Versorgungsreport Schlaganfall
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Versorgungsreport Schlaganfall
Beiträge zur Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung (Band 10) Prof. Dr. h. c. Herbert Rebscher (Herausgeber) Versorgungsreport Schlaganfall Beiträge zur Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung (Band 10) Versorgungsreport Schlaganfall Chancen für mehr Gesundheit. Herausgeber: Prof. Dr. h. c. Herbert Rebscher, Vorsitzender des Vorstands der DAKGesundheit DAK-Gesundheit Nagelsweg 27-31, D-20097 Hamburg Autoren: Hans-Dieter Nolting, Dr. Bernd Deckenbach, Karsten Zich, Ina Barthelmes, Hanna Sydow IGES Institut GmbH Friedrichstr. 180, D-10117 Berlin, Redaktion: Martin Kordt DAK-Gesundheit Nagelsweg 27-31, D-20097 Hamburg E-Mail: [email protected] Hamburg April 2015 Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2015 medhochzwei Verlag GmbH, Heidelberg www.medhochzwei-verlag.de ISBN 978-3-86216-191-1 Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck: M.P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, Paderborn Printed in Germany V Vorwort Schlaganfälle sind die zweithäufigste Todesursache in Deutschland und verursachen nicht selten schwerwiegende Behinderungen und Einschränkungen der Lebensqualität bei den Betroffenen. Dabei wissen wir seit langem, dass ein erheblicher Teil der Schlaganfälle zu verhindern wäre, wenn bekannte Risikofaktoren konsequenter bekämpft würden. Für die Wiederherstellung wichtiger, durch den Schlaganfall typischerweise geschädigter Funktionen wird im Rahmen von Maßnahmen der stationären und ambulanten Rehabilitation bereits heute viel getan. Doch auch hier vermuten wir, dass es noch Verbesserungspotenziale gibt, die wir als DAK-Gesundheit für unsere Versicherten erschließen möchten. Mit dem DAK-Versorgungsreport beschreitet die DAK-Gesundheit einen neuen und in Deutschland bisher einmaligen Weg: Komplexe Versorgungsaufgaben – wie die Schlaganfall-Versorgung – werden auf der Grundlage der international vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse daraufhin analysiert, ob wir mit den eingesetzten Mitteln bereits das Optimale für die betroffenen Patienten erreichen und welche konkreten Verbesserungen wir anstreben sollten. Die Ergebnisse des DAK-Versorgungsreports machen erstmalig transparent, wie groß die Krankheitslast – d. h. die Summe aus Sterblichkeit und verminderter Lebensqualität aufgrund von bleibenden Behinderungen – ist, die in Deutschland pro Jahr durch Hirninfarkte verursacht wird. Ferner erfahren wir, welchen Beitrag wichtige Versorgungsmaßnahmen – wie die medikamentöse Primärprävention bei Vorhofflimmern oder die Thrombolyse-Behandlung – bereits aktuell zur Verminderung dieser Krankheitslast leisten. Besonders wichtig für die DAK-Gesundheit sind die Analysen zu den Auswirkungen von konkreten Verbesserungen der Versorgung. Die „Optimierungs-Szenarien“ geben wertvolle Hinweise, in welche innovativen Projekte es sich lohnt zu investieren. Die Versorgung von Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, zu begleiten und im Bedarfsfall zu unterstützen, ist bereits heute ein wichtiger Baustein des Versorgungsmanagements der DAK-Gesundheit im Bereich der Schlaganfallnachsorge. Zukünftig soll dieser Baustein noch erweitert werden: Dazu nutzt die DAK-Gesundheit die Erkenntnisse des Versorgungsreports. Die DAK-Gesundheit möchte ihre Versicherten bei der Sicherstellung einer leitliniengerechten Therapie sogenannter „Risikoerkrankungen“ für einen Schlaganfall, wie beispielsweise dem Vorhofflimmern oder der TIA (transitorisch ischämische Attacke), aktiv unterstützen. Erkenntnisse über die derzeitige Versorgungssituation im Rahmen der Schlaganfallprophylaxe und das Wissen über den Erfolg präventiver Maßnahmen können so zu einem "Plus" an Gesundheit führen, ohne dass bestehende Versorgungsstrukturen angepasst oder erweitert werden müssen. Auf diese Weise kann das Versorgungsmanagement einen wesentlichen Beitrag zur Schlaganfallprävention leisten. Prof. Dr. h.c. Herbert Rebscher Vorsitzender des Vorstandes Hamburg, März 2015 VI Danksagung Wir bedanken uns bei den externen Experten, die die Erstellung des Versorgungsreports äußerst konstruktiv unterstützt haben. Das Begleitgremium war mit Frau Dr. med. Anne Barzel (Institut für Allgemeinmedizin des Universtitätsklinikums Hamburg-Eppendorf), Herrn Prof. Dr. med. habil. Bernd Frank (HELIOS-Klinikgeschäftsführer und Ärztlicher Direktor der Helios Klinik Leetzen), Frau Gesche Ketels (Leiterin der Physiotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf) und Herr Prof. Dr. med. Joachim Röther (Chefarzt Neurologische Abteilung der Asklepios Klinik Altona) besetzt. Unserer besonderer Dank gilt ferner Herrn Dr. med. Björn Misselwitz und Frau Reihs von der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen sowie den Hessischen Akut- und Rehabilitationseinrichtungen für die Bereitstellung von aggregierten Sonderberichten aus dem hessischen Verfahren der externen Qualitätssicherung Schlaganfall. Bei der Erstellung des Versorgungsreports waren die Diskussionen mit Expertinnen und Experten der DAK-Gesundheit aus unterschiedlichen Fachbereichen sehr hilfreich. Besonderen Dank schulden wir Frau Dr. med. Scharnetzky und Frau Wobbe für die Gesamtkoordination des Projekts und Herrn Uhe für die Bereitstellung der Datenauswertungen. VII Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung 1. 2. 3. Einleitung 1.1 Effizienz von komplexen indikationsbezogenen Versorgungszusammenhängen 1.2 Methodischer Ansatz: Generalized Cost-Effectiveness Analysis (GCEA) 1.3 Thema des DAK-Versorgungsreports: Schlaganfall bzw. Hirninfarkt 1.4 Auswahl der Einzelthemen aus der Versorgungskette des Hirninfarkts Methodik 2.1 Übergreifende methodische Konzepte 2.1.1 „Disability-adjusted life years“ (DALY) zur Messung der Krankheitslast 2.1.2 Kosten-Effektivität der tatsächlichen sowie einer optimierten Versorgung 2.2 Datengrundlagen und Methoden des DAK-Versorgungsreports 2.2.1 Allgemeine Beschreibung des Modellaufbaus 2.2.2 Inzidenzraten 2.2.3 Qualifizierung des neurologischen Defizits nach Hirninfarkt mittels der modified Rankin-Scale 2.2.4 Hazard Ratios der Mortalität und disability weights der Hirninfarktpatienten nach mRS-Klassen 2.2.5 Durch den Hirninfarkt verursachte DALY 2.2.6 Zusatzinformationen zur Re-Insultrate und Mortalität Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3.1 Primärprävention mit oralen Antikoagulantien bei Vorhofflimmern 3.1.1 Zusammenfassung 3.1.2 Einleitung 3.1.3 Modellaufbau 3.1.4 Modellannahmen 3.1.5 Mögliche Ansätze zur Optimierung der Primärprävention bei NVHF 3.1.6 Ergebnisse der Modellierung 3.2 Medikamentöse Sekundärprävention nach Transitorisch Ischämischer Attacke (TIA) 3.2.1 Zusammenfassung 3.2.2 Einleitung 3.2.3 Modellaufbau 3.2.4 Modellannahmen 3.2.5 Mögliche Ansätze zur Optimierung der medikamentösen Sekundärprävention nach TIA 3.2.6 Ergebnisse der Modellierung 3.3 Akutstationäre Versorgung/Thrombolyse-Behandlung 3.3.1 Zusammenfassung 3.3.2 Einleitung 3.3.3 Deskriptive Ergebnisse zur Thrombolyse-Behandlung XI 1 1 2 2 3 7 7 7 9 12 13 14 17 23 28 31 34 34 34 34 35 36 43 44 48 48 48 49 50 58 59 63 63 63 64 VIII Inhaltsverzeichnis 3.3.4 3.3.5 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6 3.5.7 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.6.5 3.6.6 4. Modellaufbau Ergebnisse der Modellierung Neurologische Frührehabilitation Phase B Zusammenfassung Einleitung Modellaufbau Basisinformationen zur neurologischen Frührehabilitation Phase B Modellannahmen Ergebnisse der Modellierung Ambulante Heilmittelversorgung Zusammenfassung Einleitung Fälle mit ambulanter Heilmittelverordnung Beginn der ambulanten Heilmittelversorgung Verordnete und in Anspruch genommene Heilmittel Intensität der Leistungserbringung Dauer und Kontinuität der Heilmittelversorgung Medikamentöse Sekundärprävention nach Hirninfarkt Zusammenfassung Einleitung Modellaufbau Modellannahmen Mögliche Ansätze zur Optimierung der medikamentösen Sekundärprävention nach Hirninfarkt Ergebnisse der Modellierung 71 75 84 84 84 85 87 90 91 95 95 96 98 99 103 106 111 117 117 117 118 119 128 128 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen im Hinblick auf deren Kosten-Effektivität 4.1 Primärprävention mit oralen Antikoagulantien bei Vorhofflimmern 4.2 Akutstationäre Versorgung 133 143 5. Fazit 153 6. Anhang 6.1 OAK und Antihypertensiva – Abgrenzung der Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation 6.2 Akutstationäre Versorgung – Fallgruppencharakteristika 6.3 Ableitung von 1-Jahres-Risiken aus Angaben zu Mehr-JahresRisiken 6.4 Abbildungen 6.5 Tabellen 157 Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 133 157 158 159 161 164 168 IX IX Abkürzungsverzeichnis Abkürzung Erläuterung BAR Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. DALY Disability Adjusted Life Year, behinderungsadjustiertes Lebensjahr. Methodisches Konzept zur Messung der Krankheitslast, bestehend aus den Komponenten der durch vorzeitige Sterblichkeit verlorenen Lebensjahre (YLL, years of life lost) und den mit krankheitsbedingten Behinderungen verbrachten Lebensjahren (YLD, years of life with disability). EL Ergotherapeutische Leistung EQS Externe Qualitätssicherung GCEA Generalisierte Kosten-Effektivitäts-Analyse, Verfahren zur Ermittlung bzw. zum Vergleich der Wirtschaftlichkeit von Versorgungsleistungen (engl. „Generalized Cost-Effectiveness Analysis“) LL Logopädische Leistung mRS modified Rankin-Scale, im Kontext klinischer Studien, der Versorgungsforschung und der externen Qualitätssicherung der Krankenhäuser sehr verbreitete Skala zur Beschreibung der neurologischen Beeinträchtigung nach einem Schlaganfall NIHSS National Institutes of Health Stroke Scale, systematisches AssessmentInstrument zur Quantifizierung der von einem (akuten) Schlaganfall verursachten neurologischen Beeinträchtigung NVHF nicht-valvuläres Vorhofflimmern (N)OAK (Neue) Orale Antikoagulantien, Arzneimittel zur Hemmung der Blutgerinnung PL Physiotherapeutische Leistung PP Prozentpunkte QALY Quality Adjusted Life Year, qualitätsadjustiertes Lebensjahr. Im Gegensatz zum DALY-Konzept werden die Lebensjahre nicht mit einem „Behinderungsgewicht“, sondern einem „Qualitätsgewicht“ multipliziert, das umso höher ist, je näher der Zustand dem Status der „vollkommenen Gesundheit“ ist. rtPA rekombinanter Tissue Plasminogen Activator TAH Thrombozytenaggregationshemmer TIA Transitorisch ischämische Attake, Durchblutungsstörung des Gehirns, die zu plötzlich auftretenden fokal-neurologischen Symptomen, wie z. B. halbseitigen Lähmungserscheinungen, plötzlichen Seh- oder Sprachstörungen führt, welche sich innerhalb von 24 Stunden vollständig zurückbilden Thrombolyse i.a. intraarterielle Thrombolyse, lokale Verabreichung von Medikamenten zur Thrombolyse in das durch ein Gerinnsel verschlossene Blutgefäß X Abkürzung Abkürzungsverzeichnis Erläuterung Thrombolyse i. v. intravenöse Thrombolyse, systemische Verabreichung von Medikamenten zur Thrombolyse YLD years of life with disability, mit krankheitsbedingten Behinderungen verbrachte Lebensjahre YLL years of life lost, durch vorzeitige Sterblichkeit verlorene Lebensjahre VHF Vorhofflimmern VKA Vitamin-K-Antagonisten, Arzneimittel zur Hemmung der Blutgerinnung XI Zusammenfassung Der erste DAK-Versorgungsreport widmet sich der Prävention und der Versorgung des Schlaganfalls und dabei insbesondere des Hirninfarktes und der Transitorisch Ischämischen Attacke (TIA). Das Thema „Schlaganfall“ ist von großer Relevanz für die Gesundheit der Bevölkerung. Schlaganfälle verursachen weltweit die drittgrößte und in Deutschland die viertgrößte Krankheitslast und sind in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Die überlebenden Schlaganfallpatienten tragen vielfach schwerwiegende bleibende Behinderungen davon. Nach den Ergebnissen des DAK-Versorgungsreports ereignen sich in Deutschland jährlich mehr als 150 Tausend erstmalige Hirninfarkte und mehr als 80 Tausend erstmalige TIAs. Der DAK-Versorgungsreport analysiert die Schlaganfall-Versorgung in Deutschland erstmals in Anlehnung an eine spezielle, ursprünglich von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte Methodik (Generalized Cost-Effectiveness Analysis, GCEA): Zunächst wird die durch Hirninfarkte verursachte Krankheitslast – gemessen als Disability-Adjusted Life Years (DALY) – unter den Bedingungen der aktuellen gesundheitlichen Versorgung bestimmt (Status-quo-Szenario). Im zweiten Schritt wird abgeschätzt, wie groß die Krankheitslast ist, die durch ausgewählte Elemente der Versorgungskette aktuell bereits vermieden wird. Mit anderen Worten, um wieviel die Krankheitslast höher wäre, wenn es bspw. Maßnahmen wie die Thrombolyse-Behandlung nicht gäbe (Kontrafaktisches NullSzenario). Im letzten Schritt werden konkrete Verbesserungsoptionen der aktuellen Versorgung entworfen und der Effekt als zusätzlich mögliche Reduktion der Krankheitslast ermittelt (Optimierungsszenario). Wenn man in einem weiteren Schritt die Kosten der jeweiligen Versorgungsmaßnahmen in Beziehung zu der Reduktion der Krankheitslast setzt, lässt sich ableiten, welche Glieder der Versorgungskette besonders kosteneffektiv sind bzw. wo sich Investitionen in eine Optimierung besonders lohnen würden. Der DAK-Versorgungsreport kommt für die ausgewählten Themen der Schlaganfallversorgung zu folgenden Ergebnissen: Mit den in Deutschland pro Jahr auftretenden 154.000 erstmaligen Hirninfarkten ist eine Krankheitslast von 1,039 Mio. DALY verbunden. Durch die bisherige medikamentöse Primärprävention bei Vorhofflimmern werden pro Jahr etwa 12.300 erstmalige Schlaganfälle und eine Krankheitslast von 64.100 DALY verhindert. Durch eine Optimierung der medikamentösen Primärprävention bei Vorhofflimmern könnten zusätzlich 9.400 erstmalige Schlaganfälle und 48.800 DALY verhindert werden. Durch die bisherige medikamentöse Sekundärprävention der Risikofaktoren Vorhofflimmern und arterielle Hypertonie bei den etwa 83.500 Patienten mit einer erstmaligen TIA, werden pro Jahr 990 erstmalige Schlaganfälle und 7.200 DALY vermieden. Durch eine Optimierung der medikamentösen Sekundärprävention in dieser Patientengruppe könnten jährlich weitere 510 Schlaganfälle und 3.700 DALY verhindert werden. Während des akutstationären Aufenthaltes aufgrund eines erstmaligen Hirninfarktes verringert sich die o.g. DALY-Last von 1,039 Mio. um 176.000 DALY. Etwa 7.200 dieser DALY-Reduktion sind auf die Durchführung von intravenösen Thrombolysetherapien bei etwa 12,4 % aller aufgenommenen Patienten zurückzuführen. Eine deutliche Erhöhung des Anteils der innerhalb des Thrombolyse-Zeitfensters im Krankenhaus eintreffenden Patienten von etwa 40 % auf 56 % würde eine weitere Reduktion der DALY-Last bis zur Krankenhausentlassung um etwa 3.000 DALY ermöglichen. Für die Rehabilitationsleistungen der unterschiedlichen Phasen konnte eine Schätzung der Effekte lediglich für die neurologische Frührehabilitation der Phase B durchgeführt werden, da für die übrigen Phasen keine geeigneten Grundlagen vorlagen. Nach den Modellannahmen erhalten derzeit etwa 67 % der Fälle mit einer Einstufung in die mRSKlasse 5 (schwere Funktionsstörungen) und 11,5 % der Fälle mit einer Einstufung in die mRS-Klasse 4 (mittelschwere Funktionsstörungen) (jeweils bei Entlassung aus der akutstationären Versorgung) eine neurologische Frührehabilitation der Phase B. Zum Zeit- XII Zusammenfassung punkt der Rehaaufnahme ist den etwa 10.300 Fällen in Phase B eine Krankenheitslast von 144.000 DALY zugeordnet. Bis zur Entlassung aus der neurologischen Frührehabilitation verringert sich die DALY-Last auf 129.000 DALY. Nach unserer Einschätzung ist zu erwarten, dass die ermittelte DALY-Verringerung den tatsächlichen Reha-Effekt noch unterschätzt, da die Patienten in neurologischer Frührehabiliation der Phase B einen intensiven und kontinuierlichen Versorgungsbedarf haben, und ohne die Rehabilitation eine weitere Verschlechterung der Funktionseinschränkungen zu erwarten sein dürfte. In einem Optimierungsszenario wird davon ausgegangen, dass etwa 1.200 mehr Fälle pro Jahr die neurologische Frührehabilitation der Phase B in Anspruch nehmen. Dies entspricht für Patienten mit einer mRS-5-Einstufung bei Krankenhausentlassung einem Phase B-Rehaanteil von 75 % und mit mRS-4-Einstufung von 12,8 %. Hieraus würde sich eine weitere Reduzierung der Krankheitslast um 1.700 DALY ergeben. Für die Nachsorge nach erstem Hirninfarkt wurden die Effekte der medikamentösen Sekundärprävention des Vorhofflimmerns und der arteriellen Hypertonie modelliert. Die bisherige Versorgung verhindert pro Jahr etwa 2.600 erneute Schlaganfälle und eine Krankheitslast von ca. 3.000 DALY. Durch eine Optimierung der medikamentösen Sekundärprävention nach erstem Hirninfarkt könnten zusätzliche 1.000 erneute Schlaganfälle pro Jahr verhindert und 1.100 DALY vermieden werden. Die Ermittlung der DALY-Effekte der ambulanten Heilmittelversorgung (Physio-, Logo-, Ergotherapie) war nicht möglich, da keine Untersuchungen existieren, die die für eine derartige Modellierung notwendigen Grundlagen bereitstellen. Vor diesem Hintergrund wurden die DAK-Routinedaten hinsichtlich ausgewählter Versorgungsaspekte für die Fälle mit erstmaligem Hirninfarkt ausgewertet, um zumindest Anhaltspunkte für ggf. notwendige Optimierungen der ambulanten Versorgung mit physiotherapeutischen, ergotherapeutischen und logopäischen Leistungen zu ermitteln. Die Analysen ergeben Verbesserungspotenzial bei der zeitnahen Erstverordnung nach der Entlassung der Hirninfarktpatienten aus der akutstationären Versorgung bzw. der Rehabilitation, bei der Zeitnähe der Ausstellung von Folgeverordnungen (insbesondere bei der Physiotherapie) und bei der Kontinuität der Leistungserbringung im Hinblick auf die von der HeilmittelRichtlinie vorgesehenen Leistungsrhythmen. Für die beiden Themen „Primärprävention mit oralen Antikoagulantien bei Vorhofflimmern“ und „Akutstationäre Versorgung/Thrombolyse-Behandlung“ wurden Analysen zur Kosten-Effektivität in Anlehnung an das methodische Konzept der Generalized CostEffectiveness Analysis (GCEA) durchgeführt. Der Analysezeitraum beträgt – wie auch bei den Analysen zur Krankheitslast – jeweils ein Jahr. Zur Berücksichtigung von Unsicherheiten bei den Parameterschätzern wurden Sensitivitätsanalysen durchgeführt, indem die geschätzten Kosten bzw. Effekte um jeweils 10 Prozent erhöht/erniedrigt wurden (Kosten minus 10 %/Effekte plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effekte minus 10 %). Die Analyse zur Primärprävention mit oralen Antikoagulantien (OAK) ermittelt zunächst die Kosten-Effektivität der Status-quo-Versorgung. Dabei werden auf der Kostenseite nur die Kosten der medikamentösen Behandlung mit OAK berücksichtigt. Die Kosten der vorgängigen VHF-Diagnostik (insbes. Durchführung von Langzeit-EKG) bleiben außer Betracht, da sie sich nicht auf ein Analysejahr beziehen lassen. Bei der medikamentösen VHF-Therapie wird – entsprechend der realen Situation im Jahr 2011 – unterstellt, dass alle Behandlungen mit einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA), wie z. B. Phenprocoumon, erfolgt sind. Für die Versorgung im Status-quo ergibt sich (in Relation zu dem fiktiven Null-Szenario) eine Kosten-Effektivität von 495 € pro vermiedenes DALY (Sensitivitätsanalyse: 405 € – 605 €). Setzt man die durch die Primärprävention bei Vorhofflimmern im Status quo vermiedenen jährlich ca. 12.300 Schlaganfälle zu den Kosten der Primärprävention bei VHF in Höhe von etwa 31,7 Mio. Euro in Beziehung, so ergeben sich Kosten von etwa 2.600 Euro je vermiedenen Schlaganfall. Das Optimierungs-Szenario sieht einerseits eine Erhöhung der Entdeckungsrate des VHF auf 80 % der tatsächlichen Prävalenz und andererseits eine Erhöhung der Behandlungs- Zusammenfassung XIII rate mit OAK auf 75 % der behandelbaren Patienten mit Behandlungsbedarf vor. Die Effekte dieser beiden Optimierungsmaßnahmen wurden getrennt modelliert. Für die Realisierung des Ziels einer Erhöhung der Entdeckungsrate des VHF wird auf das Verfahren eines „opportunistischen Screenings“ Bezug genommen, bestehend aus Pulstastung bei allen Hausarztkontakten von über 65-Jährigen sowie ggf. Durchführung einer EKG-Untersuchung bei auffälligem Pulsbefund (Fitzmaurice et al. 2007). In der Kosten-Effektivitäts-Analyse werden die Kosten für die resultierenden Langzeit-EKGUntersuchungen gem. EBM angesetzt. Unter den gegebenen Randbedingungen zur Wirksamkeit des Screenings reicht es aus, wenn in einem ersten Jahr 45 % der über 65Jährigen ohne bekanntes VHF dem Screening unterzogen werden, um eine GesamtEntdeckungsrate des VHF von 80 Prozent zu erreichen. Hält man die Behandlungsrate des Status-quo-Szenarios (50 % Behandlung mit OAK) konstant und unterstellt ferner, dass die Behandlungen ausschließlich mit VKA erfolgen, so errechnet sich für die isolierte Maßnahme „Erhöhung der VHF-Entdeckungsrate von 66,7 % auf 80 % der tatsächlichen Prävalenz“ eine inkrementelle Kosten-Effektivität von € 1.084 (€ 887 – € 1.324) pro zusätzlich vermiedenes DALY. Die Gesamt-Kosteneffektivität der Versorgung beträgt € 612 (€ 500 – € 747) pro vermiedenes DALY. Im zweiten Schritt wurde die Kosten-Effektivität einer Erhöhung der Rate der mit OAK behandelten Patienten von 50 % auf 75 % der mit OAK grundsätzlich behandelbaren Patienten modelliert. Die Modellierung wurde in drei Varianten durchgeführt: In Variante A werden alle zusätzlich behandelten Patienten ausschließlich mit VKA therapiert. In Variante B werden 49,2 % der zusätzlich behandelten Patienten mit neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) behandelt, ein Anteilswert, der für die Gesamtpopulation der mit OAK behandelten Patienten zu einem NOAK-Anteil von 16,4 % führt. Dies entspricht der Schätzung des IQWiG zum Anteil der VHF-Patienten, die nicht für eine Behandlung mit VKA geeignet sind (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 2013). In Variante C wird angenommen, dass alle zusätzlich behandelten Patienten mit NOAKs therapiert werden, was zu einem Anteil der NOAK-Behandlungen von einem Drittel aller OAK-Behandlungen des VHF führt. In Variante A beträgt die inkrementelle Kosten-Effektivität € 579 (€ 473 – € 707) pro zusätzlich vermiedenes DALY und die Kosten-Effektivität insgesamt € 524 (€ 428 – € 640) pro vermiedenes DALY. In Variante B liegen die entsprechenden Werte bei € 5.228 (inkrementelle K-E) bzw. € 2.104 (K-E) und in Variante C bei € 10.029 (inkrementelle K-E) bzw. € 3.735 (K-E). Die Kosten-Effektivität sinkt in Variante B und C deutlich gegenüber dem Status-quo wegen der erheblich höheren Kosten der NOAK-Behandlung im Vergleich zur VKATherapie. Auch in Variante A ist die Kosten-Effektivität etwas geringer als im Status-quo, weil ein Teil der durch die Optimierung zusätzlich mit OAK behandelten Patienten zuvor bereits mit Thrombozyten-Aggregationshemmern (TAH) behandelt wurde und daher die relative Verminderung der Krankheitslast etwas geringer ist, als im Vergleich zwischen Status quo- und Null-Szenario. Im letzten Schritt werden beide Optimierungsmaßnahmen – Erhöhung der Entdeckungsrate des VHF und Steigerung des Anteils der mit OAK behandelten Patienten – zusammengefasst. Je nach Variante des Anteils der mit NOAK behandelten Patienten liegt die Kosten-Effektivität zwischen € 602 (€ 492 – € 736) und € 3.364 (€ 2.752 – € 4.112). Bei der Kosten-Effektivitäts-Analyse der Aktutstationären Versorgung/ThrombolyseBehandlung wurden auf der Kostenseite im Status-quo-Szenario die im Krankenhaus anfallenden zusätzlichen Arzneimittelkosten für die Thrombolyse-Behandlung sowie die höheren stationären Versorgungskosten für die als Nebenwirkung der ThrombolyseBehandlung bei einem kleinen Teil der Patienten auftretenden Hirnblutungen berücksichtigt. Unter diesen Rahmenbedingungen errechnet sich für die Thrombolyse eine KostenEffektivität der Status-quo-Versorgung von 1.219 € (Sensitivitätsanalyse: 997 € – 1.490 €) pro verhindertes DALY. Im Optimierungsszenario werden zusätzlich die Kosten für die zusätzlichen Rettungsdiensteinsätze berücksichtigt, die mit der Erhöhung des Anteils von frühzeitig ins Kran- XIV Zusammenfassung kenhaus eingelieferten Hirninfarkt-Patienten einhergehen. Die inkrementelle KostenEffektivität für das Optimierungs-Szenario beträgt 2.353 € (1.925 € – 2.876 €). Darüber hinaus wurde der Einfluss der Thrombolyse-Behandlung auf die KostenEffektivität der akutstationären Versorgung insgesamt betrachtet. Bereits unter Statusquo-Bedingungen führt die Thrombolysebehandlung tendenziell zu einer Verbesserung der Kosten-Effektivität der akutstationären Hirninfarkt-Versorgung: Gegenüber einem fiktiven Null-Szenario (akutstationäre Versorgung ohne Lyse-Behandlungen) steigt die Kosten-Effektivität von 4.769 € (3.902 € – 5.829 €) durch die aktuell bei etwa 12,4 Prozent aller Hirninfarkt-Patienten erfolgenden Lyse-Behandlungen auf 4.625 € (3.784 € – 5.652 €). Das Optimierung-Szenario führt zu einer weiteren Verbesserung auf 4.586 € (3.752 € – 5.605 €). Der DAK-Versorgungsreport belegt u. E., dass die gewählten methodischen Konzepte zur Quantifizierung der Krankheitslast und zur Kosten-Effektivitäts-Analyse sehr aufschlussreiche Ergebnisse im Hinblick auf die aktuelle Leistungsfähigkeit und das Verbesserungspotenzial in den verschiedenen Abschnitten der Hirninfarkt-Versorgung liefern. Um die ermittelten Potenziale zur Verbesserung der Versorgung – insbesondere im Bereich der Primär- und Sekundärprävention – realisieren zu können, sollten auch die Möglichkeiten der Krankenkassen ausgeweitet werden, unter Nutzung ihrer Versorgungsdaten ein aktives Versorgungsmanagement zu betreiben. Vorbild könnten hier die bei den DMPIndikationen bereits etablierten Vorgehensweisen zur Erinnerung von Versicherten und Ärzten an bestimmte Termine und Maßnahmen sein. 1 1. Einleitung 1.1 Effizienz von komplexen indikationsbezogenen Versorgungszusammenhängen Die Gesundheitssysteme müssen sich damit auseinander setzen, dass dem steten Zustrom von neuen oder verbesserten medizinischen Verfahren nur begrenzte Mittel zur Finanzierung gegenüber stehen. Dies zwingt dazu, die Weiterentwicklung der Versorgung auch aus einer ökonomischen Perspektive zu betrachten, d. h. die einzelnen Gesundheitsleistungen sowie die Versorgungsprozesse hinsichtlich ihrer Wirkungen und ihrer Kosten zu analysieren und nach Möglichkeit so zu entscheiden, dass die verfügbaren Mittel im Sinne der Maximierung der erwünschten gesundheitlichen Wirkungen eingesetzt werden. Im Hinblick auf einzelne Versorgungsleistungen – insbesondere neue Medikamente, aber auch andere diagnostische und therapeutische Verfahren – werden systematische Nutzenbewertungen durchgeführt, bevor ein Verfahren in die von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanzierte Versorgung eingeführt wird1. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass zusätzliche Finanzmittel nur dann aufgewendet werden, wenn eine neue medizinische Leistung auch einen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen im Vergleich zu den bereits existierenden Behandlungsmöglichkeiten aufweist. In ähnlicher Weise könnte man auch den Nutzen der bereits seit längerem eingeführten Behandlungsverfahren bewerten und möglicherweise wenig wirksame Methoden aussortieren bzw. die besonders wirksamen stärker fördern2. Vergleichsweise selten betrachtet wird demgegenüber bislang die Frage, ob ganze, auf bestimmte Krankheiten oder Indikationen zielende, Versorgungsketten sinnvoll organisiert sind, d. h. ob mit den eingesetzten Mitteln bzw. der Verteilung dieser Mittel auf die Glieder der Kette eine optimale gesundheitliche Wirksamkeit erzielt wird. Betrachtet man die Versorgung einer Krankheit über das gesamte Handlungsspektrum von der Primär- und Sekundärprävention über evtl. verschiedene Optionen der kurativen Behandlung bis hin zur Rehabilitation, dann lässt sich bspw. fragen, ob man den gesundheitlichen Gesamtnutzen steigern könnte, wenn man weniger in die Primärprävention und stattdessen mehr in die Rehabilitation oder weniger in Therapieoption A und mehr in B investieren würde. Wobei „investieren“ in diesem Zusammenhang nicht nur die Bereitstellung von Finanzmitteln meint, sondern jede Art von steuerndem Eingriff, d. h. z. B. auch die Information der Patienten, um eine stärkere/geringere Inanspruchnahme zu erreichen usw. Für eine Krankenkasse wie die DAK-Gesundheit geht es dabei um die Frage, auf welche Aufgaben und Themenfelder sie ihre Aktivitäten im Versorgungsmanagement sowie bei der Gestaltung von Versorgungsverträgen fokussieren sollte. Der erste Versorgungsreport der DAK-Gesundheit widmet sich einer solchen Untersuchung am Beispiel des Schlaganfalls bzw. des Hirninfarkts, als der quantitativ bedeutsamsten Untergruppe von Schlaganfällen. In Bezug auf mehrere wichtige Glieder der Versorgungskette – beginnend mit der vorbeugenden Behandlung des Vorhofflimmerns über die Thrombolyse des akuten Hirninfarkts bis hin zur Nachsorge – wird analysiert, welche Versorgungsleistungen aktuell erbracht und welche Wirkungen damit erzielt werden. Die Effektivität der Status-quo-Versorgung wird einer Bewertung unterzogen, indem die dadurch erreichte Verminderung der Krankheitslast geschätzt und zu den Kosten in 1 Dies gilt streng genommen nur für den Bereich der ambulanten Versorgung, wo ein Erlaubnisvorbehalt des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) gilt. In die stationäre Versorgung können neue Verfahren auch ohne vorgängige Nutzenbewertung eingeführt werden, hier gilt ein Verbotsvorbehalt, d. h. der GBA kann die Anwendung der Methode untersagen oder einschränken. 2 Für den Arzneimittelmarkt war die sog. „Bestandsmarktbewertung“ bis 2013 auch gesetzlich vorgesehen. Zum 1. Januar 2014 ist diese erst 2011 (AMNOG) in Kraft getretene Regelung jedoch aufgehoben worden (14. SGB V-ÄndG). 2 Einleitung 1 Beziehung gesetzt wird. In einem weiteren Schritt werden die Potenziale einer optimierten Versorgung – im Sinne einer stärkeren Reduktion der Krankheitslast – analysiert und in Relation zu den resultierenden Veränderungen der Versorgungskosten gesetzt. Im Ergebnis wird deutlich, an welchen Stellen der Versorgungskette Verbesserungen gegenüber dem Status quo besonders sinnvoll und lohnend wären. 1.2 Methodischer Ansatz: Generalized Cost-Effectiveness Analysis (GCEA) Für die Untersuchung dieser Zusammenhänge greift der DAK-Versorgungsreport auf methodische Konzepte zurück, die ursprünglich von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Zwecke der Planung und Prioritätensetzung im Gesundheitswesen entwickelt wurden. Diese Methodik der „Generalized Cost-Effectiveness Analysis“ (GCEA) (Hutubessy et al. 2003) ist international bereits vielfach erprobt, wurde aber unseres Wissens noch nie im Kontext des deutschen Gesundheitssystems angewendet. Mit der Methode der GCEA lässt sich nicht nur die Effizienz eines bestehenden Versorgungszusammenhangs untersuchen, sondern auch ermitteln, in welchem Maße die Einführung einer neuen Leistung in die bestehende Versorgungskette deren Gesamteffizienz – also das Verhältnis zwischen den gesamten Aufwendungen und den insgesamt erreichten Gesundheitseffekten – verändert. Bei medizinischen Leistungen i.e.S. kann die Antwort auf solche Fragen u. U. aus den Ergebnissen von Nutzenbewertungen abgeleitet werden, insbesondere wenn die neue Leistung eine bestehende substituiert. Gerade im Kontext der Bemühungen um eine stärkere Integration der Versorgung werden jedoch häufig auch neuartige Leistungen zur Verbesserung der Koordination, der Informationsflüsse zwischen den Leistungserbringern usw. eingeführt. In diesem Falle ergibt sich der Zusatznutzen aus einer Veränderung der Prozesse entlang der Versorgungskette, also bspw. einer Verkürzung der Latenzzeit bis zur Aufnahme einer Therapie oder der Steigerung der Nutzung von Therapieoption A zu Lasten von Option B. Die GCEA kann in diesem Zusammenhang nützliche Informationen liefern, welche Auswirkungen die Einführung z. B. von neuen Koordinationsleistungen auf die Kosten-Effektivität der gesamten Versorgungskette hat (bzw. welche Effekte sie haben muss, damit die Versorgung insgesamt nicht unwirtschaftlicher wird). Nähere Ausführungen zur GCEA sowie zu den Anpassungen der Methodik im Kontext des DAK-Versorgungsreports sind im Methodenteil (s. Kapitel 2) dargestellt. 1.3 Thema des DAK-Versorgungsreports: Schlaganfall bzw. Hirninfarkt Das Thema „Schlaganfall“ wurde wegen seiner großen Relevanz für die Gesundheit der Bevölkerung als Thema des ersten DAK-Versorgungsreports gewählt: Die WHO hat bezogen auf das Jahr 2010 die durch 291 Krankheiten und Verletzungen verursachte Krankheitslast – gemessen anhand der durch krankheitsbedingte Sterbefälle und Behinderungen verlorenen Lebensjahre (DALY, disability adjusted life years, vgl. dazu Abschnitt 2.1.1) – weltweit sowie differenziert nach Regionen ermittelt (Global Burden of DiseaseStudie). Schlaganfälle verursachen demnach weltweit die drittgrößte (Murray et al. 2012c) und in Deutschland die viertgrößte Krankheitslast (Plass et al. 2014). In Deutschland ereigneten sich im Jahr 2008 etwa 200.000 erstmalige und ca. 66.000 wiederholte Schlaganfälle (Heuschmann et al. 2010). Aufgrund der seither fortgeschrittenen Alterung der Bevölkerung dürfte die absolute Zahl von Schlaganfällen in Deutschland weiter gewachsen sein. Für das Jahr 2010 wurden im Rahmen der Global Burden of Disease-Studie für Deutschland ca. 76.000 schlaganfall-bedingte Todesfälle ermittelt. Der Schlaganfall ist damit nach wie vor die zweithäufigste Todesursache (Plass et al. 2014). Die um den Einfluss der Alterung der Bevölkerung bereinigte Sterblichkeit nach Schlaganfall ist jedoch in den zurückliegenden Jahrzehnten – vergleichbar der Situation beim Herzinfarkt – deutlich zurückgegangen. Eine große Zahl der überlebenden Schlaganfallpatienten trägt jedoch nach wie vor teilweise schwerwiegende bleibende Behinderungen davon. 1 Einleitung 3 „Schlaganfall“ ist ein Oberbegriff, der mehrere medizinisch abgrenzbare Krankheitsbilder umfasst, die zwar ähnliche Folgen für die Gesundheit der Betroffenen haben, deren Entstehung und teilweise auch Behandlung jedoch deutliche Unterschiede aufweist: x Die Hirninfarkte (ischämischer Schlaganfall, ischämischer Insult; ICD-10-Code I63) sind die größte Gruppe mit einem Anteil von etwa 80 % an allen Schlaganfällen (Kolominsky-Rabas und Heuschmann 2002). Beim Hirninfarkt kommt es aufgrund einer Verengung bzw. des Verschlusses eines oder mehrerer das Gehirn versorgender Blutgefäße zu einer Minderdurchblutung (Ischämie) des Gehirns. Wenn es aufgrund der Ischämie zum Absterben von Gehirnzellen kommt und somit eine nicht mehr reversible Gewebeschädigung eintritt, spricht man vom Hirninfarkt. x Die zweite Gruppe von Schlaganfällen sind Hirnblutungen (hämorrhagische Schlaganfälle bzw. Insulte), die nochmals differenziert werden nach Subarachnoidalblutungen (ICD-Code I60), Intrazerebralen Blutungen (ICD-Code I61) sowie Sonstigen nichttraumatischen intrakraniellen Blutungen (ICD-Code I62). x Eine kleine Gruppe stellen die „nicht näher bezeichneten Schlaganfälle“ (ICDCode I64) dar. In diesen Fällen wurde nicht festgestellt, ob es sich um einen Hirninfarkt oder eine Hirnblutung handelt. x Als vierte Gruppe sind die Transitorischen Ischämischen Attacken (TIA, ICDCode G45) anzusprechen. Hierbei handelt es sich nicht um Schlaganfälle, sondern um Minderdurchblutungen des Gehirns, die sich innerhalb von 24 Stunden wieder zurückbilden und keinen bleibenden Schaden hinterlassen. Es sind gewissermaßen „Beinahe-Hirninfarkte“. Patienten, die ein TIA-Ereignis hatten, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, danach einen Hirninfarkt zu erleiden. Im Rahmen des ersten DAK-Versorgungsreports war es nicht leistbar, das Thema „Schlaganfall“ in Bezug auf alle zugehörigen Diagnosen bzw. Patientengruppen zu bearbeiten. Die Untersuchungen beziehen sich daher in erster Linie auf die Hirninfarkte (I63). Eine Teiluntersuchung betrifft ferner die Transitorischen Ischämischen Attacken (TIA, G45). Wenn im Folgenden von „Schlaganfall“ die Rede ist, so sind darunter alle zugehörigen Diagnosen – also einschließlich der Hirnblutungen – zu verstehen. Ansonsten sprechen wir von Hirninfarkten bzw. TIA. 1.4 Auswahl der Einzelthemen aus der Versorgungskette des Hirninfarkts Im Hinblick auf die weitere Konkretisierung der Untersuchungen für den DAKVersorgungsreport wurde gemeinsam mit den Experten der DAK-Gesundheit sowie unterstützt durch ein Begleitgremium von externen Experten (vgl. Vorbemerkung und Danksagung) die Versorgungskette des Hirninfarkts daraufhin analysiert, welche Subthemen besonders relevant sind und ggf. auch für Maßnahmen des Versorgungsmanagements in Frage kommen. Ausgehend von einer Gliederung der Versorgung in sechs große Abschnitte, wurden fünf Einzelthemen für eine Vertiefung im Rahmen des DAKVersorgungsreports ausgewählt (Abbildung 1). 4 Einleitung Abbildung 1: Allgemeine kardio-vaskuläre Prävention Für den DAK-Versorgungsreport ausgewählte Einzelthemen aus den sechs Abschnitten der Versorgungskette des Hirninfarkts Prävention spezifischer Schlaganfallrisiken Thema 1: Vorhofflimmern Prästationäre Versorgung Akutstationäre Versorgung Post-akutstationäre Rehabilitation Thema 3: Thrombolyse-Behandlung Thema 2: TIA Quelle: 1 Thema 4: Neurol. Frührehabilitation Phase B Ambulante Nachsorge, Prävention erneuter Schlaganfälle Thema 5: Ambulante Heilmittelversorgung Thema 6: Prävention erneuter Schlaganfälle IGES Der Versorgungsabschnitt „Allgemeine kardio-vaskuläre Prävention“ ist für die Verhütung von Schlaganfällen von großer Bedeutung. Die hier adressierten Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen sind jedoch nicht nur für den Schlaganfall, sondern für eine ganze Reihe von weiteren Herz-KreislaufErkrankungen relevant. Veränderungen der allgemeinen kardio-vaskulären Primärprävention hätten somit nicht nur Auswirkungen auf das Auftreten von Schlaganfällen. Eine Untersuchung nur der Effekte auf die Schlaganfallinzidenz würde eine starke Verkürzung des Themas darstellen. Dieser Versorgungsabschnitt wurde daher im Rahmen der weiteren Untersuchungen nicht berücksichtigt. Aus dem zweiten Versorgungsabschnitt, der „Prävention spezifischer Schlaganfallrisiken“, wurden zwei Einzelthemen ausgewählt, die besonders große Bedeutung für die Verhütung eines erstmaligen Hirninfarkts haben: Thema 1: Vorhofflimmern (VHF) Das Vorhofflimmern ist die am häufigsten vorkommende anhaltende Herzrhythmusstörung. Es handelt sich um eine Störung im Erregungsleitungssystem des Herzens mit der Folge, dass sich Blutgerinnsel („Thromben“) im Herzen bilden können. Lösen sich die Thromben, kann es zu einem Gefäßverschluss („Thrombembolie“) und zu einem Infarkt, zumeist im Gehirn, kommen. Das Vorhofflimmern stellt einen der bedeutsamsten unabhängigen Risikofaktoren für ein Schlaganfallereignis dar. Im Mittel weisen Patienten mit VHF ein ca. 4- bis 5-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko auf. Das Vorhofflimmern kann medikamentös behandelt werden, wodurch das Schlaganfallrisiko deutlich gesenkt wird. Studien zeigen jedoch, dass dieser Risikofaktor zum einen häufig nicht entdeckt und zum anderen, dass ein bekanntes Vorhofflimmern oftmals nicht bzw. nicht optimal behandelt wird. Der DAKVersorgungsreport Schlaganfall analysiert das Potenzial einer Verbesserung der Entdeckung und Behandlung des Vorhofflimmerns im Hinblick auf die Senkung der Krankheitslast des Hirninfarkts. Thema 2: Transitorische Ischämische Attacken (TIA) Bei einer TIA kommt es zu einer verminderten Durchblutung des Gehirns, die sich aber – im Gegensatz zum Hirninfarkt – wieder zurückbildet, so dass die typischen Schlaganfallsymptome nur vorübergehend auftreten. Patienten mit einer TIA haben ein erhöhtes Risiko für einen anschließenden Hirninfarkt. Sie sollten daher – je nach individuell vorhandenen Risikofaktoren und Grunderkrankungen – konsequent pro- 1 Einleitung 5 phylaktisch behandelt werden. Die prophylaktische Behandlung nach einem TIAEreignis könnte ferner durch Aktivitäten des Versorgungsmanagements unterstützt werden, wie sie die DAK-Gesundheit bspw. Versicherten anbietet, die wegen einer chronischen Krankheit in ein DMP-Programm3 eingeschrieben sind. Der Versorgungsreport untersucht das Potenzial einer Optimierung der medikamentösen Prophylaxe bei Patienten, die wegen einer TIA im Krankenhaus waren. Bei Eintritt eines Schlaganfalls sollte die/der Betroffene so schnell wie möglich in ein geeignetes Krankenhaus gebracht werden. Dies gilt auch, wenn die akute Symptomatik auf den ersten Blick nicht lebensbedrohlich erscheint. Sofern es sich um einen Hirninfarkt handelt, besteht nämlich innerhalb eines begrenzten Zeitfensters von ca. vier bis fünf Stunden bei einem Teil der Patienten die Möglichkeit, das verengte Blutgefäß durch eine thrombolytische Therapie (sog. Lyse-Behandlung) wieder zu öffnen und die Mangeldurchblutung des Gehirns dadurch aufzuheben. Je kürzer der Zeitraum zwischen Eintritt des Hirninfarkts und Beginn der Lyse-Behandlung, umso größer sind die Chancen, dass keine oder nur geringe bleibende Beeinträchtigungen zurückbleiben (Gumbinger et al. 2014, Lees et al. 2010). Voraussetzung dafür ist zum einen, dass der Patient in ein Krankenhaus gelangt, welches Lyse-Behandlungen durchführt und zum anderen, dass die Behandlung möglichst rasch innerhalb des genannten Zeitfensters beginnen kann. Dem Behandlungsabschnitt zwischen Eintritt des Schlaganfalls und der stationären Aufnahme (prästationäre Versorgung) kommt daher große Bedeutung hinsichtlich der Reduktion der Krankheitslast zu. Dies beginnt mit der Fähigkeit der Allgemeinbevölkerung, die Symptome eines Schlaganfalls möglichst unmittelbar zu erkennen – insbesondere, wenn sie eher gering ausgeprägt sind bzw. bei Menschen, die z. B. aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters zuvor schon unter Beeinträchtigungen gelitten haben – und dann entsprechend zu reagieren (Notarzt rufen, Schlaganfallverdacht äußern). Im nächsten Schritt kommt es auf eine gut organisierte Rettungskette an, also bspw. darauf, dass der Rettungsdienst den Patienten in ein Krankenhaus bringt, das eine spezialisierte Schlaganfallversorgung durchführt. Thema 3: Thrombolyse-Behandlung Im Jahr 2012 erhielten in Baden-Württemberg etwa 14 % aller stationär behandelten Patienten mit Hirninfarkt eine thrombolytische Therapie (Gumbinger et al. 2014), die übrigen sind entweder für die Behandlung aus medizinischen Gründen nicht geeignet, treffen zu spät im Krankenhaus ein oder gelangen nicht in ein Krankenhaus, das Lyse-Behandlungen durchführt. Aus analogen Registerdaten in Hessen geht hervor, dass 88 % der Hirninfarkt-Patienten in eine Klinik gelangen, die grundsätzlich LyseBehandlungen durchführt (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] 2013a). Innerhalb eines Zeitfensters von höchstens 3,5 Stunden nach Eintritt des Hirninfarktes erreichen 40,2 % der hessischen Patienten, bei denen Angaben zu den Zeiten vorliegen, ein Krankenhaus (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] 2013a). Bei diesen Patienten besteht die Möglichkeit, das Zeitfenster von bis zu 4,5 Stunden nach Eintritt des Hirninfarkts einzuhalten, wenn man zusätzlich maximal eine Stunde für die notwendige Diagnostik und Vorbereitung des Patienten in Rechnung stellt (sog. „door to needle-time“). Der DAK-Versorgungsreport geht der Frage nach, wie groß die Krankheitslast ist, die aktuell bereits durch die Lyse-Behandlungen vermieden wird und welche darüber hinaus gehende Reduktion möglich wäre, wenn der Anteil der innerhalb des LyseZeitfensters stationär aufgenommenen Patienten erhöht werden könnte. Geeignete Maßnahmen, dies zu erreichen wären bspw. eine stärkere Aufklärung der Bevölkerung über die Symptome eines Schlaganfalls und die adäquate Reaktion sowie eine Optimierung der Rettungsketten. Die akuten Folgen eines Hirninfarkts sind unterschiedlich ausgeprägt: Nach den Daten der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen für die Schlaganfall-Akutbehandlung in 3 Strukturierte Behandlungsprogramme für chronisch Kranke gem. § 137f SGB V 6 Einleitung 1 Hessen zeigten 2012 knapp 27 % der Hirninfarkt-Patienten am ersten Tag nach der Krankenhausaufnahme keine wesentlichen Funktionseinschränkungen (Werte 0 oder 1) auf der „modified Rankin-Scale (mRS)“, einer Beurteilungsskala, die das Ausmaß der Behinderung nach einem Schlaganfall mit Werten zwischen 0 und 5 bzw. 6 (Tod) beschreibt (vgl. Abschnitt 2.2.3). Andererseits wiesen 21 % der Patienten auch zum Zeitpunkt der Entlassung bzw. Verlegung aus der akutstationären Behandlung noch mittelschwere oder schwere Funktionseinschränkungen auf (mRS 4 oder 5). Diese schwer betroffenen Patienten sind bei Beendigung der Akutbehandlungsphase (Phase A)4 noch zu krank, um an einer „regulären“ Rehabilitationsmaßnahme (Phase C bzw. D) teilzunehmen. Sie sollten eine Maßnahme der neurologischen Frührehabilitation (Phase B) erhalten. Thema 4: Neurologische Frührehabilitation Phase B Durch eine neurologische Frührehabilitation kann bei vielen schwer beeinträchtigten Schlaganfall-Patienten das Funktionsniveau verbessert werden. Der DAKVersorgungsreport untersucht, welche Relevanz die neurologische Frührehabilitation Phase B für die Reduktion der Krankheitslast hat und welche Effekte eine Erhöhung der Inanspruchnahme hätte. Im Rahmen der kontinuierlichen Nachsorge nach einem Hirninfarkt sind zum einen der Erhalt des – i. d. R. auch durch post-akutstationäre Rehabilitationsmaßnahmen wiedergewonnenen – Funktionsniveaus und zum anderen die Verhütung eines erneuten Schlaganfalls (Re-Insult) von wesentlicher Bedeutung. Thema 5: Ambulante Heilmittelversorgung In der ambulanten Nachsorge – im Kontext der Phasensystematik der BAR auch als Phase E bezeichnet (BAR 1995) – werden im DAK-Versorgungsreport nur die Heilmittel betrachtet. Hier kommen im Prinzip die gleichen Leistungsarten zum Einsatz, die auch in vorangehenden Phasen der Rehabilitation eine zentrale Rolle spielen: Physiotherapie, Logopädie sowie Ergotherapie. In der Leistungssystematik der gesetzlichen Krankenversicherung werden diese Maßnahmen der Heilmittelversorgung zugerechnet. Für die in diesem Kontext relevanten Therapiemaßnahmen konnten keine Studien identifiziert werden, die eine Quantifizierung der Effekte auf der Ebene von Messgrößen zur Beschreibung des Funktionsniveaus oder Behinderungsgrades – wie der im vorliegenden DAK-Versorgungsreport primär betrachteten „modified Rankin-Scale (mRS)“ – vornehmen. Das Thema der ambulanten Heilmittelversorgung konnte daher nicht entsprechend dem für die anderen Teilthemen gewählten methodischen Ansatz behandelt werden. Stattdessen erfolgt lediglich eine deskriptive Analyse der ambulanten Heilmittelversorgung nach erstem Hirninfarkt auf der Grundlage von Daten der DAK-Gesundheit. Untersucht werden u. a. der Leistungsbeginn, die Leistungsintensität und die Leistungskontinuität/-dauer der ambulanten Heilmittelversorgung. Die Ergebnisse können zu den Empfehlungen aus medizinischen Leitlinien in Beziehung gesetzt werden. Thema 6: Prävention von Re-Insulten Nach einem bereits eingetretenen Hirninfarkt steht die medikamentöse Behandlung der Risikofaktoren Vorhofflimmern, arterielle Hypertonie sowie sonstiger kardiovaskulärer Risiken (z. B. Fettstoffwechselstörungen) im Mittelpunkt. Als sechstes Teilthema werden Status quo und Optimierungspotenzial der medikamentösen Sekundärprävention nach einem ersten Hirninfarkt bezogen auf die Risikofaktoren Vorhofflimmern und arterielle Hypertonie untersucht. 4 Die Einteilung der neurologischen Rehabilitation in Phasen wurde 1995 von der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation eingeführt (BAR [Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation] 1999), vgl. Abschnitt 3.4.2. 7 2. Methodik 2.1 Übergreifende methodische Konzepte Wie eingangs bereits kurz dargestellt, verwenden die meisten Analysen des DAKVersorgungsreports methodische Konzepte, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Kontext von Studien zur globalen bzw. regionalen Krankheitslast („Global Burden of Disease Study“) (Murray et al. 2012a, Murray und Lopez 2013, Murray und Lopez 1996) sowie zur Unterstützung der Prioritätensetzung im Gesundheitswesen („Generalized Cost-Effectiveness Analysis, GCEA“) (Hutubessy et al. 2003) entwickelt wurden. Im Folgenden werden diese methodischen Ansätze zunächst in ihrer allgemeinen Form erläutert. Im anschließenden Abschnitt 2.2 werden dann die konkreten Vorgehensweisen im Kontext des DAK-Versorgungsreports Schlaganfall bzw. der entwickelten Modellierungen dargestellt. 2.1.1 „Disability-adjusted life years“ (DALY) zur Messung der Krankheitslast In der Einleitung wurde kurz auf das auch für das Gesundheitswesen geltende Knappheitsprinzip hingewiesen: Die verfügbaren Mittel reichen in der Regel nicht aus, um alle grundsätzlich wünschbaren und möglichen Leistungen und Maßnahmen zu finanzieren. Daraus erwächst die Notwendigkeit, Prioritäten zu setzen bzw. bewusste Entscheidungen zu treffen, wie viele Mittel für welche Gesundheitsprobleme – in Form von Versorgungsleistungen, Forschungsmitteln usw. – aufgewendet werden sollen. Solche Entscheidungsprozesse erfordern wegen der Heterogenität von Krankheiten und Gesundheitsstörungen sehr komplexe Abwägungen: Manche Krankheiten führen zu einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung, andere dagegen sind eher mit Beeinträchtigungen (z. B. Schmerzen, Behinderungen usw.) verbunden, die über lange Zeiträume bestehen und die Lebensqualität der Betroffenen stark, die Lebenserwartung aber kaum vermindern. Welchen Krankheiten sollte bei der Behandlung oder Erforschung größeres Gewicht eingeräumt werden? Um Entscheidungsprobleme dieser Art auf eine rationalere Grundlage stellen zu können, wurden methodische Konzepte zur Messung der Krankheitslast entwickelt, mit denen die Aspekte „Verkürzung der Lebenserwartung“ und „Verminderung der Lebensqualität“ krankheitsübergreifend quantifiziert werden können. Die beiden wichtigsten dieser Konzepte sind das „Qualitätsadjustierte Lebensjahr“ (quality-adjusted life year, QALY) und das „Behinderungsadjustierte Lebensjahr“ (disability-adjusted life year, DALY). Beide Konzepte ähneln sich, insofern sie die Krankheitslast durch Addition von zwei Komponenten operationalisieren: x Die durch vorzeitigen krankheitsbedingten Tod verlorenen Lebensjahre – also die mit der jeweiligen Krankheit assoziierte Mortalität – und x die durch das Leben mit der Krankheit verminderte Lebensqualität. Neben verschiedensten Einzelheiten der methodischen Umsetzung besteht der augenfälligste Unterschied zwischen dem QALY- und DALY-Konzept in der gegenläufigen Umsetzung der zweiten Komponente: x Im QALY-Ansatz wird jedes mit der Krankheit verbrachte Lebensjahr mit einem Qualitätsgewicht versehen, welches Werte zwischen „1“ für „völlig gesund“ und „0“ für „tot“ bzw. unter Umständen auch negative Werte für Gesundheitszustände „schlimmer als der Tod“ annehmen kann. In Untersuchungen, die das QALYKonzept verwenden geht es also vereinfacht gesprochen darum, möglichst viele QALYs zu erreichen, indem man die Behandlungsmöglichkeiten verbessert und dadurch die Sterblichkeit senkt und/oder die Lebensqualität der Patienten – durch Verminderung der Krankheitssymptome usw. – erhöht. 8 Methodik x 2 Im DALY-Ansatz wird dagegen ein „Behinderungsgewicht“ (disability weight, DW) für jedes mit der Krankheit verbrachte Lebensjahr vergeben, das Werte zwischen „0“ für „völlig gesund bzw. frei von Behinderung“ und „1“ für „tot“ annehmen kann. Das DALY-Konzept misst somit die Krankheitslast als negative Größe, die es durch Verbesserungsmaßnahmen zu verringern gilt. Die Unterschiede sowie Vor- und Nachteile beider methodischen Konzepte werden in einer Reihe von Publikationen erörtert (Anand und Hanson 1997, Murray 1994, Sassi 2006). Teilweise sind die dort geführten Diskussionen auch überholt, da bspw. das DALYKonzept in seinen jüngsten Anwendungen im Kontext der neuesten „Burden of Disease Studie“ der WHO gegenüber den früheren Operationalisierungen deutlich verändert wurde (Murray et al. 2012b, Murray und Lopez 2013). Im Folgenden wird nur das DALYKonzept in der hier angewendeten Operationalisierung dargestellt, für den größeren Kontext wird auf die zitierte Literatur verwiesen. Im Rahmen des DAK-Versorgungsreports Schlaganfall wird die Krankheitslast durch die 5 im Laufe eines Jahres auftretenden Hirninfarkte gemäß dem DALY-Konzept berechnet : 1. Ein Teil der Hirninfarkt-Patienten verstirbt noch während der Behandlung im Akutkrankenhaus. Für jeden dieser schlaganfallbedingten Todesfälle werden die verlorenen Lebensjahre als Differenz zwischen dem Sterbealter und der Restlebenserwartung einer Person des betreffenden Alters und Geschlechts gemäß aktueller Sterbetafel für Deutschland6 berechnet. 2. Die überlebenden Hirninfarktpatienten haben je nach Schweregrad des Schlaganfalls eine gegenüber alters- und geschlechtsgleichen Personen der allgemeinen Bevölkerung verminderte Lebenserwartung, d. h. sie werden durchschnittlich früher sterben, als wenn sie keinen Hirninfarkt erlitten hätten. Für jeden Hirninfarktpatienten werden entsprechend seinem Alter/Geschlecht sowie dem auf Basis des mRS-Wertes gemessenen Behinderungsgrad bei Entlassung aus dem Akutkrankenhaus die zukünftig aufgrund der verminderten Lebenserwartung verlorenen Lebensjahre berechnet. 3. Die Summe der verlorenen Lebensjahre aller im Krankenhaus versterbenden Patienten (1.) und der durch die Verkürzung der Lebenserwartung in der Zukunft noch verloren gehenden Lebensjahre (2.) geht als Gesamtsumme der verlorenen Lebensjahre (YLL, years of life lost) in die Berechnung der Krankheitslast ein. 4. Die überlebenden Patienten leiden in unterschiedlich starkem Maße unter Behinderungen, die durch den Hirninfarkt verursacht wurden und die ihre Lebensqualität beeinträchtigen. Für jeden Hirninfarktpatienten werden die Jahre seiner verbleibenden Restlebenserwartung entsprechend dem Grad seiner Behinderung – gemessen mit dem mRS-Wert bei Entlassung aus dem Akutkrankenhaus – mit einem „Behinderungsgewicht“ (disability weight, DW) versehen. Bei schwerst betroffenen Patienten liegt das „Behinderungsgewicht“ nahe dem Wert 1, so dass jedes Lebensjahr fast die gleiche Krankheitslast wie ein Todesfall beiträgt. (Da bei den Schwerstbetroffenen auch die Lebenserwartung stark verkürzt ist – was bereits unter Punkt (2.) bei der Berechnung der YLL berücksichtigt wird – ist auch die Zahl der Lebensjahre mit einem sehr hohen Behinderungsgewicht gering). 5. Die Summe der behinderungsgewichteten Restlebensjahre der zunächst überlebenden Hirninfarktpatienten geht als „years lived with disability (YLD)“ in die Berechnung der Krankheitslast ein. Die gesamte Krankheitslast als „Behinderungsadjustierte Lebensjahre“ (DALY) ergibt sich als Summe von YLL und YLD. Bei der Berechnung der DALY wird somit weder eine Altersgewichtung noch eine Diskontierung von DALY vorgenommen. Bei einer Altersgewichtung würde ein verlorenes Le- 5 Die methodischen Details der im Folgenden skizzierten Vorgehensweise werden in Abschnitt 2.2 ausführlich dargestellt. 6 Sterbetafel 2009/2011 (Statistisches Bundesamt [Destatis] 2013) 2 Methodik 9 bensjahr einer älteren Person gegenüber dem einer jüngeren Person mit einem geringeren Wert in die Gesamtsumme der DALY eingehen. Bei einer Diskontierung würden DALYs, die erst in einigen Jahren anfallen – z. B. durch die Hirninfarkt-bedingte Verkürzung der zukünftigen Lebenserwartung, vgl. oben Punkt (2.) – „abgezinst“, d. h. mit einem geringeren Wert in die Berechnung der Krankheitslast eingehen, als Lebensjahre, die zeitnäher verloren gehen. Altersgewichtung und Diskontierung wurden ursprünglich von der WHO im Rahmen der ersten „Burden of Disease Studien“ angewandt (Murray und Lopez 1996) bzw. waren Bestandteil des DALY-Konzepts. Beide Vorgehensweisen sind kritisiert worden (Anand und Hanson 1997) und wurden im Rahmen der neuesten „Burden of Disease Studien“ nicht mehr angewandt (Murray et al. 2012a, Murray und Lopez 2013). Ferner wird für die Berechnung der verlorenen Lebensjahre die für den betreffenden Zeitraum geltende deutsche Sterbetafel 2009/2011 (Statistisches Bundesamt [Destatis] 2013) zugrunde gelegt. In den WHO-Studien stehen internationale Vergleiche im Mittelpunkt, weshalb meist eine einheitliche „Standard-Sterbetafel“ verwendet wird. Die Berechnung der DALY durch Hirninfarkte bezieht sich jeweils auf ein bestimmtes Jahr – aus Gründen der Datenverfügbarkeit ist das Bezugsjahr des DAK-Versorgungsreports Schlaganfall das Jahr 2011 – sowie auf eine konkrete Versorgungssituation, z. B. den Status quo der Schlaganfallversorgung in Deutschland im Jahr 2011. Neben der Beschreibung der aktuell tatsächlich auftretenden Krankheitslast soll untersucht werden, inwieweit eine Verminderung der Krankheitslast durch konkrete Optimierungsmaßnahmen möglich wäre und inwieweit diese Optimierungen der Versorgung auch mit einer Erhöhung der Kosten-Effektivität der Versorgung einhergingen. 2.1.2 Kosten-Effektivität der tatsächlichen sowie einer optimierten Versorgung Mit den im vorangehenden Abschnitt skizzierten methodischen Konzepten QALY bzw. DALY lassen sich die gesundheitsbezogenen Effekte von Präventions- oder Versorgungsleistungen auf einheitlichen Skalen messen und untereinander vergleichen, indem man ermittelt wie viele QALY durch eine Intervention A (im Vergleich zu B) gewonnen bzw. DALY vermieden werden. Für eine Priorisierung von Interventionen oder allgemeiner ausgedrückt, zur Unterstützung von Entscheidungen über die Mittelverwendung im Gesundheitswesen, müssen die gesundheitlichen Effekte von Interventionen in Beziehung zu ihren Kosten gesetzt, d. h. Kosten-Effektivitäts-Quotienten – Euro pro verhindertes DALY/gewonnenes QALY – berechnet werden. Kosten-Effektivitätsanalysen in Bezug auf einzelne Behandlungsmaßnahmen werden insbesondere bei neu eingeführten Interventionen durchgeführt. Dabei wird z. B. ein neues Arzneimittel mit einer oder mehreren bereits existierenden Therapien verglichen, indem der Zuwachs an Gesundheit durch die neue Therapie – i. d. R. gemessen in QALYs – zu den zusätzlichen Kosten gegenüber der herkömmlichen Behandlung in Beziehung gesetzt wird (sog. Inkrementelle Kosten-Effektivitäts-Ratio, IKER). Sofern die Zusatzkosten für ein zusätzliches QALY innerhalb akzeptabler Grenzen liegen, wird die neue Therapieform als “kosteneffektiv” bewertet. Im Kontext des DAK-Versorgungsreports geht es nicht um die Kosten-Effektivität einzelner alternativer Behandlungsmaßnahmen, sondern um die Frage, wie kosteneffektiv der aktuelle Interventionsmix bezogen auf einen oder mehrere der o.g. Versorgungsabschnitte (vgl. Abbildung 1) ist bzw. ob sich der gesundheitliche Output des Versorgungssystems u.U. erhöhen ließe, wenn die Gewichtung der einzelnen Elemente der Versorgungskette verändert würde. Als methodischer Rahmen für diesen Typus von Fragestellungen – allgemein formuliert für Fragen der Optimierung der Allokation eines gegebenen Gesundheitsbudgets – wurde die „Generalisierte Kosten-Effektivitätsanalyse“ (Generalized CostEffectiveness Analysis, GCEA) (Hutubessy et al. 2003) entwickelt. Kennzeichnend für die GCEA ist vor allem, dass die Kosten-Effektivität des bestehenden Interventionsmixes bezogen auf ein sog. „kontrafaktisches Null-Szenario“ ermittelt wird: x Nach Definition der im Rahmen der Analyse zu betrachtenden Interventionen werden die Effekte des bestehenden Versorgungsmixes – d. h. unter Zugrunde- 10 Methodik 2 legung der tatsächlich beobachteten Behandlungsprävalenzen usw. – geschätzt. Dies erfolgt bezogen auf das theoretische Szenario, dass keine der betreffenden Interventionen existierte. Es werden also die durch die Status quo-Versorgung vermiedenen DALY im Vergleich zu einer Situation ohne die betreffenden Versorgungsmaßnahmen („Null-Szenario“) berechnet. x Der Gesamteffekt der Status quo-Versorgung auf die Krankheitslast sowie die Effekte der einzelnen betrachteten Versorgungskomponenten werden zu den aktuellen Kosten in Relation gesetzt. Durch die Analyse wird somit erkennbar, wie kosteneffektiv der bestehende Versorgungsmix insgesamt und die einzelnen Komponenten sind. Abbildung 2 zeigt die Vorgehensweise am Beispiel von Interventionen gegen das Vorhofflimmern als einem wichtigen Risikofaktor für Hirninfarkte (vgl. Abschnitt 4.1). x In einem nächsten Schritt kann bspw. untersucht werden, inwieweit sich innerhalb des gleichen Gesamtbudgets durch Umschichtung von weniger zu stärker kosteneffektiven Versorgungskomponenten die Kosteneffektivität des Versorgungsmixes insgesamt – als Folge der stärkeren Reduktion der Krankheitslast – verbessern ließe. Analog kann auch geprüft werden, in welche Versorgungskomponenten am ehesten zusätzliche Mittel fließen sollten, weil pro zusätzlichen Euro die Effekte auf die Krankheitslast am stärksten wären. Abbildung 3 zeigt das Prinzip der Vorgehensweise. Die GCEA betrachtet somit das Verhältnis zwischen den Interventionskosten und der dadurch vermiedenen Krankheitslast. Die Folgekosten von durch eine Intervention ggf. vermiedenen Hirninfarktereignissen bzw. die eventuellen Einsparungen bei den Folgekosten gehen nicht in die Analyse ein. 2 Methodik 11 Abbildung 2: Ermittlung der Kosten-Effektivität des bestehenden Versorgungsmixes im Vergleich zu einem kontrafaktischen Null-Szenario (Beispiel: Interventionen zur Behandlung des Vorhofflimmerns) „Kontrafaktorisches Null-Szenario“ Keiner Interventionen Vorhofflimmern Anzahl Hirninfarkte pro Jahr, die dem Vorhofflimmern zuzuordnen sind Krankheitslast: a DALY Anzahl Hirninfarkte pro Jahr, die dem Vorhofflimmern zuzuordnen sind Krankheitslast b DALY (b<a) Kosten Interventionen: 0€ Häufigkeit Vorhofflimmern Aktueller Interventionsmix Vorhofflimmern x€ a-b Kosten Interventionen: x€ Quelle: Kosten-Effektivität Status-quoVersorgung IGES Abbildung 3: Ermittlung der Inkrementellen Kosten-Effektivität eines optimierten Versorgungsmixes im Vergleich zur Status-quo-Versorgung (Beispiel: Interventionen zur Behandlung des Vorhofflimmerns) „Status-quoVersorgung“ Keiner Interventionen Vorhofflimmern Anzahl Hirninfarkte pro Jahr, die dem Vorhofflimmern zuzuordnen sind Krankheitslast b DALY (b<a) Anzahl Hirninfarkte pro Jahr, die dem Vorhofflimmern zuzuordnen sind Krankheitslast: c DALY (c<b<a) Kosten Interventionen: x€ Häufigkeit Vorhofflimmern Verbesserter Interventionsmix Vorhofflimmern (Inkrementelle) Kosten-Effektivität OptimierteVersorgung „Optimierte Versorgung“ Kosten Interventionen: y€ (y<x) Quelle: y€-x€ b-c IGES Im Rahmen des DAK-Versorgungsreports Schlaganfall werden sechs Teilthemen untersucht, die Bestandteile des Versorgungsmixes des Hirninfarkts sind. Für fünf Themen werden auch die Effekte auf die Krankheitslast (vermiedene DALY) geschätzt und grundsätzliche Optimierungs-Szenarien spezifiziert. In den Ergebniskapiteln zu den einzelnen Teilthemen wird zunächst nur die Ermittlung der gesundheitsbezogenen Effekte (vermie- 12 Methodik 2 dene DALY) dargestellt (Kapitel 3). Analysen zur Kosten-Effektivität werden für zwei Themen durchgeführt (Primärprävention bei Vorhofflimmern und Thrombolyse/Akutstationäre Versorgung). Die Ergebnisse sind in Kapitel 4 dargestellt. 2.2 Datengrundlagen und Methoden des DAK-Versorgungsreports In der nachfolgenden Abbildung ist die für den DAK-Versorgungsreport aufgebaute Modellierung schematisch einleitend dargestellt. Die Abbildung unterscheidet nach den Inputs und den Outputs des Modells, die in diesem Abschnitt jeweils im Detail beschrieben werden. Abbildung 4: Quelle: IGES Schematischer Aufbau der Modellierung des DAK-Versorgungsreports differenziert nach Modellin- und -outputs 2 Methodik 2.2.1 13 Allgemeine Beschreibung des Modellaufbaus Im Rahmen der Literaturrecherche für den DAK-Versorgungsreport wurde festgestellt, dass mit publizierten DALY-Effektmodellierungen im Schlaganfallkontext bislang einzelne ausgewählte Aspekte der Versorgung, bspw. der DALY-Effekt einer höheren Lyserate (Hong und Saver 2010) oder DALY-Effekte einer schnelleren Krankenhauseinlieferung (Meretoja et al. 2014), untersucht worden sind. Im DAK-Versorgungsreport werden mehrere Versorgungsthemen dargestellt und analysiert (vgl. Abschnitt 1.4 und 3). Zunächst wurde modelliert, von wie vielen erstmaligen Hirninfarktereignissen in Deutschland pro Jahr unter den derzeitigen Präventions- und Versorgungsgegebenheiten auszugehen ist. Die hierfür verwendeten Inzidenzraten wurden aus den DAK-Routinedaten abgeleitet (vgl. Abschnitt 2.2.2). Die Anzahl der erstmaligen Hirninfarktfälle eines Jahres wurde nach Altersgruppen und Geschlecht differenziert ermittelt. Jedem dieser Hirninfarktfälle wurden die DALY zugeordnet, die mit dem Auftreten des ersten Hirninfarktes verbunden sind. Diese ermitteln sich – vereinfacht ausgedrückt – aus der Differenz der DALY-Last am ersten Tag nach der Krankenhausaufnahme wegen des Hirninfarktes und der DALY-Last vor dem Ereigniseintritt. Die Unterschiede der vom Hirninfarkt verursachten neurologischen Defizite wurden berücksichtigt, indem die mRSEinstufung der Fälle vor und nach dem Hirninfarkt einbezogen wurde. Die verwendeten mRS-Einstufungen wurden aus Berichten der externen Qualitätssicherung der hessischen Krankenhäuser zur Akutversorgung bei Hirninfarkt übernommen (vgl. Abschnitt 2.2.3). Zur Ermittlung der je Alters- und Geschlechtsgruppe und für die einzelnen mRSKlassen angesetzten DALY-Werte wird auf Abschnitt 2.2.4 verwiesen. Beim Thema Primärprävention bei Vorhofflimmern geht es darum, welche Krankheitslast durch Entdeckung und Behandlung des Vorhofflimmerns (VHF) aktuell vermieden wird bzw. durch eine Optimierung zusätzlich vermieden werden könnte. Die Modellierung stützt sich auf publizierte Studiendaten zur Prävalenz des VHF sowie zu den Anteilen von diagnostiziertem und (mit OAK) behandeltem VHF. Ferner werden die mit der jeweiligen Konstellation verbundenen Hirninfarkt-Risiken aus Studien entnommen und für die Modellierung der dem VHF zurechenbaren Hirninfarkte bzw. DALY verwendet. Für die Berechnung des Null- und des Optimierungs-Szenarios werden die entsprechenden Parameter (Anteil diagnostiziertes bzw. mit OAK behandeltes VHF) gegenüber dem Statusquo-Szenario verändert und die resultierenden Effekte auf die Krankheitslast (DALY) ermittelt. Beim Thema Sekundärprävention nach erster TIA wurde zunächst die Größe und Zusammensetzung des Gesamtkollektivs der Krankenhausfälle mit erstmaliger TIA für ein Jahr aus den DAK-Routinedaten ermittelt. In der Modellierung werden dann einzelne Teilgruppen dieser Fälle mit erster TIA betrachtet (bspw. VHF vorliegend, behandelbar und mit OAK behandelt; VHF vorliegend und nicht behandelbar etc.). Die Ableitung der Größe der einzelnen Gruppen und der gruppenspezifischen Risiken für einen ersten Hirninfarkt/Schlaganfall nach einer ersten TIA erfolgte auf der Grundlage von Studien. Analog zu der Vorgehensweise beim Thema „Primärprävention bei VHF“ wurde zunächst modelliert, wie viele Hirninfarkte nach TIA sowie DALY den einzelnen Risikofaktoren (VHF, arterielle Hypertonie, übrige) zuzuordnen sind. Anschließend (Null- bzw. OptimierungsSzenario) wurden die Stellgrößen (z. B. Anteil mit OAK behandelte VHF-Patienten nach erster TIA) verändert und die Auswirkungen auch die Krankheitslast ermittelt. Beim Thema akutstationäre Versorgung/Thrombolyse-Behandlung wird beschrieben, welcher Effekt – i.S. einer Verringerung der DALY-Last – sich aus der Erhöhung des Anteils jener Hirninfarktpatienten ergeben würde, die innerhalb von maximal 3,5 Stunden nach den ersten Schlaganfallsymptomen in ein Krankenhaus aufgenommen werden, so dass die Möglichkeit besteht, die Eignung für eine Thrombolyse i. v.-Therapie zu prüfen und diese ggf. durchzuführen. Unter der Annahme, dass ein annähernd gleicher Anteil der zusätzlich innerhalb des Lyse-Zeitfensters aufgenommenen Patienten tatsächlich eine Lyse-Behandlung erhält, wie aktuell bereits bei den rechtzeitig stationär aufgenommen Patienten beobachtet, resultiert eine entsprechende Erhöhung des Anteils der Hirnin- 14 Methodik 2 farktpatienten, die von den nachweislich positiven Effekten der Thrombolyse i. v.Therapie profitieren. Der Modellaufbau ist in Abschnitt 3.3.4 ausführlich beschrieben. Modellierungsgrundlage bilden wissenschaftliche Erkenntnisse zur Effektivität der Thrombolyse i. v.-Therapie. Verwendet werden zudem Informationen zur mRS-Verteilung der akutstationär versorgten Hirninfarktpatienten vor dem Ereignis, bei Krankenhausaufnahme und bei Krankenhausentlassung für drei nach dem Zeitraum zwischen Ereigniseintritt und Krankenhausaufnahme sowie Thrombolyse i. v.-Therapie (ja/nein) differenzierte Gruppen sowie deren mRS-Veränderung während der akutstationären Versorgung. Über Erhöhungen des Anteils der Hirninfarktpatienten, die innerhalb eines Zielkorridors von 3,5 Stunden nach dem Auftreten eines Hirninfarktes in ein Krankenhaus aufgenommen werden, können die Effekte einer erhöhten Anzahl von Thrombolyse i. v.-Therapien als gegenüber dem Status quo zusätzlich vermiedene DALY dargestellt werden. Für das Thema Rehabilitation nach einem Hirninfarkt/Schlaganfall liegen keine für die Modellierung verwendbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Effektivität vor. Um zumindest die neurologische Frührehabilitation Phase B dennoch im Versorgungsreport abbilden zu können, wurde mittels der Daten der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen nach mRS-Klassen differenziert abgeschätzt, welcher Anteil aller aus der akutstationären Versorgung entlassenen Hirninfarktpatienten eine neurologische Frührehabilitation Phase B (gem. BAR-Phasenschema) erhält. Da in den o.g. Daten auch beschrieben ist, welche mRS-Einstufungen die Hirninfarktpatienten bei Aufnahme und Entlassung in die neurologische Frührehabilitation Phase B aufweisen, kann die DALY-Last bei Aufnahme und Entlassung geschätzt werden. Der DALY-Effekt einer Veränderung des Anteils der in einer neurologischen Frührehabilitation Phase B versorgten Patienten kann simuliert werden. Beim Thema Sekundärprävention nach erstem Hirninfarkt wurde das Gesamtkollektiv der Krankenhausfälle mit erstmaligem Hirninfarkt um die im Krankenhaus aufgrund des Erstereignisses verstorbenen Fälle verringert. Auch hier erfolgt die Modellierung differenziert nach Teilgruppen mit/ohne spezifische Risiken (z. B. VHF), analog der Vorgehensweise beim Thema „Primärprävention VHF“. Zur mRS-Einstufung der Fälle beim Auftreten des erneuten Hirninfarkt/Schlaganfall liegen keine Studien oder Daten vor. Daher wurde für die betroffenen Fälle eine Erhöhung der DALY-Last angenommen, die sich aus der Differenz zwischen der durchschnittlichen DALY-Last zum Zeitpunkt der Aufnahme bei dem ersten Krankenhausaufenthalt und der DALY-Last zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem ersten Krankenhausaufenthalt ergibt. Die Schätzung der Veränderungen der Krankheitslast im Null- bzw. Optimierungs-Szenario erfolgt wie bereits bei den anderen Themen beschrieben. Für das Thema ambulante Heilmittelversorgung wurde ein von den übrigen Themen abweichender Untersuchungsansatz gewählt. Da keine Untersuchungen vorliegen, die die Effekte der ambulanten Heilmittelleistungen nach einem Schlaganfall bzw. Hirninfarkt in der Weise quantifizieren, wie sie für die Modellierung im DAK-Versorgungsreport erforderlich ist, wurden rein deskriptive Auswertungen durchgeführt: Leistungsbeginn, Leistungsart, Leistungsintensität und Leistungskontinuität/-dauer der ambulanten Heilmittelversorgung wurden für die Fälle mit einem erstmaligen Hirninfarkt unter Verwendung der DAK-Routinedaten analysiert. 2.2.2 Inzidenzraten Eine wesentliche Inputgröße für die Modellierung der Themen ist die nach Altersgruppen und Geschlecht differenzierte Inzidenz von Krankenhausfällen mit einem erstmaligen Hirninfarktereignis, auf die zunächst eingegangen werden soll. Die verwendeten Inzidenzraten wurden aus den Routinedaten der DAK-Gesundheit abgeleitet (vgl. nachfolgenden Exkurs: Ableitung der Inzidenzraten). Für jede 5er-Altersgruppe und Geschlecht ist im Modell eine spezifische Inzidenz je 100.000 Personen hinterlegt. Bei allen Modellierungen des DAK-Versorgungsreports Schlaganfall bleiben die nicht zur akutstationären Behandlung aufgenommenen Hirninfarktfälle unberücksichtigt. 2 Methodik 15 Exkurs: Ableitung der Inzidenzraten für erstmalige Hirninfarkte und erstmalige TIA Unter allen DAK-Versicherten wurden nur jene für die Inzidenzberechnung herangezogen, die im Jahr 2011 (Entlassungs- oder Todesdatum in 2011) mit einer Hauptdiagnose Hirninfarkt (ICD-10: I63*) oder TIA (ICD-10: G45*) im Krankenhaus stationär behandelt wurden. Eingeschlossen wurden nur jene Versicherten, die im Zeitraum 01.01.2008 bis 31.12.2011 oder seit dem 01.01.2008 bis zu ihrem Tod im Jahr 2011 durchgängig bei der DAK versichert waren. Nach diesen Abgrenzungen und unter Bezugnahme auf das jeweils erste Schlaganfallereignis im Jahr 2011 verblieben aus dem Gesamtkollektiv ca. 16,5 Tausend DAK-Versicherte mit einem Krankenhausaufenthalt wegen der Hauptdiagnose Hirninfarkt im Jahr 2011 und 8,6 Tausend DAK-Versicherte mit einem Krankenhausaufenthalt wegen der Hauptdiagnose TIA im Bestand. Unter den Schlaganfallpatienten des Jahres 2011 wurden jene identifiziert, die in diesem Jahr gemäß folgender Definition erstmalig eine TIA oder einen Hirninfarkt (Erstinsult) erlitten haben. Dabei wurde zunächst ermittelt, für welche dieser Patienten bereits in den drei Jahren vor dem ersten 2011er Krankenhausaufenthalt (mit einer Hirninfarkt- oder TIAHauptdiagnose) mindestens ein Krankenhausaufenthalt mit einer Haupt- oder Nebendi7 agnose TIA oder Schlaganfall (ICD-10: G45, I60* bis I64* oder I69*) dokumentiert war. Diese Konstellation lag bei etwa 3,9 Tausend Patienten mit einem Hirninfarktereignis und 1,7 Tausend Patienten mit einem TIA-Ereignis vor. Diese Patienten wurden für die weiteren Auswertungen nicht berücksichtigt. Für die Ableitung der Inzidenzraten wurden die verbleibenden 12.587 Versicherten mit einem Erstereignis Hirninfarkt im Jahr 2011 und 6.943 Versicherte mit einem Erstereignis TIA im Jahr 2011 berücksichtigt (vgl. Tabelle 1). Tabelle 1: Schlaganfall- und TIA-Patienten der DAK im Jahr 2011 Patientengruppe Patienten mit Hirninfarkt im Jahr 2011 darunter: Patienten mit Schlaganfall- oder TIA- oder ICD-10-I69-KHAufenthalt in den drei Jahren vor dem ersten Krankenhausaufenthalt mit einer Hauptdiagnose I63 im Jahr 2011 darunter: Erstereignispatienten mit Hirninfarkt Anzahl absolut 16.466 3.879 12.587 Patienten mit TIA im Jahr 2011 8.642 darunter: Patienten mit Schlaganfall- oder TIA- oder ICD-10-I69Krankenhausaufenthalt in den drei Jahren vor dem ersten Krankenhausaufenthalt mit einer Hauptdiagnose G45 im Jahr 2011 1.699 darunter: Erstereignispatienten mit TIA 6.943 Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Verlegungen treten bei Schlaganfallpatienten vergleichsweise häufig auf. Diese Verlegungsketten müssen adäquat berücksichtigt werden, um innerhalb einer kurzen Frist nach der Krankenhausentlassung aus dem Indexereignis dokumentierte weitere Krankenhausbehandlungen nicht fälschlicherweise als Re-Insulte zu interpretieren. Sofern sich nach der Krankenhausentlassung des Erstereignisfalles innerhalb eines Tages ein weiterer Krankenhausaufenthalt anschließt (und ggf. ein weiterer Krankenhausaufenthalt innerhalb eines Tages an diesen) wurden diese Fälle formal und inhaltlich zu einem Erst7 Bei der Identifizierung der Erstinsulte sind unterschiedliche Vorgehensweisen möglich. So wurde bspw. für eine Untersuchung auf der Grundlage der Routinedaten der AOKen ein Zeitraum von fünf Jahren vor dem potenziellen Erstereignis ausgewertet (Günster 2011). 16 Methodik 2 ereignisfall zusammengeführt. Die Zahl der Erstereignispatienten bleibt hierdurch unverändert. Die Verfahren zur Ermittlung und die Angaben zur Inzidenz (Neuerkrankungsrate) des Schlaganfalls bzw. des Hirninfarktes und/oder der TIA unterscheiden sich je nach Quelle, verwendeter Datengrundlage und Abgrenzung. Bei dem für den DAK-Versorgungsreport gewählten Ansatz der retrospektiven Überprüfung aller Krankenhausfälle des Jahres 2011 für einen Mindestzeitraum von drei Jahren auf vorherige Schlaganfall- oder TIAEreignisse, ergibt sich eine rohe Hirninfarktinzidenz der DAK-Versicherten von 264 je 100.000 Versicherte (Jahr 2011). Nach direkter Standardisierung auf die bundesdeutsche Bevölkerung 2011 (nach 5er-Altersgruppen und Geschlecht) beläuft sich die Inzidenz auf 188 Hirninfarkte je 100.000 (Männer: 201, Frauen: 176). Damit liegt die standardisierte Inzidenz des DAK-Kollektivs im Jahr 2011 leicht unter der in Routinedatenauswertungen der AOKen gefundenen Inzidenz für das Jahr 2008 (207 Hirninfarkt-Erstereignisse je 100.000) (Günster 2011). Inzidenzraten für einen Hirninfarkt je 100.000 DAKVersicherte Abbildung 5: Rohe Inzidenzraten des Hirninfarktes nach Altersgruppen und Geschlecht, Versicherte der DAK-Gesundheit im Jahr 2011 Männer 1.600 Frauen 1.400 1.200 1.000 800 600 400 200 0 25 bis 30 bis 35 bis 40 bis 45 bis 50 bis 55 bis 60 bis 65 bis 70 bis 75 bis 80 bis 85 bis 90 und 29 34 39 44 49 54 59 64 69 74 79 84 89 älter Altersgruppe Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Die rohe TIA-Inzidenz der DAK-Versicherten betrug im Jahr 2011 146 je 100.000 Versicherte. Nach direkter Standardisierung an der bundesdeutschen Bevölkerung 2011 (nach 5er-Altersgruppen und Geschlecht) beläuft sich die Inzidenz auf 102 TIAs je 100.000 (Männer: 97, Frauen: 107). 2 Methodik 17 Abbildung 6: Rohe Inzidenzraten der TIA nach Altersgruppen und Geschlecht, Versicherte der DAK-Gesundheit im Jahr 2011 Männer Frauen Inzidenzraten für eine TIA je 100.000 DAK-Versicherte 600 500 400 300 200 100 0 25 bis 30 bis 35 bis 40 bis 45 bis 50 bis 55 bis 60 bis 65 bis 70 bis 75 bis 80 bis 85 bis 90 und 29 34 39 44 49 54 59 64 69 74 79 84 89 älter Altersgruppe Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Die altersgruppen- und geschlechtsspezifischen Inzidenzraten des DAK-Kollektives werden für die Modellierung im DAK-Versorgungsreport verwendet. Die Anwendung der Inzidenzraten auf unterschiedliche Modellpopulationen ergaben insgesamt plausible Fallzahlen. So ergeben sich im Modell bspw. bei Ansatz der Gesamtbevölkerung 2011 etwa 154 Tausend erstmalige Hirninfarkte p. a. und etwa 84 Tausend erstmalige TIAs p. a. Der Unterschied zu den Fallzahlen der nach Hauptdiagnosen ausgewerteten Bundesstatistik ergibt sich primär aus dem Ausschluss der Re-Insult-Krankenhausfälle (vgl. Tabelle 1 – Re-Insultrate bei Hirninfarktfällen: 24 %; Re-Insultrate bei TIA-Fällen: 20 %) und der nur einmaligen Berücksichtigung von Verlegungsfällen in den DAK-Daten. Anpassungen der Modellpopulation – als weitere Modellinputgröße neben den Inzidenzraten – führen zu Veränderungen der Gesamtzahl der im Modell berücksichtigten erstmaligen Hirninfarkte. Die Struktur und Klassenbesetzung der Inputpopulation werden auf die im Modell hinterlegten altersgruppen- und geschlechtsspezifischen Inzidenzraten bezogen und die erwarteten Hirninfarktfallzahlen ermittelt. Simulationen können somit bspw. für die Bevölkerung Deutschlands, die Versicherten der DAK oder selbst für eng abgegrenzte Populationen, z. B. alle Frauen zwischen 75 und 79 Jahren, durchgeführt werden. 2.2.3 Qualifizierung des neurologischen Defizits nach Hirninfarkt mittels der modified Rankin-Scale Die vom Hirninfarkt verursachten neurologischen Defizite fallen bei den Betroffenen sehr unterschiedlich aus. Entsprechend wurden für die Modellierung nicht nur die Zahl der aufgetretenen und zu versorgenden Hirninfarktfälle berücksichtigt, sondern auch der Schwergrad dieser Beeinträchtigung(en) in verschiedenen Versorgungsphasen. Hierbei wird auf die modified Rankin-Scale (mRS) zurückgegriffen. Bei der modified Rankin-Scale (mRS) handelt es sich um eine, auch im Kontext klinischer Studien, der Versorgungsforschung und der externen Qualitätssicherung der Krankenhäuser, sehr verbreitete Skala zur Beschreibung des neurologischen Defizites nach ei- 18 Methodik 2 nem Schlaganfall. Die Skala verläuft über sieben Ausprägungen, die sich von „0“ (keine Symptome) mit zunehmender Funktionseinschränkung bis zu „5“ (schwere Funktionseinschränkung) erstrecken. Die höchste mRS-Ausprägung „6“ bezeichnet das Ereignis Tod. Zur Abbildung der Status quo-Situation in Deutschland wurde nach publizierten Quellen recherchiert, die die Einstufungen von Hirninfarktpatienten nach modified Rankin-ScaleKategorien in unterschiedlichen Phasen der Versorgung und/oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Versorgung ausweisen. Als Modellreferenz werden im DAKVersorgungsreport vielfach Ergebnisse der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen zur akutstationären Schlaganfallversorgung verwendet. Die Entscheidung für die Verwendung der Daten der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen wurde getroffen, da: x x x x das Verfahren der externen Qualitätssicherung hier bereits seit einem Jahrzehnt verpflichtend etabliert ist, aggregierte Ergebnisberichte, die nach einzelnen Schlaganfallarten (u. a. Hirninfarkt) differenziert sind, regelmäßig im Internet veröffentlicht werden, die in Berichten ausgewiesenen Ergebnisse einen hohen Detaillierungsgrad aufweisen und Informationen zu den benötigten mRS-Einstufungen der Patienten enthalten, auch der Leistungsbereich der neurologischen Frührehabilitation Phase B in die Qualitätssicherung einbezogen ist und für diesen eigenständige Berichte im Internet veröffentlicht werden. Zudem konnte die Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen die Routineberichte auch differenziert nach drei Subgruppen von Hirninfarktpatienten auswerten und für die Verwendung im DAK-Versorgungsreport zur Verfügung stellen. Für die akutstationäre Versorgung werden in Hessen die mRS-Falleinstufungen der Schlaganfall- und TIA-Patienten im verpflichtenden Qualitätssicherungsverfahren (zu den Besonderheiten der Fallabgrenzung siehe unten) von den Krankenhäusern für drei unterschiedliche Zeitpunkte/-räume erfasst: x x x retrospektiv für die Zeit vor dem Schlaganfall, innerhalb von 24 Stunden nach stationärer Aufnahme aufgrund des Schlaganfal8 les sowie bis 24 Stunden vor Entlassung aus dem Krankenhaus (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] 2012). mRS-Einstufungen aller Hirninfarktfälle Die Ergebnisse werden von der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen jährlich für alle Schlaganfälle und für einzelne Schlaganfallarten veröffentlicht. Für das Auswertungsjahr 2012 weisen die Patienten mit einer Hauptdiagnose Hirninfarkt (I63*) die in Tabelle 2 dargestellten Funktionszustände nach der modified Rankin-Scale zu den unterschiedlichen Betrachtungszeitpunkten auf. Demnach waren fast 75 % aller Hirninfarktpatienten vor dem Hirninfarkt symptomfrei (mRS 0) oder trotz vorliegender Symptome ohne wesentliche Funktionseinschränkungen (mRS 1). Dieser Anteil verringert sich zum Messzeitpunkt Tag 1 nach Krankenhausaufnahme auf ca. 27 % und erhöht sich bis zur Entlassung auf 40 %. Mittelschwere oder schwere Funktionseinschränkungen (mRS 4 oder mRS 5) lagen vor dem Hirninfarkt nur bei ca. 7 % der Patienten vor. Die Besetzung dieser Gruppen liegt am 1. Tag nach Aufnahme bei etwa einem Drittel und verringert sich bis zur Entlassung auf 21 %. Nach den Daten der Qualitätssicherung Hessen versterben et8 Aufgrund des für die Erhebung der mRS-Einstufung eröffneten Zeitkorridors von 24 Stunden nach der stationären Aufnahme können keine verlässlichen Aussagen darüber getroffen werden, ob die Einstufung üblicherweise eng am Zeitpunkt der Patientenaufnahme, bspw. im Rahmen der Erstdiagnostik erfolgt, oder erst nachdem bereits initiale Behandlungen (Lyse etc.) erfolgt sind. Für die Modellierung gehen wir davon aus, dass die mRS-Einstufung „am 1. Tag nach Aufnahme“ eher zeitnah zur Patientenaufnahme erfolgt und damit die durch das Schlaganfallereignis initial verursachten neurologischen Defizite abgebildet werden. 2 Methodik 19 wa 6 % aller Hirninfarktpatienten (mRS 6) während des initialen akutstationären Krankenhausaufenthaltes. Tabelle 2: Einstufung der in Akutbehandlung erfassten Hirninfarktpatienten vor dem Hirninfarkt, am 1. Tag nach Krankenhausaufnahme und bei Krankenhausentlassung modified Rankin-Scale Einstufung vor Hirninfarkt* am 1. Tag nach Aufnahme bei Entlassung / Verlegung 0 – Keine Symptome 58,8 % 7,8 % 18,3 % 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung trotz Symptomen (kann alle gewohnten Aufgaben und Aktivitäten verrichten) 15,9 % 19,0 % 22,3 % 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung (unfähig alle früheren Aktivitäten zu verrichten, ist aber in der Lage, die eigenen Angelegenheiten ohne Hilfe zu erledigen) 9,9 % 20,6 % 18,3 % 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung (bedarf einiger Unterstützung, ist aber in der Lage, ohne Hilfe zu gehen) 8,2 % 18,3 % 14,1 % 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung (unfähig ohne Hilfe zu gehen, ohne Hilfe für die eigenen körperlichen Bedürfnisse zu sorgen) 5,1 % 17,4 % 12,8 % 5 – Schwere Funktionseinschränkung (bettlägerig, inkontinent, bedarf ständiger Pflege und Aufmerksamkeit) 2,2 % 16,6 % 8,2 % 0,4 % 6,1 % 6 – Tod Anmerkung: * Die Angaben für die mRS-Einteilung vor Insult lagen nur für 93 % aller Patienten vor. Zur besseren Vergleichbarkeit mit den Einstufungen zu den anderen Messzeitpunkten wurden diese Werte auf ein 100 %-Kollektiv hochgerechnet. Quelle: GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] (2013a); eigene Darstellung IGES Mit dem Vergleich des Funktionszustandes der akut behandelten Hirninfarktpatienten vor dem Hirninfarktereignis und frühzeitig nach dem Ereignis (am 1. Tag nach Aufnahme) ist eine gute Einschätzung der durch den Hirninfarkt (initial) verursachten Beeinträchtigung (disability) möglich. Die Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen hat auf Anfrage von IGES für den DAK-Versorgungsreport die standardisierten Jahresberichte für die Hirninfarktpatienten des Jahres 2012 nach den drei im Modell zur DALY-Simulation hinterlegten Fallgruppen – Zeitraum zwischen Hirninfarktereignis und stationärer Aufnahme <=3,5 20 Methodik 2 Stunden mit und ohne Lyse i. v.-Therapie und Zeitraum Hirninfarktereignis bis Aufnahme >3,5 Stunden (vgl. Abschnitt 3.3) – differenziert aufbereitet und zur Verfügung gestellt. Die für die Modellierung herangezogenen Sonderauswertungen weisen keine Unterscheidung nach Patienten mit erstem oder erneutem Hirninfarkt aus. Der Anteil der in die EQS-Schlaganfall-Akutbehandlung einbezogenen Hirninfarktpatienten mit einem Risiko „früherer Schlaganfall“ belief sich in dem Auswertungen des Jahres 2012 auf 21,3 % (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] 2013a). Eine weitere Sonderauswertung der Qualitätssicherungsdaten für alle Hirninfarktfälle des Jahres 2012 ohne einen vorherigen Schlaganfall ermöglichte einen Abgleich der mRS-Verteilung bei Krankenhausaufnahme und -entlassung als zentrale Modellinputs zwischen diesen und allen in die Modellierung einbezogenen Hirninfarktfällen. Dabei zeigten sich zwischen der Gruppe der Hirninfarktfälle ohne vorherigen Schlaganfall und allen Hirninfarktfällen (Erst- und ReInsultfälle), deren mRS-Verteilung bei der Modellierung verwendet wird, nur geringfügige Besetzungsabweichungen von maximal einem Prozentpunkt in einzelnen mRS-Klassen. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass sich durch den Einbezug auch der wiederholten Hirninfarktfälle allenfalls leichte Verzerrungen im Modell ergeben. Exkurs: Fallabgrenzung in der Externen Qualitätssicherung Schlaganfall (akutstationär) Hessen In die hessische Qualitätssicherung der akutstationären Versorgung bei Schlaganfall eingeschlossen sind alle Patienten mit einer Hauptdiagnose G45*, I60*, I61*, I63* und I64, die mindestens 18 Jahre alt sind und bei denen die stationäre Aufnahme in der Klinik innerhalb von 7 Tagen erfolgt ist. Für die Qualitätssicherung in der Akutphase ausgeschlossen sind alle Fälle mit einem OPS-Code aus dem Bereich 8-55 (Frührehabilitative Komplexbehandlung), d. h. einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (OPS: 8-550*) oder einer neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation (OPS: 8-559*) oder einer fachübergreifenden und anderen Frührehabilitation (OPS: 8-552*). Auch Fälle mit einer teilstationären geriatrischen Komplexbehandlung (OPS: 8-98a*) sind für das akutstationäre Qualitätssicherungsverfahren nicht eingeschlossen (2012). Diese über die Ein- und Ausschlusskriterien vollzogene klare Trennung zwischen der akutstationären Versorgung und der Frührehabilitation nach Schlaganfall ermöglicht eine nach diesen Versorgungsphasen unterteilte Modellierung im DAK-Versorgungsreport. Allerdings ist durch diese spezifischen Abgrenzungen kein Fallzahlvergleich mehr mit anderen Statistiken, wie bspw. der Diagnosestatistik oder der DRG-Statistik o. ä., möglich. Prüfung der Daten der Externen Qualitätssicherung Schlaganfall (akutstationär) Hessen Das in Hessen etablierte Verfahren der Externen Qualitätssicherung (EQS) Schlaganfallversorgung ist – insbesondere im Bereich der akutstationären Versorgung des Schlaganfalls – schon länger etabliert. Bereits im Jahr 2003 wurde hier für die Akutkliniken die Verpflichtung zur Teilnahme an der EQS eingeführt. Entsprechend kann von einer ausgeprägten Erfahrung der leistungserbringenden Krankenhäuser und der Dokumentierenden und einer hohen Verlässlichkeit der Ergebnisse ausgegangen werden. Die Zahl der jährlich im Rahmen der Externen Qualitätssicherung Hessen von der Geschäftsstelle Qualitätssicherung ausgewerteten akutstationär versorgten Hirninfarktfälle liegt kontinuierlich über 14.500. Ein Vergleich der Jahresauswertungen für die Hirninfarktfälle der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen mit ähnlichen Auswertungen anderer Bundesländer oder Regionen zur Absicherung der Repräsentativität ist vor dem Hintergrund von Strukturunterschieden bei den publizierten Ergebnissen nur begrenzt möglich. So sind die in der Tabelle 3 ausgewiesenen Verteilungen der Patienten auf die einzelnen mRS-Kategorien in den Jahresberichten für Berlin und für das Qualitätssicherungsprojekt Schlaganfall Nordwestdeutschland nur kumulativ für alle TIA- und alle Schlaganfallpatienten veröffentlicht. 2 Methodik 21 Unterschiede in der Zusammensetzung dieses Gesamtkollektivs nach den Schlaganfallarten können die Besetzung der mRS-Klassen beeinflussen. Mit Ausnahme des Anteils der bei Aufnahme symptomfreien Patienten zeigt sich dennoch zwischen den unterschiedlichen Qualitätssicherungen eine gute Übereinstimmung der Verteilungen aller Schlaganfall- und TIA-Patienten auf die einzelnen mRS-Kategorien (vgl. Tabelle 3). Auch die Fallstruktur weist eine gute Übereinstimmung auf. Das mittlere Patientenalter lag bei 71,6 Jahren (Nordwestdeutschland), 71,95 Jahren (Berlin) und 72,9 Jahren (Hessen). Der Anteil der I63-Patienten an allen in die EQS Schlaganfall einbezogenen Patienten liegt zwischen 60,8 % (Hessen), 66,7 % (Nordwestdeutschland) und 70,3 % (Berlin). Der Anteil der TIA-Patienten liegt in Hessen mit 28,2 % am höchsten (Nordwestdeutschland: 25,7 %, Berlin 24,6 %). Die Ergebnisse des geführten Vergleichs erlauben trotz der o. g. Einschränkungen den Schluss, dass die Daten der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen belastbare und verallgemeinerbare Anhaltszahlen für den DAK-Versorgungsreport darstellen. 22 Methodik Tabelle 3: Einstufung der in Akutbehandlung erfassten TIA- und Schlaganfallpatienten bei Aufnahme und bei Entlassung in unterschiedlichen EQSProjekten; alle gültigen Datensätze für Patienten mit erfüllten Einschluss- und Ausschlusskriterien; alle Hauptdiagnosen G45, I60, I61, I63, I64 – Jahr 2012 modified Rankin-Scale Einstufung Berliner Schlaganfallregister Gesamtbericht QS-Projekt Schlaganfall Nordwestdeutschland – Gesamtbericht EQS-Hessen bei Aufnahme bei Entlassung bei Aufnahme bei Entlassung bei Aufnahme bei Entlassung 0 – Keine Symptome 13,9 % 27,8 % 12,3 % 30,3 % 19,0 % 31,3 % 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung trotz Symptomen (kann alle gewohnten Aufgaben und Aktivitäten verrichten) 16,3 % 19,9 % 17,9 % 20,5 % 19,8 % 19,1 % 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung (unfähig alle früheren Aktivitäten zu verrichten, ist aber in der Lage, die eigenen Angelegenheiten ohne Hilfe zu erledigen) 18,7 % 16,9 % 20,9 % 16,7 % 17,1 % 14,2 % 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung (bedarf einiger Unterstützung, ist aber in der Lage, ohne Hilfe zu gehen) 19,5 % 12,9 % 19,1 % 11,3 % 14,5 % 11,5 % 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung (unfähig ohne Hilfe zu gehen, ohne Hilfe für die eigenen körperlichen Bedürfnisse zu sorgen) 15,7 % 10,1 % 13,6 % 7,8 % 14,1 % 10,7 % 5 – Schwere Funktionseinschränkung (bettlägerig, inkontinent, bedarf ständiger Pflege und Aufmerksamkeit) 15,8 % 8,3 % 15,8 % 7,6 % 14,7 % 7,2 % 4,1 % - 4,9 % 0,8 % 6,0 % 0,4 % 1,0 % 6 – Tod Fehlende Angabe Quelle: 2 Ärztekammer Berlin (2013); Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster (2013); GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] (2013a); eigene Darstellung IGES 2 Methodik 2.2.4 23 Hazard Ratios der Mortalität und disability weights der Hirninfarktpatienten nach mRS-Klassen Das Konzept der DALY zur Messung der Krankheitslast ist einleitend in Kapitel 2.1.1 vorgestellt worden. Nachfolgend werden die Grundlagen seiner Anwendung im DAKVersorgungsreport dargestellt. Die von einem Hirninfarkt betroffenen Menschen verlieren x Lebensjahre aufgrund vorzeitigen Versterbens, welches mit dem Hirninfarkt in Zusammenhang steht (YLL: years of life lost) und x gesunde Lebensjahre aufgrund des Hirninfarktes und des daraus resultierenden weiteren Lebens mit/in Behinderung (YLD: years of healthy life lost). Die DALY ermitteln sich aus der Summe der verlorenen Lebensjahre der Hirninfarktfälle aufgrund vorzeitigen Versterbens und der verlorenen gesunden Lebensjahre aufgrund des Lebens mit aus dem Hirninfarktereignis resultierender Behinderung. Für die Modellierung dieser beiden DALY-Komponenten wurde in publizierten Untersuchungen nach Angaben zu der von der Normalbevölkerung abweichenden Sterblichkeit von Hirninfarktpatienten und zu Hirninfarkt-spezifischen Behinderungs/Beeinträchtigungsgewichten recherchiert, die sich auf die mit der „modified Rankin-Scale (mRS)“ gemessene Krankheitsschwere beziehen. YLL (Verlorene Lebensjahre aufgrund vorzeitigen Versterbens) Die aufgrund des Hirninfarktereignisses verlorenen Lebensjahre (YLL) werden als Differenz der Lebenserwartung von Patienten bestimmten Alters und Geschlechtes der „Normalbevölkerung“ und der veränderten Lebenserwartung von Patienten nach einem Schlaganfallereignis kalkuliert. Für jeden der im Krankenhaus wegen eines Schlaganfalls Verstorbenen werden die verlorenen Lebensjahre als Differenz zwischen dem Sterbealter und der Restlebenserwartung einer Person des betreffenden Alters und Geschlechts ge9 mäß aktueller Sterbetafel für Deutschland berechnet. Überlebende Patienten haben nach einem Schlaganfall ein höheres Sterberisiko, d. h. ihre weitere Überlebenszeit ist im Durchschnitt im Vergleich zu alters- und geschlechtsgleichen Personen ohne Schlaganfall (Allgemeinbevölkerung) verkürzt und zwar umso mehr, je gravierender die Schlaganfallfolgen ausfallen. Das erhöhte Sterberisiko wird in Überlebenszeitanalysen üblicherweise als Hazard Ratio (HR) ausgedrückt. Eine Hazard Ratio von 1,53 bedeutet, dass die Sterbewahrscheinlichkeit im betrachteten Kollektiv um 53 % höher liegt als in der Vergleichsbevölkerung. Für die Modellierung der jährlichen Sterbewahrscheinlichkeit der Schlaganfallpatienten wurde auf in anderen Untersuchungen veröffentlichte Hazard Ratios für die jährliche Sterblichkeit in den Jahren nach dem Schlaganfallereignis zurückgegriffen, die differenziert nach den einzelnen mRS-Kategorien vorlagen (Hong und Saver 2010) (vgl. Tabelle 4). Grundlage dieser Hazard Ratios bilden Ergebnisse der UK Lothian Cohort Study und der Swedish Riks-Stroke Cohort Study. Nach schriftlicher Rückfrage bei den Autoren der verwendeten Quelle, ist eine weitere Differenzierung der Hazard Ratios nach Alter und/oder Geschlecht oder nach Schlaganfallarten nicht erfolgt. Gleichartig strukturierte Angaben für Deutschland sind nach unseren Recherchen nicht publiziert. Für die während des akutstationären Krankenhausaufenthaltes verstorbenen Hirninfarktpatienten (mRS=6) wird der volle Verlust ihrer altersspezifischen Restlebenserwartung angesetzt. 9 Sterbetafel 2009/2011 (Statistisches Bundesamt [Destatis] 2013) 24 Methodik Tabelle 4: Hazard Ratios für die jährliche Sterblichkeit in den Jahren nach dem Schlaganfallereignis nach den einzelnen mRS-Kategorien modified Rankin-Scale-Einstufung Hazard Ratio Allgemeinbevölkerung 1,00 0 – Keine Symptome 1,53 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung trotz Symptomen (kann alle gewohnten Aufgaben und Aktivitäten verrichten) 1,52 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung (unfähig alle früheren Aktivitäten zu verrichten, ist aber in der Lage, die eigenen Angelegenheiten ohne Hilfe zu erledigen) 2,17 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung (bedarf einiger Unterstützung, ist aber in der Lage, ohne Hilfe zu gehen) 3,18 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung (unfähig ohne Hilfe zu gehen, ohne Hilfe für die eigenen körperlichen Bedürfnisse zu sorgen) 4,55 5 – Schwere Funktionseinschränkung (bettlägerig, inkontinent, bedarf ständiger Pflege und Aufmerksamkeit) 6,55 Quelle: 2 Hong und Saver (2010); eigene Darstellung IGES Die am 18.02.2013 getrennt für Frauen und Männer veröffentlichten Sterbetafeln 2009/2011 (Statistisches Bundesamt [Destatis] 2013) bilden die Grundlage der YLLAbleitung. Für jede einzelne mRS-Klasse wurde eine spezifische Sterbetafel erstellt, indem die in der allgemeinen Sterbetafel für die Allgemeinbevölkerung in jeder Alters- und Geschlechtsgruppe ausgewiesenen Sterbewahrscheinlichkeiten mit den jeweiligen mRSspezifischen Hazard Ratios (vgl. Tabelle 4) multipliziert wurden. Im Ergebnis liegt für jede Alters- und Geschlechtsgruppe und die einzelnen mRS-Klassen eine von der Allgemeinbevölkerung abweichende Lebenserwartung der Schlaganfallpatienten vor. Die aufgrund des Schlaganfalls verlorenen Lebensjahre (YLL) ergeben sich aus der Differenz der Restlebenserwartung der Allgemeinbevölkerung und der je nach mRS-Klasse verminderten Restlebenserwartung der Schlaganfallpatienten. In Abbildung 7 sind die Kalkulationsergebnisse beispielhaft für einen Mann im Alter von 70 Jahren dargestellt, für den die Restlebenserwartung nach der Sterbetafel 13,9 Jahre beträgt. Nach einem Hirninfarkt verringert sich diese Restlebenserwartung in Abhängigkeit von seinem mRS-Status. Sind die neurologischen Defizite gravierend ausgeprägt (mRS 5) verringert sich seine Restlebenserwartung kalkulatorisch um 9,6 Jahre auf 4,3 Jahre. Selbst wenn nach dem Hirninfarkt wieder Symptomfreiheit erreicht wird (mRS 0), wird mit einer höheren Sterbewahrscheinlichkeit kalkuliert und im Modell von 2,7 verlorenen Lebensjahren aufgrund des Hirninfarktereignisses ausgegangen. Methodik 25 Abbildung 7: Kalkulierte Restlebenserwartung und der aufgrund eines Schlaganfalles verlorenen Lebensjahre (YLL) für einen Mann im Alter von 70 Jahren Lebensjahre / verlorene Lebensjahre 2 14 2,7 12 2,7 4,7 6,7 10 8,2 9,6 8 13,9 13,9 6 11,2 11,2 9,2 4 7,2 5,7 4,3 2 0 YLL Quelle: Restlebenserwartung Sterbetafeln 2009/2011 (Statistisches Bundesamt [Destatis] 2013); eigene Berechnungen IGES Für die Modellierung wurden die Ergebnisse nach Einzelalter durch Mittelwertbildung zu Ergebnissen für 5er-Altersgruppen (0 bis unter 5 Jahre, 5 bis unter 10 Jahre etc.) aggregiert. YLD (Verlorene gesunde Lebensjahre aufgrund des Lebens mit/in Behinderung) Mit dem Hirninfarkt sind häufig bleibende Beeinträchtigungen verbunden, so dass die nach dem Hirninfarkt verbleibenden Lebensjahre in der Regel nicht mehr in vollständiger Gesundheit gelebt werden können. Zur Quantifizierung der aus dem Hirninfarkt resultierenden Gesundheitsbeeinträchtigung werden „Behinderungsgewichte“ (disability weights, DW) herangezogen. Diese drücken das Ausmaß der Beeinträchtigung aus, welches eine Krankheit oder ein Ereignis (dauerhaft) verursacht. Die Beeinträchtigungen fallen umso höher aus, je schwerer die (verbleibenden) neurologischen Defizite – ausgedrückt als 10 mRS-Einstufung – sind. Für den DAK-Versorgungsreport werden die Behinderungsgewichte aus der Studie von Hong und Saver (2009) verwendet. Für diese Studie wurden nach den mRS-Kategorien differenzierte DW von einem neun Personen umfassenden internationalen Panel von Neurologen mit Hilfe des sog. „person trade-off“ Verfahrens abgeleitet ((Nord 1995), Murray & Lopez 1996). Die Einstufungen der einzelnen Panel-Teilnehmer wurden in einem mehrstufigen Prozess diskutiert, bis ein hoher Grad von Konsens erreicht war.11Die durch das Experten-Panelgefundenen DW wurden anschließend noch adjustiert, um die Kom10 Die Routinedaten der Krankenkassen ermöglichen keine Ableitung oder Abschätzung des neurologischen Defizits der Versicherten mit Hirninfarkt. Für einzelne Versorgungsbereiche (Akutstationäre Versorgung, Neurologische Frührehabilitation Phase B) liegen jedoch aus anderen Quellen hoch aggregierte Angaben zu den mRS-Einstufungen der Hirninfarktpatienten vor. 11 Es gibt eine umfangreiche Literatur zu der Frage, welche Personen befragt werden sollten, um Lebensqualitäts- oder Behinderungsgewichte für Gesundheitszustände abzuleiten (z. B. selbst betroffene Patienten, Angehörige, medizinische Experten, Allgemeinbevölkerung). Ein zentrales Argument für Experteneinstufungen besteht darin, dass medizinisches Personal einen besonders breiten Überblick über verschiedenste Krankheiten bzw. Gesundheitszustände und deren Folgen hat und daher am ehesten in der Lage ist, die Relationen zutreffend einzustufen. Ferner argumentieren z. B. Murray & Lopez (1996), dass die Gewichtungen valider sind, wenn sie Ergebnis einer gründlichen Abwägung und Reflexion sind. Dies rechtfertigt es, dass – wie im Falle der Studie von Hong & Saver (2009) – eher kleine Gruppen intensiv beteiligt werden, anstelle von Umfragen u.ä. mit großer Befragtenzahl. 26 Methodik 2 patibilität mit den DW-Werten herzustellen, die von der WHO für den Schlaganfall im Rahmen ihrer ersten Global Burden of Disease-Studie (Murray & Lopez 1996) verwendet wurden. Die Adjustierung wurde so vorgenommen, dass das über alle mRS-Stufen häufigkeitsgewichtete mittlere disabilty weight der drei Schlaganfalltypen (ischämische und hämorrhagische Insulte und Subarachnoidalblutungen) mit dem entsprechenden Gewicht in der WHO-Studie übereinstimmt. Die Vorgehensweise ist bei Hong & Saver (2009) im Detail dargestellt (Supplemental Mathematical Appendix). Die Arbeit von (Hong und Saver 2009) stellt u.W. die einzige Quelle dar, in der für den Schlaganfall spezifische disability weights auch differenziert für einzelne mRS-Kategorien ermittelt worden sind (vgl. Tabelle 5). Entsprechend werden diese DWs für die Modellierung der aufgrund des Hirninfarktes verlorenen gesunden Lebensjahre herangezogen (und zwar die adjustierten Gewichte). Diese DWs werden auch in aktuelleren Veröffentlichungen, die mit dem DALYKonzept arbeiten (vgl. bspw. Meretoja et al. 2014) verwendet. Nach schriftlicher Rückfrage bei den Autoren der o.g. Quelle, liegen die disability weights für die einzelnen mRSKategorien nicht nach Alter und/oder Geschlecht oder nach Schlaganfallarten differenziert vor. 2 Methodik Tabelle 5: 27 Für die Kalkulation verwendete disability weights nach den einzelnen mRS-Kategorien modified Rankin-Scale Einstufung (Adjusted) disability weight (*) Disability weight – mean (*) Disability weight – 95 % CI - - - 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung trotz Symptomen (kann alle gewohnten Aufgaben und Aktivitäten verrichten) 0,053 0,046 0,004 – 0,088 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung (unfähig alle früheren Aktivitäten zu verrichten, ist aber in der Lage, die eigenen Angelegenheiten ohne Hilfe zu erledigen) 0,228 0,212 0,175 – 0,250 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung (bedarf einiger Unterstützung, ist aber in der Lage, ohne Hilfe zu gehen) 0,353 0,331 0,292 – 0,371 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung (unfähig ohne Hilfe zu gehen, ohne Hilfe für die eigenen körperlichen Bedürfnisse zu sorgen) 0,691 0,652 0,625 – 0,678 5 – Schwere Funktionseinschränkung (bettlägerig, inkontinent, bedarf ständiger Pflege und Aufmerksamkeit) 0,998 0,944 0,873 – 1,015 0 – Keine Symptome Quelle: Hong und Saver (2009); eigene Darstellung IGES (*): In der Studie von Hong & Saver (2009) wurden die disability weights durch ein Expertenpanel von neun Neurologen ermittelt. Diese Werte sind in der mittleren Spalte ausgewiesen. Hong & Saver (2009) haben eine Adjustierung dieser Werte vorgenommen, um die Kompatibilität mit den disability weights herzustellen, die von der WHO für den Schlaganfall im Rahmen ihrer Global Burden of Disease-Studie (Murray & Lopez 1996) verwendet wurden. Der DAK-Versorgungsreport verwendet diese adjustierten Gewichte. Die Adjustierung wurde so vorgenommen, dass das über alle mRS-Stufen häufigkeitsgewichtete mittlere disability weight der drei Schlaganfalltypen (ischämische und hämorrhagische Insulte und Subarachnoidalblutungen) mit dem entsprechenden Gewicht in der WHO-Studie übereinstimmt. Die Vorgehensweise ist bei Hong & Saver (2009) im Detail dargestellt (Supplemental Mathematical Appendix). Die aufgrund von Hirninfarkten verlorenen gesunden Lebensjahre werden kalkuliert, indem die um die höhere Sterblichkeit bereinigte Restlebenserwartung jeder Alters- und Geschlechtsgruppe für jede mRS-Gruppe mit dem mRS-spezifischen Behinderungsgewicht (disability weight) multipliziert wird. Im Ergebnis liegt für jede Gruppe und mRSKlasse ein Wert vor, der die aufgrund des Hirninfarktes verlorenen Lebensjahre in vollständiger Gesundheit quantifiziert. In Abbildung 8 sind die Kalkulationsergebnisse beispielhaft für einen Mann im Alter von 70 Jahren dargestellt. Sind die neurologischen Defizite gravierend ausgeprägt (mRS 5), wird seine für diese mRS-Klasse kalkulierte Restlebenserwartung mit einem hohen disability weight (0,998) gewichtet, so dass kalkulatorisch davon ausgegangen wird, dass er seine verbleibenden Lebensjahre nahezu in vollständiger Beeinträchtigung verlebt. Verbleiben nach dem Hirninfarkt keine wesentlichen Funktionseinschränkungen (mRS 1), 28 Methodik 2 wird die längere Restlebenserwartung von 11,2 Jahren nur mit dem disability weight von 0,053 gewichtet. In diesem Fall gehen lediglich 0,6 Lebensjahre in vollständiger Gesundheit verloren. Abbildung 8: Lebensjahre / verlorene gesunde Lebensjahre 12 Kalkulierte Restlebenserwartung und aufgrund eines Schlaganfalles verlorene gesunde Lebensjahre (YLD) für einen Mann im Alter von 70 Jahren 11,2 11,2 10 9,2 8 7,2 5,7 6 3,9 4 2,1 4,3 4,3 2,6 2 0,6 0 mRS 0 mRS 1 mRS 2 Restlebenserwartung Quelle: mRS 3 mRS 4 mRS 5 davon YLD Sterbetafeln 2009/2011 (Statistisches Bundesamt [Destatis] 2013), (Hong und Saver 2009); eigene Berechnungen IGES Für die Modellierung wurden die Ergebnisse nach Einzelalter durch Mittelwertbildung zu Ergebnissen für 5er-Altersgruppen (0 bis unter 5 Jahre, 5 bis unter 10 Jahre etc.) aggregiert. 2.2.5 Durch den Hirninfarkt verursachte DALY Unter Anwendung der in Abschnitt 2.2.4 beschriebenen Grundlagen für die Ableitung der YLL und der YLD ergeben sich die in den nachfolgenden Abbildung 9 und Abbildung 10 ausgewiesenen DALY-Werte je Alters- und Geschlechtsgruppe nach den einzelnen mRSKlassen. Die DALY-Last ist in den hohen mRS-Klassen am höchsten. Hier fällt der durch einen Schlaganfall auftretende Verlust an Restlebenserwartung und gesunden Lebensjahren (der verringerten Restlebensjahre) am stärksten aus. Die DALY-Last verringert sich in allen mRS-Klassen mit zunehmendem Alter. Je älter die vom Schlaganfall betroffenen Personen sind, umso geringer ist auch ihre durchschnittliche Restlebenserwartung. Entsprechend sind von den durch den Schlaganfall verlorenen Lebensjahren aufgrund einer erhöhten Sterblichkeit und/oder den Verlust von gesunden Lebensjahren deutlich weniger verbleibende Lebensjahre betroffenen als bei den jüngeren Personen. Die für die mRS-Klassen 5 und 6 kalkulierten DALY unterscheiden sich kaum, da das für die mRS-Klasse 5 angesetzte disability weight bei 0,998 liegt (vgl. Abschnitt 2.2.4). Entsprechend liegen die in den nachfolgenden Abbildungen ausgewiesenen DALY für mRS5 und mRS-6 sehr eng beieinander und sind optisch kaum zu unterscheiden. Für die mRS-Klasse 0 ergeben sich DALY, da hier von einer leicht erhöhten Sterblichkeit in den Jahren nach dem Schlaganfallereignis ausgegangen wird (vgl. Abschnitt 2.2.4). 2 Methodik 29 Abbildung 9: Kalkulierte DALY aufgrund eines Schlaganfalles für Männer nach Altersgruppen und mRS-Klassen Anmerkung: Die für die mRS-Klassen 5 und 6 kalkulierten DALY unterscheiden sich kaum; entsprechend liegen die in der Abbildung ausgewiesenen DALY für mRS-5 und mRS-6 sehr eng beieinander und sind optisch kaum zu unterscheiden. Quelle: Sterbetafeln 2009/2011 (Statistisches Bundesamt [Destatis] 2013), (Hong und Saver 2009); eigene Berechnungen IGES 30 Methodik Abbildung 10: 2 Kalkulierte DALY aufgrund eines Schlaganfalles für Frauen nach Altersgruppen und mRS-Klassen Anmerkung: Die für die mRS-Klassen 5 und 6 kalkulierten DALY unterscheiden sich kaum; entsprechend liegen die in der Abbildung ausgewiesenen DALY für mRS-5 und mRS-6 sehr eng beieinander und sind optisch kaum zu unterscheiden. Quelle: Sterbetafeln 2009/2011 (Statistisches Bundesamt [Destatis] 2013), (Hong und Saver 2009); eigene Berechnungen IGES Nachfolgend werden erste Ergebnisse der Modellierung ausgewiesen, die dem Abschnitt 3.3.5.1 entnommen und dort detaillierter ausgeführt sind. Bei Anwendung der x x x beschriebenen Inzidenzraten für den Hirninfarkt nach 5er Altersgruppen und Geschlecht (vgl. Abschnitt 2.2.2), beschriebenen mRS-Verteilungen der Hirninfarktpatienten vor dem Hirninfarktereignis und am 1. Tag nach Krankenhausaufnahme (vgl. Abschnitt 2.2.3), beschriebenen Ansätze für die Ermittlung der YLL und der YLD nach 5er Altersgruppen und Geschlecht (vgl. Abschnitt 2.2.4 und Ergebnisse in Abbildung 9 und Abbildung 10) für die bundesdeutsche Gesamtbevölkerung, ist von jährlich etwa 153,8 Tausend erstmaligen Hirninfarkten auszugehen Die Ermittlung erfolgt über die Anwendung der nach 5er Altersgruppen und Geschlecht differenzierten Hirninfarktinzidenzraten auf den Bevölkerungsstand des Jahres 2011 in diesen Gruppen. Diese Population hat zum Zeitpunkt vor dem Hirninfarktereignis eine DALY-Last von etwa 232 Tausend, die sich aus den bereits ohne den Hirninfarkt vorliegenden Funktionseinschränkungen gem. mRS-Verteilung (vgl. Abschnitt 2.2.3) und den je 5er Altersgruppen, Geschlecht und mRS-Klasse angewendeten YLD-Ansätzen (vgl. Abschnitt 2.2.4) ergibt. Das DALY-Volumen vor dem Hirninfarkt wird demnach unter Anwendung der schlaganfallspezifischen disability weights berechnet. Am ersten Tag nach akutstationärer Aufnahme erhöht sich die DALY-Last für die Population durch den Hirninfarkt auf etwa 1.271 Tausend. Für die Ermittlung der DALY-Last werden die Fallverteilungen auf die mRS-Klassen für den ersten Tag nach akutstationärer 2 Methodik 31 Aufnahme und die je 5er Altersgruppen, Geschlecht und mRS-Klasse ermittelten YLDund YLL-Ansätze herangezogen. Die Differenz zwischen der DALY-Last am ersten Tag nach akutstationärer Aufnahme wegen des Hirninfarktes und der DALY-Last vor dem Hirninfarktereignis beläuft sich demnach für die erstmalig aufgetretenen Hirninfarkte in einem Jahr auf etwa 1.039 Tausend DALY. Damit sind jedem ersten Hirninfarktfall im Durchschnitt 6,8 DALY zurechenbar. 2.2.6 Zusatzinformationen zur Re-Insultrate und Mortalität Re-Insultrate Für alle Fälle mit einem erstmaligen Hirninfarkt oder einer erstmaligen TIA im Jahr 2011 wurde in den DAK-Daten ermittelt, ob sie innerhalb eines Jahres nach dem Erstereignis erneut wegen eines Schlaganfalles oder einer TIA stationär behandelt werden mussten (weiterer Krankenhausfall mit ICD-10-Hauptdiagnose G45 oder I60 bis I64). Einbezogen wurden dabei nur jene Krankenhausaufenthalte, deren Beginn-Datum mindestens eine Woche nach dem Aufnahmedatum für den Erstereignisfall lag. Von den Fällen mit einem erstmaligen Hirninfarkt im Jahr 2011 wurden 6,1 % innerhalb eines Jahres nach dem Erstereignis erneut wegen eines Schlaganfalls und 1,4 % wegen einer TIA in ein Krankenhaus aufgenommen (vgl. Tabelle 6). Tabelle 6: Anteil der Fälle mit einem erstmaligen Hirninfarkt und einem erneuten Schlaganfall oder einer TIA innerhalb eines Jahres und Zeitraum bis zum Re-Insultereignis, Versicherte der DAK-Gesundheit 2011 Schlaganfallart des Re-Insultes Anteil der Fälle mit erstem Hirninfarkt und ReInsult innerhalb eines Jahres Durchschnittliche Anzahl von Tagen zwischen Erstereignis und ReInsultereignis TIA (ICD-10: G45) 1,4 % 171 Hirninfarkt (ICD-10: I63) 5,1 % 158 Hirnblutung (ICD-10: I60 bis I62) 0,4 % 164 Schlaganfall nn (ICD-10: I64) 0,6 % 129 Gesamte Re-Insulte innerhalb eines Jahres 7,5 % 159 Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Von den Fällen mit einer erstmaligen TIA im Jahr 2011 wurden 3,0 % innerhalb eines Jahres nach diesem Erstereignis wegen eines Schlaganfalls und 2,6 % wegen einer erneuten TIA in ein Krankenhaus aufgenommen (vgl. Tabelle 7). 32 Methodik Tabelle 7: 2 Anteil der Fälle mit einer erstmaligen TIA und einem Schlaganfall oder einer erneuten TIA innerhalb eines Jahres und Zeitraum bis zur erneuten TIA oder einem Erstinsultereignis, Versicherte der DAK-Gesundheit 2011 Schlaganfallart des Re-Insultes Anteil der Fälle mit erster TIA und erneuter TIA oder erstem Schlaganfall innerhalb eines Jahres Durchschnittliche Anzahl von Tage zwischen Erstereignis TIA und erneuter TIA oder erstem Schlaganfall TIA (ICD-10: G45) 2,6 % 171 Hirninfarkt (ICD-10: I63) 2,4 % 170 Hirnblutung (ICD-10: I60 bis I62) 0,4 % 166 Schlaganfall nn (ICD-10: I64) 0,2 % 167 Gesamte Re-Insulte innerhalb eines Jahres 5,6 % 170 Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Damit liegen die Re-Insultraten des DAK-Kollektivs (mit Erst-Insult im Jahr 2011) leicht unter den in Routinedatenauswertungen der AOKen ermittelten Raten. Nach Alters- und Geschlechtsstandardisierung auf die deutsche Bevölkerung von 2007 ergab sich für das AOK-Erstinsult-Kollektiv für das Jahr 2008 eine Schlaganfallrezidivrate von 9,2 % und eine TIA-Rate von 2,7 % (Günster 2011). Das AOK-Kollektiv war allerdings nicht nur auf die erstmaligen Hirninfarkt- und TIA-Fälle beschränkt, sondern beinhaltete auch die Fälle mit erstmaligen Hirnblutungen. Mortalität Während ihres Krankenhausaufenthaltes wegen des Erstereignisses Hirninfarkt verstarben nach den DAK-Daten 7,2 % der Patienten, innerhalb von 30 Tagen nach dem Erstereignis 9,0 %, innerhalb eines Vierteljahres 13,2 % und innerhalb eines Jahres 19,9 % der Patienten mit erstem Hirninfarkt (vgl. Tabelle 8). Eine andere, ebenfalls unter Verwendung von Krankenkassenroutinedaten durchgeführte Untersuchung weist für Erstereignispatienten mit einem Hirninfarkt eine 1-Jahres-Sterblichkeit von 24,4 % aus (Günster 2011). In den letzten Jahren wurde ein deutlicher Rückgang der altersadjustierten SchlaganfallMortalitätsraten beobachtet (Heuschmann et al. 2010). 2 Methodik Tabelle 8: 33 Sterblichkeit nach Erstereignis Hirninfarkt, Versicherte der DAKGesundheit Zeitraum Anzahl Anteil an allen Patienten mit einem Erstereignis Hirninfarkt im Jahr 2011 Während des Krankenhausaufenthaltes (Erstereignis) verstorben 904 7,2 % Innerhalb von 30 Tagen nach Aufnahme verstorben 1.139 9,0 % Innerhalb von 90 Tagen nach Aufnahme verstorben 1.656 13,2 % Innerhalb von 180 Tagen nach Aufnahme verstorben 2.040 16,2 % Innerhalb von 365 Tagen nach Aufnahme verstorben 2.503 19,9 % Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Die 1-Jahres-Sterblichkeit der Patienten mit einem Erstereignis TIA liegt bei 6,4 %. Tabelle 9: Sterblichkeit nach Erstereignis TIA, Versicherte der DAK-Gesundheit Zeitraum Anzahl Anteil an allen Patienten mit einem Erstereignis TIA im Jahr 2011 Während des Krankenhausaufenthaltes (Erstereignis) verstorben 32 0,5 % Innerhalb von 30 Tagen nach Aufnahme verstorben 64 0,9 % Innerhalb von 90 Tagen nach Aufnahme verstorben 158 2,3 % Innerhalb von 180 Tagen nach Aufnahme verstorben 255 3,7 % Innerhalb von 365 Tagen nach Aufnahme verstorben 447 6,4 % Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES 34 3. Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3.1 Primärprävention mit oralen Antikoagulantien bei Vorhofflimmern 3.1.1 Zusammenfassung Im Rahmen der Optimierung der Primärprävention bei Vorhofflimmern ist der Fokus auf die Erhöhung der Entdeckungsrate des Vorhofflimmerns und die Ausweitung der Behandlungsrate mit oralen Antikoagulantien bei den Patienten ohne Kontraindikation auszurichten. Die durch die medikamentöse Primärprävention bei Vorhofflimmern bereits im Status quo erzielten Effekte sind eindrucksvoll. Nach der Modellierung für den DAKVersorgungsreport werden hierdurch pro Jahr etwa 12.300 erstmalige Schlaganfälle verhindert. Das damit vermiedene DALY-Volumen beläuft sich auf ca. 64.100 (vgl. Abschnitt 3.1.6.2). Dieser Effekt ergibt sich unter den Annahmen, dass das VHF nur bei zwei Dritteln der Population mit vorliegendem VHF entdeckt ist und nur die Hälfte der für eine Behandlung mit oralen Antikoagulantien geeigneten VHF-Patienten auch eine entsprechende medikamentöse Versorgung erhält. Trotzdem ereignen sich in jedem Jahr noch ca. 48.000 erstmalige Schlaganfälle, die dem Risikofaktor Vorhofflimmern zuzurechnen sind (vgl. Abschnitt 3.1.6.1). Damit entfällt auf das Vorhofflimmern, von dem nur etwa 1,5 % der deutschen Bevölkerung betroffen ist, ein erheblicher Teil der jährlich neu auftretenden Schlaganfall-Erstereignisse. Es wird als realistisch erachtet, dass die Entdeckungsrate des VHF mit gezielten Maßnahmen auf 80 % und die Behandlungsrate der für eine OAK-Behandlung geeigneten Patienten auf 75 % gesteigert werden kann. Werden diese Ziele erreicht, kann nach dem Modell von jährlich zusätzlich etwa 9.400 verhinderten erstmaligen Schlaganfällen und 48.800 vermiedenen DALY ausgegangen werden (vgl. Abschnitt 3.1.6.3). 3.1.2 Einleitung Das Vorhofflimmern (VHF) ist die am häufigsten vorkommende anhaltende Herzrhythmusstörung, welche bei 1-2 % der Bevölkerung auftritt. Die Prävalenz des VHF steigt mit zunehmendem Alter deutlich an. Männer sind häufiger betroffen als Frauen (Camm et al. 2010, Heeringa et al. 2006). Es handelt sich um eine Störung im Erregungsleitungssystem des Herzens mit der Folge, dass sich Blutgerinnsel („Thromben“) im Herzen bilden können. Lösen sich die Thromben, kann es zu einem Gefäßverschluss („Thrombembolie“) und zu einem Infarkt, zumeist im Gehirn kommen. Ätiologisch wird zwischen valvulärem und nicht-valvulärem Vorhofflimmern unterschieden. Folgt man der Definition aktueller Leitlinien spricht man dann von einem valvulären Vorhofflimmern, wenn eine Vorgeschichte einer rheumatischen Herzklappenerkrankung (insbesondere der Mitralklappe) und/oder eines Herzklappenersatzes besteht (Camm et al. 2012). Nach der auf der Basis von Registerdaten durchgeführten PREFER-Studie (Kirchhof et al. 2013) liegt der Anteil der Patienten mit valvulärem VHF in Deutschland bei 3,3 % der im Register erfassten Population mit VHF. Aufgrund der epidemiologisch relativ geringen Bedeutung des valvulären VHF und da sich die den Modellannahmen zugrundeliegenden Quellen, insbesondere zu den Schlaganfallrisiken nahezu ausschließlich auf das nichtvalvuläre VHF (NVHF) beziehen, wird das valvuläre VHF in der Modellierung nicht berücksichtigt. Das Vorhofflimmern stellt einen der bedeutsamsten unabhängigen Risikofaktoren für ein Schlaganfallereignis dar. Im Mittel weisen Patienten mit NVHF ein ca. 4- bis 5-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko auf (Camm et al. 2010, Goldstein et al. 2006). Im Vergleich zu anderen Schlaganfallursachen weisen durch Thrombembolien aufgrund von NVHF verur- 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 35 sachte Schlaganfälle eine höhere Mortalität sowie ein höheres Rezidivrisiko auf und führen bei überlebenden Patienten im Mittel zu stärker ausgeprägten neurologischen Defiziten und funktionellen Beeinträchtigungen (Camm et al. 2010, 2012, Goldstein et al. 2011). Orale Antikoagulation (OAK) bei NVHF stellt eine sehr wirksame primärpräventive Intervention zur Verhinderung von Schlaganfällen dar. Für die Primärprävention bei Vorhofflimmern sind folgende Versorgungsprobleme bekannt: Das Vorhofflimmern wird häufig nicht entdeckt und bleibt, vielfach auch nach Entdeckung und trotz nicht vorliegender Kontraindikationen, unbehandelt. 3.1.3 Modellaufbau Zielstellung des DAK-Versorgungsreports ist es, zu beschreiben, welcher Effekt – i. S. einer Verringerung der DALY-Last – sich aus einer erhöhten Entdeckungsrate des Vorhofflimmerns und einer erhöhten Behandlungsrate in der mit OAK behandelbaren Population ergeben würde. Hierdurch können ein Teil der Hirninfarkt-Erstereignisse und die mit dem Eintreten des Ereignisses verbundenen DALY vermieden werden. Als Aufsatzgrundlage für die Modellierung dient die Population der vom nicht-valvulären Vorhofflimmern betroffenen Menschen. Die Größe dieses Personenkreises wird mithilfe der Prävalenzrate für das Vorhofflimmern bestimmt, der um einen geringen Anteil für das valvuläre Vorhofflimmern abgesenkt wird (vgl. Abschnitt 3.1.4.1). Da das NVHF nicht bei allen Betroffenen diagnostiziert wird, wird in der Modellierung berücksichtigt, dass ein gewisser Prozentsatz der NVHF-Fälle unentdeckt bleibt. Wie aus Abbildung 11 ersichtlich wird, können die NVHF-Betroffenen durch die Anwendung der Entdeckungsrate für das nicht-valvuläre Vorhofflimmern (vgl. Abschnitt 3.1.4.2) in zwei Gruppen eingeteilt werden: Die erste Gruppe umfasst Personen mit diagnostiziertem Vorhofflimmern, die potenziell eine Behandlung mit oraler Antikoagulation (OAK) oder Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) erhalten könnten. Betroffene, bei denen das NVHF nicht erkannt worden ist und die somit auch nicht adäquat behandelt werden können, bilden die zweite Gruppe. Bei Personen mit diagnostiziertem NVHF ist nicht in jedem Fall die Behandlung mit OAKs empfehlenswert und bei einigen Personen liegen Kontraindikationen gegen eine Behandlung mit OAK vor. In der Modellierung wird daher die erste Gruppe entsprechend dem Anteil an Behandlungsbedürftigen (vgl. Abschnitt 3.1.4.3) und behandelbaren Betroffenen (vgl. Abschnitt 3.1.4.4) in zwei Teilgruppen nach vorhandener und nicht-vorhandener Behandlungsempfehlung bzw. Behandelbarkeit eingeteilt. Wenn eine Therapie indiziert ist, werden die Betroffenen am häufigsten mit oraler Antikoagulation behandelt. Einige NVHF-Patienten erhalten Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) anstatt OAKs. Die Modellierung bildet diese Behandlungsoptionen durch verschiedene Untergruppen ab, wie Abbildung 11 veranschaulicht. Ein Teil der Modellpopulation der potenziell mit OAK behandelbaren Personen erhält auch tatsächlich diese Therapie. Eine weitere Untergruppe wird mit TAH behandelt auch wenn für sie eine OAK-Therapie möglich gewesen wäre. Alle übrigen Betroffenen bilden die Gruppe derer, die weder mit OAK noch mit TAH therapiert wird und somit unbehandelt bleibt. Auf diese Weise wurde in der Modellierung die Population der DAK-Versicherten mit nicht-valvulären Vorhofflimmern nach Entdeckung, Möglichkeiten und Art der Behandlung in fünf Teilgruppen untergliedert. Jeder Teilgruppe wird ein entsprechendes Risiko zugewiesen innerhalb eines Jahres einen Schlaganfall zu erleiden. Aus der Größe der jeweiligen Teilgruppe und ihrem Gruppenrisiko für die Entstehung eines Schlaganfalls lässt sich die Zahl der Schlaganfälle berechnen, die in einem Jahr aufgrund des nicht-valvulären Vorhofflimmerns in den einzelnen Teilgruppen zu erwarten sind. Die in Abbildung 11 rot dargestellten Rauten symbolisieren wichtige Stellschrauben des Modells. Durch eine Veränderung des Anteils der unentdeckten NVHF-Fälle als auch 36 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 durch eine Veränderung des Anteils der Nicht-OAK-Behandelten ändern sich die Gruppengrößen in den fünf Teilgruppen und somit auch die Anzahl der Schlaganfälle, die durch das NVHF verursacht werden. Mithilfe dieser beiden Stellschrauben können abweichend vom Status-quo der NVHF-Detektion und -Behandlung verschiedene Entwicklungen der Versorgungssituation (vgl. Abschnitt 3.1.6.2, 3.2.6.2 und 3.1.6.3, 3.2.6.3) simuliert werden. Abbildung 11: Menschen mit NVHF Modellaufbau für die Wirkung der Primärprävention bei NVHF auf das Schlaganfallrisiko NVHF entdeckt Mit OAK behandelbar Anteil der Nicht-OAKBehandelten Anteil der unentdeckten NVHF-Fälle Mit OAK behandelt Nicht mit OAK oder TAH behandelt Nicht mit OAK, aber mit TAH behandelt Keine Behandlungsempfehlung für OAK oder nicht mit OAK oder TAH behandelbar NVHF nicht entdeckt (vereinfachte Darstellung) Quelle: IGES 3.1.4 Modellannahmen Risiko Schlaganfall Risiko Schlaganfall Risiko Schlaganfall Risiko Schlaganfall Risiko Schlaganfall Vor der Beschreibung der Ergebnisse der Modellierung werden zunächst die Modellannahmen dargelegt. Das Modell differenziert – ausgehend von der Prävalenz des NVHF (vgl. Abschnitt 3.1.4.1) – nach: x x x x x der Entdeckung/Nichtentdeckung des VHF (vgl. Abschnitt 3.1.4.2) der Behandlungsempfehlung für OAKs (vgl. Abschnitt 3.1.4.3) der Behandelbarkeit mit OAK/Nichtbehandelbarkeit bei vorliegenden Kontraindikationen (vgl. Abschnitt 3.1.4.4) der tatsächlichen Behandlung mit OAK/Nichtbehandlung (vgl. Abschnitt 3.1.4.5) der TAH-Behandlung/TAH-Nichtbehandlung bei den nicht mit OAK behandelten NVHF-Patienten (vgl. Abschnitt 3.1.4.5) 3.1.4.1 Prävalenz des NVHF Zur Abschätzung der Prävalenz des NVHF für die Modellrechnung wurde nach Quellen recherchiert, die in einem bevölkerungsbezogenen Design Punktprävalenzen für das Vorhofflimmern differenziert nach 5er Altersgruppen und Geschlecht der einbezogenen Bevölkerung ausweisen. Für Deutschland liegen keine für die hier gewählte Modellierung geeigneten Studiendaten zur alters- und geschlechtsspezifischen Prävalenz des VHF vor. 2012 wurden die Ergebnisse einer bevölkerungsbasierten, prospektiven Beobachtungsstudie zur Verbreitung des nicht-valvulären VHF in der deutschen Bevölkerung veröffentlicht (Schnabel et al. 2012). Prävalenzen des NVHF sind hierin allerdings nur nach 10er Altersgruppen diffe- 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 37 renziert und bis zur Altersgruppe der 65 bis 74-jährigen enthalten. Diese Quelle konnte insofern für die Modellierung nicht verwendet werden. Entsprechend wurden nicht-deutsche Quellen für die Prävalenzabschätzung herangezogen. Als am geeignetsten für die Modellierung wurde die sog. „Rotterdam-Studie“ (Heeringa et al. 2006) erachtet. Diese Untersuchung weist Prävalenzraten von Vorhofflimmern nach 5er Altersgruppen und Geschlecht ab der Altersgruppe der 55 bis 59Jährigen aus. Die Prävalenzraten erhöhen sich mit zunehmendem Alter und belaufen sich bei der letzten ausgewiesenen Bevölkerungsgruppe ab 85 Jahre auf 17,9 % bei Männern und 17,5 % bei Frauen (vgl. Tabelle 10). Andere Veröffentlichungen zu Prävalenzen unterlagen Limitierungen, die eine Verwendung bei der Modellierung erschwerten. So ist bspw. in einer aktuellen Veröffentlichung zur VHF-Prävalenz aus Schweden (Friberg und Bergfeldt 2013) die Datengrundlage auf jene Fälle beschränkt, bei denen das Vorhofflimmern als Haupt- oder Nebendiagnose im Rahmen eines stationären oder ambulanten Krankenhausaufenthaltes oder eines Aufenthaltes in einem von einem Krankenhaus betriebenen Satellitenzentrum dokumentiert worden war. Beim Vergleich der altersgruppenspezifischen VHF-Prävalenzen der deutschen Studie (Schnabel et al. 2012) mit den Werten der für die Modellierung verwendeten „RotterdamStudie“ zeigen sich Unterschiede. So liegt bspw. die VHF-Prävalenz in der Untersuchung von Schnabel et al. in der Altersgruppe der 55- bis 64-jährigen mit 4,6 % bei Männern und 1,7 % bei Frauen nennenswert über den Raten der für die Modellierung verwendeten „Rotterdam-Studie“. Im Gesamtvergleich, sofern dieser aufgrund der unterschiedlichen Zuschnitte der Altersgruppen überhaupt möglich ist, zeichnet sich in den jüngeren Altersgruppen bis 70 Jahre in den „Rotterdam-Daten“ eher eine Unterschätzung der VHFPrävalenz und in den älteren Altersgruppen eher eine Überschätzung im Vergleich zu den Daten von Schnabel et al. ab. Tabelle 10: Altersgruppe In der Modellierung verwendete Punktprävalenzen für das Vorhofflimmern nach 5er Altersgruppen und Geschlecht (gem. „RotterdamStudie“) Punktprävalenz des Vorhofflimmerns Männer Frauen 55 bis 59 Jahre 0,8 % 0,6 % 60 bis 64 Jahre 2,6 % 1,0 % 65 bis 69 Jahre 5,2 % 2,9 % 70 bis 74 Jahre 6,9 % 5,4 % 75 bis 80 Jahre 13,0 % 6,5 % 80 bis 84 Jahre 15,2 % 12,7 % >= 85 Jahre 17,9 % 17,5 % Insgesamt 6,0 % 5,1 % Quelle: Heeringa et al. (2006); eigene Darstellung IGES Die Punktprävalenzen der „Rotterdam-Studie“ für das VHF werden unter Bezug auf Kirchhof et al. (2013) über alle Altersgruppen um pauschal 3,3 % – als Anteil der Patienten mit valvulärem VHF in Deutschland an allen VHF-Patienten– abgesenkt. Die so abgeleiteten Punktprävalenzen stellen die im Modell angesetzten Punktprävalenzen für das NVHF dar. 38 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Unter Anwendung der altersgruppen- und geschlechtsspezifischen NVHF-Prävalenzen auf die bundesdeutsche Bevölkerung des Jahres 2011 ab 55 Jahren, ergibt sich für Deutschland, dass ein nicht-valvuläres Vorhofflimmern bei 1,543 Millionen Menschen vorliegt (entspricht 1,9 % der Gesamtbevölkerung). Das Modellergebnis liegt damit nahe bei dem einleitend genannten Erwartungswert. Für das Versichertenkollektiv der DAK-Gesundheit ist unter den selben Prävalenzannahmen bezogen auf den DAK-Versichertenbestand per Ende des 2. Quartals 2011 von etwa 137.000 Versicherten mit einem Vorhofflimmern auszugehen (entspricht 2,9 % des gesamten Versichertenkollektives). Der Unterschied zur gesamten bundesdeutschen Bevölkerung ergibt sich aus den Strukturbesonderheiten des Versichertenkollektives der DAK mit überdurchschnittlichen Versichertenanteilen in der älteren (weiblichen) Bevölkerung. 3.1.4.2 Entdeckungsrate des NVHF Gruppengröße Grundlegende Voraussetzung für die Prävention thrombembolischer Ereignisse ist, dass das Vorliegen eines NVHF rechtzeitig erkannt wird. Auch nicht erkanntes NVHF, z. B. aufgrund des Fehlens einer klinischen Symptomatik, ist mit einem erhöhten SchlaganfallRisiko verbunden (Healey et al. 2012, Savelieva und Camm 2000). Die Angaben zur Entdeckungsrate des NVHF schwanken je nach Untersuchung zwischen 50 % und 75 % (2012, Friberg et al. 2013, Healey et al. 2012, Palm et al. 2013, Savelieva und Camm 2000). Angaben zur Entdeckungsrate des nicht-valvulären Vorhofflimmerns liegen aus deutschen und europäischen Studien vor (Friberg et al. 2013, Healey et al. 2012, Palm et al. 2013, Savelieva und Camm 2000). Auf der Grundlage einer aktuellen deutschen Studie (Palm et al. 2013) wird für die Modellierung davon ausgegangen, dass das nichtvalvuläre Vorhofflimmern im Status quo in zwei Dritteln aller betroffenen Fälle entdeckt wird. Damit bleibt das NVHF in Deutschland bei etwa 514 Tausend Menschen (darunter ca. 46 Tausend DAK-Versicherte) unentdeckt. Zwangsläufig erfolgt in diesen Kollektiven auch keine VHF-spezifische Primärprävention des Hirninfarkts. Gruppenrisiko Für die Bevölkerung bzw. Versicherte mit einem unentdeckten und damit auch unbehandelten NVHF gehen wir von einem 1-Jahres-Risiko für einen Schlaganfall von 4,1 % aus (Hart et al. 2007). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 11: 39 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der Primärprävention bei NVHF – Entdeckung des NVHF Gruppe Anteil Quelle (Q) und Anmerkung (A) Jährliches Schlaganfallrisiko Quelle (Q) und Anmerkung (A) Vorhofflimmern nicht entdeckt bei 33,33 % der Bevölkerung mit VHF Q: Friberg et al. (2013), 4,1 % Q: Hart et al. (2007) Palm et al. (2013), A: Durchschnittliche Healey et al. (2012), Schlaganfallrate für un- Savelieva und Camm behandeltes VHF in der (2000) Primärprävention A: Streuung für AnteilsVorhofflimmern entdeckt Quelle: bei 66,67 % der Bevölkerung mit VHF werte für entdecktes VHF in Quellen: 50 % 75 % Annahme für Anteilswert beruht auf aktueller deutscher Studie von Palm et al. 2013 IGES 3.1.4.3 Behandlungsbedürftigkeit des NVHF mit OAK Gruppengröße Das NVHF ist nicht in jedem Fall mit OAK behandlungsbedürftig. Die Behandlungsbedürftigkeit kann über den sog. CHA2-DS2-VASc-Score ermittelt werden, der über die Einbeziehung mehrerer Risikofaktoren (bspw. Hypertonie, Diabetes) eine Abschätzung des mit dem NVHF verbundenen Schlaganfall-Risikos erlaubt. Weist der CHA2-DS2-VASc-Score einen Wert von 2 Punkten oder mehr auf, wird eine Antikoagulation unter Beachtung der Kontraindikationen empfohlen (Camm et al. 2012). Unterschiedliche Studien, die die Verteilung nach CHA2-DS2-VASc-Score in Deutschland ermittelt haben (Kirchhof et al. 2013, Meinertz et al. 2011, Palm et al. 2013, Wilke et al. 2012), haben für die Behandlungsbedürftigkeit des NVHF Anteile zwischen 89,6 % und 97,3 % ermittelt, wobei die Ergebnisse überwiegend im Bereich um einen Anteil von 90 % liegen. Für die Modellierung wird davon ausgegangen, dass 90 % aller Fälle mit NVHF mit OAK gemäß CHA2-DS2-VAScScore behandlungsbedürftig sind. Gruppenrisiko Für 10 % der Bevölkerung mit einem entdeckten NVHF und einem CHA2-DS2-VAScScore von weniger als 2 Punkten besteht keine bzw. allenfalls eine optionale Behandlungsempfehlung für OAKs. Das Schlaganfallrisiko fällt bei dieser Gruppe geringer aus als in der Gruppe mit nicht entdecktem NVHF. Für die Modellierung gehen wir für diese Gruppe von einem 1-Jahres-Risiko für einen Schlaganfall von 1,3 % aus (Lip et al. 2010a, Lip et al. 2010b). 40 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 12: Gruppe 3 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der Primärprävention bei NVHF – Behandlungsbedürftigkeit Anteil Quelle (Q) und Anmerkung (A) Jährliches Schlaganfallrisiko Quelle (Q) und Anmerkung (A) NVHF entdeckt Keine Behandlungsempfehlung für OAK gem. CHA2-DS2VASc-Score 10 % Q: Kirchhof et al. (2013), Meinertz et al. (2011), Palm et al. (2013), Wilke et al. (2012) A: Streuung für Anteilswerte in Quellen: Behandlungsempfehlung für OAK gem. CHA2-DS2VASc-Score Quelle: 90 % 89,6 %-97,3 % Überwiegend im Bereich um 90 % 1,3 % Q: Lip et al. (2010a), Lip et al. (2010b) A: Genannte Quelle enthält Angaben zu Schlaganfallraten bei Punktwert von <2 im CHA2-DS2-VAScScore IGES 3.1.4.4 Behandelbarkeit des NVHF mit OAK Gruppengröße Aufgrund von Kontraindikationen können nicht alle Personen mit einer Behandlungsempfehlung für OAK gem. CHA2-DS2-VASc-Score mit OAK behandelt werden. Eine generelle Nicht-Behandelbarkeit mit OAK besteht dann, wenn Kontraindikationen gegen alle derzeit zugelassenen OAK-Wirkstoffe vorliegen. Bei einem ansonsten sehr heterogenen Kontraindikationsspektrum weisen alle derzeit zugelassenen OAK-Wirkstoffe und auch die Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) die schwere Nieren- bzw. Leberfunktionsstörung sowie akute Blutungsereignisse als Kontraindikation auf. Eine Schätzung des Anteils der Fälle mit einem „Prophylaxebedarf“ und einem gleichzeitigen Vorliegen einer der genannten generellen Kontraindikationen gegen OAK ergibt einen Anteil von 8,5 % (Kirchhof et al. 2013). Es wird für die Modellierung davon ausgegangen, dass die übrigen 91,5 % der Bevölkerung mit entdecktem NVHF mit einer prinzipiellen Empfehlung einer Behandlung für OAK und ohne Kontraindikationen mit OAK behandelbar sind. Gruppenrisiko Für die Fälle mit einem „Prophylaxebedarf“ und einer Kontraindikation gegen OAK setzen wir in der Modellierung ein 1-Jahres-Risiko für einen Schlaganfall von 4,1 % an (Hart et al. 2007). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 13: Gruppe 41 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der Primärprävention bei NVHF – Behandelbarkeit Anteil Quelle (Q) und Anmerkung (A) Jährliches Schlaganfallrisiko Quelle (Q) und Anmerkung (A) 4,1 % Q: Hart et al. (2007) A: Durchschnittliche Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Primärprävention NVHF entdeckt und Behandlungsempfehlung für OAK gem. CHA2-DS2VASc-Score NichtmitOAKund 8,5 % Q: Kirchhof et al. (2013) TAHbehandelbar, A: Schätzwert auf Basis daKontraindikatio der in der Quelle ge- nen nannten Anteilswerte zu: schwere Niereninsuffizi- MitOAKbehandel 91,5 % bar Quelle: enz, chronische Lebererkrankung, Blutungen IGES 3.1.4.5 Behandlung des NVHF Behandlung mit OAK – Gruppengröße Studienergebnisse zum Anteil der tatsächlich mit OAK behandelten Fälle an allen behandelbaren Fällen bewegen sich für Deutschland zwischen 38 % und 83 % (Kirchhof et al. 2013, Kirchhof et al. 2011, Meinertz et al. 2011, Palm et al. 2013, Wilke et al. 2012). Wir gehen im Modell davon aus, dass die Hälfte der gemäß CHA2-DS2-VASc-Score behandlungsbedürftigen und prinzipiell behandelbaren Bevölkerung mit NVHF derzeit auch mit OAKs behandelt wird. Diese Annahme beruht auf einer aktuellen Analyse von GKVRoutine- und Verordnungsdaten von 183.448 Patienten mit NVHF (Wilke et al. 2012) und dürfte daher die „Ist-Situation“ der Versorgung des NVHF realistisch abbilden. Die deutlich höheren Behandlungsanteile in Studien, die unter Verwendung von Registerdaten erstellt werden (Kirchhof et al. 2013, Meinertz et al. 2011), dürften teilweise auf einen „Interventionseffekt“ durch die Registrierungsaktivitäten selbst zurückzuführen sein. Für die orale Antikoagulation werden überwiegend Vitamin-K-Antagonisten (VKAs) eingesetzt. Darüber hinaus sind inzwischen auch andere, sog. neue Antikoagulantien (NOAKs), für die Prävention bei NVHF zugelassen. Bei der Bestimmung der Effekte der oralen Antikoagulation auf die DALYs wurden für die oben dargestellten Modellgruppen neben den entsprechenden Anteilswerten auch Schlaganfallrisiken abgeschätzt. Grundlage hierfür war eine umfassende Metaanalyse (Hart et al. 2007) zu den Effekten der antithrombotischen Therapie zur Primär- und Sekundärprävention des Schlaganfalls bei NVHF, welche 29 Einzelstudien mit insgesamt 28.044 Patienten einschloss. Der durchschnittlich erreichte INR-Wert der in der Metaanalyse eingeschlossenen Studien zu den Effekten von VKA lag zwischen 2,0 und 2,9. Dies entspricht dem aktuell empfohlenen präventiven INR-Zielbereich bei NVHF. Die in der Metaanalyse von Hart et al. berichteten INR-Zielwerte der eingeschlossen Studien bewegten sich in einem Spektrum zwischen 1,4 und 4,5, d. h. sie lagen teilweise deutlich unter bzw. über dem empfohlenen INR-Zielbereich. Dies dürfte der „realen“ Versorgungssituation ausserhalb von Studiensettings entsprechen, welche bei der Antikoagulation des NVHF sowohl von Unter- als auch Überschreitungen der INR-Zielwertempfehlungen geprägt ist (Kirchhof et al. 2013, Palm et al. 2013). 42 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Behandlung mit OAK – Gruppenrisiko Nach Hart et al. (2007) kann durch die Gabe von VKAs das relative Risiko für einen Schlaganfall bei NVHF um 64 % (95 % CI: 49 %-74 %) reduziert werden. Dies entspricht einer absoluten Risikoreduktion von 2,7 Prozentpunkten pro Jahr. Hierbei wurden ischämische und hämorrhagische Ereignisse sowie auch intracranielle Blutungen berücksichtigt. Die durch die Metaanalyse ermittelten Schlaganfallrisiken berücksichtigen somit auch das mit der Gabe von VKAs verbundene erhöhte Blutungsrisiko. Bezieht man die o. g. Risikoreduktion durch orale Antikoagulation auf das 1-Jahres-Risiko für einen Schlaganfall von 4,1 %, so ergibt sich ein 1-Jahres-Risiko für einen Schlaganfall in der Gruppe der mit OAK behandelten VHF-Patienten von 1,4 %. Keine Behandlung mit OAK – Gruppengröße Wie oben beschrieben gehen wir in der Modellierung des Status quo davon aus, dass die Hälfte aller behandelbaren Fälle nicht mit OAK behandelt wird. Bei der Ermittlung des Schlaganfallrisikos dieser Gruppe wird berücksichtigt, dass ein Teil der Fälle in dieser Gruppe mit TAH behandelt wird. Eine Behandlung des NVHF mit TAH bei einem CHA2DS2-VASc-Score von 2 Punkten oder mehr entspricht nicht den aktuellen Leitlinien, ist aber dennoch mit einer – wenn auch im Vergleich mit einer OAK-Behandlung deutlich weniger ausgeprägten – Risikoreduktion verbunden. Auf der Grundlage der Studie von Wilke et al. (2012) wird für die Modellierung angenommen, dass 13,8 % der nicht mit OAK behandelten Fälle mit TAH behandelt werden (86,2 % werden nicht mit TAH behandelt). Keine Behandlung mit OAK – Gruppenrisiko Eine Behandlung des NVHF mit TAH führt nach der Metaanalyse von Hart et al. (2007) zu einer Reduktion der 1-Jahres-Schlaganfallrate um 1,5 Prozentpunkte auf 2,6 % p. a.12 In der Gruppe der weder mit OAK noch mit TAH behandelten Fälle mit NVHF liegt das 1Jahres- Schlaganfallrisiko nach Hart et al. bei 4,1 % p. a. 12 Diese Metanalyse enthält es zwei Angaben zum TAH-Effekt: Die eine beschreibt den Effekt aus TAH-Gabe vs. Placebo, die andere aus TAH-Gabe vs. Warfarin-Gabe. Unsere Annahme zur Risikoreduktion aufgrund TAH-Gabe beruht auf den Subanalysen zu „TAH-Gabe vs. Warfarin-Gabe“, da diese Konstellation unserere im Modell gebildeten Gruppen adäquater abbildet. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 14: Gruppe 43 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der Primärprävention bei NVHF – Behandlung Anteil Quelle (Q) und Anmerkung (A) Jährliches Schlaganfallrisiko 50 % Q: Kirchhof et al. (2013), Meinertz et al. (2011), Palm et al. (2013), Wilke et al. (2012) A: Streuung für Anteilswerte in Quellen: 38 % – 83 %. Grundlage für unsere Annahme ist die Studie von Wilke et al. (2012), die auf der Auswertung von GKVVerordnungsdaten beruht 1,4 % Q: Wilke et al. (2012) 2,6 % Quelle (Q) und Anmerkung (A) NVHF entdeckt und Behandlungsempfehlung für OAK gem. CHA2-DS2-VAScScore und mit OAK behandelbar Mit OAK behandelt Nicht mit OAK 50 % behandelt -mit TAH be- 13,8 % Q: Hart et al. (2007) A: Durchschnittliche Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Primärprävention: 4,1 % p. a. Absolute Risikoreduktion in der Primärprävention bei Behandlung mit VKAs: 2,7 PP Q: Hart et al. (2007) A: Durchschnittliche handelt Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Primärprävention: 4,1 % p. a. Absolute Risikoreduktion in der Primärprävention bei Behandlung mit TAHs: 1,5 PP -nicht mit TAH behandelt 86,2 % 4,1 % Q: Hart et al. (2007) A: Durchschnittliche Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Primärprävention: 4,1 % p. a. Quelle: IGES 3.1.5 Mögliche Ansätze zur Optimierung der Primärprävention bei NVHF Erhöhung der Entdeckungsrate des NVHF Durch Screeningmaßnahmen, bestehend aus Pulsfühlen bei jedem Arztbesuch bei allen über 65-jährigen und einem EKG bei unregelmäßigem Puls, könnte die NVHFEntdeckungsrate um ca. 60 % gesteigert werden (Fitzmaurice et al. 2007, Goldstein et al. 2011, Hobbs et al. 2005). Die DEGAM-Leitlinie zum Schlaganfall empfiehlt bei Patienten über 65 Jahren die regelmäßige hausärztliche Pulstastung (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012). 44 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Erhöhung der indikationsgerechten Behandlungsraten bei NVHF Eine Möglichkeit zur Erhöhung der indikationsgerechten Behandlungsraten bei NVHF besteht darin, den behandelnden Ärzten auf der Grundlage von Diagnose- und Verordnungsdaten eine Rückmeldung zugeben, wenn bei einem behandlungsbedürftigem VHF keine antithrombotische Behandlung erfolgt. Darüber hinaus liegen Hinweise vor, dass sich durch strukturierte Patientenschulung und -selbstmanagementprogramme in der oralen Antikoagulation und durch eine verbesserte Therapieadhärenz und -compliance eine Reduktion thrombembolischer Ereignisse erreichen lässt. Etwa die Hälfte der Patienten mit Indikation für eine orale Antikoagulation werden als grundsätzlich geeignet für derartige Programme eingeschätzt (GarciaAlamino et al. 2010, Siebenhofer et al. 2014). 3.1.6 Ergebnisse der Modellierung Nachfolgend wird in drei Abschnitte unterteilt dargestellt, wie viele erstmalige Hirninfarkte (und DALY) dem NVHF zurechenbar sind, wenn x x x der Status quo der Primärprävention des NVHF modelliert wird (Modellansatz: „IST-Versorgung“), die IST-Versorgung mit einem fiktiven Ansatz verglichen wird, bei dem unterstellt wird, dass keinerlei Primärprävention erfolgt (Modellansatz: „Fiktives „NullSzenario“) eine gegenüber dem Status quo optimierte Primärprävention des NVHF modelliert wird (Modellansatz: „Optimierungs-Szenario“) 3.1.6.1 Modellergebnisse der „IST-Versorgung“ Die Gesamtzahl der Menschen mit NVHF in Deutschland wird unter den in Abschnitt 3.1.4.1 beschriebenen Prävalenzannahmen auf etwa 1,5 Mio. geschätzt. Davon werden heute nur etwa 66,7 % (ca. 1 Mio.) entdeckt. Ca. 181.000 dieser Patienten werden nicht mit OAK behandelt, weil wegen fehlender sonstiger Risiken keine Behandlungsempfehlung besteht oder weil eine Kontraindikation vorliegt. In dieser Gruppe treten pro Jahr ca. 4.550 Schlaganfälle auf. Es verbleiben ca. 847.000 Patienten, die mit OAK behandelt werden könnten. Tatsächlich behandelt wird jedoch nur die Hälfte, d. h. etwa 424.000 Patienten. Diese mit OAK behandelten Patienten haben ein jährliches Schlaganfallrisiko von ca. 1,4 %, d. h. es treten knapp 6.000 Schlaganfälle auf. Menschen mit VHF, die gar nicht medikamentös behandelt werden, haben demgegenüber ein deutlich höheres Schlaganfallrisiko von 4,1 %. Nur ein kleiner Teil der behandelbaren aber nicht behandelten Patienten (ca. 59.000), wird zumindest mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) behandelt, der das Schlaganfallrisiko auf 2,6 % senkt, also weniger stark als die OAK. Auf die Gruppe der übrigen ca. 364.000 Patienten, die keinerlei medikamentöse Primärprävention bei NVHF erhalten, entfallen ca. 14.900 Schlaganfälle. Zusammen entfallen auf die knapp 850.000 erkannten und grundsätzlich mit OAK behandelbaren Personen aktuell ca. 22.400 Schlaganfälle. Hinzu kommen die Schlaganfälle der 514.000 Personen, bei denen das Vorhofflimmern bisher nicht entdeckt wurde, die auf ca. 21.000 geschätzt werden. Insgesamt entfallen auf die Bevölkerung mit einem NVFH, die nur etwa 1,9 % der Bevölkerung ausmachen, jährlich ca. 48.000 erstmalige Schlaganfälle und damit ein erheblicher Teil aller Erstereignisse. Die Modellierung erfolgt auf der Grundlage der jährlichen Risiken für ein Auftreten aller Schlaganfallarten und nicht nur der Hirninfarkte. Dies ist erforderlich, weil die Behandlung mit OAK zu einer geringfügigen Erhöhung des Risikos für das Auftreten einer Hirnblutung führt. Die gravierendste Nebenwirkung einer vermehrten Behandlung mit OAK ist also bei 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 45 der Abschätzung der Effekte der Versorgungsoptimierung mitberücksichtigt. Die Abbildung 12 illustriert den Modellaufbau und die Anzahl erstmaliger Schlaganfälle in den einzelnen definierten Modellpopulationen. Abbildung 12: Modellansatz „IST-Versorgung“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Schlaganfallereignisse (n=48.050) Menschen mit NVHF: NVHF entdeckt: 66,7 % Mit OAK behandelbar: 82,3 % Mit OAK behandelt: 50,0 % Risiko Schlaganfall: 1,4 % 1.542.000 1.028.000 847.000 424.000 ~5.950 Schlaganfälle Nicht mit OAK oder TAH behandelt: 43,0 % Risiko Schlaganfall: 4,1 % 364.000 ~14.900 Schlaganfälle Nicht mit OAK, aber mit TAH behandelt: 7,0 % Risiko Schlaganfall: 2,6 % 59.000 ~1.550 Schlaganfälle Keine Behandlungsempfehlung für OAK oder nicht mit OAK oder TAH behandelbar: 17,7% 103.000 & 78.000 Quelle: Risiko Schlaganfall: 1,3 % oder 4,1% ~4.550 Schlaganfälle NVHF nicht entdeckt: 33,3 % Risiko Schlaganfall: 4,1 % 514.000 ~21.100 Schlaganfälle IGES 3.1.6.2 Modellergebnisse des Fiktiven „Null-Szenarios“ In dem fiktiven „Null-Szenario“ wird geschätzt, wie viele erstmalige Schlaganfälle ohne primärpräventive Behandlung mit OAK und TAH auftreten würden. Für die Modellsimulation werden die Gruppengrößen in den Pfaden x x „mit OAK behandelt“ und „nicht mit OAK, aber mit TAH behandelt“ auf „Null“ gesetzt. Alle Patienten werden entsprechend als „nicht mit OAK oder TAH behandelte Patienten“ angesehen, für die im Modell ein 1-Jahres-Schlaganfall-Risiko von 4,1 % angesetzt wird. Im Ergebnis wären ohne jegliche primärpräventive Behandlung des NVHF insgesamt ca. 60.350 Schlaganfälle zu erwarten. Im Abgleich mit dem IST-Szenario ergibt sich für die aktuelle bestehende Primärprävention bei NVHF damit folgende Wirksamkeit: x x In Deutschland werden pro Jahr etwa 12.300 erstmalige Schlaganfälle und 64.100 DALYs verhindert. Für die DAK-Gesundheit werden (auf Basis des Versichertenkollektives 2011) jährlich 1.100 erstmalige Schlaganfälle und 5.600 DALYs verhindert. Abbildung 13 illustriert den Modellaufbau und die Anzahl erstmaliger Schlaganfälle in den einzelnen definierten Modellpopulationen. 46 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 13: Modellansatz fiktives „Null-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Schlaganfallereignisse (n=60.350) Menschen mit NVHF: NVHF entdeckt: 66,7 % Mit OAK behandelbar: 82,3 % Mit OAK behandelt: 0% Risiko Schlaganfall: 1,4 % 1.542.000 1.028.000 847.000 0 0 Schlaganfälle Nicht mit OAK oder TAH behandelt: 100 % Risiko Schlaganfall: 4,1 % 847.000 34.750 Schlaganfälle Nicht mit OAK, aber mit TAH behandelt: 0 % Risiko Schlaganfall: 2,6 % 0 0 Schlaganfälle Keine Behandlungsempfehlung für OAK oder nicht mit OAK oder TAH behandelbar: 17,7% 103.000 & 78.000 Quelle: 3 Risiko Schlaganfall: 1,3 % oder 4,1% ~4.550 Schlaganfälle NVHF nicht entdeckt: 33,3 % Risiko Schlaganfall: 4,1 % 514.000 ~21.100 Schlaganfälle IGES 3.1.6.3 Modellergebnisse des „Optimierungs-Szenarios“ In dem Optimierungs-Szenario wird modelliert, wie viele erstmalige Schlaganfälle vermieden werden können, wenn die Primärprävention bei NVHF weiter verbessert wird. In Abschnitt 3.1.5 sind mögliche Ansätze für Optimierungen skizziert worden. Für das Optimierungs-Szenario wurden in Abstimmung mit den Experten des externen Begleitgremiums und den Experten der DAK folgende Ziele formuliert: x x Die Entdeckungsrate des Vorhofflimmerns steigt von 66,7 % auf 80 %. Die Behandlungsrate bei den für eine Behandlung mit OAK geeigneten Patienten steigt von heute 50 % auf 75 %. Im Ergebnis würden pro Jahr „nur noch“ ca. 38.650 erstmalige, dem Risikofaktor „Vorhofflimmern“ zuzuordnende, Schlaganfälle auftreten. Eine Verbesserung der Primärprävention bei NVHF in der vorgeschlagenen Größenordnung hätte – im Vergleich zum Ist-Szenario – somit folgende Wirksamkeit: x x In Deutschland könnten pro Jahr zusätzlich etwa 9.400 erstmalige Schlaganfälle und 48.800 DALYs verhindert werden. Bezogen auf die DAK-Gesundheit (auf Basis des Versichertenkollektives 2011) sind es 830 erstmalige Schlaganfälle und 4.300 DALYs. Der Gesamteffekt resultiert zu etwa einem Drittel aus der Erhöhung der Entdeckungsrate des Vorhofflimmerns (für Deutschland: 3.040 zusätzlich verhinderte erstmalige Schlaganfälle / 15.800 DALY) und zu zwei Dritteln aus der o.g. Steigerung der Behandlungsrate bei den für eine Behandlung mit OAK geeigneten Patienten (für Deutschland: 6.340 zusätzlich verhinderte Schlaganfälle / 33.000 DALY). Abbildung 14 illustriert den Modellaufbau und die Anzahl erstmaliger Schlaganfälle in den einzelnen definierten Modellpopulationen. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 14: Modellansatz „Optimierungs-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Schlaganfallereignisse (n=38.650) Menschen mit NVHF: NVHF entdeckt: 80 % Mit OAK behandelbar: 82,3 % 1.542.000 1.234.000 1.016.000 Mit OAK behandelt: 75,0 % Risiko Schlaganfall: 1,4 % 762.000 ~10.700 Schlaganfälle Nicht mit OAK oder TAH behandelt: 21,5 % Risiko Schlaganfall: 4,1 % 218.000 ~8.950 Schlaganfälle Nicht mit OAK, aber mit TAH behandelt: 3,5 % Risiko Schlaganfall: 2,6 % 36.000 Keine Behandlungsempfehlung für OAK oder nicht mit OAK oder TAH behandelbar: 17,7% 124.000 & 94.000 Quelle: IGES 47 ~900 Schlaganfälle Risiko Schlaganfall: 1,3 % oder 4,1% ~5.450 Schlaganfälle NVHF nicht entdeckt: 20 % Risiko Schlaganfall: 4,1 % 308.000 ~12.650 Schlaganfälle 48 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3.2 Medikamentöse Sekundärprävention nach Transitorisch Ischämischer Attacke (TIA) 3.2.1 Zusammenfassung 3 Nach einer ersten Transitorisch Ischämischen Attacke (TIA) ist das Risiko einen Schlaganfall zu erleiden deutlich erhöht. Durch die medikamentöse Behandlung der Risikofaktoren soll in der Sekundärprävention nach TIA das Auftreten eines manifesten Schlaganfalles verhindert werden. Der Fokus ist dabei insbesondere auf die Erhöhung der Behandlungsrate mit oralen Antikoagulantien bei den TIA-Patienten mit Vorhofflimmern und ohne Kontraindikation gegen die Medikation, die Erhöhung der Behandlungsrate mit Antihypertensiva bei den TIA-Patienten mit arterieller Hypertonie und die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) bei den TIA-Patienten ohne VHF auszurichten. Für die Modellierung wird davon ausgegangen, dass sowohl ein vorliegendes VHF als auch die arterielle Hypertonie spätestens während des akutstationären Krankenhausaufenthaltes aufgrund des TIA-Ereignisses diagnostiziert werden und die medikamentöse Sekundärprävention hier eingeleitet bzw. fortgesetzt wird. Die Daten der DAK-Gesundheit belegen, dass die medikamentöse Sekundärprävention bei den VHF-Patienten im vierten Quartal nach dem Krankenhausaufenthalt wegen der ersten TIA nur noch in 50 % aller Fälle und bei den Patienten mit arterieller Hypertonie nur noch in 82 % aller Fälle erfolgt. Dies bedeutet auch, dass sich die Behandlungsraten von einem hohen Niveau im ersten Quartal nach dem TIA-Aufenthalt ausgehend im Laufe der Zeit deutlich verringern. Durch die bisherige medikamentöse Sekundärprävention werden nach erster TIA bei den Risikofaktoren Vorhofflimmern und arterieller Hypertonie und die TAH-Gabe nach der Modellierung für den DAK-Versorgungsreport jährlich fast 1.000 erstmalige Schlaganfälle und 7.200 DALY verhindert (vgl. Abschnitt 3.2.6.2). Die erzielte Risikoreduktion für die ca. 83,5 Tausend Menschen, die jährlich eine erstmalige TIA erleiden, ist demnach erheblich. Dennoch ereignen sich in diesem Kollektiv in jedem Jahr ca. 2.900 erstmalige Schlaganfälle, die den o.g. Risikofaktoren zuzurechnen sind (vgl. Abschnitt 3.2.6.1). Es wird als realistisch erachtet, dass die Behandlungsrate bei den für eine OAK-Behandlung geeigneten Patienten mit einem Vorhofflimmern auf 85 % gesteigert werden kann. Die Behandlungsrate mit Anti-Hypertensiva bei den Patienten mit einer arteriellen Hypertonie und ohne nicht-valvuläres Vorhofflimmern sollte auf 95 % erhöht werden können. Auch für die TAH-Behandlungsrate bei den Patienten ohne VHF und den Patienten mit VHF, die nicht mit OAKs behandelt werden, wird ein Zielwert von 95 % als realisierbar eingeschätzt. Bei Umsetzung dieser Ziele für das vergleichsweise kleine Kollektiv der Menschen mit einer erstmaligen TIA können nach dem Modell pro Jahr das Auftreten von jährlich zusätzlich etwa 510 Hirninfarkten/Schlaganfällen verhindert und 3.700 DALY vermieden werden (vgl. Abschnitt 3.2.6.3). 3.2.2 Einleitung Führt eine Durchblutungsstörung des Gehirns zu plötzlich auftretenden fokalneurologischen Symptomen, wie z. B. halbseitigen Lähmungserscheinungen, plötzlichen Sehstörungen (Amaurosis fugax) oder Sprachstörungen, welche sich innerhalb von 24 Stunden vollständig zurückbilden, liegt eine Transitorisch Ischämische Attacke (TIA) vor (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012, Furie et al. 2011, Kernan et al. 2014). Auch wenn die Betroffenen von bleibenden neurologischen Ausfällen verschont bleiben, stellt die TIA eine massive gesundheitliche Bedrohung und ein außerordentlich ernst zu nehmendes Warnzeichen für das Auftreten eines manifesten Schlaganfalls mit bleibenden neurologischen Ausfällen sowie auch für andere lebensbedrohende Gefäßerkrankungen, z. B. Herzinfarkte dar. Einem Fünftel bis einem Viertel aller Schlaganfälle gehen 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 49 eine oder mehrere TIAs voraus (Sander und Conrad 2006). Angaben zum Risiko eines (erneuten) Schlaganfalls nach einem Schlaganfall oder einer TIA in älteren Studien bewegen sich zwischen 5 % und 20 % (Mohan et al. 2011). Die im Mai 2014 veröffentlichte Leitlinie der American Stroke Association zur Sekundärprävention nach einem Schlaganfall und einer TIA berichtet unter Berufung auf aktuelle amerikanische Untersuchungen ein durchschnittliches jährliches Risiko von ca. 3 % – 4 %, nach einem Schlaganfall oder einer TIA einen Hirninfarkt zu erleiden. Diese, im Vergleich zu früheren Studien, niedrigeren Risikoraten werden auf die inzwischen verbesserte sekundärpräventive Versorgung zurückgeführt (Furie et al. 2011, Kernan et al. 2014). Von den fast 7.000 Versicherten der DAK-Gesundheit, die im Jahr 2011 wegen einer erstmals aufgetretenen TIA stationär behandelt wurden, erlitten 2,4 % innerhalb eines Jahres einen Hirninfarkt. Bei 3,0 % ereignete sich innerhalb eines 1-Jahres-Zeitraumes nach der ersten TIA eine weitere TIA. Deutsche und internationale Leitlinien unterscheiden hinsichtlich wesentlicher Anforderungen an die diagnostische Abklärung und an die Sekundärprävention nicht zwischen einem manifesten Hirninfarkt und einer TIA (vgl. u. a. (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012, DSG [Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft] und DGN [Deutsche Gesellschaft für Neurologie] 2012, Furie et al. 2011, Kernan et al. 2014)). Hauptziel der Sekundärprävention nach TIA ist die Verhinderung eines manifesten Schlaganfalls durch Behandlung der Risikofaktoren. Das Vorhofflimmern und die arterielle Hypertonie stellen die häufigsten und gefährlichsten Risikofaktoren für das Auftreten eines Schlaganfalls nach TIA dar. Die medikamentöse Behandlung dieser Risikofaktoren durch orale Antikoagulantien (OAK) bzw. Antihypertensiva sind daher wesentliche Maßnahmen der Sekundärprävention nach TIA. Darüber hinaus stellt die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) eine Basismaßnahme der medikamentösen Sekundärprophylaxe nach TIA oder nichtkardioembolischen ischämischem Schlaganfall unabhängig vom Vorliegen weiterer Risikofaktoren, außer dem VHF, dar (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012, DSG [Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft] und DGN [Deutsche Gesellschaft für Neurologie] 2012, Furie et al. 2011, Kernan et al. 2014). Für die medikamentöse Sekundärprävention nach TIA sind folgende Versorgungsprobleme bekannt: Nach dem Auftreten einer (ersten) TIA erhalten Patienten mit Vorhofflimmern oder arterieller Hypertonie noch zu oft keine adäquate medikamentöse Therapie. TIA-Patienten, die nicht aufgrund eines Vorhofflimmerns mit OAKs behandlungsbedürftig sind, sollten grundsätzlich TAHs erhalten. Auch diese Vorgabe wird bislang noch nicht konsequent genug umgesetzt. 3.2.3 Modellaufbau Zielstellung des DAK-Versorgungsreports ist es, zu beschreiben, welcher Effekt sich – i. S. einer Verringerung der DALY-Last – aus der Erhöhung der Anteile jener TIAPatienten ergibt, die nach der Krankenhausentlassung entsprechend ihrer jeweiligen Risikofaktoren sekundärpräventiv medikamentös behandelt werden. Die Abschätzung der Anzahl erstmaliger TIA-Fälle eines Jahres erfolgt über die aus den DAK-Routinedaten ermittelten TIA-Inzidenzen (vgl. Abschnitt 2.2.1). Diese Population wird, abhängig davon, ob ein nicht-valvuläres Vorhofflimmern (ggf. mit arterieller Hypertonie), nur eine arterielle Hypertonie oder weder ein NVHF noch eine arterielle Hypertonie vorliegen, unterteilt. Zur Bestimmung der Größe der beiden erstgenannten Gruppen wurden die erstmaligen TIA-Fälle in den DAK-Routinedaten hinsichtlich des Vorliegens dieser Risikofaktoren ausgewertet. 50 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 In der Modellierung wird im Weiteren für jede der drei Gruppen danach unterschieden, ob und welche medikamentöse Behandlung erfolgt und welche Risikoreduktion sich hieraus für das Auftreten eines ersten Schlaganfalles bzw. Hirninfarktes nach TIA bei NichtBehandlung ergibt (vgl. Abbildung 15 ). Durch Veränderungen der Fallanteile mit medikamentöser Behandlung der jeweiligen Risikofaktoren ändern sich die Gruppengrößen der behandelten Fälle und aufgrund unterschiedlicher Schlaganfall-/Hirninfarktrisiken der modellierten Gruppen auch die Anzahl der erstmaligen Schlaganfälle/Hirninfarkte nach erster TIA, die dem NVHF oder der arteriellen Hypertonie zugerechnet werden können. Abbildung 15: Modellaufbau für die Wirkung der medikamentösen Sekundärprävention bei NVHF und/oder Arterieller Hypertonie nach erster TIA auf das Schlaganfallrisiko Menschen mit erster TIA Davon mit behandelbarem NVHF Mit OAK Davon mit VHF behandelt Risiko Schlaganfall Übrige mit TAH behandelt Davon mit nicht behandelbarem NVHF Quelle: IGES 3.2.4 Modellannahmen Risiko Schlaganfall Davon mit Bluthochdruck Davon mit Mit Anti-Hypert. Bluthochdruck behandelt Übrige Mit TAH Übrige behandelt Risiko Hirninfarkt Risiko Hirninfarkt Vor der Beschreibung der Ergebnisse der Modellierung zu den Effekten der medikamentösen Sekundärprävention nach TIA werden zunächst die Modellannahmen dargelegt. Das Modell berücksichtigt – ausgehend von der Auftretenshäufigkeit erstmaliger TIAEreignisse im DAK-Kollektiv des Jahres 201113 – folgende drei voneinander unabhängige Fallgruppen, die relevante Risikofaktoren bzw. deren medikamentöse Behandlung in der Sekundärprävention nach TIA abdecken: x x x Fälle mit erstmaliger TIA und festgestelltem NVHF oder festgestelltem NVHF und arterieller Hypertonie (vgl. Abschnitt 3.2.4.1) Fälle mit erstmaliger TIA und festgestellter arterieller Hypertonie (vgl. Abschnitt 3.2.4.2) Fälle mit erstmaliger TIA und ohne NVHF oder arterielle Hypertonie (vgl. Abschnitt 3.2.4.3) 13 Fälle mit einem Krankenhausaufenthalt wegen einer Hauptdiagnose G45* und Entlassungsdatum im Jahr 2011, die in den 3 Jahren vor diesem Ereignis keinen Krankenhausaufenthalt mit einer TIA-Diagnose oder einer der Schlaganfalldiagnosen hatten. Ausschließlich ambulant behandelte Patienten mit einer TIA und Patienten, die sich wegen der TIA in keinerlei Behandlung begeben haben, können nicht berücksichtigt werden. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 51 3.2.4.1 Gruppe A: Fälle mit erstmaliger TIA und festgestelltem NVHF oder festgestelltem NVHF und arterieller Hypertonie Gesamtgruppengröße Für alle Krankenhausfälle der DAK-Versicherten mit einem TIA-Erstereignis im Jahr 2011 wurde untersucht, ob in diesem Erstereignis selbst oder innerhalb des Jahres vor dem Erstereignis ambulant (gesichert) oder stationär nur die Diagnosen Vorhofflimmern (I48.1) oder die Diagnosen Vorhofflimmern und arterielle Hypertonie (I10) dokumentiert waren. Der Anteil der Erstereignisfälle, die diese Kriterien erfüllten, belief sich auf 19,8 %. Dieser Anteil für das VHF wird unter Bezug auf Kirchhof et al. (2013) über alle Altersgruppen um pauschal 3,3 % – als Anteil der Patienten mit valvulärem VHF in Deutschland an allen VHF-Patienten– abgesenkt. Die Festlegung der Modellannahmen für diese Gruppe erfolgte in ausschließlicher Orientierung am Risikofaktor NVHF und dessen medikamentöser Behandlung, da das Schlaganfallrisiko bzw. die durch Behandlung erzielbare Risikoreduktion bei Vorhofflimmern höher ist als im Falle einer arteriellen Hypertonie. Die Tatsache, dass gerade bei der Behandlung mit Gerinnungshemmern die adäquate Behandlung des Bluthochdrucks zur Verhinderung von Hirnblutungen sehr bedeutsam ist, konnte in der Modellierung aufgrund der Komplexität nicht berücksichtigt werden. Behandlungsbedürftigkeit und Behandelbarkeit des NVHF mit OAK Gruppengröße Gemäß CHA2-DS2-VASc-Score besteht bei VHF nach TIA ein grundsätzlicher Behandlungsbedarf. Im Gegensatz zur Primärprävention bei NVHF sind demnach grundsätzlich alle Fälle mit einem TIA-Erstereignis behandlungsbedürftig. Eine generelle Nicht-Behandelbarkeit mit OAK besteht allerdings dann, wenn Kontraindikationen gegen alle derzeit zugelassenen OAK-Wirkstoffe vorliegen. Bei einem ansonsten sehr heterogenen Kontraindikationsspektrum weisen alle derzeit zugelassenen OAKWirkstoffe sowie auch die Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) die schwere Nierenbzw. Leberfunktionsstörung sowie akute Blutungsereignisse als Kontraindikation auf. Eine Schätzung des Anteils der Fälle, mit einem Sekundärprophylaxebedarf und einem gleichzeitigen Vorliegen einer der genannten generellen Kontraindikationen gegen OAK ergibt einen Anteil von 8,5 % (Kirchhof et al. 2013). Die übrigen 91,5 % der Fälle ohne Kontraindikationen sind hingegen mit OAK behandelbar. Gruppenrisiko Für die Fälle mit nicht-behandelbarem VHF wird in der Modellrechnung ein 1-JahresRisiko für einen Schlaganfall von 13 % angesetzt (Hart et al. 2007). 52 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 15: Gruppe TIAErstereignisfall mit festgestelltem NVHF oder NVHF und arterieller Hypertonie Nicht mit OAK und TAH behandelbar, da Kontraindikationen Mit OAK behandelbar Quelle: 3 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach TIA bei festgestelltem NVHF (19,8 % aller TIA-Erstereignisfälle) – Behandelbarkeit Anteilswerte Quelle (Q) und Anmerkung (A) 19,8 % Q: DAK-Daten 8,5 % Q: Kirchhof et al. (2013) A: Schätzwert auf 91,5 % Jährliche Schlaganfallrate 13 % Quelle (Q) und Anmerkung (A) Q: Hart et al. (2007) A: Durchschnittliche Basis der in der Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Quelle genannten Sekundärprävention Anteilswerte zu: Schwere Niereninsuffizienz, Chronische Lebererkrankung, Blutungen IGES Behandlung des NVFH Behandlung mit OAK – Gruppengröße Der Anteil der TIA-Erstereignisfälle mit festgestelltem VHF und einer Behandlung mit OAK14 wurde unter Rückgriff auf DAK-Daten ermittelt. In Abbildung 16 ist ausgewiesen, welcher Teil aller TIA-Erstereignisfälle des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Vorhofflimmern (ICD-10: I48.1) in den Folgequartalen I bis IV auch jeweils mindestens eine OAKVerordnung erhalten hat. Versicherte die innerhalb eines Jahres nach dem TIAErstereignis (Aufnahmedatum) verstorben sind oder die Krankenkasse gewechselt haben, wurden nicht berücksichtigt. Der Verordnungsanteil liegt im ersten Quartal nach der TIA noch bei fast zwei Drittel und verringert sich mit zunehmendem zeitlichen Abstand von diesem Ereignis auf nur noch 50,3 % im vierten Quartal (vgl. Abbildung 16). 14 Eine Liste der hierfür verwendeten Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation findet sich im Anhang. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 16: 53 Anteil der Fälle mit mindestens einer OAK-Verordnung an allen TIAErstereignisfälle der DAK des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Vorhofflimmern (ICD-10: I48.1) in den Quartalen I bis IV nach Ereignis Anteil der TIA-Erstereignisfälle mit VHF und mind. einer OAK-Verordnung im jew. Quartal 100% 90% 80% 70% 66% 60% 53% 52% Quartal 2 Quartal 3 50% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Quartal 1 Quartal 4 Quartal nach TIA-Erstereignis Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Behandlung mit OAK – Gruppenrisiko Grundlage für die Modellierungswerte zum Schlaganfallrisiko bildet eine umfassende Metaanalyse (Hart et al. 2007) zu den Effekten der antithrombotischen Therapie zur Primärund Sekundärprävention des Schlaganfalls bei NVHF, welche 29 Einzelstudien mit insgesamt 28.044 Patienten einschloss. Demnach kann das Risiko nach einem Schlaganfall oder einer TIA einen (erneuten) Schlaganfall zu erleiden durch die Gabe von VKAs von 13 % p. a. auf 4,6 % p. a. gesenkt werden. Hierbei wurden ischämische und hämorrhagische Ereignisse sowie auch intracranielle Blutungen berücksichtigt. Die durch die Metaanalyse ermittelten Schlaganfallrisiken berücksichtigen somit auch das mit der Gabe von VKAs verbundene erhöhte Blutungsrisiko. Keine Behandlung mit OAK – Gruppengröße Nach den oben beschriebenen Auswertungen der DAK-Daten ist davon auszugehen, dass im vierten Quartal nach dem TIA-Erstereignis von allen Fällen, bei denen ein VHF diagnostiziert worden ist, 49,7 % keine OAK-Verordnung (mehr) erhalten. Bei der Ermittlung des Schlaganfallrisikos für die nicht mit OAK-Behandelten wird berücksichtigt, dass ein Teil der Fälle in dieser Gruppe mit TAH behandelt wird. Eine Behandlung des NVHF mit TAH bei einem CHA2-DS2-VASc-Score von 2 Punkten oder mehr entspricht nicht den aktuellen Leitlinien, ist aber dennoch mit einer – wenn auch im Vergleich mit einer OAK-Behandlung deutlich weniger ausgeprägten – Risikoreduktion verbunden. Auf der Grundlage der Studie von Wilke et al. (2012) wird für die Modellierung angenommen, dass 13,8 % der nicht mit OAK behandelten Fälle mit TAH behandelt werden (86,2 % werden nicht mit TAH behandelt). Keine Behandlung mit OAK – Gruppenrisiko Eine Behandlung des NVHF mit TAH im Rahmen der Sekundärprävention führt nach der Metaanalyse von Hart et al. (2007) zu einer Reduktion des Schlaganfallrisikos um 2,5 54 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Prozentpunkte auf 10,5 % p. a.15 Für die weder mit OAK noch mit TAH behandelten Fälle besteht nach Hart et al. (2007) ein Schlaganfallrisiko von 13 % p. a. Tabelle 16: Gruppe Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach TIA bei festgestelltem NVHF (19,8 % aller TIA-Erstereignisfälle) – Behandlung Anteilswerte Quelle (Q) und Anmerkung (A) Jährliche Schlaganfallrate Quelle (Q) und Anmerkung (A) TIA-Erstereignisfall mit festgestelltem NVHF oder NVHF und arterieller Hypertonie und mit OAK behandelbar Mit OAK behandelt 50,3 % Q: DAK-Daten A: Anteil im vierten Quartal nach Erstereignis 4,6 % Q: Hart et al. (2007) A: Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Sekundärprävention: 13 %; Absolute Risikoreduktion in der Sekundärprävention bei Behandlung mit VKAs: 8,4 PP Nicht mit OAK behandelt 49,7 % -mit TAH behandelt 13,8 % Q: Wilke et al. (2012) 10,5 % Q: Hart et al. (2007) A: Durchschnittliche Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Sekundärprävention: 13 %; Absolute Risikoreduktion in der Sekundärprävention bei Behandlung mit TAHs: 2,5 PP -nicht mit TAH behandelt 86,2 % 13 % Q: Hart et al. (2007) A: Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Sekundärprävention Quelle: IGES 15 Die Modellannahme einer absoluten Risikoreduktion von 2,5 % wurde gewählt, da die Aspirin vs. Placebo – Metaanalysen in Hart et al. (2007) einen deutlich höheren Anteil an Sekundärpräventionsstudien enthalten als die Antiplatelet vs. Placebo – Metaanalysen. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 55 3.2.4.2 Gruppe B: Fälle mit erstmaliger TIA und festgestellter arterieller Hypertonie (ohne VHF) Gesamtgruppengröße Für alle Krankenhausfälle der DAK-Versicherten mit einem TIA-Erstereignis im Jahr 2011 wurde untersucht, ob bei diesem Erstereignis selbst oder innerhalb des Jahres vor dem Erstereignis ambulant (gesichert) oder stationär nur die Diagnose arterielle Hypertonie (I10) (und nicht auch die Diagnose VHF) dokumentiert war. Der Anteil der Erstereignisfälle, die diese Kriterien erfüllten, belief sich auf 68,5 %. Medikamentöse Behandlung der arteriellen Hypertonie Gruppengröße Der Anteil der TIA-Erstereignisfälle mit festgestellter arterieller Hypertonie (und ohne 16 VHF) und einer Behandlung mit Antihypertensiva wurde unter Rückgriff auf DAKGesundheit-Daten ermittelt. In Abbildung 17 ist ausgewiesen, welcher Teil aller TIAErstereignisfälle des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant bzw. stationär oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose arterielle Hypertonie (ICD-10: I10) in den Folgequartalen I bis IV auch jeweils mindestens eine Verordnung von Antihypertensiva erhalten hat. Versicherte die innerhalb eines Jahres nach dem TIAErstereignis (Aufnahmedatum) verstorben sind oder die Krankenkasse gewechselt haben, wurden nicht berücksichtigt. Der Verordnungsanteil lag im ersten Quartal nach der TIA noch bei fast 90 % und verringerte sich im zweiten Quartal auf 81 %. Auf diesem Niveau blieb der Verordnungsanteil auch in den übrigen Quartalen stabil. Im vierten Quartal lag er bei 81,8 % (vgl. Abbildung 17). Abbildung 17: Anteil Fälle mit mindestens einer Verordnung von Antihypertensiva an allen TIA-Erstereignisfällen des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant bzw. stationär oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Arterielle Hypertonie (ICD-10: I10) in den Quartalen I bis IV nach Ereignis Anteil der TIA-Erstereignisfälle mit arterieller Hypertonie und mind. einer Antihypertensiva-Verordnung im jew. Quartal 100% 90% 88% 81% 81% Quartal 2 Quartal 3 82% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Quartal 1 Quartal 4 Quartal nach TIA-Erstereignis Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Die Ermittlung des Anteils der mit Antihypertensiva behandelten TIA-Fälle erfolgte auf Basis von DAK-Daten. Hierfür wurden die Versicherten/Behandlungsfälle mit arterieller Hypertonie ausgezählt, bei denen mindestens eine Antihypertensiva-Verordnung im vier- 16 Eine Liste der hierfür verwendeten Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation findet sich im Anhang. 56 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 ten Quartal nach einem TIA-Erstereignis vorlag. Der auf diese Weise ermittelte Anteilswert beträgt 81,8 %. Gruppenrisiko Für die Bestimmung der Effekte der antihypertensiven Behandlung auf die Schlaganfallrisiken wurden im Wesentlichen die Ergebnisse der „PROGRESS“-Studie (PROGRESS Collaborative Group 2001) herangezogen. Bei PROGRESS handelt es sich um eine der größten Studien (n = 6.105) zur antihypertensiven Behandlung in der Sekundärprävention nach einem Schlaganfall und einer TIA, welche die Ergebnisse für alle Schlaganfallarten, also auch für den ischämischen Insult differenziert ausweist. Auf der Grundlage der PROGRESS-Studie wird im Modell von einer relativen Risikoreduktion von 24 % (95 % CI: 10-35) durch antihypertensive Behandlung auf ein 1-JahresRisiko für den ischämischen Insult von 2,09 % ausgegangen (1-Jahres-Risiko bei Nichtbehandlung: 2,71 %). Diese Annahme entspricht im Wesentlichen den globalen Aussagen zur erreichbaren Risikoreduktion durch antihypertensive Medikation in einschlägigen Leitlinien (vgl. (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012, DSG [Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft] und DGN [Deutsche Gesellschaft für Neurologie] 2012, Furie et al. 2011, Kernan et al. 2014) sowie den Ergebnissen aktueller Metaanalysen (vgl. z. B. (Lakhan und Sapko 2009, Lawes et al. 2004, Rashid et al. 2003)). Tabelle 17: Gruppe TIAErstereignisfall mit festgestellter arterieller Hypertonie und ohne NVHF Mit Antihypertensiva behandelt Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach einer TIA bei festgestellter arterieller Hypertonie ohne NVHF (68,5 % aller TIA-Erstereignisfälle) – Behandlung Anteilswerte 68,5 % 81,8 % % Quelle (Q) und Anmerkung (A) Jährliche Schlaganfallrate Quelle (Q) und Anmerkung (A) Q: DAK-Daten Q: DAK-Daten A: Anteil im vierten Quartals nach Erstereignis 2,09 % für ischämischen Schlaganfall Q: PROGRESS Collaborative Group (2001) A: 1-Jahres-Risiken wurden aus den in der Quelle berichteten 4Jahres-Risiken (behandelt: 8,1 %, unbehandelt: 10,4 %) abgeleitet (zur Methode vgl. Anhang) Nicht mit Antihypertensiva behandelt Quelle: IGES 18,2 % 2,71 % für ischämischen Schlaganfall 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 57 3.2.4.3 Gruppe C: Fälle mit erstmaliger TIA und ohne festgestelltes NVHF und ohne arterielle Hypertonie Gesamtgruppengröße Für alle Krankenhausfälle der DAK-Versicherten mit einem TIA-Erstereignis im Jahr 2011 wurde untersucht, ob bei diesem Erstereignis selbst oder innerhalb des Jahres vor dem Erstereignis ambulant (gesichert) oder stationär eine Diagnose Vorhofflimmern (ICD-10: I48.1) oder arterielle Hypertonie (I10) dokumentiert war. Der Anteil der Erstereignisfälle, bei denen weder das Vorhofflimmern noch die arterielle Hypertonie dokumentiert war, belief sich auf 11,7 %. Medikamentöse Behandlung bei nicht festgestelltem Vorhofflimmern und nicht festgestellter arterieller Hypertonie Gruppengröße Für die medikamentöse Sekundärprävention nach einem nichtkardioembolischen ischämischen Schlaganfall oder einer TIA wird als Basismaßnahme die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) empfohlen. Diese Empfehlung gilt unabhängig vom Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen weiterer Risikofaktoren, mit Ausnahme des VHF. Für eine zuverlässige Ermittlung der TAH-Medikationsquote eignen sich GKV-Verordnungsdaten nur bedingt, da der mit Abstand am meisten verbreitete TAH – Acetylsalicylsäure – nicht verschreibungspflichtig ist und von einem hohen Selbstzahleranteil bei dieser Medikamentengruppe auszugehen ist. Daher wurde auf die Ergebnisse einer deutschen Follow-Up-Erhebung zur Lebens- und Versorgungssituation von Schlaganfallpatienten zurückgegriffen. Demnach nahmen nach 3,5 Monaten noch 85,4 % der Patienten, für die bei Entlassung aus dem Akutkrankenhaus TAHs empfohlen wurden, ein entsprechendes Präparat ein (Schneider et al. 2009). Gruppenrisiko Für die Risikoabschätzung wurde auf die Ergebnisse der 287 Studien mit insgesamt 135.000 Patienten umfassenden Metaanalyse der „Antithrombotic Trialists' Collaboration“ (Antithrombotic Trialists' Collaboration 2002) zu den sekundärpräventiven Effekten einer TAH-Therapie zurückgegriffen. Die Metaanalyse berichtet eine Reduktion des 3-JahresRisikos von 10,8 % auf 8,3 % für einen nicht tödlichen Schlaganfall durch TAH-Gabe. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wird für die Modellierung von einer 1-JahresRisikoreduktion von 3,02 % auf 2,32 % ausgegangen (zur Methode vgl. Anhang). 58 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 18: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach TIA bei nicht festgestelltem NVHF und nicht festgestellter arterieller Hypertonie (11,7 % aller TIA-Erstereignisfälle) – Behandlung Gruppe Anteilswerte Quelle (Q) und Anmerkung (A) TIAErstereignisfall ohne festgestelltes NVHF und ohne arterieller Hypertonie 11,7 % Q: DAK-Daten 85 % % Q: Schneider et al. (2009) Mit TAH behandelt 3 Jährliche Schlaganfallrate Quelle (Q) und Anmerkung (A) 2,32 % Q: Antithrombotic Trialists' Collaboration (2002) A: 1-Jahres-Risiken wurden aus den in der Quelle berichteten 3Jahres-Risiken (behandelt: 8,3 %, unbehandelt: 10,8 %) abgeleitet (zur Methode vgl. Anhang) Nicht mit TAH behandelt 15 % 3,02 % Quelle: IGES 3.2.5 Mögliche Ansätze zur Optimierung der medikamentösen Sekundärprävention nach TIA Gruppe A: Fälle mit erstmaliger TIA und festgestelltem NVHF oder festgestelltem NVHF und arterieller Hypertonie – Erhöhung der indikationsgerechten Behandlungsrate Eine Möglichkeit zur Erhöhung der indikationsgerechten Behandlungsraten bei VHF besteht darin, den behandelnden Ärzten auf der Grundlage von Diagnose- und Verordnungsdaten eine Rückmeldung zu geben, wenn bei einem behandlungsbedürftigen VHF keine antithrombotische Behandlung erfolgt. Darüber hinaus liegen Hinweise vor, dass strukturierte Patientenschulungen und Selbstmanagementprogramme in der oralen Antikoagulation durch eine verbesserte Therapieadhärenz und -compliance eine Reduktion thrombembolischer Ereignisse bewirken können. Etwa die Hälfte der Patienten mit Indikation für eine orale Antikoagulation werden als grundsätzlich für derartige Programme geeignet eingeschätzt (Garcia-Alamino et al. 2010, Siebenhofer et al. 2014). Gruppe B: Fälle mit erstmaliger TIA und festgestellter arterieller Hypertonie (ohne VHF) – Erhöhung der indikationsgerechten Behandlungsrate Auch im Bereich der antihypertensiven Therapie können Möglichkeiten genutzt werden, den behandelnden Ärzten auf der Grundlage von Diagnose- und Verordnungsdaten eine Rückmeldung zu geben, wenn bei Vorliegen einer arteriellen Hypertonie keine entsprechende medikamentöse Behandlung erfolgt. Gruppe C: Fälle mit erstmaliger TIA und ohne festgestelltes NVHF und ohne arterielle Hypertonie – Sicherung der TAH-Medikationsquote 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 59 Gezielte, fallbezogene Rückmeldungen an die behandelnden Ärzte sind nicht möglich, da im Gegensatz zu OAKs und Antihypertensiva aus GKV-Verordnungsdaten zur TAHMedikation keine zuverlässigen Informationen gewonnen werden können. Möglichkeiten zur Steigerung bzw. zur langfristigen Sicherung der TAH-Medikationsquote liegen daher eher in regelmäßigen Aufklärungsaktivitäten zur Sekundärprävention bei Ärzten und Patienten. 3.2.6 Ergebnisse der Modellierung Nachfolgend wird in drei Abschnitte unterteilt dargestellt, wie viele erstmalige Hirninfarkte (und DALY) dem NVHF und der arteriellen Hypertonie zurechenbar sind, wenn x x x der Status quo der medikamentösen Sekundärprävention nach erstmaliger TIA modelliert wird (Modellansatz: „IST-Versorgung“), die IST-Versorgung mit einem fiktiven Ansatz verglichen wird, bei dem unterstellt wird, dass keinerlei medikamentöse Sekundärprävention des VHF oder der arteriellen Hypertonie nach erstmaliger TIA erfolgt (Modellansatz: Fiktives „NullSzenario“), eine gegenüber dem Status quo optimierte medikamentöse Sekundärprävention des NVHF oder der arteriellen Hypertonie nach erstmaliger TIA modelliert wird (Modellansatz: „Optimierungs-Szenario“) 3.2.6.1 Modellergebnisse der „IST-Versorgung“ Die Gesamtzahl der Menschen mit einer erstmaligen TIA und einer nachfolgenden vollstationären Behandlung wird auf Grundlage der Daten der DAK-Gesundheit auf etwa 83.500 geschätzt. Bei den Versicherten der DAK-Gesundheit sind es ca. 7.000 erstmalige TIAs pro Jahr. Nach den Versorgungsdaten der DAK-Gesundheit erhalten im vierten Quartal nach der Krankenhausbehandlung wegen der erstmaligen TIA x x von den Patienten mit einer Diagnose Vorhofflimmern nur noch ca. 50 % mindestens eine OAK-Verordnung, von den Patienten mit einer Diagnose arterielle Hypertonie nur noch ca. 82 % mindestens eine Verordnung von Antihypertensiva. Nach Studien ist davon auszugehen, dass von den übrigen Patienten ohne VHF und/oder arterielle Hypertonie nur 85 % eine TAH-Verordnung erhalten. Die Ergebnisse dieser Analysen bestätigen die von Ärzten berichte Wahrnehmung, dass die medikamentöse Sekundärprävention nach einer TIA im Laufe der Zeit lückenhafter wird. Insbesondere bei den Patienten mit einem Vorhofflimmern zeigen die Auswertungen der Versorgungsdaten der DAK-Gesundheit einen markanten Rückgang der Medikationsrate. Von den jährlich etwa 83.500 Fällen mit einer erstmaligen TIA erleiden nach unseren Modellannahmen x x x etwa 1.400 Patienten innerhalb eines Jahres einen Schlaganfall, der dem Risikofaktor Vorhofflimmern zuzuordnen ist, etwa 1.300 Patienten innerhalb eines Jahres einen Hirninfarkt, der dem Risikofaktor arterielle Hypertonie zuzuordnen ist und etwa 200 Patienten aus dem Kollektiv ohne Vorhofflimmern und/oder arterieller Hypertonie einen Hirninfarkt. Damit kommt es nach der Modellierung des DAK-Versorgungreports bei 3,5 % aller Patienten mit einer erstmaligen TIA innerhalb eines Jahres zu einem Schlaganfallereignis. Von den ca. 7.000 DAK-Versicherten mit einer erstmaligen TIA im Jahr 2011 erlitten nach den Routinedaten innerhalb eines Jahres nach diesem Ereignis 170 Versicherte einen 60 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Hirninfarkt und 20 eine Hirnblutung (Anteil 2,8 %). Dieser Anteil liegt nahe beim modellierten Wert. Die Modellierung der Patientengruppe(n) mit einem NVHF erfolgt auf der Grundlage der jährlichen Risiken für ein Auftreten aller Schlaganfallarten und nicht nur der Hirninfarkte. Dies ist erforderlich, weil die Behandlung mit OAK zu einer geringfügigen Erhöhung des Risikos für das Auftreten einer Hirnblutung führt. Die gravierendste Nebenwirkung einer vermehrten Behandlung mit OAK ist also bei der Abschätzung der Effekte der Versorgungsoptimierung mit berücksichtigt. Die Abbildung 18 illustriert den Modellaufbau und die Anzahl von erstmaligen Hirninfarkten bzw. Schlaganfällen nach der erstmaligen TIA in den einzelnen definierten Modellpopulationen. Abbildung 18: Modellansatz „IST-Versorgung“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaliger TIA (n=2.940) Menschen mit erster TIA 83 Tsd Davon mit behandelbarem NVHF Mit OAK Davon mit VHF behandelt: 50 % 15 Tsd Übrige mit TAH behandelt: 14 % Davon mit nicht behandelbarem NVHF 57 Tsd Übrige 10 Tsd Anmerkung: ~ 1.260 Schlaganfälle Risiko Schlaganfall: 13,0 % ~ 180 Schlaganfälle 1 Tsd Davon mit Bluthochdruck Risiko Schlaganfall - mit OAK behandelt: 4,6 % - mit TAH behandelt: 10,5 % - nicht behandelt: 13,0 %: Davon mit Mit Anti-Hypert. Bluthochdruck behandelt: 82 % Mit TAH Übrige behandelt: 85 % Risiko Hirninfarkt - mit Anti-Hypert. behandelt: 2,09 % - nicht mit Anti-Hypert. behandelt: 2,71 % ~ 1.260 Hirninfarkte Risiko Hirninfarkt - mit TAH behandelt: 2,32 % - nicht mit TAH behandelt: 3,02 % ~ 240 Hirninfarkte Die Abweichung zwischen der Anzahl von Menschen mit erstem Hirninfarkt und der Anzahl in den einzelnen Gruppen ergibt sich aus der Nicht-Berücksichtigung der Fälle mit valvulärem VHF (vgl. Kapitel 3.2.4.1). Quelle: IGES 3.2.6.2 Modellergebnisse des Fiktiven „Null-Szenarios“ In dem fiktiven „Null-Szenario“ wird geschätzt, wie viele erstmalige Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle ohne sekundärpräventive Behandlung nach erstmaliger TIA mit OAK, Antihypertensiva und TAH auftreten würden. Für die Modellsimulation werden die Gruppengrößen in den Pfaden, in denen der Anteil der medikamentös behandelten Patienten beschrieben ist, auf „Null“ gesetzt. Allen Patienten wird in der Modellierung das jeweils gruppenspezifisch höhere 1-JahresSchlaganfall-Risiko zugeordnet. Im Ergebnis wären ohne eine medikamentöse Sekundärprävention nach erstmaliger TIA im ersten Jahr nach diesem Ereignis ca. 990 zusätzliche erstmalige Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle (7.200 DALY) zu erwarten. Im Abgleich mit dem IST-Szenario ergibt sich für die aktuell bestehende Sekundärprävention nach erster TIA folgende Wirksamkeit: x In Deutschland werden pro Jahr etwa 990 erstmalige Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle und 7.240 DALYs verhindert. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung x 61 Für die DAK-Gesundheit werden (auf Basis des Versichertenkollektives 2011) jährlich 80 erstmalige Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle und 550 DALYs verhindert. Die Abbildung 19 illustriert den Modellaufbau und die Anzahl erstmaliger Hirninfarkte in den einzelnen definierten Modellpopulationen. Abbildung 19: Modellansatz Fiktives „Null-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaliger TIA (n=3.924) Menschen mit erster TIA 83 Tsd Davon mit behandelbarem NVHF Mit OAK Davon mit VHF behandelt: 50 % -> 0% 15 Tsd Übrige mit TAH behandelt: 14 % -> 0% Davon mit nicht behandelbarem NVHF 57 Tsd Übrige 10 Tsd Anmerkung: ~1.900 Schlaganfälle Risiko Schlaganfall: 13,0 % ~180 Schlaganfälle 1 Tsd Davon mit Bluthochdruck Risiko Schlaganfall - mit OAK behandelt: 4,6 % - mit TAH behandelt: 10,5 % - nicht behandelt: 13,0 %: Davon mit Mit Anti-Hypert. Bluthochdruck behandelt: 82 % -> 0% Mit TAH Übrige behandelt: 85 % -> 0% Risiko Hirninfarkt - mit Anti-Hypert. behandelt: 2,09 % - nicht mit Anti-Hypert. behandelt: 2,71 % ~ 1.550 Hirninfarkte Risiko Hirninfarkt - mit TAH behandelt: 2,32 % - nicht mit TAH behandelt: 3,02 % ~ 300 Hirninfarkte Die Abweichung zwischen der Anzahl von Menschen mit erstem Hirninfarkt und der Anzahl in den einzelnen Gruppen ergibt sich aus der Nicht-Berücksichtigung der Fälle mit valvulärem VHF (vgl. Kapitel 3.2.4.1). Quelle: IGES 3.2.6.3 Modellergebnisse des „Optimierungs-Szenarios“ In dem Optimierungs-Szenario wird modelliert, wie viele erstmalige Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle vermieden werden könnten, wenn die Sekundärprävention nach erstmaliger TIA bei NVHF, bei arterieller Hypertonie und in der Patientengruppe ohne diese beiden Risikofaktoren durch TAH-Gabe weiter verbessert wird. In Abschnitt 3.2.5 sind mögliche Ansätze für Optimierungen skizziert worden. Für das Optimierungs-Szenario wurden in Abstimmung mit dem externen Begleitgremium und den Experten der DAK-Gesundheit folgende Ziele für die Patienten mit erstmaliger TIA formuliert: x Die Behandlungsrate bei den für eine Behandlung mit OAK geeigneten Patienten steigt von heute 50 % auf 85 %. x Die Behandlungsrate bei den für eine Behandlung mit OAK geeigneten Patienten, aber nicht mit OAK behandelten Patienten mit TAH steigt von heute 14 % auf 95 %. x Die Behandlungsrate mit Anti-Hypertensiva bei den Patienten mit einer arteriellen Hypertonie und ohne nicht-valvuläres Vorhofflimmern steigt von heute 82 % auf 95 %. x Die Behandlungsrate mit TAH bei den (übrigen) Patienten ohne nicht-valvuläres Vorhofflimmern und ohne arterielle Hypertonie steigt von heute 85 % auf 95 %. Im Ergebnis würden pro Jahr „nur noch“ ca. 2.430 erstmalig Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle nach erstmaliger TIA pro Jahr auftreten. 62 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Eine Verbesserung der medikamentösen Sekundärprävention nach erstmaliger TIA in der vorgeschlagenen Größenordnung hätte – im Vergleich zum Ist-Szenario – folgende Wirksamkeit: x In Deutschland könnten pro Jahr zusätzlich etwa 510 Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle und 3.700 DALYs verhindert werden. x Bezogen auf die DAK-Gesundheit (auf Basis des Versichertenkollektives 2011) sind es 40 Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle und 280 DALYs. Abbildung 20 illustriert den Modellaufbau und die Anzahl erstmaliger Hirninfarkte in den einzelnen definierten Modellpopulationen. Abbildung 20: Modellansatz „Optimierungs-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaliger TIA (n=2.425) Menschen mit erster TIA 83 Tsd Davon mit behandelbarem NVHF Mit OAK Davon mit VHF behandelt: 50 % -> 85% 15 Tsd Übrige mit TAH behandelt: 14 % -> 95% Davon mit nicht behandelbarem NVHF 57 Tsd ~ 805 Schlaganfälle (-450 geg. IST-Versorgung) Risiko Schlaganfall: 13,0 % ~ 180 Schlaganfälle 1 Tsd Davon mit Bluthochdruck Risiko Schlaganfall - mit OAK behandelt: 4,6 % - mit TAH behandelt: 10,5 % - nicht behandelt: 13,0 %: Davon mit Mit Anti-Hypert. Bluthochdruck behandelt: 82 % -> 95% Risiko Hirninfarkt - mit Anti-Hypert. behandelt: 2,09 % - nicht mit Anti-Hypert. behandelt: 2,71 % ~ 1.210 Hirninfarkte (-50 geg. IST-Versorgung) Übrige 10 Tsd Mit TAH Übrige behandelt: 85 % -> 95% Risiko Hirninfarkt - mit TAH behandelt: 2,32 % - nicht mit TAH behandelt: 3,02 % ~ 230 Hirninfarkte (-10 geg. IST-Versorgung) Anmerkung: Die Abweichung zwischen der Anzahl von Menschen mit erstem Hirninfarkt und der Anzahl in den einzelnen Gruppen ergibt sich aus der Nicht-Berücksichtigung der Fälle mit valvulärem VHF (vgl. Kapitel 3.2.4.1). Quelle: IGES 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3.3 Akutstationäre Versorgung/Thrombolyse-Behandlung 3.3.1 Zusammenfassung 63 Die speziell auf die interdisziplinäre Behandlung von Schlaganfallpatienten ausgerichteten akutstationären Versorgungsstrukturen sind in den letzten Jahrzehnten nahezu flächendeckend ausgebaut worden und die adäquate Versorgung in dünner besiedelten Regionen wird zunehmend mittels telemedizinischer Lösungen abgesichert. Problematisch ist nach wie vor, dass ein erheblicher Teil der Schlaganfallpatienten den Rettungsdienst erst zu spät nach dem Auftreten der Schlaganfallsymptome aktiviert oder zunächst einen Vertragsarzt aufsucht oder sich selbst in ein Krankenhaus einweist. Entsprechend werden bislang nur etwa 40 % aller Hirninfarktpatienten innerhalb von 3,5 Stunden nach Symptomeintritt in ein Krankenhaus aufgenommen. Innerhalb dieses Zeitfensters, setzt man zusätzlich maximal eine Stunde für die klinischen Untersuchungen und Bildgebung an, kann entschieden werden, ob die intravenöse Thrombolyse mit rtPA („recombinant tissue plasminogen activator") eine therapeutische Option darstellt, die zu einem günstigeren klinischen Verlauf führen kann. Nach den Ergebnissen der Modellierung für den DAK-Versorgungsreport werden durch den Einsatz der intravenösen Thrombolyse für einen Teil der erstmaligen Hirninfarktpatienten in Deutschland aktuell etwa 7.200 DALY pro Jahr vermieden (vgl. Abschnitt 3.3.5.2). Unter der Annahme einer deutlichen Steigerung des Anteils der innerhalb von 3,5 Stunden nach Symptomeintritt in ein Krankenhaus aufgenommen Hirninfarktpatienten von bislang 40 % auf 56 %, könnte – selbst bei bei einer unveränderten Thrombolyse-Rate in diesem Fallkollektiv – nach der Modellierung eine weitere Verringerung der Krankheitslast um etwa 3.000 DALY pro Jahr erreicht werden (vgl. Abschnitt 3.3.5.5). 3.3.2 Einleitung Der Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall. Eine nach dem Auftreten eines Schlaganfalles möglichst schnell einsetzende und adäquate Akuttherapie ist für das Überleben der Betroffenen und die Minimierung von Folgeschäden des Schlaganfallereignisses von entscheidender Bedeutung. Einem Hirninfarkt liegt ein Verschluss oder eine Verengung eines arteriellen Blutgefäßes z. B. durch einen Thrombus zugrunde. Hierdurch kommt es zunächst zu einem Verlust der Funktion und, bei anhaltend fehlender Blut- und Sauerstoffversorgung zum Absterben von Hirngewebe. Aus diesem Grund ist eine schnelle Intervention von zentraler Bedeutung („time is brain“). Entscheidend ist die rasche Krankenhauseinlieferung durch den Rettungsdienst, die wiederum das frühzeitige Erkennen von Schlaganfallsymptomen und das Absetzen eines Notrufes voraussetzt. Neben dem schnellen Transport ist auch die Infrastruktur der Klinik für eine optimale Versorgung des Hirninfarktes von Bedeutung. Leitliniengemäß sollten die Patienten möglichst auf einer Schlaganfallstation, einer sogenannten Stroke Unit, behandelt werden, da diese auf die interdisziplinäre Behandlung von Schlaganfällen spezialisiert ist. Nach der Aufnahme sollten neben der klinischen Untersuchung umgehend Schichtaufnahmen des Gehirns mittels der Computertomographie (CT) oder der Kernspintomographie (MRT) erstellt werden. Mithilfe dieser Bildgebung lässt sich die Blutversorgung der Hirngefäße darstellen. Dies ermöglicht die Ursache des Schlaganfalls auszumachen, die Art des Schlaganfalls zu klassifizieren und spezifische therapeutische Verfahren anzuwenden (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012, Veltkamp et al. 2012). Im Rahmen der Akutbehandlung des Hirninfarktes steht neben Basismaßnahmen zur Stabilisierung von Blutdruck, Atmung, Herzfrequenz und Blutzucker und dem möglichst 64 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 frühen Beginn von rehabilitativen und sekundärpräventiven Maßnahmen mit der sog. rekanalisierenden Therapie ein kausal-spezifischer Behandlungsansatz zur Verfügung, der durch die Auflösung („Lyse“) des Thrombus die Durchblutungsstörung des betroffenen Hirnareals beseitigen soll. Die intravenösen Thrombolyse (Thrombolyse i. v.) mit rtPA („recombinant tissue plasminogen activator") stellt das derzeit etablierteste und hinsichtlich seiner Wirksamkeit am besten belegte rekanalisierende Therapieverfahren im Rahmen der Akutbehandlung des Hirninfarktes dar. Die aktuelle „Leitlinie Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie empfiehlt den Einsatz der intravenösen Thrombolyse mit rtPA innerhalb eines Zeitfensters bis zu 4,5 Stunden nach Symptombeginn. Dieses Verfahren führe zu einem signifikant günstigeren klinischen Verlauf nach einem Hirninfarkt (Veltkamp et al. 2012). Die Chance für ein günstiges klinisches Ergebnis ist dabei umso größer, je früher nach Symptombeginn mit der Thrombolysetherapie begonnen wird. Leitliniengemäß sollte bei Patienten mit einem sehr ausgeprägten Hirninfarkt (NIHSS >25) auf die intravenöse Thrombolyse verzichtet werden. Auch in Fällen von sehr leichten Funktionseinschränkungen (NIHSS <6) ist der Nutzen der Thrombolysetherapie nicht belegt. Des Weiteren sollten auch Patienten mit nicht-kontrollierbarer Hypertonie nicht lysiert werden. Im Hinblick auf die Versorgungsabschnitte „Prästationäre“ bzw. „Akutstationäre Versorgung“ (vgl. Abbildung 1) wird folgendes Versorgungsproblem thematisiert: Ein erheblicher Teil der Hirninfarkt-Patienten erreicht erst ein Krankenhaus, wenn das Zeitfenster für die Durchführung einer Rekanalisationstherapie (Thrombolyse) bereits geschlossen ist. Der Anteil der Patienten, die frühzeitig nach Auftreten der Schlaganfallsymptome in ein (geeignetes) Krankenhaus kommen, sollte daher erhöht werden. Damit könnten mehr Patienten von der schnelleren Einleitung von Allgemeinmaßnahmen und insbesondere von der Thrombolyse als Therapieoption profitieren („time is brain“). Im Folgenden werden zunächst deskriptive Ergebnisse aus der Analyse von Daten der Externen Qualitätssicherung Hessen dargestellt, die von der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen freundlicherweise als Sonderauswertung für diesen DAKVersorgungsreport zur Verfügung gestellt worden sind. Die anschließenden Modellierungen bauen auf diesen Analyseergebnissen auf. 3.3.3 Deskriptive Ergebnisse zur Thrombolyse-Behandlung Für den DAK-Versorgungsreport wurden von der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen Sonderauswertungen der Jahresberichte „Hirninfarkt – Akutstationäre Versorgung“ für die Hirninfarktpatienten des Jahres 2012 nach drei Fallgruppen stratifiziert zur Verfügung gestellt: Fallgruppe A: Hirninfarktfälle, die innerhalb eines Zeitfensters von 3,5 Stunden ab dem Auftreten der Schlaganfallsymptome in ein Krankenhaus aufgenommen werden und eine intravenöse Thrombolysetherapie erhalten. Der Anteil dieser Fallgruppe an allen Hirninfarktfällen lag in Hessen im Jahr 2012 bei 12,4 %. Damit erhielten von allen Patienten, die innerhalb von maximal 3,5 Stunden nach Symptombeginn ein Krankenhaus erreichten 30,4 % eine intravenöse Thrombolysetherapie. Für das Land Baden-Württemberg errechneten (Gumbinger et al. 2014) für den Zeitraum 2008 bis 2012 eine durchschnittliche Lyserate von 12 %, das Berliner Schlaganfallregister weist in seinem Gesamtbericht 2012 für die Patienten mit einem Hirninfarkt einen Thrombolyseanteil von 13,2 % aus (Ärztekammer Berlin 2013). Somit ist der für die Modellierung verwendete Ausgangsanteil von 12,4 % lysierter Hirninfarktpatienten an allen Hirninfarktpatienten nicht nur spezifisch für die im Bundesland Hessen behandelte Population, sondern dürfte näherungsweise auch für 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 65 Deutschland insgesamt zutreffen. Der Effekt weiterer spezifischer Maßnahmen17 kann nicht gesondert abgegrenzt werden und bleibt der Fallgruppe entsprechend mit zugeordnet. Fallgruppe B: Hirninfarktfälle die innerhalb eines Zeitfensters von 3,5 Stunden ab dem Auftreten der Schlaganfallsymptome in ein Krankenhaus aufgenommen werden und keine intravenöse Thrombolysetherapie erhalten. Nach den Sonderauswertungen der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen lag der Anteil der akutstationär behandelten Hirninfarktfälle, die innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Auftreten der Symptome in ein Krankenhaus eingeliefert waren und keine intravenöse Thrombolysetherapie erhielten, an allen Hirninfarktfällen bei 27,9 %. Fallgruppe C: Hirninfarktfälle die nach 3,5 Stunden und bis zu maximal 7 Tage ab dem Auftreten der Schlaganfallsymptome in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Nach den Sonderauswertungen der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen lag der Anteil der akutstationär behandelten Hirninfarktfälle, die später als 3,5 Stunden nach dem Auftreten der Symptome in ein Krankenhaus eingeliefert wurden, an allen Hirninfarktfällen bei 59,8 %. Es wird davon ausgegangen, dass der zeitliche Unterschied zwischen Hirninfarktereignis und Aufnahme im Vergleich zu den ersten beiden Fallgruppen überwiegend nicht durch überdurchschnittlich lange Anfahrtswege zum Krankenhaus determiniert worden ist, sondern primär im Entscheidungsverhalten des Betroffenen und seiner Angehörigen/betreuenden Personen etc. begründet liegt. So liegt in Hessen der Anteil der Hirninfarktfälle dieser Fallgruppe, die mit dem Rettungsdienst in die Klinik eingeliefert wurden nur bei 56 %. Sowohl bei der Selbsteinweisung (15 %) als auch beim Umweg über den Vertragsarzt (20 %) geht für die Patienten dieser Fallgruppe wertvolle Zeit für eine frühzeitig einsetzende Krankenhausbehandlung verloren. Da das Zeitfenster, für welches die Effektivität einer intravenösen Thrombolysetherapie belegt ist, überschritten ist, stellt diese in der Regel bei den Patienten dieser Fallgruppe keine therapeutische Option mehr dar. Nach den Sonderauswertungen der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen erhielten auch nur 1,3 % der Patienten dieser Fallgruppe eine intravenöse Thrombolysetherapie, deren möglicher Effekt nicht gesondert abgegrenzt und modelliert werden kann. Von allen dokumentierten Hirninfarktfällen in Hessen im Jahr 2012 kamen somit 40,2 % innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt in die akutstationäre Versorgung (Fallgruppen A und B: n=5.301). Bei 30,7 % dieser Patienten wurde eine intravenöse Thrombolysetherapie durchgeführt. Bei dieser Behandlung ist laut Leitlinien für die Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls der Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Veltkamp et al. 2012) ein das Risiko übersteigender Nutzen bislang nur belegt, sofern zwischen dem Auftreten des Insults und der Einleitung der Behandlung nicht mehr als 4,5 Stunden vergangen sind. Trotz der frühen Einlieferung wurden in Hessen 69,3 % der innerhalb von 3,5 Stunden stationär aufgenommenen Hirninfarktfälle nicht mit einer Thrombolyse i. v. behandelt, was auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen sein kann (vgl. Abschnitt 3.3.1). Der theoretisch mögliche Grund, dass das aufnehmende Krankenhaus keine solchen Behandlungen durchführt, dürfte dabei nur eine untergeordnete Rolle spielen, denn 88 % aller Hirninfarkt-Patienten in Hessen gelangen in ein Krankenhaus, das Rekanalisationen durchführt. Etwa 60 % aller Hirninfarktpatienten wurden in Hessen später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt in ein Krankenhaus aufgenommen (Fallgruppe C: n=7.880), darunter zwei Drit- 17 Nach den Sonderauswertungen der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen erhielten 1 % der Fälle mit einer Thrombolyse i. v.-Therapie zusätzlich eine Thrombolyse i.a.-Therapie oder eine mechanische Rekanalisation. 66 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 tel innerhalb der ersten 24 Stunden und das übrige Drittel erst zwischen dem zweiten und dem 7. Tag nach Insult. Neben der Bewertung der Funktionszustände nach der modified Rankin-Scale zu den unterschiedlichen Betrachtungszeitpunkten (vor dem Hirninfarkt, bei Krankenhausaufnahme, bei Krankenhausentlassung) (vgl. Tabelle 19) liegen für jede der drei Fallgruppen u. a. die Alters- und Geschlechtsverteilung, die Häufigkeit verschiedener Risikofaktoren für das Auftreten von Schlaganfällen und Informationen über die Art der Einweisung vor, auf die nachfolgend kurz eingegangen wird (zu den Details vgl. den Anhang). Alters- und Geschlechtsstruktur Obgleich sich die drei Fallgruppen in ihrer Besetzung stark unterscheiden, sind die Geschlechter nahezu identisch verteilt. Der Anteil der männlichen Patienten liegt in allen Gruppen bei ca. 51 %. Auch die Altersstruktur weist nur geringe Unterschiede zwischen den drei Fallgruppen auf (Abbildung 21). Die Patienten, die innerhalb von 3,5 Stunden im Krankenhaus waren und keine Thrombolyse erhielten, sind im Vergleich zu den anderen beiden Patientengruppen etwas älter. Die derzeit für die Thrombolyse verfügbaren Medikamente sind für Patienten über 80 Jahre nicht zugelassen. Nach Einschätzung von Experten ist der Off-label Use bei über 80 Jährigen in der Praxis aber kein Problem. Abbildung 21: Altersverteilungen der drei betrachteten Krankenhausfallgruppen 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% <55 Jahre 55-64 Jahre 65-74 Jahre 75-84 Jahre 85-90 Jahre >90 Jahre Fallgruppe A (<= 3,5 Std. bis zur Krankenhausaufnahme und mit Thrombolyse i.v.-Therapie) Fallgruppe B (<= 3,5 Std. bis zur Krankenhausaufnahme und ohne Thrombolyse i.v.-Therapie) Fallgruppe C (> 3,5 Std. bis zur Krankenhausaufnahme) Quelle: GQH; Eigene Darstellung IGES Risikofaktoren Die potenziellen Risikofaktoren für das Auftreten eines Schlaganfalles waren in den drei Fallgruppen ähnlich häufig verteilt. In der Patientengruppe, die nach dem Hirninfarkt frühzeitig in ein Krankenhaus aufgenommen und eine intravenöse Thrombolysetherapie erhielt, lag der Anteil der Re-Insultpatienten („frühere Schlaganfälle“) niedriger (16 %) als in den anderen beiden Gruppen (23 % bzw. 21 %). Patienten, die später als 3,5 Stunden nach Hirninfarkt das Krankenhaus erreichten, hatten seltener ein Vorhofflimmern (23 %) als die Patienten der Gruppen, die ein Krankenhaus frühzeitig erreichten (je 30 %). Art der Krankenhauseinlieferung Die Patienten, die innerhalb von 3,5 Stunden nach Hirninfarkt in ein Krankenhaus aufgenommen wurden, sind zu 83 % mit dem Rettungsdienst (vgl. Abbildung 22) eingeliefert worden. Der Anteil der Selbsteinweisungen belief sich auf 7 %, der Anteil der Einweisungen durch einen Vertragsarzt nur auf 5 %. Hingegen erfolgte die Einlieferung der Patienten, die später als 3,5 Stunden nach dem Auftreten der Schlaganfallsymptome in ein Krankenhaus aufgenommen wurden, lediglich zu 56 % mit dem Rettungsdienst. Hier la- 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 67 gen der Anteil der Selbsteinweisungen bei 15 % und der Anteil der Einweisungen durch einen Vertragsarzt bei 20 %. Die Ergebnisse illustrieren eindrucksvoll, dass bei der Aufklärung der Bevölkerung über die Schlaganfallsymptome und die Notwendigkeit der unmittelbaren Anforderung des Rettungsdienstes weiterhin Handlungsbedarf besteht. Abbildung 22: Quelle: Arten der Klinikeinlieferung nach Hirninfarkt in den drei betrachteten Krankenhausfallgruppen GQH; Eigene Darstellung IGES mRS-Einstufungen vor dem Hirninfarkt, am 1. Tag nach Krankenhausaufnahme und bei Krankenhausentlassung Die Verteilung der mRS-Einstufung vor Auftreten des Hirninfarktes (vgl. Tabelle 19) zeigt, dass über 74 % aller Patienten vor diesem Ereignis nicht unter wesentlichen Funktionseinschränkungen (mRS 0 oder 1) litten. Der Anteil der vor dem Hirninfarkt symptomfreien Patienten war in der Fallgruppe A (innerhalb von 3,5 Stunden in ein Krankenhaus aufgenommen und lysiert) höher als in den anderen beiden Fallgruppen. Dies ist angesichts des in dieser Fallgruppe auch niedrigeren Anteils von Patienten mit früherem Schlaganfall plausibel. Am ersten Tag nach Aufnahme18 waren nur noch 5 % dieser Patienten symptomfrei. Für 50 % der Patienten der Fallgruppe A waren zu diesem Zeitpunkt mittelschwere (mRS 4) bis schwere (mRS 5) Funktionseinschränkungen dokumentiert. In den anderen beiden Fallgruppen, lag der Anteil der mittelschwer und schwer betroffenen Patienten am 1. Tag nach Aufnahme nur bei ca. 30 %. 18 Für den Zeitpunkt der mRS-Einstufung bei Aufnahme wird angenommen, dass diese Bewertung in der Regel unmittelbar nach der akutstationären Aufnahme und vor der intravenöse Thrombolyse vorgenommen wird und nicht erst zum Ende des nach den Dokumentationsvorgaben möglichen 24-Stunden-Zeitfensters. Da aber die NIH-Stroke Scale in jedem Fall vor Therapiebeginn erhoben werden muss, ist es plausibel, dass auch die mRS-Einstufung zu diesem frühen Zeitpunkt vorgenommen wird. 68 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Auch bei Entlassung aus der akutstationären Versorgung zeigen sich große Unterschiede der mRS-Einstufungen zwischen den drei Fallgruppen, insbesondere jedoch zwischen der Fallgruppe A und den beiden übrigen Fallgruppen ohne intravenöse Thrombolysetherapie. In der Gruppe der Patienten, die eine intravenöse Thrombolysetherapie erhielten, waren 30 % der Patienten symptomfrei oder hatten keine wesentlichen Funktionseinschränkungen (Gruppe B: 47 %, Gruppe C: 42 %). Der Anteil der während des stationären Aufenthalts verstorbenen Patienten lag in der Fallgruppe A mit 9 % deutlich über dem der anderen beiden Fallgruppen (6 % bzw. 4 %). Für die mRS-Einstufung der Patienten in Fallgruppe C (vgl. Tabelle 19) am 1. Tag nach Aufnahme ist davon auszugehen, dass sie im Vergleich zu den Patienten der beiden Fallgruppen A und B, deren Aufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt erfolgt, deutlich später erhoben wird. Die Daten der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen zeigen, dass drei Viertel der Patienten dieser Fallgruppen erst 6 Stunden bis 7 Tage nach dem Hirninfarkt in die Klinik eingeliefert wurden, allein ein Drittel der Fälle erst nach einem Tag oder später. Mithin wäre zu erwarten, dass auch die mRS-Bewertung hier am 1. Tag nach der Aufnahme zumindest teilweise anders ausgefallen sein dürfte, wenn sie zeitnäher am Hirninfarktereignis (wie in den Fallgruppen A und B) erhoben worden wäre. Aus diesem Grund dürfte eine Vergleichbarkeit der mRS-Verteilungen am 1. Tag nach Aufnahme zwischen der Gruppe der Patienten mit einer später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarktereignis erfolgten Aufnahme und den beiden anderen akutstationären Fallgruppen nicht uneingeschränkt gegeben sein. Für etwaige Korrekturen der mRSVerteilung fehlen jedoch die empirischen Grundlagen. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 19: 69 mRS-Einstufung Patienten in den Fallgruppen A bis C* vor dem Hirninfarktereignis, am 1. Tag nach Aufnahme und bei Entlassung Modified Rankin-Scale Einstufung Vor Insult Am 1. Tag nach Aufnahme Bei Entlassung / Verlegung Fallgruppe Fallgruppe Fallgruppe A B C A B C A B C 0 – Keine Symptome 69 % 57 % 60 % 5% 12 % 7% 14 % 24 % 18 % 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung trotz Symptomen (kann alle gewohnten Aufgaben und Aktivitäten verrichten) 14 % 17 % 15 % 9% 22 % 21 % 16 % 23 % 24 % 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung (unfähig alle früheren Aktivitäten zu verrichten, ist aber in der Lage, die eigenen Angelegenheiten ohne Hilfe zu erledigen) 7% 10 % 10 % 16 % 19 % 23 % 18 % 16 % 20 % 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung (bedarf einiger Unterstützung, ist aber in der Lage, ohne Hilfe zu gehen) 6% 9% 8% 19 % 16 % 19 % 14 % 12 % 15 % 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung (unfähig ohne Hilfe zu gehen, ohne Hilfe für die eigenen körperlichen Bedürfnisse zu sorgen) 3% 5% 5% 23 % 15 % 17 % 15 % 11 % 12 % 5 – Schwere Funktionseinschränkung (bettlägerig, inkontinent, bedarf ständiger Pflege und Aufmerksamkeit) 2% 2% 2% 27 % 16 % 13 % 12 % 8% 7% 0% 0% 0% 9% 6% 4% 6 – Tod Anmerkung: *Fallgruppe A: Hirninfarktfälle die innerhalb eines Zeitfensters von 3,5 Stunden ab dem Auftreten der Schlaganfallsymptome in ein Krankenhaus aufgenommen werden und eine intravenöse Thrombolysetherapie erhalten, Fallgruppe B: Hirninfarktfälle die innerhalb eines Zeitfensters von 3,5 Stunden ab dem Auftreten der Schlaganfallsymptome in ein Krankenhaus aufgenommen werden und keine intravenöse Thrombolysetherapie erhalten, Fallgruppe C: Hirninfarktfälle die nach 3,5 Stunden und bis zu maximal 7 Tage ab dem Auftreten der Schlaganfallsymptome in ein Krankenhaus aufgenommen werden Quelle: GQH; Eigene Darstellung IGES Zusammenfassend lässt sich somit konstatieren, dass in der Patientengruppe mit einer intravenösen Thrombolysetherapie einerseits der Anteil von Patienten mit Re-Insulten ge- 70 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 ringer ist und dementsprechend auch das Ausmaß der Behinderung vor Eintritt des Index-Ereignisses. Zum anderen zeigen die Daten jedoch auch, dass diese Teilgruppe – insbesondere im Vergleich zu den ebenfalls innerhalb von 3,5 Stunden aufgenommenen Patienten ohne Thrombolysebehandlung – schwerer betroffen ist, ablesbar an der höheren Mortalität und dem größeren Ausmaß von Behinderung (höhere mRS-Werte) bei Aufnahme sowie bei Entlassung aus dem Krankenhaus. Anteil der innerhalb von 3,5 Stunden ins Krankenhaus aufgenommenen Patienten der eine intravenöse Thrombolysetherapie erhält Die Sonderauswertungen der Geschäftsstelle Qualitätssicherung ermöglichen es, nach mRS-Klassen darzustellen, welcher Anteil aller Fälle, die innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarktereignis in ein Krankenhaus aufgenommen wurden, eine intravenöse Thrombolysetherapie erhalten hat. Dieser Anteil ist umso höher, je stärker die Funktionseinschränkungen ausgeprägt sind. Bei den am Tag der Aufnahme in die mRS-Klasse 2 eingestuften Fällen lag der Anteil der lysierten Fälle bei 27,4 %, bei den in in mRS-Klasse 5 eingestuften Fällen lag er bei 43,1 % (vgl. Tabelle 20). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 20: 71 Fallanteil mit intravenöser Thrombolysetherapie an allen Fällen mit Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Schlaganfallereignis, mRS-Einstufung am 1. Tag nach Aufnahme Modified Rankin-Scale -Einstufung mRS-Einstufung am 1. Tag nach Aufnahme Fallgruppe A B Anteil Lysefähige Patienten 0 – Keine Symptome 79 430 15,5 % 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung trotz Symptomen (kann alle gewohnten Aufgaben und Aktivitäten verrichten) 148 808 15,5 % 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung (unfähig alle früheren Aktivitäten zu verrichten, ist aber in der Lage, die eigenen Angelegenheiten ohne Hilfe zu erledigen) 267 707 27,4 % 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung (bedarf einiger Unterstützung, ist aber in der Lage, ohne Hilfe zu gehen) 313 578 35,1 % 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung (unfähig ohne Hilfe zu gehen, ohne Hilfe für die eigenen körperlichen Bedürfnisse zu sorgen) 370 543 40,5 % 5 – Schwere Funktionseinschränkung (bettlägerig, inkontinent, bedarf ständiger Pflege und Aufmerksamkeit) 446 590 43,1 % 6 – Tod 6 16 Gesamt 1.629 3.672 Quelle: 30,7 % GQH; Eigene Darstellung IGES Die in Tabelle 20 ausgewiesenen Anteilswerte der Patienten mit Lyse-Behandlung werden für die Modellierungen als Schätzer des Anteils der für eine intravenöse Thrombolysetherapie geeigneten Patienten verwendet (vgl. unten). 3.3.4 Modellaufbau Zielstellung dieses Teils des DAK-Versorgungsreports ist es, zu beschreiben, welcher Effekt – i. S. einer Verringerung der DALY-Last – sich aus der Erhöhung des Anteils jener Hirninfarktpatienten ergeben würde, die innerhalb von maximal 3,5 Stunden nach den ersten Schlaganfallsymptomen in ein Krankenhaus aufgenommen werden, so dass die Möglichkeit besteht, die Eignung für eine intravenöse Thrombolysetherapie zu prüfen. Unter der Annahme, dass ein annähernd gleicher Anteil dieser zusätzlich innerhalb des Lyse-Zeitfensters aufgenommenen Patienten tatsächlich eine Thrombolysebehandlung erhält, wie aktuell bereits bei den rechtzeitig stationär aufgenommen Patienten beobachtet, würde somit eine entsprechende Erhöhung des Anteils der Hirninfarktpatienten resultieren, die von den nachweislich positiven Effekten dieser Behandlung profitieren. Im Mittelpunkt des Modellierungsansatzes stehen die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Effektivität der intravenösen Thrombolysetherapie. Deren Wirksamkeit 72 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 wurde in mehreren randomisierten und kontrollierten Studien (RCTs) gezeigt (Hacke et al. 2008). Eine gepoolte Re-Analyse der Daten mehrerer RCTs hat die ausgeprägte Abhängigkeit des Effekts der intravenösen Thrombolysetherapie vom Zeitintervall zwischen Symptombeginn und Therapiebeginn bestätigt. Demnach erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für ein günstiges Ergebnis (mRS-Wert 0 oder 1 zum Zeitpunkt 3 Monate nach Schlaganfall) um den Faktor 2,55 (Odds Ratio), wenn innerhalb von 90 Minuten nach Eintritt des Schlaganfalls eine intravenöse Thrombolysetherapie durchgeführt wird. Je später die Behandlung erfolgt, umso stärker reduziert sich der Effekt, jenseits von 270 Minuten war kein signifikanter Vorteil der Thrombolysebehandlung mehr nachweisbar (Lees et al. 2010). Eine kürzlich publizierte Studie auf Basis von Daten der Baden-Württembergischen externen Qualitätssicherung der Krankenhäuser (Gumbinger et al. 2014) hat das Ziel verfolgt, zu prüfen, ob sich die in den oben genannten klinischen Studien gewonnenen Ergebnisse zur Effektivität der intravenöse Thrombolysetherapie auch unter den „Alltagsbedingungen“ der medizinischen Versorgung (in Deutschland) bestätigen lassen. Die Studie – die mit strukturell dem gleichen Datenmaterial gearbeitet hat, wie die im Rahmen dieses DAK-Versorgungsreports mehrfach genutzten Daten der hessischen Externen Qualitätssicherung – hat die Ergebnisse der RCTs bestätigt und folgende annähernd gleichen Effekte – allerdings für den Zeitpunkt der Krankenhausentlassung und nicht 3 Monate nach Schlaganfall – ermittelt: Die Chance auf einen mRS-Wert von 0/1 bei Entlassung aus dem Akutkrankenhaus erhöht sich bei Durchführung der intravenöse Thrombolysetherapie x x x innerhalb von 90 Minuten nach Beginn der Schlaganfallsymptomatik um den Faktor 2,49 (adjustierte Odds Ratio, vgl. Tabelle 21), innerhalb von 91 bis 180 Minuten nach Beginn der Schlaganfallsymptomatik um den Faktor 1,86, innerhalb von 181 bis 270 Minuten nach Beginn der Schlaganfallsymptomatik um den Faktor 1,26 (Gumbinger et al. 2014). Gewichtet man die Effekte mit den Patientenzahlen, die in diesen drei Zeitintervallen im Krankenhaus eintrafen, dann errechnet sich ein gewichteter Mittelwert, der fast genau dem Effekt des mittleren Zeitintervalls entspricht (Odds Ratio: 1,86). Mit diesem aus der Studie von Gumbinger et al. (2014) abgeleiteten Effektschätzer werden die im Folgenden dargestellten Modellierungen durchgeführt. Ferner haben diese Autoren auch zeigen können, dass das Sterblichkeitsrisiko der Patienten mit intravenöser Thrombolysetherapie gegenüber solchen ohne Rekanalisationstherapie nicht signifikant erhöht ist (Tabelle 21). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 21: 73 Adjustierte Odds Ratios für mRS-Einstufung 0 oder 1 bei Krankenhausentlassung und für Sterblichkeit während des akutstationären Aufenthaltes; nach Zeiträumen zwischen Auftreten des Hirninfarktereignisses und Behandlung (intravenöse Thrombolysetherapie) Zeit zwischen Auftreten des Hirninfarktes und Behandlung (intravenöse Thrombolysetherapie) Adjustierte OR für mRS-Einstufung 0 oder 1 bei Entlassung Adjustierte OR für Sterblichkeit während des akutstationären Aufenthaltes 0 bis 90 Minuten 2,49 (2,12-2,92) 0,85 (0,67-1,08) 91 bis 180 Minuten 1,86 (1,71-2,02) 0,99 (0,87-1,13) 181 bis 270 Minuten 1,26 (1,08-1,46) 0,99 (0,76-1,28) > 270 Minuten 1,25 (1,01-1,55) 1,45 (1,08-1,92) alle 1,70 (1,59-1,81) 1,05 (0,96-1,16) Quelle: Gumbinger et al. (2014); eigene Darstellung IGES Im Folgenden wird zunächst berechnet welche DALY-Last unter der Status quoVersorgung in Deutschland – unter Zugrundelegung der aus den hessischen Daten des Jahres 2012 abgeleiteten Anteile von Hirninfarktpatienten mit Lyse-Behandlung sowie den bei Krankenhausentlassung dokumentierten gesundheitlichen Ergebnissen (mRSWerte) – resultiert. Grundlage der Berechnung ist der bei Entlassung aus dem Akutkrankenhaus dokumentierte Behinderungsgrad, gemessen mit der „modified Rankin Scale“ (mRS-Wert). Die Methodik der Berechnung von DALYs auf dieser Basis ist im Methodenkapitel beschrieben. Für die Modellierung des Null-Szenarios – also der fiktiven Situation, die bei völligem Wegfall der Thrombolyse-Behandlungen resultieren würde – wird der Effekt der intravenösen Thrombolysetherapie – unter Verwendung des Effektschätzers aus der Studie von Gumbinger et al. (2014) (OR für positives Outcome von 1,86) – herausgerechnet. Dies wird umgesetzt, indem die Wahrscheinlichkeiten des Übergangs von einem gegebenen mRS-Status bei Krankenhausaufnahme in einen anderen Status bei Krankenhausentlassung entsprechend dem Thrombolyse-Effekt angepasst werden. Ein fiktives Beispiel (vgl. Abbildung 23) soll die Vorgehensweise verdeutlichen: x Von 100 Patienten mit dem Zustand mRS 3 bei Aufnahme wechseln ohne intravenöse Thrombolysetherapie 10 in den Zustand mRS 0 oder 1 (d. h. 90 wechseln nicht in diesen günstigen Zustand). Die Chancen (odds) auf einen mRS-Status 0/1 betragen somit 10 zu 90 (odds=10/90=0,11). Mit intravenöser Thrombolysetherapie verbessern sich die Chancen um den Faktor 1,86, d. h. die odds betragen 0,11 * 1,86 = 0,21. Eine Chance (odds) von 0,21 bedeutet bei 100 Patienten insgesamt, dass etwa 17 in den Zustand mRS 0/1 wechseln und 83 in einem ungünstigeren Zustand als mRS 0/1 das Krankenhaus verlassen. x Analog lässt sich der Thrombolyseeffekt aus dem Status-quo-Szenario auch herausrechnen, indem die bei den Thrombolysepatienten beobachteten Chancen (odds) um den Effektschätzer (1,86) korrigiert und die dann resultierende Neuverteilung der Patienten auf die mRS-Stufen errechnet werden. Dies erfolgt bei der Modellierung des Null-Szenarios. 74 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 23: Prinzip der Modellierung des Thrombolyseeffekts anhand der Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen mRS-Stufen bei Krankenhausaufnahme und -entlassung Mit Lyse-Behandlung Ohne Lyse-Behandlung mRS-Wert bei Krankenhausaufnahme mRS 0/1 N=100 n=10 mRS 2/3 mRS-Wert bei Krankenhausentlassung mRS-Wert bei Krankenhausaufnahme mRS 0/1 mRS 0/1 mRS 2/3 N=100 mRS-Wert bei Krankenhausentlassung n=17 mRS 2/3 n=90 mRS 4/5 3 mRS 0/1 mRS 2/3 n=83 mRS 4/5 mRS 4/5 mRS 6 Chance der Patienten aus mRS 2/3 auf Erreichen von mRS 0/1 bei Entlassung: odds = 10/90 = 0,111 mRS 4/5 mRS 6 Chance der Patienten aus mRS 2/3 auf Erreichen von mRS 0/1 bei Entlassung: odds = 17/83 = 0,206 Chancenverhältnis (Odds Ratio) „mit Lyse“ zu „ohne Lyse“: 0,206 / 0,111 = 1,86 Quelle: IGES Für die Realisierung dieses Modellierungsansatzes sind Daten zu den Übergangswahrscheinlichkeiten der Hirninfarktpatienten vom mRS-Status bei Krankenhausaufnahme zum mRS-Status bei Entlassung erforderlich. Diese Daten wurden von der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen im Rahmen der bereits erwähnten Sonderauswertungen zur Verfügung gestellt – allerdings nur für eine verkürzte mRS-Skala, d. h. es wurden jeweils zwei mRS-Klassen zusammengefasst (0/1, 2/3, 4/5 und 6). Da die Modellierung der Krankheitslast als DALY im DAK-Versorgungsreport auf Grundlage des vollständigen Wertebereichs der mRS-Skala erfolgt, mussten daher zusätzliche Annahmen getroffen werden, wie sich die Patienten einer zusammengefassten Kategorie (z. B. mRS 2/3), die in die Kategorie mRS 0/1 wechseln auf die beiden Stufen (mRS 0 und mRS 1) verteilen. Dies wurde gelöst, indem jeweils die gleiche Verteilung auf die beiden Stufen unterstellt wird, die bei der jeweiligen Fallgruppe in Hessen insgesamt beobachtet wurde. Das Optimierungs-Szenario soll zeigen, welche zusätzliche Reduktion der Krankheitslast möglich wäre, wenn ein Teil der heute außerhalb des Thrombolyselyse-Zeitfensters im Krankenhaus eintreffenden Patienten (Fallgruppe C) entsprechend früher aufgenommen würde. Für die Modellierung sind Festlegungen bzw. Annahmen zu folgenden Sachverhalten erforderlich: 1. Zum einen ist festzulegen, welcher Anteil der aktuell „zu spät“ kommenden Patienten früher in das Krankenhaus gelangen könnte. Die Modellierung geht von einer Erhöhung des Anteils der innerhalb von 3,5 Stunden ins Krankenhaus kommt von aktuell etwa 40 % auf 56 % aus. Nähere Angaben zur Begründung finden sich in 3.3.5.4. 2. Auch im Status quo erhält nur ein Bruchteil der rechtzeitig im Krankenhaus eintreffenden Patienten (insgesamt ca. 30,7 %) tatsächlich eine intravenöse Thrombolysetherapie. Die Modellierung unterstellt, dass sich die in Hessen beobachteten Anteile von Patienten mit bzw. ohne intravenöse Thrombolysetherapie innerhalb jeder mRS-Stufe bei Krankenhausaufnahme (unter den Patienten, die innerhalb von 3,5 Stunden im Krankenhaus waren) als annähernd fehlerfreie Schätzer der Anteile der für eine intravenöse Thrombolysetherapie geeigneten/nicht-geeigneten Patienten interpretieren lassen. M.a.W., dass in Hessen alle rechtzeitig eintreffenden und für eine in- 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 75 travenöse Thrombolysetherapie geeigneten Patienten auch tatsächlich eine Thrombolyse erhalten bzw., dass alle innerhalb von 3,5 Stunden im Krankenhaus eingetroffenen Patienten, die keine Thrombolyse erhalten haben, aus medizinischen Gründen für eine Thrombolysebehandlung nicht geeignet waren. 3. Das Optimierungs-Szenario „verschiebt“ einen Teil der Patienten der Fallgruppe C in das frühere Zeitintervall (<= 3,5 Stunden). D. h. die Gesamtgruppe der früher im Krankenhaus eintreffenden Patienten entspricht hinsichtlich ihrer Zusammensetzung nach mRS-Stufen bei Krankenhausaufnahme zunächst genau der entsprechenden Verteilung der Fallgruppe C. Im nächsten Schritt werden von den Patienten jeder mRS-Stufe (bei Aufnahme) anteilsmäßig genau so viele Patienten einer intravenösen Thrombolysetherapie zugeführt, wie es den beobachteten Verhältnissen bei den im Status quo „rechtzeitig“ eintreffenden Patienten entspricht (die entsprechenden Werte wurden in Tabelle 20 dargestellt). D. h. auf die aus der Fallgruppe C „verschobenen“ Patienten werden die für jede mRS-Stufe spezifischen Anteilswerte der für eine intravenöse Thrombolysetherapie geeigneten Patienten angewandt. Die folgende Abbildung zeigt die Vorgehensweise der Ableitung der zusätzlichen Trhombolyse-Patienten im Optimierungs-Szenario in einer Übersicht mit den real verwendeten Zahlenwerten. Abbildung 24: Ableitung der zusätzlichen Thrombolyse-Patienten für das Optimierungs-Szenario (vgl. Text) Externe Qualitätssicherung Hessen (2012) : mRS-Wert am 1. Tag nach Krankenhausaufnahme (Hessen) Fallgruppe A: <= 3,5 Std. mit Lyse Fallgruppe B: <= 3,5 Std. ohne Lyse Modellierung Optimierungs-Szenario: Ableitung zusätzliche Lyse-Patienten (Deutschland) Fallgruppe A+B: <= 3,5 Std. gesamt Anteil „Lysegeeignet“ Aus Fallgruppe > 3,5 Std. „verlagert“ in <= 3,5 Std. gesamt davon mit Lyse mRS 0 79 430 509 15,5 % 1.685 261 mRS 1 148 808 956 15,5 % 5.054 782 mRS 2 267 707 974 27,4 % 5.597 1.534 mRS 3 313 578 891 35,1 % 4.704 1.652 mRS 4 370 543 913 40,5 % 4.066 1.648 mRS 5 446 590 1.036 43,1 % 3.029 1.304 mRS 6 6 16 22 - 46 Quelle: IGES bzw. GQH 3.3.5 Ergebnisse der Modellierung 3.3.5.1 Ergebnisse „IST-Versorgung“ Unter Anwendung der aus den Routinedaten der DAK-Gesundheit ermittelten Hirninfarktinzidenzen wird die Gesamtzahl der in der gesamten deutschen Bevölkerung jährlich auftretenden erstmaligen Hirninfarktereignisse auf ca. 154 Tausend geschätzt. Die Verteilung der Fälle auf die drei oben beschriebenen Fallgruppen und mRS-Einstufungen erfolgt un- 76 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 ter Verwendung der Fallgruppenbesetzungen, wie sie den Sonderauswertungen der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen entnommen wurden (vgl. Abschnitt 3.3.3). Das Verfahren der DALY-Ermittlung, d. h. der Berechnung der YLL und der YLD, ist in Abschnitt 2.2 detailliert beschrieben. Aus den Daten zur mRS-Einstufung vor dem Schlaganfall-Ereignis ergibt sich, dass die von einem Hirninfarkt betroffenen Menschen auch bereits vorher von Funktionseinschränkungen betroffen waren. Das DALY-Volumen, das den Betroffenen bereits vor dem Hirninfarkt aufgrund von anderen vorliegenden Einschränkungen zugeordnet wird, beläuft sich auf insgesamt ca. 232 Tausend.19 Am 1. Tag nach der akutstationären Aufnahme wegen des Hirninfarktereignisses hat sich das DALY-Volumen des Gesamtkollektivs mit ca. 1.271 Tausend DALY im Vergleich zur DALY-Last vor dem Schlaganfall um mehr als das Fünffache erhöht. Damit sind dem Ereignis des erstmaligen Hirninfarktes jährlich etwa 1.039 Tausend DALY zuzurechnen. Im Rahmen des akutstationären Krankenhausaufenthaltes der Hirninfarktpatienten verringert sich die DALY-Last um 176 Tausend DALY (vgl. Tabelle 22). In welchem Maße diese Reduzierung auf die akutstationären Versorgungsleistungen oder bspw. auf einen Zeiteffekt zurück zu führen ist, kann nicht bestimmt werden. Tabelle 22: DALY-Last nach Fallgruppen und Bewertungszeitpunkt im Status quoSzenario („IST-Versorgung“) Fallgruppe A (<3,5 h mit Lyse) B (<3,5 h ohne Lyse) C (>3,5h ohne Lyse) Gesamtpopulation 19 Tausend 42,9 Tausend 91,9 Tausend 153,8 Tausend DALY vor Aufnahme 12.959 74.949 143.599 231.508 DALY bei Aufnahme 191.585 338.829 740.253 1.270.667 DALY bei Entlassung 159.745 293.207 641.613 1.094.565 Fallzahl Differenz DALY bei Aufnahme und DALY vor Aufnahme Differenz DALY bei Entlassung und DALY bei Aufnahme Quelle: + 1.039.159 -176.102 Eigene Berechnungen IGES 40,2 % aller Hirninfarktfälle werden bislang innerhalb der ersten 3,5 Stunden nach dem Ereignis in ein Krankenhaus eingeliefert. Bei ca. 30,7 % dieser Patienten wird eine intravenöse Thrombolysetherapie durchgeführt. Die DALY-Last je Fall in der Fallgruppe der lysierten Patienten liegt vor dem Hirninfarkt-Erstereignis bei ca. 13 Tausend oder 0,7 DA19 Das DALY-Volumen einer Population vor dem Hirninfarkt wird unter Anwendung der schlaganfallspezifischen disability weights berechnet. Es wird angenommen, dass diese diability weights auch für alle mit dem Hirninfarkt in Verbindung stehenden Vorerkrankungen gültig sind. Die hazard ratios für die Sterblichkeit nach einem Schlaganfall werden nicht für die Ermittlung der DALY-Last vor dem Hirninfarkt angewendet. Sie werden erst nach dem Auftreten des Hirninfarktereignisses bei der DALY-Berechnung für die Population berücksichtigt. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 77 LY je Fall. Zum Zeitpunkt der akutstationären Aufnahme hat sich die DALY-Last dieser Fallgruppe auf 192 Tausend DALY oder 10,1 DALY je Fall erhöht. Bis zur Entlassung aus der akutstationären Versorgung verringert sich die DALY-Last auf 160 Tausend oder 8,4 DALY je Fall. Die Krankheitslast (DALY) verringert sich in der Fallgruppe mit intravenöser Thrombolysetherapie im Zeitraum des akutstationären Aufenthaltes um 16,6 %. Die übrigen 69,3 % der innerhalb eines Zeitfensters von 3,5 Stunden akutstationär versorgt Fälle erhalten keine intravenösen Thrombolysetherapie. Vor dem Hirninfarktereignis lag die gesamte DALY-Last in dieser Fallgruppe bei 75 Tausend oder 1,7 DALY je Fall und damit je Fall deutlich höher als in der Gruppe der Patienten mit intravenöser Thrombolysetherapie. Der Anstieg des DALY-Volumens auf 339 Tausend oder 7,9 DALY je Fall fällt in dieser Gruppe – verglichen mit der Thrombolyse-Gruppe – relativ betrachtet deutlich geringer aus. Bis zur Entlassung aus der akutstationären Versorgung verringert sich das DALY-Volumen auf 293 Tausend bzw. 6,8 DALY je Fall. Im Zeitraum des akutstationären Aufenthaltes verringert sich die Krankheitslast (DALY) um 13,5 %. Etwa 60 % aller Hirninfarktpatienten werden erst innerhalb eines Zeitfensters von 3,5 Stunden bis 7 Tagen nach Hirninfarkt in ein Krankenhaus aufgenommen. Die intravenöse Thrombolysetherapie stellt bei diesen Patienten – wenn man von einer zusätzlichen „door to needle-time von einer Stunde ausgeht – leitliniengemäß in aller Regel keine therapeutische Option mehr dar. Vor dem Hirninfarktereignis lag die Gesamt-DALY-Last in dieser Fallgruppe bei 144 Tausend oder 1,6 DALY je Fall. Durch das Hirninfarktereignis erhöht sich die DALY-Last der Fallgruppe auf 740 Tausend DALY oder 8,1 DALY je Fall. Im Zeitraum des akutstationären Aufenthaltes verringert sich die Anzahl der DALY um 13,3 %. Die Abbildung 25 beschreibt die Gruppengrößen und -aufteilungen sowie die DALY je Fall in der Status quo-Konstellation im Überblick. Abbildung 25: „IST-Versorgung“ – Gruppengrößen, Gruppenaufteilung und und den Hirninfarktereignissen zurechenbare DALY je Fall bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus der akutstationären Versorgung g g Modell Menschen mit erstem Hirninfarkt 153,8 Tausend DALY je Fall Krankenhausaufnahme später als 3,5h nach Auftreten des Hirninfarktes vor Hirninfarkt: 1,6 bei KH-Aufnahme: 8,1 91,9 Tausend (59,8 %) bei KH-Entlassung: 7,0 Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5h nach Auftreten des Hirninfarktes 61,9 Tausend (40,2 %) Thrombolyse i.v. durchgeführt vor Hirninfarkt: 0,8 19,0 Tausend (30,7 %) bei KH-Aufnahme: 10,1 bei KH-Entlassung: 8,4 KEINE Thrombolyse i.v. durchgeführt 42,9 Tausend (69,3 %) vor Hirninfarkt: 1,8 bei KH-Aufnahme: 7,9 bei KH-Entlassung: 6,8 Quelle: IGES 3.3.5.2 Ergebnisse „Null-Szenario“ Ziel der Modellierung eines „Null-Szenarios“ – also einer akutstationären HirninfarktVersorgung ohne jegliche intravenösen Thrombolysetherapie – ist es, den gegenwärtigen Effekt der Thrombolyse-Behandlung auf die Krankheitslast unter Status-quoBedingungen zu ermitteln. Die methodische Vorgehensweise der Modellierung des Null- 78 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Szenarios ist oben dargestellt worden: Für die Fallgruppe A der Patienten mit intravenöser Thrombolysetherapie im Status quo wird unter Verwendung des Effektschätzers der intravenösen Thrombolysetherapie (Odds Ratio von 1,86 für einen mRS-Wert von 0/1 bei Krankenhausentlassung) berechnet, welche Verteilung auf die mRS-Stufen bei Krankenhausentlassung sich ergeben würde, wenn man die intravenöse Thrombolysetherapie eliminierte. Die Ergebnisse der Modellierung zeigt Tabelle 23. Tabelle 23: DALY-Last nach Fallgruppen und Bewertungszeitpunkt im Null-Szenario (fiktive Eliminierung der intravenösen Thrombolysetherapie) Fallgruppe A/B (<3,5 h OHNE Lyse) C (>3,5h ohne Lyse) Gesamtpopulation 61,9 Tausend 91,9 Tausend 153,8 Tausend DALY vor Aufnahme 87.908 143.599 231.508 DALY bei Aufnahme 530.414 740.253 1.270.667 DALY bei Entlassung 460.136 641.613 1.101.749 Fallzahl Differenz DALY bei Aufnahme und DALY vor Aufnahme Differenz DALY bei Entlassung und DALY bei Aufnahme Quelle: + 1.039.159 -168.918 Eigene Berechnungen IGES Im Null-Szenario verringert sich die Reduktion der Krankheitslast während des (bzw. durch den) akutstationären Aufenthalts von 176.102 vermiedenen DALY in der Statusquo-Versorgung mit intravenöser Thrombolysetherapie auf nur noch 168.918 vermiedene DALY ohne intravenöse Thrombolysetherapie, also um 7.184 DALY. Das bedeutet umgekehrt, dass durch die intravenösen Thrombolysetherapien bei erstmaligen Hirninfarkten in Deutschland aktuell pro Jahr etwa eine Krankheitslast von 7.184 DALY vermieden wird. 3.3.5.3 Mögliche Ansätze zur Optimierung der akutstationären Versorgung Für die (prästationäre und) akutstationäre Versorgung steht die Erhöhung des Anteils jener Hirninfarktpatienten, die zeitnah nach dem Hirninfarkt und dabei insbesondere innerhalb des „Thrombolyse-Zeitfensters“ in ein Krankenhaus aufgenommen werden, als Optimierungsparameter im Zentrum der Untersuchung. Um dies zu erreichen kommen verschiedene Handlungsoptionen in Betracht. Optimierungsansatz: Aufklärung/Information der Bevölkerung Damit mehr Patienten frühzeitig nach dem Auftreten der Schlaganfallsymptome in ein Krankenhaus aufgenommen werden, muss die Öffentlichkeit besser über die Symptome des Schlaganfalls informiert werden und das Wissen um die eminente Bedeutung einer frühen Krankenhauseinlieferung stärker verbreitet werden. Internationale Studien zur Wirkung von Massenmedienkampagnen auf die Zeitdifferenz zwischen Schlaganfall und 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 79 Klinikeinlieferung kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. In diesen Informationskampagnen wurden zumeist die Anzeichen des Schlaganfalls sowie Verhaltensempfehlungen vermittelt. Addo et al. (2012) fanden in London keinen signifikanten Effekt solch einer Intervention auf das Verhalten der Betroffenen. Alberts et al. (1992) beschrieben jedoch eine positive Wirkung einer öffentlichen Informationskampagne sowie auch einer Aufklärungsaktion unter Paramedizinern und niedergelassenen Ärzten. In einer postalischen Aufklärungsaktion in Berlin, beschrieben von Müller-Nordhorn et al. (2009), zeigte sich, dass bei Frauen, die das Informationsschreiben erhalten haben, die Zeitspanne zwischen Ereignis und Aufnahme in die Klinik im Vergleich zu einer Kontrollgruppe sank. Bei Männern hatte diese Intervention jedoch keine Wirkung. Reeves (2012) erläuterte, dass in den letzten Jahren zwar durch die Informationskampagnen das Wissen über die Warnzeichen des Schlaganfall und die Notwendigkeit einer schnellen Einlieferung in der Bevölkerung gestiegen ist, jedoch in der Praxis zu keiner Verhaltensänderung geführt hat. Für die meisten Menschen scheint das Anrufen der Notrufnummer ein gewisses Hemmnis darzustellen. Nach der Auffassung von Reeves müssten die Menschen in Kampagnen mehr motiviert werden, den Rettungsdienst zu rufen, wenn der Verdacht auf einen Schlaganfall besteht. Das Wissen über den Schlaganfall sowie das entsprechende Verhalten bei Auftreten ist nach Fassbender et al. (2013) abhängig von soziodemographischen Faktoren. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Art und den Inhalt der Kampagne auf die entsprechende Zielgruppe abzustimmen. Optimierungsansatz: Weiterer Ausbau der akutstationären Versorgungsstrukturen zur (qualifizierten) Schlaganfallbehandlung Der Umfang des noch vorhandenen Potenzials für eine Verbesserung der akutstationären Versorgungsstrukturen zur (qualifizierten) Schlaganfallbehandlung kann nicht verlässlich eingeschätzt werden. So wird einerseits festgestellt, dass durch die flächendeckende Einrichtung von Stroke Units oder die Vernetzung weiterer Krankenhäuser ohne Stroke Unit durch eine telemedizinische Anbindung an neurologische Kliniken erreicht werden könnte, dass jeder Lyse-fähige Patient, der in ein Krankenhaus kommt auch eine LyseTherapie erhalten kann. Dies war laut einer Berechnung von Scholten et al. (2013) im Jahr 2010 nur in 78 % der Fälle möglich. Andererseits wird davon ausgegangen, dass die Stroke-Unit-Abdeckung mittlerweile fast flächendeckend umgesetzt ist und einem Optimum bereits sehr nahe kommt (Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe 2013). Optimierungsansatz: Verbesserung präklinischer/klinischer Prozesse und des Informationsaustausches Vielfältige Projekte und Maßnahmen zielen darauf ab, die Zeiten zwischen dem Auftreten der Schlaganfallsymptome und der Lyse oder zwischen der Krankenhausaufnahme und der Lyse bzw. der Lyseentscheidung durch Prozessoptimierungen zu verkürzen. Sie beziehen sich entweder auf die Verbesserung der präklinisch-klinischen Schnittstelle (z. B. Stroke Angel, STEMO – Stroke-Einsatz-Mobil) oder die Prozesse in der Klinik selbst. So zeigt eine Studie von de Torres et al. (2013), durchgeführt in Hamburg, dass die Reduzierung der„door to needle-Time“ auf durchschnittlich 34 Minuten umsetzbar ist. Laut der Leitlinien für die Akuttherapie (Veltkamp et al. 2012) sollte die Entscheidung für eine intravenöse Thrombolysetherapie spätestens 60 Minuten nach Einlieferung getroffen sein. Die Daten der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung in der stationären Versorgung (BAQ [Bayerische Arbeitsgemeinschaft für Qualitätssicherung in der stationären Versorgung] 2012) für das Jahr 2011 lassen jedoch erkennen, dass nur bei 33 % der Patienten der Behandlungsbeginn innerhalb von 30 Minuten nach der Aufnahme möglich war. Bis 60 Minuten nach Ankunft in der Klinik wurde bei etwa 79 % der Fälle mit der intravenösen Thrombolysetherapie begonnen. In Hessen lagen den Daten der Sonderauswertung zufolge die entsprechenden Anteile im Jahr 2012 bei 29 % bzw. 78 %. 80 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 3.3.5.4 Modellannahmen des „Optimierungs-Szenarios“ Im Optimierungs-Szenario wird abgeschätzt, welche Verringerung der DALY-Last sich ergeben kann, wenn mehr Hirninfarktpatienten, die bislang erst später als 3,5 Stunden nach dem Auftreten des Hirninfarktes in ein Krankenhaus aufgenommen wurden, frühzeitig aufgenommen werden und eine intravenöse Thrombolysetherapie erhalten. Die methodische Vorgehensweise der Modellierung des Optimierungs-Szenarios ist bereits in Abschnitt 3.3.4 dargestellt worden. Zu ergänzen ist noch, welche Festlegung zur Zahl der Patienten getroffen wurde, die im Optimierungs-Szenario früher – d. h. innerhalb von maximal 3,5 Stunden nach Symptombeginn – in ein Krankenhaus eingeliefert werden. In Tabelle 24 ist die Verteilung der erst später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt in ein Krankenhaus aufgenommenen Fälle nach dem Zeitpunkt ihrer akutstationären Aufnahme dargestellt. Bei der Literaturrecherche konnten keine Studien gefunden werden, die begründete Aussagen über das Potenzial für eine weitere Erhöhung des Anteils jener Fälle treffen, die innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt aufgenommen werden. Aus diesem Grund werden für das Optimierungs-Szenario als beispielhaft zu verstehende Annahmen zu diesem Potenzial getroffen, die nachfolgend begründet werden. Aus den Sonderauswertungen der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen, liegen die Informationen zu den Fallanteilen in den Zeiträumen > 3,5 – 4 Stunden, > 4 – 6 Stunden, > 6 – 24 Stunden, > 24 – 48 Stunden und > 48 – < 168 Stunden zwischen Hirninfarktereignis und akutstationärer Aufnahme bezogen auf die gesamte Fallgruppe der später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt aufgenommenen Fälle vor (vgl. Tabelle 24). Für die Modellierung wurden für jeden dieser Zeiträume unterschiedliche Annahmen zum Anteil der Fälle getroffen, die in die Gruppe der innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt in ein Krankenhaus aufgenommenen Fälle wechseln könnten. So wird beispielsweise angenommen, dass zwei Drittel der Fälle mit einer bisherigen Aufnahme im Zeitfenster > 3,5 bis 4 Stunden nach dem Hirninfarktereignis in das Zeitfenster von bis zu 3,5 Stunden kommen könnten. Je weiter der Krankenhausaufnahmezeitpunkt bislang vom Eintrittszeitpunkt des Hirninfarktes entfernt liegt, desto geringer wird das Umsteuerungspotenzial eingeschätzt (vgl. Tabelle 24). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 24: 81 Annahme über Verlagerungsmöglichkeiten von Fällen aus der Fallgruppe der Patienten, die später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt ins Krankenhaus aufgenommen werden in die Gruppe der Patienten, die innerhalb von 3,5 Stunden akutstationär behandelt werden Zeitraum Ereignis bis Aufnahme ins Krankenhaus Status quo-Verteilung der Hirninfarktfälle in der Fallgruppe mit Aufnahme später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt (Sonderauswertung GQH) > 3,5 – 4 Stunden 6,1 % 2 von 3 (66,7 %) > 4 – 6 Stunden 18,7 % 1 von 2 (50 %) > 6 – 24 Stunden 42,0 % 1 von 4 (25 %) > 24 – 48 Stunden 14,1 % 1 von 10 (10 %) > 48 Stunden – < 168 Stunden 19,1 % 1 von 20 (5 %) Quelle: Annahme zur Zahl der Fälle die nach einer Optimierung innerhalb von 3,5 Stunden ins Krankenhaus aufgenommen werden (eigene Annahmen IGES) GQH; eigene Berechnungen IGES Könnten die früheren Krankenhausaufnahmen wie angenommen realisiert werden, würde sich der Anteil der Patienten, die innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Auftreten des Hirninfarktes akutstationär behandelt werden können, insgesamt von 40,2 % im Status quo auf 55,9 % erhöhen. Diese Steigerung um ca. 16 Prozentpunkte erscheint unter Berücksichtigung der in Abschnitt 3.3.3 beschriebenen Verteilungen der Einlieferungsarten zumindest nicht unrealistisch. Dort ist dargestellt, dass nur etwa die Hälfte der bisher später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt akutstationär aufgenommenen Patienten im Status quo mit dem Rettungsdienst in die Klinik eingeliefert wurde. 35 % der Patienten aus dieser Gruppe kamen entweder selbst in die Klinik oder wurden vom Vertragsarzt eingewiesen. Wenn für das Optimierungs-Szenario davon ausgegangen wird, dass nur ein Teil dieser Patienten zukünftig mit dem Rettungsdienst in ein Krankenhaus kommt, könnte eine Erhöhung des Anteils der unter 3,5 Stunden aufgenommenen Hirninfarktpatienten in dieser Größenordnung möglich sein. 3.3.5.5 Ergebnisse „Optimierungs-Szenario“ In Abbildung 26 sind die gegenüber dem Status quo-Szenario veränderten Besetzungen der drei Fallgruppen abgebildet. Durch die Erhöhung des Anteils der innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt in ein Krankenhaus aufgenommenen Fälle erhöhen sich die Fallzahlen sowohl in der Fallgruppe mit früher Krankenhausaufnahme und mit intravenöser Thrombolysetherapie (ca. +7.200 Fälle) als auch in der Fallgruppe mit früher Krankenhausaufnahme und ohne eine intravenöse Thrombolysetherapie (ca. +17.000 Fälle). Die DALY je Fall verändern sich vorrangig in der Fallgruppe mit intravenöser Thrombolysetherapie. Die Besetzung der Fallgruppe mit einer späten Krankenhausaufnahme (>3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt) reduziert sich um 24.179 Fälle. 82 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Abbildung 26: Modellansatz „Optimierungs-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenaufteilung und den Hirninfarktereignissen zurechenbare DALY je Fall bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus der akutstationären Versorgung p g DALY je Fall Menschen mit erstem Hirninfarkt 153,8 Tausend Krankenhausaufnahme später als 3,5h nach Auftreten des Hirninfarktes vor Hirninfarkt: 1,6 bei KH-Aufnahme: 8,1 67,8 Tausend (44,1 %) bei KH-Entlassung: 7,0 Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5h nach Auftreten des Hirninfarktes 86 Tausend (55,9 %) Thrombolyse i.v. durchgeführt vor Hirninfarkt: 0,9 26,4 Tausend (30,7 %) bei KH-Aufnahme: 9,5 bei KH-Entlassung: 8,2 KEINE Thrombolyse i.v. durchgeführt 59,6 Tausend (69,3 %) vor Hirninfarkt: 1,7 bei KH-Aufnahme: 7,9 bei KH-Entlassung: 6,8 Quelle: IGES Insgesamt wird durch die Optimierung unter den beschriebenen Annahmen im Gesamtkollektiv eine Verringerung der DALY-Last um ca. 3.000 DALY erreicht (vgl. Tabelle 25). Demnach sinkt die DALY-Last für jeden der ca. 7.200 Fälle, die aus der Gruppe der später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarktereignis aufgenommenen Fälle in die Gruppe der früher aufgenommenen und lysierten Fälle gewechselt sind, im Durchschnitt um 0,42 DALY. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 25: 83 Fallgruppengröße und DALY-Last nach Fallgruppen und Betrachtungszeitpunkten für das Status quo-Szenario („IST-Versorgung“) und das „Optimierungs-Szenario“ Fallgruppe A <3,5 h mit Lyse B <3,5 h ohne Lyse C >3,5h ohne Lyse Gesamtpopulation Status quo-Szenario Gruppengröße 19 Tausend 42,9 Tausend 91,9 Tausend 153,8 Tausend DALY vor Aufnahme 12.959 74.949 143.599 231.508 DALY bei Aufnahme 191.585 338.829 740.253 1.270.667 DALY bei Entlassung 159.745 293.207 641.613 1.094.565 Optimierungs-Szenario Gruppengröße DALY bei Entlassung 26,2 Tausend 59,8 Tausend 67,8 Tausend 153,8 Tausend 214.207 404.446 472.887 1.091.541 Veränderung DALY bei KH-Entlassung zwischen Status quo- und Optimierungs-Szenario Veränderung der Krankheitslast (DALY) Quelle: 54.463 111.239 -168.726 -3.024 Eigene Berechnungen IGES Für die aktuelle akutstationäre Ist-Versorgung wurde eine spezifisch auf die LyseBehandlungen zurück zu führende Reduktion der Krankheitslast von erstmaligen Hirninfarkten in der Größenordnung von 7.184 DALY ermittelt. Durch die nun modellierte Optimierung der Versorgung – Erhöhung des Anteils der innerhalb des ThrombolyseZeitfensters im Krankenhaus eintreffenden Patienten von ca. 40 % auf 56 % – könnte der Effekt der intravenösen Thrombolysetherapien auf die Krankheitslast um ca. 42 % (von 7.184 auf 10.208 vermiedene DALY) gesteigert werden. 84 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3.4 Neurologische Frührehabilitation Phase B 3.4.1 Zusammenfassung 3 Etwa 21 % der Hirninfarktpatienten weisen bei Entlassung bzw. Verlegung aus der akutstationären Behandlung noch mittelschwere oder schwere Funktionseinschränkungen auf (mRS-Einstufungen 4 oder 5 bei Krankenhausentlassung). Bei Vorliegen definierter Patienten-Charakteristika und die Rehabilitationsfähigkeit vorausgesetzt, sollten diese Patienten eine neurologische Frührehabilitation der Phase B erhalten. Die Patientenversorgung ist in dieser Reha-Phase von einer besonders hohen Intensität bzw. einem besonders hohen Ressourceneinsatz geprägt. Für eine Untersuchung der Relevanz der neurologischen Frührehabilitation Phase B für die Verringerung der Krankheitslast der schwer betroffenen Hirninfarktpatienten fehlen Studien, die die Effekte der Rehabilitation wie für die Modellierung erforderlich (d. h. gemessen mit Instrumenten wie der modified Rankin Scale) quantifizieren. Um diesen Leistungsbereich dennoch in den DAK-Versorgungsreport Schlaganfall aufnehmen zu können, wurde eine Modellierung auf Grundlage der von der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen zur neurologischen Frührehabilitation Phase B veröffentlichten Daten durchgeführt. Auf dieser Grundlage wird davon ausgegangen, dass etwa zwei Drittel aller aus der akutstationären Versorgung mit einer mRS-Einstufung 5 (schwere Funktionseinschränkungen) entlassenen Hirninfarktpatienten auch eine neurologische Frührehabilitation der Phase B erhalten. Bei den mit einer mRS-Einstufung von 4 (mittelschwere Funktionseinschränkung) entlassenen Patienten beträgt der Versorgungsanteil in Phase B 11,5 %. Durch die Übernahme dieser Versorgungsanteile für alle erstmaligen Hirninfarktpatienten eines Jahres in Deutschland und bei Berücksichtigung der in der o.g. Quelle dokumentierten Veränderung in den mRS-Klassenbesetzungen zwischen Aufnahme und Entlassung in die neurologischen Frührehabilitation der Phase B, d. h. während der neurologischen Frührehabilitation, wird der DALY-Effekt dieser Rehabilitationsversorgung modelliert. Demnach wird durch die neurologische Frührehabilitation der Phase B bislang insgesamt eine Verringerung der Krankheitslast um 14,3 Tausend DALY je Jahr oder um 1,4 DALY je Fall in Rehabilitation erreicht (vgl. Abschnitt 3.4.6.1). Im Optimierungsszenario wird ermittelt, welcher zusätzliche DALY-Effekt erreicht würde, wenn die Versorgungsanteile der neurologischen Frührehabilitation Phase B moderat erhöht werden. Dabei wird eine Steigerung des Versorgungsanteils bei den Patienten mit einer mRS-5-Einstufung von 67 % auf 75 % und bei den Patienten mit einer mRS-4Einstufung von 11,5 % auf 12,8 % simuliert. Unter diesen Ansätzen erhalten pro Jahr etwa 1.200 Hirninfarktpatienten mehr als im Status quo eine neurolgische Frührehabilitation der Phase B. Dies führt zu einer Verringerung der Krankheitslast um 1.700 DALY (vgl. Abschnitt 3.4.6.2). 3.4.2 Einleitung Basierend auf den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation wurde im Jahr 1995 das Phasenmodell in der neurologischen Rehabilitation etabliert (BAR [Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation] 1999). Danach kann sich an die Akutbehandlungsphase (Phase A) die frühe Behandlungs- und Rehabilitationsphase (Phase B) bei Patienten anschließen, für die aufgrund schwerer und schwerster Beeinträchtigungen noch intensivmedizinische Behandlungsmöglichkeiten vorgehalten werden müssen. Die BAR-Empfehlung (BAR [Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation] 1999) beschreibt als Eingangsempfehlungen (Patienten-Charakteristika) u. a.: x bewußtlose bzw. qualitativ oder quantitativ schwer bewusstseinsgestörte Patienten (darunter auch solche mit einem sog. „apallischen Syndrom“) mit schwersten Hirnschädigungen als Folge von … zerebralen Durchblutungsstörungen…, 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung x x x x x x 85 abgeschlossene primäre Akutversorgung, keine aktuelle Erfordernis einer operativen Intervention, stabile intracranielle Druckverhältnisse, keine (kontrollierte) Beatmungspflichtigkeit mehr, Unfähigkeit zur kooperativen Mitarbeit, vollständige Abhängigkeit von pflegerischer Hilfe. Hauptziel der Phase B-Behandlung ist es, „… den Patienten „ins bewusste Leben zurückzuholen“ und somit die Grundlage für eine kooperative Mitarbeit am weiteren Rehabilitationsprozess zu schaffen.“ (BAR [Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation] 1998: S. 33). Bei einem positiven Rehabilitationsverlauf kann nach Abschluss der Phase BFrührehabilitation ein Wechsel in die neurologische Rehabilitation der Phase C erfolgen. Kann kein Rehabilitationserfolg erreicht werden, erfolgt der Wechsel in die zustandserhaltende Dauerpflege (Phase F) (BAR [Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation] 1999). In der Vergangenheit wurde die neurologische Frührehabilitation der Phase B überwiegend in Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt. Die Frührehabilitation ist seit dem Inkrafttreten des SGB IX im Jahr 2001 und der Neuformulierung des § 39 Abs. 1 SGB V Bestandteil der Krankenhausbehandlung geworden. Die fachlichen und rechtlichen Abgrenzungsprobleme, die sich aus den Vorgaben des Fünften Sozialgesetzbuchs (insb. § 39 SGB V), aus medizinisch-inhaltlichen Konzepten (z. B. dem BAR-Phasenkonzept) und aus unmittelbar vergütungsrelevanten Vorgaben in den OPS-Codes (z. B. OPS 8552) ergeben, sind noch immer nicht einheitlich abschließend geklärt. Hieraus resultieren – bspw. auf der Ebene der Bundesländer – Spielräume bei der Organisation der neurologischen Frührehabilitation der Phase B, bei der institutionellen Übernahme der Phase BVersorgungsaufgaben und der krankenhausplanerischen Abbildung der Phase-BVersorgungskapazitäten (Loos und Schliwen 2012). In der Literatur werden unterschiedliche Aspekte der Versorgung im Leistungsbereich als problematisch eingestuft. Obwohl die BAR-Empfehlungen die Eingangs- und Ausgangskriterien in die neurologische Frührehabilitation der Phase B abgrenzen, werden diese in den Bundesländern teilweise unterschiedlich ausgelegt. In einer Untersuchung für Nordrhein-Westfalen berichten einige Einrichtungen, dass sie Patienten in einer Phase C+ versorgen. Die Kosten dieser nach den BAR-Empfehlungen nicht definierten Phase, bewegen sich zwischen denen der Phasen B und C, während das Patientenklientel nach Expertenmeinung überwiegend der Phase B zuzurechnen ist (Loos und Schliwen 2012). Auch die Diskussion um die institutionell geeignetste Verortung der neurologischen Frührehabilitation der Phase B – Akutmedizin (§ 108 bzw. 109 SGB V) oder Rehabilitationsbereich (Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V) – ist nicht abgeschlossen. Hier existieren zwischen den Bundesländern nach wie vor Unterschiede. Die Frührehabilitation der Phase B ist mit erheblichen Kosten verbunden. Der hohe Ressourceneinsatz ergibt sich aus dem intensiven Personaleinsatz, den personellen und strukturellen Qualifikationsanforderungen sowie der häufig langen Verweildauer der Patienten in dieser Versorgungsphase. Zusammenfassend und mit Hinblick auf die in diesem Kapitel auf Grundlage der Daten der externen Qualitätssicherung Hessen für die neurologische Frührehabilitation der Phase B rein quantitativ abgeschätzten Versorgungsanteile kann von folgender Problemstellung ausgegangen werden: Wie oben dargestellt, gibt es Hinweise, dass möglicherweise noch nicht alle Hirninfarktpatienten eine neurologische Frührehabilitation der Phase B erhalten, die von dieser Behandlung profitieren können. 3.4.3 Modellaufbau Zielstellung des DAK-Versorgungsreports ist es, zu beschreiben, welcher Effekt – i. S. einer Verringerung der DALY-Last – sich aus der Erhöhung des Anteils jener Hirninfarktpa- 86 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 tienten ergeben würde, die (bedarfsgerecht) nach akutstationärer Behandlung (Phase A) eine neurologische Rehabilitation Phase B erhalten. Bei den durchgeführten Recherchen wurden keine Untersuchungen/Studien gefunden, die die Effekte der neurologischen Rehabilitation Phase B nach Hirninfarkt wie für die Modellierung erforderlich quantifizieren. Vor diesem Hintergrund erfolgt die Modellierung zur Effektschätzung in diesem Leistungsbereich (ersatzweise) auf der Grundlage des Berichts der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen zur neurologischen Frührehabilitation Phase B bei Patienten mit einem Hirninfarkt für das Jahr 2012. Die Beschreibung dieser Statistik und der für die Modellierung verwendeten Grunddaten selbst erfolgt in Abschnitt 3.4.4. Die Modellannahmen werden in Abschnitt 3.4.5 dargestellt. Der Modellansatz ist in Abbildung 27 im Überblick dargestellt. Ein Teil der Hirninfarktfälle, die aus der akutstationären Behandlung entlassen werden, erhält eine Phase-BRehabilitation. Hierbei handelt es sich definitionsgemäß überwiegend um Patienten mit einer mRS-Einstufung 4 oder 5 bei akutstationärer Entlassung (vgl. Abschnitt 3.4.4). Die Fallverteilung der Fälle mit einer neurologischen Rehabilitation Phase B auf die einzelnen mRS-Klassen verändert sich zwischen der Aufnahme in die Rehabilitation und der Entlassung. Aus der Multiplikation der Fallzahl bei Aufnahme in die Rehabilitation und den DALY je Fall (jeweils nach den einzelnen mRS-Klassen) werden die gesamten DALY des Reha-Kollektivs bei Aufnahme ermittelt. Die gesamten DALY des Reha-Kollektivs bei Entlassung werden nach dem gleichen Verfahren unter Bezug auf die Fallverteilung auf die mRS-Klassen bei Entlassung aus der Rehabilitation Phase B ermittelt. Die DALYDifferenz zwischen dem Gesamt-DALY-Volumen bei Entlassung und dem Gesamt-DALYVolumen bei Aufnahme beschreibt die DALY-Veränderung, die sich im Zeitraum der neurologischen Frührehabilitation Phase B für das Reha-Kollektiv ergibt. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 27: 87 Vereinfachte Darstellung der Struktur des Modells für die neurologische Frührehabilitation der Phase B mRS-Einstufung bei Entlassung aus akutstationärer Behandlung mRS-Einstufung bei Aufnahme in neurolog. Frühreha Phase B mRS: 5 mRS: 5 aus akutstationär entlassene Fälle in Reha Phase B aufgenommene Fälle mRS-Einstufung bei Entlassung aus neurolog. Frühreha Phase B mRS: 6 in Reha Phase B verstorbene Fälle mRS: 5 mRS: 4 mRS: 4 aus akutstationär entlassene Fälle in Reha Phase B aufgenommene Fälle mRS: 3 mRS: 3 aus akutstationär entlassene Fälle in Reha Phase B aufgenommene Fälle mRS: 2 mRS: 2 aus akutstationär entlassene Fälle in Reha Phase B aufgenommene Fälle mRS: 1 mRS: 1 aus akutstationär entlassene Fälle in Reha Phase B aufgenommene Fälle aus Reha Phase B entlassene Fälle mRS: 4 aus Reha Phase B entlassene Fälle mRS: 3 aus Reha Phase B entlassene Fälle mRS: 2 aus Reha Phase B entlassene Fälle mRS: 1 aus Reha Phase B entlassene Fälle Quelle: IGES Die so ermittelte DALY-Veränderung im Zeitraum der neurologischen Rehabilitation der Phase B kann nicht ausschließlich auf die im Rahmen der Rehabilitation erbrachten Leistungen zurückgeführt werden. Aussagen darüber, inwieweit die Veränderung der Falleinstufung nach mRS-Klassen zwischen Aufnahme und Entlassung bzw. inwieweit der DALY-Effekt den Rehabilitationsleistungen zuordenbar ist, können nicht getroffen werden, da keine entsprechenden Studien vorliegen, die die Effekte auf Ebene der mRS-Skala für rehabilitierte und nicht rehabilitierte Hirninfarktpatienten vergleichen (NICE [National Institute for Health and Care Excellence] 2013). Bei Anpassungen der Anzahl der in die neurologische Frührehabilitation der Phase B aufgenommenen Hirninfarktfälle verändern sich auch die DALY-Volumina bei RehaAufnahme und -Entlassung. 3.4.4 Basisinformationen zur neurologischen Frührehabilitation Phase B Die Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen hat bereits im Jahr 2007 das Projekt neurologische Frührehabilitation (Phase B) nach einem Schlaganfall etabliert, bei dem es sich um eine verpflichtende Qualitätssicherungsmaßnahme handelt (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] o. J.) und für die Jahresauswertungen auch differenziert für die Hirninfarktpatienten (n=1.034) vorliegen (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] 2013b). Für die Hirninfarktpatienten wird ein Jahresbericht veröffentlicht, der u. a. ausweist, in welche mRS-Kategorien die Fälle am Aufnahmetag und bei der Überleitung aus der neurologischen Frührehabilitation Phase B eingestuft worden sind. Die Ergebnisse zeigen, dass die neurologische Frührehabilitation Phase B 88 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 (definitionsgemäß) nahezu ausschließlich für Hirninfarktpatienten erbracht wird, die schwere (77 %) oder mittelschwere (21 %) Funktionseinschränkungen aufweisen. Während der neurologischen Frührehabilitation Phase B werden nach dieser Datengrundlage bei den hier behandelten Patienten deutliche Verbesserungen des Funktionsniveaus erreicht. Der Anteil der Patienten mit einer mRS-5-Einstufung verringert sich zwischen Aufnahme und Entlassung von 77 % auf 31 %, der Anteil der Patienten mit einer mRS-3-Einstufung erhöht sich von 2 % auf fast 16 %. Die Sterblichkeitsrate liegt im Reha-Kollektiv bei 5,9 % (vgl. Tabelle 26). Tabelle 26: Einstufung der in der neurologischen Frührehabilitation Phase B (Hessen) behandelten Hirninfarktpatienten am Aufnahmetag und bei Entlassung, Jahr 2012 modified Rankin-Scale-Einstufung am Aufnahmetag bei Entlassung/Verlegung 0 – Keine Symptome 0,1 % 0,0 % 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung trotz Symptomen (kann alle gewohnten Aufgaben und Aktivitäten verrichten) 0,0 % 0,2 % 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung (unfähig alle früheren Aktivitäten zu verrichten, ist aber in der Lage, die eigenen Angelegenheiten ohne Hilfe zu erledigen) 0,1 % 1,8 % 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung (bedarf einiger Unterstützung, ist aber in der Lage, ohne Hilfe zu gehen) 2,1 % 15,6 % 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung (unfähig ohne Hilfe zu gehen, ohne Hilfe für die eigenen körperlichen Bedürfnisse zu sorgen) 20,8 % 45,6 % 5 – Schwere Funktionseinschränkung (bettlägerig, inkontinent, bedarf ständiger Pflege und Aufmerksamkeit) 76,9 % 30,9 % 6 – Tod Quelle: 5,9 % (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] 2013b) Die in der neurologischen Frührehabilitation Phase B mit einer Einweisungsdiagnose Hirninfarkt behandelten Fälle wiesen am Aufnahmetag zu 99 % einen FrührehabilitationsBarthel-Indexwert20 von weniger als 30 Punkten auf. 32,4 % aller Fälle hatten am Aufnahmetag eine intensivmedizinisch überwachungsbedürftige Störung. Die mittlere Fallverweildauer lag bei 40 Tagen (Median 34 Tage). 27,1 % aller Patienten wurden nach Ab- 20 Der Frührehabilitations-Barthel-Index stellt eine frührehabilitationsorientierte Erweiterung des Barthel-Index dar. Er wird als Kombination des Barthel-Index und zusätzlicher Kriterien des Frührehabilitations-Index (bspw. Intensivmedizinisch überwachungspflichtiger Zustand, Intermittierende Beatmung) mit negativen Punktwerten ermittelt. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 89 schluss der Phase B-Rehabilitation in ein Pflegeheim entlassen, 16,8 % nach Hause (davon 0,6 % selbständig, 5,9 mit Laienunterstützung und 10,3 % mit professioneller Hilfe), ein Drittel in eine andere stationäre Rehabilitation und 16,7 % in eine Akutklinik (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] 2013b). Da aufgrund der Dokumentationsverpflichtung im Rahmen der Qualitätssicherung Hessen von einer Vollerhebung der Fälle in einer neurologischen Frührehabilitation Phase B ausgegangen werden kann, lässt sich für Hessen abschätzen, wie hoch der Anteil der Hirninfarktpatienten ist, die nach einer akutstationären Krankenhausbehandlung eine neurologische Frührehabilitation Phase B erhalten haben. 2012 wurden 1.186 Fälle mit einer mRS-Einstufung der Kategorie 5 aus der akutstationären Behandlung entlassen und 795 Fälle mit derselben mRS-Einstufung bei Aufnahme in die Phase B-Behandlung dokumentiert. Demnach erhalten schätzungsweise 67 % aller aus der akutstationären Behandlung mit mRS-5-Einstufung entlassen Patienten im Status quo eine neurologische Frührehabilitation Phase B (entspricht dem „Versorgungsanteil Reha-Phase B bei mRS 5). Bei den Fällen mit einem mRS-4-Entlassungsstatus beläuft sich der Phase BVersorgungsanteil auf ca. 11,5 % (1.865 aus akutstationär entlassene Fälle, 215 Fälle in neurologischer Frührehabilitation Phase B) (vgl. Tabelle 27). Wanderungseffekte über Landesgrenzen hinweg können diese Versorgungsanteile ggf. beeinflussen, können allerdings mittels der vorliegenden Datengrundlage nicht nachvollzogen werden. 90 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 27: 3 Versorgungsanteile der neurologischen Rehabilitation der Phase B nach mRS-Klassen an allen aus der akutstationären Versorgung entlassenen Fällen, Jahr 2012 modified Rankin-Scale Einstufung Fälle bei akutstationärer Entlassung bei Aufnahme in die Rehabilitation Phase B Versorgungsanteil der Rehabilitation Phase B 0 – Keine Symptome 2.655 1 0,0 % 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung trotz Symptomen (kann alle gewohnten Aufgaben und Aktivitäten verrichten) 3.236 0 0,0 % 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung (unfähig alle früheren Aktivitäten zu verrichten, ist aber in der Lage, die eigenen Angelegenheiten ohne Hilfe zu erledigen) 2.659 1 0,0 % 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung (bedarf einiger Unterstützung, ist aber in der Lage, ohne Hilfe zu gehen) 2.051 22 1,1 % 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung (unfähig ohne Hilfe zu gehen, ohne Hilfe für die eigenen körperlichen Bedürfnisse zu sorgen) 1.865 215 11,5 % 5 – Schwere Funktionseinschränkung (bettlägerig, inkontinent, bedarf ständiger Pflege und Aufmerksamkeit) 1.186 795 67,0 % 888 0 0,0 % 6 – Tod Quelle: (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] 2013a), (GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] 2013b); eigene Darstellung und Berechnung IGES 3.4.5 Modellannahmen Für die Modellierung der neurologischen Frührehabilitation Phase B wird, wie in den vorherigen Abschnitten begründet, ausschließlich auf die Informationen aus dem Jahresbericht 2012 der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen für die neurologische Frührehabilitation Phase B zurück gegriffen. In diesem Jahresbericht sind die Ergebnisse überwiegend hoch aggregiert ausgewiesen. Auf dieser Grundlage kann nicht nachvollzogen werden, wie sich die mRS-Einstufung der einzelnen Behandlungsfälle zwischen der Aufnahme in die neurologische Frührehabilitation Phase B und der Entlassung verändert hat. So liegen bspw. keine Informationen darüber vor, zu welchen Anteilen die Hirninfarktpatienten mit einer mRS-5Aufnahmeeinstufung zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Rehabilitation in der mRS-5Klasse verblieben, verstorben sind oder in niedrigere mRS-Klassen eingestuft sind. Auch eine mRS-genaue Unterteilung nach einzelnen Altersgruppen und Geschlecht der Fälle in der neurologischen Rehabilitation Phase B ist nicht möglich, da diese Informationen in den verwendeten Basisdaten (vgl. Abschnitt 3.4.4) nicht differenziert vorliegen. Als 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 91 DALY je Fall in der Rehabilitation werden sowohl bei Rehabilitationsaufnahme als auch -entlassung die bei der Krankenhausentlassung je mRS-Klasse ermittelten durchschnittlichen DALY je Fall angesetzt (vgl. Abschnitt 3.3.5.1). Damit wird angenommen, dass sich die Struktur der Rehabilitationsfälle in den einzelnen mRS-Klassen nicht von jener bei Entlassung aus dem Krankenhaus unterscheidet. Veränderungen der DALY-Last des gesamten Rehabilitationskollektives ergeben sich im Modell für die neurologische Rehabilitation Phase B demnach allein durch die zwischen dem Zeitpunkt der Aufnahme in die Rehabilitation und der Entlassung veränderte Verteilung der Fälle auf die einzelnen mRSKlassen. Zur Abschätzung der Größe des Reha-Kollektives in der IST-Versorgung werden die in Hessen nach den einzelnen mRS-Klassen abgeleiteten Phase B-Versorgungsanteile auf die in Abschnitt 3.3.5.1 für Deutschland insgesamt ermittelten Fallzahlen in den einzelnen mRS-Klassen bei akutstationärer Entlassung angewendet. In einem Optimierungs-Szenario wird die absolute Anzahl der Fälle erhöht, die eine neurologische Rehabilitation Phase B erhalten. Diese zusätzlich in der Rehabilitation versorgten Fälle verteilen sich sowohl bei der Aufnahme als auch bei der Entlassung wie im Status quo auf die einzelnen mRS-Klassen. Auf die Erstellung eines fiktiven „Null-Szenario“, also eines Szenarios, in dem angenommen würde, dass kein einziger Hirninfarktpatient eine Versorgung in der neurologischen Rehabilitation Phase B erhält, wird verzichtet. In einem solchen Null-Szenario müssten Annahmen darüber getroffen werden, wie die Versorgung der schwer vom Hirninfarkt betroffenen Patienten anderweitig sichergestellt werden könnte, da deren Übergang in andere Rehabilitationsphasen oder die Nachsorge zum Zeitpunkt der Entlassung aus der akutstationären Versorgung (noch) nicht möglich ist. 3.4.6 Ergebnisse der Modellierung In diesem Abschnitt werden zunächst die Ergebnisse des Status quo-Szenarios beschrieben, in dem die Modellannahmen ohne weitere Anpassungen auf alle erstmaligen Hirninfarktfälle in Deutschland (eines Jahres) angewendet werden. In einem Optimierungs-Szenario werden die „Versorgungsanteile Phase B“, d. h. die Anzahl der Patienten, die nach akutstationärer Behandlung eine Weiterversorgung in der neurologischen Frührehabilitation der Phase B erhalten, leicht erhöht. Hieraus ergibt sich ein gegenüber dem Status quo veränderter DALY-Effekt, der ausschließlich der Anpassung der „Versorgungsanteile Phase B“ und nicht der Veränderung von Versorgungsinhalten der neurologischen Frührehabilitation o. ä. zuzurechnen ist. 3.4.6.1 Modellergebnisse der „IST-Versorgung“ Bei Anwendung der oben beschriebenen Modellannahmen auf die 153.800 pro Jahr auftretenden erstmaligen Hirninfarkte nach mRS-Klassen (die dem akutstationären Modell entnommen werden) ist von etwa 10,3 Tausend Patienten mit einem erstmaligen Hirninfarkt auszugehen, die im Anschluss an die akutstationäre Versorgung eine neurologische Frührehabilitation Phase B erhalten. Von den 11,7 Tausend Fällen, die die akutstationäre Versorgung mit einer mRS-Einstufung 5 verlassen, erhalten etwa 7,9 Tausend (67 %) eine neurologische Rehabilitation der Phase B, von den 19,1 Tausend Fällen mit einer mRS-4-Einstufung etwa 2,2 Tausend (11,5 %). Nach diesen Annahmen erhalten insgesamt etwa 7,1 % aller akutstationär entlassenen Fälle (ohne die im Krankenhaus verstorbenen Fälle) eine neurologische Frührehabilitati21 on Phase B. 21 In einer relativ aktuellen Untersuchung wurde auf der Grundlage von Daten des Qualitätssicherungsprojektes Schlaganfall Nordwestdeutschland (Jahre 2010 und 2011) analysiert, welche Rehabilitationsleistungen 92 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Den in die neurologische Rehabilitation der Phase B aufgenommenen Fällen sind, aufgrund ihrer mRS-Einstufungen zum Zeitpunkt ihrer Entlassung aus der Akutversorgung bzw. ihrer Aufnahme in die Frührehabilitation, 144 Tausend DALY zugeordnet. Dies entspricht im Durchschnitt 13,9 DALY je Fall (vgl. Abbildung 28). Diese deutlich überdurchschnittlich hohe DALY-Last des Reha-Kollektivs ergibt sich aus den schweren Funktionseinschränkungen (mRS-Einstufungen) der Fälle, die sich über hohe disability weigths und ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko ausdrücken und in der DALY-Berechnung entsprechende Berücksichtigung finden. Bei Entlassung aus der neurologischen Rehabilitation Phase B beläuft sich das DALYVolumen des gesamten Reha-Kollektives auf 129 Tausend DALY oder durchschnittlich 12,5 DALY je Fall (vgl. Abbildung 28). Für die in der neurologischen Rehabilitation der Phase B versorgten Patienten verringert sich die DALY-Last zwischen Aufnahme und Entlassung damit um etwa 14,3 Tausend DALY bzw. 1,4 DALY je Fall (vgl. Abbildung 28). Wie einleitend ausgeführt, kann dieser DALY-Effekt nicht mit Sicherheit allein den Leistungen der neurologischen Frührehabilitation Phase B zugerechnet werden. Die Modellrechnung überschätzt den DALY-Effekt der Rehabilitation, sofern auch ohne diese Versorgung eine Besserung der Funktionseinschränkungen eintreten würde. Die Modellrechnung unterschätzt den DALY-Effekt, sofern sich ohne die Rehabilitation eine weitere Verschlechterung der Funktionseinschränkungen der Hirninfarktpatienten ergäbe. Da in der neurologischen Frührehabilitation Phase B ausschließlich Patienten mit schweren Funktionseinschränkungen behandelt werden (siehe oben), die einer intensiven und kontinuierlichen Versorgung bedürfen, ist u. E. eher zu erwarten, dass die Modellannahmen den tatsächlichen Reha-Effekt noch unterschätzen. für die Hirninfarkt-Patienten nach der akutstationären Entlassung durchgeführt wurden bzw. vorgesehen waren. Demnach war eine neurologische Phase B-Rehabilitation bei 8,4 % aller betrachteten Fälle vorgesehen (Unrath et al. 2013) und damit für eine etwas größere Patientengruppe, als sich dies nach den getroffenen Modellannahmen ergibt. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 28: 93 Fallverteilungen und DALY bei Aufnahme in und Entlassung aus der neurologischen Frührehabilitation Phase B („Status quo-Szenario“) mRS-Einstufung bei Entlassung aus akutstationärer Behandlung Aufnahme in neurolog. Frühreha Phase B mRS-Einstufung bei Entlassung aus neurolog. Frühreha Phase B mRS: 6 – Tod 0,6 Tsd Fälle / 8,8 Tsd DALY mRS: 5 – Schwere Funktionseinschränkung mRS: 5 mRS: 5 – Schwere Funktionseinschränkung 11,7 Tsd Fälle 7,9 Tsd Fälle (67 %) 3,2 Tsd Fälle / 46,3 Tsd DALY 114,1 Tsd DALY mRS: 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung mRS: 4 mRS: 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung 19,1 Tsd Fälle 2,2 Tsd Fälle (11,5 %) 4,7 Tsd Fälle / 58,2 Tsd DALY 27,3 Tsd DALY mRS: 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung mRS: 3 mRS: 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung 21,8 Tsd Fälle 0,2 Tsd Fälle (1,1 %) 1,6 Tsd Fälle / 14,6 Tsd DALY 2,1 Tsd DALY mRS: 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung mRS: 2 mRS: 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung 21,8 Tsd Fälle < 0,1 Tsd Fälle (0,04 %) 0,2 Tsd Fälle / 1,3 Tsd DALY 0,1 Tsd DALY mRS: 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung < 0,1 Tsd Fälle / 0,1 Tsd DALY 143,6 Tsd DALY / 13,9 DALY je FALL Quelle: 129,3 Tsd DALY / 12,5 DALY je FALL GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] (2013b); eigene Berechnungen IGES 3.4.6.2 Modellergebnisse des „Optimierungs-Szenarios“ In dem Optimierungs-Szenario wird modelliert, welche DALY-Last zusätzlich vermieden werden kann, wenn der Anteil der Patienten, der nach Abschluss der akutstationären Versorgung aufgrund eines Hirninfarktes eine neurologische Frührehabilitation der Phase B erhält („Versorgungsanteil Phase B“), leicht erhöht wird. Im Optimierungs-Szenario wird davon ausgegangen, dass insgesamt 1.200 mehr Hirninfarktpatienten als im Status quo-Szenario eine neurologische Rehabilitation Phase B erhalten. Damit erhöht sich Fallzahl insgesamt von 10,3 Tausend auf 11,5 Tausend und damit um etwa 12 %. Diese zusätzlichen Fälle verteilen sich bei ihrer Aufnahme in die Rehabilitation auf die mRS-Klassen wie im Status quo. 77 % der zusätzlich in der Phase B rehabilitierten Fälle werden mit einer mRS-5-Einstufung aufgenommen (ca. + 920 Fälle), 21 % mit einer mRS-4-Einstufung (ca. + 250 Fälle), 2,1 % mit einer mRS-3Einstufung (ca. + 30 Fälle). Damit werden im Optimierungs-Szenario ca. 75 % aller bei der Krankenhausentlassung in die mRS-Klasse 5 eingestuften Fälle und ca. 13 % aller bei der Krankenhausentlassung in die mRS-Klasse 4 eingestuften Fälle nach der Krankenhausentlassung in der neurologischen Rehabilitation Phase B versorgt. Bei Aufnahme in die Frührehabilitation beläuft sich das DALY-Volumen des nunmehr stärker besetzten Rehabilitationskollektivs auf etwa 160 Tausend DALY. Bei Entlassung hat sich das DALY-Volumen der Patientengruppe auf etwa 144 Tausend DALY verringert. Der Rückgang der DALY-Last beträgt zwischen Aufnahme und Entlassung demnach etwa 16 Tausend DALY (vgl. Abbildung 29). Im Optimierungs-Szenario verringert sich die DALY-Last der Hirninfarkt-Patienten um ca. 1.700 DALY gegenüber dem Status quo-Szenario. 94 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 29: Fallverteilungen und DALY bei Aufnahme in und Entlassung aus der neurologischen Frührehabilitation Phase B („Optimierungs-Szenario“) mRS-Einstufung bei Entlassung aus akutstationärer Behandlung Aufnahme in neurolog. Frühreha Phase B mRS-Einstufung bei Entlassung aus neurolog. Frühreha Phase B mRS: 6 – Tod 0,7 Tsd Fälle ( + 70 Fälle) mRS: 5 – Schwere Funktionseinschränkung mRS: 5 mRS: 5 – Schwere Funktionseinschränkung 11,7 Tsd Fälle 7,8 -> 8,8 Tsd Fälle 3,6 Tsd Fälle / ( + 370 Fälle) (67 % ->75 %) mRS: 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung mRS: 4 mRS: 4 – Mittelschwere Funktionseinschränkung 19,1 Tsd Fälle 2,2 -> 2,4 Tsd Fälle 5,2 Tsd Fälle ( + 550 Fälle) (11,5 % -> 12,8 %) mRS: 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung mRS: 3 mRS: 3 – Mäßiggradige Funktionseinschränkung 21,8 Tsd Fälle 0,2 -> 0,3 Tsd Fälle 1,8 Tsd Fälle ( + 190 Fälle) (1,1 % -> 1,2 %) mRS: 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung mRS: 2 mRS: 2 – Geringgradige Funktionseinschränkung 21,8 Tsd Fälle < 0,1 Tsd Fälle (0,04 %) 0,2 Tsd Fälle ( + 20 Fälle) mRS: 1 – Keine wesentliche Funktionseinschränkung < 0,1 Tsd Fälle Quelle: 3 GQH [Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen] (2013b); eigene Berechnungen IGES 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3.5 Ambulante Heilmittelversorgung 3.5.1 Zusammenfassung 95 Die ambulante Heilmittelversorgung ist für viele Hirninfarktpatienten nach der Entlassung aus dem akutstationären Aufenthalt oder nach der letzten ambulanten oder stationären Rehabilitationsmaßnahme von großer Bedeutung, um das wieder erreichte Funktionsniveau zu erhalten oder noch zu verbessern. Allerdings konnten keine Studien identifiziert werden, die die Effekte der ambulanten Heilmittelleistungen nach einem Schlaganfall bzw. Hirninfarkt in der für die Modellierung erforderlichen Form untersucht und quantifiziert haben. Die ambulante Heilmittelversorgung wird unter den Aspekten Leistungsbeginn, Leistungsart, Leistungsintensität und Leistungskontinuität/-dauer für die Fälle mit einem erstmaligen Hirninfarkt unter Verwendung der DAK-Routinedaten analysiert. Mittels der Routinedaten kann die Entwicklung des Funktionsniveaus der Fälle mit einem Hirninfarkt nicht abgebildet werden. Allerdings können ggf. problematische Aspekte der ambulanten Heilmittelversorgung dieser Patientengruppe in der post-akuten und chronischen Phase empirisch unterlegt werden. Den Bezugsrahmen bildet hier (soweit möglich) die Heilmittel-Richtlinie. Leistungsbeginn: 44 % aller Patienten mit einem erstmaligen Hirninfarkt erhielten im ersten Halbjahr nach Entlassung aus dem Krankenhaus oder der Rehabilitation mindestens eine Physiotherapieverordnung, 16 % eine Ergotherapieverordnung und 13 % eine Verordnung logopädischer Leistungen (vgl. Abschnitt 3.5.3). Für diese Patienten gibt es deutliche Hinweise auf Verbesserungspotenziale im Hinblick auf einen möglichst zeitnah an die Entlassung aus dem Krankenhaus oder aus der Rehabilitation anschließenden Beginn der ambulanten Heilmittelversorgung (vgl. Abschnitt 3.5.4). Leistungsart (verordnete und in Anspruch genommene Heilmittel): Hinsichtlich der Anzahl der im Rahmen von Erst- und Folgeverordnungen verordenbaren Einzelleistungen orientieren sich die Leistungserbringer beim Gros der Leistungen am oberen Ende des im Heilmittelkatalog beschriebenen Mengenkorridors (vgl. Abschnitt 3.5.5). Leistungsintensität: Nur bei 5 % aller Inanspruchnahmen einer physiotherapeutischen Leistung betrug der Abstand zur vorhergehenden Inanspruchnahme (aus derselben Verordnung) im Durchschnitt mehr als eine Woche. In 17 % aller ergotherapeutischen Verordnungen und 26 % aller logopädischen Verordnungen lagen zwischen den einzelnen Inanspruchnahmen im Rahmen dieser Verordnung durchschnittlich mehr als sieben Tage. Die Frequenzempfehlungen der Heilmittel-Richtlinie konnten in diesen Fällen nicht realisiert werden (vgl. Abschnitt 3.5.6). Leistungskontinuität/-dauer: Abhängig von der Heilmittelart erhielten zwischen 25 % (Ergotherapie) und 31 % (Logopädie) aller Fälle mit mindestens einer Verordnung der jeweiligen Heilmittelart im ersten Halbjahr nach ihrer Entlassung lediglich eine ambulante Heilmittelverordnung und damit nach der Erstverordnung keine Folgeverordnung. Unter der Annahme, dass erst ab drei Verordnungen pro Halbjahr eine Therapiekontinuität gegeben ist, fallen die entsprechenden Anteile mit 46 % unter den Fällen mit mindestens einer logopädischen Verordnung, 54 % unter den Fällen mit mindestens einer Physiotherapieverordnung und 57 % unter den Fällen mit mindestens einer Verordnung ergotherapeutischer Leistungen eher gering aus (vgl. Abschnitt 3.5.7). Etwa 60 % aller Hirninfarktpatienten mit mindestens zwei Verordnungen physiotherapeutischer Leistungen erhielten noch während der Ausführung der ersten Verordnung oder innerhalb der ersten Woche nach der letzten Inanspruchnahme der ersten Verordnung eine zweite Verordnung. Entsprechend war die Kontinuität der ambulanten Physiotherapeutischen Versorgung bei etwa 40 % der Hirninfarktpatienten für länger als eine Woche unterbrochen, für 14 % sogar für länger als fünf Wochen. Bei den Ergotherapien erfolgte die zweite Verordnung in 30 % aller Fälle und bei der Logopädie in 26 % aller Fälle erst 96 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 später als eine Woche nach der letzten Inanspruchnahme aus der ersten Verordnung. Diese Ergebnisse deuten, insbesondere bei der Verordnung physiotherapeutischer Leistungen, auf ein erhebliches Verbesserungspotenzial bei der Gewährleistung einer zeitnah an die letzte Leistung aus der ersten Verordnung anschließende zweite Verordnung hin (vgl. Abschnitt 3.5.7). 3.5.2 Einleitung In diesem Abschnitt wird die (ambulante) Nachsorge mit Heilmitteln nach Abschluss der akutstationären Versorgung bzw. der postakuten Rehabilitation in einer stationären oder ambulanten Einrichtung für Patienten mit einem erstmaligen Hirninfarkt analysiert. Maßnahmen der Physikalischen Therapie, der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie und der Ergotherapie stellen die nach einem Hirninfarkt wesentlichen Heilmittelleistungen dar. Der Heilmittelkatalog (indikationsbezogener Katalog verordnungsfähiger Heilmittel nach § 92 Abs. 6 SGB V) regelt die Indikationen, bei denen Heilmittel verordnungsfähig sind, die Art der verordnungsfähigen Heilmittel bei den jeweiligen Indikationen sowie die Menge (des Regelfalls) der verordnungsfähigen Heilmittel je Diagnosegruppe und die Besonderheiten bei Folgeverordnungen. Im Katalog sind weiterhin die Leitsymptomatiken je Diagnosegruppe, die Therapieziele und Empfehlungen zur Therapiefrequenz der verordnungsfähigen Heilmittel aufgeführt. Im Bereich der ambulanten Heilmittelversorgung kann die in den anderen Leistungsbereichen des DAK-Versorgungsreports verwendete Methodik – wie auch schon bei Thema Neurologische Frührehabilitation Phase B – nicht angewendet werden. Ausschlaggebend hierfür ist, dass nur wenige Untersuchungen/ Studien existieren, die die Effekte der ambulanten Heilmittelleistungen nach einem Schlaganfall bzw. Hirninfarkt – wie für die Modellierung erforderlich – quantifizieren. Zudem kommen die vorliegenden Untersuchungen zu uneinheitlichen Ergebnissen, wobei sich in der Tendenz Aussagen zu allenfalls geringgradigen funktionellen Verbesserungen zeigen. Die ambulante Heilmittelversorgung nach einem Hirninfarkt war bei der Festlegung der im DAK-Versorgungsreport zu untersuchenden Leistungsbereiche Gegenstand intensiver Diskussionen, auch mit den die Erstellung des Versorgungsreports begleitenden Experten. Aus diesem Grund wurde entschieden, sowohl den Leistungsbeginn als auch Leistungsart (verordnete und in Anspruch genommene Heilmittel), Leistungsintensität und Leistungskontinuität/-dauer der ambulanten Heilmittelversorgung für die Fälle mit einem erstmaligen Hirninfarkt zu analysieren. Mittels Auswertungen der DAK-Routinedaten zu diesen vier Themenkomplexen werden in diesem Abschnitt möglicherweise problematische Aspekte der ambulanten Heilmittelversorgung dieser Patientengruppe in der post-akuten und chronischen Phase untersucht. Die Datenbasis aller in diesem Kapitel beschriebenen Auswertungen/Ergebnisse stellen ausschließlich die DAK-Routinedaten dar. Damit unterscheiden sich Datengrundlagen des Kapitels von den übrigen im DAK-Versorgungsreport Schlaganfall untersuchten Themen, die neben den Routinedaten auch Studienergebnisse oder andere Datenquellen einbeziehen. Heilmittelverordnungen werden von den Vertragsärzten ausgestellt. Eine Verordnung ist nur dann in den Routinedaten der DAK abgebildet, wenn Heilmittelleistungen abrechnungsrelevant werden, d. h. eine Leistungsinanspruchnahme durch einen Versicherten erfolgt ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass alle nicht in Anspruch genommenen Heilmittelverordnungen, bspw. weil innerhalb der Gültigkeitsfrist der Verordnung kein Heilmittelerbringer aufgesucht wurde oder verfügbar war, in den Routinedaten nicht enthalten und mithin nicht auswertbar sind. Die Auswertungen werden für folgende zwei Fallgruppen durchgeführt: x Gruppe A: DAK-Versicherte mit einem erstmaligen Hirninfarkt im Jahr 2011 und ohne eine in den DAK-Daten nachvollziehbare stationäre oder ambulante Rehabilitation innerhalb eines Jahres nach der Entlassung aus der akutstationären 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung x 97 Versorgung (Ausnahme: direkt an die akutstationäre Versorgung anschließende neurologische Frührehabilitation der Phase B in einem Krankenhaus)22, 23 (n = 5.949), Gruppe B: DAK-Versicherte mit einem erstmaligen Hirninfarkt im Jahr 2011 und mit einer in den DAK-Daten nachvollziehbaren stationären oder ambulanten Rehabilitation nach der Entlassung aus der akutstationären Versorgung, die spätestens innerhalb von vier Wochen nach der Entlassung aus der akutstationären Versorgung beginnt (n = 3.690). Diese getrennte Betrachtung wurde vorgenommen, um ggf. vorliegende Unterschiede in der Patientenversorgung zwischen der direkten Entlassung aus dem Krankenhaus und der Entlassung aus der Rehabilitation, die sich auch über mehrere Rehabilitationsphasen und einen längeren Zeitraum nach der akutstationären Versorgung erstrecken kann, beschreiben zu können. Für beide Gruppen wurden die Heilmittelverordnungen und die -leistungen innerhalb eines halben Jahres nach der Entlassung aus dem Krankenhaus (Gruppe A) bzw. aus der (letzten) Rehabilitation im ersten Halbjahr nach Krankenhausentlassung (Gruppe B) betrachtet. Für die Gruppe A wurde zusätzlich ein Betrachtungszeitraum von einem Jahr nach dem Hirninfarktereignis untersucht (vgl. Abbildung 30). Abbildung 30: Gruppe A „Fälle ohne Reha“ Nachbetrachtungszeitraum 183 Tage Nachbetrachtungszeitraum 365 Tage Gruppe B „Fälle mit Reha“ Nachbetrachtungszeitraum 183 Tage Quelle: Nachbetrachtungszeiträume für die Fallgruppen A und B Entlassung aus der akutstationären Versorgung Heilmittelverordnungen/-inanspruchnahme innerhalb von 183 Tagen nach Entlassung aus der akutstationären Versorgung Heilmittelverordnungen /-inanspruchnahme innerhalb von 365 Tagen nach Entlassung aus der akutstationären Versorgung Entlassung aus der akutstationären Versorgung Beginn amb. oder stat. Rehabilitation Entlassung aus der letzten Rehabilitation Heilmittelverordnungen/-inanspruchnahme innerhalb von 183 Tagen nach Entlassung aus der letzten Rehabilitation IGES Ausgeschlossen wurden Versicherte, die innerhalb eines Jahres nach dem Hirninfarkt verstorben sind oder die Krankenkasse gewechselt haben. Zudem wurden jene Versicherte mit einem erstmaligen Hirninfarkt im Jahr 2011 nicht berücksichtigt, die später als vier Wochen und innerhalb eines Jahres nach der akutstationären Entlassung eine stationäre oder ambulante Rehabilitation erhalten haben. In diesen Konstellationen können 22 Für Fallzusammenführungen bei Verlegung gelten auch hier die in Abschnitt 2.2.1 beschriebenen Regelungen. 23 Ein Teil dieser Patienten hat möglicherweise eine Rehabilitation erhalten, bei der die Gesetzliche Rentenversicherung Kostenträger war. Diese Daten standen für die hier beschriebenen Analysen nicht zur Verfügung. 98 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 die ambulanten Heilmittelverordnungen nicht mehr (unmittelbar) dem erstmaligen Hirninfarktereignis zugeordnet werden.24 Für die Differenzierung der Analysen nach physiotherapeutischen Leistungen (PL), logopädischen Leistungen (LL) und ergotherapeutischen Leistungen (EL) wurden die einzelnen Heilmittelpositionsnummern diesen Heilmittelarten nach folgender Systematik zugeordnet: x x x Physiotherapie: Heilmittelpositionsnummern X0101 bis X2002 Logopädie: Heilmittelpositionsnummern X3001 bis X3401 Ergotherapie: Heilmittelpositionsnummern X4001 bis X4502 Die Information über eine Heilmittelverordnung liegt in den Daten der DAK-Gesundheit nur dann vor, wenn ein Versicherter auch mindestens eine Heilmittelleistung aus dieser Verordnung in Anspruch genommen hat. Jede Kombination aus einer Verordnung und einer Heilmittelinanspruchnahme im Rahmen dieser Verordnung ist mit dem Verordnungsund dem Inanspruchnahmedatum sowie der Heilmittelposition in den Daten enthalten. 3.5.3 Fälle mit ambulanter Heilmittelverordnung 36 % aller aus dem Krankenhaus entlassenen erstmaligen Hirninfarktpatienten ohne nachfolgende stationäre oder ambulante Rehabilitation (Gruppe A) erhielten im ersten halben Jahr nach der Entlassung mindestens eine PL-Verordnung, 44 % der Patienten dieser Gruppe innerhalb eines Jahres nach der Krankenhausentlassung. Von den Hirninfarktpatienten mit einer innerhalb von vier Wochen an die akutstationäre Versorgung anschließenden Rehabilitation (Gruppe B) erhielten innerhalb des ersten halben Jahres nach Abschluss der letzten Rehabilitationsmaßnahme 57 % eine PL-Verordnung und damit ein deutlich höherer Anteil als in Gruppe A. (vgl. Tabelle 28) Etwa 11 % der Fälle der Gruppe A erhielten innerhalb des ersten halben Jahres nach der Krankenhausentlassung eine EL-Verordnung und damit deutlich weniger als in der Fallgruppe B (25 %). Bei den LL-Verordnungen liegen diese Fallanteil in der Gruppe A bei 10 % und bei 18 % in der Gruppe B. (vgl. Tabelle 28). 24 Der Anteil der Fälle dieser Gruppe an allen erstmaligen Hirninfarktfällen ohne Verstorbene und ohne Kassenwechsler beläuft sich auf 3 %. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 28: 99 Anteil der Fälle mit einem erstmaligen Hirninfarkt und mit mindestens einer ambulanten Verordnung physiotherapeutischer und/oder ergotherapeutischer und/oder logopädischer Leistungen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen und 365 Tagen (nur Gruppe A) nach Entlassung Betrachtungszeitraum nach Entlassung Anteil aller Hirninfarktpatienten mit mindestens einer Verordnung physiotherapeutischer Leistungen ergotherapeutischer Leistungen logopädischer Leistungen Gruppe A: Betrachtungszeitraum 183 Tage nach Entlassung aus der akutstationären Versorgung 36 % 10 % 9% Gruppe A: Betrachtungszeitraum 365 Tage nach Entlassung aus der akutstationären Versorgung 44 % 11 % 10 % Gruppe B: Betrachtungszeitraum 183 Tage nach Entlassung aus der letzten Rehabilitation* 57 % 25 % 18 % Gruppen A und B: Betrachtungszeitraum 183 Tage nach Entlassung aus der akutstationären Versorgung bzw. nach Entlassung aus der letzten Rehabilitation* 44 % 16 % 13 % Anmerkung: * Nur Fälle deren letzte Rehabilitation innerhalb eines halben Jahres nach akutstationärer Entlassung endet, um einen Beobachtungszeitraum von einem halben Jahr gewährleisten zu können. Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Zusammenfassung 44 % aller Patienten mit einem erstmaligen Hirninfarkt erhielten im ersten Halbjahr nach Entlassung aus dem Krankenhaus oder der Rehabilitation mindestens eine Physiotherapieverordnung, 16 % eine Ergotherapieverordnung und 13 % eine Verordnung logopädischer Leistungen. Der Anteil der Fälle mit mindestens einer Verordnung innerhalb des ersten halben Jahres liegt – unabhängig von der Heilmittelart – in der Fallgruppe mit Entlassung aus der Rehabilitation deutlich über dem der Fallgruppe mit direkter Krankenhausentlassung. 3.5.4 Beginn der ambulanten Heilmittelversorgung Es wird davon ausgegangen, dass ein möglichst frühzeitiger Beginn der rehabilitativen Therapien nach dem Schlaganfallereignis den Therapieerfolg erhöht bzw. erhöhen kann. So sind sowohl das Stroke Unit-Konzept als auch die Struktur- und Leistungsformulierung der neurologischen Komplexbehandlungen bei Schlaganfall im akutstationären Bereich Ausdruck des Anspruches bzw. der Anforderung, mit den erforderlichen und möglichen Heilmitteltherapien zu einem möglichst nah am Akutereignis liegenden Zeitpunkt zu beginnen. 100 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin zum Schlaganfall beinhaltet die Aussage, dass für aus der Rehabilitation entlassene Patienten sichergestellt werden sollte, „…dass die erforderliche Therapie möglichst bald nach der Rückkehr in die häusliche Umgebung beginnen kann.“ (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012). Die zeitnahe Weiterversorgung nach dem Ende des stationären Aufenthaltes (Krankenhaus oder Rehabilitation) wird in älteren Analysen als defizitär beschrieben. Der GEKHeil- und Hilfsmittel-Report 2007 ermittelte, dass für die Schlaganfallpatienten, die keine Rehabilitationsmaßnahmen in Anspruch genommen hatten, im Mittel 40 Tage zwischen der stationären Entlassung und der (ersten) ambulanten Physiotherapieverordnung liegen. In diesem Report wird gefolgert, dass dieser stark verzögerte Beginn der ambulanten Therapien „…auch die Nachhaltigkeit der in den Kliniken begonnenen Frührehabilitation in Frage [stellt]“ (GEK [Gmünder ErsatzKasse] 2007: S. 76). Auch bei der Versorgung der Fälle mit einer dokumentierten Aphasie liegen nach der vorgenannten Untersuchung 40 Tage zwischen der stationären Entlassung und der ersten ambulanten logopädischen Verordnung, was als Indiz für die logopädische Unterversorgung der Schlaganfallpatienten interpretiert wird (GEK [Gmünder ErsatzKasse] 2007). Nachfolgend sind die Ergebnisse der Untersuchungen auf Basis der DAK-Daten zur Anzahl der Tage ausgewiesen, die zwischen der Entlassung aus dem Krankenhaus bzw. der Rehabilitation und der ersten ambulanten Heilmittelverordnung und zwischen dem Tag der ersten Verordnung und dem Tag der ersten Inanspruchnahme vergehen. Zeitraum zwischen der Entlassung aus der akutstationären Behandlung oder Rehabilitation und der ersten Heilmittelverordnung Zwischen der Entlassung und der ersten ambulanten Heilmittelverordnung lagen bei den physiotherapeutischen Leistungen im Durchschnitt 32 Tage, bei den ergotherapeutischen Leistungen im Durchschnitt 30 Tage und bei den logopädischen Leistungen im Durchschnitt 24 Tage. Der Abstand zwischen Entlassung und der ersten ambulanten Verordnung fiel in der Gruppe mit vorheriger Rehabilitation (Gruppe B) bei allen Heilmittelarten deutlich kürzer aus als in der Gruppe ohne vorherige Rehabilitation (Gruppe A) (vgl. Tabelle 29). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 29: Zeitraum zwischen Entlassung und erster ambulanter Heilmittelverordnung physiotherapeutischer und/oder ergotherapeutischer und/oder logopädischer Leistungen nach einzelnen Fallgruppen und Betrachtungszeiträumen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung Betrachtungszeitraum nach Entlassung Zeitraum zwischen Entlassung und erster amb. Verordnung physiotherapeutischer Leistungen Gruppe A: Betrachtungszeitraum 183 Tage nach Entlassung aus der akutstationären Versorgung Gruppe B: Betrachtungszeitraum 183 Tage nach Entlassung aus der letzten Rehabilitation* Gruppen A und B: Betrachtungszeitraum 183 Tage nach Entlassung aus der akutstationären Versorgung bzw. nach Entlassung aus der letzten Rehabilitation* Anmerkung: 101 ergotherapeutischer Leistungen logopädischer Leistungen 42 Tage 38 Tage 27 Tage 23 Tage 24 Tage 21 Tage 32 Tage 30 Tage 24 Tage * Nur Fälle deren letzte Rehabilitation innerhalb eines halben Jahres nach akutstationärer Entlassung endet, um einen Beobachtungszeitraum von einem halben Jahr gewährleisten zu können. Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Je nach Heilmittelart bewegt sich der Anteil der Fälle mit mindestens einer Verordnung, die ihre erste amb. Heilmittelverordnung innerhalb von zwei Wochen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus oder der Rehabilitation (Gruppe A und B) erhielten zwischen 57 % (EL) und 62 % (PL) (vgl. Tabelle 30). Nur bei 89 % aller Hirninfarktpatienten mit einer Verordnung physiotherapeutischer Leistungen wurden diese innerhalb von maximal 12 Wochen nach der Entlassung ausgestellt. Dies bedeutet, dass für 11 % aller Patienten zwischen der Entlassung und der ersten Verordnung einer PL mehr als 12 Wochen lagen. Bei den Patienten mit einer Verordnung ergotherapeutischer Leistungen 92 % der ersten Verordnung innerhalb von maximal 12 Wochen ausgestellt. Bei den Patienten mit einer Verordnung logopädischer Leistungen lag dieser Anteil bei 95 %. (vgl. Tabelle 30) In der Gruppe mit Entlassung aus einer Rehabilitation (Gruppe B) erfolgten die Verordnungen – unabhängig von der Heilmittelart – insgesamt zeitnäher zum Entlassungszeitpunkt als in der Gruppe mit Krankenhausentlassung (Gruppe A) (vgl. Tabelle 30). 102 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 30: 3 Anteil der Fälle mit einer ambulanten Heilmittelverordnung, bei denen zwischen Entlassung und erster Verordnung maximal 2/4/8/12 Wochen liegen nach Heilmittelarten, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung Betrachtungszeitraum nach Entlassung Fallanteil mit einer ambulanten Verordnung (an allen Fällen mit mind. einer Verordnung der jeweiligen Heilmittelart) physiotherapeutischer Leistungen ergotherapeutischer Leistungen logopädischer Leistungen Gruppe A: 1. Verordnung innerhalb von: – 2 Wochen – 4 Wochen – 8 Wochen – 12 Wochen 48 % 54 % 73 % 84 % 43 % 50 % 78 % 90 % 56 % 64 % 85 % 95 % Gruppe B: 1. Verordnung innerhalb von: – 2 Wochen – 4 Wochen – 8 Wochen – 12 Wochen 73 % 76 % 86 % 92 % 67 % 73 % 86 % 93 % 67 % 77 % 89 % 95 % Gruppe A und B: 1. Verordnung innerhalb von: – 2 Wochen – 4 Wochen – 8 Wochen – 12 Wochen 61 % 65 % 79 % 89 % Anmerkung: 57 % 64 % 83 % 92 % 62 % 71 % 87 % 95 % * Nur Fälle deren letzte Rehabilitation innerhalb eines halben Jahres nach akutstationärer Entlassung endet, um einen Beobachtungszeitraum von einem halben Jahr gewährleisten zu können. Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Zusammenfassung und Bewertung Die Ergebnisse deuten auf nach wie vor bestehende Verbesserungspotenziale bei dem zeitnah an die Entlassung aus dem Krankenhaus oder aus der Rehabilitation anschließenden Beginn der ambulanten Heilmittelversorgung hin. Zeitraum zwischen der ersten ambulanten Heilmittelverordnung und der ersten Leistungsinanspruchnahme aus dieser Verordnung Zwischen dem Zeitpunkt der ersten Verordnung und der ersten Leistungsinanspruchnahme aus diesen Verordnungen vergingen in allen betrachteten Gruppen und bei allen Heilmittelarten im Durchschnitt nur zwischen 5 und 6,2 Tage. Lediglich in wenigen Fällen – 2 % bei den PL, jeweils 3 % bei den EL und LL – erfolgt die erste Inanspruchnahme aus der ersten Verordnung später als zwei Wochen nach dem Tag der Verordnung. Zusammenfassung und Bewertung Die Ergebnisse könnten so gedeutet werden, dass keine größeren Probleme bei der Verfügbarkeit oder Erreichbarkeit von Erbringern physiotherapeutischer, ergotherapeutischer oder logopädischer Leistungen oder in den Prozessen zur Organisation der Leistungsinanspruchnahme nach der Leistungsverordnung bestehen. Wie einleitend ausgeführt, ist es mit GKV-Routinedaten nicht möglich, auch jene Heilmittelverordnungen auszuwerten, die von den Versicherten nicht in Anspruch genommen werden (konnten). Die Heilmittel- 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 103 Richtlinie sieht vor, dass mit der Behandlung innerhalb von 14 Kalendertagen nach der Heilmittelverordnung begonnen werden soll. Anderenfalls verliert die Verordnung ihre Gültigkeit und muss neu erfolgen.25 Insofern ist es vorstellbar, dass ein gewisser Anteil aller Verordnungen „verfällt“, da es nicht gelingt einen Termin für die erste Therapieeinheit zu organisieren und auch wahrzunehmen, der innerhalb dieser 2-Wochen-Frist liegt. Von den die Erstellung des DAKVersorgungsreports begleitenden Experten wurde die zeitlich (zu) enge Befristung der Heilmittelverordnungen gerade bei den Schlaganfallpatienten als relevantes Problem benannt. 3.5.5 Verordnete und in Anspruch genommene Heilmittel In diesem Abschnitt wird dargestellt, welche Heilmittelleistungen primär verordnet und in Anspruch genommen werden. Detaillierte Analysen, ob die Therapien – der Leitlinie der DEGAM (2012)folgend – auf die individuellen Defizite und Einschränkungen des Patienten abgestimmt sind, können mit den vorliegenden Daten nicht durchgeführt werden. Die für die Fälle der Gruppen A und B verordneten und erbrachten physiotherapeutischen Leistungen konzentrierten sich auf wenige Heilmittelpositionen. Größere Unterschiede bei der Verordnung und Inanspruchnahme zwischen den Fallgruppen A und B waren nicht feststellbar. Etwa 47 % aller Verordnungen und 45 % aller Inanspruchnahmen entfielen auf die Heilmittelpositionen „KG, auch Atemgymnastik, auch auf neurophysiologischer Grundlage“ (Physiotherapie; Nr. x0501). Die Anteile der verordneten bzw. der in Anspruch genommenen Leistungen an allen PL-Verordnungen bzw. PLInanspruchnahmen lagen für die Heilmittelpositionen „Krankengymnastik zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen, nach Vollendung des 18. Lebensjahres, nach Bobath (KG-ZNS nach Bobath)“ (Physiotherapie; Nr. x0710) bei 23 % bzw. 27 %. 10 % aller PL-Verordnungen und 11 % aller PL-Inanspruchnahmen entfielen auf die „Krankengymnastik zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen, nach Vollendung des 18. Lebensjahres, nach PNF (KG-ZNS nach PNF)“ (Physiotherapie; Nr. x0712). Die vier häufigsten physiotherapeutischen Heilmittelpositionen deckten insgesamt 84 % aller Heilmittelverordnungen und 87 % aller in Anspruch genommenen physiotherapeutischen Heilmittel ab. (vgl. Tabelle 31) 25 Grundsätzlich kann der Vertragsarzt auf dem Verordnungsvordruck auch eine Angabe zum spätesten Behandlungsbeginn machen. 104 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 31: Anteil der am häufigsten verordneten bzw. in Anspruch genommenen Physiotherapieverordnungen und -inanspruchnahmen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung Heilmittelpositionsnummer und Bezeichnung Anteil an allen PLVerordnungen Anteil an allen PLInanspruchnahmen* 10501, 20501, 60501 – Physiotherapie: KG, auch Atemgymnastik, auch auf neurophysiologischer Grundlage 47 % 45 % 7,6 20710, 60710 – Physiotherapie: Krankengymnastik zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen, nach Vollendung des 18. Lebensjahres, nach Bobath (KGZNS nach Bobath) 23 % 27 % 9,2 20712, 60712 – Physiotherapie: Krankengymnastik zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen, nach Vollendung des 18. Lebensjahres, nach PNF (KG-ZNS nach PNF) 10 % 11 % 9,2 10201, 20201, 60201 – Physiotherapie: Großbehandlung 4% 4% 7,3 Anmerkung: 3 Durchschnittliche Anzahl der Inanspruchnahmen je Verordnung * Berücksichtigt sind auch die Inanspruchnahmen, die später als 183 Tage nach Entlassung erfolgt sind, sofern deren Leistungsverordnung im Zeitraum von 183 Tagen nach Entlassung erfolgte. Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Die häufigsten ergotherapeutischen Heilmittelpositionen entsprachen den im Heilmittelkatalog vorgesehenen vorrangigen Leistungen. Mit den drei häufigsten Heilmitteln wurden 93 % aller Heilmittelverordnungen und 92 % aller in Anspruch genommenen ergotherapeutischen Leistungen abgedeckt (vgl. Tabelle 32). Zwischen den Fallgruppen A und B waren in Betrachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung keine wesentlichen Unterschiede festzustellen. Zwischen den Verordnungs- und Inanspruchnahmeanteilen zeigen sich auf der Ebene der einzelnen Heilmittelpositionen größere Unterschiede. Diese sind darauf zurückzuführen, dass je Verordnung der Leistung „Ergotherapie: Funktionsanalyse und Anamnese“ nur eine Inanspruchnahme erfolgt und bei den übrigen Heilmittelpositionen durchschnittlich mehr als 9 Inanspruchnahmen je Verordnung zu beobachten sind. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 32: 105 Anteil der am häufigsten verordneten bzw. in Anspruch genommenen Ergotherapieverordnungen und -inanspruchnahmen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung Heilmittelpositionsnummer und Bezeichnung Anteil an allen ELVerordnungen Anteil an allen EL- Inanspruchnahmen* Durchschnittliche Anzahl der Inanspruchnahmen je Verordnung 54103, 64103 – Ergotherapie: bei sensomotorischen/perzeptiv en Stör. 52 % 66 % 9,5 54002, 64002 – Ergotherapie: Funktionsanalyse und Anamnese 23 % 3% 1,0 54103, 64103 – Ergotherapie: bei motorischen Störungen 18 % 23 % 9,3 Anmerkung: * Berücksichtigt sind auch die Inanspruchnahmen, die später als 183 Tage nach Entlassung erfolgt sind, sofern deren Leistungsverordnung im Zeitraum von 183 Tagen nach Entlassung erfolgte. Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Die vier häufigsten logopädischen Heilmittelpositionen entsprachen den im Heilmittelkatalog vorgesehenen vorrangigen Leistungen. Sie deckten fast 100 % aller Heilmittelverordnungen und aller in Anspruch genommenen logopädischen Heilmittel ab (vgl. Tabelle 33). Für die Patienten der Fallgruppe B wurden, im Vergleich zur Gruppe A, öfter jene logopädischen Leistungen verordnet und in Anspruch genommen, in denen mehr Therapiezeit (60 bzw. 45 Minuten) mit dem Patienten zur Verfügung steht. Auch bei der Logopädie gibt es zwischen den Verordnungs- und Inanspruchnahmeanteilen größere Unterschiede. Hier erfolgen pro Verordnung der Leistung „Logopädie: Stimm-, sprech- und sprachtherapeutische Erstbefundung“ nur eine Inanspruchnahme und bei den übrigen Heilmittelpositionen durchschnittlich mehr als 9 Inanspruchnahmen je Verordnung. 106 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 33: Anteil der am häufigsten verordneten bzw. in Anspruch genommenen Logopädieverordnungen und -inanspruchnahmen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung Heilmittelpositionsnummer und Bezeichnung Anteil an allen LLVerordnungen Anteil an allen LLInanspruchnahmen* 33103,43103, 63103 – Logopädie: 45 Minuten (Therapiezeit mit dem Patienten) 56 % 75 % 9,9 33010,43010, 63010 – Logopädie: Stimm-, sprechund sprachtherapeutische Erstbefundung 28 % 4% 1,0 33102,43102, 63102 – Logopädie: 30 Minuten (Therapiezeit mit dem Patienten) 8% 10 % 9,4 33104,43104, 63104 – Logopädie: 60 Minuten (Therapiezeit mit dem Patienten) 8% 11 % 10,8 Anmerkung: 3 Durchschnittliche Anzahl der Inanspruchnahmen je Verordnung * Berücksichtigt sind auch die Inanspruchnahmen, die später als 183 Tage nach Entlassung erfolgt sind, sofern deren Leistungsverordnung im Zeitraum von 183 Tagen nach Entlassung erfolgte. Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Zusammenfassung und Bewertung Die für die Hirninfarktpatienten verordneten ambulanten Heilmittel entsprechen weitgehend den im Heilmittelkatalog vorrangig vorgesehenen Heilmitteln. Hinsichtlich der Anzahl der im Rahmen von Erst- und Folgeverordnungen verordenbaren Einzelleistungen kann beim Gros der Leistungen eine Orientierung der Leistungserbringer am oberen Ende des im Heilmittelkatalog beschriebenen Mengenkorridors festgestellt werden. 3.5.6 Intensität der Leistungserbringung Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin zum Schlaganfall beinhaltet mit der Empfehlungsstärke C (Expertenmeinung) folgende Aussage: „Intensive, individualisierte Therapie kann zu besseren Erfolgen, vor allem in den Alltagsaktivitäten führen.“ (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012). Weiterführende, verallgemeinerbare, belastbare Aussagen zur (empfehlenswerten) Intensität einzelner therapeutischer Maßnahmen in Abhängigkeit von Störungsbild und Behandlungsphase finden sich kaum. Eine individualisierte Therapie wird sich ohnehin sowohl hinsichtlich ihrer Dauer als auch der Intensität an den Bedürfnissen und Möglichkeiten des Patienten orientieren (müssen). Im Heilmittelkatalog ist für die nach einem Hirninfarkt geregelten physiotherapeutischen, logopädischen und ergotherapeutischen Leistungen eine Behandlungsfrequenz von mindestens 1x wöchentlich empfohlen. Nachfolgend sind die Ergebnisse der Untersuchungen zu den Zeitabständen zwischen den einzelnen Leistungsinanspruchnahmen ausgewiesen. Tageabstand zwischen den einzelnen Behandlungen einer Verordnung Für alle Verordnungen wurde ermittelt, wie viele Tage zwischen den einzelnen Inanspruchnahmen (Behandlungen) im Rahmen einer Verordnung liegen. Der Abstand zwi- 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 107 schen den einzelnen Physiotherapieterminen lag bei 95 % aller Inanspruchnahmen bei maximal 7 Tagen. Bei etwa 30 % aller Inanspruchnahmen betrug der Abstand zwischen den einzelnen Behandlungen sogar nur maximal zwei Tage (vgl. Abbildung 31). Zwischen der Gruppe A und der Gruppe B waren keine größeren Unterschiede der Frequenz der Inanspruchnahme feststellbar. Abbildung 31: Quelle: Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen physiotherapeutischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Zwischen den einzelnen Ergotherapieinanspruchnahmen im Rahmen einer Verordnung lag der Tagesabstand bei 90,5 % aller Inanspruchnahmen bei maximal 7 Tagen. Die Behandlungsfrequenz war insgesamt weniger hoch als bei den Physiotherapien (vgl. Abbildung 32). Größere Unterschiede bei der Frequenz der Inanspruchnahme waren zwischen der Gruppe A und der Gruppe B nicht festzustellen. 108 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 32: Quelle: 3 Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen ergotherapeutischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Der Abstand zwischen den einzelnen Logopädieinanspruchnahmen im Rahmen einer Verordnung lag bei 87 % aller Inanspruchnahmen bei maximal 7 Tagen. In etwa 6 % aller Inanspruchnahmen lag der Tagesabstand zur vorhergehenden Inanspruchnahme bei 14 Tagen oder höher (vgl. Abbildung 33). Zwischen der Gruppe A und der Gruppe B waren keine größeren Unterschiede der Frequenz der Inanspruchnahme feststellbar. Abbildung 33: Quelle: Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen logopädischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Durchschnittliche Behandlungsfrequenz im Rahmen einer Verordnung Für jede einzelne Verordnung wurde zudem ermittelt, wie viele Tage im Durchschnitt zwischen allen Inanspruchnahmen im Rahmen einer Verordnung liegen. Hierfür wurden je Verordnung und Heilmittelposition die Differenz zwischen dem Tag der letzten Inan- 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 109 spruchnahme und dem Tag der ersten Inanspruchnahme errechnet und diese Tagezahl durch die Anzahl aller Inanspruchnahmen in der jeweiligen Verordnung (reduziert um 1) dividiert. In 47 % aller physiotherapeutischen Verordnungen lagen zwischen den einzelnen Inanspruchnahmen der Verordnung im Durchschnitt mehr als drei bis vier Tage. In 5 % aller Verordnungen lag die durchschnittliche Inanspruchnahmefrequenz im Rahmen einer Verordnung bei über 7 Tagen (vgl. Abbildung 34). Abbildung 34: Durchschnittlicher Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen physiotherapeutischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung Anteil aller Verordnungen Physiotherapie 50% 47% 40% 30% 20% 16% 12% 7% 10% 2% 10% 3% 1% 1% 0% 1 bis 2 >2 bis >3 bis >4 bis >5 bis >6 bis >7 bis >8 bis > 9 3 4 5 6 7 8 9 Durchschnittlicher Tagesabstand zwischen den einzelnen Inanspruchnahmen im Rahmen einer Verordnung Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Bei der Ergotherapie lag die durchschnittliche Inanspruchnahmefrequenz im Rahmen einer Verordnung in 17 % aller Verordnungen bei über 7 Tagen, in 6 % aller Verordnungen sogar bei über 9 Tagen. In mehr als einem Drittel aller ergotherapeutischen Verordnungen liegen zwischen den einzelnen Inanspruchnahmen nur mehr als drei bis vier Tage (vgl. Abbildung 35). 110 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 35: 3 Durchschnittlicher Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen ergotherapeutischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung Anteil aller Verordnungen Ergotherapie 50% 37% 40% 30% 18% 20% 12% 8% 10% 7% 7% 4% 6% 2% 0% 1 bis 2 >2 bis >3 bis >4 bis >5 bis >6 bis >7 bis >8 bis > 9 3 4 5 6 7 8 9 Durchschnittlicher Tagesabstand zwischen den einzelnen Inanspruchnahmen im Rahmen einer Verordnung Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES In 26 % aller logopädischen Verordnungen lag der durchschnittliche Tagesabstand zwischen den einzelnen Inanspruchnahmen im Rahmen einer Verordnung bei über 7 Tagen, in 11 % aller Verordnungen sogar bei über 9 Tagen (vgl. Abbildung 36). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 36: Quelle: 111 Durchschnittlicher Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen logopädischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Zusammenfassung und Bewertung Nur bei 5 % aller Inanspruchnahmen einer physiotherapeutischen Leistung betrug der Abstand zur vorhergehenden Inanspruchnahme (aus derselben Verordnung) im Durchschnitt mehr als eine Woche. Im Vergleich zu den ergotherapeutischen und logopädischen Leistungen wurden die physiotherapeutischen Leistungen innerhalb der jeweiligen PL-Verordnungen mit einer höheren Frequenz erbracht. In 17 % aller ergotherapeutischen Verordnungen und 26 % aller logopädischen Verordnungen lagen zwischen den einzelnen Inanspruchnahmen im Rahmen dieser Verordnung durchschnittlich mehr als sieben Tage. Die Frequenzempfehlungen der HeilmittelRichtlinie konnten in diesen Fällen nicht realisiert werden. 3.5.7 Dauer und Kontinuität der Heilmittelversorgung Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin zum Schlaganfall beinhaltet bezüglich der Therapiedauer folgende Empfehlung (Empfehlungsstärke B): „Entscheidungen über die Dauer der Therapie sollten sich danach richten, ob dadurch realistische, Fähigkeits- und Teilhabeorientierte Ziele, erreicht werden können.“ (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012). Die Entscheidung über die Therapiedauer soll auf der Grundlage standardisierter Bewertungen getroffen werden. Zudem wird darauf hingewiesen, dass auch in der chronischen Phase nach dem Schlaganfall-Ereignis, d. h. nach 6 oder mehr Monaten, Therapien zu signifikanten Verbesserungen führen können (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012). Nachfolgend sind die Ergebnisse der Untersuchungen zu Verordnungshäufigkeiten ambulanter Heilmittel im ersten und zweiten Halbjahr nach Entlassung und zum Zeitabstand zwischen der letzten Leistungsinanspruchnahme aus der ersten Verordnung und der Ausstellung der zweiten Verordnung ausgewiesen. 112 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Verordnungshäufigkeit von Heilmitteln innerhalb des ersten halben Jahres nach dem Hirninfarkt Für 26 % aller Fälle der Gruppen A und B mit mindestens einer physiotherapeutischen Verordnung wurde innerhalb des ersten halben Jahres nach Entlassung aus dem Krankenhaus/der Rehabilitation nur eine einzige PL-Verordnung ausgestellt (Gruppe A: 34 %, Gruppe B: 18 %). 55 % aller Fälle (Gruppen A und B) erhielten im ersten halben Jahr nach ihrer Entlassung drei oder mehr PL-Verordnungen (vgl. Abbildung 37). Abbildung 37: Quelle: PL-Verordnungshäufigkeit der Fälle mit mindestens einer PLVerordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Bei etwa einem Viertel aller Fälle mit mindestens einer ergotherapeutischen Verordnung wurde innerhalb des ersten halben Jahres nach Entlassung aus dem Krankenhaus/der Rehabilitation (Gruppen A und B) nur eine einzige EL-Verordnung ausgestellt (Gruppe A. 36 %, Gruppe B: 18 %). Für 57 % aller Fälle wurden im ersten halben Jahr nach ihrer Entlassung drei oder mehr EL-Verordnungen ausgestellt (vgl. Abbildung 38). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 38: Quelle: 113 EL-Verordnungshäufigkeit der Fälle mit mindestens einer EL-Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Für 31 % aller Fälle der Gruppen A und B mit mindestens einer LL-Verordnung wurde innerhalb des ersten halben Jahres nach der Entlassung aus dem Krankenhaus/der Rehabilitation nur eine LL-Verordnung ausgestellt. Nach Entlassung aus dem Krankenhaus (Gruppe A) traf dies für 40 % aller Fälle zu, nach Entlassung aus der Rehabilitation (Gruppe B) für 24 % aller Fälle (ohne Abbildung). Der Anteil aller Fälle (Gruppen A und B), die im ersten halben Jahr nach ihrer Entlassung drei oder mehr LL-Verordnungen erhielten, lag bei 46 % (vgl. Abbildung 39). Abbildung 39: Quelle: LL-Verordnungshäufigkeit der Fälle mit mindestens einer LL-Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES 114 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Zusammenfassung und Bewertung Abhängig von der Heilmittelart erhielten zwischen 25 % (EL) und 31 % (LL) aller Fälle mit mindestens einer Verordnung der jeweiligen Heilmittelart im ersten Halbjahr nach ihrer Entlassung lediglich eine ambulante Heilmittelverordnung und damit nach der Erstverordnung keine Folgeverordnung. Unter der Annahme, dass erst ab drei Verordnungen pro Halbjahr eine Therapiekontinuität gegeben ist, fallen die entsprechenden Anteile mit 46 % unter den Fällen mit mindestens einer logopädischen Verordnung, 54 % unter den Fällen mit mindestens einer Physiotherapieverordnung und 57 % unter den Fällen mit mindestens einer Verordnung ergotherapeutischer Leistungen eher gering aus. Verordnungshäufigkeit innerhalb eines Jahres nach dem Hirninfarkt Bezieht man für die Fälle der Gruppe A zusätzlich den Beobachtungszeitraum von einem Jahr nach der Entlassung aus dem akutstationären Krankenhausaufenthalt mit ein, so erhöht sich der Anteil der Fälle mit mehr als fünf PL-Verordnungen im Vergleich zur Betrachtung nur des ersten halben Jahres nach Entlassung deutlich von 6 % (183 Tage) auf 22 % (365 Tage) (vgl. Abbildung 40). Der Anteil der Fälle mit mehr als fünf ELVerordnungen erhöht sich von 4 % (183 Tage) auf 22 % (365 Tage) (ohne Abbildung). Innerhalb eines Jahres erhielten 13 % der Gruppe A-Fälle mit mind. einer logopädischen Verordnung mehr als fünf Verordnungen (183 Tage: 1 %) (ohne Abbildung). Abbildung 40: Quelle: PL-Verordnungshäufigkeit der Fälle mit mindestens einer PL-Verordnung; Gruppe A in den Beobachtungszeiträumen von 183 Tagen und 365 Tagen nach Entlassung DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Zusammenfassung und Bewertung Der bei einer Verlängerung des Nachbetrachtungszeitraumes von einem halben auf ein Jahr deutlich höhere Anteil von Fällen mit fünf und mehr Verordnungen PL, EL oder LL weist auf die Fortsetzung begonnener Therapien auch 6 Monate nach dem Schlaganfallereignis für einen Teil Hirninfarktpatienten hin. Inwieweit die Anteile von 22 % bei den PL und EL sowie 13 % bei den LL Ausdruck einer hinsichtlich der Versorgungskontinuität bedarfsgerechten Heilmittelversorgung sind, kann mit den vorliegenden Daten nicht bewertet werden. Weiterführung der Therapie im 2. Halbjahr nach akutstationärer Entlassung (Gruppe A) Nur bei etwa der Hälfte aller Hirninfarktfälle, die im ersten Halbjahr nach der Krankenhausentlassung mindestens eine PL-Verordnung erhalten haben, wird auch im zweiten Halbjahr nach der Entlassung mindestens eine weitere PL-Verordnung ausgestellt. Dies 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 115 trifft auch für die Fälle mit einer EL-Verordnung im ersten halben Jahr nach Entlassung zu. 60 % aller Fälle mit mindestens einer logopädischen Verordnung im ersten Halbjahr nach Entlassung erhielten im zweiten Halbjahr keine weitere LL-Verordnung (vgl. Tabelle 34). Nur 17 % aller Fälle mit mindestens einer PL-Verordnung im ersten Halbjahr nach Krankenhausentlassung erhielten im zweiten Halbjahr mehr als drei weitere PLVerordnungen. Bei den EL-Verordnungen belief sich dieser Anteil auf 16 % und bei den LL-Verordnungen auf 6 % (vgl. Tabelle 34). Tabelle 34: Verordnungshäufigkeiten im zweiten Halbjahr bei den Fällen mit mindestens einer Verordnung PL bzw. EL bzw. LL im ersten Halbjahr, Gruppe A in den Beobachtungszeiträumen von 183 Tagen und 365 Tagen nach Entlassung Verordnungen der jeweiligen Heilmittelart im 2. Halbjahr nach Entlassung Anteil an allen Fällen mit mind. einer Verordnung PL innerhalb von 183 Tagen nach Entlassung Anteil an allen Fällen mit mind. einer Verordnung EL innerhalb von 183 Tagen nach Entlassung Anteil an allen Fällen mit mind. einer Verordnung LL innerhalb von 183 Tagen nach Entlassung Keine Verordnung 46 % 50 % 60 % Mindestens eine Verordnung 54 % 50 % 40 % dar. eine weitere Verordnung 14 % 12 % 12 % dar. zwei weitere Verordnungen 14 % 15 % 14 % dar. drei weitere Verordnungen 10 % 7% 9% 17 % 16 % 6% dar. mehr als drei weitere Verordnungen Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Zeitraum zwischen der letzten Inanspruchnahme der ersten Verordnung und der Ausstellung einer zweiten Verordnung Betrachtet man nur die 66 % aller Fälle mit einer Physiotherapieverordnung im ersten halben Jahr nach ihrer Krankenhausentlassung, die in diesem Zeitraum mindestens noch eine weitere Heilmittelverordnung erhielten, kann festgestellt werden, dass zwischen der letzten Inanspruchnahme einer Heilmittelleistung aus der ersten Verordnung und dem Zeitpunkt der zweiten PL-Verordnung im Durchschnitt 12 Tage lagen. In 28 % aller Fälle mit einer zweiten PL-Heilmittelverordnung wurde diese bereits vor der letzten Leistungsinanspruchnahme aus der ersten Verordnung ausgestellt. In 34 % aller Fälle wurde die zweite PL-Verordnung innerhalb von einer Woche nach letzten Inanspruchnahmen aus der ersten Verordnung ausgestellt. In 24 % aller Fälle lagen zwischen der letzten Inanspruchnahme aus der ersten Verordnung und dem Zeitpunkt der zweiten PL-Verordnung zwei bis fünf Wochen und in 14 % aller Fälle mehr als 5 Wochen. (vgl. Tabelle 35) In den Fällen, in denen die Ausstellung der zweiten PL-Verordnung in der zweiten bis fünften Woche nach der letzten Inanspruchnahme aus der ersten Verordnung erfolgt, 116 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 wurde zu etwa 85 % eine mit der ersten Verordnung identische Heilmittelposition verordnet, so dass es sich hierbei in aller Regel um Folgeverordnungen handeln dürfte. 76 % aller zweiten EL-Verordnungen wurden bereits vor oder innerhalb der ersten Woche nach der letzten Inanspruchnahme der ersten EL-Verordnung ausgestellt. Nur 5 % aller zweiten EL-Verordnung wurden später als 5 Wochen nach der letzten Inanspruchnahme aus der ersten EL-Verordnung ausgestellt. Bei der Logopädie lagen die entsprechenden Anteilswerte bei 75 % und 6 % (vgl. Tabelle 35). Tabelle 35: Zeitraum bis zur Ausstellung der zweiten Verordnung, gemessen ab der letzten Inanspruchnahme der ersten Verordnung, Gruppe A in den Beobachtungszeiträumen von 183 Tagen nach Entlassung 2. Verordnung erfolgt … Anteil an allen Fällen mit mind. zwei Verordnungen PL Anteil an allen Fällen mit mind. zwei Verordnungen EL Anteil an allen Fällen mit mind. zwei Verordnungen LL früher als eine Woche vor der letzten Heilmittelinanspruchnahme der 1. Verordnung 10 % 8% 9% in der Woche vor der letzten Heilmittelinanspruchnahme der 1. Verordnung 18 % 26 % 25 % am Tag oder in der Woche nach der letzten Heilmittelinanspruchnahme der 1. Verordnung 34 % 42 % 41 % in den Wochen zwei bis fünf nach der letzten Heilmittelinanspruchnahme der 1. Verordnung 24 % 25 % 20 % ab der sechsten Woche nach der letzten Heilmittelinanspruchnahme der 1. Verordnung 14 % 5% 6% Quelle: DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Zusammenfassung und Bewertung Etwa 60 % aller Hirninfarktpatienten mit mindestens zwei Verordnungen physiotherapeutischer Leistungen erhielten noch während der Ausführung der ersten Verordnung oder innerhalb der ersten Woche nach der letzten Inanspruchnahme der ersten Verordnung eine zweite Physiotherapieverordnung. Entsprechend war die Kontinuität der ambulanten PL-Versorgung bei etwa 40 % der Hirninfarktpatienten für länger als eine Woche unterbrochen, für 14 % sogar für länger als fünf Wochen. Die zweiten EL- und LL-Verordnungen wurden im Durchschnitt zeitlich deutlich näher zur letzten Inanspruchnahme der ersten EL- bzw. LL-Verordnung als bei den physiotherapeutischen Leistungen ausgestellt. Dennoch erfolgte die zweite Verordnung bei 30 % (EL) bzw. 26 % der Fälle (LL) erst später als eine Woche nach der letzten Inanspruchnahme aus der ersten Verordnung. Die Ergebnisse deuten, insbesondere bei der Verordnung physiotherapeutischer Leistungen, auf eine erhebliches Verbesserungspotenzial bei der Gewährleistung einer zeitnah an die letzte Leistung aus der ersten Verordnung anschließende zweiten Verordnung hin. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3.6 Medikamentöse Sekundärprävention nach Hirninfarkt 3.6.1 Zusammenfassung 117 Nach einem ersten Hirninfarkt ist das Risiko eines erneuten Schlaganfalls deutlich erhöht. Durch die medikamentöse Behandlung der Risikofaktoren soll dieses Risiko in der Sekundärprävention nach erstmaligem Hirninfarkt minimiert werden. Der Fokus ist dabei – wie bei der Sekundärprävention nach erstmaliger TIA auch – insbesondere auf die Erhöhung der Behandlungsrate mit oralen Antikoagulantien bei den Hirninfarktpatienten mit Vorhofflimmern und ohne Kontraindikation gegen die Medikation, die Erhöhung der Behandlungsrate mit Antihypertensiva bei den Hirninfarktpatienten mit arterieller Hypertonie und die TAH-Gabe bei den Hirninfarktpatienten ohne VHF auszurichten. Für die Modellierung wird davon ausgegangen, dass sowohl ein vorliegendes VHF als auch die arterielle Hypertonie spätestens während des akutstationären Krankenhausaufenthaltes aufgrund des ersten Hirninfarktes diagnostiziert werden und die medikamentöse Sekundärprävention hier eingeleitet bzw. fortgesetzt wird. Nach den Routinedaten der DAK-Gesundheit erfolgt die medikamentöse Sekundärprävention bei den VHF-Patienten im vierten Quartal nach dem Krankenhausaufenthalt wegen des ersten Hirninfarktes nur noch in 60 % aller Fälle (im ersten Quartal 86 %) und bei den Patienten mit arterieller Hypertonie noch in 87 % aller Fälle. Dies bedeutet, dass sich die Behandlungsraten insbesondere des Vorhofflimmerns im Laufe der Zeit deutlich verringern. Durch die bisherige medikamentöse Sekundärprävention nach erstem Hirninfarkt bei den Risikofaktoren Vorhofflimmern und arterieller Hypertonie und die TAH-Gabe werden nach der Modellierung für den DAK-Versorgungsreport jährlich etwa 2.640 erneute Hirninfarkte oder Schlaganfälle und 3.020 DALY verhindert (vgl. Abschnitt 3.6.6.2). Dennoch ereignen sich in diesem Kollektiv in jedem Jahr ca. 5.840 erstmalige Schlaganfälle, die den o.g. Risikofaktoren zuzurechnen sind (vgl. Abschnitt 3.6.6.1). Es wird als realistisch erachtet, dass die Behandlungsrate der für eine OAK-Behandlung geeigneten Patienten mit einem Vorhofflimmern von 60 % auf 85 % gesteigert werden kann. Die Behandlungsrate mit Anti-Hypertensiva bei den Patienten mit einer arteriellen Hypertonie und ohne nicht-valvuläres Vorhofflimmern kann auf 95 % erhöht werden. Auch für die TAH-Behandlungsrate bei den Patienten ohne VHF und den Patienten mit VHF, die nicht mit OAKs behandelt werden, wird ein Zielwert von 95 % als realisierbar eingeschätzt. Bei Umsetzung dieser Ziele für das Gesamtkollektiv der Fälle mit einem erstmaligen Hirninfarkt können nach dem Modell pro Jahr das Auftreten von jährlich etwa 980 Hirninfarkten/Schlaganfällen zusätzlich verhindert und 1.120 DALY vermieden werden (vgl. Abschnitt 3.6.6.3). 3.6.2 Einleitung Nach dem Auftreten eines (erstmaligen) Hirninfarktes soll das Risiko eines erneuten Schlaganfalles u. a. durch sekundärpräventive medikamentöse Maßnahmen minimiert werden. Die aktuelle Leitlinie der American Stroke Association zur Sekundärprävention nach Schlaganfall und TIA berichtet über ein durchschnittliches jährliches Risiko von ca. 3 % bis 4 % nach einem Schlaganfall oder einer TIA einen Hirninfarkt zu erleiden (Kernan et al. 2014). Unter den ca. 12.600 DAK-Versicherten, die im Jahr 2011 erstmalig einen Hirninfarkt erlitten haben, ereignete sich innerhalb eines Jahres nach dem Erstereignis bei 5,1 % ein erneuter Hirninfarkt. Im Durchschnitt ereignete sich der erneute Hirninfarkt nach 158 Tagen (Medianwert: 141 Tage). Deutsche und internationale Leitlinien unterscheiden hinsichtlich wesentlicher Anforderungen an die diagnostische Abklärung und an die Sekundärprävention nicht zwischen einem manifesten Hirninfarkt und einer TIA (vgl. u. a. (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012, DSG [Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft] 118 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 und DGN [Deutsche Gesellschaft für Neurologie] 2012, Furie et al. 2011, Kernan et al. 2014)). Hauptziel der Sekundärprävention nach Hirninfarkt ist die Verhinderung eines erneuten Schlaganfalls durch Behandlung der Risikofaktoren. Das Vorhofflimmern und die arterielle Hypertonie stellen die häufigsten und gefährlichsten Risikofaktoren für das Auftreten eines erneuten Schlaganfalls nach einem Hirninfarkt dar. Die medikamentöse Behandlung dieser Risikofaktoren durch orale Antikoagulantien (OAK) bzw. Antihypertensiva sind daher wesentliche Maßnahmen der Sekundärprävention nach Hirninfarkt. Darüber hinaus stellt die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) eine Basismaßnahme der medikamentösen Sekundärprophylaxe nach nichtkardioembolischen ischämischem Schlaganfall unabhängig vom Vorliegen weiterer Risikofaktoren, außer dem VHF, dar (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012, DSG [Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft] und DGN [Deutsche Gesellschaft für Neurologie] 2012, Furie et al. 2011, Kernan et al. 2014). Für die medikamentöse Sekundärprävention nach einem ersten Hirninfarkt stellen sich die Versorgungsprobleme ähnlich wie bei der Sekundärprävention nach erstmaliger TIA dar: Nach dem Auftreten eines (ersten) Hirninfarktes erhalten Patienten mit Vorhofflimmern oder arterieller Hypertonie noch zu oft keine adäquate medikamentöse Therapie. Hirninfarktpatienten, die nicht aufgrund eines Vorhofflimmerns mit OAKs behandlungsbedürftig sind, sollten grundsätzlich TAHs erhalten. Auch diese Vorgabe wird bislang noch nicht konsequent genug umgesetzt. 3.6.3 Modellaufbau Zielstellung des DAK-Versorgungsreports ist es, zu beschreiben, welcher Effekt sich – i. S. einer Verringerung der DALY-Last – aus der Erhöhung der Anteile jener Patienten mit einem erstmaligen Hirninfarkt ergibt, die nach der Krankenhausentlassung entsprechend ihrer jeweiligen Risikofaktoren sekundärpräventiv medikamentös behandelt werden. Die Abschätzung der Anzahl erstmaliger Hirninfarktfälle eines Jahres erfolgt über die aus den DAK-Routinedaten ermittelten Hirninfarkt-Inzidenzen (vgl. Abschnitt 2.2.1). Diese Population wird, abhängig davon, ob ein nicht-valvuläres Vorhofflimmern (ggf. mit arterieller Hypertonie), nur eine arterielle Hypertonie oder weder ein NVHF noch eine arterielle Hypertonie vorliegen, unterteilt. Zur Bestimmung der Größe der beiden erstgenannten Gruppen wurden die erstmaligen Hirninfarkt-Fälle in den DAK-Routinedaten hinsichtlich des Vorliegens dieser Risikofaktoren ausgewertet. In der Modellierung wird im Weiteren für jede der drei Gruppen danach unterschieden, ob und welche medikamentöse Behandlung erfolgt und welche Risikoreduktion sich hieraus für das Auftreten eines erneuten Schlaganfalles bzw. Hirninfarktes gegenüber der NichtBehandlung ergibt (vgl. Abbildung 41). Durch Veränderungen der Fallanteile mit medikamentöser Behandlung der jeweiligen Risikofaktoren ändern sich die Gruppengrößen der behandelten Fälle, und aufgrund unterschiedlicher Schlaganfall-/Hirninfarktrisiken der modellierten Gruppen ändert sich auch die Anzahl der erneuten Schlaganfälle/Hirninfarkte nach dem Erstereignis, die dem NVHF oder der arteriellen Hypertonie zugerechnet werden können. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 41: 119 Modellaufbau für die Wirkung der medikamentösen Sekundärprävention bei NVHF und / oder Arterieller Hypertonie nach erstem Hirninfarkt auf das Schlaganfallrisiko Menschen mit erstem Hirninfarkt Davon mit behandelbarem NVHF Mit OAK Davon mit VHF behandelt Risiko Schlaganfall Übrige mit TAH behandelt Davon mit nicht behandelbarem NVHF Quelle: IGES 3.6.4 Modellannahmen Risiko Schlaganfall Davon mit Bluthochdruck Davon mit Mit Anti-Hypert. Bluthochdruck behandelt Übrige Mit TAH Übrige behandelt Risiko Hirninfarkt Risiko Hirninfarkt In diesem Abschnitt werden die Annahmen für die Modellierung der Effekte der medikamentösen Sekundärprävention nach einem Hirninfarkt beschrieben. Einleitend wird der bei der DALY-Ermittlung verwendete Ansatz beschrieben. Das Modell berücksichtigt – ausgehend von der Auftretenshäufigkeit erstmaliger Hirninfarkt-Ereignisse im DAKKollektiv des Jahres 201126 – folgende drei voneinander unabhängige Fallgruppen, die relevante Risikofaktoren, bzw. deren medikamentöse Behandlung in der Sekundärprävention nach erstmaligem Hirninfarkt, abdecken: x x x Fälle mit erstmaligem Hirninfarkt und festgestelltem NVHF oder festgestelltem NVHF und arterieller Hypertonie (vgl. Abschnitt 3.6.4.2) Fälle mit erstmaligem Hirninfarkt und festgestellter arterieller Hypertonie (vgl. Abschnitt 3.6.4.3) Fälle mit erstmaligem Hirninfarkt und ohne NVHF oder arterielle Hypertonie (vgl. Abschnitt 3.6.4.4) 3.6.4.1 Ansatz für die DALY-Ermittlung Für die Ermittlung der DALY-Effekte der medikamentösen Sekundärprävention nach dem ersten Hirninfarkt müssten, um das methodische Konzept des DAK-Versorgungsreports auch hier einheitlich anwenden zu können, Informationen darüber verfügbar sein, welche mRS-Einstufung die Fälle mit einem erneuten Hirninfarkt vor diesem (zweiten, dritten …) Hirninfarkt und bei der Krankenhausaufnahme hatten. Derartige Informationen liegen jedoch nicht vor. 26 Fälle mit einem Krankenhausaufenthalt wegen einer Hauptdiagnose I63* und Entlassungsdatum im Jahr 2011, die in den 3 Jahren vor diesem Ereignis keinen Krankenhausaufenthalt mit einer TIA-Diagnose oder einer der Schlaganfalldiagnosen hatten. Nicht berücksichtigt werden können ausschließlich ambulant behandelte Patienten mit einem Hirninfarkt und Patienten, die sich wegen des Hirninfarktes in keinerlei Behandlung begeben haben. 120 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Um dennoch auch für die medikamentöse Sekundärprävention nach erstem Hirninfarkt einen DALY-Effekt darstellen zu können, wird für die Modellierung angenommen, dass Fälle mit einem erneuten Hirninfarkt vor der Krankenhausaufnahme in jene mRS-Klasse eingestuft worden wären, der sie bei ihrer Krankenhausentlassung wegen des ersten Hirninfarktes zugeordnet waren. Dies bedeutet, dass mRS-Verschlechterungen oder -Verbesserungen, die nach der akutstationären Krankenhausversorgung eingetreten sind, datenseitig nicht nachvollzogen werden. Bei Krankenhausaufnahme wird den Fällen mit erneutem Hirninfarkt die mRS-Verteilung des Kollektivs mit einem erstmaligen Hirninfarkt zugewiesen, wie sie in Abschnitt 3.3.5.1 berichtet worden ist. Unter diesen Annahmen erhöht sich die DALY-Last je Fall mit einem erneuten Hirninfarkt im Durchschnitt um 1,14 DALY, die zum Ausweis des DALY-Effektes der medikamentösen Sekundärprävention pauschal für jeden erneuten Hirninfarktfall angesetzt werden. Diese Zunahme der Krankheitslast erscheint im Vergleich mit der Zunahme der Krankheitslast beim ersten Hirninfarkt sehr gering. Es spricht einiges dafür, dass das beschriebene Verfahren der Verwendung der mRS-Einstufung bei Entlassung aus dem vorangehenden Hirninfarkt-bedingten Krankenhausaufenthalt als Schätzer für die mRSEinstufung vor dem erneuten Hirninfarkt zu einer Unterschätzung der Folgen eines wiederholten Hirninfarkts führt. Dies ist insbesondere für die Patienten anzunehmen, bei denen sich das Funktionsniveau aufgrund von Rehabilitationsmaßnahmen nach Entlassung aus dem Krankenhaus sowie ambulanter Nachsorge verbessert hat. Diesen Patienten unterstellt das gewählte Verfahren ein zu niedriges Funktionsniveau vor Eintritt des erneuten Hirninfarkts. Andererseits ist auch anzunehmen, dass sich bei einem Teil der Patienten das Funktionsniveau innerhalb des Zeitintervalls zwischen Entlassung aus dem Krankenhaus und Eintritt eines erneuten Hirninfarkts verschlechtert hat (z. B. aufgrund anderer Ko-Morbiditäten). Da keine Daten verfügbar sind, um diese beiden gegenläufigen Effekte zu quantifizieren, wurde die Modellierung auf der beschriebenen – als provisorisch zu wertenden – Grundlage durchgeführt. Auch eine Verwendung der mRSEinstufungen bei Entlassung aus der Frührehabilitation der Phase B (vgl. Tabelle 26) im Rahmen der Modellierung wurde verworfen, da man analog fordern müsste, dass dann auch die Effekte der Reha-Phasen C und D ebenfalls berücksichtigt werden müssten, was wegen fehlender Daten nicht möglich ist. Bei der Bewertung der Ergebnisse dieses Themenabschnitts ist somit zu berücksichtigen, dass der Effekt der Sekundärprävention nach erstem Hirninfarkt vermutlich eher unterschätzt wird, weil die große Mehrheit der Schlaganfallpatienten in Deutschland an Rehabilitationsmaßnahmen teilnimmt. 3.6.4.2 Gruppe A: Fälle mit erstmaligem Hirninfarkt und festgestelltem NVHF oder festgestelltem NVHF und arterieller Hypertonie Gesamtgruppengröße Für alle Krankenhausfälle der DAK-Versicherten mit einem Hirninfarkt-Erstereignis im Jahr 2011 wurde untersucht, ob zu diesem Erstereignis selbst oder innerhalb des Jahres vor dem Erstereignis ambulant (gesichert) oder stationär die Diagnosen Vorhofflimmern (I48.1) oder die Diagnosen Vorhofflimmern und arterielle Hypertonie (I10) dokumentiert war. Der Anteil der Erstereignisfälle, die dieses Kriterium erfüllten, belief sich auf 31,2 %. Dieser Anteil für das VHF wird unter Bezug auf Kirchhof et al. (2013) über alle Altersgruppen um pauschal 3,3 % – als Anteil der Patienten mit valvulärem VHF in Deutschland an allen VHF-Patienten– abgesenkt. Aus Vereinfachungsgründen wird für die Modellierung davon ausgegangen, dass ein vorliegendes Vorhofflimmern spätestens im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes aufgrund des erstmaligen Hirninfarktes auch diagnostiziert wird (Entdeckungsrate = 100 %). Die Festlegung der Modellannahmen für diese Gruppe erfolgte in ausschließlicher Orientierung am Risikofaktor NVHF und dessen medikamentöser Behandlung, da das Schlaganfallrisiko bzw. die durch Behandlung erzielbare Risikoreduktion bei Vorhofflimmern höher ist als im Falle einer ggf. gleichzeitig vorliegenden arteriellen Hypertonie. Die Tatsache, dass gerade bei der Behandlung mit Gerinnungshemmern die adäquate Be- 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 121 handlung des Bluthochdrucks zur Verhinderung von Hirnblutungen sehr bedeutsam ist, konnte in der Modellierung aufgrund der Komplexität nicht berücksichtigt werden. Behandlungsbedürftigkeit und Behandelbarkeit des NVHF mit OAK Gruppengröße Gemäß CHA2-DS2-VASc-Score besteht bei VHF nach Hirninfarkt ein grundsätzlicher Behandlungsbedarf. Im Gegensatz zur Primärprävention bei NVHF sind demnach grundsätzlich alle Fälle mit einem Hirninfarkt-Erstereignis behandlungsbedürftig. Eine generelle Nicht-Behandelbarkeit mit OAK besteht allerdings dann, wenn Kontraindikationen gegen alle derzeit zugelassenen OAK-Wirkstoffe vorliegen. Bei einem ansonsten sehr heterogenen Kontraindikationsspektrum, weisen alle derzeit zugelassenen OAKWirkstoffe sowie auch die Thrombozytenaggregationshemmer (TAH) die schwere Nierenbzw. Leberfunktionsstörung sowie akute Blutungsereignisse als Kontraindikation auf. Eine Schätzung des Anteils der Fälle mit einem Sekundärprophylaxebedarf und einem gleichzeitigen Vorliegen einer der genannten generellen Kontraindikationen gegen OAK, ergibt einen Anteil von 8,5 % (Kirchhof et al. 2013). Die übrigen 91,5 % der Fälle ohne Kontraindikationen sind hingegen mit OAK behandelbar. Gruppenrisiko Für die Fälle in dieser Gruppe wird in der Modellrechnung ein 1-Jahres-Risiko für einen Schlaganfall von 13 % angesetzt (Hart et al. 2007). Tabelle 36: Gruppe Anteilswerte HI-Erstereignisfall mit festgestelltem NVHF oder NVHF und arterieller Hypertonie Nicht mit OAK und TAH behandelbar, da Kontraindikationen Mit OAK behandelbar Quelle: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach erstem Hirninfarkt bei festgestelltem NVHF (31,2 % aller Hirninfarkt-Erstereignisfälle) – Behandelbarkeit IGES Quelle (Q) und Anmerkung (A) 31,2 % Q: DAK-Daten 8,5 % Q: (Kirchhof et al. 2013) 91,5 % Jährliche Schlaganfallrate 13 % Quelle (Q) und Anmerkung (A) Q: Hart et al. 2007 A: Durchschnittliche A: Schätzwert auf Schlaganfallrate für un- Basis der in der behandeltes VHF in der Quelle genannten Sekundärprävention Anteilswerte zu: Schwere Niereninsuffizienz, Chronische Lebererkrankung, Blutungen 122 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Behandlung des NVFH Behandlung mit OAK – Gruppengröße Der Anteil der Hirninfarkt-Erstereignisfälle mit festgestelltem VHF und einer Behandlung mit OAK27 wurde unter Rückgriff auf DAK-Daten ermittelt. In Abbildung 42 ist ausgewiesen, welcher Teil aller Hirninfarkt-Erstereignisfälle des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Vorhofflimmern (ICD-10: I48.1) in den Folgequartalen I bis IV auch jeweils mindestens eine OAK-Verordnung erhalten haben. Versicherte die innerhalb eines Jahres nach dem Hirninfarkt-Erstereignis (Aufnahmedatum) verstorben sind oder die Krankenkasse gewechselt haben, wurden nicht berücksichtigt. Der Verordnungsanteil liegt im 1. Quartal nach dem Hirninfarkt noch bei 86 %. Allerdings fällt er bereits im zweiten Quartal nach dem Hirninfarkt auf nur noch 60 % und bleibt auf diesem Niveau in den Folgequartalen stabil. Abbildung 42: Quelle: Anteil der Fälle mit mindestens einer OAK-Verordnung an allen Hirninfarkt-Erstereignisfälle der DAK des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Vorhofflimmern (ICD-10: I48.1) in den Quartalen I bis IV nach Ereignis DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Behandlung mit OAK – Gruppenrisiko Grundlage für die Modellierungswerte zum Schlaganfallrisiko bildet eine umfassende Metaanalyse (Hart et al. 2007) zu den Effekten der antithrombotischen Therapie zur Primärund Sekundärprävention des Schlaganfalls bei NVHF, welche 29 Einzelstudien mit insgesamt 28.044 Patienten einschloss. Demnach kann das Risiko nach einem Schlaganfall oder einer TIA einen (erneuten) Schlaganfall zu erleiden durch die Gabe von VKAs von 13 % p. a. auf 4,6 % p. a. gesenkt werden. Hierbei wurden ischämische und hämorrhagische Ereignisse sowie auch intracranielle Blutungen berücksichtigt. Die durch die Metaanalyse ermittelten Schlaganfallrisiken berücksichtigen somit auch das mit der Gabe von VKAs verbundene erhöhte Blutungsrisiko. 27 Eine Liste der hierfür verwendeten Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation findet sich im Anhang. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 123 Keine Behandlung mit OAK – Gruppengröße Nach den oben beschriebenen Auswertungen der DAK-Daten ist davon auszugehen, dass im vierten Quartal nach dem Hirninfarkt-Erstereignis von allen Fällen, bei denen ein VHF diagnostiziert worden ist, etwa 40 % keine OAK-Verordnung (mehr) erhalten. Bei der Ermittlung des Schlaganfallrisikos für die nicht mit OAK-Behandelten wird berücksichtigt, dass ein Teil der Fälle in dieser Gruppe mit TAH behandelt wird. Eine Behandlung des NVHF mit TAH bei einem CHA2-DS2-VASc-Score von 2 Punkten oder mehr entspricht nicht den aktuellen Leitlinien, ist aber dennoch mit einer – wenn auch im Vergleich mit einer OAK-Behandlung deutlich weniger ausgeprägten – Risikoreduktion verbunden. Auf der Grundlage der Studie von Wilke et al. (2012) wird für die Modellierung angenommen, dass 13,8 % der nicht mit OAK behandelten Fälle mit TAH behandelt werden (86,2 % werden nicht mit TAH behandelt). Keine Behandlung mit OAK – Gruppenrisiko Eine Behandlung des NVHF mit TAH im Rahmen der Sekundärprävention führt nach der Metaanalyse von Hart et al. (2007) zu einer Reduktion des Schlaganfallrisikos um 2,5 Prozentpunkte auf 10,5 % p. a.28 Für die weder mit OAK noch mit TAH behandelten Fälle besteht nach Hart et al. ein Schlaganfallrisiko von 13 % p. a. 28 Die Modellannahme einer absoluten Risikoreduktion von 2,5 % wurde gewählt, da die Aspirin vs. Placebo – Metaanalysen in Hart et al. (2007) einen deutlich höheren Anteil an Sekundärpräventionsstudien enthalten als die Antiplatelet vs. Placebo – Metaanalysen. 124 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 37: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach Hirninfarkt bei festgestelltem NVHF – Behandlung Gruppe Anteilswerte HirninfarktErstereignisfall mit festgestelltem NVHF oder NVHF und arterieller Hypertonie und mit OAK behandelbar 31,2 %*0,915 (mit OAK behandelbar) = 28,55 % Mit OAK behandelt 3 60,2 % Quelle (Q) und Anmerkung (A) Q: DAK-Daten A: Anteil im vierten Quartal nach Erstereignis Jährliche Schlaganfallrate 4,6 % Quelle (Q) und Anmerkung (A) Hart et al. (2007) A: Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Sekundärprävention: 13 %; Absolute Risikoreduktion in der Sekundärprävention bei Behandlung mit VKAs: 8,4 PP Nicht mit OAK behandelt 39,8 % -mit TAH behandelt 13,8 % Q: Wilke et al. (2012) 10,5 % Q: Hart et al. (2007) A: Durchschnittliche Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Sekundärprävention: 13 %; Absolute Risikoreduktion in der Sekundärprävention bei Behandlung mit TAHs: 2,5 PP -nicht mit TAH behandelt 86,2 % 13 % Q: Hart et al. (2007) A: Durchschnittliche Schlaganfallrate für unbehandeltes VHF in der Sekundärprävention Quelle: IGES 3.6.4.3 Gruppe B: Fälle mit erstmaligen Hirninfarkt und festgestellter arterieller Hypertonie (ohne VHF) Gesamtgruppengröße Für alle Krankenhausfälle der DAK-Versicherten mit einem Hirninfarkt-Erstereignis im Jahr 2011 wurde untersucht, ob in diesem Erstereignis selbst oder innerhalb des Jahres vor dem Erstereignis ambulant (gesichert) oder stationär nur die Diagnose arterielle Hypertonie (I10) (und nicht auch die Diagnose VHF) dokumentiert waren. Der Anteil der Erstereignisfälle, die diese Kriterien erfüllten, belief sich auf 59,1 % (vgl. Tabelle 38). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 125 Medikamentöse Behandlung der arteriellen Hypertonie Gruppengröße Der Anteil der Hirninfarkt-Erstereignisfälle mit festgestellter arterieller Hypertonie (und ohne VHF) und einer Behandlung mit Antihypertensiva29 wurde unter Rückgriff auf DAKDaten ermittelt. In Abbildung 43 ist ausgewiesen, welcher Teil aller HirninfarktErstereignisfälle des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant bzw. stationär oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose arterielle Hypertonie (ICD-10: I10) in den Folgequartalen I bis IV auch jeweils mindestens eine Verordnung von Antihypertensiva erhalten hat. Versicherte, die innerhalb eines Jahres nach dem Hirninfarkt-Erstereignis (Aufnahmedatum) verstorben sind oder die Krankenkasse gewechselt haben, wurden nicht berücksichtigt. Der Verordnungsanteil lag im ersten Quartal nach dem erstmaligen Hirninfarkt noch bei 93 % und verringerte sich im zweiten Quartal auf 87 %. Auf diesem Niveau blieb der Verordnungsanteil auch in den übrigen Quartalen stabil. Abbildung 43: Quelle: Anteil der Fälle mit einer mindestens einer Verordnung von Antihypertensiva an allen Hirninfarkt-Erstereignisfällen der DAK des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant bzw. stationär oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Arterielle Hypertonie (ICD-10: I10) in den Quartalen I bis IV nach Ereignis DAK-Gesundheit; eigene Berechnungen IGES Die Ermittlung des Anteils der mit Antihypertensiva behandelten Hirninfarkterstereignisfälle erfolgte auf Basis von DAK-Daten. Hierfür wurden die Versicherten/Behandlungsfälle mit arterieller Hypertonie ausgezählt, bei denen mindestens eine AntihypertensivaVerordnung im vierten Quartal nach einem Hirninfarkt-Erstereignis vorlag. Der auf diese Weise ermittelte Anteilswert beträgt 86,9 %. Gruppenrisiko Für die Bestimmung der Effekte der antihypertensiven Behandlung auf die Schlaganfallrisiken wurden im Wesentlichen die Ergebnisse der „PROGRESS“-Studie (PROGRESS Collaborative Group 2001) herangezogen. Bei PROGRESS handelt es sich um eine der größten Studien (n = 6.105) zur antihypertensiven Behandlung in der Sekundärprävention nach Schlaganfall und TIA, welche die Ergebnisse für alle Schlaganfalltypen, also auch für den ischämischen Insult differenziert ausweist. 29 Eine Liste der hierfür verwendeten Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation findet sich im Anhang. 126 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Auf der Grundlage der PROGRESS-Studie wird im Modell von einer relativen Risikoreduktion von 24 % (95 % CI: 10 -35) durch antihypertensive Behandlung auf ein 1-JahresRisiko für den ischämischen Insult von 2,09 % ausgegangen (1-Jahres-Risiko bei Nichtbehandlung: 2,71 %). Diese Annahme entspricht im Wesentlichen den globalen Aussagen zu erreichbarer Risikoreduktion durch antihypertensive Medikation in einschlägigen Leitlinien (vgl. (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012, DSG [Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft] und DGN [Deutsche Gesellschaft für Neurologie] 2012, Furie et al. 2011, Kernan et al. 2014) sowie den Ergebnissen aktueller Metaanalysen (vgl. z. B. (Lakhan und Sapko 2009, Lawes et al. 2004, Rashid et al. 2003)). Tabelle 38: Gruppe Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach Hirninfarkt bei festgestellter arterieller Hypertonie ohne NVHF (59,1 % aller Hirninfarkt-Erstereignisfälle) – Behandlung Anteilswerte Quelle (Q) und Anmerkung (A) HirninfarktErstereignisfall mit festgestellter arterieller Hypertonie und ohne NVHF 59,1 % Q: DAK-Daten Mit Antihypertensiva behandelt 86,9 % Q: DAK-Daten A: Anteil im vierten Quartal nach Erstereignis Jährliche Schlaganfallrate Quelle (Q) und Anmerkung (A) 2,09 % für ischämischen Schlaganfall Q: PROGRESS Collaborative Group (2001) A: 1-Jahres-Risiken wurden aus den in der Quelle berichteten 4Jahres-Risiken (behandelt: 8,1 %, unbehandelt: 10,4 %) abgeleitet (zur Methode vgl. Anhang) Nicht mit Antihypertensiva behandelt Quelle: 13,1 % 2,71 % für ischämischen Schlaganfall IGES 3.6.4.4 Gruppe C: Fälle mit erstmaligem Hirninfarkt und ohne festgestelltes NVHF und ohne arterielle Hypertonie Gesamtgruppengröße Für alle Krankenhausfälle der DAK-Versicherten mit einem Hirninfarkt-Erstereignis im Jahr 2011 wurde untersucht, ob in diesem Erstereignis selbst oder innerhalb des Jahres vor dem Erstereignis ambulant (gesichert) oder stationär eine Diagnose Vorhofflimmern (ICD-10: I48.1) oder arterielle Hypertonie (I10) dokumentiert war. Der Anteil der Erstereignisfälle, bei denen weder Vorhofflimmern noch eine arterielle Hypertonie dokumentiert war, belief sich auf 9,7 % (vgl. Tabelle 39). 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 127 Medikamentöse Behandlung bei nicht festgestelltem Vorhofflimmern und nicht festgestellter arterieller Hypertonie Gruppengröße Für die medikamentöse Sekundärprävention nach einem nichtkardioembolischen ischämischen Schlaganfall wird als Basismaßnahme die Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) empfohlen. Diese Empfehlung gilt unabhängig vom Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen weiterer Risikofaktoren, mit Ausnahme des VHF. Für eine zuverlässige Ermittlung der TAH-Medikationsquote eignen sich GKVVerordnungsdaten nur bedingt, da der mit Abstand am meisten verbreitete TAH – Acetylsalicylsäure – nicht verschreibungspflichtig ist und von einem hohen Selbstzahleranteil bei dieser Medikamentengruppe ausgegangen werden kann. Daher wurde auf die Ergebnisse einer deutschen Follow-up-Erhebung zur Lebens- und Versorgungssituation von Schlaganfallpatienten zurückgegriffen. Demnach nahmen nach 3,5 Monaten noch 85,4 % der Patienten, für die bei Entlassung aus dem Akutkrankenhaus TAHs empfohlen wurden, ein entsprechendes Präparat ein (Schneider et al. 2009). Gruppenrisiko Für die Risikoabschätzung wurde auf die Ergebnisse der 287 Studien mit insgesamt 135.000 Patienten umfassenden Metanalyse der „Antithrombotic Trialists' Collaboration“ (Antithrombotic Trialists' Collaboration 2002) zu den sekundärpräventiven Effekten einer TAH-Therapie zurückgegriffen. Die Metaanalyse berichtet eine Reduktion des 3-JahresRisikos für einen nicht tödlichen Schlaganfall durch TAH-Gabe von 10,8 % auf 8,3 %. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wird für die Modellierung von einer 1-JahresRisikoreduktion von 3,02 % auf 2,32 % ausgegangen (zur Methode vgl. Anhang). 128 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Tabelle 39: Gruppe 3 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach erstmaligem Hirninfarkt bei nicht festgestelltem NVHF und nicht festgestellter arterieller Hypertonie (9,7 % aller Hirninfarkt-Erstereignisfälle) – Behandlung Anteilswerte Quelle (Q) und Anmerkung (A) HirninfarktErstereignisfall ohne festgestelltes NVHF und ohne arterieller Hypertonie 9,7 % Q: DAK-Daten Mit TAH behandelt 85 % Q: Schneider et al. (2009) Jährliche Schlaganfallrate 2,32 % Quelle (Q) und Anmerkung (A) Q: Antithrombotic Trialists' Collaboration (2002) A: 1-Jahres-Risiken wurden aus den in der Quelle berichteten 3Jahres-Risiken (behandelt: 8,3 %, unbehandelt: 10,8 %) abgeleitet (zur Methode vgl. Anhang) Nicht mit TAH behandelt 15 % 3,02 % Quelle: IGES 3.6.5 Mögliche Ansätze zur Optimierung der medikamentösen Sekundärprävention nach Hirninfarkt Für die Optimierung der medikamentösen Sekundärprävention nach einem Hirninfarkt eignen sich die bereits im Kapitel zu medikamentösen Sekundärprävention nach einer TIA beschriebenen Ansätze, auf die an dieser Stelle verwiesen wird (vgl. Abschnitt 3.2.5.) 3.6.6 Ergebnisse der Modellierung Nachfolgend wird in drei Abschnitte unterteilt dargestellt, wie viele erneute Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle (und DALY) dem NVHF und der arteriellen Hypertonie zurechenbar sind, wenn x x x der Status quo der medikamentösen Sekundärprävention nach erstmaligem Hirninfarkt modelliert wird (Modellansatz: „IST-Versorgung“), die IST-Versorgung mit einem fiktiven Ansatz verglichen wird, bei dem unterstellt wird, dass keinerlei medikamentöse Sekundärprävention des NVHF oder mit TAH erfolgt (Modellansatz: Fiktives „Null-Szenario“) eine gegenüber dem Status quo optimierte medikamentöse Sekundärprävention des NVHF oder mit TAH nach erstmaligem Hirninfarkt modelliert wird (Modellansatz: „Optimierungs-Szenario“) 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 129 3.6.6.1 Modellergebnisse der „IST-Versorgung“ Die Gesamtzahl der Menschen mit einem erstmaligen Hirninfarkt und einer nachfolgenden vollstationären Behandlung wird auf Grundlage der Daten der DAK-Gesundheit auf etwa 153,8 Tausend pro Jahr geschätzt. Etwa 8,1 Tausend dieser Patienten versterben im Krankenhaus während der Akutversorgung nach Hirninfarkt. Für eine Sekundärprävention nach erstmaligem Hirninfarkt kommen demnach 145,7 Tausend Patienten in Betracht. Nach den Versorgungsdaten der DAK-Gesundheit erhalten im vierten Quartal nach der Krankenhausbehandlung wegen des erstmaligen Hirninfarktes nur noch ca. 60 % der Patienten mit einer Diagnose Vorhofflimmern mindestens eine OAK-Verordnung und 86,9 % der Patienten mit einer Diagnose arterielle Hypertonie mindestens eine Verordnung von Antihypertensiva. Nach Studien ist davon auszugehen, dass von den übrigen Patienten ohne VHF und/oder arterielle Hypertonie nur 85 % eine TAH-Verordnung erhalten. Von den jährlich etwa 145,7 Tausend Fällen mit einem erstmaligen Hirninfarkt (ohne im Krankenhaus Verstorbene) erleiden nach unseren Modellannahmen x x x etwa 3.630 Patienten innerhalb eines Jahres einen erneuten Schlaganfall, der dem Risikofaktor Vorhofflimmern zuzuordnen ist, etwa 1.870 Patienten innerhalb eines Jahres einen Hirninfarkt, der dem Risikofaktor arterielle Hypertonie zuzuordnen ist, und etwa 340 Patienten aus dem Kollektiv ohne Vorhofflimmern und/oder arterieller Hypertonie einen Hirninfarkt. Damit kommt es nach der Modellierung des DAK-Versorgungsreports bei 4,0 % aller Patienten mit einem erstmaligen Hirninfarkt innerhalb eines Jahres zu einem erneuten Schlaganfallereignis. Dieser Anteil liegt um ca. 2 Prozentpunkte unter dem Anteil der Fälle mit einem erneuten Schlaganfallereignis innerhalb eines Jahres nach dem ersten Hirninfarkt, wie er für das DAK-Kollektiv unter Verwendung der DAK-Routinedaten ermittelt worden ist (vgl. Abschnitt 2.2.6). Ein Teil des Unterschiedes dürfte darin begründet liegen, dass bei den Fälle ohne festgestelltes NVHF und ohne arterielle Hypertonie sowie den Fällen ohne festgestelltes NVHF und ohne arterielle Hypertonie in der Modellierung „nur“ die 1-Jahres-Risiken für Hirninfarkte (und nicht für Schlaganfälle) angesetzt worden sind. Nur die Modellierung der Patientengruppe(n) mit einem NVHF erfolgt auf der Grundlage der jährlichen Risiken für ein Auftreten aller Schlaganfallarten und nicht nur der Hirninfarkte. Dies ist erforderlich, weil die Behandlung mit OAK zu einer geringfügigen Erhöhung des Risikos für das Auftreten einer Hirnblutung führt. Die gravierendste Nebenwirkung einer vermehrten Behandlung mit OAK ist also bei der Abschätzung der Effekte der Versorgungsoptimierung mit berücksichtigt. Abbildung 44 illustriert den Modellaufbau und die Anzahl erneuter Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle innerhalb eines Jahres in den einzelnen definierten Modellpopulationen. 130 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 44: Modellansatz „IST-Versorgung“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erneuter Hirninfarkte/Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaligem Hirninfarkt (n=5.840) Menschen mit erstem Hirninfarkt 146 Tsd Davon mit behandelbarem NVHF Mit OAK Davon mit VHF behandelt: 60 % 40 Tsd Übrige mit TAH behandelt: 14 % Davon mit nicht behandelbarem NVHF Davon mit Bluthochdruck 86 Tsd Übrige 14 Tsd Risiko Schlaganfall - mit OAK behandelt: 4,6 % - mit TAH behandelt: 10,5 % - nicht behandelt: 13,0 %: ~ 3.140 Schlaganfälle Risiko Schlaganfall: 13,0 % ~ 490 Schlaganfälle 4 Tsd Anmerkung: 3 Davon mit Mit Anti-Hypert. Bluthochdruck behandelt: 87 % Mit TAH Übrige behandelt: 85 % Risiko Hirninfarkt - mit Anti-Hypert. behandelt: 2,09 % - nicht mit Anti-Hypert. behandelt: 2,71 % ~ 1.870 Hirninfarkte Risiko Hirninfarkt - mit TAH behandelt: 2,32 % - nicht mit TAH behandelt: 3,02 % ~ 340 Hirninfarkte Die Abweichung zwischen der Anzahl von Menschen mit erstem Hirninfarkt und der Anzahl in den einzelnen Gruppen ergibt sich aus der Nicht-Berücksichtigung der Fälle mit valvulärem VHF (vgl. Kapitel 3.6.4.2). Quelle: IGES 3.6.6.2 Modellergebnisse des Fiktiven „Null-Szenarios“ In dem fiktiven „Null-Szenario“ wird geschätzt, wie viele erneute Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle ohne sekundärpräventive Behandlung nach erstmaligem Hirninfarkt mit OAK, Antihypertensiva und TAH auftreten würden. Für die Modellsimulation werden die Gruppengrößen in den Pfaden, in denen der Anteil der medikamentös behandelten Patienten beschrieben ist, auf „Null“ gesetzt. Allen Patienten wird in der Modellierung das jeweils gruppenspezifisch höhere 1-JahresSchlaganfall-Risiko zugeordnet. Im Ergebnis wären ohne eine medikamentöse Sekundärprävention nach erstmaligem Hirninfarkt im ersten Jahr nach diesem Ereignis ca. 8.480 neu aufgetretene Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle (9.702 DALY – vgl. Abschnitt 3.6.4.1) zu erwarten. Im Abgleich mit dem Status quo-Szenario ergibt sich für die aktuelle bestehende Sekundärprävention nach erstem Hirninfarkt folgende Wirksamkeit: x In Deutschland werden pro Jahr etwa 2.640 erneute Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle und – unter Verwendung des in Abschnitt 3.6.4.1 beschriebenen Ansatzes – etwa 3.020 DALYs verhindert. Die Abbildung 45 illustriert den Modellaufbau und die Anzahl erneuter Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle in den einzelnen definierten Modellpopulationen. 3 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung Abbildung 45: Modellansatz Fiktives „Null-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erneuter Hirninfarkte/Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaligem Hirninfarkt (n=8.480) Menschen mit erstem Hirninfarkt 146 Tsd Davon mit behandelbarem NVHF Mit OAK Davon mit VHF behandelt: 60 % -> 0% 40 Tsd Übrige mit TAH behandelt: 14 % -> 0% Davon mit nicht behandelbarem NVHF Davon mit Bluthochdruck 86 Tsd Übrige 14 Tsd Risiko Schlaganfall - mit OAK behandelt: 4,6 % - mit TAH behandelt: 10,5 % - nicht behandelt: 13,0 %: ~ 5.230 Schlaganfälle Risiko Schlaganfall: 13,0 % ~ 490 Schlaganfälle 4 Tsd Anmerkung: 131 Davon mit Mit Anti-Hypert. Bluthochdruck behandelt: 87 % -> 0% Mit TAH Übrige behandelt: 85 % -> 0% Risiko Hirninfarkt - mit Anti-Hypert. behandelt: 2,09 % - nicht mit Anti-Hypert. behandelt: 2,71 % ~ 2.330 Hirninfarkte Risiko Hirninfarkt - mit TAH behandelt: 2,32 % - nicht mit TAH behandelt: 3,02 % ~ 430 Hirninfarkte Die Abweichung zwischen der Anzahl von Menschen mit erstem Hirninfarkt und der Anzahl in den einzelnen Gruppen ergibt sich aus der Nicht-Berücksichtigung der Fälle mit valvulärem VHF (vgl. Kapitel 3.6.4.2). Quelle: IGES 3.6.6.3 Modellergebnisse des „Optimierungs-Szenarios“ In dem Optimierungs-Szenario wird modelliert, wie viele erneute Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle vermieden werden können, wenn die Sekundärprävention nach erstmaligem Hirninfarkt bei NVHF, bei arterieller Hypertonie und in der Patientengruppe ohne diese beiden Risikofaktoren durch TAH-Gabe weiter verbessert wird. In Abschnitt 3.2.5 sind mögliche Ansätze für Optimierungen skizziert worden. Für das OptimierungsSzenario wurden in Abstimmung mit dem externen Begleitgremium und den Experten der DAK-Gesundheit folgende Ziele für die Patienten mit erstmaligem Hirninfarkt formuliert: x Die Behandlungsrate bei den für eine Behandlung mit OAK geeigneten Patienten steigt von heute 60 % auf 85 %. x Die Behandlungsrate bei den für eine Behandlung mit OAK geeigneten Patienten, aber nicht mit OAK sondern mit TAH behandelten Patienten steigt von heute 14 % auf 95 %. x Die Behandlungsrate mit Anti-Hypertensiva bei den Patienten mit einer arteriellen Hypertonie und ohne Vorhofflimmern steigt von heute 87 % auf 95 %. x Die Behandlungsrate mit TAH bei den (übrigen) Patienten ohne Vorhofflimmern und ohne arterielle Hypertonie steigt von heute 85 % auf 95 %. Im Ergebnis würden pro Jahr „nur noch“ ca. 4.860 erneute Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle nach erstmaligem Hirninfarkt pro Jahr auftreten. Eine Verbesserung der medikamentösen Sekundärprävention nach erstmaligem Hirninfarkt in der vorgeschlagenen Größenordnung hätte – im Vergleich zum Ist-Szenario – folgende Wirksamkeit: x In Deutschland könnten pro Jahr zusätzlich etwa 980 erneute Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle und– unter Verwendung des in Abschnitt 3.6.4.1 beschriebenen Ansatzes – etwa 1.120 DALYs verhindert werden. 132 Effekte einer optimierten Prävention und Versorgung 3 Abbildung 46 illustriert den Modellaufbau und die Anzahl erneuter Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle in den einzelnen definierten Modellpopulationen. Abbildung 46: Modellansatz „Optimierungs-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erneuter Hirninfarkte/Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaligem Hirninfarkt (n=4.860) Menschen mit erstem Hirninfarkt 146 Tsd Davon mit behandelbarem NVHF Mit OAK Davon mit VHF behandelt: 60 % -> 85% 40 Tsd Übrige mit TAH behandelt: 14 % -> 95% Davon mit nicht behandelbarem NVHF 86 Tsd ~ 2.210 Schlaganfälle (-930 geg. IST-Versorgung) Risiko Schlaganfall: 13,0 % ~ 490 Schlaganfälle 4 Tsd Davon mit Bluthochdruck Risiko Schlaganfall - mit OAK behandelt: 4,6 % - mit TAH behandelt: 10,5 % - nicht behandelt: 13,0 %: Davon mit Mit Anti-Hypert. Bluthochdruck behandelt: 87 % -> 95% Risiko Hirninfarkt - mit Anti-Hypert. behandelt: 2,09 % - nicht mit Anti-Hypert. behandelt: 2,71 % ~ 1.830 Hirninfarkte (-40 geg. IST-Versorgung) Übrige 14 Tsd Mit TAH Übrige behandelt: 85 % -> 95% Risiko Hirninfarkt - mit TAH behandelt: 2,32 % - nicht mit TAH behandelt: 3,02 % ~ 330 Hirninfarkte (-10 geg. IST-Versorgung) Anmerkung: Die Abweichung zwischen der Anzahl von Menschen mit erstem Hirninfarkt und der Anzahl in den einzelnen Gruppen ergibt sich aus der Nicht-Berücksichtigung der Fälle mit valvulärem VHF (vgl. Kapitel 3.6.4.2). Quelle: IGES 133 4. Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen im Hinblick auf deren Kosten-Effektivität 4.1 Primärprävention mit oralen Antikoagulantien bei Vorhofflimmern Das in Abschnitt 3.1.6.1 beschriebene Szenario der Status quo-Versorgung geht von einer tatsächlichen Zahl von ca. 1,542 Mio. Personen mit Vorhofflimmern (VHF) in Deutschland aus, von denen aktuell nur zwei Drittel (1,028 Mio.) entdeckt sind. Von den Personen mit entdecktem VHF sind 82,3 % mit oralen Antikoagulantien (OAK) behandelbar (0,847 Mio.). Tatsächlich mit OAK behandelt werden im Status quo-Szenario jedoch nur 50 % (0,424 Mio.), weitere 7 % (0,059 Mio.) werden mit Thrombozytenaggregationshemmern (TAH) behandelt. Die Modellierung ergab, dass durch die Status-quo-Versorgung im Vergleich zum Null-Szenario etwa 64.100 DALY (12.300 erstmalige Hirninfarkte) vermieden werden. Für die Ermittlung der Kosten-Effektivität der Status quo-Versorgung müssen die Kosten der Interventionsmaßnahmen geschätzt werden, mit denen dieser Effekt der Senkung der Krankheitslast erzielt wird. Im Einzelnen werden für die Behandlung des VHF mit OAK (Vitamin-K-Antagonisten) einschließlich regelmäßiger Überwachung der Einstellung (INR-Wert) folgende Annahmen getroffen, die aus der Dossierbewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) für den Wirkstoff Apixaban übernommen sind (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 2013): x x Bezüglich der Behandlung der ca. 0,424 Mio. VHF-Patienten werden die Arzneimittelkosten für Vitamin-K-Antagonisten (z. B. Phenprocoumon) zugrundegelegt, die bei Jahrestherapiekosten von 35,23 € bis 92,49 € liegen. Die Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten erfordert eine regelmäßige ärztliche Überwachung (Kontrolle INR-Werte mindestens alle 3 bis 4 Wochen). Für die regelmäßigen Gerinnungskontrollen (13 bis 17 Mal p. a. bei stabil eingestellten Patienten) fallen zusätzliche Kosten in Höhe von 7,80 € bis 10,40 € pro Jahr an. Sowohl bei den Jahrestherapiekosten als auch bei den Kosten der Gerinnungskontrollen werden die mittleren Ansätze aus den o.g. Kostenkorridoren und damit insgesamt etwa 75 € pro Jahr für die Modellierung übernommen. (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 2013) Für die Status quo-Versorgung werden in der Modellierung zu 100 % Vitamin-KAntagonisten berücksichtigt, da diese in Deutschland für die Primärprävention bei Vorhofflimmern im Jahr 2011 noch nahezu ausschließlich zum Einsatz gekommen sind. Neue orale Antikoagulantien können erst seit 2011 (Dabigatran und Rivaroxaban seit dem Jahr 2011 und Apixaban seit dem Jahr 2012) zur Vermeidung von Thromboembolien bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern eingesetzt werden (Schwabe und Paffrath 2014). Da bei der Modellierung eine Prävalenzbetrachtung durchgeführt wird, können die Kosten der Diagnostik zur Entdeckung bzw. Sicherung der Diagnose nicht berücksichtigt werden. Zwar sind diese Kosten für die 0,424 Mio im Status quo behandelten Patienten insgesamt abschätzbar, allerdings kann deren Schlüsselung auf einen Ein-Jahres-Zeitraum nicht verlässlich erfolgen. Bei der Modellierung der Gesamtkosten eines Jahres werden entsprechend nur die Kosten der Behandlung berücksichtigt und diese – aufgrund der NichtBerücksichtigung der Kosten für Diagnostik zur Entdeckung bzw. Sicherung des VHF – unterschätzt. Für die Patienten, die mit TAH behandelt werden, werden keine Kosten angesetzt, da das Arzneimittel (ASS) frei verkäuflich ist und üblicherweise nicht zu Lasten der GKV verordnet wird. In der Kosten-Effektivitätsanalyse werden nur die Behandlungskosten eines Jahres berücksichtigt (obwohl die Behandlung über mehrere Jahre fortgesetzt werden muss). Dies entspricht auch der Vorgehensweise bei der Ermittlung der Effekte, die auch nur die während eines Jahres vermiedenen DALY betrachtet. 134 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität 4 Zur Berücksichtigung von Unsicherheiten bei den Parameterschätzern wird eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt, indem die geschätzten Kosten bzw. Effekte um jeweils 10 Prozent erhöht/erniedrigt werden (Kosten minus 10 %/Effekte plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effekte minus 10 %). Aus den in Tabelle 40 dargestellten Berechnungen ergibt sich eine Kosten-Effektivität der Status quo-Versorgung von 495 € pro verhindertes DALY (Sensitivitätsanalyse: 405 € – 605 €). Setzt man die durch die Primärprävention bei Vorhofflimmern im Status quo vermiedenen jährlich ca. 12.300 Schlaganfälle zu den Kosten der Primärprävention bei VHF in Höhe von etwa 31,7 Mio. Euro in Beziehung, so ergeben sich Kosten von etwa 2.600 Euro je vermiedenen Schlaganfall. Setzt man die durch die Primärprävention bei Vorhofflimmern im Status quo vermiedenen jährlich ca. 12.300 Schlaganfälle zur Gesamtzahl der mit OAK behandelten 0.424 Millionen VHF-Patienten in Beziehung, so ergibt sich, dass etwa 35 VHF-Patienten mit OAK behandelt werden müssen, um einen Schlaganfall zu verhindern (number needed to treat = 34,4). Tabelle 40: Kosten-Effektivität der Primärprävention bei Vorhofflimmern – Statusquo-Versorgung Nr. Parameter Wert / Ergebnis 1 Gesamtpopulation mit VHF in Deutschland (Prävalenz) 1.542.000 2 Rate VHF entdeckt 66,7 % 3 Anzahl VHF entdeckt (1 * 2) 1.028.514 Kosten Behandlung VHF mit OAK 1 Jahr 4 Anteil VHF-Patienten, die mit OAK behandelbar sind 82,3 % 5 Anzahl VHF-Patienten, die mit OAK behandelbar sind (3 * 4) 846.467 6 Anteil tatsächlich mit OAK behandelter Patienten 50 % 7 Anzahl tatsächlich mit OAK behandelter Patienten (5 * 6) 423.234 8 Anteil mit Vitamin-K-Antagonisten behandelt 100 % 9 Kosten Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten p. a. (inkl. INRKontrollen bei niedergelassen Ärzten/-innen) 75 € 10 Kosten Behandlung VHF mit OAK (7 * 8 * 9) 31.742.513 € Kosten-Effektivität 11 Durch die Intervention vermiedene DALY (Ergebnis der Modellierung Status quo versus Null-Szenario) 64.100 12 Kosten-Effektivität (Euro pro vermiedenes DALY) (10 / 11) 495 € 13 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 405 € 605 € Quelle: IGES. Bei den ausgewiesenen Werten in der Tabelle können aufgrund von Rundungsungenauigkeiten geringfügige rechnerische Abweichungen auftreten. 4 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität 135 Das Optimierungs-Szenario sieht einerseits eine Erhöhung der Entdeckungsrate des VHF auf 80 % der tatsächlichen Prävalenz und andererseits eine Erhöhung der Behandlungsrate mit OAK auf 75 % der behandelbaren Patienten mit Behandlungsbedarf vor. Für die Realisierung des Ziels einer Erhöhung der Entdeckungsrate des VHF wird auf die von Fitzmaurice et al. (2007) in einer cluster-randomisierten Studie in britischen Allgemeinarztpraxen erprobte Vorgehensweise Bezug genommen. In der Studie wurde gezeigt, dass durch ein „opportunistisches Screening“ die Rate der neu entdeckten VHFPatienten gegenüber der Regelversorgung ohne Screening um den Faktor 1,6 gesteigert werden kann. Das „opportunistische Screening“ besteht aus einer Pulstastung bei über 65-Jährigen Patienten bei jedem routinemäßigen Arztbesuch in der Hausarztpraxis sowie einer EKG-Untersuchung bei auffälligem Pulsbefund. In der Studie wurde im Laufe eines Jahres bei 5,6 % der Patienten ein auffälliger Pulsbefund festgestellt. Bei knapp einem Drittel dieser Patienten wurde im EKG ein VHF bestätigt. Die Schlaganfall-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin empfiehlt auf Basis der Studienergebnisse von (Fitzmaurice et al. 2007) die Pulstastung bei allen über 65-Jährigen Patienten (DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012). Für die Abbildung der Diagnostik zur Entdeckung bzw. Sicherung der Diagnose VHF und der diesbezüglichen Kostenansätze werden folgende Annahmen getroffen: x x x x Für die Pulstastung im Rahmen der routinemäßigen Hausarztbesuche werden keine zusätzlichen Kosten angesetzt Bei Verdacht auf VHF soll eine 12-Kanal-EKG-Untersuchung durchgeführt werden. Um die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung eines intermittierenden VHF zu erhöhen, sollen Langzeit-EKG-Messungen (24 Std. oder 7 Tage) durchgeführt werden (Camm et al. 2010, DEGAM [Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin] 2012). In den folgenden Berechnungen wird für die Diagnostik des VHF die Durchführung eines 24 Std.-Langzeit-EKG angenommen und mit den Kosten der entsprechenden Gebührenordnungspositionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) bewertet: Aufzeichnung Langzeit-EKG (EBM 03322/13252): 6,79 €; Computergestützte Auswertung Langzeit-EKG (EBM 03241/13253): 9,32 €; Gesamtkosten Langzeit-EKG: 16,11 €. Weitere ambulante Behandlungskosten werden für die VHF-Diagnostik nicht angesetzt bzw. werden als in den Versichertenpauschalen des EBM inkludiert angesehen. Ferner wird unterstellt, dass pro bestätigten VHF-Fall drei Verdachtsfälle einer EKG-Untersuchung unterzogen werden. Dieses Verhältnis wird aus der Studie von Fitzmaurice et al. (2007) abgeleitet. Dort wurde die Wirksamkeit von zwei unterschiedlichen Verfahren zum Screening auf VHF mit der Regelversorgung in Allgemeinarztpraxen verglichen. In dem Studienarm mit „opportunistischem Screening“ (Pulstasten bei jedem routinemäßigen Arztbesuch) wurde bei etwa einem Drittel der wegen eines auffälligen Pulsbefundes mit EKG untersuchten Probanden ein VHF bestätigt. 30 Für das Optimierungs-Szenario wird angenommen, dass die Bevölkerung ab 55 Jahren (die niedrigere Altersgrenze wird gewählt, weil die Modellierung der Effektivität der VHFPrimärprävention mit dieser unteren Altersgrenze durchgeführt wurde), bei der bisher kein VHF festgestellt wurde, grundsätzlich für das opportunistische Screening in Frage kommt. Wie der Berechnung in Tabelle 41 entnommen werden kann, reicht es aus, etwa 45 % dieser Population in das Screening einzubeziehen, um die im Optimierungsszenario angestrebte VHF-Entdeckungsrate von etwa 80 % zu erzielen. 30 In Fortführung des bisherigen Modellierungsansatzes werden die Berechnungen mit der Bevölkerung ab 55 Jahren durchgeführt. Die verwendeten Studienergebnisse zum Effekt der Pulstastung (Fitzmaurice et al. 2007) beziehen sich auf die Bevölkerung ab 65 Jahren. Durch diese Inkompatibilität wird die Verbesserung im Optimierungszenario etwas überschätzt, da die Prävalenz des VHF in der Gruppe der 55- bis 64Jährigen niedriger liegt. 136 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität 4 Für die Behandlung der neu entdeckten VHF-Patienten wird im Optimierungs-Szenario zunächst die Behandlungsrate der Status quo-Versorgung von 50 % – bezogen auf die behandelbaren VHF-Patienten mit Behandlungsbedarf – unterstellt. Für die Behandlung dieser Patientengruppe wird zunächst eine ausschließliche Versorgung mit Vitamin-KAntagonisten angenommen (zur Modellierung der Effekte der Erhöhung der Behandlungsrate vgl. Tabelle 42 und Erläuterungen). Tabelle 41: Kosten-Effektivität der Primärprävention bei Vorhofflimmern – Optimierungs-Szenario (nur Screening und Diagnosesicherung sowie Behandlung von 50 % der neu entdeckten und behandelbaren VHF-Patienten mit VKA) Nr. Parameter Wert / Ergebnis 1 Gesamtpopulation 55 Jahre und älter in Deutschland 27.328.845 2 Population mit bekanntem VHF (Status quo-Szenario: 66,7 % der tatsächlichen Prävalenz) 1.028.514 3 Screening-Zielpopulation (ab 55 Jahre, kein VHF bekannt) 26.300.331 (1 – 2) 4 Darunter Personen mit (unentdecktem) VHF (33,3 % der tatsächlichen Prävalenz) 513.486 Kosten Screening und Diagnostik zur Entdeckung VHF 5 Anteil der Zielpopulation, der tatsächlich gescreent wird 45 % 6 Anzahl tatsächlich gescreent (3 * 5) 7 Anteil mit auffälligem Pulsbefund (Fitzmaurice et al. 2007) 8 Anzahl mit auffälligem Pulsbefund (entspricht Anzahl durchzuführender EKG-Untersuchungen) (6 * 7) 662.768 9 Kosten pro 24-Std.-Langzeit-EKG 16,11 € 10 Kosten Screening-Diagnostik zur Entdeckung VHF (8 * 9) 11 Anteil gescreenter Patienten mit Langzeit-EKG und mit bestätigtem VHF (Fitzmaurice et al. 2007) 31,5 % 12 Anzahl neu entdeckte VHF-Patienten (11 * 8) 208.772 11.835.149 5,6 % 10.677.198 € Kosten Behandlung der neu entdeckten VHF-Patienten 13 Anteil der durch Screening neu entdeckten VHFPatienten, die mit OAK behandelbar sind 82,3 % 14 Anzahl der durch Screening neu entdeckten VHFPatienten, die mit OAK behandelbar sind (12 * 13) 171.819 15 Anteil tatsächlich mit OAK behandelter Patienten an den durch Screening neu entdeckten VHF-Patienten, die mit OAK behandelbar sind (vgl. Tabelle 40 Nr. 6) 50 % 16 Anzahl durch Screening neu entdeckter VHF-Patienten, die tatsächlich mit OAK behandelt werden (14 * 15) 85.910 17 Anteil der mit Vitamin-K-Antagonisten behandelten Patien- 100 % 4 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Nr. Parameter 137 Wert / Ergebnis ten an allen neu entdeckten und mit OAK behandelten VHF-Patienten 18 Anteil mit neuen oralen Antikoagulantien behandelten Patienten an allen neu entdeckten und mit OAK behandelten VHF-Patienten 0% 19 Kosten Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten p. a. (inkl. INR-Kontrollen bei niedergelassen Ärzten/-innen) p. a. 75 € 20 Kosten Behandlung VHF mit OAK (16 * 17 * 19) 6.443.227 € Kosten Gesamt (Screening-Diagnostik und Behandlung von 50 % der neu entdeckten, mit OAK behandelbaren VHF-Patienten mit VKA – 1 Jahr) 21 Gesamtkosten (10 + 20) 17.120.425 € Inkrementelle Kosten-Effektivität 22 Gegenüber dem Status quo-Szenario (nur) aufgrund der erhöhten Entdeckungsrate und der Behandlung von 50 % der neu entdeckten, mit OAK behandelbaren VHFPatienten mit VKA zusätzlich vermiedene DALY (Ergebnis der Modellierung Optimierungs-Szenario versus Status quo-Szenario) 15.800 23 Zusatzkosten pro zusätzlich vermiedenes DALY (21 / 22) 1.084 € 24 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 887 € 1.324 € Kosten-Effektivität Optimierungsszenario 48.862.938 € 25 Gesamtkosten (Tabelle 40 Nr. 10 + 21) 26 Vermiedene DALY insgesamt (Tabelle 40 Nr. 11 + 22) 79.900 27 Kosten-Effektivität (Euro pro vermiedenes DALY) (25 / 26) 612 € 28 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 500 € 747 € Quelle: IGES. Bei den ausgewiesenen Werten in der Tabelle können aufgrund von Rundungsungenauigkeiten geringfügige rechnerische Abweichungen auftreten. Die inkrementelle Kosten-Effektivität (IKER) für die Optimierung der VHF-Versorgung aufgrund des Screening und Diagnosesicherung sowie der Behandlung von 50 % der neu entdeckten und behandelbaren VHF-Patienten mit VKA beträgt 1.084 € pro zusätzlich vermiedenes DALY (Sensitivitätsanalyse: 887 € / 1.324 €). Durch die Optimierung der Entdeckungsrate sinkt die Kosten-Effektivität insgesamt (hier: Status-quo-Versorgung und Optimierung der Entdeckungsrate unter Annahme der Behandlungsrate wie im Status quo für die neu entdeckten VHF-Patienten) gegenüber dem Status quo in Variante A leicht. Dies ist auf die zusätzlichen Kosten für das Screening und die Diagnosesicherung zurückzuführen. Neben der Erhöhung der Entdeckungsrate des VHF beinhaltet das OptimierungsSzenario eine Erhöhung der Behandlungsrate mit OAK von 50 % auf 75 % der behandel- 138 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität 4 baren Patienten. Die Erhöhung der Behandlungsrate wird sowohl auf die bereits im Status quo entdeckten VHF-Patienten als auch auf die durch das Screening gegenüber dem Status quo zusätzlich entdeckten VHF-Patienten angewendet. Der nachfolgende Modellierungsansatz unterstellt, dass die bisherige Behandlungsrate im Status quo nur 50 % beträgt, weil ein nennenswerter Teil der VHF-Patienten aus verschiedensten Gründen für eine Behandlung mit VKA ungeeignet ist (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 2013). Die im Optimierungsszenario realisierte Steigerung der Behandlungsrate auf 75 % wird daher in der Modellierung so umgesetzt, dass die zusätzlich behandelten VHF-Patienten zu einem Anteil von 49,2 % mit NOAKs behandelt werden. Dadurch ergibt sich für die Gesamtgruppe aller behandelten VHF-Patienten ein NOAK-Anteil von 16,4 %. Dies entspricht dem Anteil, den das IQWiG in seiner Dossierbewertung für Apixaban (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 2013) als Zielgruppe für NOAK einschätzt, da sie für die Behandlung mit VKA ungeeignet sind. Für die durch die höhere Behandlungsrate insgesamt 0,255 Mio. mehr Fälle mit einer OAK-Behandlung werden drei unterschiedliche Ansätze für den VKA-/NOAK-Mix darge31 stellt (vgl. Tabelle 42). x x x Ansatz A unterstellt eine Versorgung der zusätzlich behandelten VHF-Patienten wie im Status quo ausschließlich mit VKA. Ansatz B unterstellt für alle behandelten VHF-Patienten einen Mix von 83,6 % VKA und 16,4 % NOAKs. Der Anteil von 16,4 % NOAKs wurde aus dem IQWiGBericht Nummer 157 abgeleitet (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 2013). Der Anteil der VHF-Patienten mit einem valvulären Vorhofflimmern, die einen Prophylaxebedarf haben, aber nicht für eine Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten jedoch für eine Therapie mit NOAKs geeignet sind, wird hier im Mittel auf 16,4 % geschätzt. Dieser Anteil wird modelliert, indem für das Kollektiv der VHF-Patienten, welches sich aufgrund des von 50 % auf 75 % erhöhten OAK-Behandlungsanteils ergibt, ein Mix von 50,2 % VKA und 49,2 % NOAKs angesetzt wird. Der Ansatz C beschreibt eine Konstellation, in der angenommen wird, dass insgesamt zwei Drittel aller mit OAK behandelten VHF-Patienen mit VKA und ein Drittel mit NOAKS versorgt wird. Dies bedeutet, dass 100 % der 0,255 Mio. zusätzlichen Fälle mit entdecktem VHF und einer OAK-Behandlung mit NOAKs behandelt werden müssten. Die Jahrestherapiekosten für die zur Vermeidung von Thrombembolien bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern zugelassenen NOAKs können sich unterscheiden. Für die Modellierung gehen wir von einem Wert von 1.300 Euro pro Jahr aus, der sich an den mittleren Jahrestherapiekosten (die sich je nach nach Tagesdosen leicht unterscheiden 32 können) orientiert (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 2013). Im Gegensatz zu den VKAs entfällt bei den NOAKs die regelmäßige ärztliche Kontrolle der INR-Werte. 31 Die Modellierung von drei unterschiedlichen Varianten für den VKA-/NOAK-Mix wird durchgeführt, da aktuell keine hinreichende Evidenz zur Beantwortung der Frage vorliegt, welche Anteile aus medizinischer Sicht für die Gesamtgruppe der VHF-Patienten zu optimalen gesundheitlichen Ergebnissen führen würden. Die Wirksamkeit von VKA und NOAKs im Hinblick auf die Verhütung von Hirninfarkten bei Patienten mit Vorhofflimmern wird als annähernd gleich eingestuft, Unterschiede zwischen beiden Wirkstoffgruppen bestehen ggf. hinsichtlich der Eignung der Patienten für die Behandlung mit der jeweiligen Substanzgruppe (AkdÄ 2012). 32 Laut Empfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft soll bei älteren Patienten unter der Behandlung mit bestimmten NOAKs eine Verlaufskontrolle der Nierenfunktion durchgeführt werden (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) 2012). Dies ist mit zusätzlichen Kosten verbunden, die hier nicht berücksichtigt sind. 4 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Tabelle 42: Nr. Parameter 1 2 139 Kosten-Effektivität der Primärprävention bei Vorhofflimmern – Optimierungs-Szenario (nur Erhöhung des Behandlungsanteils unter den behandelbaren VHF-Patienten (inkl. neu entdeckte VHF-Patienten) von 50 % auf 75 %) Wert / Ergebnis für Ansatz A (zusätzliche Fälle erhalten zu 100 % VKA) Wert / Ergebnis für Ansatz B (zusätzliche Fälle erhalten zu 50,8 % VKA, zu 49,2 % NOAKs) Wert / Ergebnis für Ansatz C (zusätzliche Fälle erhalten zu 25 % VKA, zu 75 % NOAKs) Gesamtpopulation 55 Jahre und älter in Deutschland 27.328.845 27.328.845 27.328.845 Population mit bekanntem VHF (Status quo-Szenario: 66,7 % der tatsächlichen Prävalenz) 1.028.514 1.028.514 1.028.514 Anzahl der zusätzlich aufgrund erhöhter Behandlungsrate behandelten VHF-Patienten bei VHFEntdeckungsrate von 66,7 % 3 Anteil der Patienten, die mit OAK behandelbar sind 82,3 % 82,3 % 82,3 % 4 Anzahl der mit OAK behandelbaren Patienten (bei Entdeckungsrate 66,7 %) (2 * 3) 846.467 846.467 846.467 5 Anteil der bei erhöhter Behandlungsrate mit OAK behandelten Patienten 75 % 75 % 75 % 6 Anzahl der bei erhöhter Behandlungsrate mit OAK behandelten Patienten (bei Entdeckungsrate 66,7 %) (4 * 5) 634.850 634.850 634.850 7 Anzahl der zusätzlich mit OAK behandelten Patienten (bei Entdeckungsrate 66,7 %) (4 -6) 211.617 211.617 211.617 Anzahl der zusätzlich aufgrund erhöhter Behandlungsrate behandelten VHF-Patienten unter den zusätzlich durch die erhöhte VHF-Entdeckungsrate von 80 % entdeckten VHF-Patienten 8 Anzahl der durch Screening neu entdeckten VHF-Patienten, die mit OAK behandelbar sind 171.819 171.819 171.819 50 % 50 % 50 % 85.910 85.910 85.910 (vgl. Tabelle 41 Nr. 14) 9 Anteil der mit OAK behandelten Patienten an den durch Screening neu entdeckten VHFPatienten, die mit OAK behandelbar sind (vgl. Tabelle 41 Nr. 15) 10 Anzahl der durch Screening neu entdeckten VHF-Patienten, die tatsächlich mit OAK behan- 140 Nr. Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Parameter Wert / Ergebnis für Ansatz A (zusätzliche Fälle erhalten zu 100 % VKA) Wert / Ergebnis für Ansatz B (zusätzliche Fälle erhalten zu 50,8 % VKA, zu 49,2 % NOAKs) Wert / Ergebnis für Ansatz C (zusätzliche Fälle erhalten zu 25 % VKA, zu 75 % NOAKs) delt werden (8 * 9, vgl. Tabelle 41 Nr. 16) 11 Anteil der bei erhöhter Behandlungsrate mit OAK behandelten Patienten an den durch Screening neu entdeckten VHFPatienten, die mit OAK behandelbar sind 75 % 75 % 75 % 12 Anzahl der bei erhöhter Behandlungsrate insgesamt mit OAK behandelten Patienten an den durch Screening neu entdeckten VHF-Patienten, die mit OAK behandelbar sind (8 * 11) 128.865 128.865 128.865 13 Anzahl der mit OAK zusätzlich behandelten Patienten unter den neu entdeckten und behandelbaren VHF-Patienten aufgrund erhöhten Behandlungsanteils (12 – 10) 42.955 42.955 42.955 Kosten der insgesamt zusätzlich aufgrund erhöhter Behandlungsrate behandelten VHFPatienten 14 Anzahl zusätzlich aufgrund erhöhter Behandlungsrate mit OAK behandelten VHFPatienten (7 + 13) 254.572 254.572 254.572 15 Anteil der mit Vitamin-KAntagonisten behandelten Patienten an allen zusätzlich aufgrund erhöhter Behandlungsrate mit OAK behandelten VHFPatienten 100 % 50,8 % 0% 16 Anteil der mit neuen oralen Antikoagulantien behandelten Patienten an allen neu entdeckten und mit OAK behandelten VHF-Patienten 0% 49,2 % 100 % 17 Kosten Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten p. a. (inkl. INR-Kontrollen bei niedergelassen Ärzten/-innen) p. a. 75 € 75 € 75 € 18 Kosten Behandlung mit neuen oralen Antikoagulantien p. a. 1.300 € 1.300 € 1.300 € 4 4 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Nr. Parameter 19 Kosten der Behandlung der zusätzlich aufgrund erhöhter Behandlungsrate behandelten VHF-Patienten (14 * 15 * 17) + 141 Wert / Ergebnis für Ansatz A (zusätzliche Fälle erhalten zu 100 % VKA) Wert / Ergebnis für Ansatz B (zusätzliche Fälle erhalten zu 50,8 % VKA, zu 49,2 % NOAKs) Wert / Ergebnis für Ansatz C (zusätzliche Fälle erhalten zu 25 % VKA, zu 75 % NOAKs) 19.092.870 € 172.523.173 € 330.943.080 € (14 * 16 * 18) Inkrementelle Kosten-Effektivität 20 Gegenüber dem Status quoSzenario zusätzlich vermiedene DALY nur aufgrund der erhöhten Behandlungsrate (Ergebnis der Modellierung OptimierungsSzenario versus Status quoSzenario) 33.000 33.000 33.000 21 Zusatzkosten pro zusätzlich vermiedenes DALY (19 / 20) 579 € 5.228 € 10.029 € 22 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 473 € 707 € 4.277 € 6.390 € 8.205 € 12.257 € 50.835.383 € 204.265.687 € 362.685.594 € 97.100 97.100 97.100 Kosten-Effektivität Optimierungsszenario 23 Gesamtkosten (Tabelle 40 Nr. 10 + 19) 24 Vermiedene DALY insgesamt (Tabelle 40 Nr. 11 + 20) 25 Kosten-Effektivität (Euro pro vermiedenes DALY) (23 / 24) 524 € 2.104 € 3.735 € 26 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 428 € 640 € 1.721 € 2.571 € 3.056 € 4.565 € Quelle: IGES. Bei den ausgewiesenen Werten in der Tabelle können aufgrund von Rundungsungenauigkeiten geringfügige rechnerische Abweichungen auftreten. Die inkrementelle Kosten-Effektivität (IKER) für die Optimierung der VHF-Versorgung aufgrund der Erhöhung des Behandlungsanteils unter den behandelbaren VHF-Patienten (inkl. der neu entdeckten VHF-Patienten) von 50 % auf 75 % beträgt 579 € (Sensitvitätsanalyse 473 € / 707€) in Variante A, 5.228 € (4.277 € / 6.390 €) in Variante B und 10.029 € (8.205 € / 12.257 €) in Variante C. Durch die Optimierung der Behandlungsrate sinkt die Kosten-Effektivität insgesamt (hier: Status-quo-Versorgung und Optimierung der Behandlungsrate) gegenüber dem Status quo in Variante A leicht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein Teil der nunmehr zusätzlich mit OAK versorgten VHF-Patienten bereits mit Thrombozyten-Aggregationshemmern (TAH) versorgt waren und daher die DALY-Verringerung gegenüber dem Status quo (alle unbehandelt) relativ geringer ausfällt. In den Varianten B und C sinkt die Kosten- 142 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität 4 Effektivität deutlich stärker, da hier die gegenüber den VKA vergleichsweise hohen NOAK-Kosten ins Gewicht fallen. In der nachfolgenden Tabelle werden die Ergebnisse der beiden Optimierungen zusammengefasst dargestellt. Die in den Spaltenüberschriften ausgewiesenen Prozentangaben zum VKA-/NOAK-Mix beziehen sich hier auf alle mit oralen Antikoagulantien behandelten VHF-Patienten. Tabelle 43: Nr. Kosten-Effektivität der Primärprävention bei Vorhofflimmern – Optimierungs-Szenario insgesamt Parameter Wert / Ergebnis für Ansatz A (behandelte Fälle erhalten zu 100 % VKA) Wert / Ergebnis für Ansatz B (behandelte Fälle erhalten zu 83,6 % VKA, zu 16,4 % NOAKs) Wert / Ergebnis für Ansatz C (behandelte Fälle erhalten zu 66,67 % VKA, zu 33,33 % NOAKs) Kosten Gesamt (Screening-Diagnostik und Behandlung 1 Jahr) 1 Gesamtkosten (Tabelle 40 Nr.10 + 67.955.808 € 221.386.111 € 379.806.018 € Tabelle 41 Nr. 21 + Tabelle 42 Nr. 19) Inkrementelle Kosten-Effektivität 2 Gegenüber dem Status quoSzenario zusätzlich vermiedene DALY (Ergebnis der Modellierung Optimierungs-Szenario versus Status quo-Szenario) 3 Zusätzliche Kosten gegenüber Status quo-Szenario (1 – Tabelle 40 Nr. 48.800 48.800 36.213.295 € 189.643.598 € 48.800 348.063.505 € 10 ) 4 Zusatzkosten pro zusätzlich vermiedenes DALY (3 / 2) 742 € 3.886 € 7.132 € 5 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 607 € 907 € 3.180 € 4.750 € 5.836 € 8.717 € 112.900 112.900 112.900 Kosten-Effektivität Optimierungs-Szenario 6 Vermiedene DALY insgesamt (2 + Tabelle 40 Nr. 11) 7 Kosten-Effektivität (Euro pro vermiedenes DALY) (1 / 6) 602 € 1.961 € 3.364 € 8 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 492 € 736 € 1.604 € 2.397 € 2.752 € 4.112 € Quelle: IGES 4 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität 143 Die inkrementelle Kosten-Effektivität (IKER) für die Optimierung der VHF-Versorgung beträgt im Ansatz A 742 € (Sensitivitätsanalyse. 607 € / 907 €) pro zusätzlich vermiedenes DALY. Im Ansatz B beträgt sie 3.886 € (Sensitivitätsanalyse. 3.180 € / 4.750 €) und im Ansatz C 7.132 € (Sensitivitätsanalyse. 5.836 € / 8.717 €) pro zusätzlich vermiedenes DALY. Die Kosten-Effektivität der Versorgung insgesamt verschlechtert sich im OptimierungsSzenario Ansatz A (602 € pro vermiedenes DALY; Sensitivitätsanalyse: 492 € / 736 €) leicht gegenüber dem Status quo (495 € pro verhindertes DALY; Sensitivitätsanalyse: 405 € / 605 €). Hier ist darauf hinzuweisen, dass die gegenüber dem Status quo verringerte Kosten-Effektivität darauf zurückzuführen ist, dass die Kosten für das Screening der Bevölkerung ab 55 Jahren und die ggf. erforderliche Sicherung der VHFDiagnose im Startjahr der Optimierung besonders hoch ausfallen. Dies ergibt sich, da zunächst die bislang unentdeckten VHF-Patienten „abgearbeitet“ werden müssen. Je mehr die tatsächliche VHF-Prävalenz auch durch das Screening aufgedeckt wird, desto stärker sinkt die Zahl der notwendigen diagnostischen Absicherungen vermuteten VHFs. Dies bedeutet, dass sich die Kosten-Effektivität von Jahr zu Jahr verbessert. Auf eine Modellierung dieses Effekts wurde verzichtet, da keine Studienergebnisse vorliegen, wie sich die Parameter „Anteil mit auffälligem Pulsbefund“ (5,6 %; vgl. Tabelle 41 Nr. 7) und „Anteil gescreenter Patienten mit Langzeit-EKG und mit bestätigtem VHF“ (31,5 %; vgl. Tabelle 41 Nr. 11) bei etabliertem Screeningverfahren im Zeitverlauf entwickeln. Dieser Zusammenhang gilt auch für die Varianten B und C. Im Optimierungs-Szenario Ansatz B, in dem davon ausgegangen wird, dass insgesamt 16,4 % aller behandelten VHF-Fälle mit NOAKs und 83,6 % mit VKA versorgt werden, verschlechtert sich die Kosten-Effektivität der Versorgung (1.961 € pro vermiedenes DALY; Sensitivitätsanalyse: 3.180 € / 4.750 €) insgesamt bereits stärker gegenüber dem Status quo. Im Ansatz C, bei dem angenommen wird, dass ein Drittel aller behandelten VHFPatienten mit NOAKS und zwei Drittel mit VKA versorgt werden, verringert sich unter den in der Modellierung angesetzten Randbedingungen die Kosten-Effektivität der VHFVersorgung (3.364 € pro vermiedenes DALY; Sensitivitätsanalyse: 2.752 € / 4.112 €) ins-gesamt deutlich gegenüber dem Status quo. Die dargestellten Analysen zur inkrementellen Kosten-Effektivität zeigen, dass eine zusätzliche Senkung der durch das Vorhofflimmern verursachten Krankheitslast zu vergleichsweise moderaten Zusatzkosten realisierbar wäre. Die Kosten-Effektivität der Versorgung insgesamt verschlechtert sich leicht – im Falle der Szenarien mit höheren Anteilen von NOAK-Behandlungen auch in stärkerem Maße – gegenüber dem Status quo. Dies liegt teilweise daran, dass die Zusatzkosten für das Screening aufgrund des Ein-Jahres-Bezugs der Analyse überproportional berücksichtigt werden bzw. dass die nach Einführung des Screenings sinkenden Kosten nicht berücksichtigt werden. Teilweise liegt es daran, dass die Verringerung der Krankheitslast durch die Steigerung der Behandlungsrate relativ geringer rausfällt als im Status quo-Szenario, weil ein Teil der zusätzlich behandelten Patienten zuvor mit TAH behandelt wird, d. h. zwar suboptimal therapiert wird, aber auch nicht unbehandelt ist. 4.2 Akutstationäre Versorgung Das in Abschnitt 3.3.5.1 beschriebene Szenario der Status quo-Versorgung geht von einer tatsächlichen Zahl von ca. 153,8 Tausend Personen aus, die im Jahr einen erstmaligen Hirninfarkt erleiden. Von diesen Hirninfarktpatienten werden geschätzte 61,9 Tausend (40,2 %) innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Ereignis in ein Krankenhaus aufgenommen. 19 Tausend (30,7 %) dieser früh aufgenommenen Patienten erhalten eine Thrombolyse i. v.-Therapie. Die Modellierung ergab, dass durch diese therapeutische Option in der Status quo-Versorgung im Vergleich zum Null-Szenario etwa 7.200 DALY vermieden werden. 144 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität 4 Für die Ermittlung der Kosten-Effektivität der Status quo-Versorgung (bezogen auf die Thrombolyse i. v.-Therapie) müssen die Kosten der Interventionsmaßnahmen geschätzt werden, mit denen dieser Effekt der Senkung der Krankheitslast erzielt wird. Die präklinische und klinische Akutversorgung von Hirninfarktpatienten stellt prinzipiell darauf ab, die betroffenen Personen möglichst schnell in ein für die Behandlung geeignetes Krankenhaus zu bringen und dort unmittelbar Maßnahmen der Diagnostik und Versorgung einzuleiten. Hierbei ist es nicht von Bedeutung, ob ein Patient ggf. für die Thrombolyse i. v.-Therapie in Frage kommt oder nicht. Zwischen dem Status quoSzenario und dem Null-Szenario dürften sich die präklinischen Prozesse und der Rettungsdienstanteil insofern nicht unterscheiden, so dass hier keine Kostenunterschiede betrachtet werden müssen. Auch hinsichtlich der Diagnostik und Versorgung nach der Krankenhausaufnahme ist nicht von wesentlichen Unterschieden auszugehen, die sich in Kostenunterschieden zwischen lysierten und nicht lysierten Patienten ausdrücken. Lediglich die Durchführung der Thrombolyse i. v. selbst wirkt sich kostendifferenzierend aus, wobei die Medikamentenkosten von überragender Bedeutung sein dürften. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Krankenhäuser unterschiedliche LyseMedikamente, ggf. auch in unterschiedlicher Dosierung, einsetzen und unterschiedliche Einkaufspreise für die Arzneimittel erzielen können. Daher erfolgt die Ableitung der durchschnittlichen Medikamentenkosten je systemischer Thrombolyse unter Verwendung der vom InEK je G-DRG veröffentlichten Kalkulationsschemata (Report-Browser des InEK in der Version G-DRG HA V2012/2014). Es werden die Kostenunterunterschiede bei den Arzneimitteln zwischen zwei „Schlaganfall-DRGs“ verglichen, die sich in ihrer inhaltlichen Abgrenzung vor allem durch die Erbringung von systemischen Lysen in der einen DRG (B70C – Apoplexie ohne komplexen zerebrovask. Vasospasmus, mit neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls bis 72 Std., mit komplizierender Diagnose oder systemischer Thrombolyse oder mit anderer neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Std.) und die nicht-Erbringung systemischer Lysen in der anderen DRG (B70D – Apoplexie ohne komplexen zerebrovask. Vasospasmus, ohne komplizierende Diagnose oder systemische Thrombolyse, mit neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls bis 72 Std. oder mit anderer neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls bis 72 Std.) unterscheiden. Betrachtet werden die Arzneimittelkosten dieser beiden DRGs nach zwei unterschiedlichen Varianten (vgl. Tabelle 44): x x In der Variante A werden die über alle Kostenstellen kumulierten Arzneimittelkosten verglichen. Hier beträgt der Arzneimittelkostenunterschied zwischen der DRG mit systemischer Lyse (B70C) und der DRG ohne systemische Lyse (B70D) etwa 202 €. Da nur etwa 44 % aller Fälle der DRG B70C eine Lyse erhalten haben, ergeben sich, unter der Annahme, das die o.g. Kostendifferenz allein aus der Lyse-Therapie resultiert, zusätzliche Arzneimittelkosten von ca. 462 € je lysiertem Fall. In der Variante B werden nur die Arzneimittelkosten der Intensivstation betrachtet, da die Stroke Unit nach der Kalkulationssystematik den Intensivstationen zuzurechnen ist. Beim Vergleich der Arzneimittelkosten der DRG mit systemischer Lyse (B70C) und der DRG ohne systemische Lyse (B70D) beträgt der Unterschied 175 €. Nimmt man auch hier an, dass dieser Unterschied allein der Lyse i. v.-Therapie zuzurechnen ist, ergeben sich je lysiertem Fall zusätzliche Arzneimittelkosten von 401 €. Bei der Ermittlung der Kosten-Effektivität der Lyse i. v.-Therapie verwenden wir die nach der Variante B abgeleiteten Arzneimittelkosten je Lyse (400,67 €). 4 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Tabelle 44: 145 Ableitung der Arzneimittelkosten je Lyse i. v.-Therapie DRG B70C Apoplexie ohne komplexen zerebrovask. Vasospasmus, mit neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls bis 72 Std., mit komplizierender Diagnose oder systemischer Thrombolyse oder mit anderer neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Std. DRG B70D Apoplexie ohne komplexen zerebrovask. Vasospasmus, ohne komplizierende Diagnose oder systemische Thrombolyse, mit neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls bis 72 Std. oder mit anderer neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls bis 72 Std. Fälle in Kalkulationsmatrix 2.950 9.182 Fälle mit OPS-Code 8-020.8 „Systemische Thrombolyse“ 1.287 - 43,6 % 0% AM-Sachkosten insgesamt je Fall (alle Kostenstellen) 302,50 € 100,80 € Zusätzlich Arzneimittelkosten je Fall mit systemischer Lyse (Annahme: der Arzneimittelkostenunterschied zwischen der DRG B70C und B70D ist allein auf die Lysemedikamente zurückzuführen) 462,33 € Anteil der Fälle mit systemischer Thrombolyse an allen Fällen Sachkosten Arzneimittel Variante A Variante B AM-Sachkosten der Intensivstation je Fall (nur Intensivstation) 229,70 € Zusätzliche Arzneimittelkosten je Fall mit systemischer Lyse (Annahme: der Arzneimittelkostenunterschied zwischen der DRG B70C und B70D ist allein auf die Lysemedikamente zurückzuführen) 400,67 € Quelle: 54,90 € Report-Browser des InEK in der Version G-DRG HA V2012/2014; eigene Berechnung IGES Die Lyse i. v.-Therapie ist mit einem erhöhten Risiko für intrakranielle Blutungen verbunden. Der Anteil der Patienten mit Lyse i. v.-Therapie und einer durch die Lyse bedingten intrakraniellen Blutung an allen Hirninfarktpatienten mit einer Lyse i. v.-Therapie wird auf 4,5 % geschätzt. Dieser Anteilswert wurde aus den für das Projekt erstellten Sonderauswertungen der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen zur Akutversorgung des 146 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität 4 Schlaganfalls abgeleitet. Nach diesen Auswertungen tritt die Komplikation intrakranielle Blutung bei den Hirninfarktpatienten mit einer Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden und Lyse in 5,9 % aller Fälle und bei den Hirninfarktpatienten mit einer Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden ohne Lyse in 1,4 % aller Fälle auf. Bei der Berechnung der Kosten der Lyse-Behandlung sind die zusätzlichen Versorgungskosten dieser – ohne die Lyse nicht auftretenden – Hirnblutungen zu berücksichtigen. Diese Mehrkosten werden über die Kostendifferenz zwischen der Versorgung eines ischämischen Schlaganfalls und der eines hämorrhagischen Schlaganfalls operationalisiert. Die Kosten der akutstationären Behandlung der erstmaligen Hirninfarkte belaufen sich nach einer für den vorliegenden DAK-Versorgungsreport durchgeführten Auswertung der Daten der DAK-Gesundheit auf etwa 5.295 € je Fall. Eine entsprechende Kostenermittlung für hämorrhagische Schlaganfälle konnte mit den verfügbaren Daten nicht durchgeführt werden. Die Mehrkosten für einen hämorrhagischen Schlaganfall wurden daher unter Verwendung einer kürzlich publizierten Studie (Reimer und Schöffski 2014) abgeleitet, die ihrerseits auf eine Dissertation Bezug nimmt (Milde 2010). In dieser Studie werden die „Ereigniskosten“ eines ischämischen Schlaganfalls deutlich höher geschätzt (€ 7.690), als die aus den DAK-Gesundheit-Daten ermittelten akutstationären Kosten (€ 5.295). Dies kann an anderen Kostenabgrenzungen, aber auch daran liegen, dass nicht nur die Erst-Insulte, sondern alle Hirninfarkte einbezogen wurden. Die „Ereigniskosten“ für die „intrakraniale schwere Blutung“ werden von Reimer und Schöffski (2014) auf € 9.626 geschätzt, d. h. um den Faktor 1,25 höher als die Kosten des ischämischen Schlaganfalls. Für die vorliegende Modellierung wird der Steigerungsfaktor aus der Studie von Reimer und Schöffski (2014) auf die akutstationären Fallkosten der erstmaligen Hirninfarkte gemäß der aktuellen Auswertung der Daten der DAK-Gesundheit angewandt. D. h. für die als Folge der Lyse auftretenden Hirnblutungen wird pro Fall mit Zusatzkosten in Höhe von € 1.333,- kalkuliert (5.295 * 1,2517 – 5.295 €). Zur Berücksichtigung von Unsicherheiten bei den Parameterschätzern wird eine Sensitivitätsanalyse durchgeführt, indem die geschätzten Kosten bzw. Effekte um jeweils 10 Prozent erhöht/erniedrigt werden (Kosten minus 10 %/Effekte plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effekte minus 10 %). Aus den in Tabelle 45 dargestellten Berechnungen ergibt sich eine Kosten-Effektivität der Status quo-Versorgung von 1.219 € pro verhindertes DALY (Sensitivitätsanalyse: 997 € – 1.490 €). 4 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Tabelle 45: Kosten-Effektivität der Lyse i. v.-Therapie – Status quo-Versorgung Nr. Parameter Wert / Ergebnis 1 Anzahl erstmalige Hirninfarktpatienten insgesamt 153.806 2 Anteil der Patienten mit Krankenhausaufnahme später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt 59,78 % 3 Anteil der Patienten mit Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt 40,22 % 4 darunter Anteil mit Lyse i. v.-Therapie 30,72 % 5 Anzahl Hirninfarktpatienten mit Krankenhausaufnahme später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt 91.945 6 Anzahl Hirninfarktpatienten mit Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt 61.861 7 Anzahl Hirninfarktpatienten mit Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt und Lyse i. v.Therapie (=Lysefähig) 19.010 8 Anzahl Hirninfarktpatienten mit Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt und ohne Lyse i. v.Therapie (=nicht Lysefähig) 42.851 Kosten der Lyse i. v.-Therapie 9 Kosten je Lyse i. v.-Therapie (nur Medikamentenkosten) (vgl. Tabelle 44) 400,67 € 10 Anzahl durchgeführter Lyse i. v.-Therapien (7) 19.010 11 Kosten Lyse-i. v.-Therapien (9 * 10) 7.616.629 € Kosten der durch Lyse i. v.-Therapie bedingten intrakraniellen Blutungen 12 Kosten akutstationär je ischämischer Insult (aus Daten der DAKGesundheit 2011 – für erstmalige Hirninfarkte) 5.295 € 13 Kosten akutstationär hämorrhagischer Insult (125,18 % der Kosten des ischämischen Insult abgeleitet aus Milde (2010), zit. nach Reimer und Schöffski (2014)) (1,2518 * 12) 6.628 € 14 Zusätzliche Kosten je durch Lyse i. v.-Therapie bedingter intrakranieller Blutung (13 – 12) 1.333 € 15 Anteil Lyse-Patienten mit durch Lyse i. v.-Therapie bedingter intrakranieller Blutung (GQH (Hirninfarktpatienten mit Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt, Anteil mit Komplikation intrakranielle Blutung: Gruppe mit Lyse: 5,9 %; Gruppe ohne Lyse: 1,4 %) 4,5 % 16 Anzahl Lyse-Patienten mit durch Lyse i. v.-Therapie bedingter intrakranieller Blutung (15 * 7) 855 17 Zusätzliche Kosten der durch Lyse i. v.-Therapie bedingten intrakraniellen Blutungen (16 * 14) 1.140.343 € 147 148 Nr. Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Parameter 4 Wert / Ergebnis Kosten Gesamt (Lyse i. v.-Therapie und durch Lyse i. v.-Therapie bedingte intrakranielle Blutungen) 18 Gesamte Kosten (11 + 17) 8.756.972 € Kosten-Effektivität 19 Durch die Intervention vermiedene DALY (Ergebnis der Modellierung Status quo versus Null-Szenario) 7.184 20 Kosten-Effektivität (Euro pro vermiedenes DALY) (18 / 19) 1.219 € 21 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 997 € 1.490 € Quelle: IGES. Bei den ausgewiesenen Werten in der Tabelle können aufgrund von Rundungsungenauigkeiten geringfügige rechnerische Abweichungen auftreten. Für das Optimierungs-Szenario wird angenommen, dass es gelingt, deutlich mehr Hirninfarktpatienten innerhalb eines Zeitfensters von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarktereignis in ein geeignetes Krankenhaus aufzunehmen. Bislang ist dies nur bei etwa 40 % aller Fälle realisiert. Im Optimierung-Szenario wird eine Erhöhung auf fast 56 % angenommen (vgl. Abschnitt 3.3.5.5). Nach diesem Szenario kämen etwa 24.200 Patienten mehr innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarktereignis in ein Krankenhaus, von denen ca. 7.200 eine Thrombolyse i. v.-Therapie erhalten. Für diese Fälle ergab die Modellierung, dass durch die optimierte Versorgung im Vergleich zum Status quo-Szenario etwa 3.000 DALY zusätzlich vermieden werden. Für die 7.200 zusätzlich lysierten Patienten fallen pro Lyse i. v.-Therapie zusätzliche Arzneimittelkosten wie oben abgeleitet an, d. h. 400,67 € pro Lyse. Zusätzlich wird davon ausgegangen, dass die frühere Krankenhausaufnahme der 24.200 Patienten nur dann möglich sein wird, wenn ihre Krankenhauseinlieferung mit dem Rettungsdienst erfolgt. In der Gruppe der später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarktereignis aufgenommenen Fälle erfolgen bislang 15 % der Aufnahmen über Selbsteinweisung 33 und 20 % über einen Vertragsarzt. Für die Ermittlung der Kosten-Effektivität wird entsprechend davon ausgegangen, dass für 35 % der zusätzlich früher aufgenommenen Patienten auch zusätzliche Rettungsdiensteinsätze (etwa 8.500) erforderlich sind. Die Höhe der Rettungsdienstentgelte unterscheidet sich in Deutschland zwischen den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten deutlich. Angaben zur mittleren Entgelthöhe für einen Rettungsdiensteinsatz sind für Deutschland nicht verfügbar. Für jeden Rettungsdiensteinsatz wird von zusätzlichen Kosten von ca. 450 € ausgegangen. Dieser Betrag wurde einer aktuellen Vereinbarung über die Erhebung von Entgelten im Rettungsdienst (Landkreis Goslar 2013) entnommen. Er setzt sich aus einer Pauschale für das Notarzteinsatzfahrzeug (271,1 €) und aus einer Pauschale für den Einsatz eines Notarztes (174,84 €) zusammen. Darüber hinaus sind Investitionen erforderlich, um die frühzeitige Erkennung des Schlaganfalls zu steigern, z. B. durch Medienkampagnen. Diese Kosten sind hier nicht berücksichtigt. In Tabelle 46 wird zunächst die inkrementelle Kosten-Effektivität des OptimierungsSzenarios – also das Verhältnis der zusätzlichen Kosten zu den zusätzlich vermiedenen DALY – ermittelt. 33 In der Gruppe der bisher bereits innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt aufgenommen Fälle liegt der Anteil der Selbsteinweisungen bei 7 % und der Anteil der Einweisungen über den Vertragsarzt bei 5 %. 4 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Tabelle 46: 149 Inkrementelle Kosten-Effektivität der Lyse i. v.-Therapie im Optimierungs-Szenario Nr. Parameter Wert / Ergebnis 1 Anzahl der Hirninfarktpatienten, die zusätzlich innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt aufgenommen werden (Wechsel aus der Gruppe mit Aufnahme >3,5 in die Gruppe mit Aufnahme <=3,5 Stunden) 24.179 2 darunter Anteil der Patienten mit Lyse i. v.-Therapie 29,70 % 3 darunter Anteil der Patienten ohne Lyse i. v.-Therapie 70,30 % 4 Anzahl der Hirninfarktpatienten, die zusätzlich innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt aufgenommen werden und eine Lyse i. v.-Therapie erhalten (Wechsel aus der Gruppe mit Aufnahme >3,5 in die Gruppe mit Aufnahme <=3,5 Stunden mit Lyse) 7.182 5 Anzahl der Hirninfarktpatienten, die zusätzlich innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt aufgenommen werden und keine Lyse i. v.-Therapie erhalten (Wechsel aus der Gruppe mit Aufnahme >3,5 in die Gruppe mit Aufnahme <=3,5 Stunden ohne Lyse) 16.997 Kosten der zusätzlichen Lyse i. v.-Therapien 6 Kosten je Lyse i. v.-Therapie (nur Medikamentenkosten) (vgl. Tabelle 44) 400,67 € 7 Anzahl zusätzlich durchgeführter Lyse i. v.-Therapien (4) 7.182 8 zusätzliche Kosten Lyse i. v.-Therapien (6 * 7) 2.877.599 € Kosten der zusätzlichen Rettungsdiensteinsätze 9 Kosten je Rettungsdiensteinsatz 450 € 10 Anzahl zusätzlich durchgeführter Rettungsdiensteinsätze (35 % von 1) 8.463 11 Zusätzliche Kosten Rettungsdiensteinsätze (9 * 10) 3.808.194 € Kosten der durch Lyse i. v.-Therapie zusätzlich bedingten intrakraniellen Blutungen 12 Kosten akutstationär je ischämischer Insult (aus Daten der DAKGesundheit 2011 – für erstmalige Hirninfarkte) 5.295 € 13 Kosten akutstationär hämorrhagischer Insult (125,18 % der Kosten des ischämischen Insult abgeleitet aus Milde, zit. nach Reimer und Schöffski (2014)) (1,2518 * 12) 6.628 € 14 Zusätzliche Kosten je durch Lyse i. v.-Therapie bedingter intrakranieller Blutung (13 – 12) 1.333 € 15 Anteil Lyse-Patienten mit durch Lyse i. v.-Therapie bedingter intrakranieller Blutung (GQH (Hirninfarktpatienten mit Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt, Anteil mit Komplikation intrakranielle Blutung: Gruppe mit Lyse: 5,9 %; Gruppe ohne Lyse: 1,4 %) 4,5 % 150 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Nr. Parameter Wert / Ergebnis 16 Anzahl Lyse-Patienten mit durch Lyse i. v.-Therapie bedingter intrakranieller Blutung (16 * 4) 323 17 Zusätzliche Kosten der durch Lyse i. v.-Therapie bedingten intrakraniellen Blutungen (16 * 14) 430.827 € 4 Zusatzkosten Gesamt (Lyse i. v.-Therapie, Rettungsdiensteinsätze und durch Lyse i. v.-Therapie bedingte intrakranielle Blutungen) 18 Gesamte Zusatzkosten (8 + 11 + 17) 7.116.620 € Inkrementelle Kosten-Effektivität 19 Durch die Intervention zusätzlich vermiedene DALY (Ergebnis der Modellierung Optimierungsszenario versus Status quoSzenario) 3.024 20 Kosten-Effektivität (Zusätzliche Euro pro zusätzlich vermiedenes DALY) (18 / 19) 2.353 € 21 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 1.925 € 2.876 € Quelle: IGES. Bei den ausgewiesenen Werten in der Tabelle können aufgrund von Rundungsungenauigkeiten geringfügige rechnerische Abweichungen auftreten. Die inkrementelle Kosten-Effektivität (IKER) für die Optimierung der akutstationärenVersorgung (Thrombolyse i. v.-Therapie) beträgt 2.353 € (Sensitivitätsanalyse. 1.925 € / 2.876 €) pro zusätzlich vermiedenes DALY. Die Thrombolyse-Behandlung ist nur ein Teilaspekt der akutstationären Versorgung des Hirninfarkts. Durch die Erhöhung des Einsatzes dieser therapeutischen Option verändert sich ceteris paribus auch die Kosten-Effektivität der akutstationären HirninfarktVersorgung insgesamt. In Tabelle 47 wird die Kosten-Effektivität (Euro pro vermiedenes DALY) der akutstationären Versorgung von erstmaligen Hirninfarkten im Status-quo, im Null-Szenario sowie unter den Bedingungen des Optimierungs-Szenarios berechnet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Thrombolyse i. v.-Therapie bereits im Status-quo die KostenEffektivität verbessert (4.625 € je vermiedenes DALY, gegenüber 4.769 € im NullSzenario) und dass durch eine Ausweitung dieser Behandlungen – wie im OptimierungsSzenario modelliert – eine weitere Verbesserung der Kosten-Effektivität (auf 4.586 € je vermiedenes DALY) möglich wäre. Tabelle 47: Nr. Kosten-Effektivität der akutstationären Versorgung von erstmaligen Hirninfarkten Parameter Wert / Ergebnis Status quo 1 Anzahl erstmalige Hirninfarktpatienten insgesamt 153.806 2 Kosten der akutstationären Versorgung je erstmaligem Hirninfarkt (aus Daten der DAK-Gesundheit 2011 – für erstmalige Hirninfarkte) 5.295 € 3 Kosten gesamt aller erstmaligen Hirninfarkte in Deutschland (1 * 2) 814.402.800 € 4 Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Nr. Parameter Wert / Ergebnis 4 DALY gesamt der erstmaligen Hirninfarkte bei akutstationärer Aufnahme zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme 1.270.667 5 DALY gesamt der erstmaligen Hirninfarkte bei akutstationärer Entlassung (Status Quo-Szenario) 1.094.565 6 Vermiedene DALY gesamt ( 4 – 5) 176.102 7 Kosten-Effektivität (Status quo) (Euro pro vermiedenes DALY) (3 / 6) 4.625 € 8 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 3.784 € 5.652 € Null-Szenario 9 Anzahl erstmalige Hirninfarktpatienten insgesamt 153.806 10 Kosten akutstationär je erstmaligem Hirninfarkt (aus Daten der DAK-Gesundheit 2011 – für erstmalige Hirninfarkte) 5.295 € 11 Kosten gesamt aller erstmaligen Hirninfarkte in Deutschland (9 * 10) 814.402.800 € 12 Anzahl Hirninfarktpatienten mit Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt und Lyse i. v.Therapie (=Lysefähig) (Tabelle 45 Nr. 7) 19.010 13 Kosten der Lysen (Tabelle 45 Nr. 18) 8.756.972 14 Kosten gesamt aller erstmaligen Hirninfarkte in Deutschland ohne Kosten der Lysen (11 – 13) 805.645.828 € 15 DALY gesamt der erstmaligen Hirninfarkte bei akutstationärer Aufnahme zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme 1.270.667 16 DALY gesamt der erstmaligen Hirninfarkte bei akutstationärer Entlassung (Null-Szenario) 1.101.749 17 Vermiedene DALY gesamt ( 15 – 16) 168.918 18 Kosten-Effektivität (Status quo) (Euro pro vermiedenes DALY) (14 / 17) 4.769 € 19 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 3.902 € 5.829 € Optimierungs-Szenario 20 Anzahl erstmalige Hirninfarktpatienten insgesamt 153.806 21 Kosten akutstationär je erstmaligem Hirninfarkt (aus Daten der DAK-Gesundheit 2012 – für erstmalige Hirninfarkte) 5.295 € 22 Kosten gesamt aller erstmaligen Hirninfarkte in Deutschland (20 *21) 814.402.800 € 23 Zusätzliche Kosten der Optimierung (Tabelle 45 Nr. 18) 7.116.620 € 24 Kosten gesamt aller erstmaligen Hirninfarkte in Deutschland mit 821.519.419 € 151 152 Nr. Bewertung der untersuchten Interventionsoptionen auf Kosten-Effektivität Parameter 4 Wert / Ergebnis zusätzlichen Kosten der Optimierung (22 + 23) 25 DALY gesamt der erstmaligen Hirninfarkte bei akutstationärer Aufnahme zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme 1.270.667 26 DALY gesamt der erstmaligen Hirninfarkte bei akutstationärer Entlassung (Optimierungs-Szenario) 1.091.541 27 Vermiedene DALY gesamt ( 25 – 26) 179.126 28 Kosten-Effektivität (Status quo) (Euro pro vermiedenes DALY) (24 / 27) 4.586 € 29 Sensitivitätsanalyse (Kosten minus 10 %/Effektivität plus 10 %; Kosten plus 10 %/Effektivität minus 10 %) 3.752 € 5.605 € Quelle: IGES. Bei den ausgewiesenen Werten in der Tabelle können aufgrund von Rundungsungenauigkeiten geringfügige rechnerische Abweichungen auftreten. 153 5. Fazit Der DAK-Versorgungsreport Schlaganfall hat die Versorgung des Hirninfarkts in Deutschland unter der übergreifenden Fragestellung untersucht, welcher Effekt auf die Krankheitslast durch die Präventions-, Behandlungs- und Rehabilitationsleistungen auf der jeweiligen Versorgungsstufe aktuell erzielt wird und welche zusätzlichen Wirkungen durch gezielte Verbesserungen der Versorgung prinzipiell möglich wären. Ziel der Analysen ist es, innerhalb der komplexen und sich über mehrere Leistungssektoren erstreckenden Versorgungskette die Ansatzpunkte zu identifizieren, die bevorzugt Gegenstand von Projekten zur Weiterentwicklung der Versorgung sein sollten. Zur Erreichung dieses Ziels knüpft der DAK-Versorgungsreport an die Methoden zur Quantifizierung der Krankheitslast an, die im Auftrag der WHO im Kontext der „Global Burden of Disease“-Studien entwickelt worden sind, d. h. die durch Hirninfarkte verursachte Krankheitslast wird in Form von „Disability-Adjusted Life Years (DALY)“ quantifiziert. Zweiter methodischer Bezugspunkt ist die ebenfalls von der WHO als Hilfsmittel zur Priorisierung von Versorgungsprojekten entwickelte „Generalized Cost-Effectiveness Analysis (GCEA)“. Die Leistungsfähigkeit der Versorgung im Status quo in Bezug auf die Reduktion der durch Hirninfarkte verursachten Krankheitslast (DALY) wird zunächst durch den Vergleich mit einem fiktiven Null-Szenario abgeschätzt, bei dem durch Simulation ermittelt wird, wie groß die Krankheitslast bei völligem Wegfall der jeweils betrachteten Versorgungsleistungen wäre. Anschließend wird in einem Optimierungs-Szenario untersucht, um wie viel die Krankheitslast gegenüber dem Status quo zusätzlich reduziert werden könnte, wenn definierte Verbesserungen umgesetzt würden. Im letzten Schritt werden die jeweils erzielten Verminderungen der Krankheitslast (vermiedene DALY) zu den assoziierten Kosten in Relation gesetzt. Alle Analysen beziehen sich jeweils auf den Zeitraum eines Jahres. Im Vorfeld der Analysen waren unter Beteiligung eines begleitenden Expertengremiums sechs Teilthemen ausgewählt worden, die nach übereinstimmender Auffassung als besonders relevant anzusehen sind: (1) „Primärprävention mit oralen Antikoagulantien bei Vorhofflimmern“, (2) „Medikamentöse Sekundärprävention nach Transitorisch Ischämischer Attacke (TIA)“, (3) „Akutstationäre Versorgung/Thrombolyse-Behandlung“, (4) Neurologische Frührehabilitation Phase B“, (5) „Ambulante Heilmittelversorgung“ und (6) „Medikamentöse Sekundärprävention nach Hirninfarkt“. Weitere als relevant erachtete Themen – insbesondere die post-akutstationäre Rehabilitation der Phasen C/D – wurden ausgeklammert, weil für den geplanten methodischen Ansatz absehbar keine hinreichende Datengrundlage vorhanden war. Mit dem DAK-Versorgungsreport wurden erstmals in Deutschland vertiefende Analysen zur Schlaganfallversorgung gemäß der o.g. methodischen Konzepte durchgeführt, die z.T. hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit sowohl von deskriptiv-epidemiologischen Daten, als auch von Studienergebnissen zur Effektivität von Versorgungsleistungen stellen. Zwar konnte das Ziel einer Modellierung der Effekte auf die Krankheitslast nicht für alle Teilthemen in der intendierten Form realisiert werden. In Bezug auf Thema (5) musste die Analyse wegen fehlender Datengrundlagen auf eine reine Deskription des Versorgungsgeschehens beschränkt werden, bei den Themen (4) und (6) musste wegen teilweise unzureichender Datenbasis auf methodische Hilfskonstruktionen zurück gegriffen werden, so dass Vorsicht bei der Interpretation der Ergebnisse anzuraten ist. Für die übrigen drei Teilthemen hat der spezifische methodische Ansatz aus unserer Sicht jedoch hochinteressante Ergebnisse geliefert. Eine zentrale Rolle in Bezug auf die Verhütung von erstmaligen sowie wiederholten Hirninfarkten kommt der Behandlung der bekannten Risikofaktoren zu. Bei den drei Teilthemen, die sich mit der primären und sekundären Prävention befassen (Themen (1), (2) und (6)) konnte gezeigt werden, dass insbesondere durch eine angemessene Therapie des Vorhofflimmerns sowie des Bluthochdrucks bereits unter den gegenwärtigen Versorgungsbedingungen eine große Zahl von Hirninfarkten verhütet und eine entsprechend große Zahl von DALY vermieden wird: 154 Fazit 5 x Durch die medikamentöse Behandlung von Patienten mit den genannten Risiken mit Oralen Antikoagulantien (OAK), Anti-Hypertensiva und ThrombozytenAggregationshemmern im Rahmen der primären oder sekundären Prävention (d. h. nach vorangehendem TIA-Ereignis oder erstmaligem Hirninfarkt) werden nach den Modellrechnungen des DAK-Versorgungsreports pro Jahr aktuell fast 16.000 erstmalige oder wiederholte Schlaganfälle verhindert und dadurch eine Krankheitslast von ca. 74.300 DALY vermieden (vgl. Abschnitte 3.1.6.2, 3.2.6.2, 3.6.6.2). x Bei Realisierung der in den Optimierungsszenarien der Teilthemen (1), (2) und (6) vorgeschlagenen Verbesserungen in Bezug auf die Entdeckung und medikamentöse Behandlung der genannten Risikofaktoren könnten nach den Berechnungen des DAK-Versorgungsreports zusätzlich fast 11.000 weitere Schlaganfälle pro Jahr verhütet und damit knapp 54.000 weitere DALY vermieden werden (vgl. Abschnitte 3.1.6.3, 3.2.6.3, 3.6.6.3). In Bezug auf die Primärprävention des Hirninfarkts bei Patienten mit Vorhofflimmern (Teilthema (1)) wurden auch die Kosten-Effektivität der aktuellen sowie einer optimierten Versorgung untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass unter Status-quo-Bedingungen etwa 500 € pro vermiedenes DALY bzw. 2.600 € je vermiedenen erstmaligen Hirninfarkt aufgewendet werden. Durch eine Optimierung der Versorgung im Sinne einer Steigerung der Entdeckungs- und Behandlungsquote von Patienten mit Vorhofflimmern verschlechtert sich die KostenEffektivität im günstigsten Szenario (100 % VKA-Behandlung) auf etwa 600 € pro vermiedenes DALY. Verantwortlich dafür ist zum einen die Tatsache, dass durch die Steigerung der Behandlungsrate relativ zum Status quo-Szenario weniger DALY verhindert werden, weil ein Teil der zusätzlich behandelten Patienten zuvor nicht unbehandelt war, sondern mit Thrombozyten-Aggregationshemmern (TAH) behandelt wurde und daher bereits eine gewisse Reduktion der Krankheitslast erfolgt ist. Zum anderen wird aufgrund des Ein-Jahres-Bezugs der Analyse nicht berücksichtigt, dass die Kosten der Steigerung der Entdeckungsrate des VHF im Zeitverlauf sinken, weil die Zielgruppe des Screenings kleiner wird, je mehr die bisher unentdeckte Prävalenz des VHF aufgedeckt ist. Auch die Betrachtung der inkrementellen Kosten-Effektivität zeigt für das OptimierungsSzenario ein sehr ermutigendes Bild: Die zusätzlichen Kosten für ein zusätzlich vermiedenes DALY liegen – je nach Annahme bzgl. der Behandlungsanteile von VKA und neuen Antikoagulantien (NOAK) – zwischen 742 € und 7.132 €. Die Analyseergebnisse des DAK-Versorgungsreports führen somit zu der Schlussfolgerung, dass zusätzliche Maßnahmen zur Verbesserung der Primär- und Sekundärprävention bei Versicherten mit spezifischen (VHF, Zustand nach TIA) und unspezifischen (Bluthochdruck) Risiken für einen ersten oder einen erneuten Hirninfarkt zu einem erheblichen Gewinn an gesunden Lebensjahren führen würden. Ferner zeigen die Analysen, dass die untersuchten Optimierungsansätze sehr kosteneffektiv sind. Dies dürfte auch dann noch der Fall sein, wenn für die Maßnahmenimplementierung zusätzliche Kosten entstehen würden, die in der aktuellen Modellierung nicht berücksichtigt sind. Die Realisierung der ermittelten Effekte ist primär von ärztlichem Handeln und der Mitarbeit der Patienten abhängig (Entdeckung und konsequente medikamentöse Behandlung der genannten Risiken). Diese Prozesse sollten jedoch durch Maßnahmen des Versorgungsmanagements der Krankenkasse unterstützt werden können: x Der DAK-Versorgungsreport hat dokumentiert, dass Patienten nach einem ersten Hirninfarkt oder einer Krankenhausbehandlung wegen einer TIA bereits nach vier Quartalen zu einem erheblichen Teil keine Medikamente zur Behandlung von VHF oder Bluthochdruck mehr erhalten. Da die Krankenkasse kontinuierlich Zugang zu dieser Art von Informationen hat, liegt es nahe, gemeinsam mit Patienten und behandelnden Ärzten nach Wegen zu suchen, wie diese Situation verbessert werden kann. 5 Fazit 155 Im Hinblick auf die Steigerung der Entdeckungsrate von Vorhofflimmern wurde auf das Konzept eines „opportunistischen Screenings“ durch Pulstastung bei jedem Arztbesuch eines Versicherten ab 65 Jahren verwiesen, dessen Wirksamkeit evaluiert wurde und das von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin in ihrer Schlaganfall-Leitlinie empfohlen wird. Im Rahmen von weiteren Analysen sollte untersucht werden, inwieweit der Einsatz von externen Ereignisrekordern (Event recorder) eine kosteneffektive Möglichkeit zur Steigerung der Entdeckung von VHF darstellt. Bei Patienten mit einem sehr hohen Risiko für Vorhofflimmern erprobt die DAKGesundheit aktuell ein Screening mit einem implantierten Eventrecorder: Patienten mit einer kürzlich durchlebten symptomatischen Episode eines kryptogenen Schlaganfalls oder einer kryptogenen transitorischen ischämischen Attacke, werden, wenn trotz ausführlicher Tests keine mögliche Ursache festgestellt wurde, mit einem implantierten Eventrecorder ausgestattet. Basis für dieses Behandlung ist ein IV-Vertrag nach §§140a-d SGB V. Ziel ist die Detektion von vorher nicht entdecktem Vorhofflimmern mit anschließender Einleitung einer leitliniengerechten (Arzneimittel-)Therapie zur Vermeidung eines eines weiteren Schlaganfalls. Ein wichtiges Thema im Kontext der Akutversorgung von Hirninfarkten ist die Thrombolysebehandlung. Nach den Daten der Externen Qualitätssicherung Hessen erreichen aktuell nur etwa 40 Prozent der Hirninfarktpatienten innerhalb des Zeitfensters, in dem eine intravenöse Thrombolysetherapie grundsätzlich in Betracht kommt (innerhalb ca. 3,5 Stunden nach Eintritt), ein Krankenhaus. Von diesen Patienten erhält wiederum nur ein Teil (ca. 30 %) tatsächlich eine solche Behandlung, so dass sich bezogen auf alle Hirninfarkte eine Thrombolyse-Quote von etwas über 12 % ergibt. Die Analysen des DAK-Versorgungsreports zeigen, dass mit dieser Behandlungsmaßnahme bereits unter gegenwärtigen Bedingungen etwa 7.200 DALY vermieden werden. Durch eine Steigerung des Anteils der Hirninfarktpatienten, die innerhalb des Thrombolyse-Zeitfensters in ein geeignetes Krankenhaus gelangen, ließen sich weitere etwa 3.000 DALY vermeiden. Diese Maßnahme zur Verbesserung der Versorgung wäre aus wirtschaftlicher Sicht noch vorteilhafter, als die Verbesserung der medikamentösen Primärprävention bei VHF: Je zusätzliches DALY müssten etwa 2.400 € aufgewendet werden. Auch wenn man für die Realisierung noch zusätzliche Implementierungskosten ansetzen müsste – z. B. für Medienkampagnen, die die Bevölkerung über die akuten Symptome eines Hirninfarkts aufklären und zur richtigen Reaktion (sofort Rettungsdienst rufen!) ermutigen – dürfte ein günstiges Verhältnis von Aufwand und Nutzen resultieren. Der DAK-Versorgungsreport führt insofern zu der Schlussfolgerung, dass Kampagnen zur Verkürzung der Zeit zwischen Schlaganfall und Krankenhausaufnahme („Time is brain“) auf jeden Fall starke Unterstützung erfahren sollten. Der große Themenkomplex der Rehabilitation und Nachsorge sollte ursprünglich größeres Gewicht innerhalb dieses ersten DAK-Versorgungsreports erhalten. Die durchgeführten Literaturanalysen haben jedoch gezeigt, dass für eine Modellierung der Effekte bzw. eine Schätzung der Kosten-Effektivität gemäß dem gewählten methodischen Ansatz keine ausreichenden Datengrundlagen bzw. Studienergebnisse vorhanden sind. Lediglich für den Teilaspekt der neurologischen Frührehabilitation der Phase B – die eigentlich ein Übergangsfeld zwischen akutstationärer Versorgung und Rehabilitation i. e. S. darstellt und nur bei schwer betroffenen Patienten (mRS-Stufe 5 und in geringerem Maße mRS 4) zum Einsatz kommt – konnte das bei den anderen Teilthemen verfolgte methodische Konzept unter bestimmten – nicht unproblematischen (vgl. Abschnitt 3.4.5) – Annahmen realisiert werden. Demnach reduziert die neurologische Frührehabilitation der Phase B die durch Hirninfarkte verursachte Krankheitslast um etwa 14.300 DALY pro Jahr bzw. um 1,4 DALY je Patient, der eine solche Rehabilitation erhält. Durch eine weitere Erhöhung der Zahl der schwer betroffenen Hirninfarkt-Patienten, die eine solche Maßnahme erhalten, ließen sich nach dem Modell weitere 1.700 DALY vermeiden. 156 Fazit 5 Aufgrund der für diese Berechnungen mangels geeigneter Datengrundlagen erforderlichen Zusatzannahmen sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, vieles spricht dafür, dass die Effektivität der neurologischen Frührehabilitation der Phase B durch diese Ergebnisse eher unterschätzt wird. Völlig ausgeklammert werden musste der bedeutsame Versorgungsabschnitt der Rehabilitation der Phasen C und D, weil keine geeigneten Studien gefunden werden konnten, die die Wirksamkeit dieser Maßnahmen auf der Ebene des Funktionsstatus, d. h. mit der modified Rankin Scale oder vergleichbaren Instrumenten, untersucht haben. Das gleiche traf auch auf die ambulanten Nachsorgemaßnahmen – also die Fortführung der Rehabilitation durch ambulante Leistungen der Physio-, Ergo- oder Logopädie zu. Da über diesen Versorgungsbereich vergleichsweise besonders wenig bekannt ist, wurden jedoch deskriptive Untersuchungen durchgeführt. Ziel war es, folgende Hypothesen zu eventuellen Versorgungsdefiziten zu prüfen: Beginnt die ambulante Nachsorge erst mit Verzögerung nach Entlassung aus der Akutbehandlung bzw. einer stationären Rehabilitation? Werden eventuell insgesamt zu wenige Leistungseinheiten verordnet bzw. in Anspruch genommen oder wird die wünschenswerte Kontinuität der Nachsorgebehandlung nicht erreicht? Die Analysen haben Hinweise ergeben, dass die bezüglich der genannten Hypothesen Verbesserungspotenziale existieren. Inwieweit sich dadurch Nachteile für die Patienten ergeben kann leider mangels entsprechender Studienergebnisse nicht beantwortet werden. Eine wichtige Schlussfolgerung aus den Analysen des DAK-Versorgungsreports ist daher ferner, dass dringend zusätzliche Forschung zu den Effekten der Rehabilitation und Nachsorge nach Hirninfarkt erforderlich ist. Der DAK-Versorgungsreport belegt u. E., dass die gewählten methodischen Konzepte zur Quantifizierung der Krankheitslast und zur Kosten-Effektivitäts-Analyse sehr aufschlussreiche Ergebnisse im Hinblick auf die aktuelle Leistungsfähigkeit und das Verbesserungspotenzial in den verschiedenen Abschnitten der Hirninfarkt-Versorgung liefern. Um die ermittelten Potenziale zur Verbesserung der Versorgung – insbesondere im Bereich der Primär- und Sekundärprävention – realisieren zu können, sollten auch die Möglichkeiten der Krankenkassen ausgeweitet werden, unter Nutzung ihrer Versorgungsdaten ein aktives Versorgungsmanagement zu betreiben. Vorbild könnten hier die bei den DMPIndikationen bereits etablierten Vorgehensweisen zur Erinnerung von Versicherten und Ärzten an bestimmte Termine und Maßnahmen sein. 157 6. Anhang 6.1 OAK und Antihypertensiva – Abgrenzung der Wirkstoffgruppen gemäß ATCKlassifikation In der nachfolgenden Tabelle sind die bei den Auswertungen der Arzneimitteldaten zur medikamentösen Behandlung mit OAK verwendeten Wirkstoffgruppen gemäß ATCKlassifikation aufgeführt. Tabelle 48: OAK – Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation (Amtliche Deutsche Fassungen 2011 und 2012) ATC-Code Bezeichnung B01AA Vitamin-K-Antagonisten dar. ausschließlich B01AA01 B01AA03 B01AA04 B01AA07 Dicoumarol Warfarin Phenprocoumon Acenocoumarol B01AB* Heparingruppe B01AC Thrombozytenaggregationshemmer, exkl. Heparin dar. ausschließlich B01AC04 B01AC05 B01AC06 B01AC07 B01AC30 B01AC34 B01AC56 Clopidogrel Ticlopidin Acetylsalicylsäure Dipyridamol Kombinationen Clopidogrel, Kombinationen (ATC-Fassung 2012) Acetylsalicylsäure und Esomeprazol (ATC-Fassung 2012) B01AE Direkte Thrombininhibitoren dar. ausschließlich B01AE07 Dabigatran exilat B01AX Andere antithrombotische Mittel dar. ausschließlich B01AX06 B01AX08 Rivaroxaban (ATC-Fassung 2011 und 2012) Apixaban (ATC-Fassung 2012) B01AF Direkte Faktor-Xa-Inhibitoren (ATC-Fassung 2013, ggf. aktualiserte Version 2012) B01AF01 B01AF02 Quelle: IGES Rivaroxaban (ATC-Fassung 2013, ggf. aktualiserte Version 2012) Apixaban (ATC-Fassung 2013, ggf. aktualiserte Version 2012) 158 Anhang 6 In der nachfolgenden Tabelle sind die bei den Auswertungen der Arzneimitteldaten zur medikamentösen Behandlung mit Antihypertensiva verwendeten Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation aufgeführt. Tabelle 49: Antihypertensiva – Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation (Amtliche Deutsche Fassungen 2011 und 2012) ATC-Code Bezeichnung C03A* Low-ceiling-Diuretika, Thiazide C03D* Kalium sparende Mittel C03E* Diuretika und Kalium sparende Mittel in Kombination C07* Beta- Adrenozeptor-Antagonisten C08* Calciumkanalblocker C09* (ohne C09X*) Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System (ohne: Andere Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System) Quelle: IGES 6.2 Akutstationäre Versorgung – Fallgruppencharakteristika In der nachfolgenden Tabelle sind die Verteilungen der Hirninfarktfälle nach Geschlecht, Altersgruppen, Arten der Krankenhauseinlieferung nach Hirninfarkt und Risikofaktoren nach den drei in der akutstationären Versorgung modellierten Fallgruppen dargestellt. Die Informationen sind den Sonderauswertungen der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen zur akutstationären Versorgung nach Hirninfarkt entnommen, die für dieses Projekt erstellt wurden. 6 Anhang 159 Tabelle 50: Charakteristika der Fälle in den drei betrachteten akutstationären Fallgruppen Merkmal Merkmalsausprägung Geschlecht Männlich 52 % 51 % 52 % Weiblich 48 % 49 % 48 % <55 10 % 8% 10 % 55-64 13 % 12 % 14 % 65-74 26 % 23 % 24 % 75-84 32 % 33 % 33 % 85-90 14 % 17 % 14 % >90 4% 7% 5% Selbsteinweisung 3% 8% 15 % Vertragsarzt 3% 6% 20 % Rettungsdienst 90 % 80 % 56 % 4% 5% 10 % Hypercholesterinämie 31 % 31 % 30 % früherer Schlaganfall 16 % 23 % 21 % Vorhofflimmern 30 % 30 % 23 % Diabetes mellitus 22 % 25 % 28 % Arterielle Hypertonie 81 % 80 % 82 % andere Risikofaktoren 31 % 30 % 32 % Alter Einlieferung Übernahme Krankenhaus Risikofaktoren Fallgruppe <3,5h in der Klinik mit Lyse i. v. Fallgruppe <3,5h in der Klinik ohne Lyse i. v. Fallgruppe >3,5h in der Klinik anderes Quelle: GQH; eigene Darstellung IGES 6.3 Ableitung von 1-Jahres-Risiken aus Angaben zu Mehr-Jahres-Risiken Um aus den Angaben zu Schlaganfallrisiken für einen Mehrjahreszeitraum das Risiko für ein Jahr zu schätzen, wurde simuliert, bei welchem kontinuierlich über den Gesamtzeitraum angewendeten 1-Jahres-Risiko sich das Mehrjahresrisiko kumulativ ergibt. Der angewendete Ansatz wird nachfolgend beispielhaft für die Ableitung des 1-Jahres-Risikos aus der Angabe zu einem 4-Jahres-Risiko von 8,1 % dargestellt. Ein 4-Jahres-Risiko von 8,1 % für den Ereigniseintritt bedeutet, dass das Ereignis bei 810 von 10.000 Personen (unter Risiko) innerhalb eines Zeitraumes von 4 Jahren auftritt. Bei 160 Anhang 6 einem kontinuierlichen 1-Jahres-Risiko von 2,09 % tritt das Ereignis im Jahr 1 bei 209 Personen auf. Bei den übrigen 9.791 Personen (ohne Ereignis im Jahr 1) tritt das Ereignis bei einem Risiko von 2,09 % im Jahr 2 in 205 Fällen auf, bei den übrigen 9.586 Personen im Jahr 3 in 200 Fälle und bei den übrigen 9.386 Personen im Jahr 4 in 196 Fällen. Damit ist das Ereignis in 4 Betrachtungsjahren bei Anwendung eines 1-JahresRisikos von 2,09 % bei 10.000 Personen (unter Risiko) in 810 Fällen eingetreten. Dieses abgeleitete 1-Jahres-Risiko von 2,09 % wird für die Modellierung im DAKVersorgungsreport angewendet. 6 6.4 Anhang 161 Abbildungen Abbildung 1: Für den DAK-Versorgungsreport ausgewählte Einzelthemen aus den sechs Abschnitten der Versorgungskette des Hirninfarkts 4 Ermittlung der Kosten-Effektivität des bestehenden Versorgungsmixes im Vergleich zu einem kontrafaktischen NullSzenario (Beispiel: Interventionen zur Behandlung des Vorhofflimmerns) 11 Ermittlung der Inkrementellen Kosten-Effektivität eines optimierten Versorgungsmixes im Vergleich zur Status-quoVersorgung (Beispiel: Interventionen zur Behandlung des Vorhofflimmerns) 11 Schematischer Aufbau der Modellierung des DAKVersorgungsreports differenziert nach Modellin- und -outputs 12 Rohe Inzidenzraten des Hirninfarktes nach Altersgruppen und Geschlecht, Versicherte der DAK-Gesundheit im Jahr 2011 16 Rohe Inzidenzraten der TIA nach Altersgruppen und Geschlecht, Versicherte der DAK-Gesundheit im Jahr 2011 17 Abbildung 7: Kalkulierte Restlebenserwartung und der aufgrund eines Schlaganfalles verlorenen Lebensjahre (YLL) für einen Mann im Alter von 70 Jahren 25 Abbildung 8: Kalkulierte Restlebenserwartung und aufgrund eines Schlaganfalles verlorene gesunde Lebensjahre (YLD) für einen Mann im Alter von 70 Jahren 28 Abbildung 9: Kalkulierte DALY aufgrund eines Schlaganfalles für Männer nach Altersgruppen und mRS-Klassen 29 Kalkulierte DALY aufgrund eines Schlaganfalles für Frauen nach Altersgruppen und mRS-Klassen 30 Modellaufbau für die Wirkung der Primärprävention bei NVHF auf das Schlaganfallrisiko 36 Modellansatz „IST-Versorgung“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Schlaganfallereignisse (n=48.050) 45 Abbildung 13: Modellansatz fiktives „Null-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Schlaganfallereignisse (n=60.350) 46 Abbildung 14: Modellansatz „Optimierungs-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Schlaganfallereignisse (n=38.650) 47 Abbildung 15: Modellaufbau für die Wirkung der medikamentösen Sekundärprävention bei NVHF und/oder Arterieller Hypertonie nach erster TIA auf das Schlaganfallrisiko 50 Abbildung 16: Anteil der Fälle mit mindestens einer OAK-Verordnung an allen TIA-Erstereignisfälle der DAK des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Vorhofflimmern (ICD-10: I48.1) in den Quartalen I bis IV nach Ereignis 53 Abbildung 17: Anteil Fälle mit mindestens einer Verordnung von Antihypertensiva an allen TIA-Erstereignisfällen des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant bzw. stationär oder im Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: 162 Anhang 6 Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Arterielle Hypertonie (ICD-10: I10) in den Quartalen I bis IV nach Ereignis 55 Abbildung 18: Modellansatz „IST-Versorgung“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaliger TIA (n=2.940) 60 Abbildung 19: Modellansatz Fiktives „Null-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaliger TIA (n=3.924) 61 Abbildung 20: Modellansatz „Optimierungs-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erstmaliger Hirninfarkte bzw. Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaliger TIA (n=2.425) 62 Abbildung 21: Altersverteilungen der drei betrachteten Krankenhausfallgruppen 66 Abbildung 22: Arten der Klinikeinlieferung nach Hirninfarkt in den drei betrachteten Krankenhausfallgruppen 67 Abbildung 23: Prinzip der Modellierung des Thrombolyseeffekts anhand der Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen mRS-Stufen bei Krankenhausaufnahme und -entlassung 74 Abbildung 24: Ableitung der zusätzlichen Thrombolyse-Patienten für das Optimierungs-Szenario (vgl. Text) 75 Abbildung 25: „IST-Versorgung“ – Gruppengrößen, Gruppenaufteilung und und den Hirninfarktereignissen zurechenbare DALY je Fall bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus der akutstationären Versorgung 77 Abbildung 26: Modellansatz „Optimierungs-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenaufteilung und den Hirninfarktereignissen zurechenbare DALY je Fall bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus der akutstationären Versorgung 82 Abbildung 27: Vereinfachte Darstellung der Struktur des Modells für die neurologische Frührehabilitation der Phase B 87 Abbildung 28: Fallverteilungen und DALY bei Aufnahme in und Entlassung aus der neurologischen Frührehabilitation Phase B („Status quoSzenario“) 93 Abbildung 29: Fallverteilungen und DALY bei Aufnahme in und Entlassung aus der neurologischen Frührehabilitation Phase B („OptimierungsSzenario“) 94 Abbildung 30: Nachbetrachtungszeiträume für die Fallgruppen A und B 97 Abbildung 31: Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen physiotherapeutischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Be-obachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 107 Abbildung 32: Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen ergotherapeutischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Be-obachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 108 Abbildung 33: Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen logopädischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 108 6 Anhang Abbildung 34: 163 Durchschnittlicher Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen physiotherapeutischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 109 Durchschnittlicher Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen ergotherapeutischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 110 Durchschnittlicher Tagesabstand zwischen den Inanspruchnahmen logopädischer Leistungen im Rahmen einer Verordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 111 Abbildung 37: PL-Verordnungshäufigkeit der Fälle mit mindestens einer PLVerordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 112 Abbildung 38: EL-Verordnungshäufigkeit der Fälle mit mindestens einer ELVerordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 113 LL-Verordnungshäufigkeit der Fälle mit mindestens einer LLVerordnung, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 113 Abbildung 40: PL-Verordnungshäufigkeit der Fälle mit mindestens einer PLVerordnung; Gruppe A in den Beobachtungszeiträumen von 183 Tagen und 365 Tagen nach Entlassung 114 Abbildung 41: Modellaufbau für die Wirkung der medikamentösen Sekundärprävention bei NVHF und / oder Arterieller Hypertonie nach erstem Hirninfarkt auf das Schlaganfallrisiko 119 Anteil der Fälle mit mindestens einer OAK-Verordnung an allen Hirninfarkt-Erstereignisfälle der DAK des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Vorhofflimmern (ICD-10: I48.1) in den Quartalen I bis IV nach Ereignis 122 Anteil der Fälle mit einer mindestens einer Verordnung von Antihypertensiva an allen Hirninfarkt-Erstereignisfällen der DAK des Jahres 2011 mit einer vor dem Ereignis ambulant bzw. stationär oder im Erstereignisfall selbst dokumentierten (gesicherten) Diagnose Arterielle Hypertonie (ICD-10: I10) in den Quartalen I bis IV nach Ereignis 125 Modellansatz „IST-Versorgung“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erneuter Hirninfarkte/Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaligem Hirninfarkt (n=5.840) 130 Abbildung 45: Modellansatz Fiktives „Null-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erneuter Hirninfarkte/Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaligem Hirninfarkt (n=8.480) 131 Abbildung 46: Modellansatz „Optimierungs-Szenario“ – Gruppengrößen, Gruppenrisiken und abgeleitete Anzahl erneuter Hirninfarkte/Schlaganfälle innerhalb des ersten Jahres nach erstmaligem Hirninfarkt (n=4.860) 132 Abbildung 35: Abbildung 36: Abbildung 39: Abbildung 42: Abbildung 43: Abbildung 44: 164 6.5 Anhang 6 Tabellen Tabelle 1: Schlaganfall- und TIA-Patienten der DAK im Jahr 2011 15 Tabelle 2: Einstufung der in Akutbehandlung erfassten Hirninfarktpatienten vor dem Hirninfarkt, am 1. Tag nach Krankenhausaufnahme und bei Krankenhausentlassung 19 Tabelle 3: Einstufung der in Akutbehandlung erfassten TIA- und Schlaganfallpatienten bei Aufnahme und bei Entlassung in unterschiedlichen EQS-Projekten; alle gültigen Datensätze für Patienten mit erfüllten Einschluss- und Ausschlusskriterien; alle Hauptdiagnosen G45, I60, I61, I63, I64 – Jahr 2012 22 Tabelle 4: Hazard Ratios für die jährliche Sterblichkeit in den Jahren nach dem Schlaganfallereignis nach den einzelnen mRS-Kategorien 24 Tabelle 5: Für die Kalkulation verwendete disability weights nach den einzelnen mRS-Kategorien 27 Tabelle 6: Anteil der Fälle mit einem erstmaligen Hirninfarkt und einem erneuten Schlaganfall oder einer TIA innerhalb eines Jahres und Zeitraum bis zum Re-Insultereignis, Versicherte der DAKGesundheit 2011 31 Anteil der Fälle mit einer erstmaligen TIA und einem Schlaganfall oder einer erneuten TIA innerhalb eines Jahres und Zeitraum bis zur erneuten TIA oder einem Erstinsultereignis, Versicherte der DAK-Gesundheit 2011 32 Sterblichkeit nach Erstereignis Hirninfarkt, Versicherte der DAKGesundheit 33 Sterblichkeit nach Erstereignis TIA, Versicherte der DAKGesundheit 33 Tabelle 10: In der Modellierung verwendete Punktprävalenzen für das Vorhofflimmern nach 5er Altersgruppen und Geschlecht (gem. „Rotterdam-Studie“) 37 Tabelle 11: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der Primärprävention bei NVHF – Entdeckung des NVHF 39 Tabelle 12: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der Primärprävention bei NVHF – Behandlungsbedürftigkeit 40 Tabelle 13: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der Primärprävention bei NVHF – Behandelbarkeit 41 Tabelle 14: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der Primärprävention bei NVHF – Behandlung 43 Tabelle 15: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach TIA bei festgestelltem NVHF (19,8 % aller TIA-Erstereignisfälle) – Behandelbarkeit 52 Tabelle 16: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach TIA bei festgestelltem NVHF (19,8 % aller TIA-Erstereignisfälle) – Behandlung 54 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach einer TIA bei festgestellter arterieller Hypertonie ohne NVHF (68,5 % aller TIAErstereignisfälle) – Behandlung 56 Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 17: 6 Anhang Tabelle 18: 165 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach TIA bei nicht festgestelltem NVHF und nicht festgestellter arterieller Hypertonie (11,7 % aller TIA-Erstereignisfälle) – Behandlung 58 mRS-Einstufung Patienten in den Fallgruppen A bis C* vor dem Hirninfarktereignis, am 1. Tag nach Aufnahme und bei Entlassung 69 Tabelle 20: Fallanteil mit intravenöser Thrombolysetherapie an allen Fällen mit Krankenhausaufnahme innerhalb von 3,5 Stunden nach dem Schlaganfallereignis, mRS-Einstufung am 1. Tag nach Aufnahme 71 Tabelle 21: Adjustierte Odds Ratios für mRS-Einstufung 0 oder 1 bei Krankenhausentlassung und für Sterblichkeit während des akutstationären Aufenthaltes; nach Zeiträumen zwischen Auftreten des Hirninfarktereignisses und Behandlung (intravenöse Thrombolysetherapie) 73 DALY-Last nach Fallgruppen und Bewertungszeitpunkt im Status quo-Szenario („IST-Versorgung“) 76 Tabelle 23: DALY-Last nach Fallgruppen und Bewertungszeitpunkt im NullSzenario (fiktive Eliminierung der intravenösen Thrombolysetherapie) 78 Tabelle 24: Annahme über Verlagerungsmöglichkeiten von Fällen aus der Fallgruppe der Patienten, die später als 3,5 Stunden nach dem Hirninfarkt ins Krankenhaus aufgenommen werden in die Gruppe der Patienten, die innerhalb von 3,5 Stunden akutstationär behandelt werden 81 Tabelle 25: Fallgruppengröße und DALY-Last nach Fallgruppen und Betrachtungszeitpunkten für das Status quo-Szenario („ISTVersorgung“) und das „Optimierungs-Szenario“ 83 Tabelle 26: Einstufung der in der neurologischen Frührehabilitation Phase B (Hessen) behandelten Hirninfarktpatienten am Aufnahmetag und bei Entlassung, Jahr 2012 88 Tabelle 27: Versorgungsanteile der neurologischen Rehabilitation der Phase B nach mRS-Klassen an allen aus der akutstationären Versorgung entlassenen Fällen, Jahr 2012 90 Anteil der Fälle mit einem erstmaligen Hirninfarkt und mit mindestens einer ambulanten Verordnung physiotherapeutischer und/oder ergotherapeutischer und/oder logopädischer Leistungen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen und 365 Tagen (nur Gruppe A) nach Entlassung 99 Tabelle 29: Zeitraum zwischen Entlassung und erster ambulanter Heilmittelverordnung physiotherapeutischer und/oder ergotherapeutischer und/oder logopädischer Leistungen nach einzelnen Fallgruppen und Betrachtungszeiträumen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 101 Tabelle 30: Anteil der Fälle mit einer ambulanten Heilmittelverordnung, bei denen zwischen Entlassung und erster Verordnung maximal 2/4/8/12 Wochen liegen nach Heilmittelarten, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 102 Anteil der am häufigsten verordneten bzw. in Anspruch genommenen Physiotherapieverordnungen und inanspruchnahmen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 104 Tabelle 19: Tabelle 22: Tabelle 28: Tabelle 31: 166 Tabelle 32: Anhang 6 Anteil der am häufigsten verordneten bzw. in Anspruch genommenen Ergotherapieverordnungen und inanspruchnahmen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 105 Anteil der am häufigsten verordneten bzw. in Anspruch genommenen Logopädieverordnungen und -inanspruchnahmen, Gruppen A und B im Beobachtungszeitraum von 183 Tagen nach Entlassung 106 Verordnungshäufigkeiten im zweiten Halbjahr bei den Fällen mit mindestens einer Verordnung PL bzw. EL bzw. LL im ersten Halbjahr, Gruppe A in den Beobachtungszeiträumen von 183 Tagen und 365 Tagen nach Entlassung 115 Tabelle 35: Zeitraum bis zur Ausstellung der zweiten Verordnung, gemessen ab der letzten Inanspruchnahme der ersten Verordnung, Gruppe A in den Beobachtungszeiträumen von 183 Tagen nach Entlassung 116 Tabelle 36: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach erstem Hirninfarkt bei festgestelltem NVHF (31,2 % aller HirninfarktErstereignisfälle) – Behandelbarkeit 121 Tabelle 37: Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach Hirninfarkt bei festgestelltem NVHF – Behandlung 124 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach Hirninfarkt bei festgestellter arterieller Hypertonie ohne NVHF (59,1 % aller Hirninfarkt-Erstereignisfälle) – Behandlung 126 Modellannahmen für die Status quo-Modellierung der medikamentösen Sekundärprävention nach erstmaligem Hirninfarkt bei nicht festgestelltem NVHF und nicht festgestellter arterieller Hypertonie (9,7 % aller Hirninfarkt-Erstereignisfälle) – Behandlung 128 Kosten-Effektivität der Primärprävention bei Vorhofflimmern – Status-quo-Versorgung 134 Kosten-Effektivität der Primärprävention bei Vorhofflimmern – Optimierungs-Szenario (nur Screening und Diagnosesicherung sowie Behandlung von 50 % der neu entdeckten und behandelbaren VHF-Patienten mit VKA) 136 Kosten-Effektivität der Primärprävention bei Vorhofflimmern – Optimierungs-Szenario (nur Erhöhung des Behandlungsanteils unter den behandelbaren VHF-Patienten (inkl. neu entdeckte VHF-Patienten) von 50 % auf 75 %) 139 Kosten-Effektivität der Primärprävention bei Vorhofflimmern – Optimierungs-Szenario insgesamt 142 Tabelle 44: Ableitung der Arzneimittelkosten je Lyse i. v.-Therapie 145 Tabelle 45: Kosten-Effektivität der Lyse i. v.-Therapie – Status quoVersorgung 147 Tabelle 46: Inkrementelle Kosten-Effektivität der Lyse i. v.-Therapie im Optimierungs-Szenario 149 Tabelle 47: Kosten-Effektivität der akutstationären Versorgung von erstmaligen Hirninfarkten 150 Tabelle 33: Tabelle 34: Tabelle 38: Tabelle 39: Tabelle 40: Tabelle 41: Tabelle 42: Tabelle 43: 6 Anhang 167 Tabelle 48: OAK – Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation (Amtliche Deutsche Fassungen 2011 und 2012) 157 Tabelle 49: Antihypertensiva – Wirkstoffgruppen gemäß ATC-Klassifikation (Amtliche Deutsche Fassungen 2011 und 2012) 158 Tabelle 50: Charakteristika der Fälle in den drei betrachteten akutstationären Fallgruppen 159 168 Anhang 6 Literaturverzeichnis Addo J, Ayis S, Leon J, Rudd AG, McKevitt C & Wolfe CD (2012): Delay in presentation after an acute stroke in a multiethnic population in South london: the South london stroke register. 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