in property right: "As much land as a Man Tills, Plants, Improves,
Cultivates, and can use the Product of, so much is his Property."26 The
operation of this limitation "did confine every Man's Possession, to a very
moderate proportion."27 The invention of money, however, gives men not
only the opportunity, but an interest in using their differential industry to
acquire more. 28 Indeed it may even have changed men's psychologies, for
the invention, of money is at the very least accompanied by, if it does not in
fact cause "the desire of having more than Men needed [and] altered the
intrinsick values of things." 29 The introduction of money through a "tacit and
voluntary consent" effectively
constituted an agreement to a
"disproportionate and unequal Possession of the Earth,...an inequality of
private possessions." 30
The development of trade is the mechanism through which the invention of
moneey leads to larger possessions. Without an imperishable store of value,
why accumulate more than one could consume? But even with that store,
what would one use it for? Without money,
What would a man value Ten Thousand, or an hundred Thousand
Acres of excellent Land. ready cultivated, and well stocked too with
cattle, in the middle of the inland Parts of America, where he had no
hopes of Commerce with the other31parts of the World, to draw money
to him by the Sale of his Product.
However there is another aspect to the story, perhaps only partly expressed,
but clearly implied by Locke. Originally man may only take as much land as
he can work, as well as use the product of, without laying waste. Money
overcomes the problem of spoilage, but labour remains as a kind of limitation, for "it was a foolish thing as well as dishonest to hoard up [or enclose]
26
Second Treatise, 32, and see 38.
Second Treatise, 36.
28
Second Treatise, 46, 47.
29
Second Treatise, 37; see also the reference at 111 to the "Golden Age (before vain
Ambition, and amor sceleratus habendi, evil Concupiscence, had corrupted Men's
minds...", cf. Macpherson's famous but incautious claim that "Locke has evidently
started from the position that accumulation is morally and expediently rational per
se", p. 235.
30
Second Treatise, 50.
31
Second Treatise, 48.
27
107
more than he could make use of."32 Labour is the cost of meeting human
wants;33 it is imposed on mankind by God and "the penury of his Condition". 34 Enclosing is an act of Labour, and enclosing more land than we can
work is not only dishonest, but foolish for it is a cost with no return - unless
that is, we can command the labour of another to work the land so acquired.
Locke clearly assumes this to be a possibility. The references to "larger
estates" intensively cultivated (and justified as being more productive for this
reason) reveal his assumptions that the introduction of money and inequality
brings about, or at the very least is accompanied by, the emergence of wage
labour.35 There is moreover a famous reference to the alienation of the right
accruing to employed labour. Locke, in exemplifying his claim that labour
establishes a property right gives three instances:
Thus the Grass my Horse has bit; the Turfs my Servant has cut; and
the Ore that I have digg'd in any place where I nave a right to them in
common with others, becomes my Property.
"My servant's labour" is then immediately described as "The labour that was
mine..."36 Thus from an initial situation where all is held in common, Locke
demonstrates, first a right to individual sustenance, then an equal right to
property in land, establishable by and also held under the condition of labour,
and limited by a prohibition on waste. Then he demonstrates how the invention of money overcomes the wastage limitation, and by implication too,
the limitation of personal labour through allowing the institution of wage
labour. This vastly increases the possibilities of wealth accumulation, a
motive for which is also provided by the opportunities for trade which are
opened up by a money economy.
Once again we should perhaps supply some of Locke's assumptions here.
For there would only be wage labourers if there were a shortage of land.
32
Second Treatise, 46.
Second Treatise, 35.
34
Second Treatise, 32.
35
T h e central passage (37, II 10-29) justifying this increased productivity was inserted
by Locke into the Fourth edition, of the Two Treatises. See LASLETT'S edition, p.
33
4 7 6 , a n d s e e MACPHERSON, p. 2 1 1 .
36
Second Treatise, 28. The significance of the passage was first stressed by Macpherson, Possessive Individualism, p. 215.
108
Why would anyone work for another for less than they could gain in working
for themselves? If access to land is unimpeded, no one would work for less
than the value of what they produce. But who would employ someone who
demanded the whole of their product? The existence of wage labour requires
the landlessness which the increasing inequality of property brings about.
Even whilst assuring us that there is still land available in many parts of the
world, Locke points to localised scarcity as a factor in enlarging estates, and
stresses that the persistence of free land can "scarce happen amongst that
part of Mankind that have consented to the Use of Money." 37
This argument presupposes some lowering of the rate of return on labour to
the employee, a consideration of which Locke is clearly aware in his economic writings.38 Yet this does not matter. The crucial point for Locke is to
justify "the preservation of mankind". This is assured in the unequal, wagelabour economy, by its phenomenally greater productivity. Land under the
intensive cultivation which only large estates under wage labour can
generate, is ten, a hundred, or even a thousand times more productive.39 As a
result, however close to subsistence they are, English wage labourers live
better than aboriginal kings. 40
Thus on both the specific grounds of the law of nature and the more general
utilitarian considerations Locke takes care to demonstrate that property
rights, once established, are inviolable. It is the circumstances surrounding
the establishment of property right that determines its legitimacy once and
for all, not those in which it is exercised once established.
This is shown by the notorious care Locke takes to exclude political interference in property rights. Famously "The great and chief end therefore, of
37
L o c k e intermittently insists that there is still enough land available for those who
wish to work as subsistence peasants. Second Treatise, 36, 45.
38
"...the labourer's share, being seldom more than a bare subsistence..." Some Considerations of the Consequences of the Lowering Interest and Raising the value of
Money, in: Works, 4 vols. (1759), vol. II, p. 36.
39
LOCKE, Second Treatise, 40 (ten, one hundred), 42 (one thousand).
40
T h i s not only contradicts Locke's own views in his economic writings [see fn 34, but
the modern evidence is against Locke on this. See M. SAHLINS, Stone Age Economics, London 1974, esp. chapter 1: The original affluent society.
109
Mens uniting into Commonwealths, and putting themselves under Government, is the Preservation of their Property."4l As a consequence it is an
absolutely fundamental rule of legitimate government that it
cannot take from any Man any part of his Property without his own
consent...For I have truly no Property in that, which another can by
right take from me, when he pleases, against my consent...For
this
would be in effect to leave them no Property at all. 42
This is not only a very strong practical claim, it also emphasises what a conceptually strong right property is. A property right that was in any way
susceptible to other claims is not actually a property right at all. Thus the
preservation of rights claiming to be property rights entails their absolute inviolability. Even the acknowledged material needs of a contractually
established Government can only be met through taxation specifically agreed
to by the individual or his representative.43
Locke's conception of property is then, an absolute and highly,individualist
one. In common with others of his time he recognised property as "the
highest right a man can have to a thing" 4 4 Although Locke recognised
communal limitations on the circumstances surrounding the original appropriation of property, once these had been successfully complied with, or
circumvented by the development of institutions such as money, the resulting
rights were unencumbered by any social considerations. Locke's argument
virtually encapsulates the historical movement from a medieval, morally
responsible, socially embedded conception of property, to the modern,
irresponsible, individualistic and emancipated idea.
41
Second Treatise, 124, and inter alia 85, 134, 138.
Second Treatise, 138, 139.
43
Treatise, 140, 142.
44
An English Dictionary (1676).
42
110
III. Locke's Case for socially limited Property Right.
Locke's theory of property right is, like all his thought, permeated throughout
by the moral requirements of the Law of Nature: that man is to be preserved.
The responsibility given to each of us for our own preservation, is only
marginally more salient a moral consideration than what must follow closely
behind it: our concern for the preservation of our fellows.45 Since our right of
self-preservation derived from the fact of our having been created by God,
we are duty bound to be concerned about the preservation of others who are
also his creation. Such Natural Law morality provides a continuing criterion
of all human action and institutions and is not at all left behind once civil
society or a more complex economy comes on the scene. However immaculately conceived a property right may originally have been, its integrity is not
guaranteed in the face of subsequent need:
The Obligations of the Law of Nature, cease not in Society, but only
in many Cases are drawn closer, and have by Humane Laws known
Penalties annexed to them, to inforce their observation. This the Law
of Nature stands as an Eternal Rule to all Men, Legislators as well as
others. The Rules that they make for other Men's Actions, must...be
conformable to the Law of Nature i.e. to the Will of God, of which
that is a Declaration, and the fundamental Law of Nature, being the
preservation
of Mankind, no Humane Sanction can be good, or valid
against it. 46
It is against this moral backcloth that we must assess the implications of
Locke's arguments about property rights.
The Law of Nature's fundamental preoccupation with the survival of all
mankind clearly underlies both the individuality of the original rights of
appropriation and the communitarian constraints placed on them. The moral
permission to appropriate follows from the need and duty of survival, the - or
better a - means of actualising that duty is labour. The labour provision
might be best seen in origin as a practical way of enacting what is effectively
45
"Every one, as he is bound to preserve himself,...so by the like reason when his own
Preservation comes not in competition, ought he, as much as he can, to preserve the
rest of Mankind..." LOCKE, Second Treatise, 6, see also 159, 183.
46
Second Treatise, 135.
Ill
a preexisting right to subsistence.47 True, it is normally labour that "put a
distinction between them and common", [sc. that designates what has been
individually acquired], but the right of subsistence is clearly there already,
for example in the case of children 4 8 Even in the extreme case of a justly
defeated enemy, the subsistence rights of defeated belligerents' dependants
override the undoubted property-rights of thewronged party to reparations.49
Since this right to reparations is an absolutely fundamental and explicit
clause of the basic law of nature, we may be assured that the right to subsistence - here clearly irrespective of labour - is even more so. 50
The uncontentious "spoilage limitation" is a clear recognition that we must
not thwart the provisions God has made for our collective survival.51
Finally, whilst the "enough and as good" clause, may be infelicitously
phrased, it is perverse to read it permissively. If Locke meant "at least
where..." to be construed in the strictly logically permissive way that
Waldron suggests, it is impossible to understand why Locke should continually mount arguments to show how it could be legitimately overcome a
preoccupation which undoubtedly reveals an intention to construe it restrictively.52 Thus the development of original property rights is described as
taking place in such a way that "in effect there was never the less left for
others..."53 and that "his Neighbour... would still have room, for as good, and
as large a Possession...as be fore... without straightning any body, since there
47
T h e right of subsistence, irrespective of labour is explicitly claimed on behalf of
children, with a correlative duty in parents, at First Treatise, 89, and the right of subsistence is asserted again, more generally at 87, with a promise that Locke will show
how individuation can be established, a promise realised with the "labour theory" in
Chapter V of the Second Treatise which opens by again referring to "a right
to...[what] Nature affords for their subsistence." (25).
48
Second Treatise, 28, First Treatise, 87. I am indebted to correspondence with
Richard Ashcraft for this understanding of the importance of the right to subsistence.
But see briefly his Locke's Two Treatises of Government, London 1987, p. 88.
49
LOCKE, Second Treatise, 183.
50
LOCKE, Second Treatise, 10.
51
LOCKE, Second Treatise, 37 perishing "without their due use...offended against the
common Law of Nature".
52
E v e n the most individualistic modern exponent of Locke's argument reads it this
way. See NOZICK, Anarchy, State and Utopia, chapter 7, esp. "the Lockean Proviso".
53
LOCKE, Second Treatise, 34.
112
is enough Land in the World to suffice..."54 Yet again the appropriation of
more land "does not lessen but increase[s] the common stock of mankind."55
The original appropriation of property, then, takes place against a series of
restrictions which express the general injunctions of the Law of Nature to
preserve human life by ensuring there are appropriate rules regarding the
distribution of the means of survival to all. Individualist property rights
should be read only as one possible second-order specification of this higherorder Law.
On this view, the distributive outcome of private property appropriations is
crucial, and cannot be absolute against the claims of the indigent, for the
whole rationale of the institution of private property rights is to provide
specifications of the law of nature which would enable each one of us to
survive. 56 This is not an occasional view, adopted for the purposes of the
Two Treatises; it is worked out in detail in his Essays on the Law of Nature,
and Thoughts Concerning Education,57 In the Two Treatises Locke keeps
this broader goal in sight, frequently asserting that as a matter of fact the
development of a more complex economy and unequal property rights does
indeed fulfil this ultimate goal - in particular stressing the greater productivity of enclosed land, and the continued existence of unclaimed land. 58
However, the very care he takes to argue this is further testimony to the fact
that he regarded the background requirements of the Law of Nature as a
continuing criterion of legitimate proprietorship, and not just a condition of
its creation. Yet greater productivity (and its appropriate distribution), and
the continuing availability of unowned land are clearly recognised as contingent facts; and if they once fail to obtain, the legitimacy of current holdings
(no matter how scrupulously they were originally acquired) ceases forthwith.
Outcomes as well as origins are morally relevant. It is "a most specious
54
Second Treatise, 36.
Second Treatise, 37.
56
"else man had starved notwithstanding the plenty God had given him." If this argument justifies the institution of the conventions of private property in the state of
nature, it can also justify the suspension of them in that form when, as in the commercial economy, there is a danger of man "starving in the midst of plenty."
57
See the discussion in: ASHCRAFT, Locke's Two Treatises of Government, p. 132-133.
58
LOCKE, Second Treatise, 37, 45.
55
113
thing" to suggest that if someone were to become "the Proprietor of the
whole World, [they] may deny all the rest of Mankind Food...God never
gave any such Private Dominion,"59
Since the continuing Law of Nature commands human survival, and since
"the conditions of human life require labour and materials to work on", 60 any
set of property institutions (and the holdings derived from them) that resulted
in some human beings being in a position to deny others the opportunity to
labour or materials needed for life, contravenes the law of nature. This is
emphatically not a question of charity, in the sense of being an act of
supererogation by property-owners. It is a question of the very definition of
property. Proprietors simply do not have any property in that which their
fellows need for their survival. This is straightforward scholastic propertytheory:
God the Lord and Father of all, has given no one of his Children such
a Property, in his peculiar Portion of the things of this World, but that
he has given his needy Brother a Right to the Surplusage of his
Goods; so that it cannot justly be denyed him when his pressing
Wants call for it...'twould always be a Sin in any Man of Estate, to let
his Brother
perish for want of affording him Relief out of his
Plenty.61
This has implications - which Locke is at pains to draw out - for economic
and other contracts. Coerced agreements are void 6 2 But if the indigent have
a right to subsistence which the property-owner's (invalid) claim denies
them, it is, a fortiori, illegitimate to threaten to withhold that right from the
poor in order to establish with them contracts of employment. Thus,
a Man can no more justly make use of another's necessity, to force
him to become his Vassal, by witholding that Relief, Goa requires
him to afford to the wants of his Brother, than he that has more
59
LOCKE, First Treatise, 41.
LOCKE, Second Treatise, 35.
61
LOCKE, First Treatise, 42, and see Second Treatise, 183. And cf. St. THOMAS
AQUINAS, Summa Theologica, II-II, Qu.66, art 8: "...human right cannot derogate
from natural right...the division and appropriation of things which are based on
human law do not preclude the fact that men's needs have to be remedied by means
of those very things. Hence whatever certain people have in superabundance is due,
by natural law, to the purpose of succoring the poor."
LOCKE, Second Treatise,
.
60
114
strength can seize upon a weaker...and, with a Dagger at his Throat
offer him Death or Slavery,63
The implications of such a practice would be to sanction coercion as a
foundation of human relations and society, a position which, needless to say,
Locke rejects out of hand. 64
Although Locke is indeed concerned to show that political authority plays no
role in the establishment of private property right, he does not draw from this
the conclusion that political authority, once rightfully constituted, has no role
to play in regulating it. The individualist interpretation depicts governments
being faced with a distribution of possessions, established ex ante, with
which no interference is possible, without the express consent of the possessor. However Locke clearly presumes, and in various places describes, a
more active role for government. It can establish common ownership where
this serves the common good. 65 It is a residuary legatee.66 More particularly
once an individual joins a commonwealth, his land becomes inextricably a
part of it's territory - "Commonwealths not permitting any part of their
Dominions to be dismembred".67 All of which represents a considerable
restriction on absolute individual property right:
By the same Act therefore, whereby any one unites his Person...to
any Commonwealth; by the same he unites his Possessions...to it
63
Ibid.
"any thing by this Rule that may be an occasion of working upon anothers necessity...may be made a Foundation of Sovereignty, as well as property." LOCKE, First
Treatise, 43. Wood's refutation of Tully on this point is misleading. Tully quotes the
passage, cited above, denying the right to make use of another's necessity in establishing contracts. Wood rejects this as a "misreading", and quotes from 43 that "the
Authority of the Rich Proprietor, and the Subjection of the Needy Beggar began not
from the Possession of the Lord, but the Consent of the poor Man, who preferr'd
being his Subject to starving." Wood presents this as though Locke endorsed the
situation. However Locke's point is directed against the possibility of Filmerian
absolutism, and he is saying that even such a 'perverse use of God's Blessings...[as
the conditions described above by Locke]' doesn't establish Filmerian subjection, it
would all depend on the contract. WOOD, John Locke and Agrarian Capitalism, p.
91, cf. J. TULLY, Discourse on Property: John Locke and his adversaries, Cambridge
1980, p. 137.
65
LOCKE, Second Treatise, 35, point was first made, to my knowledge, by R. GRANT,
John Locke's Liberalism, Chicago 1987, p. 113.
66
LOCKE, First Treatise, 90.
LOCKE, Second Treatise, 7.
64
115
also; and they become, both of them,... subject to the Government
and
Dominion of that Commonwealth, as long as it hath a being.68
The entry of property rights into political society is not a passage through a
transparent medium. The establishment of governments requires them to
"regulate the Properties of the private Men of their Society, and so by
Compact and Agreement settle the Property which Labour and industry
began."69 Quite what "regulation" would involve is unclear at this point. It
would seem, however, to allow more than the mere positive endorsement and
legal specification of existing titles. Could it involve acts of redistribution?
This might seem an outrageous suggestion. The overriding duty of government, Locke continually insists, lies in the protection of property. Just so.
But the question is not "can a government take it on itself (or be delegated)
to redistribute private property rights amongst its subjects?" For on Locke's
understanding of the concept of property the answer is, by definition, "No".
The true question is: "What are the extent of the citizens" property rights?
And if individuals' conventional holdings of goods fall out of line with their
true entitlement is there anything government can do to rectify the situation?
Here, I suggest the answer is much more permissive. As we have seen,
according to natural law, a man or woman has no property in that which
another needs for his subsistence, and legitimate political power is duty
bound to uphold the law of nature. Private property is a means of discharging
the requirements of the law of nature - but only a means, and a potentially
fallible one. Inasmuch as conventional property holdings depart from the
requirements of the law of nature, those holdings cease to be "property", and
to that same degree also, legitimate government, committed to the implementation of the Natural Law, might have a duty to redistribute to the
indigent.
68
69
Second Treatise, 120.
Second Treatise, 45. Once again, a refutation of Tully relies on imprecision. It is not
all, but only part of this section that refersto the establishment of the territories of
nations (as claimed by J. Waldron, Locke, Tully, and the Regulation of Property, in:
PolSt 32 (1984), p. 103).
116
The very passage cited by Waldron to deny this, is ironically however, at
least presumptive evidence for its possibility.70 Section 139, he claims,
reveals Locke at "great pains to distinguish the regulation of property from
its confiscation of redistribution". The relevant part reads:
...the Prince or Senate, however it may have the power to make Laws
for the regulating of Property between the Subjects one amongst
another, yet can never have a Power to take to themselves the whole
or any part of the Subjects Property without their own consent.
This passage will not do what Waldron wants at all. For, firstly, the passage
follows straight on from a section discussing the danger posed to property
rights by absolutist rulers. The danger envisaged here is clearly their appropriation of citizens' property for themselves, which is of course ruled out.
But, secondly, the exception made to this - "however it may have the power
to make Laws for the regulating of Property between the Subjects one
amongst another" - is precisely the case in point. "Regulation" is here being
discussed in the context of transferring entitlements, in between a passage
denying absolute rulers' rights of appropriation and one discussing how
property could legitimately be taxed for the support of government. The
distinction being made is not between transfer and "regulation" in the mere
sense of establishing legal conventions - why would anyone think of that in
the context of such a discussion? - but between transfer to the personal estate
of the ruler (or even legitimate public uses of the government), and authoritative transfer between the members of the commonwealth. Locke's
insistence on the stability of individuals' property rights invariably opposes
their appropriation, "arbitrarily", "willfully" or "at pleasure".71 But the whole
point about transfers to meet subsistence needs is that they are neither
arbitrary, nor made to serve a wilful ruler's pleasure. They are based on a
fundamental Law of Nature, and directed toward not only the benefit of a
needy fellow being, but the meeting of their rights.
To clinch such an interpretation would require us to demonstrate Locke in
the act of asserting that this was what governments, by positive law, were
required to do. This is a stern test, for there is little evidence for Locke
7 0
WALDRON, T h e r e g u l a t i o n , p. 104.
71
LOCKE, Second Treatise, 138 has all three.
117
seeking such statutory articulation of other, much better established political
principles, such as the need for all to consent to their governments. Yet it is
to be found, and in an unlikely source. One of the most difficult documents
for those seeking to present a collectivist Locke is his Memorandum to the
Board of Trade on the Poor, cited to devastating effect by Macpherson and
Wood, acknowledged as damaging to his case by Ashcraft.72 But, however
severe an attitude to social discipline Locke's reveals there, (and it is unclear
how much allowance should be made for the sensibilities of the times) his
proposals are crystal clear as to what those needy poor are entitled to as a
right: "Everyone must have meat, drink, clothing and firing. So much goes
out of the stock of the kingdom whether they work or no." 73 Moreover,
parishes were to be made collectively responsible for poor law administration, and were criminally liable "if any person die for want of due relief in
any parish in which he ought to be relieved."74
Locke is, therefore, not only insistent on the continuing limitation of individual right by the natural law claims of others, but, unusually in his case, we
have evidence for him seeking to incorporate this in positive law.
75
IV. Conclusion
The ambiguity of Locke's account of property right derives from the
ambiguity of the context in which he articulated it. Not merely in the sense
that Ashcraft has brought out - the need to appeal widely to the whole
72
73
T h e Memorandum is quoted at length in H. R. FOX-BOURNE, The Life of John
Locke, 2 vols., London 1876, vol II, pp. 377-391.
FOX-BOURNE, v o l . 2., p. 3 8 2 .
74
FOX-BOURNE, vol. 2, p. 390. It's worth remarking that this degree of accountability
[and even, latterly, provision] goes well beyond that which applies in the administration of welfare in the modern British state. Moreover the degree of responsibility
allocated to the parish goes some way in explaining the stringency of the rules
defining what recipients must do to retain their eligibility.
75
There is no evidence of Locke's political attempts to seek statutory articulation of
other, supposedly better established, of his principles, such as the need for the active
consent of all citizens to Government.
118
spectrum of interests in the revolutionary movement - but also in a more
theoretically specific sense. Locke indeed seeks to defend property from
arbitrary intervention by the monarch. To do so he must stress its inviolability. But Locke's more general theory of property rights locates them within
the law of nature which stresses the mutuality of all claims and their vulnerability to others' needs. Government, as long as it acts legitimately, is
duty bound to enforce these natural law criteria. Whilst in doing so it may
invade conventional 'property rights', it will be enforcing those which are
morally defensible. Thus to claim the inviolability of property rights against
an invasive and arbitrary sovereign, is quite consistent with a definition of
property right which incorporates the needs of others. Property rights are
inviolable. But there simply is no property right, where natural law duty
concerning the welfare of others are not being discharged.
Consideration and empirical identification of the socio-economic circumstances under which such duties may be said to be fulfilled is of course
entirely another matter, and one which was to provide ample scope for both
conservative apologists and radicals working within Lockean parameters for
the succeeding three centuries.
119
GERD STRATMANN
Property in der englischen Literatur des 18. und des frühen 19.
Jahrhunderts
Property- allein das Wort beschwört ganze Bibliotheken herauf, wundervoll
verwickelte Debatten von Politik- und Geschichtswissenschaftlern, von
Sozial- und Rechtshistorikern. Sie alle sind einem Mann verpflichtet, der
ihnen mit seinem unerschöpflich schillernden property-Begriff die Publikationslisten füllen half: John Locke. Insofern wirkt es beinahe undankbar, wenn
ausgerechnet Macpherson sich über die "Konfusion" der Lockeschen Definitionen beklagt:
Locke somewhat confused matters by sometimes defining that
Property whose preservation
is the reason for entering civil society in
unusually wide terms.1
Macpherson zitiert zum Beleg noch einmal die so vertrauten Begriffsbestimmungen, u.a. die folgenden zwei:
1
C. B. MACPHERSON, The Political Theory of Possessive Individualism. Hobbes to
Locke, Oxford 1964 (1962), S. 198. Zu den theoretischen Implikationen und den
ideen- bzw. sozialgeschichtlichen Wirkungen von Lockes property- Konzept vgl.
u.a. J. HAI IN, Der Begriff des 'property' bei John Locke. Zu den Grundlagen seiner
politischen Philosophie, Frankfurt a.M. 1984; J. A. TULLY, A Discourse on Property.
John Locke and His Adversaries, Cambridge 1980; P. LARKIN, Property in the Eighteenth Century. With Special Reference to England and Locke, New York 1969
(Cork 1930); H. T. DICKINSON, Liberty and Property. Political Ideology in Eighteenth-Century Britain, London 1977; J. G. A. FOCOCK, The mobility of property and
the rise of eighteenth-century sociology, in: DERS., Virtue, Commerce, and History.
Essays on Political Thought, Chiefly in the Eighteenth Century, Cambridge 1985, S.
103-123; R. HIRSCHON (Hg.), Women and Property - Women as Property, London
1984.
121
Man...hath by Nature a Power...to preserve his Property, that is, his
Life, Liberty, and Estate...2
By Property I must be understood here, as in other places, to mean
that Property which Men have in their Persons as well as Goods.3
Aus diesem - zugleich umfassenden und dialektischen - Begriff konnten sich
dann, zunächst im 18. Jahrhundert, die widersprüchlichsten theoretischen
Positionen, die unversöhnlichsten Konzepte praktischer Politik herleiten:
sowohl die Begründungen einer rigorosen Staatsgewalt im Dienste der Besitzenden als auch radikale Versionen individuellen Freiheitsanspruchs; sowohl
Adam Smiths These, daß property der gesellschaftlichen Ordnung entspringe
und somit nachgeordnet sei, als auch Burkes Umkehrung, daß property sie
zuallererst begründe und deshalb vorausgehe; sowohl eine barbarische
Rechtspraxis gegen Schuldner und Diebe als auch eine den kontinentaleuropäischen Verhältnissen weit vorauseilende bürgerliche Emanzipation;
sowohl die Glorifizierung von "landed property" als auch die Parteinahme
fur die Interessen von "commercial property". Solche scheinbaren Unvereinbarkeiten - ich muß das den Experten nicht erst erläutern - spiegeln sich bis
heute auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um Locke und
seine Wirkungen (etwa in den "Mainstream and critical positions", um den
Titel eines Kapitels aus Macphersons Buch zu zitieren, in den Versuchen,
den "radikalen" gegen den "konservativen" Locke auszuspielen und umgekehrt, in der alternativen Vorliebe für den Nexus "Property and Liberty" oder
für den Zusammenhang von "Property and Power").
In solche Debatten kann und will sich der Laie nicht einmischen; und so geht
es mir heute abend ausdrücklich nicht um die Bedeutung von property für
die Theoriebildung oder für die politische bzw. soziale Praxis. Es geht mir
hier allein um die Funktion, die jener "konfuse" property-Begriff in der englischen Literatur des 18. Jahrhunderts (und in weit geringerem Maße in der
des 19. Jahrhunderts) gewann.4
2
3
4
Zitiert nach der von P. LASLETT besorgten Ausgabe Two Treatises of Government,
Cambridge 1960, Second Treatise, sect. 87 (S. 341).
Second Treatise, sect. 173 (S. 401).
Zur Behandlung des property-Themas in der englischen Literatur des 18. und des 19.
Jahrhunderts vgl. u.a. M. BUSCHMEIER, Die Gesellschaft und das Geld. Untersuchun-
122
Gestatten Sie mir aber noch zwei Vorbemerkungen, die erste eher technischer, die zweite theoretischer Natur. Erstens: Die mir eingeräumte Zeit, Ihre
freundliche Geduld und der innere Geist der After Dinner-Studie beschränken die Möglichkeit, so etwas wie einen auch nur annähernd repräsentativen
literaturgeschichtlichen Überblick zu versuchen - übrigens auch deshalb,
weil praktisch die gesamte Literatur des 18. Jahrhunderts von den heiklen
Zweideutigkeiten des property-Konzepts geradezu besessen schien. Mir
bleiben also nur das Krass-Exemplarische und Abkürzende, zuweilen auch
die überspitzte Verallgemeinerung. Zweitens aber will ich mich hier auf die
im engeren Sinne literarischen Verwandlungen, die Mythisierungen und fiktionalen Stilisierungen konzentrieren, die das Thema "property" im Roman
und in der Komödie erfuhr. Mich werden also nur am Rande die politischen
und theoretischen Positionen, die Defoe und Fielding, Goldsmith und Jane
Austen, Scott und Dickens als Essayisten, Journalisten oder Historiker (die
sie ja auch waren) eingenommen haben, interessieren. Ich lasse auch außer
Betracht, inwieweit ihre literarischen Werke als mehr oder weniger getreue
Abschilderungen sozialer Wirklichkeitsausschnitte Licht auf die konkreten
Details zeitgenössischer Eigentumsverhältnisse werfen mögen.
Denn fiktionale Texte - bei dieser literaturtheoretischen Simplifizierung muß
ich es belassen - fugen unserem historischen Wissen ja auch etwas genuin
Neues hinzu: sie verarbeiten zwar Elemente der gesellschaftlichen Praxis;
aber sie konstituieren aus diesen Elementen eine eigene Wirklichkeit, die
eine bereits gedeutete ist - etwas, das "zugleich auch immer Entwurf, also
gen zum Geld in englischen Romanen und Komödien der 'sentimental era', Trier
1990; U. BROICH, Der Kampf um das estate als Handlungsmotiv der englischen Komödie im 18. Jahrhundert, in: H.-J. MÜLLENBROCK/A. KLEIN (Hg.), Motive und
Themen in englischsprachiger Literatur als Indikatoren literaturgeschichtlicher Prozesse. Festschrift zum 65. Geburtstag von Theodor Wolpers, Tübingen 1990, S.
137-158; M. SCHEUERMANN, Women and Money in Eighteenth-Century Fiction, in:
Studies in the Novel 19 (1987), S. 311-322; R. BRAVERMAN, Crusoe's Legacy, in:
Studies in the Novel 18 (1986), S. 1-26; C. HILL, Clarissa Harlowe and Her Times,
in: J. CARROLL (Hg.), Samuel Richardson, Englewood Cliffs/N.J. 1969, S. 102-123;
B. MCCREA, Henry Fielding and the Politics of Mid-Eighteenth-Century England,
Athens/Georgia 1981; B. HARDY, Properties and Possessions in Jane Austen's Novels, in: J. MCMASTER (Hg.), Jane Austen's Achievement, London 1976, S. 79-105;
T. TANNER, Jane Austen, London 1986, S. 12-24; M. EVANS, Jane Austen and the
State, London 1987, S. 1842; R. H. Dabney, Love and Property in the Novels of
Dickens, Berkeley 1967; N. RUSSELL, The Novelist and Mammon. Literary Responses to the World of Commerce in the Nineteenth Century, Oxford 1986.
123
konkret vorgestellte Alternative zum tatsächlich Gegebenen oder für tatsächlich Gehaltenen"5 ist, gesellschaftliche Mythen beispielsweise, die einer Leserschaft emotional plausible und integrierende Interpretationen ihrer Alltagswirklichkeit, ihrer wirtschaftlichen Praxis und ihrer moralischen Normen
bieten.
Lassen Sie mich, nach dieser Vorbemerkung, gleich mit einer These und einem Beispiel beginnen. Die These: Die ja nicht von Locke "verschuldete",
sondern schon objektiv verursachte "Konfusion" des property-Verständnisses - mit anderen Worten: die theoretisch schwer zu klärende und praktisch
kaum zu realisierende Verbindung von "Liberty" und "Estate", von "property
which men have in their persons as well as goods" - wird für die englische
Literatur des 18. Jahrhunderts zu einer beherrschenden Herausforderung und
zum Ausgangspunkt zahlreicher quasi-mythischer Interpretationen.
Das versprochene Beispiel mag das verdeutlichen. Pamela Andrews, die
sprichwörtlich tugendsame und ungeheuer populäre Heldin von Samuel
Richardsons erstem Roman (1740), wird auf Geheiß von Mr. B. auf seinem
Landsitz in Lincolnshire gegen ihren Willen festgehalten, wo sich ihr Herr
sein offenbar überwältigendes sexuelles Verlangen nach ihr erfüllen will.
Mrs. Jewkes, seine furchterregende Verwalterin, versucht jeden Kontakt
Pamelas mit den anderen Bediensteten zu unterbinden:
"Why," said I, "are you afraid I should confederate with them to
commit a robbery upon my master?" - "Maybe I am," said the odious
wretch; "for to rob him of yourself, would be the worst that could
happen to him, in his opinion."
"And pray," said I, walking on, "how came I to be his property?
What right has he in me, but such as a thief may plead to stolen
goods." - "Why, was ever the like heard?" says she. This is downright rebellion, I protest!..."6
5
6
R. WILD, Einige Überlegungen zum Zusammenhang von Literatur und Prozeß der
Zivilisation, insbesondere zum Wandel literarischer Formen, in: T. CRAMER (Hg.),
Literatur und Sprache im historischen Prozeß. Vorträge des Deutschen Germanistentages Aachen 1982, 2 Bde., Bd. 1: Literatur, Tübingen 1983, S. 389/390.
Zitiert nach der Everyman-Ausgabe, London 1962, Bd. 1, S. 108.
124
Zwei Bedeutungen von property prallen hier aufeinander. Pamela versteht
ihre Jungfräulichkeit, ihr Recht auf "virtue", als "Property which she has in
her own person" - und konsequenterweise die sexuellen Ansprüche und Zudringlichkeiten ihres Herrn als versuchten Diebstahl. Dieser hingegen sieht
in seiner Dienstbotin Pamela einen Teil des estate, der sein Eigentum ist, und
würde seinerseits die Flucht Pamelas als "robbery" verurteilen. Die beiden
Eigentumsbegriffe, deren Einheit bei Locke nur postuliert worden war, erscheinen unvereinbar. Doch wie sein Untertitel - Virtue Rewarded - bereits
andeutet, entwickelt der Roman im Medium seiner Geschichte einen Mythos,
in dem die unvereinbaren Versionen von property zur Versöhnung finden.
Durch die Entdeckung seiner eigenen Liebe zu Pamela inspiriert, entschließt
sich Mr. B. zur Eheschließung. Dabei läßt die fortlaufende Metaphorik keinen Zweifel daran, daß diese Ehe ein Tauschgeschäft von hohem symbolischen Rang darstellt - ein Tauschgeschäft, das die Gleichwertigkeit, ja geradezu die "Konvertibilität" der beiden properties impliziert bzw. voraussetzt:
Pamela gibt das Eigentumsrecht an der eigenen Person auf und sich (dem
heimlich schon lange geliebten) Mr. B. hin und wird dafür belohnt
("rewarded"), wird zur Herrin seines estate. Der gesamte zweite Teil des
Romans dient dann vor allem dem Nachweis, daß sie ihren Teil des Geschäftes buchstäblich einhält. Als Mrs. B. akzeptiert sie, wenn auch widerwillig, daß sie sich unwiderruflich in die (keineswegs nur sexuelle) Verfügungsgewalt ihres Gatten begeben hat und sich vor jedem "Treason against
my Liege Lord and Husband"7 hüten muß.
Es wird, so hoffe ich, an diesem Beispiel verständlich, was ich hier unter
"Mythos" bzw. Mythisierung begreife. Richardsons Roman bietet kein rationales Argument an, um die Vereinbarkeit von "property in one's own person"
und "property in goods" zu begründen. Er erzählt, aus der unmittelbaren und
identifikationsstiftenden Perspektive seiner Heldin, eine fiktive Geschichte eine Geschichte, in der gegen jede soziale Wahrscheinlichkeit, aber emotional plausibel, die domestizierte sexuelle Vereinigung jene andere Vereinigung der beiden "properties" anschaulich macht und, im wörtlichen Sinn,
"verkörpert".
7
Pamela, Bd. 2, S. 30.
125
Daß die Implikationen dieses Mythos von den zeitgenössischen Kritikern
durchaus verstanden wurden, zeigte übrigens Fieldings aggressive Pawe/a-Parodie, Shamela (1742). In dieser mock-Version, die sich als die
"wahre" Geschichte der Pamela Andrews ausgibt, wird jene Konvertibilität
von "virtue" und "estate" ausdrücklich widerlegt und als gefahrlich zurückgewiesen. Shamela, die falsche Pamela, benutzt und investiert ihre nur vorgetäuschte Tugend, um den estate von Squire Booby zu ergattern (der seinerseits um seine Belohnung solchermaßen betrogen wird). Das "Eigentum an
der eigenen Person", d.h. die individuellen Werte der Integrität, der Empfindsamkeit, der Unschuld, sind - so die unmißverständliche Botschaft Fieldings - als Währung zu leicht zu falschen, um die solideren Formen des Eigentums außer Kraft zu setzen.
Richardson selber ließ seiner Pamela ein Werk folgen, welches den Konflikt
zwischen property und liberty in sehr viel pessimistischerem Licht erscheinen ließ. Clarissa, die Titelheldin des 1747-48 erschienenen gleichnamigen
Romans, steht zwischen ihrer eigenen, extrem eigentumsorientierten Familie,
die sie zur Mehrung des Familienbesitzes möglichst lukrativ verheiraten will,
und dem satanischen Verführer Lovelace; als sie schuldlos entehrt ist, bleibt
ihr - "The goods, from the point of view of the market, were irreparably
damaged."8 -nur der Tod.
Überhaupt läßt sich verallgemeinern - dies ist meine zweite These -, daß der
englische Roman in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sehr viel skeptischer, resignativer und in gewissem Sinne konservativer wird, was die Versöhnung der im property-Begrlff angelegten Widersprüche angeht. Illustrieren will ich das am Beispiel eines häufig unterschätzten Romans, Oliver
Goldsmiths The Vicar of Wakefield (1766). Wie Manfred Buschmeier erst
kürzlich nachgewiesen hat, 9 tut man diesem Werk (trotz seines happy
ending) Unrecht, wenn man es zur empfindsamen Idylle verharmlost.
8
9
HILL, Clarissa Harlowe and Her Times, S. 116.
Siehe Die Gesellschaft und das Geld; Buschmeier behandelt - neben dem Vicar of
Wakefield - auch die hier erwähnten Romane von Smollett und Mackenzie sowie die
genannten Komödien des 18. Jahrhunderts. Obwohl er sich in seinen Analysen auf
die "Konkurrenz" zwischen den Komplexen des Geldes und des sentiment konzentriert, überschneiden sich seine Ergebnisse z.T. mit den hier skizzierten Thesen.
126
Der Roman ist für uns auch deshalb besonders interessant, weil er zwei
"Theorie-Kapitel" enthält, in denen der Erzähler, d.h. der Titelheld Primrose,
jeweils einen für die Handlung scheinbar irrelevanten Monolog sozialtheoretischen Charakters hält. Diese Monologe, die teilweise wörtlich Goldsmiths
eigenen, in anderen Schriften geäußerten Ansichten entsprechen, handeln
vom Zusammenhang von property, power und liberty. Primrose beklagt die
durch den Außenhandel forcierte "accumulation of wealth", die sich zum
Schaden der "middle order of mankind" in den Händen weniger konzentriere:
Now the possessor of accumulated wealth, when furnished with the
necessaries and pleasures of life, has no other method to employ the
superfluity of his fortune but in purchasing power. That is, differently
speaking, in making dependants, by purchasing the liberty of the
needy or the venal, of men who are willing to bear the mortification
of contiguous tyranny for bread.10
Primrose propagiert deshalb die politische Förderung des Binnenhandels und
der heimischen Produktion auf Kosten des "external commerce", die Stärkung der Monarchie gegen die reich gewordenen kleinen Tyrannen und die
Förderung der mäßig Besitzenden,
namely, that order of men which subsists between the very rich and
the very rabble; those men who are possest of too large fortunes to
submit to the neighbouring 11man in power, and yet are too poor to set
up for tyranny themselves!
oder, in einer Formulierung aus Goldsmiths Citizen of the World:
[those] not too far removed from poverty to fear its calamities, nor
too near extreme wealth to slacken the nerve of labour....12
Auch dieses Modell kann sich, wie unschwer zu erkennen ist, auf Locke berufen. Es findet in einer fast mechanistisch anmutenden, aber stets gefährdeten Balance die einzige Möglichkeit, einen maßvollen Grad von property mit
einer (ebenfalls maßvollen) individuellen Freiheit in Einklang zu bringen.
10
Hier wie im folgenden zitiert nach der World's Classics-Ausgabe, hg. v. A. FRIEDMANN, Oxford 1981, S. 97.
11
Ebd.
12
Collected Works of Oliver Goldsmith, hg. v. A. FRIEDMAN, Oxford 1966, Bd. 2, S.
301.
127
Wer ohne property ist, ist der Gewalt der Reichen schutzlos ausgeliefert und
muß wählen zwischen willfähriger Abhängigkeit und teilweise brutalen
Sanktionen (wie es in Primroses zweitem Monolog im Schuldgefangnis
heißt: "...penal laws, which are in the hands of the rich, are laid upon the
poor."13 Wer andererseits zuviel property anhäuft, wird zwangsläufig zum
Tyrannen, da er außer Macht schon alles hat. "Civil Government" muß also,
ganz im Sinne Lockes, das private Eigentum schützen, aber seine allzu
dynamische Vermehrung und Konzentration bremsen und verhindern - weil
sonst "Liberty11 und "the property which men have in their own persons"
ernsthaft bedroht wären.
In diesem theoretisch definierten Rahmen spielt sich nun Primroses eigene
Geschichte ab, obwohl sie in ihrer fiktional vermittelten Bedeutung durch
diesen Rahmen natürlich nicht vollständig definiert wird. Der Landpfarrer
Primrose ist keineswegs - ich deutete es schon an - nur der naiv-sentimentale
Held, zu dem ihn manche Kritiker gestempelt haben. Da er (wie Pamela und
auch Robinson Crusoe) seine Geschichte aus seiner eigenen, sehr begrenzten
Perspektive erzählt, erkennen wir zwar, daß der Vicar tatsächlich naiv ist: Er
wird ständig von cleveren Schwindlern, von vorgeblich ehrenhaften jungen
Männern, die sich um seine Töchter bemühen (aber natürlich "nur das eine"
wollen), und von scheinbar respektablen Geschäftspartnern getäuscht, bis er
nach dem Verlust seines Vermögens (und den Ruin seiner Familie, insbesondere seiner Kinder, vor Augen) nur noch ein Leben elender Armut zu erwarten zu haben scheint. Aber diese Niederlagen verdankt er eben nicht nur
seinem sentimentalen Glauben an das Gute in allen Menschen. Denn Primrose, als Landpfarrer eigentlich der klassische Repräsentant einer älteren
Ordnung, ist längst angesteckt von den "great expectations", den großen,
aber illusionären Erwartungen der schnellen Bereicherung, die die neue Zeit
versprach. Zwar spendet er, als es ihm noch gut geht, die £35, die seine jährlichen Pfründe ausmachen, den Witwen und Waisen, aber
having a sufficient fortune of my own, I was careless of temporalities, and felt a secret pleasure in doing my duty without reward.'4
13
14
The Vicar of Wakefield, S. 149/150.
Ebd., S. 13.
128
Die Formulierung entlarvt den beanspruchten Idealismus als (in der Tat
naive) Selbsttäuschung; und auch wenn er seine Töchter mehrfach als seine
"treasures" apostrophiert, ist das nicht nur väterliche Liebe, sondern auch
Ausdruck der Hoffnung, durch ihre Verheiratung in den Landadel seine
"pretensions of gentility" erfüllt zu sehen. Was er nicht weiß ist, wie schmal
und gefährlich der mittlere Pfad des maßvollen Reichtums ist - in einer Welt,
in der (auch auf dem Lande) die wirklich Reichen nur darauf warten, ihre
Macht und ihre Willkür auszuspielen, und in der die "calamities of poverty"
über Nacht zur Wahrheit werden können.
Am Ende, in einer Art von fast aufdringlich märchenhaftem Schluß, erlöst
der deus ex machina des Romans, Sir William Thornhill, die Familie Primrose vor dem drohenden Elend; die Kinder erhalten ihre Wunschpartner, das
Vermögen ist plötzlich wieder vorhanden- all dies auf wenigen Seiten des
Buches. Doch dieses künstlich aufgesetzte happy ending kann an der durchgehenden Skepsis des Romans letztlich nur noch wenig ändern. Es bleibt das
Bild einer Welt, die von den korrumpierenden Kräften einer überhitzten Akkumulierung längst ergriffen worden ist: im psychologischen Bereich, da
selbst die naive Gutherzigkeit des Landpfarrers von den verführerischen Illusionen des großen Reichtums überlagert erscheint; im sozialen Bereich, da
auch die countryside von den tyrannischen Machtmöglichkeiten der wirklich
Reichen einerseits und der Skrupellosigkeit der Abhängigen (des "rabble")
andererseits bedroht wird. Man ist inzwischen weit entfernt von dem Optimismus Defoes, von einem Robinson Crusoe, der sich, getrieben von einem
fast dämonischen Drang nach dem Abenteuer (auch dem ökonomischen
Abenteuer) über die Ratschläge seines Vaters hinwegsetzt:
He told me...that mine was the middle state, or what might be called
the upper station of low lifer..not exposed to the miseries and hardships, the labour and sufferings of tne mechanick part of mankind,
and not embarras'd with15the pride, luxury, ambition, and envy of the
upper part of mankind.
Das ist, fast fünfzig Jahre vorher, exakt die Position, die Primrose in seinem
theoretischen Monolog vortragen sollte. Aber der Unterschied liegt natürlich
darin, daß Robinson, hinausgetrieben von seinem "immoderate desire", zum
15
Zitiert nach der Everyman-Ausgabe, London 1962, S. 5/6.
129
Helden eines property-Mythos wurde, in dem eine auch ökonomische
"providence" alles zum Guten wendete und beide properties, also "liberty"
und "estate", miteinander versöhnte, während schon Primroses halbherziges
Kokettieren mit den Verlockungen des neuen Geldes genügte, ihn aus der
"middle station" ins Verderben zu stürzen, so daß nur ein gänzlich märchenhafter Schluß ihn retten kann.
Bekanntlich sympathisierte Goldsmith, ganz im Gegensatz zu Defoe, eher
mit Positionen der Tories. Aber das erklärt wenig. Auch Smolletts The Expedition of Humphry Clinker und Mackenzies The Man of Feeling, beide 1771
erschienen, sind von einer konservativen Skepsis beherrscht, die deutlich an
den Vicar of Wakefield erinnert. Mackenzies Held Harley etwa, der sich am
Ende des Romans, ähnlich wie die Smollettsche Hauptfigur Bramble, aus der
Welt auf seinen abgeschiedenen estate zurückzieht (und bald darauf stirbt),
began to ruminate on the folly of mankind, who affixed those ideas of
superiority to riches, which reduced the minds of men...to that sort of
servility which he felt in his own. 16
Und Bramble, der empfindsame Misanthrop, wettert geradezu mit Lust gegen die Akkumulation des Reichtums aus dem Außenhandel, in der schon
Primrose eine so große Gefahr gesehen hatte, also gegen die
Clerks and factors from the East Indies, loaded with the spoil of
plundered provinces; planters, negro-drivers, and hucksters, from our
American plantations, enriched they know not how; agents, commissaries and contractors who have fattened, in two successive wars, on
the blood
of the nation; usurers, brokers, and jobbers of every
kind... 17
Der schnelle Reichtum, so Bramble, führe geradezu zwangsläufig zu Luxus,
Machtmißbrauch und Korruption: "...a glut of wealth brings along with it a
glut of evils." 18
Der schließliche Rückzug der beiden "sentimental heroes" aus einer hektisch
materialistischen und sich destabilisierenden Gesellschaft läuft auf eine neue,
16
The Man of Feeling, hg. v. B. V ICKERS, London 1970, S. 23/24.
T h e Expedition of Humphry Clinker, hg. v. A. Ross, Harmondsworth 1978, S. 65.
18
Ebd. S. 319.
17
130
resignative Interpretation des Lockeschen property-Begriffs hinaus: property
und liberty, in diesem Falle in der sentimentalen Version einer sich verwirklichenden Sensibilität, erscheinen nun tatsächlich unvereinbar.
Freilich muß man sich vor der Verallgemeinerung hüten, daß die englische
Literatur der sechziger und siebziger Jahre insgesamt das Modell der Synthese von property und liberty, von Akkumulation und gesellschaftlicher
Ordnung, von Besitz und sensibility aufgegeben habe. Die Komödie dieser
Zeit - dies meine dritte These - hatte geradezu ein mechanisiertes Handlungsmuster entwickelt, welches in immer neuen Variationen auf diese Synthese hinauslief. Freilich waren weder die Utopie noch der Mythos die Sache
dieser Gattung. Ich denke hier an solche Komödien wie George Colmans
und David Garricks The Clandestine Marriage (1766), Oliver Goldsmiths
The Good Natur'd Man (1768), Richard Cumberlands The West Indian
(1771), Samuel Footes The Nabob (1772), Colmans The Man of Business
(1774) und Richard Brinsley Sheridans The School for Scandal (1777). Alle
diese Komödien handeln - hier folge ich noch einmal Manfred Buschmeier vom "richtigen" Umgang mit property und Geld - richtig sowohl nach den
Maßstäben einer realistischen Weltklugheit als auch nach denen einer,
freilich maßvollen, sensibility. Fast alle diese Komödien weisen die gleiche
zentrale Figurenkonstellation auf, die aus vier Charakteren besteht: dem
jungen Helden, der aus der spontanen und naiven good-nature seines
Herzens heraus sein Vermögen zunächst verschwendet und an den Rand des
Ruins gerät (etwa Charles Surface in der School for Scandal); zweitens
einem gemäßigten Schurken, der (häufig unter der Maske einer
vorgetäuschten sensibility) diese Schwäche des Helden skrupellos nutzt;
drittens einem Vertreter krasser Geld- und Besitzorientierung (meist einen
älteren Kaufmann, Erbonkel oder Landadeligen, der in vielen Fällen Vater
einer heiratsfähigen Tochter ist); und viertens einer Normfigur, die
Großherzigkeit und Klugheit, prudence und sensibility, maßvolles
Besitzbewußtsein und maßvolle Güte miteinander in Einklang zu bringen
weiß, die unseren Helden bei seinem Lernprozeß an die Hand nimmt und
häufig in der letzten Szene den deus ex machina zu spielen hat. Am Ende
steht meist eine automatisch wirkende Harmonisierung, die aber nur selten
über die Ebene eines praktischen Kompromisses hinausgeht. Das fragliche
131
Vermögen - also die "property in goods and estate"-, das schon verloren
geglaubt war, landet pünktlich zum letzten Akt wieder beim Helden, ebenso
wie die fragliche junge Dame. Dieser - der Held - wird künftig von seiner
meist viel realistischeren Braut darin unterstützt, seine arglose und gutmütige
Neigung zu wohltätiger Verschwendung zu mäßigen und den objektiven
Erfordernissen der 'Vermögensverwaltung' Tribut zu zollen.
Die sozialkritische Skepsis solcher Komödien ist tendenziell höchstens darin
zu erkennen, daß sich extrem property-besessene Akkumulateure in der Regel nicht ändern, sondern sich aller Einsicht verschließen.
Hier nähern sich die mythisierenden Modelle, in denen die Literatur des
Jahrhunderts die Widersprüche des property-Begriffs harmonisiert hatte, also
dem Klischee; und so war es kein Wunder, daß diese Gattung in England gegen Ende des Jahrhunderts mehr und mehr verkam und praktisch bis zum
Ende des 19. Jahrhunderts von der Bühne der ernstzunehmenden Literatur
abtrat.
In seinem Buch Strukturwandel der Öffentlichkeit (1962), das uns alle nach
1968 so sehr beschäftigte, sagte Habermas von den "Privatleuten" des 18.
Jahrhunderts, sie hätten sich verstanden
als unabhängig auch noch von der privaten Sphäre ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit - eben als Menschen,
die zueinander in "rein menschliche" Beziehung treten können. 19
Habermas spricht damit gerade von dem, was hier zur Rede steht; von der
Ineinssetzung des Privat-Menschlichen und des privaten Besitztums, von der
Vereinbarkeit der beiden properties ("in one's own person as well as in
goods"). Wie wir gesehen haben, lieferte die Literatur des 18. Jahrhunderts
einige unsterbliche mythische Versionen dieser Harmonisierung, etwa in Defoes Robinson Crusoe, in Richardsons Pamela oder - um einen weiteren Titel zu nennen - in der ersten bürgerlichen Tragödie, in Lillos London Merchant. Doch es ist auch sichtbar geworden, daß die Literatur immer auch,
und verstärkt in der zweiten Jahrhunderthälfte, die Diskrepanzen, das immer
19
J. HABERMAS, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie
der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied 7 1975 (' 1962), S. 66.
132
beunruhigendere Auseinanderdriften der beiden property-Vvrsionen in den
Mittelpunkt rückte. Am Ende beherrscht die Skepsis den englischen Roman,
während die Komödie (die vielleicht ihrem Gattungsgesetz gemäß auf den
harmonisierenden Kompromiß verpflichtet war) ihren Optimismus nur um
den Preis ihrer wachsenden Unglaubwürdigkeit aufrechterhalten konnte.
Meine vierte und letzte These ist kurz. Sie betrifft die englische Literatur des
19. Jahrhunderts. Sie lautet: Obwohl property in zahlreichen aspektuellen
Variationen eine thematische Rolle in den Werken solcher Autoren wie Jane
Austen, Charles Dickens, William Makepeace Thackeray spielte, haben die
Dichotomien des Begriffs, die die Romane und Komödien des 18. Jahrhunderts noch strukturierten, diese Bedeutung verloren. Der Befund erscheint
fast paradox. In Jane Austens Pride and Prejudice beispielsweise (oder in
Charles Dickens' frühem Roman Nicholas Nickleby) sind die Angaben zu
den jeweiligen Besitz- und Vermögens Verhältnissen so präzise und so dicht
gestreut wie in kaum einem Roman des 18. Jahrhunderts. Wir erfahren in
Pride and Prejudice nicht nur Darcys Jahreseinkommen, finden nicht nur
eine Beschreibung seines Landsitzes, sondern werden zuweilen mit ganzen
Listen von "Possessions" - etwa dem Kleiderfundus der Bennet-Töchter vertraut gemacht. 20 Und in dem genannten Dickens-Roman geht es in
beinahe allen Kapiteln, vor allem des letzten Teils, um property-Probleme 2 1
Nicholas Nickleby ist mittellos, weil sich sein naiver Vater verspekulierte
und dann aus Kummer starb; sein Onkel Ralph ist einer der mächtigsten
Geldverleiher der City, der Firmen (wie das Modegeschäft der Maulalines)
erhält oder fallen läßt und verschwenderischen Aristokraten-Söhnen die Zeit
bis zum Antritt des Erbes durch wucherische Darlehen überbrücken hilft; das
Zwillingspaar Cheeryble leitet eine Import-Export-Firma, mit deren Erlös sie
auf die philanthropischste Weise umgehen.
Trotzdem (oder gar deshalb), trotz der hundert konkreten Einzelheiten, die
die Vermögensverhältnisse der handelnden Personen betreffen, geht es in
keinem der beiden Fälle um property als dem die "Tiefenstruktur" bestimmenden Komplex. Das ist besonders deutlich in Dickens1 Roman Nicholas
20
21
Vgl. B. HARDY, Properties and Possessions in Jane Austen's Novels.
Vgl. M. MAGNET, Dickens and the Social Order, Philadelphia 1985, S. 2025.
133
Nickleby, von dem David Edgar einmal sagte: "It is a novel on money." Dem
kann man nur zustimmen; Dickens zeigt eine verwirrende soziale Welt, ein
Panorama von Institutionen, sozialen Schichten und topographischen Orten
(die brutale Privatschule für unerwünschte und abgeschobene Kinder in
Yorkshire, das Provinztheater in Mittelengland, die Londoner Gasthäuser,
Firmen, Aktiengesellschaften, Geschäfte, Straßen, Geldverleiher, Politiker,
Juristen, Polizei Stationen usw.), die alle, auf mehr oder weniger nachhaltige
Weise, von den Mechanismen der Geldwirtschaft betroffen sind. Aber das
Geld ist nur unter anderem property - zumeist wird es als eine unpersönlich
gewordene, unheimliche Macht verstanden, die sich in der Regel bedrohlich
auswirkt und vor allem die sozialen Institutionen unmenschlich werden läßt.
Die klassischen property-Kategorien spielen nur eine kleine Rolle, etwa der
Gegensatz zwischen "landed property" und "commercial property". Viele der
Dickensschen Charaktere geraten in die Mühlen der vom Geld korrumpierten
Institutionen (Pickwick ins Schuldgefangnis, Smike in das "Schulgefängnis",
dessen Leiter Geld aus der Folter unerwünschter Kinder schlägt, Oliver
Twist in das Waisenhaus, das ähnlich funktioniert, die Charaktere in Bleak
House in das Räderwerk einer Justiz, die die Besitzverhältnisse zerstört, statt
sie zu klären). Geld wird so eher zu einer Gefahrdung von property als zu
ihrer Grundlage - und flösse es nicht zuweilen zu den Menschen, die es mit
ihrem guten Herzen menschlich verwenden, wäre die Aussicht düster.
Und selbst in Jane Austens scheinbar so abgeschlossener und sozial so
homogener gentry-Welt geht es um die Auseinandersetzung mit einem
extrem differenzierten und schwer durchschaubaren sozialen Kodex, der
zwar weitgehend auf bestimmten property-Verhältnissen beruht, sich aber
keineswegs auf sie reduziert. Emma Woodhouse und Elizabeth Bennet müssen zwischen diesem Kodex und ihren eigenen Wünschen nach Selbstverwirklichung Kompromisse finden - sie müssen die Linie finden, auf der sie
einerseits noch ihre eigene Persönlichkeit bewahren, andererseits aber die
bestehenden Regeln des Zusammenlebens in schon akzeptablem Maße erfüllen. So haben die vielen property-Signale in Jane Austens Roman häufig
eher die Funktion, gesellschaftlichen Status, gesellschaftliche Regelverletzungen oder soziale Normen zu signalisieren. Sie sind Zeichen eines Verhaltens-Codes, nicht Element eines property-Modells.
134
Die sich rasant komplizierende Wirklichkeit des 19. Jahrhunderts ließ die
dichotomisch angelegten Modelle des 18. Jahrhunderts offenbar nicht mehr
zu; insbesondere die sich verselbständigende Geldherrschaft ließ auch das
"literarische Geld" sehr viel mehr Bedeutungen annehmen als die eines property- Indiz. Die Lockesche "Konfusion", die keine war, wurde von anderen,
sehr viel verwirrenderen Konstellationen abgelöst. Die Vermittlung zwischen
der "property in one's own person" und der "property in goods" war, zumindest als zentrales Modell, von der literarischen Tagesordnung verschwunden.
Deshalb möchte ich auch Ihnen die volle Verfügung über Ihre Person zurückgeben - "The property which you have in your person" -, nachdem Sie
mir freundlicherweise einen Teil derselben, nämlich Ihr Ohr, geliehen haben.
135
IAIN HAMPSHER-MONK
Radicalism or Radicalisms?:
Radicals' ideas of property in eighteenth-century Britain
Defining the radical position in the eighteenth century has become something
of a problem. One major reason for this is that after 1688, and more especially after 1714, "radical" could have at least two meanings. It could mean
opposition to the newly emerging Whig establishment in one of two directions: in terms of sympathy for the pretender, the Stuart line, and the old
ideal of kingship, or in terms of an aspiration for a more limited republican
or even democratic constitutional settlement than had in fact been obtained.
However it is impossible to characterise adequately either "radical" or its
antonym (whatever that might be) in purely political terms. Each group borrowed ideological clothes from the other.1 At least some "Tories" adopted
the social analysis and historiography of the erstwhile opposition. Whigs, as
they consolidated power, adopted both the devices, and a justification of the
means until recently used by the Stuarts to maintain stability. The consolidation of the whig position involved, as John Brewer has recently emphasised
(and contrary to traditional views of England as a "weak state"), the considerable strengthening of the state apparatus, and the consequent endorsement of certain characteristics of the modern economy: National Bank, and a
national debt, a market in credit and stocks, a swelling military establishment
and government sector, the growth and acceptance of empire, and the use of
crown patronage to influence and control the House of Commons. All of this
was financed by a taxation system which by the end of the early 1780s had
1
See in particular I. KRAMNICK, The Politics of Nostalgia, Bolingbroke and his Circle,
Cambridge, Mass. 1968.
137
reached 23 % of per-capita income, and was to rise, during the Napoleonic
wars, to a staggering 35 %. 2 This had given rise to an extraordinary debate
about the nature, course and morality of modern political economy magisterially explored by John Pocock and others.3 Not surprisingly radicals' attitudes to all of these developments bear on the political implications of that
key term: "property".
It was perhaps once possible naively to believe (whether we were marxists or
liberals), that Tory and radical were polar opposites situated at either end of
an axis, the centre of which was occupied by the Whigs - the one a nostalgic
residue, the other as yet a promise for the future. But most scholars are now
agreed that the dominant vehicle of radicalism in the first half of the eighteenth-century was in fact Toryism.4
Being tainted with jacobitism, after 1714, Tories were excluded from the
network of government influence and patronage. As a result they were increasingly driven to seek election in the more open, democratically franchised seats. In the process they not only adopted much of the ideology of
the radical whigs, they also inherited their constituencies. The freemen of the
City of London for example switched allegiance from Whigs to Tories: although
this reversal actually represented a popular reaffirmation of the libertarian principles which were abandoned by the London Whig
Leaders
after they became entrenched in power in the Corporation.5
Ironically, it was increasingly the Tories who sought, from positions of
despairing self-interest it is true, to expand the popular base of politics. They
tried to widen corporation franchises where they could. They pioneered at-
2
3
4
5
J. BREWER, The Sinews of Power, London/Boston 1989, p. 91.
See sections xiii and xiv of part 111 of The Machiavellian Moment, Princeton 1975,
and Virtue Commerce and History, Cambridge 1985.
L. COLLEY, In Defiance of All Oligarchy. The Tory Party 1714-60, Cambridge 1982;
see G. DE KREY, Political Radicalism in London after the Glorious Revolution, in:
JMH 55 (1983), Fn I.
DE KREY, Political Radicalism, p. 590, my emphasis.
138
tempts at constituency control of Members of Parliament and the establishment of extra-parliamentary political organisations.6
It has plausibly been suggested that a direct line exists between tory jacobites
such as Thomas Carte, who in the 1740s drew up a scheme "for the setting
up in all Market towns or larger Parishes, clubs of Independent Electors",
through James Burgh's idea of a representative national association mooted
early in 1770s, and the County Association Movement of the 1780s through
to the Society for Constitutional Information and John Jebb's national association, and to the undoubtedly subversive National Conventions of the
1790s.7
Property
Whereas radical is a category, which, for most of our period, is imposed by
the historian, property, on the other hand, is a category which was not only
familar, but central to historical actors' conceptions of themselves and of
their political positions. It was embedded in their discourse and it is upon
these discourses, their inter-relationships and their transformations that I
want to focus.
Much of the revival of interest in eighteenth-century political thought has
focussed on the identification of traditions or theorising, modes of discourse,
or political "languages". However no simple identity can be established between any of these and radicalism, for radicalism had no clearly defined language of its own, whether nostalgic or progressive, it was structured and articulated within conventional and even conservative patterns of morality and
language, as writers as far apart politically as J. C. D. Clarke and E. P.
Thompson agree.8 The argument here is that what makes radicals radical is
6
7
8
L. COLLEY, Eighteenth-Century Radicalism before Wilkes, in: Tr. Royal Historical
Society, 5th series, 31 (1981), pp. 1-19.
T. M. PARSSINEN, Association, Convention and Anti-Parliament in British Radical
Politics, in: EHR 88 (1973), pp. 504-533.
CLARK writes, in a chapter tellingly entitled "The survival of the Dynastic Idiom",
1688-1760, that [even] the divine right of kings "survived, embedded in the popular
139
not the language they use, but the way they use it, and I shall try to show
how a variety of radicals sought to exploit the logic of various of these languages in surprising and subversive ways, and moreover how, in each case
their conception of property was central to this subversion.
Indeed it has become important to show this, for we cannot otherwise
explain the origins and development of the progressive radicalism that
undoubtedly existed at the end of the eighteenth-century. We have been so
impressed with demonstrating where individuals' ideas have comefrom, that
we are in danger of losing sight of the need to show how and where they
were going too. In a perhaps unfashionably whiggish way I want to attend
not only to the sources of radicals' language, and to the way those sources
imposed limitations on what could be said, but also to where those who used
those languages thought they were going and how they sought to overcome
those limitations.
The languages of Politics
At the start of the eighteenth century property occupies a central position
within two influential and, at this stage, largely distinctive discourses, the
discourse of natural jurisprudence and the discourse of republican virtue.
John Pocock in particular has, at least until very recently, been most insistent
on the distinctive nature of the two: '"virtue"' he writes, "cannot be satisfactorily reduced to the status of a right or assimilated to the vocabulary of
jurisprudence." The reason given is that republican virtue saw the problem of
political stability in terms of constructing circumstances in which the political natures of the citizens could be realised and supported. By contrast,
the overwhelming preoccupation of the jurist is with that which can
be distributed: with things and rights; if in suum cuique we read suum
as an adjective, the unstated nouns are res and ius...nature may be
consciousness, in that great grey area where folklore and popular religion joined".
English Society, 1688-1832, Cambridge 1985, p. 162. E. P. THOMPSON famously
argued the inhibiting role played by customary morality even in riot situations in The
moral economy of the English crowd in the eighteenth century, in: PaP 50 (1971),
pp. 76-136.
140
developed, but it cannot be distributed; you cannot distribute a telos,
only a means to it; virtue cannot therefore be reduced to matter of
right?
The role of property in each tradition exemplifies this difference. In the language of republican virtue, property existed to assist in the promotion and
sustaining of the citizen's virtue on which, alone, ultimately the political
community could survive. Property guaranteed moral independence, which
was a precondition for political virtue. Only those with the appropriate
property, therefore, could participate in politics if the state was to survive.
Radical moves within this language involved showing how a reformulated
conception of property might still perform the required function of safeguarding virtue. Within the language of natural jurisprudence, however,
property was not an instrument at all (at least, not an instrument of anything
political) it was one, if not the actual reason for political association itself: as
Locke famously put it "The great and chief end therefore, of Mens uniting
into Commonwealths, and putting themselves under Government, is the
Preservation of their Property."10 Those we call radicals conceived their
task to be the reformulation of what that property was that the society was
supposed to be protecting. (One might add that those we call revolutionaries
conceived their's to be to deny that it needed or merited protecting at all).
Each position requires characterising further before looking at the radical's
exploitation of it.
Republican Virtue
The British reception of the language of republicanism stresses two themes:
the maintenance of the mixed or balanced constitution, and the stress on propertied independence as a guarantee of political independence or virtue.
Political stability depended on achieving a virtuous circle in which balanced
institutions engendered a civic morality capable of the self-denial required to
9
J. POCOCK, Virtue Rights and Manners. A model for historians of political thought,
in: Virtue Commerce and History, pp. 41, 43.
10
JOHN LOCKE, T w o T r e a t i s e s o f G o v e r n m e n t , e d . P. LASLETT, C a m b r i d g e 1967, II,
124.
141
sustain the institutions. There was thus an intimate relationship between the
two.
In institutional terms the English feudal estates of King, Lords and
Commons could be identified with the idealised mixed constitution of
classical and revived republicanism. Thus, although England was a
monarchy, because it was a "mixed" regime with representative institutions
balancing the office of the King, the by-now elaborate republican literature
on the relationship between civic morality and institutional structures could
be applied to England.11
Central to republican thinking on the "mixed constitution" was the notion
that constitutional stability depended on sustaining the balance between the
elements of the constitution, and this in turn depended on their mutual independence. This meant, in particular, guarding the independence of the Commons from the Crown, and the ultimate guarantee of this was the virtue and
independence of electors in resisting bribery, and ensuring the Crown did not
have the resources to effect it. In this civic tradition - and perhaps more
widely - moral independence was seen as inseparable from economic independence.12 The possession, on the part of both representatives and electors,
of independant property was therefore a condition of the virtue of both and of
the balance of the constitution. This balance was clearly threatened by the
growth of government patronage and the accumulation of private economic
wealth. Many thinkers looked nostalgically back from an increasingly commercialised eighteenth-century to an England populated by freeholding,
11
The authorities cited by these thinkers were republican, but the actual term, because
of the civil war and interregnum 1642-1660, had unfortunate connotations in England, and was not used by contemporaries, except to discredit opponents. In America
too "republican" was a smear-word until the very eve of independence. W. P.
ADAMS, Republicanism in Political Rhetoric before 1776, in: PSQ 85 (1970), pp.
397-421.
12
In the Putney debates between the radical Levellers and Cromwell's army officers of
1647, Ireton argued and the Leveller Spokesman made the classic concession that the
vote might be withheld from the poor "because they depend upon the will of other
men and should be afraid to displease [them]." W. PETTY, in: A. S. P. WOODHOUSE,
Puritanism and Liberty, London 1966, p. 83. No-one seriosuly suggests this entailed
a full-blown commitment to the civic-republican analysis by either of these speakers.
For a fuller discussion see I. W. HAMPSHER-MONK, Putney Property and Professor
Macpherson, in: PolSt XXIV, 4 (1976), pp. 397-422.
142
longbow-wielding yeomen soldiers, straw-hatted and besmocked versions of
Macchiavelli's own idealised republican citizens. Virtue was increasingly
identified with independence from government, rather than from (rich) citizens.
On this theory then property was a central, if nevertheless highly mediated
concept: just what kind of property was necessary to render a man independent, or his political institutions uncorrupt? Tories traditionally regarded land
- or perhaps corporation membership (as in the case of London) as the crucial index of economic independence. However, the belief that not only the
existing parliament, but the electorate too were irredeemably corrupted, logically led opposition thinkers to attempts to extend the electorate, either to
those who would supposedly resist the corruption, or to make it so large that
it would be too expensive to bribe.
Natural Rights discourse
The discourse of virtue promoted by the civic tradition saw political rights,
and consequently property, as a function of the need to sustain those
psychological-moral qualities necessary to maintain the state, or the balance
of its constitution. By contrast the tradition of natural rights that emerged
from the Leveller writings of the 1640s and Locke's revolutionary writing of
the 1670s saw certain rights due to men as individuals by virtue of their
right, and sometimes their duty to God, of self preservation. It was the duty
of the state to safeguard these. 13 Somewhat ambivalently included in the
first, radical natural rights theories was the right to property; often characterised, as it was by Locke, as prepolitical, personal and subjective.14 In the
13
This contrasted with an earlier tradition stemming from Grotius,and, in England,
Seiden and Hobbes which regarded the virtually wholesale transfer of natural rights
to the polity, as a means of explaining the possibility of political absolutism. This is
well explained in TUCK, Natural Rights Theories, Cambridge 1979, pp. 154-155, although in my view, he underestimates the extent to which the Levellers anticipated
Locke's position.
14
T h e Levellers normally responded to claims that their natural rights arguments
would undermine property - and so "level" all estates - by pointing out that property
was guaranteed by the law of God in the Ten Commandments. But a late tract al-
143
context of incipient Stuart absolutism the assertion of such personal right
was indeed radical. The feudal and patriarchal assumption was that since all
right, including all property right, derived from the King, he could revoke
such rights at will, and the denial of this was a cornerstone of the works of
Sidney (for which he was executed), Locke and Tyrrell. But in the context of
the Hanoverian settlement the inviolability of property could, by contrast, be
invoked to resist even quite moderate reforms, such as the redistribution of
unpopulated parliamentary constituencies - themselves commonly defended
as private property by the franchise-holders.
Locke's theory of property, derived a right to private property from the
labour which individuals exerted on that which was naturally common to all.
Such an argument was needed on the one hand against the claims of absolutists that no individual natural right to property existed. But it was also
needed against radical communards. At least, it was devised by Locke to
meet the unhelpful claims of Grotius and Pufendorff, gleefully taken up as a
reductio ad absurdum by Filmer, that only universal consent could have
established private right out of the common. Locke was clearly aware of the
need to show, not only "how men might come to have a property in several
parts of that which God gave to men in common"15 but also that more complex and unequal forms of property could be justified by their greater productivity, under the general rubric of the law of nature that "man is to be
preserved." Critics of Locke as a bourgeois apologist have stressed, following Macpherson, how his defence of economic development and aggregate increases in productivity, ignored or lost sight of the individual's right to
labour and subsistence on which the original right to property was based. But
it is no longer clear either that this was Locke's intention, or that it was how
he was read. The distinctive role accorded to labour in the Second Treatise
15
lowed that property could legitimately be communalised by common consent of all
members of a community. A Manifestation...J. LILBURNE et al. (1649).
JOHN LOCKE, TWO Treatises of Government, p. 304. Filmer'S challenge was to argue
that defenders of private propeerty had either to accept communal ownership of all
property, or demonstrate that a unanimous agreement to partition what had been
given to all in common had taken place. See Sir ROBERT FILMER, Patriarcha and other
Political Works, ed. P. LASLETT, Oxford 1949, pp. 63-66.
144
may, it has been suggested, have been intended to carry an important political message to labourers which was more than rhetorical.16
Although both Locke's radicalism and his influence have at times in the past
thirty years been called into question, recent scholarship now suggests not
only that Locke moved in very radical circles indeed, but that as well as
becoming a cited if unread establishment figure, his actual text also circulated, edited in popular and extremely demotic form, in some of the most
popular pamphlets of the century.17 Locke indeed, far from being the definitive spokesman for the emerging Whig establishment, can be read as
something of a radical trojan horse.
In the aftermath of the French Revolution this aspect of his thought was bitterly pointed out by several conservatives. For example the Rev. John
Bowles complained that both the French Revolution and its would be imitators in Great Britain were the inevitable consequences of
A sect of philosophers with Mr Locke at their head, who inculcated
these principles [of natural right] as a system...unsettled the minds of
men respecting their social duties and their obligations of respect,
submission ana allegiance by teaching them that the whole frame of
society originated in the individual exercise of natural and unalienable rights.18
16
R . ASHCRAFT, Revolutionary Politics and Locke's Two Treatises of Government,
Princeton, N.J. 1986, pp. 257-272.
17
Ashraft's work has shown just how radical Locke's position was in the 1670s. See R.
ASHCRAFT, Revolutionary politics and Locke's Two Treatises of Government, in:
Political Theory VII (1980), and his magisterial book of the same name (Princeton
1986). ASHCRAFT and M. GOLDSMITH have also shown that one of the most reprinted
pamphlets of the century consisted of substantial excerpts from the Second Treatise
and other revolution pamphlets: Locke, Revolution Principles and the formation of
Whig Ideology, in: HistJ 26, 4 (1983).
18
JOHN BOWLES, The Retrospect...tracts published at various period of the war including some reflections on the influence of Mr. Locke's theories of Government in
producing that combination of anarchy and oppression, which has assumed the name
of jacobinism. (1798), pp. 300-301. See also JOHN WHITAKER, B.D., The Real Origin
of Government, London 1795, which reasserts a Filmerian, Adamite Patriachalism
against the heathen John Locke and the "forgers of such fantastical polities based on
the self-contradictory notion of consent (p. 17 and ff.). For a recent discussion based
on religous responses to the radicalism of the 1790s see R. W. HOLE, Politics and the
Pulpit, Cambridge 1989.
145
As such responses suggest, the theory of natural rights, including that to
property, was an ambivalent ally of the establishment, and as we shall see,
its ambivalence was to be fully exposed in the radicals' cause.
However, before we move to a consideration of the radicals' treatment of
these ideas, I want to mention a third language in which the concept of
property became embedded, that of philosophical psychology.
Philosophical Psychology
The emergence of a reflective, empiricist philosophy pioneered by Locke,
and developed in the writings of Hutcheson and more especially Hume,
enabled a different account of the nature of property to be developed. This
account concerned itself with how the human mind came to form a conception of property and sustain it as an institution.
How we come to have rules of property
In Hume's account, the existence of rules of property is explained as a consequence of certain natural facts about human nature and the world. We have
desires that exceed what nature makes freely available to each of us, and
human benevolence, which might otherwise make up the shortfall, is limited.
Enjoyment of possessions is thereby rendered very unstable, 19 which is a
universally undesirable state of affairs. A general rule prescribing stable possession is simply an emergent expedient for overcoming this disadvantage. It
was not a rational expedient, devised, ex ante, rather its origin could be
explained by any extended experience of, and reflection on, the benefits of
stable possession. Both the origins of such a rule, therefore, and the justification for it, could be explained in virtue of its utility, or appeal to our selfinterest, although some further explanation was necessary to show how the
19
DAVID HUME, Treatise of Human Nature, ed. Selby-Bigge, Oxford 1888, Bk III, p.
495.
146
mind came to regard some, and not other circumstances as giving rise to
property rights.
How we come to assign property rights as we do
Hume's account of these circumstances stresses that although utility may
play a role these "are principally fix'd by the imagination, or the more frivolous properties of our thought."20 The relationship of property has its origin like so much else in Hume - in the ubiquitous mental principle of
association. Repeatedly seeing a particular object in connection with a
particular person would eventually come to raise expectations of seeing it
with them, which, reenforced by our own desire to keep what we own, could,
on reflection, be formalised into the rule that people should be secure in the
possession of those things they had, which is the first principle of property.
Further conventions relating to the acquisition of property are explained by
variations of the same or similar mental operations.
(1) The claim of occupation, in the sense of first possession, lies simply in
the (psychological) fact that the first possession somehow "engages the
attention most".21 In general, occupancy or possession involves control or
power over something, the relation between the owner and object is one of
cause to effect. This kind of association is the one that operates here. Hume
is particularly dismissive of Locke's theory of "mixing our labour", showing
that it reduces to a number of different arguments. We do not, except figuratively "mix our labour", rather we alter something by our labour. This establishes a relation in the mind between the thing and the person, sufficient,
on the principle of cause and effect, to generate the idea of property. Mere
occupancy does not involve labour; and titles generated by the labour of
others belonging to me (as in Locke's famous "Grass my Horse has bit; the
Turfs my Servant has cut:" passage22) are really examples of accession. This
dismissive attitude to Locke reveals the gulf that had opened up between the
20
Treatise III, p. 504.
Treatise III, p. 505.
22
LOCKE, Second Treatise, 28.
21
147
naturalism of Hume, and Locke's basic assumption of human personality as
essentially the locus of (theologically derived) rights and duties.
Similar psychological explanations account for (2) accession: the fruits of
trees, the young of animals we possess and the work of slaves, anything
produced by what is already ours, becomes ours because the offspring are
associated with their origins in the imagination.23
Finally, (3) succession or inheritance derives again from the nearness of the
relationship. On the death of the proprietor, the mind, which already associates the property indirectly with the offspring via the dead parent "is apt to
connect them still further by the relation of property" 2 4 This relationship is
reenforced by what Hume claims is a utilitarian rule derived from an observable fact, namely that "men's possessions shou'd pass to those, who are
dearest to them, in order to render them more industrious and frugal."25
Hume does not pretend that all and every existing rule of property can be
shown to be the one that best fits the operation of the mind, let alone to be
best justified by utility. What he argues is that they can all be shown to have
some basis in associationist psychology - and in this way their origin can be
explained independently of rational invention. Moreover, since any rule is
better than none, and there are rarely non- experiential grounds for demonstrating the superiority of one over another, any rule embodied in practice
and habit is to be preferred to another not so embodied. Although this is a
conservative conclusion, it was a tenuous and even "fantastic" basis on
which to put property rights.26 Moreover, basing all property in the operations of the mind had political implications. It was still commonplace in the
eighteenth century to regard rights in land as somehow different from, and
23
Where such objects are "connected together in the imagination, they are apt to be put
togeher on the same footing, and are commonly suppos'd to be endow'd with the
same qualities. We readily pass from the one to the other, and make no diffeence
between them." HUME, Treatise III, p. 509.
24
Treatise III, p. 513.
25
Treatise III, p. 511.
26
Hume's denial that descriptions (of origins or of anything else) could never produce
obligations, it is quite clear that Hume regarded his account as, at least in part, a vindication, as well as an explanation of property rights. The famous denial is at Treatise III, p. 469.
148
(particularly for Tories) superior to, rights in other kinds of property. Landed
property was somehow more real - as Doctor Johnson had shown, you could
kick it! Hume's argument about the nature of property was anti-partisan in
that it made landed property, as much as property in money or shares, alike a
consequence of the associative operations of the mind. 27 Yet this very equalisation of the status of different kinds of property favoured - albeit for
scientific rather than vulgar or partisan reasons - the modern Whig view over
that of the more nostalgic Tories.
Resting property right on the shaky grounds of convention and the
"frivolous" qualities of human psychology, could paradoxically, provide
ammunition for the conservative. As Pitt, for one, urged: the adventitious and
conventional nature of private property could be read as implying its fragility, rendering it even more important for politicians to be assiduous in its
defence.
Radical responses to the prevailing paradigms: The impact of Scottish historical sociology on the three patterns of argument and their implications for
radicals.
The development of the Scottish school of historical sociology, and in particular its sociology of moral belief and knowledge, had wide-ranging implications for each of these views, of the way in which political life was seen to
be structured, and the role of property within it. This historical sociology
drew on elements of each of our three languages and to some extent synthesised them into a single whole.
27
T h e notion that certain kinds of wealth - especially since the advent of credit - were
based on fantasy, or men's imaginations, had a well established literary pedigree
before Hume daringly enshrined it in philosophy. Defoe had personified Credit as
Fortuna - the fickle pagan goddess - who was most demanding "if you will entertain
this Virgin, you must act apon nice principles of Honour, and Justice; you must
preserve Sacred all the Foundations, and build regular structures upon them; you
must answer all Demands, with respect to the solemnity and Value of the Engagement; with respect to Justice, and Honour; and without any respect to Parties - If this
should not be observed, Credit will not come; No, tho' the Queen should call; tho' the
Parliament should call, or tho' the whole Nation should call". DANIEL DF.FOK, A
Review vol.vii, no. 116, p. 463, cited J. G. A. POCOCK, The Machiavellian Moment ,
p. 455.
149
From republicanism they drew on the notion that morality is a product of
politico-economic circumstance, and changed in response to that circumstance; although many of them (not all) developed a much more optimistic
view of the process of historical change than the cycle of decay implicit in
the etiologies of constitutional change of Polybius and Machiavelli. From
natural law they took the notion that successful politics must be based on an
understanding of regularities and constancies discoverable in human nature;
although unlike the case with traditional natural law theories, these regularities were to be empirically established and not based on some moral deontology.28 The tradition of philosophical psychology was deployed as an
intermediate level theory to identify and explain how (and why) our mental
processes produced the moral responses they did from the politico-economic
experiences to which we were exposed. Thus, for example, the increased
taste and sophistication of the commercial age was seen as a response to the
more lively intellect resulting from the greater demands made on our faculties by trade and manufacture, compared with agriculture.29
The chief accomplishment of this historical sociology, associated primarily
with the name of Adam Smith was of course to develop a theory about the
success of a wealthy, even a luxurious, commercial society. Wealth, luxury
and commerce were developments to which each of our traditions originally
expressed, at the very least, a considerable degree of equivocation. It was on
this equivocation that radicals often drew. The development of an increasingly inegalitarian commercial and financially sophisticated economy, often
with the collusion or involvement of government office-holders, naturally led
those who were excluded from government and its benefits, or who were
thelosers in the growth of inequality, to be critical of the process. To the
extent that radicals accepted any of these languages - and scholars are agreed
28
The pioneer is Hume, whose empiricism goes well beyond that of Hutcheson whom
he criticises for retaining a doctrine of "final causes". Hume sought to "anatomise"
moral belief in purely empirical terms. Not to "paint" it in such a way as to win the
reader over to it. See his exchange of letters to Hutcheson, The Letters of David
Hume, ed. J, Y. T. GREIG, Oxford 1932, vol 1, pp. 33, 40, and the discussion in D.
FORBES, Hume's Philosophical Politics, Cambridge 1975, Chapter 2, A modern
theory of Natural Law.
29
S e e , in particular Hume's Essays, Moral, Political and Literary, Oxford 1963, Of
Refinement in the Arts, and Of Commerce.
150
that this was considerable - and to the extent that developments in these languages rendered them supportive of the modern economy, radicals had to
accommodate, or provide grounds for rejecting these implications. But in
doing so they tended to revert to earlier formulations of these languages, and
in doing so invariably seemed trapped into a nostalgic pursuit of a more
primitive, and bygone era.
Republicanism's problem was that the classic ideal of propertied independence was land tenure, a form of property increasingly undermined by
the new financial, commercial and manufacturing economy. Were financiers,
stock-owners, creditors or wage-earners "independent"? Secondly, the ideal
of the balanced constitution, relied, as we have seen, on the independence of
the House of Commons from the executive. And the independence of the
electorate was crucial in maintaining the independence of the Commons. The
growth of government and military operations led to the employment of an
increasing number of excisemen to collect for, civil servants to administer to,
and contractors to supply government needs. Such people, being in the
employ of the government were not classically "independent", yet they were
politically influential, and it was believed they could be manipulated by their
paymasters to the point of threatening the independence of the Commons.
Both taxes on external commerce and imperial expansion posed threats to the
independence of the Commons because it enabled the government to raise
money no longer dependent - as was the old land tax - on popular grant. 30
Far worse, in England the sophistication and government involvement in the
credit market seemed to hold out the threat not only of sources of revenue
completely irresponsible of popular control but of ultimate national bankruptcy.31
30
T h i s was no mere opposition canard - it was true. During theeighteenth century, first
excise, and then customs overtook and far outstripped land tax as a source of
government revenue. See BREWER, The Sinews of Power, pp. 96-97.
31
Even the normally phlegmatic Hume wrote that "It would scarcely be more imprudent to give a prodigal son a credit in every banker's shop in London, than to
empower a statesman to draw bills in this manner, upon posterity." Of Public Credit,
in: HUME, Essays.
151
In the early 1780s the independence of the House of Commons was widely
believed to be under threat from the influence of government. A group of
reformers, organised initially around "County Meetings", and in the 1790s as
the "Society of the Friends of the People", saw the problem in precisely this
way. They believed that the British Constitution was a constitutional balance
between the Crown the Lords and the Commons. The Lords and Commons
If they acted without controul would form either a despotic monarchy, or a dangerous Oligarchy,...the wisdom of our ancestors hath
contrived that these authorities be rendered beneficial in the introduction of a third estate, distinct from, and a check upon the other
two branches of the legislature-32createa by representing, and responsible to, the people themselves.
The problem was that the existing electorate were manifestly failing to
maintain the necessary independence of the Commons. The web of government had increased the number of those "employed in a subordinate capacity... influenced by a corrupt spirit, which tempts them to prefer the particular interests of that class or profession to which they belong to the
general welfare of the country."33 Widening the franchise was an obvious
countermeasure. An enlarged electorate made the corruptor's job more difficult, or at the very least more expensive, as even Edmund Burke acknowledged in 1769-70. Extension of the franchise here was not, of course, an
appeal to some prepolitical individual right. It was a claim about how
property needed to be construed more widely in order for it to perform its
traditional role in safeguarding the independence and therefore moral autonomy of the electorate and, in consequence, the House of Commons. But
extending the franchise brought in many individuals who were not, in any
traditional sense "independent". The reformers compared themselves unfavourably with America which possessed enough land to allow to everyone
those "simple manners and a general equality of property admitted to a
Republican form of Government".34 By contrast England was an old,
32
Petition of the Friends of the People, 1792, in: C. WYVILL, Political Papers, 6 vols.,
London, 1794-1804, vol. Ill, pp. 269-270.
33
WYVILL: A defence of Dr Price and the Reformers of England, in: Political Papers,
vol. Ill (appendix), p. 25-26.
34
Thoughts on the Causes of the Present Discontents, Works, ed. BOHN, 6 vols., London 1886, vol. l,pp. 368-369.
152
unequal, and corrupt society, and "the evil habits which are the consequences
of an extremely unequal distribution of property form the principal objection
to Universal Suffrage." If this were to be instituted it would undoubtedly "be
ill exercised by the ignorant and unprincipled part of the poor, it would be
detested by the proud and timorous part of the rich; and it would at last be
surrendered by the profligate corruption of the former, or forcibly suppressed
by the no-less profligate ambition of the latter."35
The language of republican virtue placed its proponents in an impossible
series of dilemmas. Because they believed virtue required property-ownership, the pursuit of a virtuous, independent electorate could not go so far as
enfranchising the unpropertied. Because it rested on the propertied neither
could it pursue the alternative, of distributing property to the unenfranchised.
Not only would the result be social panic, the abrogation of property-rights
would itself undermine the independence which property was supposed to
confer. On the one hand property was the guarantee of virtuous independence, and had itself to be sacrosanct; on the other hand it was the very distribution of property that was itself destroying independence, political virtue,
and the separation of the Commons from the Crown.36
The Society of the Friends of the People eventually advocated extending the
franchise to "Householders not receiving alms...[which] manifests a due
regard to property united with the necessary security to freedom."37 The
reasons they gave for choosing household property as the basis of citizenship
were revealing of the new role for citizens in the changed economic circumstances:
He is necessarily the master, and probably the father of a family.
[Has] credit ana respect to maintain, [ana has] given hostages to
Society...He is the natural guardian and virtual Representative not
only of his family and servants, but of all those who depend on him
for support, protection or employment. Such a situation deserves confidence, ana should be made respectable, that all men may be
35
W Y V I L L , A Defence, p. 35.
36
S e e the discussion of the Society's problems in my: Civic Humanism and Parliamentary Reform, in: Journal of British Studies, esp. pp. 84-86.
37
WYVILL, A Letter, Papers, IV, p. 562, and The Plan for a Reform of the Election of
the House of Commons in Papers, V, p. xix.
153
prompted and encouraged to rise to it. The relations and duties that
belong to it, are antecedant to positive institutions
and constitute at
once the basis and security of civil society.38
Both the new citizen's context and his property were primarily domestic, but
he was also an employer and needed creditworthyness, a crucial feature of
the new economy. These citizens virtue was guaranteed not by their autonomy, but through their interest in their family and their dependence on a
good financial reputation. Together these were enough to ensure a commitment to what was after all a credit based polity. Moreover, it was a position
sufficiently close to universal manhood suffrage that "there was no condition
of life in which it may not be acquired by labour, by industry or by talents."
No-one could complain of being excluded "for whom a place is reserved,
which he may occupy at any time on easy terms".39
The language of Natural Rights
In the later-eighteenth century, natural rights arguments, although still a
prevalent and evidently effective form of radical rhetoric, had become vulnerable to problems which arose from the increasingly accepted story of the
historical sociologists. The emergence of a history of political economy tied
to a historical sociology of knowledge and morality called into question both
the possibility of trans-historical "natural" rights and their relationship to a
civilised, i.e. commercial society. This was because natural jurisprudence
presupposed ultimately universal moral standards by which social institutions could be measured, whereas the Scottish thinkers, because they saw
moral belief as a response to changes in the forms of economic activity,
ultimately relativised and historicised moral standards.40
Accepting the new history of political economy raised the problem of
steering a course between primitivism and irrelevance. For if natural rights
38
T h e Plan for a Reform, WYVILL, Papers, V, p. xx.
The Plan, WYVILL, Papers, V, p. xix.
40
The discussion which brings out the issues most clearly is John Dunn, From Applied
Theology to Social Analysis, in: Wealth and Virtue, The Shaping of Political Economy in the Scottish Enlightment, ed. I. HONT/M. IGNATIEF, Cambridge 1983.
39
154
were identified with some particular set of rights obtaining in - or worse still,
constitutive of - a primitive or "rude" pre-social state, those who advocated
such rights were open to the criticism that they sought a return to a society
which was also culturally and economically aboriginal, and if they denied
this, that the rights they claimed were inoperable in an advanced society.
The radical pamphleteer, Thomas Spence, once told the story of how, in
1770 he was gathering wild nuts in the Duke of Portland's woods when he
was stopped by a forester and accused of trespassing and stealing the Duke's
nuts. Spence replied that he supposed the squirrels were allowed to gather
nuts and he was not inferior to the squirrels. When the gamekeeper cautioned
him further Spence pointed out that since the Duke had not laboured on, or
cultivated the woods he had no better claim to their produce than anyone
else, in nature he said, "the rule is first come, first served, so the Duke of
Portland must look sharp if he wants any nuts."41 This amusing piece of rural
street-theatre illustrates both the radical potential of Locke's labour theory of
value, and the potentially primitivist limitations which it ran up against when
used in this way. For a general return to such a concept of property rights
implied a gathering economy which was primitivist, and Spence's claim that
all individuals (men and women) have an equal "continual and inalienable"
right to the land itself (to be administered collectively by the parish) and to
the product of their own labour was only one stage on from that. It was quite
self-consciously aimed at supporting an agrarian peasant subsistence
economy.42 The reassertion of natural right in this form would return all to a
41
Cited in O. D. RUDKIN, Thomas Spence and his Connections, London 1927; repr.
N.Y. 1966. Further on Spence see T. M. PARSSINEN, Thomas Spence and the Spenceans: A Study of Revolutionary Utopianism in the England of George III, Brandeis
University Ph.D., 1968; P. M. ASHRAF, The Life and Times of Thomas Spence,
Newcastle 1983; Pig's Meat, the selected writings of Thomas Spence, radical and
pioneer land reformer, ed. and intr. I. G. GALLOP, Nottingham 1982; H. T. DICKINSON, The Political Works of Thomas Spence, Newcastle 1982.
42
T h e right is reiterated throughout Spence's career. See his first publication, The
Rights of Man (1775) reprinted and revised many times by Spence, and "The Constitution of Spenconia" (1803) Art 3. "All human beings are equal by nature and
before the law, and have a continual and inalienable property in the Earth, and its
natural productions." pp. 59-60, 166, in: GALLOP. In the preface to The Rights of
Infants (1797) Spence takes Paine's Agrarian Justice to task for accepting a "poor,
beggarly stipend...in lieu of our lordly and just pretensions to the soil of our birth."
GALLOP, p. 112.
155
State of Spartan simplicity.43 On the other hand if it was acknowledged that
natural rights were given up or exchanged in the course of history, or developed, or even identified with certain institutions, such as conventional
property rights (as Locke's argument was taken to assert) then the reassertion
of rights in their "natural", primitive form was an irrelevance 4 4
It is with this question that Edmund Burke faces the radical. "How", he had
asked in his Reflections., "can any man claim, under the conventions of civil
society, rights which do not so much as suppose its existence? Rights which
are absolutely repugnant to it?" 45 Far from denying natural rights, Burke
insists with devastating effect on their historicity: like Hobbes he argues that
it is only the utter alienation of natural rights that can establish society and
government, and not the Lockean conditional entrusting of them that sets
limits to government 46 The successfull reassertion of natural rights threw
men back into that "state of rude nature (where) there is no such thing as a
43
Thomas Spence's ideal society was based on peasant-proprietor cultivation, which,
he claimed could support far more than was thought if people obeyed Lockean
provisos about appropriation. When the population of the island eventually outstrips
available land, so that the towns fill up with "Merchants, and Robinson Crusoe's
[sic], Jack-of-all-trade's Disciples, the Mechanics, etc.", then the mainland opposite
is colonised and settled with similar sized plots: "as much as just to serve themselves
and Families without wasting it, and leaving the Rest for others." See the History of
Crusonia, reprinted in Essays in Honour of W. Gallacher, E. Berlin 1966, pp. 302303.
44
Burke, following Seiden and Hobbes, argued that natural rights were given up on
entry to society, and there on ceased to be relevant [see following note]. Rousseau of
course argues that rights are transformed in the course of social development, and
Locke's argument was widely taken to mean that natural property rights were transformed into positive property right. That he may not have meant this, as is argued by
J. TULLY, A Discourse on Property, John Locke and his Adversaries Cambridge 1980
- an intepretation reenforced by the much more radical context that has been
provided for reading Locke by R. ASHCRAFT, Revolutionary Politics and Locke's
Two Treatises of Government, Princeton 1986. This is, of course strictly irrelevant
to the question of how he was read by the orthodox in the 1790s.
45
EDMUND BURKE, Works of the Rt. Hon. Edmund Burke, VI vols. London, Bohns
Standard Library Edition 1880, vol II, p. 332.
46
Historically, we have tended to regard Lockean natural rights as the paradigm; in
fact, as Richard Tuck has most recently shown, Locke is distinctly anomolous. Prior
to him, and with the exception of the Levellers, natural right theory was used to
explain how government gained its authority, not how citizens might retain some.
See R. TUCK, Natural Rights Theories, Cambridge 1979. Burke is in this tradition
following Seiden (whom he cites), and Hobbes (with whom he expresses familiarity:
"old Hobbes" in arguing that natural rights are given up on entering society, and are
thereon irrelevant).
156
people." When this happens, all social ties and civilised institutions are
destroyed;
they are a number of loose individuals, and nothing more...all is to
begin again. Alas! they little know how many a weary step is to be
taken before they can
form themselves into a mass which nas a true,
politic personality.47
Burke identified a crucial weakness in any radical natural rights argument
which took the new history of moral institutions seriously, when he insisted
that men could not at once enjoy the rights of a natural, primitive, and of a
civilised, developed state. The problem of the relationship between natural
right and history had become a crucial one for all thinkers wishing to retain
that mode of argument.
Perhaps the most extended theoretical treatment of this issue in eighteenth
century Britain, prior to the 1790s, was that of William Ogilvie, Professor at
the University of Aberdeen. His Essay on the Right of Property in Land was
in no sense a radicals' tract, although it provided plenty of ammunition for
them. It was "afree and speculative disquisition" directed to "the attention of
learned, the ingenious and the friends
of all mankind."
48
Ogilvie's argument was that there was, and remained, even in society,
under "Natural Law, a right to an equal share with others in the land." 49 This
right was superior to, and to be sharply distinguished from, any conventional
property rights which arose as a result of social agreements, explicit or
otherwise. Ogilvie's authority for this is Locke, whose original proviso that
appropriated land must not be held uncultivated, justifies, he claims, the
more extended claim that land cannot at any time justly remain private and
under-cultivated, whilst there are those without it. 50 Each state ought to
guarantee to every citizen "as much as would fall to his share in an equal
47
48
49
BURKE, An Appeal from the New to the Old Whigs, in: Works, vol. Ill, pp. 95, 82.
OGILVIE, p. 30, Introduction, in: The Pioneers of Land Reform, ed. M. BEER, London
1920.
OGILVIE, pp. 38,3; 41,9.
50
T h i s interestingly fits Jim Tully's interpretation of Locke's theory of property as
intending to sustain, into the civil and developed condition of mankind, the spirit of
the natural law provisos on appropriation that obtained in the state of nature. TULLY,
A Discourse on Property, esp. ch. 7.
157
partition of the territory of the state among the citizens."51 This, plus whatever rights the value his own labour creates in that or in other property, is
strictly his. But the right to any further land itself is imperfect, and subject to
community control.52 In fact, as he recognised, it was only "rude" primitive
states that guarantee this through agrarian laws. As states advanced and
became more sophisticated the rights accumulating from others' labour were
given greater force than those of occupancy, whereas good policy consisted
in balancing these two principles.53 Ogilvie, despite his awareness of the
various problems this raises, claims that he seeks if possible, to combine
natural right and some form of utility ("the best interests of the greatest
number") and to unite the essential qualities of a rude state, with the order,
refinements, and accommodations of cultivated ages. 54
But if a radical at all, Ogilvie is an economically nostalgic one. He is convinced that the claim "that everyfield should be cultivated by its proprietor is
most favourable to agriculture and cultivation."55 Moreover, agricultural
work is most conducive to virtue: "men employed in cultivating the soil, if
suffered to enjoy a reasonable independence, and a just share of the produce
of their toil, are of simpler manners, and more honest, virtuous dispositions,
than any other class of men...Their industry...excludes idleness without
imposing excessive drudgery, and its reward consists in abundance of necessary accommodations without luxury and refinement.56 The exclusion of
luxury and refinement, one suspects, was, in this Scotsman's view, no bad
thing. Ogilvie's radicalism was backward looking, towards the subsistence
farmer, towards cultural and economic simplicity and towards an austere
notion of virtue.
It is hard to see how things could be otherwise as long as the natural right to
property was taken literally to mean a share in the soil equal to what we
would have had in a literal state of nature: at the start, as it were, of econ51
OGILVIE, p. 4 4 , 1 3 .
5 2
OGILVIE, p. 4 4 .
53
OGILVIE,
54
OGILVIE, natural right and utility, p. 52, 23; rude state and refinement, p. 77,43.
Ogilvie, p. 54, 26.
Ogilvie, pp. 49-50.
55
56
p. 4 2 , 9 - 1 9 .
158
omic history. But in the last decade of the century two radicals began to consider how to apply this criterion in a more sophisticated way, a way which
took into account, and indeed embraced, the notion of economic development. They were John Thelwall and Thomas Paine. Thomas Paine is well
known as a radical pamphleteer. Thelwall less well known, but he was a
leading figure in the London Corresponding Society of the 1790s, and a
defendant in the famous treason trials of 1794.
Natural rights were not, for Thelwall, located in a primitive and individualistic, nor even a golden, age:
the world is known to us only as a populous world and man as a
gregarious animal. How he originated, and what was his solitary condition (if solitary it ever was) are questions that may amuse our
fancy, or excercise our faith; but with political enquiry they have
nothing to do.
Like Locke, he regards what actually took place in history as morally
equivocal: "precedents of wrong cannot alter the nature of right. It is more
important to discover what the objects of association ought to have been than
to be informed what they were." 57 The idea of natural right could
nevertheless be used, he thought, to distinguish in our minds between what
the individual should possess in strict justice, and what has been conferred,
or abrogated by civil society.
Like Paine, he denies that entry into society must involve any sacrifice of
natural rights, rather, society should guarantee pre-existing rights. Whilst
society may establish conventional rights, these can never overcome, and
must be compatible with, natural rights. The!wall's account allows both
labour and first occupancy as legitimate claims: The earth is: "the unquestioned right of the individual whose fortune or whose assiduity secures the
first possession"; but all further property rights except those emerging from
labour, remain, for Thelwall, purely conventional, susceptible of revocation
57
The Rights of Nature against the Usurpations of Establishments in a Series of Letters
to the Right Honourable Edmund Burke, London 1796, (Letters II-IV pagination
continuous). Letter II, pp. 33-34. On Thelwall see my John Thelwall and the Eighteenth-Century Radical Response to Political Economy, in: HistJ 34 (1991), pp. 120.
159
if they clash with natural rights. The conventional modification of natural
right is permissable only on the premise that it benefits all existing and future
potential rightsholders!58
Thelwall goes on to distinguish between productive and consumable
property and denies that any property right can bestow a monopoly of a
productive resource. To breed a new strain of sheep is to acquire an
indefeasible right to it, but to do so from the last surviving individual of a
natural species would not. 59 But to monopolise a piece of land (at least
where land has become scarce) is equivalent to monopolising a whole
species of wild animal, and to do this is to "preclude others from their
common right of exerting their faculties for their own advantage, upon an
important part of the gifts of nature". So although "property is the first fruit
of useful industry, the means of being usefully industrious are the common
right of all. "60
Potentially monopolistic appropriations of naturally productive resources
were illegitimate because they invaded subsequent users' natural right.
Thelwall takes on board the problem that Locke had shelved, the problem of
what happens when there is not, in any realistic sense, "enough and as good
left for others".
However, despite these strictures, Thelwall acknowledges the benefits of
economic development, siding with Hume and Smith rather than with Ogilvie and Spence, the agrarian and nostalgic civic radicals, and even the equivocal Godwin, on the issue of economic modernisation.61 He accepts the
Scots' story not only of the economic benefits but of the intellectually and
socially stimulating effects of a commercial society which had, since Hume,
58
This interestingly anticipates, although in a stronger form, the argument advanced by
John Rawls, that the most just rule of distribution is that which "maximises the
minimum" holding. J. RAWLS, A Theory of Justice, Oxford/Cambridge, Mass. 1971,
pp. 152ff.
59
Rights of Nature III, p. 54.
60
Rights of Man III, p. 55. Thelwall here may have drawn on Ogilvie, who argued
precisely Thelwall's distinction between the rights to the natural and value-added
value of land, and, like him, denied outright property right in the former.
61
See Rights of Nature III, p. 5: "The simplest condition...out of which every other
states has arisen, by a series of progressive innovations...".
160
become a commonplace of the sociology of opinion and belief which political economy supported.62 Nevertheless the speculative economic history
which Thelwall attached to this picture shows an imaginitive attempt to integrate the natural rights argument with the historical insights of the Scots.63
To progress past the primitive pastoral economy required the cultivation of
the soil, the problem of establishing a title to the results of one's labour
commonly resulted in its private possession. Nevertheless, Thelwall claims
the property right must originally have lain "in the cultivation", and not in
the earth. The natural right was a right to exercise one's labour usefully, and
the right to a piece of land was a contingent safeguard of this. The existence
of uncultivated land available to any surplus population must have
minimised inequalities. We may feel nostalgia for such a state of affairs, but
any desire to return to it would be totally impractical and undesirable.
Thelwall accepted Burke's opposition between nature and civility, between
the primitive and the cultivated, a revolution on the principle of a literal
natural right would merely "transfer all property from the proud and the
polished, the debauched effeminate and luxurious, to the brutal, the ignorant
and the ferocious."64
The model of agrarian simplicity could not be used as the basis of a programme of reform without a return to the barbarism of Tacitus' Germans
(about whom, I am afraid, Thelwall does not mince his words), but it could
nevertheless help men to understand the differences between right and usurpation. To accomplish this Thelwall annexed to his Tacitean state of nature a
critical adaptation of Adam Smith's account of the derivation of rent.
In the Wealth of Nations Smith argued that although in the "original state of
things" (i.e. before the private ownership of land or accumulation of capital)
62
See especially the essay "Of Refinement in the Arts", David Hume, Essays, pp.
275ff.
63
Thelwall endorses the "stagial theory" of social evolution advanced by the Scottish
school, together with some of the political implications those thinkers had drawn
from it. See Rights of Nature III, pp. 52ff., esp. p. 57: [in pastoral societies] "the
power of the chieftan expires with the campaign: and all the habits of pastoral life
are inimical to the usurpations of authority".
64
Rights of Nature III, pp. 70-71.
161
"the whole produce of labour belongs to the labourer", once land was privately owned, and capital needed to equip labour and sustain it until harvest,
two deductions, the rent of land and the return on stock, are made from the
labourer's wages. 65 Smith advances this account primarily as a way of
showing how the various returns of wages, rent and profit are derived from
an aggregate social product; but his critical remarks about the landlords, who
love, like other men (but are better situated than them) "to reap where they
never sowed" provides a cue for a more radical critique of the process of
economic development which Thelwall eagerly takes up.
Combining Locke and Smith, Thelwall emphasises that the labourer's share
has now been invaded. Moreover, ironically it is through the very efforts of
labour that the exercise of labour's own "natural" title to property has become
impossible:
The whole condition of the universe has been materially altered by
cultivation. That cultivation has been conducted by the labour and
diligence of the mass of mankind... Whatever were the worth of these
rude gifts and accumulations the very frame and constitution of
society has robbed him of them. He comes from the hand of nature
into the state of cultivation;
and finds the world of nature destroyed
by the world of art. 66
The individual's natural right of access to the means of useful labour is
effectively denied him by the very same progress brought about by his forebears' labours. So, although Thelwall acknowledges that the permanent possession of land has benefitted mankind collectively through allowing
increased production, he denies that it follows from this either that natural
right has been satisfied, or that they must be relinquished along with the
natural economy. Instead he explores a way of projecting natural rights
claims into the modern economy 6 7 Since there is a natural right to labour,
and the right to private property is an adventitious or conventional right, the
6 5
ADAM SMITH, T h e W e a l t h o f N a t i o n s , Oxford 1976, I, vii, p p . 8 2 - 8 3 , 1 - 9 , a n d see I,
vi, pp. 4 & 7.
Rights of Nature III, pp. 75, 78.
67
Rights of Nature III, pp. 76-77: "If labour has its adequate reward, I maintain that
the permanent possession of land is morally and politically expedient; because it
assists production, without preventing distribution; and thereby, benefits the whole
human race."
66
162
latter can only be justified by an advantage accruing to all (natural) rightsholders whose position might otherwise be disadvantaged. The claim that the
abrogation of primitive natural right is justified by greater aggregate production, is allowable only under the condition that no individual is worse off
than they otherwise would have been. The justice of this proviso is of course
recognised by Locke in his famous if somewhat casual and contentious assertion that a King amongst the primitive American Indians "feeds, lodges
and is clad worse than a day Labourer in England."68 By contrast, Thelwall
remarks that the "condition of the naked savage in America appears by far
more tolerable that that of a large proportion at least, of the labouring classes
in this happy, flourishing, cultivated island."69 In consequence, "increased
production is but an insulting mockery and aggravates the evils it should remove"™
Like Locke, Thelwall argues that natural rights are ultimately inalienable:
"nothing in existence, no, not even your own direct assent, can justly take
them away." Like Locke too, he argues that wage contracts entered into
under conditions of duress are no more than a kind of monopolistic extortion
decided not by the real value of the two parties' contributions to the product,
but by the "power of the one and the wretchedness of the other".71
Dating from the same hungry year as Thelwall's Rights of Nature is Paine's
Agrarian Justice, a short pamphlet, but one which, we can briefly show,
indicates agreement with Thelwall's distinctive position. Paine too distinguishes between natural property "such as earth, air, water" and artificial
68
LOCKE, Second Treatise, 41.
Rights of Nature III, p. 83, Paine is less clear on this but see Agrarian Justice, in
Complete Works, p. 612 where he claims private property in land "has dispossessed
more than half the inhabitants of every nation...without providing...indemnification
for that loss, and thereby created a species of poverty and wretchedness that did not
exist before."
70
Rights of Nature IV, p. 92.
71
Rights of Nature, III p. 80. In the marketplace labourers face not individual entrepreneurs, but "are subject to the whole Corporation of Employers", ibid., III p. 90.
cf. Adam Smith's remarks about masters being "always and everywhere in a sort of
tacit, but constant and uniform combination not to raise the wages of labour above
their actual rate." Wealth of Nations, I, viii, 13. Locke's little remarked rejection of
the legitimacy even of wage contracts made under non-coercive duress is to be found
in the First Treatise, pp. 42-43.
69
163
property "the invention of men." 72 He accepts the stagial theory of social
evolution - hunting, herding, farming, and that landed property came about
only "from the impossibility of separating the improvement made by cultivation from the earth itself upon which that improvement was made." He
agrees too that the private property-based agrarian economy is more
("tenfold" - Locke's figure) productive, and that return to a more primitive
state is, for that reason impossible. He draws from this the same conclusions
as Thelwall, that there can be no strict property right in land itself, which
remains in joint human proprietorship.73 He echoes Thelwall's theory of exploitation in asserting that "the accumulation of property is, in many instances, the effect of paying too little for the labour that produced it." 74
Both Paine and Thelwall go on to argue, not for the redistribution of land, a
policy that would clearly mark them "nostalgics", but for a social wage or
bounty, equivalent to the value of the land naturally claimable by the individual, were it not for the intervention of the process of civilisation.
For both thinkers, claims of natural right mean that civilised society has a
duty to supply to individuals at least an equivalent in value to what they
would have enjoyed without its advances.75
Thelwall indeed goes further: He argues that because natural right is based
on need, and because human needs are themselves changed and developed
by civilisation ( - another aspect of the historicisation of human nature) that
the content of natural right changes over time. As a consequence what
human beings are "naturally" entitled to increases as social progress renders
nature more bountiful and human capacities for enjoyment more extensive.
72
TOM PAINE, Agrarian Justice, in: The Complete Writings of Thomas Paine, ed. P. S.
FONER, New York 1969, 2 vols., vol. 1, p. 606. This contrasts with his account in
The Rights of Man, which distinguishes amongst rights on the grounds of our
powers to execute them unaided. Although part II of the Rights of Man proposes an
elaborate scheme of social welfare and income redistribution, it does not hint at the
theoretical justification outlined in Agrarian Justice.
73
Agrarian Justice, pp. 610-612.
74
Agrarian Justice, p. 620.
75
The principle is clearly and frequently asserted by Paine too. See, Agrarian Justice,
pp. 610, 613, 617 (a strikingly Rawlsian formulation: T care not how affluent some
may be, provided that none be miserable in consequence of it."), p. 621.
164
Economically advanced societies are, therefore, also responsible for ensuring
the redistribution of a proportion of the surplus historically produced by
labour as a matter of natural right.
Both Thelwall and Paine therefore constructed a position from which it was
possible, without rejecting economic progress, to convert natural right into
some minimum property right deriveable from considering the needs of, and
returns to, individuals in a natural economy, and to show that these are not
being met by civilised society. In doing so they laid the basis for more complex critiques of the modern economy, and established a bridge between
nostalgic agrarianism and modern theories of social justice.
Finally, I think it is possible to show the radical development of the conception of property embedded in the language of philosophical psychology. One
stimulating topic in political economy in the last years of the century was
how to pay for the war. This raised considerable discussion about the effects
and legitimacy of taxation and, in particular, its effect on the poor. In a series
of letters to the editor of the Scottish Chronicle in 1796, someone in Lord
Lauderdale's circle, if not Lauderdale himself, writing under the pen-name
Sidney, depicted the deleterious effects of inequality on the mental properties
of citizens, in terms that both drew on civic prejudices about the circumstances surrounding sustainable political virtue, and used Smithian and Humean
philosophical psychology to do so. 76
The writer noted that whilst the idle rich had no need to exercise or develop
their moral and intellectual faculties, the poor were in such despair that they
had no incentive to try. 77 The effects of inequality thus invaded "every
76
F o r a figure linking Thelwall and Paine with the Land Reformers of the late nineteenth and early twentieth century see J. CUNLIFFE'S article on J. P. DOVE in: History
of Political Thought vol. XII, no.3 (1990).
77
James Maitland, Earl of Lauderdale was a prominent member of the Foxite Whigs
and a member of the Ministry of All Talents. The letters were republished as The
Letters of Sidney on Inequality of Property to the editor of the Scots Chronicle
(1796) and in a modern edition: [JOHN MILLAR], Letters of Crito and Letters of
Sidney, ed. V. MEROLLE, Rome 1984. Letter II, pp. 4-5 indicates the negative side of
the observation of both Smith and Hume that a commercial society encourages
mental development. For by contrast, the rich man whose desires are, without effort,
immediately gratified has "never had any vigorous motive to cultivate reason or his
taste." As a result "his understanding will therefore be as uncultivated, as his morals
165
connecting link, contaminating the morals of the whole nation."78 But
"Sidney" was not a traditional civic defender of austere egalitarian virtue for he is also concerned that inequality stifles economic growth. The poor
must spend all they have on consumption, the rich engage in careless commercial speculation, which threatens healthy competition, misdirects what
investment there is and so "retards the general accumulation of riches."79
The problem was, the author admitted, what could be done about it? How
could redistribution occur in a way consistent with respect for propertyrights? For "we percieve a uniform respect for property in all historical and
social situations" and
we may be assured that [such] conduct is influenced by principles
that are sufficiently obvious...and...by feelings that are natural and
universal...must
be produced by a sentiment inseparable from human
nature.80
However, closer examination of the operation of the mental associations that
give rise to such universal sentiments, and of the prudent motives which stability of property is supposed to possess, provided the author with a radical
wedge which could be inserted into the Human, sentimental and utilitarian
defence of property rights.
Property is based on "the natural feelings of mankind" and we are invited to
agree that the simplest way to appreciate this is the Smithean device of
"considering the feelings which would naturally arise in the breast of a
spectator" seeing someone's "natural and reasonable expectation" of continuing in the enjoyment of their possessions suddenly frustrated. Giving a
Humean twist to Locke, it is claimed that "no association can be stronger
than between a man and the product of his own labour." Originally based on
the associations naturally produced by the observing mind, the rules of
property are "established by habit and experience" prior to the establishment
are vicious and as his mind is imbecile"; the author cites Adam Smith, Theory of the
Moral Sentiments, I, iii, 2, on the effects of too much wealth: "a state of mind
equally hostile to moral and intellectual improvement, and [which] must inevitably
lead to discontent, profligacy, misery and contempt."
78
The Letters of Sidney, Letter IV, p. 12.
79
T h e Letters of Sidney, Letter VI, pp. 24-26.
80
The Letters of Sidney, Letter IX, p. 43.
166
of civil society, the task of which is to reenforce the limited effects of association and the disinterested spectator, in providing motives for respecting
property. Continual experience suggests that a "rigid adherence to rules can
alone give that certainty of possession which prompts to activity, to
ingenuity, to economy;...the whole fabric of society depends on the strict
observance of the rules of justice." Here in Sidney is a popular amalgam of
Smith and Hume as they filtered down to the level of popular public
debate.81 A combination of perceived utility and mental association being
used to confirm the empirical appeal to the feelings of the impartial observer.
But even with property based on something as morally subjective as associative principles, there can be claims almost as strong as rights. Property redistribution is wrong because it "disappoints the reasonable expectations of the
present proprietors..."82 So once again any radical moves seem to be
outflanked in advance. When the consequences as well as the origin of
property rights are considered there is even less room for manoeuvre. A
programme of redistribution would result in economic breakdown as the
"poor, indulging in comforts before unknown would totally remit their
labours" whilst capital would be annihilated since "each would hasten to
enjoy and consume his property while it was yet within his power."83
However, Hume's argument had acknowledged that many of the actual rules
of property might rest more on purely irrational associations than considerations of utility. It is this opening in the theory that Sidney explores. There
is, he argues, one point in traditional property rights, where these utilitarian
considerations do not obtain, and where the associative arguments which
supposedly give rise to reasonable expectations fail, and that is at the point
of inheritance.
81
Hume stresses the wrongfulness of disappointing expectations in the Enquiry Concerning the Principles of Morals, Oxford 1974,
310. The device of the spectator,
was a common feature of eighteenth centur. moral thinking, present in both
Hutcheson and Hume's attempt to assess empirically what qualities evoke what
response in "mankind". It is made much more explicit by SMITH, Theory of the
Moral Sentiments, 111,1,2, pp. 109-10.
82
The Letters of Sidney, Letter IX, pp. 44-47.
83
The Letters of Sidney, Letter X, pp. 50-52.
167
Some aspects of inheritance, it is true, find a basis in associationist psychology: near relatives are often "much connected with the deceased...are associated with him in the minds of neighbours...present at the death-bed, and so
can begin the possession immediately." The result is "we are naturally led,
by habit, to consider it a just rule." 84 But primogeniture - a relic of the warlike clan society where a single chief was needed - is in fact a most unnatural
practice running counter to familial affection, and utility alike. It dispossesses the younger siblings and precludes the operation of the beneficial principle of desert. Furthermore, testamentary right seems "scarcely to have any
foundation in the actual principles of justice. When a man is dead his dominion over external objects must be completely at an end." "When all connection between a person and the things of this world is dissolved; the rights
attendant on this connection can no longer subsist". Sidney echoes Paine's
attack on prescription by calling testamentary right a "right of ruling beyond
the grave", and he can hardly have used this notorious phrase innocently.
Testamentary right - and even worse primogeniture - has no root in natural
feelings or association properly understood, it "is merely a creature of the
civil state". 85 Moreover "no relaxation of industry would follow from the
abolition of testaments: there would still be sufficient motives to prompt us
to exertion."86
Here then is the solution: Death or estate duty undermines none of the associative grounds of property in human psychology; nor is it affected by the
economic argument for property rights through diminishing incentives to
create wealth. "By this restriction of testaments, property would be gradually
diminished", true; but its wider dispersal would result in benefits not only in
terms of productivity, but in spreading incentives to moral and cultural
improvement. Once again the radical suceeded in producing his version of an
argument with an apparently strong conservative bias.
84
The Letters of Sidney, Letter XI, p. 56.
The Letters of Sidney, Letter XIII, pp. 62-66.
86
Ibid., p. 69.
85
168
MICHAEL WEINZIERL
Liberty and Property and No Equality.
Zur Entwicklung der Eigentumsdiskussion im 18. Jahrhundert
"Long may Old England Possess Good Cheer and Jollity
Liberty and Property and No Equality"
Loyalistischer Schüttelreim 1792'
I.
Zu Ende des 17. Jahrhunderts war jenes spezifische Merkmal der englischen
bzw. angloamerikanischen Gesellschaften, das verschiedene Historiker als
"Besitzindividualismus" (Macpherson), "propertarianism" (Dickinson) bzw.
"Eigentümergesellschaft"(Lottes) charakterisieren, voll und unwiderruflich
etabliert.2
In diesem Beitrag soll nun versucht werden, zunächst die Entwicklung des
sozialgeschichtlichen Forschungsstandes zur Eigentumsdiskussion im 18.
Jahrhundert zu skizzieren, um dann anhand eigener Forschungen die Rolle
der "Debatte um die Französische Revolution" in den 1790er Jahren in diesem Kontext näher zu beleuchten, die durch eine emphatische Betonung der
antiegalitären Komponente der Eigentümergesellschaft gekennzeichnet ist.
1
2
Flugblatt in British Library, Add. MS 16922 f. 45.
Vgl. C. B. MACPHERSON, Die politische Theorie des Besitzindividualismus. Von
Hobbes bis Locke, dt. Frankfurt/Main 1967, bes. S. 295-310; H. T. DICKINSON,
Liberty and Property. Political Ideology in Eighteenth Century Britain, London
1977, bes. S. 57-70; G. LOTTES, Politische Aufklärung und plebejisches Publikum.
Zur Theorie und Praxis des englischen Radikalismus im späten 18. Jahrhundert,
München/Wien 1979, bes. S. 55-108.
169
Hierbei wird das Hauptaugenmerk weniger auf "Klassiker des politischen
Denkens" bzw. der politischen Ökonomie gerichtet, sondern vielmehr auf
eine Rekonstruktion der "Diskurse auf mittlerer Ebene", also der Diskussionen von Publizisten, Politikern, Friedensrichtern und Geistlichen.
II.
John Brewers These vom Aufstieg des in gewisser Hinsicht "starken"
"fiscal-military state" in Großbritannien im 18. Jahrhundert stellt viele gängige liberale Perzeptionen des schwachen englischen Zentralstaates, der
Selbstorganisation der lokalen Honoratiorengesellschaft etc. in Frage.3 Weitgehend unbestritten an seiner Analyse erscheint jedenfalls die zentrale Rolle
des Finanzsystems der City of London für den Aufstieg Englands zur Großmacht und für die Finanzierung der europäischen Landkriege des 18. Jahrhunderts. Eine explodierende Staatsschuld (1700: 14, 2 Mill. Pfund, 1780:
167, 2 Mill. Pfund) wurde durch sichere Staatspapiere als "fundierte Schuld"
organisiert und ermöglichte gemeinsam mit dem Ausbau einer effizienten
Steuerbürokratie, die vor allem mit hohen indirekten Steuern operierte
(Anstieg der Steuerquote 1670-1770 von 3, 5% auf 11-12%), die Finanzierung der Kriege des 18. Jahrhunderts.4 Dies bedeutete aber, daß ältere Vorstellungen wie "The King should live on his own" ganz und gar obsolet geworden waren und die Staatsaufgaben nun von allen Bürgern finanziert wurden; hierbei entfiel - wegen des Ubergewichts der indirekten Steuern - ein
überproportionaler Anteil auf die Armen und die entstehenden "middle classes".
Das 18. Jahrhundert brachte zunächst rein quantitativ einen beachtlichen
Aufstieg der merkantilen und freiberuflichen Mittelklassen. Während Gregory King 1696 ihren Anteil an der Gesamtbevölkerung noch auf 11-12%
3
4
J. BREWER, The Sinews of Power. War, money and the English state 1688-1783,
London 1989.
BREWER, Sinews of Power, S. 88-134, bes. S. 91. Vgl. auch P. KRIEDTE, Spätfeudalismus und Handelskapital. Grundlinien der europäischen Wirtschaftsgeschichte vom
16. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1980, S. 159 f.
170
geschätzt hatte, verfugten um 1780 20-25% der Bevölkerung über Familienjahreseinkommen zwischen 50-400 Pfund.5
Während in den ersten zwei Dritteln dieses Jahrhunderts die soziale und
ökonomische Lage dieser gesellschaftlichen Gruppen noch durch weitestgehende klientale Abhängigkeit von Aristokratie und Gentry gekennzeichnet
erscheint, beginnt ab etwa 1770 ein langsamer Ablösungsprozeß von alten
Dependenzverhältnissen, der zu einer starken Steigerung des Selbstbewußtseins des englischen Bürgertums fuhrt. Das gilt namentlich für die aufstrebenden Provinzstädte. Dieser neue "self-esteem" der sich seit den 90er Jahren zunehmend mit Begriffen wie "middle classes" bezeichnenden Bevölkerungsteile schlug sich u.a. im Aufbau von partiell von der Herrschaftselite
unabhängigen "networks" verschiedenster Art nieder. Hierzu zählten unmittelbar aus der zunehmenden Kommerzialisierung weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens resultierende Einrichtungen wie Banken, Versicherungen etc. ebenso wie gesellige und karitative Einrichtungen wie Freimaurerlogen, Debattierklubs, Spitalausschüsse, Sonntagsschulausschüsse etc.6
Andererseits verblieben noch immer viele Angehörige der Mittelklassen in
einer Situation, die E. P. Thompson prägnant mit den Worten "client economy servicing the Great" umschrieben hat.7 Der für das 19. Jahrhundert in
Großbritannien charakteristische Prozeß der "Abnabelung" des Bürgertums
von der Herrschaftselite befand sich daher in den 1790er Jahren in einem
Ubergangsstadium, in dem er unter bestimmten Bedingungen kurzfristig
rückgängig gemacht werden konnte.
Die ökonomische Situation der "middle classes" bildet den Hintergrund fur
die Eigentumsdiskussion des 18. Jahrhunderts.8 Das Eigentum der merkan5
Vgl J. BREWER, English Radicalism in the Age of George III., in: J. G. A. POCOCK
(Hg.), Three British Revolutions 1641, 1688, 1776, Princeton 1980, S. 323-367, hier
S. 333; R. PORTER, English Society in the Eighteenth Century, Harmondsworth
2
6
1 9 8 4 , S. 6 3 .
Vgl. dazu A. BRIGGS, The Language of "Class" in Early Nineteenth Century England, in: A. BRIGGS/J. SAVILLE (Hg.), Essays in Labour History, London 1960, S.
43-73, hier bes. S. 52-58. Zu den "networks" vgl. PORTER, English Society, S.
292-310.
7
8
Zit. n. Porter, English Society, S. 86.
Ich beziehe mich hier im wesentlichen auf die Analysen von BREWER, English
R a d i c a l i s m , S. 3 2 3 - 3 6 7 , b e s . S. 3 3 0 - 3 4 8 .
171
tilen "middle classes" des 18. Jahrhunderts bestand - im Gegensatz zu dem
der "landed classes" - vor allem aus "beweglichen Gütern" ("moveable property") wie Warenlagern oder Rohmaterialbeständen von Kaufleuten und
Verlegern. Das Rechtssystem des 18. Jahrhunderts behandelte - ziemlich im
Gegensatz zu den von Blackstone rhetorisch formulierten Rechtsgleichheitsansprüchen9 - bewegliches und unbewegliches Eigentum durchaus ungleich. Die Aktivitäten von mit "general warrants" ausgestatteten Zoll- und
Akziseeintreibern konzentrierten sich auch wegen der abnehmenden Bedeutung der Landsteuer nicht auf die Güter der Gentry, sondern auf die Lager
und Kontore der "middle class". 10
In eine ähnliche Richtung wirkte die Organisation des Kreditwesens im 18.
Jahrhundert. Einem expandierenden kommerziellen Sektor stand ein zunehmender Mangel an Bargeld gegenüber; auch deshalb nahm die Bezahlung
mit Wechseln etc. eine immer größere Rolle bei geschäftlichen Transaktionen ein. Dieses Finanzsystem war jedoch äußerst unstabil und durch einen
permanenten Wechsel von Booms mit rasch steigender Verschuldung und
darauf folgenden Liquiditätskrisen gekennzeichnet.11 Hierzu kam noch, daß
Angehörige der Herrschaftselite gewohnheitsmäßig endlose Kreditierung ihrer Rechnungen beanspruchten und so Kaufleute zu zusätzlichen und unabsehbaren Investitionen in ihre Kunden zwangen. Aus dieser spezifischen Interessenlage erklären sich scheinbar widersprüchliche wirtschaftspolitische
Vorstellungen der entstehenden Mittelklassen, die Brewer folgendermaßen
zusammenfaßt:
The urban middleman and tradesman was not against credit per se; he
knew well enough how necessary it was to a thriving business. What
he objected to was the lack of regulation or control of credit and its
abuse by speculators. He also looked askance at 'public credit' - the
9
Vgl etwa Sir W. BLACKSTONR, Commentaries on the Laws of England, London, 15th
ed. 1809, Bd. I, S. 5f.: "those equitable rules of action by which the meanest individual is protected from the insults and oppressions of the greatest". Vgl. dazu auch:
D. HAY, Property, Authority and the Criminal Law, in: D. HAY et al., Albion's Fatal
Tree. Crime and Society in Eighteenth Century England, London 1975, S. 17-64,
bes. S. 32-39.
10
BREWER, Sinews of Power, S. 95-101, sowie DERS., English Radicalism, S. 339 f.
11
BREWER, English Radicalism, S. 336 f.
172
demands of the state - for in times of war
it competed very success
frilly against private would be borrowers.12
Diese Interessenlage der Besitzer (kleineren) beweglichen Eigentums konnte
- je nach den politischen Rahmenbedingungen - zu sehr unterschiedlichen
politischen Konsequenzen führen: Autonomiebestrebungen in freiwilligen
Assoziationen und Clubs und Ausdehnung des Konzepts der "independence"
auf tendenziell alle männlichen Steuerzahler im Rahmen der Bewegungen
für Parlamentsreform bis zur Konzeption einer "klassenlosen Gesellschaft
der Kleineigentümer" (Lottes) bei John Thelwall kennzeichnen die Bandbreite des bürgerlichen Radikalismus im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert.'3
Ebenso möglich war aber der Rückfall in die Akzeptanz klientaler Kontrolle
in der Rolle des - wie es Burke formulierte - Kleinaktionärs in der joint-stock
company der englischen Eigentümergesellschaft.14 Als Fallbeispiel soll im
folgenden die Argumentation der Pamphletisten der gegenrevolutionären Assoziationsbewegung der 1790er Jahre zur Eigentumsfrage näher untersucht
werden.
III.
In den frühen 1790er Jahren war die Regierung Pitt einerseits mit der Herausforderung des revolutionären Frankreich, andererseits mit den Forderungen der Reformgesellschaften nach einer weitgehenden Parlamentsreform
konfrontiert.
12
Zit. Ebd., S. 337
Zit. n. LOTTES, Politische Autklärung und plebejisches Publikum, S. 333.
14
Vgl. G. LOTTES, Die Französische Revolution und der moderne politische Konservativismus, in: R. KOSELLECK/R. REICHARDT (Hg.), Die Französische Revolution als
Bruch des gesellschaftlichen Bewußtseins, München 1988, S. 610-630, hier S. 612.
13
V g l . EDMUND BURKE, R e f l e c t i o n s o n the R e v o l u t i o n in F r a n c e , h g . v. C. C . O'BRIEN,
Harmondsworth 1969, S. 150: "He that has but five shillings in the partnership, has
as good a right to it, as he that has five hundred pounds has to his larger proportion.
But he has not a right to an equal dividend in the product of the Joint stock".
173
Vom Herbst 1792 an entwickelte sich in der Herrschaftselite eine Art
"Mentalität einer belagerten Festung", die sich 1794/5 zu einer panikartigen
Bunkerstimmung steigern sollte. Gegen die Herausforderung von Revolution
und Radikalismus organisierten lokale Honoratioren - mit diskreter und tatkräftiger Unterstützung der Regierung - landesweit sogenannte Loyalistenorganisationen, die sich mit der Verbreitung gegenrevolutionärer Propaganda
und mit der klimatischen Vorbereitung und Durchfuhrung von Repressionsmaßnahmen gegen Radikale befaßten.15
Die zentrale Koordinations stelle dieser Assoziationsbewegung hieß nicht zufallig "Society for Preserving Liberty and Property against Republicans and
Levellers"; denn ihre Pamphletisten und Theoretiker stellten ein - wohl fiktives - gemeinsames Interesse aller Eigentümer am Status Quo in den Mittelpunkt der Argumentation.
Zentral erschien den Loyalisten die Ausgrenzung aller Reformer aus dem akzeptierten Meinungsspektrum als "fellow travellers" der Französischen Revolutionäre und "Levellers", die mit ihren Gleichheitsforderung die bestehende Gesellschafts- und Eigentumsordnung untergraben wollten. Mr. Justice Manwaring drückte dies auf einer Quarter Session in Westminster 1794
folgendermaßen aus:
It behoved to the people of England to enquire who the modern English reformers were . . . were they men of integrity, industry and virtue who had families to maintain with decency ana credit? Alas, they
were to be found among the indolent, the dissolute and the needy. 16
Wenn man den propagandistisch-herabsetzenden Aspekt dieser und
ähnlicher Stellungnahmen einmal vernachlässigt, wird sehr rasch der
eigentliche Grund für den Alarmismus der englischen Honoratioren der
15
Vgl. dazu E. C. BLACK, The Association. British Extraparliamentary Political Organization, Cambridge, Mass. 1963, S. 233-274; A. V. MITCHELL, The Association
Movement of 1792-93 in: HistJ 4 (1961), S. 56-77, sowie M. WEINZIERL, Freiheit,
Eigentum und keine Gleichheit. "Die Transformation der englischen politischen Kultur und die Anfange des modernen Konservativismus" (München, im Druck).
16
Z i t . n. Morning Chronicle, 23.4.1794. Die folgende Passagen sind eine stark gekürzte Fassung meiner Habilitationsschrift Die Transformation der englischen politischen Kultur und die Anfänge des modernen Konservativismus 1791-1812 (phil.
habil. Wien 1988), S. 59-73.
174
1790er Jahre klar: Hier entwickelte sich erstmals seit der Levellerbewegung
in der Puritanischen Revolution eine Volksbewegung von unten ohne
Kontrolle durch Aristokratie und Gentry. Das "many-headed monster1'17
erhob wieder sein Haupt und drohte, die bestehende Verfassung zu zerstören,
deren Essenz sie wie schon die Konservativen in den Putney-Debates in der
Koppelung von Grundbesitz und politischer Beteiligung sahen.
Der bekannte gemäßigt-konservative Schriftsteller Arthur Young brachte
dies auf die einprägsame Kurzformel: Eine Abkoppelung von politischer
Beteiligung und Eigentum - wobei er offenließ, ob auch bewegliches Eigentum als vollwertig anzusehen sei, - komme dem "democratic mischief of
transferring property" gleich: "If persons are represented, property is
destroyed."18
Als probates Gegenmittel gegen derartige Gefahren wurde - neben den bekannten Repressionsmaßnahmen der Regierung Pitt - erstmals gezielt an
klein- und unterbürgerliche Schichten eine sehr intensive Propagandakampagne gerichtet, um sie von der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit der
"bestehenden Ordnung" in Staat und Kirche zu überzeugen. Hierbei wurde
ein nicht unoriginelles Amalgam "moderner" und traditional - paternalistischer Elemente verwendet.
Trotz der anachronstisch anmutenden Formel der "danger of levelling" formulierten die Loyalisten eine auch heute noch verblüffend modern wirkende
Propagandatechnik zum Fragenkomplex "Heiligkeit des Eigentums und Gefahr der Gleichmacherei". Dabei sollte dem Leser ein fiktives gemeinsames
Interesse aller Eigentümer - insbesondere der Kleineigentümer aus "middle
classes and lower ranks" mit den "property interests" der Machtelite - suggeriert werden. So formuliert etwa ein an Handwerker in Manchester gerichtetes Flugblatt:
l7
Z u den Ursprüngen der Angst vor politischen Volksbewegungen "von unten" vgl. C.
HILL, The Many-Headed Monster in Late Tudor and Early Stuart Political Thinking,
in: C. H. CARTER (Hg.), From the Renaissance to the Counter-Reformation. Essays
in Honour of Garrett Mattingly, London 1966, S. 296-324, bes. S. 314-317.
l8
Z i t . n. ARTHUR YOUNG, The Example of France. A Warning to Britain, Bury St.
Edmunds 2 1793, S. 51, und zit n. J. GAZLEY, The Life of Arthur Young 1741-1820,
Philadelphia 1973, S. 287.
175
That we are going on prosperously and happily and shall we be made
uncomfortable by a few impertinent Jacobine Emissaries. Forbid it
every honest men who has One Guinea's Worth of Furniture
in his
House to defend. These Jacobines in general have no cash. 19
Von dieser - übrigens falschen - sozialen Einordnung der radikalen Reformer
ausgehend unterstellten die Loyalisten ihnen in zahllosen Pamphleten und
Deklarationen überspitzte Gleichmacherei ("levelling of estates" etc.), die zu
sozialem und politischem Chaos und damit zu zusätzlichen Belastungen für
die klein- und unterbürgerlichen Schichten führen müsse. Schon in den von
William Windham verfaßten Gründungsdokumenten der zentralen Loyalistenassoziation wird in diese Richtung argumentiert:
When all were equalized, there would no longer be a superfluity to
pay the hire of Servants, or purchase the productions of arts and
manufacture; no commerce, no credit, no resource for the active but
in robbery and all those public disorders which make life miserable.20
Ahnlich argumentierten viele lokale Loyalistenassoziationen wie z.B. die
Gesellschaft in Rochester (Kent):
That - as in every government - there must be different Ranks and
Degrees of Men. We are convinced that in such that are well - regulated this does not tend to the Encouragement of Pride and Oppression but is the Occasion of promoting Industry and of providing for
the Wants of the Artificer, the Labourer and tne Indigent; and therefore the adoption of any fancied System of Equalization, would while
it introduces civil confusion deprive by its effects the lower orders
of
Society of those means of subsistence which they now enjoy. 21
Dieses - insbesondere in einer Volkswirtschaft in der die Luxusindustrie eine
bedeutende Rolle spielte - nicht unplausible Argument, das auch freilich
nüchterner und weniger organizistisch gedacht von Adam Smith benutzt
wurde,22 wurde in zahllosen Deklarationen und Pamphleten der lokalen
19
"Brother Fustian's Advice to the Inhabitants of Manchester and Salford, October
1792", zit. n. A. BOOTH, Popular Loyalism and public violence in the northwest of
England 1790-1800, in: Social History 8 (1983), S. 295-313, zit. S. 305.
20
Association Papers printed by special order of the Society for Preserving Liberty and
Property, London 1793, Bd. 1, S. 3 f.
B . L . Add. MS 16930 f. 49, Declaration of the Aylesford and City of Rochester Association, 10.12.1792.
22
"The interest of the second order, that of those who live by wages, is as strictly
connected with the interest of society as that of the first. When the real wealth of the
21
176
Loyalistengesellschaften wiederholt und variiert. Besonders eindringlich argumentierten die "Einwohner von Somers Town" (Middlesex):
How is the poor man and the trader to live, but by his labour? How is
every man to be fed, but by tilling the earth? Take away the means of
affording that labour the poor man and his family perish...By the rich
the poor are relieved from sickness and want, children are educated,
labour is extended, employment found for every man. Take then
away the property of the rich, and the poor man sinks of course.23
Derartige traditional-paternalistische Argumentationen standen allerdings insbesondere in den 1790er Jahren - im Gegensatz zur tatsächlichen einseitigen Aufkündigung paternalistischer Schutzfunktionen der Herrschaftselite,
die schon Thomas Carlyle als "abdication on the part of the governors" charakterisiert hat. Diese manifestierte sich vor allem in der Aufgabe der
"assizes of bread", d.h. der Festsetzung von Brothöchstpreisen sowie der
Fixierung von Mindestlöhnen durch die Friedensrichter in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Diese neue Laissez-faire-Politik trug wesentlich zur Agrarkrise der 90er Jahre bei, die im Hungerjahr 1795 kulminierte.24
Schließlich vernebelte die geschickte Technik der Loyalisten des maßlosen
Übertreibens des Gleichheitskonzeptes der Radikalen mit dem Ziel, es nachher lächerlich zu machen, deren tatsächliche Positionen in dieser Frage:
Denn die kleinbürgerlichen radikalen Reformer standen mit Ausnahme einiger Einzelgänger wie Thomas Spence - fest auf dem Boden der Tradition des
society becomes stationary, his wages are soon reduced to what is barely enough to
enable him to bring up a family, or to continue the race of labourers. When the
society declines, they even fall below this", ADAM SMITH, The Wealth of Nations,
Harmondsworth 1970, S. 357. Schon 1762/63 hatte Adam Smith die Aufrechterhaltung einer ungleichen Eigentumsverteilung geradezu als Hauptzweck des Staates
angesehen: "Law and Government maintain the rich in the possession of their wealth
against the violence and rapacity of the poor, and by that means preserve that use full
inequality in the fortunes of mankind", zit. n. H. P. BROWN, Egalitarianism and the
Generation of Inequality, Oxford 1988, S. 107. Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wurden Smith's Laissez-faire-Theorien in der Oberschicht massiv rezipiert
und popularisiert. Vgl. H. PERKIN, The Origins of Modern English Society
1780-1880, London/Toronto 1969, S. 187 f.
23
B . L . Add. MS 16931 f.141 (7.12.1792).
24
V g l . dazu PERKIN, Origins of Modern English Society, S. 182-190, sowie E. P.
THOMPSON, Moralische Ökonomie der englischen Unterschichten, in: DERS., Plcbeische Kultur und moralische Ökonomie. Aufsätze zur englischen Sozialgeschichte des
18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M./Berlin 1980, S. 66-130.
177
"propertarianism".25 So versicherte die London Corresponding Society in einem ihrer zahlreichen diesbezüglichen Flugblätter:
The Equality insisted by the E'riends of reform is an Equality of
Rights - or in other words - that veiy person may be equally entitled
to the protection and benefits of society; may equally have a voice in
the elections of those who make the laws by wnich he is affected in
his liberty, his life or his property...perpetually equal.
But "Let all mankind start fair in the race of life".26
Zusammenfassend kann man wohl feststellen, daß der Diskurs der 1790er
Jahre - wie viele Konflikte des englischen 18. Jahrhunderts - nicht primär ein
Konflikt zwischen Besitzenden und Besitzlosen, sondern ein Konflikt zwischen Besitzern von Eigentum verschiedener Form und verschiedener Größe
über die Identität bzw. Nicht-Identität ihrer Interessen darstellte. E. P.
Thompson hat das bereits im Zusammenhang von sozialen Konflikten des
frühen 18. Jahrhunderts folgendermaßen beschrieben:
What was often at issue was not property, supported by law, against
no - property; it was alternative definitions of property - rights.
Die überwiegende Mehrheit der Ökonomen und politischen Theoretiker des
englischen 18. Jahrhunderts dachte von besitzindividualistischen Prämissen
her bzw. in den Kategorien einer Eigentümergesellschaft. In den 1790er Jahren setzte sich Burkes Modell des antiegalitären Aktiengesellschaftsstaates
um den Preis einer jahrzehntelangen Ossifizierung des britischen politischen
Systems durch. Die Fiktion einer Interessenidentität aller Besitzenden erwies
sich jedoch spätestens nach dem Ende der Napoleonischen Kriege als wenig
25
Z u Spence vgl. vor allem H. T. DICKINSON (Hg.), The Political Works of Thomas
Spence, Newcastle/Tyne 1982, bes. S. XII-XVII. Zum "propertarianism" der Radikalen vgl. u.a. I. KRAMNICK, Republican Revisionism Revisited, in: AHR 87 (1987),
S. 6 2 9 - 6 4 4 .
26
Z i t . B.L. Sig 8052i (25) "Equality". Vgl. auch die "Address of the London Corresponding Society to the Nation at Large" in: M. THALE (Hg.), Selections from the
Papers of the London Corresponding Society 1792-1799, Cambridge 1983, S. 11.
Dort wird das unreformierte System parlamentarischer Repräsentation vor allem wegen der "Obstruction to our Industry and a Dimunition of our Property" kritisiert.
Vgl. dazu LOTTES, Politische Aufklärung, S. 329-333.
27
Zit. n. E. P. THOMPSON, Whigs and Hunters. The Origin of the Black Act, New York
1975, S. 261.
178
brauchbares ideologisches Konzept. Abschließend sei noch daraufhingewiesen, daß die konkurrierenden Modelle von Eigentümergesellschaften von
Burkes Konzept bis zur "Egalitären Eigentümerdemokratie" (Iring Fetscher)
der revolutionären Demokraten der London Corresponding Society reichte.28
Die Bandbreite dieser Konzeptionen sorgte nicht nur im englischen 18. Jahrhundert fur Konflikte, deren Austragung mehr als ein Jahrhundert Geschichte
erforderte.
28
1 . FETSCHER, Was ist Volk? Demokratietheorie und Französische Revolution, in:
Wiener Tagebuch 5 (1989), S. 16-20, hier S. 17.
179
ANDREAS WIRSCHING
Arbeit und Bildung als Eigentumsfaktoren im 18. und frühen
19. Jahrhundert
I.
Eigentum war in der Geschichte des neueren englischen politischen Denkens
weniger ein Selbstzweck als die Möglichkeit zur Selbstbestimmung. Vor allem in der klassisch-republikanischen Tradition, welche die politische Ideengeschichte des 18. Jahrhunderts noch tief beeinflußte, galt als primäre Funktion des Eigentums die Unabhängigkeit des Besitzenden in ökonomischer
wie geistig-moralischer Hinsicht. Nur der Eigentümer war vor der Korruption und Verführbarkeit - die dem Besitzlosen allzuschnell drohten - gefeit
und daher zu politischer Teilhabe berechtigt.1 Nur in diesem Zusammenhang
galt Freiheit als möglich und denkbar; nur dann war sie "rationale" Freiheit.2
Bis tief ins 19. Jahrhundert hinein bestand daher ein breiter Konsens der Besitzenden über die sozialen Grenzen der politischen Nation, welcher die
Nichteigentümer ausschloß.
1
2
Siehe z.B. H. T. DICKINSON, Liberty and Property. Political Ideology in EighteenthCentury Britain, London 1977, S. 169 ff. Grundlegend: J. G. A. POCOCK, The
Machiavellian Moment. Florentine Political Thought and the Atlantic Republican
Tradition, Princeton, N.J. 1975. Vgl. auch den Beitrag von Ian Hampsher-Monk in
diesem Band.
Vgl. A. D. KRIEGEL, Liberty and Whiggery in Early Nineteenth-century England, in:
JMH 52 (1980), S. 253-278, hier S. 264 f., der das Konzept der "rationalen" Freiheit
im Kontext der Whig-Identität analysiert.
181
Als Gegenmodell hierzu formulierte die radikale Tradition des 18. Jahrhunderts einen personalen, naturrechtlich begründeten Eigentumsbegriff.3 Einen
der wichtigsten Faktoren in diesem naturrechtlichen Eigentumsdiskurs bildete die Arbeit. Ausgehend von der klassischen Locke'schen Legitimation
des Besitzes4 ließ sich Arbeit in zunehmendem Maße als die Basis allen Eigentums und Reichtums in Anspruch nehmen. Im je unterschiedlichen Kontext und bisweilen unter expliziter Anknüpfung an Locke begegnete die Legitimation des Eigentums durch die Arbeit bei so verschiedenen Autoren wie
John Cartwright,5 Adam Smith,6 Joel Barlow, John Thelwall7 und William
Cobbett,8 um nur einige besonders prominente zu nennen. Das Naturrecht
auf die Verfugung über die persönliche Arbeitskraft und die Früchte der Arbeit wurde so tendenziell zum Äquivalent dinglichen Eigentums aufgewertet.
Insofern als sich damit neben dem Realbesitz eine neue Basis persönlicher
Unabhängigkeit und Selbstbestimmung abzuzeichnen begann, entwickelte
die neue Lehre weitreichende politisch-emanzipatorische Wirkungen.
Die neue Legitimation des Eigentums erfolgte nicht zufallig zu einer Zeit, da
die Arbeit begann, sich unwiderruflich aus den herkömmlichen Bindungen
und Abhängigkeitsverhältnissen herauszulösen. Die traditionelle agrarische
Gesellschaft hatte der Arbeit einen festen, unverrückbaren Ort zugewiesen.
Seit dem 17. Jahrhundert aber, mit dem Beginn eines säkularen wirtschaftlichen Aufschwungs und der Herausbildung einer "possessive market
3
4
5
6
Dazu G. LOTTES, Politische Aufklärung und plebejisches Publikum. Zur Theorie und
Praxis des englischen Radikalismus im späten 18. Jahrhundert (Ancien Regime,
Aufklärung und Revolution, Bd. I), München 1979, S. 71 f., 84, 94, 285 u.ö.
JOHN LOCKE, TWO Treatises of Government, hg. v. P. Laslett, Cambridge 7 1967, II.
Treatise, § 27. Vgl. ebd., §§ 28, 32, 44. Ausführlich zur Locke'schen Konzeption
von "labour" und "property" H. MEDICK, Naturzustand und Naturgeschichte der bürgerlichen Gesellschaft. Die Ursprünge der bürgerlichen Sozialtheorie als Geschichtsphilosophie und Sozialwissenschaft bei Samuel Pufendorf, John Locke und Adam
Smith, Göttingen 2 1981, S. 75 ff.
JOHN CARTWRIGHT, The Legislative Rights of the Commonalty Vindicated, or Take
Your Choice, London 1776, S. 19 f.
ADAM SMITH, An Inquiry into the Nature and the Causes of the Wealth of Nations,
h g . v. R. H . CAMPBELL/A. S. SKINNER, Oxford 1 9 7 6 , 1 . x . c . 1 2 , B d . I, S. 138.
7
8
LOTTES, Politische Aufklärung, S. 326 (Barlow), 332f. (Thelwall).
Cobbett's Weekly Political Register, Bd. 38, Nr. 8 (20.1.1821), S. 175. Vgl. To the
Journeymen and Labourers, ebd. Bd. 31, Nr. 18 (2.11.1816), S. 433.
182
society",9 erweiterte sich der Spielraum des arbeitenden Individuums, und
seine Verfügungsgewalt über die eigene Arbeitskraft nahm zu. Unter dem
wachsenden Bevölkerungsdruck lockerte sich die von dem paternalistischen
System ausgeübte Sozialkontrolle, während andererseits die Epoche der
Fabrikdisziplin noch in ferner Zukunft lag. In diesem Vakuum zwischen dem
nachgebenden paternalistischen Griff und der Industrialisierung fanden die
Nichteigentümer einen neuartigen Freiraum.10 Die Klage über die soziale
Unbotmäßigkeit der "labouring poor", ihre Ablehnung der noch als gültig erachteten paternalistischen Wechselseitigkeit - Freigebigkeit der Wohlhabenden, loyale Dankbarkeit der Bedürftigen - gehörte zu den Standardthemen
der sozialpolitischen Literatur des 18. Jahrhunderts. Zum einen wurde Arbeit
zur Ware auf einem expandierenden Markt, und die Verkäuflichkeit der Arbeit erschloß dem Einzelnen neue Formen persönlicher Unabhängigkeit.
'he poor] receive the price of their labour without gratitude, because
Sfiable
ey suppose it to be paid without kindness; and often thinlc it justito impose on their employers in order to recompense to themselves the inequalities of fortune.11
Doch zum anderen bezahlten die arbeitenden Besitzlosen ihre größere Unabhängigkeit und Mobilität mit einer neuen Form von Armut. Auf der Arbeitskraft beruhende individuelle Autonomie einerseits und Verschärfung der
sozialen Ungleichheiten bis hin zum Klassengegensatz andererseits bedingten einander und waren in der entstehenden bürgerlichen Markt- und Erwerbsgesellschaft zwei Seiten derselben Medaille.12 Armut wurde, als Folge
der sich verstärkenden Migration, vor allem in den Städten sichtbarer denn
je. Unbeschäftigte Kinder bevölkerten die Straßen; Arbeitslosigkeit wurde
zum sozialen Dauerproblem. Das traditionelle Gesellschaftsbild der Eliten
9
P. KRIEDTE, Spätfeudalismus und Handelskapital. Grundlinien einer europäischen
Wirtschaftsgeschichte vom 16. bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, Göttingen
1980, S. 175 ff. C. B. MACPHERSON, The Political Theory of Possessive Individualism. Hobbes to Locke, Oxford 1962.
10
Vgl. dazu die Arbeiten von E. P. THOMPSON, insbesondere: Patrician Society, Plebeian Culture, in: Journal of Social History 7 (1974), S. 382-405, und Eighteenthcentury English Society: Class Struggle without Class?, in: Social History 3 (1978),
S.133-165.
11
SARAH TRIMMER, The Oeconomy of Charity; or an address to Ladies concerning
Sunday-Schools, London 1787, S. 13.
12
MACPHERSON, Possessive Market Society.
183
sah sich gefährdet durch Aufsässigkeit und sittliche Verrohung der
"labouring poor". Der providentiell sanktionierte Sozial verband, in dem jedes
Einzelglied seinen vorherbestimmten Ort einzunehmen hatte, schien zur Disposition gestellt.
Bereits früh wurde die soziale und politische Sprengkraft erkannt, welche die
Emanzipation der Arbeit für die exklusive Eigentümergesellschaft des nachrevolutionären England darstellte. Seit dem frühen 18. Jahrhundert suchte
man nach Mitteln und Wegen, um die freigesetzte Arbeit sozial zu disziplinieren. Arbeit sollte eben kein Konkurrenzfaktor zum dinglichen Eigentum
werden, sondern im Rahmen des auf Besitz und Herkommen gegründeten
Gesellschaftssystems verbleiben. Ein besonders geeignetes Mittel zu solcher
Arbeitsdisziplinierung erkannten Teile des alten England in der Förderung
wohltätiger Bildungseinrichtungen.
Im folgenden soll gezeigt werden, auf welch unterschiedliche Weise das
Verhältnis von Arbeit und Bildung im 18. Jahrhundert konzipiert wurde und
welch gegensätzliche Konsequenzen die Förderung elementarer Volksbildung nach sich ziehen konnte. Im wesentlichen sind zwei Richtungen zu
unterscheiden: zunächst eine englische evangelikal-sozialkonservative, die
auf soziale Disziplinierung zielte; sodann eine schottische, aufklärerische,
die emanzipatorisch wirkte. Beide Richtungen verbanden sich zu einem irreversiblen Volksbildungsprozeß, der die Faktoren Arbeit und Bildung in
ihrem inneren Zusammenhang aufwertete. Freilich bedeutete Bildung
zunächst nicht mehr als den Erwerb elementarer Lese- und Schreibkenntnisse. Aber schon ihre Förderung trug in sich die Möglichkeit eines dialektischen Umschlags vom arbeitsdisziplinierenden zum sozialemanzipatorischen
Bildungsanliegen. Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert entstand
eine neue Grundlage für individuelle Selbstbestimmung und Unabhängigkeit,
welche die politische Rolle des dinglichen Eigentums stark relativierte.
184
II.
Für die frühen Bildungsoptimisten, die z.B. 1699 die "Society for Promoting
Christian Knowledge" begründeten, blieb das traditionelle gesellschaftliche
Leitbild normativ. Wenn die arbeitenden Schichten sich neue Freiheiten erschlossen und sich infolgedessen ihrem gottgewollten Status zu entfremden
drohten, so lag darin eine moralische und gesellschaftliche Gefahr. Zu begegnen war dem durch die Ausbreitung wohltätiger Bildungseinrichtungen
wie der Charity Schools und später der Sunday Schools.13 Aufbauend auf der
Vermittlung von Elementarbildung, konnten hier das Lesen der Bibel und die
Rezeption religiöser Inhalte institutionell gefordert werden. Rechtzeitige religiöse Unterweisung und moralische Instruktion, so war man überzeugt, versprachen die Domestizierung der arbeitenden Schichten an demjenigen sozialen Ort, für den sie zwar als prädestiniert galten, der sich jedoch nicht
mehr allein durch die verfallenden patriarchalischen Sozialbeziehungen
fixieren ließ. "Children are made tractable and submissive", so wurde in
einem Bericht der SPCK das Bildungsanliegen umrissen, "by being early
accustomed to Awe and Punishment and Dutiful Subjection. From such
timely Discipline the Publick may expect Honest and Industrious
Servants."14 Und in seinem einflußreichen "Treatise on Education" bestätigte
1733 der Bildungsoptimist George Chapman:
To reconcile the lowest class of mankind to the fatigues of constant
labour, and otherwise mortifying thoughts of a servile employment,
pains should be taken to convince them, when young, that subordination is necessary in society; that they ought to submit to their
masters or superiors in every thing that is lawful.15
"Christian knowledge" begünstigte den sozialen Frieden und die gesellschaftliche Hierarchie, indem es den einzelnen mit seinem Platz in der Gesellschaft versöhnte. Zugleich verstanden sich die wohltätigen Bildungsein13
Grundlegend: M. G. JONES, The Charity School Movement. A Study of 18th Century
Puritanism in Action, Cambridge 1938 (Nachdruck 1964); V. E. NEUBURG, Popular
Education in Eighteenth Century England, London 1971; T. W. LAQUEUR, Religion
and Respectability. Sunday Schools and Working Class Culture 1780-1850, London
1976.
14
An Account of the Charity Schools lately erected, 1708, zitiert nach JONES, Charity
School Movement, S. 73.
15
Zitiert nach Neuburg, Popular Education, S. 10.
185
richtungen als Angebot, die Kinder von der Straße zu holen und sie während
ihrer überschüssigen Zeit zu nützlichen und dienstwilligen Gliedern des Gemeinwesens zu machen.16
Daß dieses Konzept Widersprüche aufwies, blieb den Bildungsreformern
nicht verborgen. Denn immerhin ließ sich auch im prinzipiellen Bildungsentzug das geeignetste Mittel erkennen, um die arbeitenden Schichten mit ihrem
Platz in der sozialen Rangordnung auszusöhnen. Bildung für das Volk war
demzufolge ungeeignet und gefährlich, da sie erstens rein zeitlich auf Kosten
der Produktion ging und zweitens dazu tendierte, die arbeitende Bevölkerung
mit ihrem Schicksal unzufrieden zu machen. Bildungskritiker wie de Mandeville erhoben schon früh ihre Stimme und warnten vor nichtintendierten
Resultaten der Bildungsförderung. Unwissenheit erschien in dieser Perspektive als "Mother of Devotion", während umgekehrt die Lernziele der Charity
Schools als wertlos, wenn nicht gar als schädlich erachtet wurden: "at least
nothing is less requisite in the Laborious Poor. It is not Compliments we
want of them, but their Work and Assiduity."17 Und Hannah More, gegen
Ende des 18. Jahrhunderts einer der eifrigsten evangelikalen Bildungsförderer, läßt in ihren populär-erbaulichen Erzählungen den reichen Bauern Hoskins jede Subskription fur eine Sonntagsschule mit dem typischen Argument
ablehnen:
I am afraid my own workmen will fly in my face if once they are
made 18scholars; and that they will think themselves too good for
work.
16
Die Klage über heruntergekommene, die Straßen bevölkernde Kinder, begegnet häufig im 18. Jahrhundert. Siehe H. CUNNINGHAM, The Employment and Unemployment
of Children in England c. 1680-1851, in: PaP 126 (1990), S. 115-150. Cunningham
stellt traditionelle Positionen, die von einer hohen Kinderarbeitsquote im vorindustriellen England ausgehen, in Frage und betont die Funktion der Charity-Schools,
die Beschäftigungslosigkeit der Kinder auszugleichen. Siehe ebd., S. 126 ff.
17
BERNARD DE MANDEVILLE, The Fable of the Bees, with an Essay on Charity and
Charity Schools, London 5 1728, S. 304 u. passim.
18
HANNAH MORE, The Sunday School, in: The Works of Hannah More, 11 Bde., London 1830, Bd. III, S. 303. Vgl. für die Bildungsdiskussion im 18. Jahrhundert mit
weiteren Belegen: Jones, Charity School Movement, S. 85ff.; Neuburg, Popular
Education, S. 1 ff.; H. SILVER, The Concept of Popular Education. A Study of Ideas
and Social Movements in the Early Nineteenth Century, London 1965, S. 17 ff.
186
In Auseinandersetzung mit der gleichfalls sozialkonservativ orientierten Kritik blieben daher die Bildungsbemühungen der Evangelikaien während des
gesamten 18. Jahrhunderts ambivalent und in einem Zwiespalt befangen zwischen beabsichtigter Arbeitsdisziplinierung und befürchteter Emanzipation.
Kennzeichnend hierfür ist, daß die "Society for Promoting Christian Knowledge" und andere gleichgesinnte Bildungsförderer noch lange an der grundsätzlichen Alternative, der Einrichtung von Arbeitshäusern nämlich,
festhielten. In den nach 1723 eingerichteten integrierten "working schools",
deren Unterricht vor allem aus Spinnen, Weben und anderen ökonomisch
nützlichen Tätigkeiten bestand, wird der Zusammenhang zwischen schichtenspezifisch portionierter Elementarbildung, Arbeitsdisziplinierung und
sozialer Friedenswahrung besonders deutlich.19
Ein weiterer Schwerpunkt der Bildungsdiskussion lag in der Auseinandersetzung um die curriculare Umgrenzung der Bildungsforderung. Und auch hier
hatten die Bildungsreformer eine schwierige Gratwanderung zu vollziehen,
um nichtintendierte emanzipative "Fehlentwicklungen" zu vermeiden. Eine
Bildung, die zur Disziplinierung instrumentalisiert wurde, blieb notwendig
eklektische Bildung. Formal beschränkte sich ihr Curriculum zumeist auf
Lesen, seltener auch auf Schreiben, inhaltlich auf religiös-moralische Unterweisung. Wie keine andere war sich Hannah More des Dilemmas bewußt,
das ein solcher Ekletizismus heraufbeschwören mußte. "I do not in general
approve of teaching charity children to write", legt sie der ihr kongenialen
Mrs. Jones in den Mund.
I confine within very strict limits my plan of educating the poor. A
thorough knowledge of religion, and some of those coarser arts of life
by which the community may be best benefited [i.e. z.B. Spinnen,
Stricken etc., A.W.], includes the whole stock of instruction.20
19
Siehe dazu JONES, Charity School Movement, S. 88 ff.; J. SIMON, From Charity
School to Workhouse in the 1720s: the SPCK and Mr Marriott's Solution, in: History
of Education 17 (1988), S. 113-129, v.a. S. 126 ff.
20
HANNAH MORE, A Cure for Melancholy, in: Works III, S. 289. Zu den curricularen
Auseinandersetzungen, die sich vor allem um die Frage drehten, inwieweit sich der
Lehrinhalt auch auf Schreiben erstrecken sollte, vgl. Jones, Charity School
Movement, S. 73 ff, und LAQUEUR, Religion, S. 124ff.
187
Auch findet Mrs. Jones (More), es wäre besser, die unteren Schichten könnten überhaupt nicht lesen, als daß sie die immer weiter verbreitete, von
Straßenhändlern vertriebene und als "Schund" disqualifizierte populäre Literatur konsumierten.21 Um so wichtiger war es, daß in den wohltätigen Bildungseinrichtungen neben den formalen Lesekenntnissen die moralische Instruktion auf dem Lehrplan stand. "Principles", nicht "opinions" bildeten das
Lernziel.22
Vor allem für diejenigen Schichten, die im 18. Jahrhundert der freien Verfugung über ihre Arbeitskraft einen neuen Unabhängigkeitsstatus verdankten in erster Linie waren dies die überwiegend in der Textilindustrie beschäftigten Heimarbeiter23 - bot das expandierende karitative Bildungsangebot eine
zusätzliche Möglichkeit persönlicher Unabhängigkeit. Zwar vermochte sich
jener neue Freiraum in der "protoindustriellen" Familienwirtschaft, wo Privat- und Arbeitssphäre noch ungetrennt blieben, am ehesten zu entfalten.24
Doch im Kontext von demographischer Revolution, Urbanisierung und Pauperismus reichte die Verfügung über die eigene Arbeitskraft immer weniger
zur Unabhängigkeit aus; elementare Bildung wurde daher als Chance, zumeist als einzige Chance begriffen, um zur Ordnung des Lebens und zur
mündigen Selbstbestimmung zu gelangen.
21
HANNAH MORE, Sunday School, S. 302ff. Zu der populären Erbauungsliteratur, die
Hannah More bewußt als "Gegengift" gegen die "Schundliteratur" produzierte, siehe
S. PEDERSEN, Hannah More meets Simple Simon: tracts, chapbooks and popular
culture in late eighteenth-century England, in: Journal of British Studies 25 (1986),
S. 84-113.
22
Brief Hannah Mores an Mr. Bowdler, zitiert nach JONES, Charity School Movement,
S. 74.
23
Daß vor allem die in Heimarbeit beschäftigten Weber und Strumpfwirker sich um
die Elementarbildung ihrer Kinder bemühten, geht u.a. aus den Akten mehrerer Unterhausausschüsse der 1830er und 1840er Jahre hervor, die sich mit der Lage der
Heimarbeiter beschäftigten. Siehe z.B. PARLIAMENTARY PAPERS 1834 X, S. 65 (Frage
855), 100 (Frage 1290), 207 (Fragen 2696-68), 284 (Frage 3755), 525 (Frage 6867).
Vgl. Parliamentary Papers 1835 XIII, S. 8; Parliamentary Papers 1845 XV, S. 166
(Fragen 86-89), 185 (Fragen 376-77), 193 (Frage 535); vgl. ebd., Index, S. 610 f. u.
995 f.
24
Vgl. hierzu A. WIRSCHING, Parlament und Volkes Stimme. Unterhaus und Öffentlichkeit im England des frühen 19. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Deutschen
Historischen Instituts London Bd. 26), Göttingen 1990, S. 255 ff.
188
Der Erfolg der wohltätigen Bildungseinrichtungen kann als ebenso zweideutig gekennzeichnet werden wie ihr Anliegen. Zwar wußten 1839 Fabrikinspektoren von Unternehmern zu berichten, die zufrieden konstatierten, daß
Sonntagsschulkinder ordentlicher, willfahriger und leichter fuhrbar seien als
andere.25 Doch wenn auch die Bibel und religiöse Traktate das hauptsächliche Lehrmittel der wohltätigen Bildungseinrichtungen blieben, so wurden
durch die Vermittlung von Lesekenntnissen gleichwohl die formalen Voraussetzungen zur Rezeption religionsfremder Inhalte und zur Teilnahme der
Nichteigentümer am politischen Diskurs geschaffen. Zwar mochten die
Sonntagsschullehrer in erster Linie das Seelenheil ihrer Schützlinge im Auge
haben. Tatsächlich aber - und der Umschlag vollzog sich etwa zwischen
1780 und 1820 - wirkten sie instrumental in der Erziehung der Masse zur
politischen Partizipation. "They were creating Thought among the hitherto
unthinking masses", wie Archibald Prentice formulierte 2 6
Die Führer der radikalen Bewegung nach 1815, die bei der parlamentarischen Elite erneut Revolutionsängste weckte, waren sich dieser Dialektik
sehr wohl bewußt und verwiesen bisweilen fast höhnisch auf sie. So meinte
etwa ein Redner auf einer Versammlung Londoner Handwerker im Jahre
1819:
The fools through their charitable Institutions were teaching all classes to read the Bible in hopes that they would Fear God and Honor
the King and become passively obedient to their oppressors but they
forgot that when they could read the Bible they could read Paine s
Age of Reason and Mr Carliles Republican.27
25
LAQUEUR, Religion, S. 215.
A. PRENTICE, Historical Sketches and Personal Recollections of Manchester,
intended to illustrate the progress of public opinion from 1792-1832, London 2 1851,
S. 116.
26
27
Informantenbericht,
27.10.1819,
PUBLIC RECORD OFFICE LONDON, H o m e
Office
Papers HO 42/197, ff. 773-774. Belege dieser Art, die das emanzipative Umschlagen
des evangelikalen Bildungsanliegens dokumentieren, finden sich nach 1815 häufig.
Siehe etwa nur: The Addresser Addressed, or a reply to the townsman of Bolton,
with reference to the present political aspect of the country, Birmingham 1816, S. 7;
JOHN FOSTER, A Letter to Walter Fawkes, Esq., on his recent address to the County
of York, Knaresborough 1822, S. 11; JAMES MILL, in: Edinburgh Review 21 (1813),
S. 212.
189
III.
Es kennzeichnet die englische Bildungs- und Gesellschaftsgeschichte, daß
sich dieser Umschlag vom disziplinierten Bildungsobjekt zum politischen
Subjekt mit dem grundsätzlich anders orientierten, offenen und fortschrittsoptimistischen Bildungsanliegen der schottischen Aufklärung verbinden
konnte. Im dialektischen Gegenüber, in welches das kulturell fortgeschrittene, wirtschaftlich jedoch rückständige Schottland zur politischen Führungsmacht England gestellt war, führte die egalisierende presbyterianische
Tradition zu gegensätzlichen Konzepten.
Auch für die schottischen Moralphilosophen bildete die Verselbständigung
des Faktors Arbeit einen entscheidenden Ausgangspunkt. Adam Smith analysierte die geschichtliche Entwicklung von der feudalen Agrargesellschaft
zur bürgerlichen Marktgesellschaft als Modernisierungsvorgang, der vom
städtischen Handel und Gewerbe seine entscheidenden Impulse empfing.28
Der Lockerung der zunächst feudalen, später paternal istischen Bindungen
korrespondierte die Ausweitung des Verlagssystems und der Manufakturen.
Die freie Zirkulation der Arbeit auf dem Markt bildete dabei, wie Smith bemerkte, für die organische Entfaltung der Marktgesellschaft eine unerläßliche
Grundvoraussetzung.29 So unterzog Smith etwa das traditionelle korporative
System der Berufslehre (apprenticeship), die einen wichtigen Bestandteil des
alten paternalistischen England bildete, schärfster Kritik.30 Gerade weil Arbeit ein natürliches Eigentumsrecht konstituierte, war ihre ungehinderte Entfaltung ein individueller Rechtsanspruch und eine gesellschaftliche Notwendigkeit.31
In einem durch erhöhte Kapitalisierung gekennzeichneten "protoindustriellen" Produktionsprozeß stellten die Nichteigentümer die Masse des
Arbeitskräftepotentials. Die relative Unabhängigkeit, die der neue Spielraum
der Arbeit ermöglichte, war jedoch in dem Maße gefährdet, wie die Tendenz
zu Kapitalabhängigkeit und Proletarisierung fortschritt. Der ja auch von
28
SMITH, Wealth of Nations, Ill.iv., Bd. I, S. 41 Off.
E b d . , I.x.c.12, Bd.I, S. 138; I.x.c.43, ebd., S. 151 f.; I.x.c.45, ebd., S. 152.
30
E b d . , I.X.C.13-C.17 u. c.42-c.43, Bd. I, S. 138 ff. u. 151f.
31
Ebd., I.x.c.12, Bd. I, S. 138.
29
190
Locke so deutlich betonte Nexus von Arbeit und Produkt begann sich in einer zunehmend arbeitsteiligen Gesellschaft vollends aufzulösen. Arbeit allein
vermochte je länger desto weniger einen Unabhängigkeitsstatus zu begründen. Zwar wurde von Smith die fortschreitende Teilung der Arbeit als entscheidender Modernisierungsfaktor aufgefaßt; doch zugleich diagnostizierte
er als eine ihrer Konsequenzen die "mentale Verstümmelung" des Individuums. 32 Smith hielt folgerichtig die nichtbesitzenden Schichten des Volkes für
unfähig zur Ausübung politischer Rechte. Die mit der Arbeitsteilung verbundene Dequalifikation stellte den Arbeitenden auf die unterste Stufe aller
Kreatur, die Reduktion der Arbeit auf ein oder zwei simple Handgriffe hatte
fur den Arbeitenden Statusverlust und Verdummung zur Folge. "Of the great
and extensive interests of his country he is altogether incapable of judging." 33
Es ist indes bezeichnend, daß Smith und mit ihm die anderen Exponenten der
schottischen Schule, die politische Unmündigkeit der Masse primär als ein
Bildungsproblem begriffen, was ihrem Denken ein inhärentes sozialemanzipatorisches Element verlieh. Die prekäre geistige Lage des Arbeitenden in
der bürgerlichen Marktgesellschaft erforderte für Smith ein allgemeines,
staatlich organisiertes Bildungssystem für das breite Volk. 34 Ganz im Gegensatz zu dem religiös motivierten Bildungsanliegen der Sozialkonservativen
verstand Smith den Bildungsgedanken im explizit politischen Sinne, worin
der innere Zusammenhang der schottischen Sozial Wissenschaft mit der Tradition des klassischen Republikanismus deutlich wird. Denn Smiths Bildungsanliegen ist nicht zu trennen von seiner allgemeineren Sorge - die er
mit dem weitaus pessimistischeren Adam Ferguson teilte - um die politische
Kohäsion der entwickelten arbeitsteiligen "commercial society". Die ungehinderte Verfolgung der privaten Einzelinteressen mochte allzu leicht zu einem bedenklichen Mangel an "citizenship" und "martial spirit" fuhren.35 Bil32
E b d . , V.i.f.60, Bd. II, S. 787; V.i.f.50, ebd., S. 781 f.
E b d . , I.xi.p.9, Bd. I, S. 266; V.i.f.50, Bd. II, S. 782.
34
E b d . , II, V.i.f.52-57, S. 784 ff. Zum Bildungsgedanken bei Adam Smith vgl.
MEDICK, Bürgerliche Gesellschaft, S. 285 f.; D. WINCH, Adam Smith's Politics. An
essay in historiographic revision, Cambridge 1978, S. 113ff.
35
E b d . , S. 113. Vgl. auch A. WIRSCHING, Bürgertugend und Gemeininteresse. Zum
Topos der "Mittelklassen" in England im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, in:
AKuG 72 (1990), S. 173-199, hier S. 186 ff.
33
191
dung konstituierte demgegenüber einen Sicherheitsgaranten für das unabhängige Denken der arbeitenden Schichten.36 In nuce spielte Bildung damit
bei Smith und seinen Nachfolgern die gleiche Rolle, die in der klassisch-republikanischen Tradition dem Eigentum vorbehalten blieb. Sie war die notwendige Ergänzung der frei auf dem Markt zirkulierenden Arbeit, welche
auch die Nichteigentümer befähigte, die politischen Notwendigkeiten besser
zu erkennen. "[The mass of population]", resümierte Francis Jeffrey eine
Generation später - und dies klingt wie ein Echo auf Hannah Mores Gegenüberstellung von "principles" und "opinion" -, "begin to form, or to borrow,
opinions upon the merit or demerit of the institutions and administration, to
the effects of which they are subjected."37
Smiths analytische Verknüpfung von freier Arbeit, Arbeitsteilung und Bildung sowie die daraus resultierende Forderung nach staatlicher Intervention
auf dem Bildungssektor wurden von den Epigonen der schottischen Schule
aufgenommen und weiterentwickelt. Dugald Stewart systematisierte die
Smith'schen Kategorien und setzte sie in Beziehung zu der von ihm selbst
diagnostizierten Erweiterung der gesellschaftlichen Kommunikation:
The extensive propagation of light and refinement arising from the
influence of the press, aided by the spirit of commerce, seems to be
the remedy provided bv nature, against the fatal effects which would
otherwise be produced, by the subdivision of labour accompanying
the progress of the mechanical arts. 38
Elementarbildung erschien unter dieser Perspektive als ein bürgerliches
Grundrecht. Seine Institutionalisierung im Verlauf der "Naturgeschichte" der
bürgerlichen Gesellschaft würde eine verändernde Kraft ausüben, deren
Konsequenzen noch gar nicht absehbar waren:
36
Smith, Wealth of Nations, II, V .i.f.61, S. 788: "They are more disposed to examine,
and more capable of seeing through the interested complaints of faction and sedition,
and they are upon that account, less apt to be misled into any wanton of unnecessary
opposition to the measures of government." Vgl. zu dem Zusammenhang zwischen
Bildung, Erkenntnis des eigenen Interesses, Laisser-faire und gesetzgeberischer Rationalisierung bei Smith R. D. FREEMAN, Adam Smith, Education and Laissez-faire,
in: History of Political Economy 1 (1969), S. 173-186.
37
Edinburgh Review 17 (1811), S. 282.
3 8
DUGALD STEWART, A c c o u n t o f A d a m S m i t h , in: ADAM SMITH, E s s a y s o n P h i l o s o p h i -
cal Subjects, hg. v. W. P. D. WIGHTMAN/J. C. BRYCE, with Dugald Stewart's
Account of Adam Smith', hg. v. I. S. Ross, Oxford 1980, S. 313.
192
In such a state of society as ours, some interference on the part of
government is indispensably necessary to render the art of printing,
even when aided by the congenial tendencies of commerce completely effectual in extending the benefits of elementary education to
the mass of a large community. How much more might be accomplished by a government aiming systematically, and on enlightened
principles, at the instruction
and improvement of the multitude, it is
not easy to imagine.39
Durch den von Stewart inspirierten Kreis um die Edinburgh Review erfuhr
dieses liberale, fortschrittsorientierte Bildungsanliegen eine unermüdliche
Förderung.40
Die von der schottischen Schule vorgetragene kausale Zuordnung von freier
Arbeitskraft, Arbeitsteilung und Bildung prägte auch die Bildungskonzeptionen des Utilitarismus. James Mill etwa forderte in mehreren Schriften die
Ausweitung des Schulwesens. An Smiths Analyse anknüpfend und in der sicheren Erkenntnis, daß die Mehrheit der Bevölkerung körperliche Arbeit
ausüben müsse, erkannte er in der Bildung einen Königsweg zum Zielpunkt
der utilitaristischen Sozialphilosophie, dem individuellen und gesellschaftlichen Glück.41
Vermittelt durch die Politische Ökonomie, fand Smiths Verknüpfung von
Bildung und Arbeit schließlich Eingang in die Sprache des Frühsozialismus.
Als Beispiel sei einer der Begründer der Mehrwerttheorie, William Thompson, genannt. Für Thompson war die Arbeit die alleinige Quelle allen Wertes
39
DUGALD STEWART, Dissertation: exhibiting the progress of metaphysical, ethical, and
political philosophy, since the revival of letters in Europe, in: The Collected Works
of Dugald Stewart, 11 Bde., hg. v. W. HAMILTON, Edinburgh 1854-1858, Bd. I, S.
512; vgl. DERS., Lectures on Political Economy, Collected Works, Bd. VIII, S. 49 ff.
Zu Stewarts Konzeption der "Natural History" der bürgerlichen Gesellschaft und der
Rolle der gesellschaftlichen Aufklärung in ihr vgl. MEDICK, Bürgerliche
Gesellschaft, S. 151 ff.
40
V g l . A. C. CHITNIS, The Scottish Enlightenment. A Social History, London 1976, S.
219 ff.; R. STEWART, Henry Brougham. His Public Career 1778-1868, London 1986,
S. 183 ff.
4 1
JAMES MILL, O n E d u c a t i o n , 1813, h g . v. W . H. BURSTON, C a m b r i d g e 1969, S. 4 1 ,
89f. Zur Entfaltung der utilitaristischen Bildungskonzeption nach 1832 siehe E. G.
WEST, Education and the Industrial Revolution, London 1975, v.a. S. 121 ff. Zu den
Problemen der Elementarbildung unter dem neuen Armenrecht vgl. B. WEISBROD,
"Neue Armut". Markt und Moral unter dem neuen Armenrecht, in: DERS. (Hg.),
"Victorian Values". Arm und reich im Viktorianischen England, Arbeitskreis Deutsche Englandforschung, Jahrestagung 1987, Bochum 1988, S. 65-96, hier S. 86.
193
und Reichtums.42 Zwar bildeten die Verfugung über die eigene Arbeitskraft
und die Früchte der Arbeit das ursprüngliche Eigentum des Arbeitenden;43
doch der Mehrwert war ihm um so leichter vorzuenthalten, als er die zur
Verteidigung seiner eigenen Interessen erforderlichen Kenntnisse
("knowledge") entbehrte.44 Arbeit und positives Wissen waren also bei
Thompson in natürlicher Weise aufeinander bezogen:
In speaking of labour we have always included in that term the quantity of knowledge for its direction. Without this knowledge it would
be no more than brute force directed to no useful purpose.^
Gehörten "labour" und "knowledge" in den primitiven Gesellschaftsformen
unmittelbar zusammen, so hielt Thompson deren Auseinandertreten für ein
spezifisches Kennzeichen des Zivilisations- und Entwicklungsprozesses der
modernen arbeitsteiligen Gesellschaft. Adam Smiths Diagnose der schädlichen mentalen Konsequenzen der Arbeitsteilung wird hier ins Utopische gewendet. Denn für Thompson erhält der Mensch durch den Fortschritt selbst
die Möglichkeit zurück, mittels einer neuen "social science" "labour" und
"knowledge" auf einer höheren Entwicklungsstufe wieder zu vereinigen.
In the earlier stages of society, labor and knowledge accompanied
each other, because they were both simple and easily understood. In
improved civilization ... they will again reunite improved and
mature, to part no more, because the happiness of all demands it; and
because the very progress
and development of the social art has unfolded the means. 46
Das Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung, das menschliche Glück, rechtfertigte folgerichtig den hohen Stellenwert, den Thompson der Bildungsfrage
einräumte. Förderung der Bildung, sowohl der Kinder wie der Erwachsenen,
42
WILLAM THOMPSON, An Inquiry into the Principles of the Distribution of Wealth,
London 1824, S. 6ff. Für die Verbindung der "Ricardian Socialists", unter die
Thompson in der Regel subsumiert wird, zu Adam Smith, siehe N. W. THOMPSON,
The People's Science. The popular political economy of exploitation and crisis 18164 3 1834, Cambridge 1984, S. 82 ff.
THOMPSON, Inquiry, S. 94.
44
E b d . , S. 114f.
45
E b d . , S. 272.
46
E b d . , S. 275f.
194
sowohl in öffentlicher wie in privater Form, wird bei Thompson zum Anspruch, welcher derfreien Zirkulation der Arbeit korrespondiert.47
Am Beginn des 19. Jahrhunderts erwies sich das liberale Bildungsanliegen
der schottischen Aufklärung dem sozialkonservativen in dem Maße als
überlegen und als zeitgemäßer, wie freie Arbeit und Volksbildung die Eigentumsbindung der politischen Mitsprache unterminierten. Das naturrechtlich begründete Besitzrecht an der eigenen Arbeitskraft - notwendige Voraussetzung der dynamischen "commercial society" - erfuhr so seine Ergänzung durch ein natürliches Recht auf den Besitz von Bildungschancen. Arbeit und Bildung wurden zu Eigentumsfaktoren: Denn wenn die Fähigkeit zu
rationalem Urteil allein von der Aneignung bestimmter intellektueller Kenntnisse abhing,
so wurden
die sozialen
Ungleichheiten
der
Eigentümergesellschaft politisch nivelliert und irrelevant. Anteilnahme am
politischen Diskurs stand dann demjenigen zu, der ihn verstehen konnte,
während die Begriffe von Unabhängigkeit und rationaler Freiheit als
Funktionen dinglichen Eigentums bildungsbürgerlich überholt wurden. Eine
"staatsbürgerliche" Gesellschaft, in der Vertrags frei he it und Aufklärung die
Rolle des Eigentums als Grundlage bürgerlicher Autonomie übernehmen
würden, begann sich hinter dem Horizont abzuzeichnen.
47
Ebd., S. 114f. u. 278-362.
195
WILLIBALD STEINMETZ
'Property', 'interests', 'classes' und politische Rechte.
Die britische Debatte im späten 18. und im 19. Jahrhundert.
Bevor seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Kategorien Geschlecht, Alter
und Staats- oder Volkszugehörigkeit überall in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung um politische Rechte gerückt sind, war es in Europa und Nordamerika lange Zeit der Begriff des Eigentums, der die Trennlinie zwischen
den politisch Teilnahmeberechtigten und denen, die es werden wollten, markierte. Daher sind die Debatten um die Zusammensetzung der politischen
Repräsentation und um das Wahlrecht ein geeignetes Feld fur diachrone Studien zur Semantik von 'Eigentum' bzw. der englischen Entsprechung
'property'.
In den Wahlrechtsdebatten ging es aber nicht nur um das Partizipationsrecht
von Einzelpersonen, sei es als Eigentümer, sei es als Staatsbürger, sondern
immer auch um den Proporz zwischen den großen sozialen Formationen im
Parlament. Diese traten unter den verschiedensten Bezeichnungen auf. In der
frühen Neuzeit und bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hinein
folgten die Definitionen überwiegend der rechtlichen Zugehörigkeit, gesprochen wurde von Ständen oder Korporationen. Teils zur Rechtfertigung der
Ständeordnung, teils auch konkurrierend dazu entwickelte sich - schon im
Mittelalter nachweisbar1 - die funktionale Einteilung der Gesellschaft nach
1
Vgl. O. G. OEXLE, Die funktionale Dreiteilung der 'Gesellschaft' bei Adalbero von
Laon. Deutungsschemata der sozialen Wirklichkeit im früheren Mittelalter, in:
Frühmittelalterliche Studien 12 (1978), S. 1-54. Jetzt auch: O. G. OEXLE/W.
CONZE/R. WALTHER, Art. S t a n d , K l a s s e , in: O . BRUNNER/W. CONZE/R. KOSELLECK
(Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6, Stuttgart 1990, S. 155-284, hier bes. S.
160 ff. u. 185 ff.
197
beruflicher Tätigkeit, Nutzen für das Gemeinwesen oder hierarchischen
'Rängen'. Auch diese Terminologie spielte eine Rolle bei der Begründung
oder Zurückweisung von Wahlrechtsansprüchen. In der Debatte des späten
18. und des 19. Jahrhunderts bestimmten sich jedoch die sozialen Beschreibungsbegriffe zunehmend durch die Art des Eigentums beziehungsweise das
Verhältnis zum Eigentum; es war hauptsächlich von 'Interessen' und
'Klassen' die Rede, wenn um politische Machtanteile gekämpft wurde. Das
spannungsreiche Verhältnis zwischen der "language of interests" und der
"language of class"2 in der britischen Wahlrechtsdebatte des 19. Jahrhunderts
gehört zu den wichtigsten Kontexten einer Semantik von 'property' in diesem
Zeitraum.
Die folgenden Ausführungen sind der begriffsgeschichtlichen Methode, wie
sie vor allem von Koselleck entwickelt wurde, verpflichtet, erweitern sie jedoch um die bisher meist nur ansatzweise thematisierte sprachpragmatische
Perspektive.3 Das bedeutet, daß nicht bloß der Bedeutungswandel von
'property', 'interest(s)' und 'class(es)' anhand der Schriften verschiedener
Autoren nachgezeichnet werden soll. Schon gar nicht geht es um die Her2
3
Ein Forschungsbericht über die Literatur zum englischen Klassenbegriff kann hier
nicht gegeben werden. In den Detailaussagen mittlerweile überholt ist die Pionierstudie von: A. BRIGGS, The Language of 'Class' in Early Nineteenth-Century England, in: DERS./J. SAVILE (Hg.), Essays in Labour History, in Memory of C.D.H.
Cole, London/New York 1967, S. 43-73. Zur Bedeutung und Funktion des Begriffs
'middle class' jetzt am besten: A. WIRSCHING, Bürgertugend und Gemeininteresse.
Zum Topos der "Mittelklassen" in England im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: AKuG 72 (1990), S. 173-199. Vgl. neben der dort kommentierten Literatur
auch den provozierenden, im wesentlichen aus literarischen Quellen schöpfenden
Essay von: P. N. FURBANK, Unholy Pleasure, or, The Idea of Social Class, Oxford
1985. Vgl. demnächst auch den Sammelband: P. J. CORFIELD/G. CROSSICK (Hg.),
Language, History and Class, Oxford 1991.
Einen kritischen Überblick aus linguistischer Sicht zur deutschsprachigen Forschung
im Bereich der historischen Semantik gibt: D. BUSSE, Historische Semantik. Analyse
eines Programms, Stuttgart 1987. Von Koselleck außer dessen Beiträgen für das
Lexikon "Geschichtliche Grundbegriffe" vor allem folgende Aufsätze: R.
KOSELLECK, S o z i a l g e s c h i c h t e u n d Begriffsgeschichte,
in: W . SCHIEDER/V. SELLIN
(Hg.), Sozialgeschichte in Deutschland. Entwicklungen und Perspektiven im internationalen Zusammenhang, Bd. 1: Die Sozialgeschichte innerhalb der Geschichtswissenschaft, Göttingen 1986, S. 89-109; R. KOSELLECK, Sprachwandel und Ereignisgeschichte, in: Merkur 43 (1989), S. 657-673. Zur Erweiterung der historischen
Semantik um die sprachpragmatische Perspektive verweise ich auf die Einleitung
meiner Dissertation: W. STEINMETZ, Das Sagbare und das Machbare. Zum Wandel
politischer Handlungsspielräume - England 1780-1867, Typoskript Bielefeld 1990.
198
kunft oder die innere Konsistenz spezifischer Ideen zum Eigentum beziehungsweise zu 'Interessen' und 'Klassen' bei einzelnen politischen Theoretikern, also um Textexegesen nach Art der klassischen Ideengeschichte 4 Hier
interessiert vielmehr die Funktionsgeschichte der Begriffe in konkreten politischen Auseinandersetzungen. Es wird also danach gefragt, in welchen
Kontexten die Wörter 'property', 'interest(s)' und 'class(es)' einsetzbar waren,
zu welchen Zwecken sie verwendet wurden und wie sich ihre Bedeutung dadurch veränderte. Vor allem soll gezeigt werden, wie groß für bestimmte Politiker oder Parteien jeweils die Chance war, mit diesen Begriffen erfolgreich
zu argumentieren. Die Absicht geht - mit anderen Worten - dahin, den Gebrauchswert der abrufbaren Eigentums-, Interessen- und Klassenbegriffe in
der (tages)politischen Diskussion des 19. Jahrhunderts zu bestimmen.
1. Die politisch-soziale Sprache als Faktor der inkonsequenten Demokratisierung des britischen Wahlsystems. Das Beispiel der Begriffe 'property',
'interests' und 'classes'.
Am geläufigsten ist uns der Zusammenhang von Eigentum und politischen
Rechten in Gestalt des Zensuswahlrechts. Die Forderung, daß man ein Mindestmaß an Eigentum, abzulesen an der Steuerleistung oder an anderen Indikatoren wie Grund- und Hausbesitz, Höhe der Jahresmiete etc., besitzen
müsse, um das aktive Wahlrecht auszuüben oder wählbar zu sein, erscheint
aus heutiger Sicht als die Gegenposition schlechthin zur Demokratie. Darüber gerät leicht in Vergessenheit, daß der uniforme Zensus selbst im früheren 19. Jahrhundert den Zeitgenossen als zutiefst 'demokratisches' Prinzip
4
Beispielhaft vertritt diesen Ansatz: A. RYAN, Property, in: T. BALL/J. FARR/R. L. HANSON (Hg.), Political Innovation and Conceptual Change, Cambridge 1989, S. 309332. Ryan bleibt hinter den programmatischen Zielsetzungen des Sammelbandes,
wie sie in den Beiträgen von Q. Skinner und J. Farr formuliert werden, weit zurück
und kommt methodisch über eine traditionelle Ideengeschichte nicht hinaus.
199
galt, von dem aus es nur noch ein vergleichsweise kleiner Schritt zum allgemeinen und gleichen Wahlrecht zu sein schien. Dieser Eindruck trog insofern nicht, als mit dem Zensus ein Kriterium eingeführt wurde, das zumindest potentiell allen (männlichen) Individuen, unbeschadet ihrer Herkunft,
gleiche Chancen auf politische Partizipation eröffnete. Die Voraussetzung
dafür war allerdings die möglichst vollständige Durchsetzung des 'liberalen'
Eigentumsbegriffs5 im Zivilrecht Denn die politische Chancengleichheit
mußte solange bloß ein leeres Versprechen bleiben, wie überindividuelle
(korporative) Bindungen oder erbrechtliche Verfügungsbeschränkungen den
Einzelnen daran hinderten, Eigentum frei zu erwerben, zu nutzen und zu
transferieren. Nicht umsonst spielten die sogenannte "land question" in
Großbritannien6, die Fragen der Primogenitur und der adligen Fideikommisse auf dem europäischen Kontinent immer wieder in die Wahlrechtsdebatte hinein. Wenn die progressive Legitimation des Zensuswahlrechts Gültigkeit behalten sollte, verbot sich darüber hinaus auch jede Ableitung von
Herrschaftsrechten über Personen aus der Verfügungsgewalt über Boden,
Dinge oder Geldwerte. Das alteuropäische Konzept der ständischen oder lokal-korporativen Repräsentation war damit in Frage gestellt. Die Forderungen nach dem Zensuswahlrecht und nach einer liberalen Eigentumsordnung
unterstützten sich also gegenseitig. Beide verlangten die Uniformität des
Rechts auf nationaler Ebene anstelle der Varietät ständisch, korporativ oder
lokal abgestufter Rechte, und beide erhoben das Individuum zum wichtigsten
Rechtssubjekt und betonten seine unmittelbare Beziehung zum Staat und zu
den anderen Individuen in der bürgerlichen Gesellschaft.
Im Falle Englands erstreckte sich der Konflikt um die Durchsetzung des Uniformitäts- und Individualitätsprinzips im Wahlrecht über einen besonders
langen Zeitraum. Früher als überall sonst in Europa, schon im 17. Jahrhun5
Zum Bedeutungswandel von 'Eigentum' unter dem Einfluß des frühneuzeitlichen
Naturrechts und frühliberaler Theoretiker vgl.: D. SCHWAB, Art. Eigentum, in: O.
BRUNNER/W. CONZE/R. KOSELLECK ( H g . ) , G e s c h i c h t l i c h e G r u n d b e g r i f f e ,
6
Bd.
2,
Stuttgart 1975, S. 65-115, hier S. 74-103.
Vgl. dazu: F. M. L. THOMPSON, Land and Politics in England in the Nineteenth
Century, in: Transactions of the Royal Historical Society, 5th Series, 15 (1965), S.
23-44; H. J. PERKIN, Land Reform and Class Conflict in Victorian Britain, in: The
Victorians and Social Protest. A Symposium, hg. v. J. Burr/I. F. CLARKE, Newton
Abbot/Hamden, Connecticut 1973, S. 177-217.
200
dert, gehörte die Vorstellung des gleichen politischen Mitspracherechts aller
freien Engländer zum festen Inventar der Wahlrechtsdebatte, aber erst 1948
war es soweit, daß mit dem Pluralwahlrecht für bestimmte Eigentümer und
Universitätsabsolventen die letzten Ungleichheiten beseitigt und mit den
Sondersitzen fiir die Londoner City und die Universitäten die letzten Überreste ständischen Ursprungs im Wahlsystem abgeschafft wurden. Die drei
'großen' Wahlrechtsreformen des 19. Jahrhunderts hatten in dieser Hinsicht
keine konsequente und national gleichartige Regelung hervorgebracht.
Diese Verzögerung ist umso bemerkenswerter, als die institutionellen Voraussetzungen für eine frühe Verwirklichung des demokratischen Prinzips in
England nicht ungünstig waren. Das ursprünglich als ständische Vertretung
der counties, cities, boroughs und universities entstandene House of Commons war schon im 18. Jahrhundert zur zentralen politischen Entscheidungsinstanz aufgerückt. Für das Parlamentsverfahren und die Stimmengewichtung innerhalb des Hauses spielten weder die adlige oder 'bürgerliche'
persönliche Herkunft der M.P.'s eine Rolle, noch war es von Belang, welche
Wahlkörperschaft die Abgeordneten entsandt hatte. Formal galt zwar das
führende Repräsentativorgan noch als ein 'estate' des Königreichs, aber es
war in sich nicht mehr ständisch gegliedert. Auch vom Zivilrecht her gab es
im 18. Jahrhundert keine unüberwindlichen Hindernisse, die der Einführung
eines für alle (männlichen) Individuen uniformen Wahlrechts auf der Basis
einer Besitz- oder Steuerqualifikation entgegengestanden hätten. Denn Eigentum an Boden, Häusern, Produktionsmitteln konnte - jedenfalls im Prinzip - unabhängig von der sozialen Herkunft des Einzelnen frei erworben und
veräußert werden; die Rechtsbeziehungen zwischen (Ober)eigentümern,
Nutznießern und abhängig Arbeitenden waren durchweg vertragsformig geregelt; direkte Herrschaftsrechte über (männliche, erwachsene) Personen resultierten nicht aus der Verfügung über Eigentum. Ein gleiches Wahlrecht
aller Besitzenden im ganzen Königreich lag spätestens seit der Mitte des 18.
Jahrhunderts durchaus im Horizont des Vorstellbaren. Warum dauerte es
dennoch bis 1948, bis die schon 1780 öffentlich erhobene Forderung nach
"equal electoral districts" und das Prinzip "one person, one vote" realisiert
wurden?
201
Die These, der hier nachgegangen werden soll, ist, daß es zu einem guten
Teil die verfugbaren Wörter und die Begriffsweit der jeweils an der politischen Diskussion Beteiligten, vor allem der parlamentsfahigen Elite des
Landes, gewesen sind, die zur Verlangsamung des Demokratisierungsprozesses im 19. Jahrhundert geführt haben. Oder anders ausgedrückt: Die tradierte und aufgrund der institutionellen Stabilität relativ verfestigte politischsoziale Sprache in England erleichterte all denen die Argumentation, die für
die Beibehaltung der nach sozialen Gruppen und lokalen
'Eigentümlichkeiten' differenzierten Wahlrechtsvergabe eintraten. Und auf
der anderen Seite erschwerte die vorgefundene Sprache erfolgreiche Redestrategien all derer, die Uniformität, Individualität und Gleichheit politischer
Rechte forderten.
Das Netzwerk der Begriffe und Redeweisen begünstigte die defensive Argumentation - das läßt sich bis zur Tiefenstruktur der Beweislastverteilung
(was ist begründungspflichtig, die Innovation oder der Erhalt des Bestehenden?) und der elementaren Sätze und Metaphern zu Grenzen und Zuständigkeiten politischen Handelns überhaupt verfolgen.7 Aber es ist ebenso auch
auf der Oberfläche des verwendeten Vokabulars und einzelner Begriffe zum
Repräsentationssystem ablesbar. So sprachen zum Beispiel selbst die britischen Radikalen - die Tories und Whigs ohnehin - vielfach von der Ausweitung der 'franchise', anstatt konsequent ein 'right of voting' für alle jeweils als
politikfähig erkannten Individuen zu fordern. In diesem Wortgebrauch und
dem zugrundeliegenden Bild der Schwelle blieb die Vorstellung, daß Wählen
ein Vorrecht sei, das man erben, erwerben oder durch Leistung verdienen
müsse und das dann der Bestätigung durch Krone und Parlament bedürfe,
lange Zeit aufgehoben. Zwar konnten auch auf dieser Basis weitgehende Reformen erstritten werden, aber immer mußten die bisher nicht Partizipierenden selbst beweisen, daß sie die Kriterien erfüllten, um teilnehmen zu können, anstatt - wie im Frankreich des 19. Jahrhunderts üblich - von der Voraussetzung her argumentieren zu können, daß der Ausschluß von der politischen Partizipation begründungspflichtig sei. Einen ähnlichen Effekt hatte
die Tatsache, daß in England auf allen Seiten von der 'parliamentary reform'
oder 'reform of the representation', aber kaum von einer Reform des Wahl7
Hierzu ausführlich meine Dissertation: STEINMETZ, Das Sagbare und das Machbare.
202
rechts die Rede war. Schon die Formulierung des Reformziels lenkte den
Blick auf das Ergebnis der Wahlen, den Proporz zwischen Parteien, Lokalitäten, 'Interessen', 'Klassen' usw. im Parlament, und nicht auf den einzelnen
Wähler. Bei dieser Fixierung der Aufmerksamkeit handelte es sich durchaus
um einen von der Mehrheit der parlamentarischen Elite des 18. und früheren
19. Jahrhunderts gewollten Effekt, darauf deuten zahlreiche explizite Ausführungen von Politikern und Theoretikern hin; der locus classicus ist hier
die Rede von Jenkinson am 6.5.1793 anläßlich der Reform-Motion des
späteren Premierministers Lord Grey.8
Worauf es hier - jenseits der Ideologiekritik - vor allem ankommt, ist, daß
die gebräuchlichen Wörter und Redewendungen die konservative
Grundorientierung zusätzlich stützten. Das politisch-soziale Vokabular besaß
eine eigene Schwerkraft. Wer dagegen Neuerungen durchsetzen wollte,
mußte nicht nur mit den bekannten Instrumentarien des geheimen 'Einflusses'
und der Öffentlichkeitsarbeit parlamentarische Mehrheiten schmieden,
sondern er mußte - um zu überzeugen - in großem Umfang neue Begriffe
erfinden oder herkömmliche Termini mit neuen Bedeutungen versehen und
dafür sorgen, daß diese Neuprägungen allgemein akzeptiert wurden.
Der Zusammenhang, in dem die Kategorien 'interest(s)' und 'class(es)' Eingang in die britische Wahlrechtsdebatte fanden, wurde bereits benannt. Es
war der Gesichtspunkt des Proporzes im entscheidenden Repräsentativorgan
- eines Proporzes, der früher als im übrigen Europa unter Absehung von
Ständegrenzen beschrieben und ausgehandelt wurde. In dem Maße wie im
Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts der ständische Ursprung der constituencies für das praktische Funktionieren des Parlaments unerheblich wurde, ent8
THE PARLIAMENTARY HISTORY OF ENGLAND, from the Earliest Period to the Year
1803, 36 Bde., London 1806-1820 (im folgenden zit. PARLIAMENTARY HISTORY), Bd.
30, Sp. 811: "... we ought to begin by considering who ought to be the elected, and
then constitute such persons electors as would be likely to produce the best elected."
Zur Interpretation dieser Stelle vgl. meine Bemerkungen in: R. KOSELLECK/U.
SPREE/W. STEINMETZ, Drei bürgerliche Welten? Zur vergleichenden Semantik der
bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland, England und Frankreich, erscheint in: H.J. PUHLE (Hg.), Bürger in der Gesellschaft der Neuzeit, Göttingen 1991. Vgl. auch:
A. WIRSCHING, Parlament und Volkes Stimme. Unterhaus und Öffentlichkeit im
England des frühen 19. Jahrhunderts, Göttingen/Zürich 1991, Abschnitt: "Die Negation der Theorie: Virtual und interest representation
203
stand Raum für neuartige Quotierungsmodelle, bei denen die Machtanteile
nach Berufen oder ökonomischen Lagen zugemessen wurden. Die anhaltende Attraktivität der "language of interests" und etwas später der "language
of class(es)" beruhte ganz wesentlich darauf, daß beide Terminologien
zunächst sowohl reformfeindlich als auch reformbefürwortend einsetzbar
waren. Einerseits ließ sich die überkommene Wahlkreisstruktur so darstellen,
als ob alle relevanten 'Interessen' oder 'Klassen' durch sie Eingang ins Parlament fänden; andererseits war es auch möglich, neue 'Interessen' oder neue
'Klassen', zum Beispiel das 'manufacturing interest' oder die 'middle classes',
zu definieren, die angeblich nicht genügend berücksichtigt seien. Der Streit
ging um die Angemessenheit der nur noch in der Rechtstheorie als ständisch
angesehenen Wahlkreisstruktur. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurde
die redistribution of seats (Umverteilung der Sitze auf andere Wahlkreise)
zum bevorzugten Mittel, um neu definierten Sozialformationen den ihnen
gebührenden Platz in der Repräsentation zu verschaffen. Aber gerade weil
sich mit der Sprache der 'Interessen' und 'Klassen' relativ weitgehende Reformen durchsetzen ließen, wurde der dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht widersprechende Gedanke des Proporzes in der politischen Sprache
viel länger weitergereicht als in den kontinentaleuropäischen Staaten. Die
frühe Modernität des Diskurses der Repräsentation ließ deren endgültige
Modernisierung spät zum Abschluß gelangen.
Auch die Funktion des 'property'-Begriffs in der britischen Wahlrechtsdebatte war überwiegend defensiver Natur, defensiv in dem Sinne, daß die bis
dahin Begünstigten ihre Vorteile mit ihm verteidigen konnten. Zwar betonte
der durch Locke und die schottische Sozialtheorie vermittelte 'liberale' Eigentum sbegriff das Moment der individuellen Appropriation9 und eignete
sich daher zur Rechtfertigung eines personalen Wahlrechts aller durch ihren
Besitz als fähig ausgewiesenen Eigentümer. Aber dagegen stand der mindestens ebenso wirkungsmächtige Eigentumsbegriff der englischen common
9
Die Konzentration der frühneuzeitlichen Eigentumstheorie auf den Aspekt der
Appropriation ist u.a. damit zu erklären, daß eine Rechtfertigung für die bestehende
Eigentumsverteilung und die damit gegebene Exklusion der meisten gefunden werden mußte. Vgl.: N. LUHMANN, Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur
Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 3, Frankfurt a.M. 1989, Kap. 1:
"Am Anfang war kein Unrecht", S. 11-64.
204
law-Tradition10, der neben dinglichen Gütern auch nicht-dingliche 'rights',
'liberties' und 'franchises' umfaßte und der eben deshalb eine umstandslose
Beseitigung der altrechtlichen Wahlrechtstitel, die Schaffung einer tabula
rasa wie im revolutionären Frankreich von 1789, lange Zeit nahezu unmöglich machte. Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert bestand die Tendenz,
beide Eigentumsbegriffe übereinander zu blenden, was dann zu Extrempositionen führte, wie etwa derjenigen, daß das am Boden oder an der korporativen Mitgliedschaft haftende Stimmrecht selbst wie ein erworbenes und entschädigungspflichtiges Eigentum im Lockeschen Sinne behandelt werden
müsse. Abgesehen davon galt natürlich 'property' im gesamten 19. Jahrhundert als ein hohes Gut, das vor den zu befürchtenden Angriffen der nichts
oder wenig besitzenden Klassen zu schützen sei und deshalb Zurückhaltung
bei Wahlrechtsausweitungen zur Pflicht mache. Dieses Argument war allerdings in keiner Weise typisch für die britische Wahlrechtsdebatte, sondern ist
ebenso auch in Frankreich oder Deutschland auffindbar.
Bevor die defensive Funktion der hier interessierenden Begriffe an einzelnen
Teilaspekten weiter erläutert wird, seien einige Bemerkungen zur Wortgeschichte, insbesondere zur Entstehung des politischen 'interest'-Begriffs, eingeschoben.
2. Zur Diskussion um 'property' und 'interests' bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Vieles von dem, was im 19. Jahrhundert zur Fundierung des Wahlrechts im
Eigentum und zu einer angemessenen Repräsentation der 'Interessen' gesagt
10
Neuere Überblicke zum Fortwirken des Eigentumsbegriffs des common law in der
englischen Politik des 19. Jahrhunderts fehlen. Vgl. dagegen für die amerikanische
Debatte: M. J. HORWITZ, The Transformation of American Law, 1780-1860, Cambridge, Mass./London 1977, bes. S. 31-62 u. 253-256. Für England sind lediglich
zwei Spezialstudien zu nennen, die sich mit der Landgesetzgebung und dem Eigentumsrecht der Frauen beschäftigen: A. OFFER, Property and Politics 1870-1914.
Landownership, Law, Ideology and Urban Development in England, Cambridge
1981; U. VOGEL, Patriarchale Herrschaft, bürgerliches Recht, bürgerliche Utopie. Eigentumsrechte der Frauen in Deutschland und England, in: J. KOCKA (Hg.), Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, 3 Bde., München
1988, Bd. 1,S. 406-438.
205
wurde, war nur Reproduktion oder Variation vorgefundener Versatzstücke.
Parlamentsredner und Pamphletisten griffen ständig auf Formulierungen zurück, die schon seit der Revolutionszeit oder seit der oligarchischen Phase
des 18. Jahrhunderts geläufig waren. Das gilt zum Beispiel für die Standardaussage, daß die Wähler über ein Minimum an Eigentum verfugen müßten,
damit man sie als unabhängig und urteilsfähig ansehen könne. Das gilt
ebenso für die Vorstellung, daß nur wer als Einzelperson oder als Gruppe ein
besonderes, in der Regel wirtschaftliches 'Interesse' verkörpere auch Anspruch auf Vertretung im Parlament habe. Das gilt schließlich für die selbstverständliche Prämisse, daß jede Regierung zum Schutz von 'property' und
'interests' eingerichtet worden sei und daher die Repräsentation diesem
Zweck entsprechend zusammengesetzt sein müsse.
Schon in den Putney-Debates von 1647 lassen sich in den Wortbeiträgen von
Henry Ireton diese späteren Standardargumente zu 'property', 'interests' und
politischen Rechten finden - wie überhaupt in den Putney-Debates fast alle
möglichen Positionen der britischen Wahlrechtsdebatte in nuce vorweggenommen sind. Ireton wollte nur denjenigen ein Wahlrecht zugestehen, die
ein "permanent fixed interest in this Kingdom" besäßen, und er präzisierte,
daß er darunter Landbesitzer und Mitglieder von (ortsgebundenen) Handelskorporationen verstanden wissen wollte - also in der später üblichen
Terminologie: 'landed interest' und 'trading interest' (oder 'commercial interest'). 1 1 Nur das Eigentum dieser Gruppen - so führte Ireton aus - sei fest und
dauerhaft genug, um darauf die Repräsentation zu gründen; im Eigentum
dieser beiden Gruppen allein sei im Grunde das Gesamtinteresse Englands
aufgehoben; wer dagegen andere Personen, die kein "interest" besäßen, in
größerem Umfang zur Wahl zulasse, der gefährde den fundamentalen
Grundsatz, auf dem die 'bürgerliche Verfassung' ("civil constitution") des
Königreichs beruhe, nämlich das Prinzip der Eigentumssicherheit.12
11
A. S. P. WOODHOUSE (Hg.), Puritanism and Liberty. Being the Army Debates (164749) from the Clarke Manuscripts with Supplementary Documents, London 3 1986,
hier S. 53 ff. u. 57 f. (das Zitat auf S. 53). Vgl. zur Gegenposition der Levellers: 1.
HAMPSHER-MONK, The Political Theory of the Levellers: Putney, Property and Professor Macpherson, in: Political Studies 24 (1976), S. 397-422.
12
WOODHOUSE, Puritanism and Liberty, S. 60; vgl. auch S. 63 u. 69. In diesem Punkt
wird Irteon sekundiert von Colonel Rich. Dessen Formulierung des Gedankens (S.
206
Rein wortgeschichtlich ist der ursprüngliche Konnex von 'property' und
'interest', wie er in den Ireton-Zitaten aufscheint, evident: 'interest' bezeichnet
den erwarteten oder entgangenen Gewinn, den man aus einem Eigentum, sei
es an Land, sei es an Kapital, sei es an einem Rechtstitel herausziehen
kann.13 Diese 'objektiv' vorhandenen 'interests' im engen, pekuniären Sinn
(Zinsen, Renten, usw.) konstituieren dann ein subjektives 'Interesse' des Eigentümers im weiteren Sinn - ein 'Interesse' an der Wahrung und Mehrung
des eigenen Vorteils überhaupt. Dieser subjektive 'Interesse'-Begriff ist seit
dem 16. Jahrhundert nachweisbar. Er ließ sich leicht übertragen auf andere,
nicht-ökonomische Wirklichkeitsfelder, was ebenfalls seit der Mitte des 16.
Jahrhunderts in verstärktem Maß geschah. Diese Übertragungen fanden statt
im Kontext der religiösen Bürger- und Staatenkriege. Für den politischen
Diskurs ist dabei besonders wichtig, daß 'Interessen' nun nicht mehr nur einzelnen Personen als Wirtschaftssubjekten, sondern auch Königen und Staaten sowie religiösen, ethnischen oder anderweitig definierten Gruppen innerhalb von Staaten zugeschrieben wurden. 'Interest' erschien außen- wie innenpolitisch als eine Kategorie, die es gestattete, die Motive und das Handeln
von Freund und Feind auch dann noch vorausschauend zu kalkulieren, wenn
andere Wertorientierungen, vor allem die gemeinsame Religion, dafür keine
Anhaltspunkte mehr boten.14 Im England der Bürgerkriegszeit kannte man
bereits "the King's interest", "the Peer's interest", the people's interest", "the
public interest", "the national interest", "the soldier's interest", "the protestant
interest", sogar "God's interest", "the catholic interest", "the scottish interest"
63) ist zugleich ein Spiel mit dem doppelten Sinn des 'interest'-Begriffs, dem
'objektiven' und dem 'subjektiven' Wortsinn: "If the master and servant shall be equal
electors, then clearly those that have no interest in the kingdom will make it their
interest to choose those that have no interest. It may happen, that the majority may
by law, not in a confusion, destroy property; there may be a law enacted, that there
shall be an equality of goods and estate."
13
Vgl. EDWARD COKE, 1628: "Interesse ... in legall vnderstanding extendeth to Estates,
Rights and Titles, that a man hath of, in, to, or out of Lands, for he is truly said to
haue an interest in them." Zit. nach: Oxford English Dictionary, 2. Aufl. 1989, Bd. 7,
S. 1099. Vgl. zur Begriffsgeschichte des deutschen Interessebegriffs mit Hinweisen
zur w e s t e u r o p ä i s c h e n E n t w i c k l u n g : E. W . ORTH/J. FISCH/R. KOSELLECK, A r t . Inter-
esse, in: O. BRUNNER/W. CONZE/R. KOSELLECK (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 3, Stuttgart 1982, S. 305-365.
14
Vgl. die historisch-semantischen Bemerkungen bei: N. LUHMANN, Interesse und lnteressenjurisprudenz im Spannungsfeld von Gesetzgebung und Rechtsprechung, in:
Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 12 (1990), S. 1-13, S. 6 ff.
207
und andere mehr. 15 Die Notwendigkeit, im englischen Commonwealth über
einen konstitutionellen Ausgleich zwischen diesen divergierenden 'interests'
zu verhandeln, führte zum Eingang des Interessenbegriffs in die
(theoretische) Debatte über das Wahlrecht und die richtige Form der Repräsentation. So vor allem in den 1650er Jahren bei Marchamont Nedham und
James Harrington. Die Ansätze dieser und späterer Autoren entwickelte
James Madison in den "Federalist Papers" weiter zur Theorie der sich gegenseitig eindämmenden 'Interessen' im gesetzgebenden Organ als wirksamstem
Schutz der Rechte und Freiheiten aller Bürger.16
Festzuhalten ist, daß sich 'interest' als politischer Begriff, als Kollektivsingular zur Bezeichnung von Interessengruppen, um die Mitte des 17. Jahrhunderts aus der Sphäre der individuellen Wirtschaftsbeziehungen herausgelöst hatte und zu einem Grundbegriff der Verfassungsdiskussion geworden
war. 17 Die Debatte um die richtige Ausbalancierung verschiedener Kollektiv' interests' durch Wahlrecht und Verfahrensregeln gehört seitdem zum festen
Bestand der anglo-amerikanischen Theorietradition.18
Hier rückte nun erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts allmählich der Ausgleich zwischen ökonomisch definierten 'interests' in den Vordergrund, wäh15
Die genannten 'interests' tauchen mehrmals in den Armeedebatten auf; WOODHOUSE,
Puritanism and Liberty, passim; "God's interest" dort auf S. 49 (Ireton).
1 6
JAMES MADISON/ALEXANDER HAMILTON/JOHN JAY, T h e F e d e r a l i s t P a p e r s , h g . v. I.
KRAMNICK, NO. X, S. 127: "Extend the sphere and you take in a greater variety of
parties and interests; you make it less probable that a majority of the whole will have
a common motive to invade the rights of other citizens".
17
D i e begriffsgeschichtlichen Ausführungen zu 'interest' bei A. O. HIRSCHMAN, Leidenschaften und Interessen. Politische Begründungen des Kapitalismus vor seinem Sieg
(engl. 1977), Frankfurt a.M. 1987, S. 36-60, trennen nicht scharf genug zwischen der
Debatte um die Schädlichkeit oder Nützlichkeit der individuell-ökonomischen Interessenverfolgung für die Steigerung der allgemeinen Prosperität einerseits, und der
zeitlich parallel laufenden Debatte um einen vernünftigen konstitutionellen Ausgleich der kollektiven (nicht nur ökonomisch definierten) Interessengruppen andererseits. Zwischen den beiden Debatten gibt es zwar analoge Denkfiguren und zahlreiche Berührungspunkte, doch gehören die politischen Argumentationsstreifen nicht
eigentlich in eine Vorgeschichte des Kapitalismus, sondern eher in eine Vorgeschichte der repräsentativen Demokratie. Wesentlich genauer hierzu: J. A. W. GUNN,
Politics and the Public Interest in the Seventeenth Century, London 1969.
18
Zu den Wechselbeziehungen zwischen der amerikanischen und britischen Debatte
vgl.: J. R. POLE, Political Representation in England and the Origins of the American
Republic, London/New York 1966.
208
rend vorher der Streit zwischen religiösen 'Interessen' und zwischen den
'Interessen' von König, Lords und Commons dominiert hatte. 19 Seit etwa
1760 definierten sich in England verschiedene Eigentümergruppen auch politisch als 'interests' und begannen damit, unter dieser Bezeichnung ihren gerechten Anteil an der Macht - konkret: ihren Anteil an Parlamentssitzen einzufordern.20 In politischen Kontexten war 'interest' jetzt eine Bezeichnung
für gesellschaftliche Großgruppen mit jeweils spezifischen, hauptsächlich
ökonomischen Interessen geworden. Und in dieser Bedeutung konnten an die
Stelle des Interessenbegriffs auch andere Gruppierungskategorien, zum Beispiel 'orders', 'stations', 'sorts' und am wichtigsten: 'classes', treten.21
Die begriffliche Ausgangskonstellation der Parlamentsreform-Debatten des
späten 18. und des 19. Jahrhunderts ist damit ausreichend skizziert: Unter
dem Leitmotiv der 'balance of interests' stritten die rivalisierenden Eigentümergruppen untereinander um den Proporz der Sitze, d.h. faktisch um den
Zuschnitt der Wahlkreise; und unter der Devise 'security of property' kämpften alle privilegierten Eigentümer zusammen gegen eine Ausweitung des
Stimmrechts auf die Nicht-Besitzenden. Damit sind die beiden zentralen
Aspekte, in welche die britische Wahlrechtsdebatte des 19. Jahrhunderts zeifiel, benannt: Es ging zum einen um die richtige Zusammensetzung des gewählten Organs; hier konzentrierte sich die Diskussion auf die Verteilung der
Sitze an 'Interessen' und später 'Klassen'. Und es ging zum anderen um die
19
Bei Paley findet sich noch der ältere Gedanke der "balance of interest" zwischen den
Verfassungsorganen neben der jüngeren Leitvorstellung, daß im Parlament die
"variety of interests and characters" der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen
vertreten sein sollte: WILLIAM PALEY, The Principles of Moral and Political Philosophy, London 1785, Neudruck New York 1978, S. 472 f., 480 f. u. 488 ff.
20
S o etwa 'Regulus' in: J. ALMON (Hg.), Political Register, March 1768: "The monied
interest is not represented at all. One hundred millions and upwards of property
wholly excluded from a share in the legislature excepting where the proprietors have
other qualifications. The case is much the same with the commercial interest. A merchant or manufacturer, who exports to the value of half a million a year, is not represented as a merchant or manufacturer: he has not the privilege of a beggar in a Cornish borough. Accordingly, the great manufacturing towns of Manchester, Birmingham, Sheffield, etc., have no representation in Parliament. And in most towns the
corporation, which bears no proportion to the inhabitants, either in number or property, are the only voters." Zitiert nach: J. CANNON, Parliamentary Reform 16401832, Cambridge 1973, S. 55.
21
Vgl. zum Wandel der sozialen Beschreibungskategorien in England in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts: P. J. CORFIELD, Class by Name and Number in Eighteenth-Century Britain, in: History 72 (1987), S. 38-61.
209
Bestimmung der Wähler. Wenn dieser Punkt zur Debatte stand, kam niemand um eine Stellungnahme zum Begriff'property' herum.
Die erwähnte große Bedeutung des Eigentumsbegriffs der common law-Tradition und das zähe Fortleben der frühneuzeitlichen Denkfigur des Gleichgewichts der 'Interessen' standen allen Forderungen nach personaler Repräsentation und gleicher Gewichtung der Stimmen entgegen. Für radikal-demokratische Wahlrechtsreformer mußte es daher darauf ankommen,
'property' und 'interest' als relevante Kriterien der Wahlrechtsvergabe überhaupt zurückzuweisen. Das aber war für jeden, der nicht konsequent auf der
Basis des Naturrechts oder auf der Basis der Geschichtsfiktion eines englischen birthright argumentierte - und so weit gingen nur wenige - eine fast
unlösbare theorietechnische Aufgabe. Allen anderen Reformern wurde ein
argumentativer Spagat abverlangt, den sie je länger desto weniger erfolgreich
bestehen konnten. Denn die meisten Reformer - ob Whigs, Radicals oder Liberais - huldigten einem Eigentumsbegriff, der die persönliche Leistung und
die freie Entfaltung des Einzelnen ins Licht rückte und der den politischen
Schutz des erarbeiteten Besitzes zu einem zwingenden Erfordernis machte.
Daher gerieten fast alle Vertreter von Wahlrechtsausweitungen auf die NichtBesitzenden früher oder später in Aporien, nämlich spätestens in dem Moment, wenn die Eigentümer überstimmt zu werden drohten. Das zwang sie
dann, ihrerseits auf defensive Modelle des Interessen- oder Klassenproporzes
im Parlament zurückzufallen, die aber wiederum dem Grundgedanken der
gleichen personalen Repräsentation widersprachen. Betroffen von diesem
unlösbaren Dilemma war ab 1867 vor allem die liberale Partei. Ihr quälender
Spaltungsprozeß und die gelungene Stilisierung der Konservativen zur natürlichen politischen Heimat aller Besitzenden ist wesentlich auf das unentschiedene Verhalten der Liberalen diesem Dilemma gegenüber zurückzuführen.
Ich wende mich nun einigen Teilaspekten der Diskussion um die Begriffe
'property', 'interest(s)' und 'class(es)' zu. Exemplarisch sollen diese Hinweise
die These von der primär defensiven Funktion der Begriffe stützen und
zugleich die soeben skizzierten Entwicklungslinien illustrieren.
210
3. Funktionen des 'property'-Begriffs.
3.1. Die 'franchise': 'private property' oder 'public trust'?
Ich beginne mit der Streitfrage, ob die Wahlrechte der freemen und freeholders sowie die Wahlrechte der Inhaber von burgage tenures als privates
Eigentum anzusehen und zu behandeln seien. Diese Frage blieb bis 1832 ein
Streitpunkt zwischen Reformern und Anti-Reformern und wurde sowohl in
den Parlamentsdebatten als auch in den großen Reviews ausgefochten.22 Der
Eigentumsbegriff des common law, wie er autoritativ durch Blackstone
fixiert worden war 23 , bot hier den Gegnern jeder Reform Anhaltspunkte fur
hinhaltende Rückzugsgefechte. Blackstone hatte unter dem Oberbegriff
"property" auch sogenannte "incorporeal hereditaments" gefaßt, das sind: an
dinglichen Gütern hängende oder darauf bezogene, immaterielle und vererbbare Rechte, zum Beispiel das Recht, Pfründen zu besetzen ("advowson")
oder das Recht, die Kirchenzehnten ("tithes") einzuziehen.24 Auch
"franchises" zählten laut Blackstone zu dieser Gruppe immaterieller Eigentumsrechte. Allerdings geht aus dem betreffenden Abschnitt bei Blackstone
nicht klar hervor, ob er auch die seinerzeit bestehenden parlamentarischen
Wahlrechte von 'franchise'-Inhabern als untrennbaren Bestandteil der jeweiligen Eigentumstitel ansah. Aus dem Text selbst ist diese Interpretation nicht
unmittelbar ableitbar. Jedoch gab es bis 1832 Gegner von Wahlrechtsreformen, die genau diese Auffassung vertraten und dafür unter anderem auf
Blackstone verwiesen.25 Ein anderer Kronzeuge für die Behauptung, daß
Wahlrechte wie Eigentum zu bewerten seien, war Lord Chief Justice Holt,
der 1704 im Fall Ashby vs. White entschieden hatte, daß ein zu Unrecht an
22
V g l . : Art. "Political and Vested Rights", in: Edinburgh Review 53 (1831), S. 502544; Art. "Reform in Parliament", in: Quarterly Review 45 (1831), S. 252-339, bes.
S. 310 f.
23
Vgl. zum Eigentumsbegriff von Blackstone: F. G, WHELAN, Property as Artifice:
Hume and Blackstone, in: J. R. PENNOCK/J. W. CHAPMAN (Hg.), Property, Nomos
XXII, New York 1980, S. 101-129.
24
WILLIAM BLACKSTONE, Commentaries on the Laws of England, 4 Bde., Oxford
1765/66, Bd. 2, S. 20-43.
25
Art. "Progress of Misgovernment", in: Quarterly Review 46 (1832), S. 544-622, S.
612.
211
der Ausübung des Wahlrechts gehinderter Wähler einen Prozeß auf Schadensersatz anstrengen konnte.26
Einige extreme Anti-Reformer bestanden also darauf, daß die parlamentarischen Wahlrechte der Korporationen und der Inhaber von burgage tenures
privates Eigentum seien und als solches vom Gesetzgeber nicht einfach abgeschafft werden könnten. Deshalb nannten diese Politiker die Reform Bill
des Earl Grey "corporation robbery" und sahen darin einen Angriff auf verbriefte Eigentumsrechte.27 Manche Gegner gingen sogar noch weiter und
stellten die Ausweitung der 'franchise' auf neue Wähler in den bisherigen
corporation boroughs als eine Beeinträchtigung und Wertminderung des
Rechts der alten 'franchise'-Inhaber dar. 28
Wäre diese Ausweitung des 'property'-Begriffs auf politische Vorrechte
'feudalen' und korporativen Ursprungs vorbehaltlos akzeptiert worden, hätte
man faktisch überhaupt keine große Parlamentsreform durchsetzen können.
Zwar gab es den höheren Grundsatz der Parlamentssouveränität - das konzedierten auch die entschiedensten Reformgegner. Doch standen vor einem
Eingriff in privates Eigentum durch den Gesetzgeber nach allgemeiner Auffassung sehr hohe Hürden in Form von Beweis- und Entschädigungspflichten. Hier liegt der pragmatische Grund, warum die Reformgegner den
'property'-Begriff an dieser Stelle in die Wahlrechtsdebatte einführten: Durch
ihn ließen sich die Bedingungen, unter denen eine Reform erlaubt war, mühelos bis zur Unerfullbarkeit hochschrauben. So verlangten die Anti-Reformer zum Beispiel den Nachweis von Mißbräuchen oder Korruption in jedem
Einzelfall - das hätte den Reformprozeß unendlich in die Länge gezogen.
Oder sie erklärten, daß nur ein erwiesener akuter Notstand die Kassierung
von 'franchises' rechtfertige - ein schwer zu erbringender Beweis. Und sie
26
E b d . , S. 611. Wethereil, 6.7.1831, Parliamentary Debates, published under the superintendence of T. C. HANSARD, Third Series (im folgenden zit.: HANSARD III), Bd.
4, Sp. 854. Das Votum des Lord Chief Justice Holt und Dokumente zum nachfolgenden Konflikt zwischen beiden Häusern des Parlaments sind abgedruckt bei: W.
C. COSTIN/J. S. WATSON, The Law and Working of the Constitution: Documents
1660-1914, 2 Bde., London 2 1961, Bd. 1, S. 278 f. und S. 193-196.
27
Wethereil, 2.3.1831, HANSARD III, Bd. 2, Sp. 1224.
28
Z . B . Haddington, 5.10.1831, HANSARD III, Bd. 7, Sp, 1383; "Progress of Misgovernment", Quarterly Review, S. 614.
212
forderten schließlich auf jeden Fall Entschädigungen, wenn die 'franchise'Inhaber 'enteignet' würden - womit natürlich bei einer flächendeckenden Reform die Staatskasse völlig überfordert gewesen wäre.
Der Reformplan des jungen William Pitt aus dem Jahre 1785 - um ein Beispiel für die Wirksamkeit dieser Vorbehalte zu geben - scheiterte wesentlich
daran, daß Pitt Entschädigungen vorgesehen hatte. Pitt selbst scheint zwar
nicht an den Eigentumscharakter der alten Wahlrechte geglaubt zu haben,
aber er stellte diese bei den Betroffenen verbreitete Rechtsauffassung für
seine Gesetzesinitiative in Rechnung.29 Durch die voraussehbaren Kosten
der Reform wurden viele Parlamentarier abgeschreckt, und zusätzlich verlor
Pitt auf der anderen Seite die Unterstützung derjenigen engagierten Reformer, die das Wahlrecht nicht als Eigentum ansahen und die nun befürchten
mußten, daß ein Präzedenzfall geschaffen würde, der dieser, ihrer Meinung
nach falschen Rechtsauffassung Geltung verschaffen würde. 30 Das entscheidende Gegenargument kam hier von Fox. Er vertrat die Ansicht, "that the
right of governing was not a property, but a trust; and that whatever was
given for constitutional purposes, should be resumed, when those purposes
should no longer be carried into effect."31 Dieses Argument - 1785 noch eine
Minderheitsposition - setzte sich in der Debatte von 1831/32 als Mehrheitsmeinung durch. Auch der Führer der Tories im Unterhaus, Sir Robert Peel,
gab jetzt zu, daß das Wahlrecht ein 'trust' und kein Privateigentum sei. Aber
Peel beharrte auf dem Nachweis eines akuten Staatsnotstands als einzig legitimem Grund fur die Beseitigung der alten Wahlrechtsprivilegien: "While ...
I admit the distinction between private property and the elective franchise, I
must also say, that, if you take away this ancient privilege on any other
2 9
30
31
W i l l i a m Pitt, 1 8 . 4 . 1 7 8 5 , PARLIAMENTARY HISTORY, B d . 2 5 , Sp. 4 4 1 f.
Vgl. den Wortwechsel zwischen Bankes und William Pitt kurz vor Abschluß der Debatte am 18.4.1785, PARLIAMENTARY HISTORY, Bd. 25, Sp. 475; Bankes sah eine
"absurdity" in der Reform-Motion Pitt's: "It declared that the right of voting in those
boroughs was not a property to be used in the way of traffic, and yet at the same time
a sum was allotted for the purchase of them, thereby suffering those very people to
make a property which never was intended for them to have." Pitt erkannte diese Bedenken an, sah aber in der Entschädigung ein "necessary evil", um die Reform überhaupt durchzusetzen. Vgl. auch die Rekapitulation dieser Debatte von 1785 durch
Mackintosh, 4.7.1831, HANSARD III, Bd. 4, Sp. 672 ff.
F o x , 1 8 . 4 . 1 7 8 5 , PARLIAMENTARY HISTORY, B d . 2 5 , S p . 4 6 7 .
213
ground than that of overpowering necessity, clearly established, you do
shake the public confidence in the security of property itself."32
Natürlich hatte der Gedanke, daß politische Herrschaftsrechte, darunter auch
das Wahlrecht, ein zurücknehm barer 'trust' seien, zu diesem Zeitpunkt schon
eine lange Karriere in der Theoriegeschichte hinter sich. Aber erst um 1830
ließ sich die Theorie in der praktischen Politik vollständig umsetzen, und erst
in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts verschwanden Stück für
Stück die letzten Überreste der entgegengesetzten, 'feudalen' Eigentumsordnung, in der Herrschaft über Sachen und Herrschaft über Personen untrennbar miteinander verknüpft waren. Ob in den 1830er Jahren wirklich noch jemand an den alten Eigentumsbegriff glaubte, ist im übrigen relativ unerheblich. In unserem Zusammenhang ist allein entscheidend, daß der längst überholte 'feudale' Eigentumsbegriff bis ins 19. Jahrhundert hinein geeignet war,
in politischen Auseinandersetzungen als wirksames Argument zu fungieren,
und daß er deshalb auf der Ebene der politischen Sprache weiterverwendet
und weitergereicht wurde, auch wenn vielleicht kein Politiker mehr von seiner Richtigkeit überzeugt war.
3.2. Repräsentation des 'property' oder Wahlrecht der Eigentümer?
Zu den Restbeständen 'feudaler' Bedeutungsgehalte des Eigentumsbegriffs
gehörte auch die Vorstellung, daß Orte und das dort befindliche, leblose Eigentum der eigentliche Gegenstand der parlamentarischen Repräsentation
seien. Noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hieß es sehr häufig,
daß im Parlament nicht Personen, sondern das 'property' des Königreichs, im
wesentlichen das Land, repräsentiert seien. So zum Beispiel bei dem älteren
William Pitt: "People are apt to mistake the nature of representation, which is
not of person, but of property; and in this light there is scarcely a blade of
grass which is not represented."33 Ob derartige Aussagen wörtlich gemeint
waren oder ob es sich bloß um metaphorische Redeweisen handelte, die den
32
33
Peel, 6.7.1831, HANSARD III, Bd. 4, Sp. 875.
Zitiert nach: G. S. VEITCH, The Genesis of Parliamentary Reform (1913), Neudruck
mit einer Einführung von I. R. CHRISTIE, London 1965, S. 37.
214
alleinigen oder vorrangigen Anspruch der (Land)eigentümer als soziale
Gruppe auf Mitsprache begründen sollten, läßt sich nicht immer klar entscheiden. Eindeutig bestimmbar ist aber in jedem Fall die pragmatische
Funktion des Arguments. Sie zielte in erster Linie auf die Zurückweisung
des in seinen Konsequenzen (Frauenwahlrecht!) für absurd, unrealisierbar
und gefahrlich gehaltenen Prinzips der "personal representation".34
Die radikale Gegenposition, "that personality is the sole foundation of the
right of being represented; and that property has, in reality, nothing to do in
the case" 35 , wurde jedoch im späten 18. Jahrhundert nur von einer kleinen
Minderheit bezogen. Häufiger kam es, so etwa bei Sir William Jones, zur
Abwehr oder Ironisierung des wörtlichen Verständnisses der "silly notion,
that the property, not the person, ... was to be represented". Die Ursache dieser unsinnigen Vorstellung sei - so Jones - das "feudal principle". Davon zu
unterscheiden und keineswegs unsinnig sei aber die Auffassung, daß der individuelle Besitz von Eigentum - und zwar aller Arten von "property, ...
either real or personal" - als notwendige Qualifikation der einzelnen Wähler
angesehen werden müsse. 36 Theoretisch liefen Argumentationen wie diese
auf ein gemäßigtes, weitgehend uniformes Zensuswahlrecht und die Einebnung der Unterschiede des Stimmengewichts verschiedener Eigentümergruppen hinaus; faktisch bedeuteten sie vor allem einen Angriff auf die von
der Parlamentsoligarchie mehrheitlich für selbstverständlich gehaltene Vorrangstellung des 'landed property' bzw. des 'landed interest' in der Repräsentation. Das Adjektiv 'feudal' fungierte als Schimpfwort und diente der Diffamierung des Machtanspruchs der aristokratischen Inhaber kleiner boroughs.
Deren Fürsprecher verzichteten zwar seit dem Ende des 18. Jahrhunderts auf
die unhaltbar gewordene Rede vom Eigentum als eigentlichem Objekt der
34
So z.B. bei THOMAS PITT, Thoughts upon the mode of obtaining a more equal Representation in the H. of Commons, Add.Mss. 59.487 (Dropmore Papers), 100-118 f.,
hier bes.: 111-112 f.
35
JOHN CARTWRIGHT, The Legislative Rights of the Commonalty Vindicated; or, Take
Your Choice!, 2 1777, S. 32.
36
WILLIAM JONES, Speech to the assembled Inhabitants of the Counties of Middlesex
and Surry, the Cities of London and Westminster, and the Borough of Southwark,
28.5.1782, in: The Works of Sir William Jones, 13 Bde., Bd. 8, London 1807, S.
499-515, S. 508 f. u. 511 f.
215
Repräsentation, fuhren aber fort, den (großen) Grundbesitz als einzig stabile
Form des 'property' anzusprechen, weshalb ihm ohne besondere Begründung
die Mehrheit der Parlamentssitze zustehe.37 Die überkommene Rechtsbezeichnung 'real property' stützte diese Suggestion.
Nachdem seit etwa 1830 auch die versuchte Ausgrenzung des 'personal property' als minderwertig, instabil usw. aus dem Eigentumsbegriff nicht mehr
funktionierte, blieb - als letzte Schwundstufe des alten Arguments - nur noch
die Verteidigung des Grundsatzes, daß im Parlament immer eine 'Varietät'
lokal fixierbarer Eigentums-'Interessen1 vertreten sein müsse. Die Forderung
nach einer überproportionalen Repräsentation des 'landed property' trat nicht
mehr direkt auf, sondern versteckte sich von nun an hinter dem Beharren auf
dem abstrakten Prinzip der Quotenregelung für verschiedene ortsgebundene
Eigentumsarten.
3.3. Wahlrecht aller Bürger oder Sicherheit des Eigentums?
Für jeden, der akzeptiert hatte, daß Eigentum im Rahmen der Wahlrechtsdebatte nur als Indikator fur die Politikfähigkeit möglicher Wähler eine Rolle
spielte, aber als Gegenstand der Repräsentation nicht in Betracht kam, entstand die Frage, von welcher Art und wie bedeutend der Besitz sein mußte,
damit er den Einzelnen für das Wahlrecht qualifizierte. Sieht man einmal von
dem Dauerstreit um das relative Stimmengewicht der Besitzer von 'real property' und 'personal property' ab, der besonders die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrschte, rückte hier, je länger die Auseinandersetzung andauerte, das Problem des Wahlrechts der minderbemittelten oder völlig mittellosen Bevölkerungsschichten ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dieser Streit
war gekennzeichnet durch mehr oder weniger pauschale Urteile über die Intelligenz, den Nutzen, aber auch die Gefährlichkeit zunächst der Mittelklassen, dann der Arbeiterklassen. Als weitaus wichtigster Maßstab für Mitsprachefähigkeit galt dabei immer die Einschätzung der Frage, ob und wie weit
bei den neu zuzulassenden Klassen mit der Akzeptanz des 'principle of pro37
Wellington, 4.10.1831, HANSARD III, Bd. 7, Sp. 1188: "property, and particularly
property in land, should be preponderant".
216
perty' gerechnet werden könne. Was jedoch genau der Inhalt des Prinzips
'Eigentum' sei und wann man folglich einen Angriff darauf für wahrscheinlich halten müsse, war zwischen den Parteien und 'Interessen' stark umstritten.
Vor 1832 erklärten viele Tories und reform feindliche Whigs die Institution
des Eigentums bereits dann für gefährdet, wenn die Aussicht bestand, daß
ein von den 'middle classes' mitgewähltes Parlament nach der Reform die
Steuerlast und die Zölle zu Ungunsten der (Groß)grundbesitzer und der reichen Oberschicht insgesamt umverteilen würde oder Änderungen des Eigentumsrechts, insbesondere des Erbrechts (Primogenitur), beschließen
könnte. Die Anerkennung des 'principle of property' war hier gleichbedeutend mit der Hinnahme aller Gesetze, die den ungestörten Fortbestand der
bestehenden Reichtumsverteilung garantierten. Manche werteten sogar schon
die zu erwartende Erhöhung der Staatsausgaben und die daraus voraussichtlich resultierende Steuererhöhung (mit der erschreckenden Perspektive des
möglichen Staatsbankrotts im Hintergrund) als Angriff auf das 'Eigentum' an
sich. 38 Es lag in der Konsequenz dieser Position, den (Groß)grundbesitzern
bzw. der reichen Oberschicht von vornherein mindestens die absolute Mehrheit der Parlamentssitze zu sichern, und das bedeutete in der Regel, das
System der 'closed boroughs' unangetastet zu lassen.
Edmund Burke hatte fur diese Identifizierung des Eigentums an sich mit der
politisch abgesicherten Präponderanz des Großgrundbesitzes den Schein einer theoretischen Begründung geliefert. Für Burke bestand die Essenz des
Eigentums in seiner ungleichen Verteilung. Diese sei nur dann vor den
"invasions of ability" geschützt, wenn die "great masses of accumulation"
38
Typische Aneinanderreihungen derartiger Befürchtungen: Vyvyan, 21.3.1831, HANSARD III, Bd. 3, Sp. 636 ff.; Art. "Parliamentary Reform", in: Quarterly Review 44
(1831), S. 554-598, S. 588 f. Nach 1832 argumentierten Whigs und Tories gemeinsam mit ähnlich lautenden Befürchtungen gegen die chartistische Forderung nach
dem allgemeinen Männerwahlrecht. Vgl. die Rede zur "People's Charter" von
Macaulay, 3.5.1842, in: Ders., Speeches on Politics and Literature, London 1909,
Neudruck 1936, S. 189-199.
217
außer Gefahr wären, überstimmt zu werden; dann würden sich die "great
masses" als ein 'natürliches Bollwerk' um die kleineren Besitztümer legen.39
Gegen diese 'Bollwerk-Theorie stand die optimistischere, in der Wahlrechtsdebatte von 1831/32 von der Mehrheit der Whigs vertretene Auffassung, daß
man auch bei Kleineigentümern (oder gerade bei ihnen) mit der Einsicht in
die Notwendigkeit der ungleichen Eigentumsverteilung rechnen könne:
Would it be said that a comparatively poor man was less interested in
the security of his little property, than the rich man who was dying of
ennui in the midst of his useless hoards? On the contrary, a man who
had acquired a certain degree of competency, looked with the greatest
anxiety on what affectea the security of his property and was of all
others the most likely to rally round the only authority by which that
property would be defended.2*0
Aus dieser Argumentation folgte logisch das Plädoyer für eine Wahlrechtsreform, die mittlere und kleinere Eigentümer, die sogenannten 'middle classes',
in großer Zahl an das politische System band. Die Masse der Kleineigentümer würde dann eine "great phalanx for the protection of property" bilden
und sich wie ein Schutzgürtel um den sonst isolierten Großgrundbesitz
legen.41 Spätestens nach 1867 machte sich auch die Mehrzahl der Konservativen - allerdings unter gewandelten Vorzeichen - diese Argumentation zu
eigen.
Die Verfechter eines sehr weitgehenden oder allgemeinen Männerwahlrechts
konnten das Problem eines möglichen Angriffs auf das sogenannte 'principle
of property' übergehen, indem sie einfach das grundsätzliche Recht auf Mitsprache aller von der Eigentums- und Steuergesetzgebung Betroffenen dagegenstellten. Dieser Verbalradikalismus alten Stils eignete sich jedoch allenfalls, um Gleichgesinnte zu mobilisieren; im Parlament konnte man damit
nicht überzeugen. Das galt auch für die wesentlich komplizierter begründete,
aber leicht als unrealistisch erweisbare These Jeremy Benthams, daß alle
auch nur irgendwie denkfahigen Menschen in der Lage wären, ein rationales
39
EDMUND BURKE, Reflections on the Revolution in France, hg. v. C. C. O'BRIEN, Harmondsworth 1969, S. 140.
40
4
J e f f r e y , 4 . 3 . 1 8 3 1 , HANSARD III, B d . 3, Sp. 6 8 .
Jeffrey, ebd., Sp. 71.
218
Kosten-Nutzen Kalkül zu vollziehen und zu erkennen, daß bei einem Angriff
auf das Prinzip der Eigentumssicherheit (den Vertrauensschutz) letztlich alle,
auch die Habenichtse, Schaden nehmen würden.42 Die einzig ehrliche, aber
eben darum in der Öffentlichkeit kontraproduktiv wirkende Antwort auf das
Problem bestand darin, zuzugeben, daß jede lineare Ausdehnung des Wahlrechts auf die Masse der nichtbesitzenden Klassen zwangsläufig zu einem
Umsturz der Mehrheitsverhältnisse und in der Folge höchstwahrscheinlich zu
Umverteilungen und Änderungen der Eigentumsgesetzgebung fuhren würde.
Bevor es realistisch bzw. überhaupt denkbar wurde, daß ein Sozialstaat
größtenteils aus dem Zuwachs des Nationaleinkommens finanziert werden
könnte, also vor dem späten 19. Jahrhundert, war es unmöglich, eine solche
Erwartung offen im Parlament zu äußern und dennoch für die Annäherung an
das allgemeine und gleiche Wahlrecht einzutreten. In der Debatte von
1866/67 war diese Situation noch nicht erreicht. Den Liberalen blieben in
dieser Lage nur moralische Appelle oder Verurteilungen des 'zynischen Materialismus' der Besitzenden und ihrer parlamentarischen Sprecher 4 3 Die liberalen und viele radikale Reformer des 19. Jahrhunderts kamen hier an eine
Grenze ihrer Argumentationskunst. Sie mußten sich entscheiden, ob sie
weiter fur die Demokratie eintreten und damit auch voraussehbare Umverteilungen gutheißen wollten, oder ob sie die bestehende Eigentumsordnung
höherschätzten als das Recht aller urteilsfähigen Bürger auf Mitsprache. Das
war jenes bereits erwähnte Dilemma, das die Spaltung der liberalen Partei im
letzten Drittel des 19. Jahrhunderts beschleunigte und immer mehr Eigentümer der konservativen Partei zutrieb.
42
JEREMY BENTHAM, Plan of Parliamentary Reform (1817), in: The Works of Jeremy
Bentham, hg. v. J. BOWRING, 1838-1843, Neudruck New York 1962, Bd. 3, S. 433557, hier: S. 465-476. Vgl. dazu: J. A. W. GUNN, Jeremy Bentham and the Public Interest, in: Canadian Journal of Political Science 1 (1968), S. 398-413, S. 405 f. Eine
ähnlich optimistische Position vertrat z.B. George Grote; vgl. D. P. CROOK, American
Democracy in English Politics, 1815-1850, Oxford 1965, S. 24 ff.
43
Coleridge, 4.6.1866, HANSARD III, Bd. 183, Sp. 1861 f.: "The right hon. Gentleman
[Robert Lowe, W.S.] attacked democracy in the House because he thought its advent, unmixed, might work certain changes in the political and social relations of
society, and possibly in the laws of property, while even if mixed it might tend to
diminution in the temporal prosperity which the upper and middle classes enjoyed."
Diesen "Conservatism for mere material wealth, and Liberalism so far merely as
219
4. 'Interests' und 'classes'.
Der enge wortgeschichtlich bedingte Konnex zwischen 'property' und
'interest' blieb im Sprachbewußtsein der britischen politischen Elite immer
präsent. Aus diesem Grund war die Beschreibung des Parlaments mit Hilfe
der 'Interessen'-Terminologie geeignet, die Vorstellung einer allein den Eigentümern vorbehaltenen Repräsentation zu stützen. Wer kein 'property' besaß, hatte auch kein 'interest' und blieb deshalb, ohne daß ihm daraus ein
Schaden erwuchs, ausgeschlossen - so das Standardargument.44 Die Rede
von der 'balance of interests' verbannte die Nichtbesitzenden in der Regel
von vornherein aus der Sphäre der Macht. Allenfalls billigte man ihnen ein
paar Volkstribunen zu, so etwa im frühen 19. Jahrhundert den "Orator"
Henry Hunt aus Preston.45 Dafür genügten dann die wenigen Wahlkreise mit
fast allgemeinem Stimmrecht. Aber ein eigenes 'interest' konnten die Arbeiter, dieser Auffassung zufolge, eigentlich nicht haben, denn sie hatten ja
nichts, was ein 'interest' - im ursprünglichen, pekuniären Sinn des Wortes abwarf. Die sonst so mühelose, suggestive Ableitung eines subjektiven
'Interesses' aus dem objektiven 'interest' funktionierte im Fall der Arbeiter
nicht ohne weiteres.
Neuartige Formen der Eigentumsbildung oder Kapitalverwertung ließen sich
dagegen leicht als 'interest' bestimmen und sofort auch als KollektivbezeichLiberalism tended to increase wealth" könne er [Coleridge] nur als "cynical materialism" empfinden.
V g l . z.B.: Winchilsea, 4.10.1831, HANSARD III, Bd. 7, Sp. 1139: "... but he was not
at all prepared to give his support to a measure which gave Representatives to towns
and districts which had no particular or new interests whatever to protect. To interests he was prepared to give Representatives, but he never could consent to give
Representatives to mere masses of population which had no manufactures or special
interests to protect." Vgl. auch: Art. "The expected Reform Bill", in: Edinburgh
Review 95 (1852), S. 213-280, S. 265 f: Das gegenwärtige System sei zwar
"defective and unjust in this - that it selects two kinds or forms of property only as
conferring the franchise. Let us continue to maintain a property qualification; but let
us not insist that the property ... must be invested in one special mode." Daher sollten
Sparer oder Aktionäre ebenfalls das Wahlrecht bekommen. Generell solle für den
Wähler gelten: "As long as he holds property which gives him an interest in the stability and prosperity of his country's institutions ... he will remain an elector."
45
P e e l , 3.3.1831, HANSARD III, Bd. 2, Sp. 1346.
44
220
nung für die entsprechende Personengruppe anwenden, sofern diese nur eine
gewisse Größenordnung überschritten hatte. So erfand man neben dem traditioneilen 'landed interest' und dem 'trading' oder 'commercial interest' nacheinander das 'monied interest' und das 'manufacturing interest' - beide etwa
seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in Gebrauch; dann die 'official',
'professional', 'military' und 'naval interests' - so zuerst definiert von Burke
177046; das 'colonial interest' - gebräuchlich seit dem Ende des 18. Jahrhunderts; und schließlich im Laufe des 19. Jahrhunderts eine Reihe weiterer
'interests', die sämtlich bestimmte Gewerbezweige oder Kapitalanlageformen
zu einer Interessengruppe formierten: das 'shipping interest', das 'linen interest', das 'cotton interest', das 'City interest', dann - besonders wichtig - das
'railway interest' und andere mehr. 47
Es war eine Ausnahme und zeugte von einem vor der Mitte des 19. Jahrhunderts selten erreichten Abstraktionsvermögen, wenn Adam Smith auch den
Lohnempfängern ein eigenständiges 'Interesse1 - das "interest of the labourer"
neben dem der "proprietors" und im Gegensatz zu dem der "employers of
stock" - zubilligte und wenn er sogar die Gleichgerichtetheit des 'Interesses'
der Lohnarbeiter mit dem Interesse der Gesamtgesellschaft nachwies. Diese
Identität von ökonomischem Privat- und Allgemeininteresse gelte, so Smith,
auch für die Landbesitzer - "at least, if they have any tolerable knowledge of
that interest." Dagegen sei das "interest of the dealers ... always in some
respects different from, and even opposite to, that of the public." Bedauernd
stellte Smith jedoch fest, daß die "Merchants" und "master manufacturers"
auf politischer Ebene wegen ihres überlegenen Wissens allzu häufig ihre
Partikularinteressen gegen diejenigen der anderen beiden "orders" durchsetzen könnten. Die "gentlemen" vom Lande besäßen zwar die parlamentarische Mehrheit, verstünden aber ihr 'objektives' Interesse (Freihandel) nicht
richtig; und die Arbeiter seien wegen Zeitmangels und wegen ihrer Lebens46
47
EDMUND BURKE, Thoughts on the Cause of the Present Discontents (1770), Works,
12 Bde., 1887, Neudruck Hildesheim/New York 1975, Bd. 1, S. 519.
Vgl. allgemein zur Verbreitung und parteipolitischen Zuordnung der 'interest'-Terminologie im 18. und 19. Jahrhundert: J. R. POLE, Political Representation, S. 385499; S. H. BEER, The Representation of Interests in British Government: Historical
Background, in: The American Political Science Review 51 (1957), S. 613-650; J.
W. BURROW, Whigs and Liberals. Continuity and Change in English Political
Thought, Oxford 1988, bes. Kap. 5: "Balance and Diversity", S. 101-124.
221
gewohnheiten per se urteilsunfahig und würden infolgedessen in den
"publick deliberations" zu Recht nicht gehört.48 Im Hinblick auf eine mögliche Parlamentsreform wäre diese Argumentation Smith's an sich geeignet
gewesen, den zeitgenössischen Forderungen ländlicher Eigentümer nach
Aufstockung ihres Machtanteils, etwa durch eine Vermehrung der Sitze fur
die counties, Nachdruck zu verleihen; die Smith'sche Definition des ökonomischen Interesses der Landbesitzer widersprach jedoch diametral deren eigener Auffassung über ihr Interesse (Schutzzölle), so daß diese zentrale Passage im "Wealth of Nations" ihrer möglichen politischen Wirkung teilweise
beraubt wurde. Zumindest wenn es um die Zurückweisung der Ansprüche
der Kommerz- und Manufakturinteressen auf Erhöhung ihrer Repräsentation
ging, konnten aber die Negativ-Kennzeichnungen, die (nicht nur) Smith den
Kaufleuten und Industriellen zugeschrieben hatte 49 , von den Agrariern und
ihren Fürsprechern verwendet werden.
Die generelle Schwierigkeit, bestimmte ökonomische Partikularinteressen als
gemeinwohlorientiert darzustellen, war sicher einer der Hauptgründe dafür,
daß die verbale Segmentierung der Gesellschaft in 'interests' im Laufe des
19. Jahrhunderts aus den Reden und Schriften von Wahlrechtsreformern verschwand und dort mehr und mehr durch die Klassen-Terminologie abgelöst
wurde. Für die Argumentationszwecke der Whig-Reformer des späten 18.
und frühen 19. Jahrhunderts war die "language of interests" denkbar ungeeignet. Denn sie untergrub erstens den prekären innerparlamentarischen Zusammenhalt der Reformanhänger, die sich ökonomisch teils dem 'landed interest', teils den neueren städtischen Industrie- und Kapitalinteressen verpflichtet fühlten. Zweitens erzielten Öffentliche Appelle an 'Interessen'
zwangsläufig nur einen begrenzten Mobilisierungseffekt, der für eine wirkungsvolle Unterstützungskampagne nicht ausreichte. Und drittens war die
Darstellung des House of Commons als Interessenrepräsentation in der
durchschnittlichen politischen Bildung der Parlamentarier, als deren Quellen
Autoren wie Paley zu nennen sind, untrennbar mit der Doktrin der "virtual
48
ADAM SMITH, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, hg. V.
R. H. CAMPBELL/A. S. SKINNER/W. B. TODD, 2 B d e . , O x f o r d
49
1976, B d . 1, S. 2 6 5 ff.
(dort alle zitierten Stellen).
SMITH, Wealth of Nations, Bd. 1, S. 426: 'A merchant, it has been said very properly, is not necessarily the citizen of any particular country."
222
representation" verbunden, derzufolge die Zahl und Herkunft der Wählenden
unerheblich war, solange nur die gesellschaftlich wichtigen Ansichten und
'Interessen' - auf welchem Umweg auch immer - im Parlament Gehör fänden. 50 Diese Doktrin war unakzeptabel für die wachsende Zahl derjenigen
Reformer, die ohne eine aktive Wahlteilnahme zumindest aller besitzenden
Bürger die Legitimitätsbasis des Parlaments schwinden sahen.
Die vom Wortsinn her anfangs neutrale Gruppierungskategorie 'classes' hatte
keinen der Nachteile der 'interest'-Terminologie und ließ sich weitaus besser
verwenden, um Eigentümer verschiedenster Art, aber auch nichtbesitzende
Gruppen, zusammenzufassen und ihnen politische Ansprüche zuzuschreiben.
Überdies begann sich die herkömmliche Semantik der 'interests' gegen Ende
des 18. Jahrhundert auch von innen her aufzulösen. Den ersten Störfaktor
bildeten hierbei die sogenannten 'professions'. Ihre Präsenz im Parlament war
nach allgemeiner Auffassung notwendig. Dafür gab es zum Ende des 18.
Jahrhunderts zwei Standardbegründungen: Die Mitglieder der 'professions'
verfugten über unverzichtbares Expertenwissen; und: sie nahmen die
Schiedsrichterposition ein zwischen dem 'landed interest' auf der einen Seite,
dem 'commercial' und 'manufacturing interest' auf der anderen Seite. Einen
Störfaktor bildeten die 'professions' deshalb, weil sie im streng ökonomischen Sinne über ein 'interest' nicht verfugten, aber dennoch mit den anderen
'interests' auf eine Stufe gestellt wurden. Darüber hinaus war auch die Legitimationsbasis, aufgrund derer sie im Parlament saßen, eine andere als bei
den rein ökonomisch definierten 'interests': Die 'professions' wurden benötigt, weil der Staat inzwischen Aufgaben übernommen hatte, die weit über
den bloßen Schutz des Eigentums hinausgingen. Der Übergang zu dieser
neuen, funktionalen Legitimation setzte einerseits die alten 'interests' unter
Rechtfertigungsdruck - auch ihnen konnte nun abverlangt werden, daß sie
ihre Nützlichkeit fur das Ganze bewiesen, sonst riskierten sie, als 'sinister'
oder 'partial interests' diffamiert zu werden.51 Und auf der anderen Seite
konnte die funktionale Legitimation der Repräsentation bisher nicht vertretenen Schichten den Weg ins Parlament öffnen, auch wenn sie im herkömmli50
5
Vgl. WIRSCHING, Parlament und Volkes Stimme.
' S o die Terminologie von Bentham. Vgl. JEREMY BENTHAM, Plan of Parliamentary
Reform, hier bes.: S. 438 ff., 445 ff., 525-535.
223
chen Sinne kein 'interest' hatten. Die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts rapide sich ausbreitende Umstellung auf eine Semantik der 'classes' war politisch der Ausdruck dieses Vertretungsanspruchs.52
Etwa seit den 1820er Jahren schalteten die re form orientierten Teile der
Whigs, wie vorher schon die radikaleren Reformer, verstärkt auf die
"language of class" um. Die Reformer definierten, oder besser noch: sie erfanden eine 'middle class' aus städtischen und ländlichen Eigentümern53, die
quer zu den bisher üblichen Einteilungen in 'interests' lag. Der so definierten
'middle class' wurden zahlreiche Attribute zugeschrieben, die allesamt auf
die Nützlichkeit und Leistung dieser Klasse für die Gesellschaft und den zivilisatorischen Fortschritt abhoben. Eine ähnliche Aufwertung erfuhr von
den späten 1840er Jahren an auch der Begriff der 'working class'. Dem
Wechsel auf eine horizontale Semantik der Klassen korrespondierte bei radikalen Demokraten und Teilen der liberalen Reformer die Forderung nach
gleichen Zugangskriterien zum Wahlrecht, die Forderung nach einer gleichen, theoretisch für alle Bürger erreichbaren Zensusschwelle. Wenn eine
Klasse sich insgesamt als selbstbewußt und politikfähig erwiesen hatte, war
es - so lautete hier die Argumentation - nicht mehr möglich, nur einigen wenigen, nach Zufallskriterien ausgewählten Mitgliedern dieser Klasse das
Recht auf politische Mitsprache zuzugestehen.54
Auch die Tories und konservative Whigs verwendeten seit den 1830er
Jahren zunehmend die "language of class", gaben ihr jedoch im Kontext der
Wahlrechtsdebatte einen eindeutig anti-individualistischen Sinn. Denn bei
ihnen trat einfach die Aufteilung der Parlamentssitze nach 'classes'
52
Vgl.: KOSELLECK/SPREE/STEINMETZ, Drei bürgerliche Welten.
Vgl.: WIRSCHING, Bürgertugend und Gemeininteresse.
54
Vgl. z.B.: JOHN STUART MILL, Principles of Political Economy, Collected Works, Bd.
2 u. 3, hg. v. V. W. BLADEN/J. M. ROBSON, Toronto/London 1965, Buch IV, Kap. VII:
"On the Probable Futurity of the Labouring Classes", S. 762 f. : "The working classes
have taken their interests into their own hands, and are perpetually showing that they
think the interests of their employers not identical with their own, but opposite to
them." Der erfolgreiche Emanzipationsprozeß mache es zu einem zwingenden Erfordernis, die Arbeiter von nun an als "individual citizens" anzusprechen. Vgl. auch
Bright, 23.4.1866, Hansard III, Bd. 182, Sp. 1876: Die Repräsentation müsse so arrangiert sein, "that every person of every class will feel that his interests are fairly
represented, and will be fairly consulted by the House."
53
224
allmählich an die Stelle der althergebrachten Quotierung nach 'interests'.55
Entscheidend blieb das Prinzip der regionalen Verschiedenheit der
Wahlrechte ("variety"); ob die zu schützenden Minderheiten als 'interests'
oder als 'classes' benannt wurden, war demgegenüber eine zweitrangige
Frage. Auf Dauer handelte es sich dabei aber um ein aussichtsloses
sprachpolitisches
Rückzugsgefecht.
Denn
spätestens
von
der
Jahrhundertmitte an begann die Vorstellung illusorisch zu werden, daß man
jedes der vielen 'interests' bzw. die verschiedenen 'classes' lokal fixieren
könne. 56 Die Komplexität der Wirtschaftsbeziehungen war mit dem
Zuschnitt der constituencies immer weniger zur Deckung zu bringen. Schon
rein praktisch war dies nicht zu bewerkstelligen. Und moralisch war es
überdies nicht mehr zu legitimieren: Es war nicht mehr möglich, das alte
System der closed boroughs zu restaurieren oder durch neue regional
ungleiche Wahlrechte zu ersetzen, damit jedem Besitz-'Interesse' oder jeder
'class' sichere Wahlkreise und damit Parlamentssitze verschafft würden. Das
Scheitern der ursprünglichen Reformpläne von Disraeli im Jahre 1867 zeigt
exemplarisch, wie unhaltbar das Festhalten an artifiziell erzeugten Ungleichheiten jeder Art im Wahlrecht zu diesem Zeitpunkt geworden war. 57
Die alte "language of interests" ließ sich auf konservativer Seite nur noch in
einer Hinsicht nutzbringend anwenden, und zwar zur Verteidigung des
'landed interest' gegen die Gesamtheit städtischer, nicht landwirtschaftlich
tätiger Schichten. In allen Wahlrechtsdebatten der zweiten Jahrhunderthälfte
versuchten die Konservativen, die counties für das sogenannte 'landed interest' zu reservieren - wobei sie sich die Klangähnlichkeit der Wörter 'county'
5 5
So z.B. bei Inglis, 1 . 3 . 1 8 3 1 , HANSARD III, Bd. 2, Sp. 1108 f.; T w i s s , ebd., Sp. 1 1 3 2
f. Für eine frühe radikaldemokratische Kritik an diesem "class system of representation" vgl.: GEORGE GROTE, Essentials of Parliamentary Reform, London 1831, S. 3748.
56
Erste dahingehende Zweifel wurden schon 1831/32 geäußert, teils, um das Beharren
auf uneinheitlichen Wahlrechten zu kritisieren, so z.B. bei Gisborne, 4.3.1831, HANSARD III, Bd. 3, Sp. 26, teils aber auch, um im Gegenteil die "closed boroughs" als
Zuflucht für die nicht lokalisierbaren "interests" zu verteidigen, so z.B. bei Croker,
57
V g l . die Kritik von Gladstone, 25.3.1867, HANSARD III, Bd. 186, Sp. 501. Hierzu
auch meine Dissertation: STEINMETZ, Das Sagbare und das Machbare, S. 377-392.
Vgl. auch: BURROW, Whigs and Liberals, S. 128 f.
19.3.1832, HANSARD III, Bd. 11, Sp. 4 7 7 .
225
und 'country' zunutze machten, um der altrechtlichen Wahlkreisstruktur
einen modernen ökonomischen Sinn unterzuschieben.58
Sobald aber die 'borough-franchise' und die Gesamtzusammensetzung des
Parlaments zur Debatte standen, benutzten auch die Konservativen vorzugsweise die "language of class". 59 Im Hinblick auf die Funktion der Klassenterminologie gab es nun keine Differenzen mehr zwischen Konservativen,
Whigs und dem konservativen Flügel der Liberalen: Es galt, die befürchtete
Majorisierung durch die Vertreter der Arbeiterklasse zu verhindern; wenigstens im Parlament sollten sie nicht die Mehrheit erlangen, wenn man sie
schon nicht ganz draußen halten konnte. Die semantische Umstellung
brachte also zunächst nur einen bescheidenen Gewinn für die Arbeiter. Als
'Klasse' konnten sie nun immerhin einen Anteil an der Repräsentation einfordern, während sie früher, durch die 'interest'-Kategorie, schon im Vorfeld
begrifflich aus der Repräsentation herausdefiniert worden waren. Aber ihre
spezifischen 'Interessen' als Bürger und Wirtschaftssubjekte konnten sie
darum noch lange nicht durchsetzen, denn ihr "right of voting" blieb, wie
John Stuart Mill 1866 formulierte, "only the right of being everywhere
outvoted".60
All diejenigen, die dem numerischen Mehrheitsprinzip, also der Demokratie,
vollends zum Durchbruch verhelfen wollten, mußten spätestens jetzt den
Gedanken des Proporzes der 'classes' oder 'interests' direkt angreifen. Sie
hatten dabei das Handicap, daß sie dies nicht tun konnten, ohne selbst die
den Proporzgedanken nahelegenden Begriffe 'interest' und 'class' zu benutzen. Allein schon die Existenz dieser vorbelasteten Begriffe war ein ärgerlicher Argumentationsvorteil für die Demokratiegegner. So sah es der junge
Albert Venn Dicey in seinem Beitrag zu den "Essays on Reform" von 1867:
"In criticizing a theory of class representation, the words 'classes', 'orders', or
'interests', must be constantly employed. The very employment, however, of
58
Z . B . Adderley, 7.6.1866, HANSARD III, Bd. 183, Sp. 2103 f.
59
Z . B . Stanley, 12.4.1866, HANSARD III, Bd. 182, Sp. 1175; Cairns, 16.4.1866, HAN-
60
Mill, 13.4.1866, Hansard III, Bd. 182, Sp. 1256.
SARD III, B d . 182, S p . 1 4 6 3 .
226
these expressions gives an undue advantage to the view criticized."61 Zu diesem Zeitpunkt teilte der engagierte Demokrat Dicey noch die liberale Illusion, daß die Arbeiter ihr "class feeling" und ihre "class interests" vergessen
würden, wenn man erst damit aufhörte, sie von außen als gesonderte Klasse
zu behandeln und politisch auszuschließen. Knapp dreißig Jahre später war
Dicey - wie viele andere Liberale auch - desillusioniert. Der Verfechter des
Mehrheitsprinzips wandelte sich zum engagierten Kritiker des erstmals von
ihm so genannten 'Kollektivismus1 und reihte sich ein in die Schar derjenigen, die glaubten, daß man von nun an das Individualeigentum gegen die
Übergriffe des demokratischen Wohlfahrtsstaats in Schutz nehmen müsse.
Der Konflikt zwischen dem Prinzip der vom Eigentumsbesitz mittlerweile
abgelösten individuellen 'fitness' für politische Partizipation und der Sorge
vor einer 'Klassengesetzgebung' gegen die Kapitalbesitzer im Falle eines
stark erweiterten Wahlrechts ließ sich nicht befriedigend lösen. Dieser Konflikt zwang jeden Liberalen früher oder später zur Entscheidung zwischen
einer weiteren Forcierung der Demokratie oder der Priorität für die Eigentumssicherung. Die Gründung der "Liberty and Property Defence League"
(LPDL) durch Lord Wemyss 1883 war nur ein Ausdruck des dadurch ausgelösten Spaltungsprozesses. Dieser war in der radikal-liberalen Eigentumskonzeption des frühen 19. Jahrhunderts bereits angelegt: "Benthamite fundamentalism, having served for a time to challenge landed hegemony,
reverted to its other role as a defence of property against the democratic
threat."62
Der konservativen Partei nach Disraeli brachten sowohl die aktiven Eigentumsschützer als auch die um ihr erworbenes Eigentum besorgten Wähler
einen stetig wachsenden Zulauf ein. Auch den Konservativen wurde dabei
im Hinblick auf das Verhältnis von Wahlrecht und Eigentum ein
Strategiewandel abverlangt, der jedoch leichter zu vollziehen war als bei den
Liberalen, weil er die grundsätzliche Priorität, den Schutz des Eigentums,
61
ALBERT VENN DICEY, The Balance of Classes, in: Essays on Reform, London 1867,
hier zit. nach der (schlechten) Edition von: W. L. GUTTSMAN (Hg.), A Plea for
Democracy, S. 60-71, S. 69. Vgl. die Zurückweisung der Kategorie 'class' bei
L a y a r d , 1 6 . 4 . 1 8 6 6 , HANSARD III, B d . 182, S p . 1439.
62
A. OFFER, Property and Politics, S. 41; vgl. auch S. 152f., 156, 297 f.
227
nicht in Frage stellte. Der zentrale Wertbegriff brauchte sich bei den Konservativen nicht zu ändern, nur die Methoden seiner Durchsetzung: Statt im
Namen des Eigentums gegen die Demokratie zu kämpfen, kämpfte die
konservative Partei nun für eine Demokratie, in der die Eigentümer das Sagen hatten.
228
KARL H . METZ
Vom Besitzindividualismus zur Sozialpflichtigkeit:
Eigentumsbegriff und Sozialpolitik an der Wende zum 20. Jahrhundert
I.
Die Wurzeln des Eigentums sind Arbeit und Anerkennung: Arbeit, mit welcher sich der Mensch die Natur zurecht richtet, als Produkt aneignet; Anerkennung durch andere, daß jemand über Produkte oder Produktives rechtens
verfugt. Diese beiden Wurzeln sind verschieden und doch vielfach und konfliktträchtig aufeinander bezogen. Die Anerkennung des Eigentums ist Teil
einer umfassenderen Anerkennung des Einzelnen durch die Gemeinschaft
und damit ein das Personmoment des Einzelmenschen Stärkendes. Individualistische Vergesellschaftung und private Eigentumsordnung sind somit
eng miteinander verknüpft. Historisch entscheidend ist dabei die Durchsetzung des Marktmechanismus gewesen, als dessen bewegende Kräfte Stadtbewegung sowie gewerbliche Arbeit und Arbeitsteilung gelten dürfen. Eigentum und Herrschaft begannen sich zu trennen und aus der Trennung heraus in ein neues Verhältnis zueinander zu treten. Mit der fortschreitenden
Differenzierung von Eigentum und öffentlicher Gewalt einher ging die Aufgliederung von Gesellschaft und Staat als relativ eigenberechtigte Handlungsbereiche. Das (formal) herrschaftslose, private Eigentum war individuell, d.h. personen- statt sippen- oder standesbezogen, es war ein Marktphänomen und also vergeldlicht. Es konnte nur bestehen, weil es herrschaftsund staatsfrei war, sozusagen asozial und rein materiell aufgefaßt und
aspekthaft reduziert auf kommerziellen Tauschwert. Doch in seiner Ermöglichung steckte zugleich ein zweifacher Konflikt: Wo Herrschaft und Eigentum ineinander verschränkt gewesen waren, hatte das Eigentum von vorn-
229
herein seinen Platz in der politischen Ordnung gefunden. Mit seiner Trennung mußte es sich diesen erst erwerben, wobei es zum Zusammenstoß von
Herrschaft und Eigentum kam, zum politischen Grundkonflikt also der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft. Ein zweiter, im freien, aspekthaft behandelten Eigentum angelegter Gegensatz entstand aus der Arbeitsbeziehung
des Eigentums bzw. aus der Tatsache, daß nicht jeder Arbeiter Eigentümer,
nicht jeder Eigentümer Arbeiter war, gleichwohl aber beide einander bedurften. Dies führte zum sozialen Grundkonflikt der bürgerlichen Gesellschaft, zum Versuch einer Vermittlung durch Hinwendung zur Sozialstaatlichkeit oder zur Negation einer solchen Vermittlungsmöglichkeit im radikalen Sozialismus und seiner Forderung nach Beseitigung des Privateigentums. Gleichviel, der Liberalismus, das ist die bürgerliche Position im konstitutionellen Grundkonflikt, wurde im sozialen Grundkonflikt in Frage gestellt. Das bürgerliche Eigentum, gekennzeichnet durch die unbeschränkte
Freiheit der Verfügung, das Recht des Gebrauchs wie des Mißbrauchs, geriet
in eine Krise, aus der man reformistisch durch eine neue Form der Sozialpolitik herauszulenken suchte. Die Privatisierung des Eigentums - wie des Risikos -, mit welcher die Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft begonnen
hatte, wurde eingeschränkt durch den Grundsatz der Sozialpflichtigkeit: Da
alles Eigentum letztendlich das Ergebnis der sozialen Organisation sei,
bleibe es an deren allgemeinen Wohlfahrtszweck gebunden. Da jedoch das
liberale Personenargument nur eingeschränkt, nicht abgeschafft wird, hält
man daran fest, daß die Eigentümergesellschaft den unentbehrlichen sozialökonomischen Rahmen politischer Individualisierung bildet.
Ist die Sozialpflichtigkeit nun eine späte Etappe der politischen Wiedereinbindung des Eigentums, so verkörpert das Ringen um den Rechts- und Verfassungsstaat die erste, frühe. Das freie, herrschaftslose Eigentum erhob zu
seiner Sicherung einen Anspruch auf politische Repräsentation: Das war der
Inhalt der Englischen Revolution und ihrer weltanschaulichen Festlegung in
der Eigentumslehre John Lockes. "Property", Eigentum in diesem umfassenderen Sinn, war mit "life und "liberty" eng verbunden, denn Sicherheit des
Eigentums konnte es nur da geben, wo auch Leben und Freiheit gesichert
waren. "Property" war damit nicht bloß die Fähigkeit, über dingliches Eigentum zu verfügen, es stellte zugleich einen Rechtszustand dar, der durch
230
parlamentarische Repräsentation und Verfassung die Sphäre der politischen
Herrschaft zu beschränken suchte. Denn mit der allmählichen Verlagerung
der Wirtschaftstätigkeit von der Landwirtschaft auf Handel und Gewerbe und
der damit spürbar werdenden Kommerzialisierung des Grundbesitzes verlor
dieser seine unmittelbare Herrschaftsbedeutung. Verbunden damit war das
Prinzip der persönlichen Freiheit eines jeden, der sozial fortan als Eigentümer wahrgenommen wurde, und sei es bloß seines Leibes und seiner Arbeitskraft. Ein Ergebnis ist das dynamische Paradox der Eigentümergesellschaft, nämlich eine Gesellschaft rechtlich Gleicher, doch sozioökonomisch
Ungleicher zu sein. Der wesentliche Beitrag Lockes zu der hier entstehenden
bürgerlichen Eigentums lehre als Kern und Keim der ganzen bürgerlichen
Staatslehre bestand darin, den Akt der Anerkennung von Eigentum noch vor
jenen der Staatswerdung zu legen und in einem erdachten Naturzustand Arbeit und Eigentumsbildung miteinander zu verschränken.1 Denn die Staatswerdung gehe aus der ungleichen Verteilung des Eigentums hervor, sie erfolge geradezu als Akt seiner Verteidigung. Dementsprechend galt das Eigentum als Bedingung wie Begrenzung der Staatsbildung2, weil eben der Eigentumsschutz den Zweck des Staates begründete und ihm damit zugleich
die willkürliche Verletzung des Eigentums als zweckwidrig verwehrte. Damit wurde politische Repräsentation praktisch zur Sache der Eigentümer, da
nur sie ein "dauerhaftes" Interesse am Land zu haben schienen und nicht
bloß eines am schieren Leben. Hier zeigen sich zugleich zwei Ansätze jener
späteren Debatte, aus der sich die Sozialpolitik heraus entwickelte: Das Ausgehen vom Gedanken des Eigentumsschutzes führte in der Folge zum Prinzip "emanzipatorischer" Sozialpolitik, die den Leibschutz als Eigentumsschutz deutete, während das Ansetzen beim materiellen Dasein und der Begründung des Staates von der Existenzsicherung her zu einer "materiellen"
Sozialpolitik fortlenken mußte.3 Beide Ansätze waren modern, insofern sie
von der grundsätzlichen Gleichheit der Menschen ausgingen und ein privates, von Hoheitsrechten abgetrenntes Eigentum annahmen. In ihrer Auffassung des Staates allerdings nahmen sie gegensätzliche Standpunkte ein, wie
sie sich bereits im zeitgenössischen Widerstreit der Lehren von Locke und
1
2
3
JOHN LOCKE, Second Treatise on Government (1689), 34, 36, 46-48, 50.
Ebd., §§ 123, 124, 129, 138, 139.
Vgl. hierzu K. H. METZ, Industrialisierung und Sozialpolitik. Das Problem der sozialen Sicherheit in Großbritannien 1795-1911, Göttingen 1988.
231
Thomas Hobbes andeuteten. Bei Hobbes blieb das Eigentum letzendliches
Erzeugnis der politischen Organisation, deren Aufgabe zwar seinen Schutz
vor dem Zugriff anderer einschloß, die aber selber über dem privaten Eigentumsrecht stand.4 So gehörte bei ihm auch die Armenpflege, einschließlich
der Arbeitsbeschaffung, zu den Schutzaufgaben des Staates,5 anders als bei
Locke. Die Englische Revolution jedoch brach mit der möglichen Kontinuität eines starken Staates und bereitete so der Lockeschen Konzeption den
Weg, an dessen Ende der liberale Eigentumsbegriff stand.
Die ökonomische Funktion des absoluten, privaten Eigentums bestand einmal in der Freisetzung des individuellen Erwerbs- und Wettbewerbswillens,
zum anderen in der beständigen Umverteilung von Ressourcen zwischen
verschiedenen sozialen Zwecken, die miteinander in Konkurrenz standen.
Alle Ressourcen, einschließlich der Arbeitskraft, mußten zu einem derart frei
austauschbaren Eigentum werden. Das private, unbeschränkt tauschbare und
unbeschränkt erwerbbare Eigentum bildete so die wichtigste soziale Triebkraft des im späteren 18. Jahrhundert einsetzenden kapitalistischen Industrialisierungsprozesses. Damit erhielt das Eigentum bzw. seine ungleiche
Verteilung den Zweck gesellschaftlicher Nützlichkeit. Das Streben, Eigentum zu erwerben, mündete ein in die "free individual agency" und damit in
wirtschaftlichen Fortschritt als Ergebnis individueller Vorteilssuche. Das Gesetz als Gewährleistung von Sicherheit beflügelt Erwerb und Fleiß, aus der
Sicherheit des bestehenden Eigentums speist sich der Wunsch, selber Eigentum zu erwerben, und das heißt, nach "abundance", nach mehr als
"subsistence" zu streben.6 Dieser Gedanke, daß der Wunsch nach dem "Mehr
als bloß Subsistenz" einem menschlichen Grundbedürfnis entspreche, verbunden mit dem Personenargument, wurde von Thomas Hill Green zur dritten, sozusagen personalistischen Variante in der liberalen Begründung des
Privateigentums fortentwickelt, neben der politischen Lockes und der sozialökonomischen Benthams. Für Green ist das Eigentum Ausdruck des Bestrebens eines Individuums, seiner Vorstellung eines Guten Wirklichkeit zu
4
THOMAS HOBBES, L e v i a t h a n ( 1 6 5 1 ) , L o n d o n 7 1 9 7 8 , K a p . 18, S. 181 f.
5
Ebd., Kap. 30, S. 303 f.
JEREMY BENTHAM, Principles of the Civil Code (1802), Auszug, abgedruckt in: Property. Mainstream and Critical Positions, hg. v. C. B. MACPHERSON, Toronto 1978,
6
S. 5 1 - 5 5 .
232
verleihen, gewissermaßen das Gute als Gut faßbar zu machen. Da dieses
Streben ein allgemein menschliches ist, so wird jedes Mitglied einer Gesellschaft es als Recht für sich ebenso in Anspruch nehmen wie anderen zugestehen.7 Eine Beschränkung des Erwerbs von Eigentum würde dieses Bestreben beschneiden. Das führt zwar zur Ungleichheit des Eigentums, schließt
aber im Prinzip niemanden von der Eigentumsbildung aus. Green wußte
zwar vom Vorhandensein eines Proletariats, leitete dessen Eigentumslosigkeit jedoch nicht von der Ungleichheit der Eigentumsverteilung ab, sondern
von historischen Eigenheiten der wirtschaftlichen Entwicklung, wie dem raschen Bevölkerungswachstum oder der fehlenden beruflichen Ausbildung
von Arbeitern. Das war gewiß ein Übel, aber eben ein historisches, also reformierbares, kein systematisches, in der Einrichtung des Privateigentums
selbst angelegtes.
II.
So verschieden also im einzelnen auch die Begründungen des Privateigentums ausfallen mochten, an seiner Absolutheit ließen sie kaum Zweifel.
Daran änderte auch die gegen Ende des Jahrhunderts erneut laut werdende
Kritik des Bodenbesitzes nichts Wesentliches, denn als Teil einer Kritik der
Aristokratie hatte sie seit je zum Angriffsbestand des liberalen Radikalismus
gezählt. Zwar enthielt Greens Gedanke eines "common good", auf welches
hin die Mitglieder einer Gemeinschaft handelten, den Ansatz einer das Eigentum begrenzenden Polis-Vorstellung, der jedoch unausgeführt blieb, da
Green unter dem Streben nach einem solch gemeinsamen Gut das gemeinsame Bemühen um Weltwerdung des Ich, um Vervollkommnung des Selbst
verstand. Einen das individuelle Wollen übergreifenden Begriff des gemeinsamen Guten gab es nicht, von dem sich eine begrenzende Kritik des Eigentums um den Gedanken seiner Sozialpflichtigkeit hätte ableiten lassen. Das
war die eine Möglichkeit, die andere ergab sich aus der Verkehrung des
Benthamschen Arguments der funktionalen Nützlichkeit des Privateigentums, eben als Nachweis, daß es inzwischen dysfunktional geworden sei.
7
THOMAS HILL GREEN, T h e P r i n c i p l e s o f Political O b l i g a t i o n ( 1 8 8 5 ) , A u s z u g a b g e -
druckt in: ebd. S. 104, 107f.
233
Das waren dann die beiden Standpunkte der um die Wende zum 20. Jahrhundert sich unüberhorbar zu Wort meldenden Eigentumskritik, und sie sind
es bis zum heutigen Tag geblieben. Die Anerkennung eines absoluten Privateigentums war in eine Krise geraten, weil es das Monopol der politischen
Repräsentation, das es im 17. Jahrhundert erworben hatte, einzubüßen begann. Mit der Ausweitung des Stimmrechts auf die Arbeiterbevölkerung seit
1867 erhielten die Interessen von Menschen Gesetzesbedeutung, deren sozialer Zustand gerade die Eigentumslosigkeit war. Damit begann der Gedanke
bedeutsam zu werden, daß die Eigentümer über Abgaben und Steuern soziale
Billigkeitsansprüche da einzulösen hätten, wo die Betroffenen selbst es nicht
durch Eigentum konnten. Die Vertreter des absoluten Eigentumsbegriffs, wie
der bedeutende Jurist Albert V. Dicey, sahen darin die Verdrängung des
"individualistischen" durch ein "kollektivistisches" Prinzip:8 Dem Einzelnen
werde durch staatliche Regelungen schrittweise die Verantwortung für die
soziale Gestaltung seines Daseins abgenommen, d.h. das Soziale der individuellen Existenz wurde nicht länger individualisiert, sondern der Kollektivzuständigkeit zugewiesen. Damit einher ging eine Abwertung des Privateigentums, weil es nicht mehr die einzige Ressource zur "würdigen" Bewältigung sozialer Risiken und Bedürfnisse war und weil es zudem durch Zwang
zur Finanzierung der Risiken und Bedürfnisse anderer herangezogen wurde.
Die Einführung von Schulpflicht und Schulgeldfreiheit, die beitragsfreie
Versicherung für Arbeitsunfälle oder die staatsfinanzierten Altersrenten galten als Beispiele einer solchen Verantwortungsverlagerung, d.h. des Übergangs zu einer materiellen Sozialpolitik. Alter und direkter noch war die Beschränkung des absoluten Privateigentums durch die verschiedenen Fabrikund Hygienegesetze gewesen, wie sie seit den 1830er Jahren verabschiedet
worden waren. Allerdings hatte das der utilitaristischen Eigentumsauffassung
nicht widersprochen, die davon ausgegangen war, daß der Eigentumsgebrauch nicht das Eigentum anderer schädigen dürfe, und über die Eigentumsdefinition des Leibes hatte die emanzipatorische Sozialpolitik ihr Eingreifen bekanntlich begründet.
8
ALBERT V. DICEY, Lectures on the Relation between Law and Public Opinionin
England (1905), London 1940, S. 278, 283 f., passim.
234
Ließen sich nun die formalen Kontrolleistungen einer solch emanzipatorischen Gesetzgebung noch mit dem individualistischen Eigentumsdenken
vereinbaren, so mußte es bei der Hinwendung zu einer materiellen Sozialpolitik zum Konflikt kommen. Die Verfechter des Eigentumsabsolutismus bemerkten das schon frühzeitig, noch ehe von materieller Sozialpolitik recht
geredet werden konnte. Diese bildete auch nicht den ursächlichen Ausgangspunkt. Was sie benunruhigte war die Ausweitung des Wahlrechts und ihre
sich daran anschließende Vermutung, das Stimmrecht werde bald zur Beantwortung der "Magenfrage" eingesetzt werden. In dieser Vermutung waren
sie nicht allein. Joseph Chamberlain, Handelsminister und Führer des linken
Flügels der Liberalen Partei, sprach im Januar 1885, kurz nach einer neuerlichen Stimmrechtsauswertung, davon, daß die Eigentümer in einer demokratisierten Eigentumsgesellschaft den Besitzlosen ein "Lösegeld" für die weitere Anerkennung ihres Besitzes zu zahlen hätten.9 Das konnte in Form von
Steuern geschehen, über die gewisse, den Eigentumseffekt kompensierende
Leistungen zu finanzieren waren, das konnte ebenso über Beschränkungen
des Eigentumsgebrauchs erfolgen. "Property has obligations as well as
rights", erklärte Chamberlain, das Prinzip des absoluten Eigentums verwerfend, und er fügte hinzu, daß in Zukunft von den Pflichten sehr viel mehr die
Rede sein werde, als von den Rechten. Dies war die Linie, die auf eine Sozialpflichtigkeit des privaten Eigentums zulief, ohne dieses selbst jedoch in
Frage zu stellen, es war die Linie der Sozialpolitik, trotz der die Besitzenden
schockierenden Sprache. Kompensierende Besteuerung des Eigentums, insbesondere durch eine gestaffelte Einkommens- und Erbschaftssteuer, sowie
Beschränkungen seines Gebrauchs bildeten demnach die beiden Säulen des
Prinzips der Sozialpflichtigkeit, wobei diese Beschränkungen vom eigentlichen Leibschutz bis zum Gedanken öffentlicher Güter reichte, der
Beschränkung des Privateigentums durch Ansprüche eines Gemeineigentums
an der Natur, an Luft, Licht, Wasser, am Genuß der Naturschönheit selbst.
Gegen eine derartige Relativierung des Privateigentums freilich richtete sich
sogleich heftiger Widerspruch. Sein gewichtigster Vertreter war Herbert
Spencer. Eine freie Gesellschaft war ihm nur als auf dem Privateigentum gegründet vorstellbar. Je umfassender dabei die Verfugung des Einzelnen über
9
JOSEPH CHAMBERLAIN, Speeches, Bd. I, London 1914, S. 137.
235
sein Eigentum ausfiel, als desto freier durfte eine Gesellschaft gelten. Freiheit erschien als die formale Zulässigkeit unbeschränkt zu erwerben wie auszugeben. Jeder staatliche Paternalismus, wie bei Spencer die Sozialpolitik
hieß, beruhe auf der mangelnden Unterscheidung der Familienethik bzw.
ihres Prinzips der Solidarität mit der um das Prinzip der Rechtssicherheit und
Gerechtigkeit geordneten Staatsethik.10 Alles Reden von so etwas wie
"sozialer" Gerechtigkeit oder einer ihr zugehörigen Sozialpflichtigkeit des
Privateigentums erschien demzufolge als irreführende Vermischung unvereinbarer Grundsätze. Im Ergebnis kam es zur erneuten Aufwertung des
Staates durch die soziale Ausweitung seiner Gerechtigkeitsfunktion, was
notwendig zu einer entsprechenden Schwächung der Gesellschaft als eines
Handlungsverbundes selbstverantwortlicher Individuen führen mußte. Es bestand gewissermaßen die Gefahr, daß der Staat, der einst durch den Absolutheitsanspruch des privatisierten Eigentums gezähmt worden war, aus dieser
Zähmung ausbrechen und das Eigentum sich unterordnen könne, wie er das
bereits in der Zeitspanne zwischen dem Niedergang des feudalen und der
Durchsetzung des privaten Eigentums versucht hatte. Es ist der Gegensatz
der Standpunkte von Locke und Hobbes, der hier erneut aufbricht: Wo liegt
letztendlich die Verfügung über das Eigentum, beim Staat oder beim einzelnen Eigentümer?11 Auch Spencer hielt daran fest, daß das Privateigentum
dem Staat voranging, doch nahm er dann seinen Ausgang vom vorhandenen
Zustand, der seit dem 17. Jahrhundert sich durchsetzenden Eigentümergesellschaft, deren Ergebnisse die individuelle Freiheit, das absolute Eigentum
und der gezähmte Staat waren. Den Durchsetzungskern, dieses Eigentum
eben, zu zersetzen bedeutete folglich, zurückzufallen in eine "aggressive"
Staatlichkeit und in einen Zustand paternalist scher Abhängigkeit. Wenn
Spencer erklärte, das "divine right of kings", unter dem der erste Angriff auf
das Privateigentum geführt worden sei, werde nun durch einen neuen Aberglauben, das "divine right of parliaments" abgelöst, so begegnete er dem Argument von der gesetzgeberischen Allmacht des Parlaments mit dem Hinweis, daß das Parlament an den bestehenden Gesellschaftsvertrag gebunden
bleibe, aus dem es erst hervorgegangen sei. 12 Kurzum, dem Eigentum kam
10
HERBERT SPENCER, The Man versus The State, London 1884, S. 66.
Ebd., S. 73 f.
12
Ebd., S. 78, 82 f.
11
236
keine Sozialpflichtigkeit zu, weder eine ihm innewohnende noch eine ihm
durch Gesetz zugewiesene. Was allenfalls blieb war Philanthropie, war die
freiwillige Wohltätigkeit eines Eigentümers aus Belieben. Was Spencer hier
vortrug wurde rasch zum Standardargument gegen jede Behauptung einer
Sozialpflichtigkeit des privaten Eigentums. Und so, wie diese Behauptung
mit zunehmender Politisierung der arbeitenden Massen selbst auf das Besitzbürgertum Eindruck zu machen begann, so fand auch das Gegenargument
einen nicht unbeträchtlichen Anhang in seinen Reihen. Die 1882 gegründete
"Liberty and Property Defence League" gab diesem Unbehagen auf viele
Jahre hinaus wirkungsvollen politischen Ausdruck. Die "letztendliche" Frage
der Demokratisierung, das war die leitende Überzeugung der League, war
eine des Eigentums.13
Das blieb auch die Überzeugung derjenigen, die von Verteidigern des absoluten Eigentumsverständnisses als Gegner angesehen wurden, und das zu
Recht, glaubten sie doch, mit der Demokratisierung der Politik werde eine
Veränderung des Eigentumsbegriffs unumgänglich und das sei gut so, weil
man nur auf diese Weise eine neue, entwicklungsgeschichtlich höhere Form
der Vergesellschaftung erreichen könne. Dies jedoch sei nicht durch eine sozialistische Zerstörung des Liberalismus zu erreichen, sondern durch seine
zeitgemäße Erneuerung, weshalb die Verfechter dieser Ansicht als "New Liberais" bekannt geworden sind. Ein Liberalismus ohne Privateigentum aber
blieb undenkbar. Daher verwandten die Neuliberalen große Mühe darauf,
zwischen "individuellen" und "sozialen" Bestandteilen des Eigentums bzw.
der Eigentumsschaffung zu unterscheiden. Das ermöglichte es, die Sozialpflichtigkeit des Eigentums mit dessen individuell unverdienten, sozial geschaffenen Bestandteilen in Verbindung zu bringen, um diese dann durch
Steuern oder andere Beschränkungen an die Gesellschaft zurückzufuhren,
ohne das Eigentumsprinzip selbst in Zweifel ziehen zu müssen. Für die Liberalen war das unabdingbar, weil sie zum einen in der Eigentumsidee die
große Kontinuitätslinie ihrer Politikanschauung erblickten und weil sie zum
anderen der Unterstützung durch die besitzenden Mittelklassen bedurften,
um mehrheitsfahig zu werden, der Mittelklassen, aber ebenso der Arbeiter13
E.BRJSTOW, The Liberty and Property Defence League and Individualism, in: HistJ
18 (1975), S. 763.
237
schalt. Die Lehre vom "unearned increment", vom gesellschaftlich begründeten, gleichwohl individuell angeeigneten Wertebestandteil des Privateigentums erlaubte es, ideologisch die am Beginn des 20. Jahrhunderts für den Liberalismus überlebensnotwendig gewordene Zwischenposition zwischen
Mittelschicht und Arbeiterwählern einzunehmen. Kennzeichnend hierfür
war, daß die Steuern, im klassischen Liberalismus als zwar unumgängliches,
gleichwohl grundsätzliches Übel angesehen, von den Neuliberalen zu einem
positiven Mittel sozialer Reform umgedeutet wurden. Die Besteuerung des
Bodenbesitzes bot sich dabei als exemplarischer Fall eines "unearned increment" besonders an, ebenso die großen Erbschaften und hohen Einkommen.
Das war dann die Linie neuliberaler Steuerpolitik, wie sie in Lloyd Georges
"Volksbudget" von 1909 ihren Höhepunkt fand.
Aber es steckte ein Grundsatz dahinter, die Absage eben an jegliches
"absolutes Eigentum", da privater Besitz ohne die Unterstützung der Gesellschaft weder zustande gekommen sei noch Bestand haben könne:14 Die Gesetze beschützen ihn und geben ihm Sicherheit, die wirtschaftliche Organisation verleiht ihm Geldwert und macht ihn austauschbar, die Gemeinschaft
anerkennt schließlich, daß Teile der materiellen Welt, die zunächst allen
gleich gehörten, individuell genutzt werden. Alles das formt ein "soziales
Eigentum" im privaten, es gehört demnach in die Sphäre des Politischen und
kann dort gemäß politischen Entscheidungen umverteilt werden. Diese Auffassung, von den führenden neuliberalen Denkern John A. Hobson und
Leonard Hobhouse mit Entschiedenheit vertreten, gab freilich nicht an, wo
denn eigentlich die Grenze zwischen den individuellen und den sozialen Bestandteilen des Eigentums verlief. Zwar hielten sie noch an der altliberalen
Annahme fest, daß das private Eigentum Ausdruck und Mittel der Individualisierung sei und führten diesen Gedanken dadurch fort, daß sie in ihrer
Trennung von Individuellem und Sozialem sowohl das persönliche Tätigkeits- bzw. Ausdrucksmoment deutlich machten wie dessen Einbindung in
gesellschaftliche Zusammenhänge. Aber die innere Spannung dieses Ansatzes blieb unausgeführt. Die Mutmaßung feindlicher Zeitgenossen, in diesem sogenannten "neuen" Liberalismus bleibe vom Individualismus kaum
etwas übrig, war so unbegründet nicht, auch wenn sie selbst mit ihrem schie14
JOHN A. HOBSON, Problems of Poverty, London 1891, S. 198 f.
238
ren Festhalten am schrankenlosen Eigentumsbegriff vor der unabweisbar
werdenden sozialen Qualifizierung des Eigentumverständnisses - wie der
Sozialpolitik - einfach die Augen verschlossen.
Während die Altliberalen unter dem Oberbegriff der freien Kaufmannschaft
das Privateigentum sowohl als Kraft der Individualisierung wie des wirtschaftlichen Wachstums verteidigten, erklärten Neuliberale wie Hobson, daß
die unbeschränkte Aneignung des "unearned increment" nicht nur der sozialen Gerechtigkeit widerspreche, sondern auch ein Übersparen zur Folge habe
bzw. in eine Unterkonsumption der Massen münde und damit in Phasen der
wirtschaftlichen Depression. Ökonomisches und moralisches Argument stützen sich dabei wechselseitig, was wohl heißen soll, daß das Ideal zugleich
Erfordernis sei. Hier wie in manch anderem waren die Neuliberalen von den
Sozialisten nicht allzu weit entfernt. Daß die Neuliberalen im Prinzip am Privateigentum festhalten wollten, bedeutete allerdings, daß weiterhin Menschen für ihre unterschiedliche Leistungsbereitschaft ein unterschiedliches
Einkommen beziehen und aus ihm ein Vermögen bilden konnten, daß also
die Ungleichheit - wenngleich gemindert - weiterhin einen Grundbestandteil
der Gesellschaft bildete. Zwar stand alles "monopolistische" Eigentum, wie
etwa Eisenbahnen, Stromversorgung oder auch der Großgrundbesitz, prinzipiell in der Verfügung des Staates, nicht jedoch das kleine Eigentum bzw.
der durch Arbeit erworbene Besitz. Bei Monopolen war der soziale Faktor
allbestimmend, bei anderem Besitz war er nur begleitend. So sollte eine gestaffelte Besteuerung nur diesen sozialen Teil betreffen, andererseits erhielt
jeder als Bürger des Staates über die Verteilungsmechanismen der Sozialpolitik Rechtsansprüche am "sozialen Reichtum", d.h. an jenem öffentlichen
Eigentum, das durch die politischen Organisationleistungen entstanden war,
soweit es eben aus dem privaten Eigentum herausgelöst und dem Staat zugeführt worden war. 15 Mit der materiellen Sozialpolitik entstand somit in der
Industriegesellschaft eine zweite Form des von Einzelnen materiell nutzbaren Eigentums, das eines des Rechts ist, nicht eines Dings, und das ein relatives bleibt, kein ausschließlich einem einzelnen zugehörendes.
l5
L . T. HOBHOUSE, Liberalism (1911), New York 1964, S. 83 f., 96 f., passim.
239
Obgleich die Neuliberalen diesen Ansatz eines individuell beanspruchbaren,
sozial organisierten "zweiten" Eigentums kaum als konkrete Sozialpolitik
formulierten, war doch offensichtlich, daß die von ihnen erstrebte neue Begründung des Eigentums auf ein derartiges soziales Eigentum zulief, das
weitgehend die Objekte sozialisierte und den Bürgern sodann gewisse Nutzungsrechte anbot. Hobhouses Gegenüberstellung von "property for use" und
"property for power", eine Umformulierung des Konzepts vom unverdienten
Wertzuwachs, wies in diese Richtung.16
Zu rechtfertigen war eigentlich nur jenes Nutzungseigentum, das jemand
benötigte, um sein Leben zu erhalten und zu entwickeln, wogegen alles
Machteigentum, mit dem man andere abhängig werden ließ, der sozialen statt der individuellen - Verfügung zugewiesen wurde. Oder anders ausgedrückt: Da, wo die politische Organisationsleitung für die Konstitution von
Eigentum dominant geworden war, konnte auch kein individueller Besitzanspruch mehr geltend gemacht werden. Das hieß natürlich, daß die Entscheidung, wieviel Eigentum jemand zu seiner persönlichen Entwicklung brauche
bzw. sich aneignen dürfe, kollektiv getroffen wurde und daß allgemein ein
Eigentum an Produktionsmitteln und Boden, sofern es zumindest die Eigennutzung überstieg, dem gesellschaftlich-politischen Belieben überantwortet
wurde. Auf diese eher rhetorische Weise sollte ein im Grunde bereits sozialistisches Konzept im Rahmen der liberalen Tradition gehalten werden, in der
eben Eigentum als Bedingung der Individualisierung und Personensouveränität gegolten hatte.
Trotz solcher Abgrenzungsversuche sind die Unterschiede im Eigentumsdenken von Neuliberalen und Fabiern, als den für England wesentlichen
Theoretikern des Sozialismus, nicht wesentlich. Eine Ursache dafür war, daß
sie beide von der Bodenfrage ausgingen, dem alten antiaristokratischen
Reizthema der Radikalen, das durch den Amerikaner Henry George in den
achtziger Jahren erneut spektakulär politisiert wurde. Georges Unterscheidung eines "value from production" und eines "value from obligation" bereitete der ganzen folgenden Eigentumskritik den Weg. Ausgehend vom Be16
L . T. HOBHOUSE, Historical Evolution of Property, in: Property. Its Rights and
Duties, hg. von C. GORE, London 1913, S. 103 ff.
240
sitz an Grund und Boden versuchte George zu zeigen, wie Wert entsteht und
wächst, ohne daß der Eigentümer irgendeine Arbeitsleistung darauf verwandte.17 Das Paradox, daß die Armut durch den wirtschaftlichen Fortschritt
keineswegs beseitigt worden sei, womöglich mit ihm zugenommen habe, sei
eine Folge solchen monopolartigen Eigentums. Daraus ergab sich für
George, daß privates Eigentum lediglich durch persönliche Anstrengung geschaffen werden könne, daß es ein solches jedoch nicht an gesellschaftlich
geschaffenen Werten geben dürfe. Diese Wertschaffung, von George im
Blick auf die Bodengewinne als Bodenrente bezeichnet, muß der sozialen
Gerechtigkeit willen an die Gesellschaft zurückgegeben werden und zwar in
Form abschöpfender Steuern, aus denen dann der Staat seine Ausgaben finanzierte. Alle auf Arbeit bzw. Arbeitsprodukte erhobenen Steuern hingegen
sollten abgeschafft werden, da es sich dabei um unzulässige Eingriffe in die
einzig berechtigte Art privaten Eigentums handle, eben um das Eigentumsrecht am eigenen Arbeitsertrag.18
Die Wirkung Georges auf die seit den achtziger Jahren sich bildende sozialkritische Linke in Großbritannien kann kaum überschätzt werden. Denn auch
wenn seine Ableitung der sozialen Frage von der Bodenfrage bald durch eine
allgemeinere Kritik des Eigentums verdrängt wurde, so blieb diese doch
weithin von den Kategorien Georges bestimmt, nicht nur bei den Neuliberalen, auch bei den fabischen Sozialisten. Alle Formen des unverdienten Zuwachses, nicht bloß Bodengewinne, sondern ebenso Kapitaleinkommen,
sollten abschöpfend besteuert und langfristig durch Vergesellschaftung der
Besitztümer selbst beseitigt werden. Gleichlaufend dazu sollte die Arbeit gesellschaftlich organisiert und jede Art privater Kapitalbildung beseitigt werden. 19 Ausgehend von der Beobachtung, daß sich im hochentwickelten Industriesystem eine Trennung von Eigentum und Unternehmerfunktion abzeichnete, zog man den Schluß, daß das Privateigentum keine sozial nützliche
Aufgabe mehr erfülle, es im Gegenteil sogar die Fortentwicklung der
produktiven Ressourcen hemme, statt sie - wie früher einmal - zu fordern.
Damit habe es seine Berechtigung, als Basis der Gesellschaft zu dienen,
17
H E N R Y GEORGE, P r o g r e s s a n d P o v e r t y ( 1 8 7 9 ) , N e w Y o r k 1 8 9 8 , S. 3 3 3 - 3 6 .
18
Ebd., S. 403, 414 ff.
SIDNEY WEBB, The Basis of Socialism. Historic, in: Fabian Essays (1889), hg. v. G.
B. SHAW, London 1962, S. 86 f.
19
241
verloren. Daraus konnte man dann das Verlangen nach seiner völligen Beseitigung ableiten, konnte sich aber ebenso gut mit der Vergesellschaftung
des Großeigentums begnügen, wie das etwa auch ein Fabier wie der Historiker Richard Tawney tat. Das Eigentum besaß für ihn eine ökonomische
Funktion im Zusammenhang der Wirtschaftsentwicklung und eine individuelle als Sicherung des Lebens über den Tag hinaus. Doch die erste Funktion
war bereits überflüssig geworden und die zweite konnte es werden, sobald
nur durch Sozialpolitik eine umfassende Absicherung gegen die Risiken des
Lebens gewährleistet blieb. Eigentum, das "passiv" war oder wurde, hatte
seine Funktion eingebüßt und mit ihr seine Berechtigung.20 Das neue Eigentum sollte nur noch als ein aktives möglich sein, und das hieß gemäß der
Entwicklungsstufe der Wirtschaft, es hatte hauptsächlich ein öffentliches zu
sein und kein privates mehr.
Das wären dann die beiden Positionen der Eigentumskritik zu Beginn des 20.
Jahrhunderts, nämlich einmal die Vorstellung einer Eigentumsbegrenzung im
Zeichen seiner Sozialpflichtigkeit, zum anderen das Verlangen nach der Beseitigung der grundlegenden Rolle des Eigentums in der modernen Gesellschaft überhaupt. Sie bestimmten die Auseinandersetzungen der folgenden
Jahrzehnte.
III.
Der Konflikt um die Auffassung des Eigentums ist ein Grundkonflikt um die
rechte Auffassung der Gesellschaft, weil die Akte von Arbeit und Anerkennung begründende Akte der Gesellschaftsbildung selbst sind. Arbeit schafft
Werte, die angeeignet werden können, von denen die Sicherung wie die Verbesserung des materiellen Lebens abhängt. Wer über solche Werte verfügt,
hat einen Machtvorteil gegenüber anderen, denen sie fehlen, wobei aber
nicht nur ungleiche Besitzverhältnisse einen solchen Vorteil schaffen, sondern sehr viel allgemeiner der allem Wirtschaften zugrunde liegende Mangel
an nutzbaren Gütern. Wo dem "öffentlichen Eigentum" der Vorzug gegeben
20
RICHARD H. TAWNEY, The Sickness of an Acquisitive Society (1920), Auszug, abgedruckt in: Property, wie Anm. 6, S. 135, 140, 145 f.
242
wird, wird der Markt durch die Staatsverwaltung als dominantem Verteilungsgeflige ersetzt, ohne daß dabei die Demokratisierung der Politik schon
zum Verschwinden des Machtvorteils fuhren würde, wie sich das die
"progressiven" Eigentumskritiker der Jahrhundertwende erwarteten. Ihre Widersacher, jene Altliberalen, die nun unwiderstehlich zu Konservativen wurden, sahen hier sehr viel schärfer. Die Zuteilung von öffentlichen Gütern erfolgte nach festgelegten, standardisierten "Bedürfhissen" durch eine zentralisierende Bürokratie. Der Raum der "Gesellschaft", wie er mit der Scheidung
von Herrschaft und Eigentum entstanden war, wurde entscheidend eingeschränkt, je mehr das "public property" das private verdrängte. Die "free individual agency", diese Leitidee des klassischen Liberalismus, drohte weltanschaulich bedeutungslos zu werden. Die Selbsthilfe als sozialökonomischer Mechanismus der liberalen Personensouveränität bedurfte einer entfalteten Eigentumsordnung und des Marktes, um zu funktionieren.21 Ohne
diese im Agency-Konzept enthaltene Trias von Selbsthilfe, Eigentum und
Selbstverantwortung konnten Freiheit und Individualismus keinen Bestand in
der Gesellschaft haben. Das 20. Jahrhundert wiederholte hier die Stichworte,
welche das neunzehnte ihm gab und ähnlich verhielt es sich bei der Eigentumskritik.
Vom Ende dieses Jahrhunderts aus betrachtet ist es jedoch die Position der
Kritiker gewesen, die den nachhaltigeren Einfluß ausgeübt hat, ohne freilich
das Endziel, die Ersetzung des zum "corporate property" gewordenen Privateigentums durch das "public property" erreicht zu haben. Die Vorstellung der
Sozialpflichtigkeit anerkannte weiterhin die doppelte Funktionalität privaten
Eigentums sowohl als Kraft wirtschaftlichen Wachstums wie individueller
Freiheit, doch sie nahm ihm seinen absoluten Charakter. Sie bildete damit
einen Parallelismus zum Eigentum ähnlich der sie entwickelnden Sozialpolitik. Beide waren sie das politische Folgeprodukt einer Gesellschaft des absoluten, äußerst ungleich verteilten Eigentums und des dadurch ausgelösten
sozialen Gegensatzes. Die Sozialpolitik schränkte den Eigentumsgebrauch
schrittweise ein und schuf daneben kompensatorische Eigentumseffekte in
21
K . H. METZ, "Selbsthilfe": Anmerkungen zu einer viktorianischen Leitidee, in:
"Victorian Values": Arm und Reich im Viktorianischen England, hg. v. B. WEISBROD, Bochum 1988 (ADEF-Reihe, Bd. 7), S. 97-126.
243
Gestalt der sozialen Sicherheit, eben ein "zweites" Eigentum neben dem
überkommenen.
Dieser Vorgang blieb nicht ohne Rückwirkungen auf das private Eigentum
selber. So wurde das Eigentum insgesamt zunehmend als Rechtsanspruch
aufgefaßt, den man auf ein Gut, ein "Ding", hatte, anstatt mit diesem Ding
selbst gleichgesetzt zu werden. Das hat mit dem Moment der sozialen Anerkennung zu tun. Damit wächst zugleich die Auffassung, Eigentum sei etwas
durch die politische Organisation Begründetes: Zwar kann Arbeit weiterhin
Eigentum frei schaffen, doch sie kann es nur im Rahmen der politischen
Ordnung. Die früher vorherrschende Vorstellung vom "Ding"-Charakter des
Eigentums hatte demgegenüber die Arbeit - oder die Fiktion der Arbeit nach vorne gestellt. Die Voraussetzung dafür bestand in der Freiheit der Arbeit unter den Bedingungen von Geld und Markt: Erst die freie Arbeit produzierte absolutes Eigentum, das gegen Geld "getauscht" werden konnte. Unter
diesen Voraussetzungen entstanden Kommerzialismus und Kapitalismus.
Diese Voraussetzung zerfiel, je mehr die formale Freiheit der Arbeit der
materiellen Ungleichheit des "Tausches" entgegengestellt wurde, und eben
das tat die Sozialkritik des Eigentums, die das Wesen des absoluten Eigentums als Anspruch auf Ausschluß anderer deutete, eben als Machtvollzug.
Jetzt aber war dieses Eigentum ein formell herrschaftsfreies, das die Möglichkeit der Macht aus der formellen Herrschaftsverfassung, dem Staat, ableitete, der dabei war, ein demokratischer zu werden, mitbestimmt von allen,
die in ihm lebten, nicht nur von denen, die Eigentum besaßen. Das Politische
der Eigentumsgründung, verdeckt in der "staatsfreien" Sphäre des Marktes
bzw. seiner liberalen Beschreibung, trat so erneut mit Deutlichkeit hervor.
Das Eigentum wurde - rhetorisch - politisiert und als Anspruch auf ein Gut
bestimmt, der von der politischen Organisation gewährleistet wurde und
zwar unter Bedingungen, die sie festlegte. Man kann diese Überlegung durch
Bezug auf das "passive" Eigentum noch ausdehnen, wie es z.B. im Aktieneigentum besteht, bei dem die einst dem Eigentümer zustehenden Leitungsbefugnisse meist auf Angestellte, Manager, übergegangen sind und als Eigentumseffekt lediglich ein Anspruch auf Einkommen bleibt, nicht unähnlich
jenem, das man an Sozialleistungen hat. Schließlich wäre noch an das
Dringlichwerden der Frage zu erinnern, wem die Umwelt gehöre.
244
Es erweist sich, daß ein neues Verständnis des Eigentums erforderlich geworden ist. Zunächst gilt, daß, was allen gehört, keinem gehört und keinen
kümmert über das hinaus, was er an Eigennutz daraus ziehen kann. Nirgends
ist der Egoismus so partikulär wie da, wo man Nutzen aus etwas zieht, das
"allen" gehört. Privateigentum individualisiert, es schafft Verantwortung zumindest für das, was man hat, weil man es weiter haben will, es schafft
zugleich ein gewisses Maß an materieller Unabhängigkeit gegenüber der bürokratischen Verteilung.22 Freilich ist es im Zeitalter der Gleichheit individualistisch allein nicht länger zu rechtfertigen. Der Grundsatz der Sozialpflichtigkeit soll dem entsprechen, indem er dem Gleichheitsgedanken kompensatorische Ansprüche zugesteht, in Form von Sozialleistungen wie von
Eigentumseinschränkungen. Auch die ökonomische Entwicklung läuft auf
die bereits erwähnte "politische" Deutung des Privateigentums als Besitz eines Rechts, nicht eines Dings zu. Diese Deutung entspricht dem Wesen des
modernen Wohlfahrtsstaates, der juristisch gefaßte, standardisierte Rechte
anbietet, die jeweils unterschiedlich in Anspruch genommen und gebündelt
werden können. Gesichtspunkte der Sozial oder Naturpflichtigkeit können
dabei in diese Standardisierungen eingehen. Das mit der Freiheitslehre untrennbar verbundene individualisierende Moment privaten Eigentums würde
hier nun insoweit begrenzt, als jeder unterschiedliche Anspruchsrechte dieser
Art zu bündeln vermag, wie es seiner Lebensvorstellung gemäß ist. Dabei
beschränkt sich die Sozialpolitik aber auf durchschnittliche Absicherung gegen durchschnittliche Unsicherheiten, beläßt der Individualisierung der Lebensvorstellung jedoch hinreichend Raum, der ohne Privateigentum, sei es
auch eingeschränkt, sozioökonomisch nicht ausfüllbar bleibt.
Das wäre dann zugleich ein Ausblick auf die Zukunft. Der "propertyrights
state", wie er sich seit dem 17. Jahrhundert herausgebildet hatte, wurde seit
dem späten 19. Jahrhundert schrittweise zu einem "socialrights state" umgestaltet, parallel zur Entwicklung der Sozialpolitik in dieser Zeit. Am Ende
des 20. Jahrhunderts ist das absolute Eigentum verschwunden, hat sich die
sozialphilosophische Begründung der Marktgesellschaft vom Individualisierungsmoment des privaten Eigentums auf das Sicherungsmoment der Wohlfahrtsstaatlichkeit verlagert. In ihm erscheint der ältere Ansatz des "property"
22
CHARLES A. REICH, The New Property (1964), in: Property, wie Anm.6, S. 180 ff.
245
in egalisierter Form aufs neue, als "property in the polity", das sich jetzt jedoch aus der vorgegebenen politischen Zugehörigkeit ergibt, dem
"citizenship", einem Anspruch auf "property" aus dem "schieren Interesse
am Atmen".
246
Autorenverzeichnis
RONALD ASCH,
Münster.
Dr. phil., wissenschaftlicher Assistent an der Universität
HELGARD FRÖHLICH, Dr. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin an der
Humboldt Universität zu Berlin.
Lecturer in the History of Political Ideas, University
of Exeter, Mitherausgeber der Zeitschrift History of Political Thought.
IAIN HAMPSHER-MONK,
Dr. phil., Professor fur Neuere Geschichte an der
Universität Regensburg.
GÜNTHER LOTTES,
KARL-HEINZ METZ,
Universität Erlangen.
Dr. phil., Professor für Neuere Geschichte an der
HANS-DIETER METZGER, Dr. phil., wissenschaftlicher
Technischen Hochschule Darmstadt.
WILLIBALD STEINMETZ, Dr. phil., wissenschaftlicher
Deutschen Historischen Institut in London.
Assistent an
der
Mitarbeiter am
GERD STRATMANN, Dr. phil., Professor für Englische Philologie an der
Universität Bochum.
MICHAEL WEINZIERL,
Dr. phil., Universitätsdozent an der Universität Wien.
WIRSCHING, Dr. phil., wissenschaftlicher
Deutschen Historischen Institut in Paris.
ANDREAS
247
Mitarbeiter
am
Arbeitskreis Deutsche England-Forschung
Der Arbeitskreis Deutsche England-Forschung wurde im Mai 1981 auf Initiative von Gustav Schmidt von einer Gruppe von Historikern und Politikwissenschaftlern gegründet. Dabei stand von Anfang an das Interesse im Vordergrund, die in
beiden Fächern unterentwickelte regionale Spezialisierung durch die Förderung von
Großbritannien-Studien voranzutreiben und insbesondere in Ergänzung des Deutschen Historischen Instituts in London ein Forum für den wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland zu schaffen. Aus der Grundidee, die knappen Ressourcen der
in diesen Fachgebieten Forschenden und Lehrenden überregional zusammenzufassen, entstand in den vergangenen Jahren ein relativ festgefügter Arbeitskreis von ca.
100 aktiven Mitgliedern, der regelmäßig Jahrestagungen abhält und eine eigene
Schriftenreihe herausgibt.
Im Mittelpunkt der Jahrestagungen steht eine wissenschaftliche Konferenz zu
wechselnden Themen aus dem Bereich der deutsch-britischen Beziehungen sowie
der Geschichte bzw. Politik Großbritanniens und des Commonwealth. In der Regel
versuchen die Veranstalter, die aus dem Kreis der Mitglieder ausgewählt werden,
den thematischen Schweipunkt mit historischen und politologischen Fragestellungen
zu erschließen, wodurch sich eine auch für die kulturwissenschaftliche Landeskunde
interessante Bandbreite von inhaltlichen Aussagen und methodischen Zugängen ergibt. So widmeten sich die Jahrestagungen in den letzten Jahren u.a. der Europäisierung der britischen Wirtschaft, dem Thatcherismus, der Hegemonie Englands im
britischen Staatswesen und der Herausbildung einer britischen Nationalidentität,
aktuellen Fragen der Verfassungsproblematik sowie der Stellung Großbritanniens im
internationalen System im 19. und 20. Jahrhundert und den Phasen der Empire-Bildung. Die letzte Jahrestagung (1995) beschäftigte sich mit Kulturtransfer zwischen
Deutschland und Großbritannien im 19. Jahrhundert.
Einen zweiten festen Bestandteil der Jahrestagungen bilden workshops, bei denen insbesondere auf die Präsentation neuer Arbeitsergebnisse von Nachwuchswissenschaftlern Wert gelegt wird. Es gibt vier workshops: 1. Wirtschafts- und Sozialgeschichte; 2. Außenpolitik/Internationale Beziehungen; 3. Frühe Neuzeit und Politische Ideengeschichte; 4. Innenpolitik und Verfassungsfragen, die parallel durchgeführt werden.
Die Mitgliedschaft im Arbeitskreis Deutsche England-Forschung kann durch
formlosen Antrag beim Vorsitzenden - Prof. Dr. Clemens A. Wurm, Institut für Geschichtswissenschaften, Westeuropäische Geschichte, Humboldt-Universität zu
Berlin, Unter den Linden 6, D-10099 Berlin - erworben werden. Der Mitgliedsbeitrag beträgt z. Zt. 30.-- DM (Studenten 20.- DM).
Die Veröffentlichungen des Arbeitskreises, in der die jährlichen Konferenzbände sowie einzelne Monographien - insbesondere Dissertationen - erscheinen,
ADEF-Info
sowie eine ausführliche Informationsbroschüre über den Arbeitskreis und seine
Mitglieder, sind über den Universitätsverlag Dr. Norbert Brockmeyer, Uni-Tech
Center, D-44799 Bochum, zu beziehen. Manuskripte können dem Herausgeber der
Schriftenreihe - Prof. Dr. Gustav Schmidt, Lehrstuhl Internationale Politik, RuhrUniversität Bochum, Geb. GC 04/705, D-44780 Bochum - vorgelegt werden.
Veröffentlichungen
des
Arbeitskreises Deutsche England-Forschung
Bd. 1
Karl
HOHE/Gustav
SCHMIDT
(Hgg.)
Krise in Großbritannien?
Studien zu Strukturproblemen der britischen Gesellschaft und Politik im 20.
Jahrhundert
Bochum 1987, ISBN 3-88339-587-0, 291 Seiten,
kt. DM 29,80
Bd. 2
Gustav
SCHMIDT
(Hg.)
"Industrial relations" und "Industrial democracy" in Großbritannnien
Bochum 1984, ISBN 3-88339-368-1, 147 Seiten,
kt. DM 24,80
Bd. 3
Bernd-Jürgen
WENDT
(Hg.)
(vergriffen)
Das britische Deutschlandbild im Wandel des 19. und 20. Jahrhunderts,
Bochum 1984, ISBN 3-88339-367-3, 241 Seiten,
kt DM 29,80
Bd. 4
Gottfried
NIEDHART
(Hg.)
(vergriffen)
Großbritannien als Gast- und Exilland für Deutsche im 19. und 20.
Jahrhundert
Bochum 1985, ISBN 3-88339-447-5, 163 Seiten,
kt. DM 24,80
Kar!
ROHE (Hg.)
Englischer Liberalismus im 19. und 20. Jahrhundert,
Bochum 1987, ISBN 3-88339-616-8, 297 Seiten,
kt. DM 29,80
Bd. 5
Bd. 6
Jürgen
OSTERHAMMEL
(Hg.)
Britische Übersee-Expansion und Britisches Empire vor 1840,
Bochum 1987, ISBN 3-88339-570-6, 259 Seiten,
kt.
DM 34,80
Bd. 7
Bernd
WEISBROD
(Hg.)
"Victorian Values".
Arm und Reich im Viktorianischen England,
Bochum 1988, ISBN 3-88339-658-3, 207 Seiten,
DM 29,80
Bd. 8
Klaus
BIELSTEIN
Gewerkschaften, Neo-Konservatismus und ökonomischer Strukturwandel.
Zur Strategie und Taktik der Gewerkschaften in Großbritannien
Bochum 1988, ISBN 3-88339-646-X, 443 Seiten
kt. DM 49,80
Bd. 9
Henner
Jörg BOEHL
Der britische Bergarbeiterstreik von 1984/85
Entscheidung eines Konfliktes um Recht und Regierbarkeit
Bochum 1989, ISBN 3-88339-697-4, 190 Seiten,
kt.
kt.
DM 29,80
Bd. 10 Gustav
SCHMIDT
(Hg.)
Großbritannien und Europa - Großbritannien in Europa.
Sicherheitsbelange und Wirtschaftsfragen in der britischen Europapolitik
nach dem Zweiten Weltkrieg
Bochum 1989, ISBN 3-88339-756-3, 387 Seiten,
kt. DM 54,80
Bd. 11 Hans-Werner
WÜRZLER
Großbritanniens Interesse an der westeuropäischen Stahlverständigung
und die Gründung der Internationalen Rohstahlgemeinschaft (1923/241926/27)
Bochum 1991, ISBN 3-88339-887-X, 453 Seiten,
kt. DM 54,80
Bd. 12 Jürgen
ELVERT
Vom Freistaat zur Republik.
Der außenpolitische Faktor im irischen Unabhängigkeitsstreben zwischen 1921
und 1948
Bochum 1989, ISBN 3-88339-724-5, 438 Seiten,
kt. DM 54,80
Bd. 13 Dietmar
HERZ
Frieden und Stabilität.
Die Nordirland-Politik der Republik Irland 1969-1987
Bochum 1989, ISBN 3-88339-722-9, 298 Seiten,
kt.
DM 39,80
Bd. 14 Johannes
PAULMANN
Arbeitslosigkeit in Großbritannien 1931-1939
Sozial- und Wirtschaftspolitik zwischen Weltwirtschaftskrise und Weltkrieg
Bochum 1989, ISBN 3-88339-768-7, 164 Seiten,
kt. DM 34,80
Bd. 15 Roland
STURM
(Hg.)
Thatcherismus • eine Bilanz nach 10 Jahren
Bochum 1990, ISBN 3-88339-810-1, 300 Seiten,
kt.
DM 44,80
Bd. 16 Günther
LOTTES
(Hg.)
Der Eigentumsbegriff im englischen politischen Denken
Bochum 1995, ISBN 3-8196-0398-0, 289 Seiten,
kt.
DM 49,80
Bd. 17 Michael
FRÖHLICH
Von Konfrontation zur Koexistenz:
Die deutsch-englischen Kolonialbeziehungen in Afrika zwischen 1884 und 1914
Bochum 1990, ISBN 3-88339-849-7, 371 Seiten,
kt. DM 54,80
Bd. 18 Thomas
SOKOLL
Household and family among the poor:
The case of two Essex communities in the late eighteenth and early nineteenth
centuries.
Bochum 1993, ISBN 3-8196-0185-6, 383 Seiten,
kt. DM 59,90
Bd. 19 Clemens
A. WURM
(Hg.)
Wege nach Europa
Wirtschaft und Außenpolitik Großbritanniens im 20. Jahrhundert
Bochum 1992, ISBN 3-8196-0067-1, 213 Seiten,
kt.
Bd. 20 Karl
ROHE/Gustav
SCHMIDT/Hartmut
Deutschland - Großbritannien - Europa
Politische Traditionen, Partnerschaft und Rivalität
Bochum 1992, ISBN 3-8196-0023-X, 388 Seiten,
DM 34,80
POGGE
von
STRANDMANN
kt.
DM 29,80
Bd. 21 Michael
TRETTER
Die Konservative Partei Englands vor dem Ersten Weltkrieg und ihre
Auseinandersetzung mit der politischen und gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung
Bochum 1992, ISBN 3-8196-0037-X, 277 Seiten,
kt. DM 49,80
Bd. 22 Hans-Heinrich
JANSEN
Großbritannien, das Scheitern der EVG und der NATO-Beitritt der Bundesrepublik
Bochum 1992, ISBN 3-8196-0057-4, 297 Seiten,
kt. DM 49,80
Bd. 23 Ronald
G. ASCH (Hg.)
The Three Nations - A Common History ?
England, Scotland, Ireland and British History c. 1600-1920.
Bochum 1993, ISBN 3-8196-0121-X, 298 Seiten,
kt.
DM 49,80
Bd. 24 Hans KASTENDIEK/
Richard
STINSHOFF
(Hgg.)
Changing Conceptions of Constitutional Government.
Developments in British Politics and the Constitutional Debate since the 1960s.
Bochum 1994, ISBN 3-8196-0244-5, 179 Seiten,
kt. DM 39,80
Bd. 25 Ursula
LEHMKUHL
/Hans-Heinrich
JANSEN
(Hgg.)
*
Großbritannien, das Empire und die Welt.
Britische Außenpolitik zwischen "Größe und Selbstbehauptung", 1850-1990
BOCHUM 1995, ISBN 3-8196-0351-4, 324 Seiten,
kt. DM 49,80
Bd. 26 Andre KAISER*
Staatshandeln ohne Staatsverständnis.
Die Entwicklung des Politikfeldes Arbeitsbeziehungen in Großbritannien
1965-1990.
Bochum 1995, ISBN 3-8196-0332-8, 413 Seiten,
kt. DM
49,80
Bd. 27 Ruth DROST-HÜTTL
Die schottische Nationalbewegung zwischen 1886 und 1934.
Nationalistische Ziele und Strategien im Wandel
Bochum 1995, ISBN 3-8196-0399-9, 438 Seiten,
kt. DM
64,80
Bd. 28 H. BERGHOFF/
D. ZIEGLER
(Hgg.)
*
Pionier oder Nachzügler?
Komparative Studien zur Geschichte Englands und Deutschlands im
Zeitalter der Industrialisierung. Festschrift für Sidney Pollard
Bochum 1995, ISBN 3-8196-0335-2, 160 Seiten,
kt. DM
54,00
Bd. 29 Wolfgang-Ulrich
PRIGGE
*
Gewerkschaftspluralismus und kooperative Interessenvertretung in
Großbritannien
Bochum 1995, ISBN 3-8196-0316-6, 219 Seiten,
kt. DM 49,80
Bd. 30 Michael
DOCKRILL
(Hg.)
*
Europe within the Global System 1938-1960.
Great Britain, France, Italy and Germany: From Great Powers to
Regional Powers.
Bochum 1995, ISBN 3-8196-0333-6, 169 Seiten,
kt. DM
44,80
Bd. 31 Christoph
DARTMANN
#
Re-Distribution of Power, Joint Consultation or Productivity Coalitions?
Labour and Postwar Reconstruction in Germany and Britain, 1945-1953
Bd. 32 Johannes
PAULMANN
(Hg.) #
Kulturtransfer zwischen Deutschland und Großbritannien im
19. Jahrhundert
Bd. 33 Gustav
SCHMIDT
(Hg.)
*
Zwischen Bündnissicherung und privilegierter Partnerschaft
Die deutsch-britischen Beziehungen und die Vereinigten Staaten von
Amerika, 1955-1963
Bochum 1995, ISBN 3-8196-0397-2, 398 Seiten,
kt. DM
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