Riesling! - Gut Hermannsberg

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Riesling! - Gut Hermannsberg
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In Zahlen
Anbaufläche: 30 Hektar · Spezialitäten: 98 Prozent Riesling
Spitzenlagen: Schlossböckel­heimer Kupfergrube, ­Niederhäuser Hermannsberg,
Steinberg und Kertz, Traiser Bastei, Altenbamberger Rotenberg
„Wir haben einen
langen Atem, um
unsere Vision
umzusetzen.“
Die Weinmacher
Oliver Müller
Riesling!
Gut Hermannsberg: Neuer Eigentümer, neues Management, neuer Kellermeister – die
­ehemalige „Weinbaudomäne“ in Niederhausen ist auf dem Weg zurück an die Weltspitze
Keine Kompromisse. Riesling! Das
Ausrufezeichen wiegt schwer: Höchste
Qualität, ein klar strukturiertes Sortiment und konsequentes Hinarbeiten
auf den Erfolg. Dafür bürgt das neue
Team auf der ehemaligen „Domäne“ in
Niederhausen.
Der Geschäftsführer: Oliver Müller, einer
der bekanntesten Sommeliers Deutschlands, zuletzt Chefsommelier von Alfons
Schubeck in München, davor viele Stationen in den besten Häusern des Landes.
Ein ausgewiesener Weinfachmann mit guten Kontakten in die Weinszene, der das
Geschäft seit 20 Jahren kennt und nun die
Seiten gewechselt hat: vom Einkäufer zum
Produzenten. Der Kellermeister: Karsten
Peter, Winzersohn aus Bad Dürkheim mit
internationaler Ausbildung, der bereits im
Weingut Schloss Westerhaus in Ingelheim
bewiesen hat, dass er außerordentlich viel
von seinem Handwerk versteht. Und der
neue Besitzer: Jens Reidel, ehemaliger
Manager von Beiersdorf und einer der
Pioniere des Private Equity in Deutschland. Seine Verbundenheit zum Naheland
wuchs schon in seiner Jugend, die er im
Internat in Meisenheim verbrachte. Noch
heute pflegt er freundschaftliche Kontakte in die Region.
Als die „Gutsverwaltung NiederhausenSchlossböckelheim“, in der Region seit
über 100 Jahren als „die Domäne“ bekannt, zum Verkauf stand, griff der Weinkenner zu. Mit neuem, einprägsamem
Namen startete er die Qualitätsoffensive,
die dem größten Weingut an der Nahe
mit seinen 30 Hektar Rebfläche wieder
den Ruhm der 70er Jahre verleihen soll.
Und das Gut Hermannsberg zündete wie
eine Rakete: Erst im September nahm der
neue Kellermeister seine Arbeit auf, Einfluss auf die Arbeit im Weinberg hatte er
kaum noch, dafür umso mehr auf das Lesegut und den Ausbau des Weines. Schon
der erste Jahrgang, der unter der neuen
Regie entstanden ist, wird von der Fachwelt gelobt. „Jetzt müssen wir beweisen,
dass die Vorschusslorbeeren gerechtfer-
Gut Hermannsberg
1902 wurde das Weingut als „Königlich
Preussische Weinbaudomäne“ gegründet
und war bis 1998 in staatlichem Besitz.
Die Lagen „Kupfergrube“ und „Hermannsberg“ wurden Anfang des 20. Jahrhunderts neu angelegt. Als Muster- und
Lehrweingut stand es in den vergangenen
Jahrzehnten schon immer für vorbildlichen Weinbau. 1998 wurde es durch
das Land Rheinland-Pfalz privatisiert.
Aus der Staatlichen Weinbaudomäne
wurde die Gutsverwaltung NiederhausenSchlossböckelheim. Nachdem das Weingut 2009 durch Jens Reidel übernommen
wurde, legte er den etwas sperrigen Namen ab, änderte ihn in das knackige „Gut
Herrmannsberg“ und benannte es damit
nach der Lage, die es umgibt.
initiativ 03/2010
tigt sind“, betont Geschäftsführer Oliver
Müller, der seit April dieses Jahres offiziell
im Amt ist.
Grundvoraussetzung dafür ist eine kompromisslose Qualitätsoffensive: Der Ertrag wird konsequent reduziert: Statt wie
bisher rund 200.000 Flaschen verlassen
dieses Jahr nur noch 95.000 Flaschen das
Gut. Für jede Parzelle wurde eine individuelle Kostenrechnung erstellt, ungewöhnlich im Weinbau, doch weiß Oliver Müller
nun ganz genau, was ihn jede Flasche in
der Produktion tatsächlich kostet.
Das Weingut verfügt über sieben Lagen,
alle vom VDP als „erste Lage“ qualifiziert, deren Weine früher meistens einzeln
ausgebaut wurde. „Es ist aber nicht mehr
zeitgemäß, wenn die Weinpreisliste aussieht wie die Speisekarte beim Chinesen“,
mahnt Müller. Deshalb haben er und
Karsten Peter die Philosophie des VDP
konsequent umgesetzt und bieten ihre
Weine in einem dreistufigen System an:
als Gutsweine, als Ortsweine, jeweils aus
den Lagen Schlossböckelheimer Kupfergrube und Niederhäuser Hermannsberg,
und als Große Gewächse, die ebenfalls
aus diesen Lagen stammen. Alle Weine
sind Rieslinge. Und nur die beiden TopLagen Kupfergrube und Hermannsberg
werden eigenständig vermarktet. Alle anderen fließen in den Gutsriesling mit ein.
Unterhalb der Großen Gewächse wurde
allerdings noch ein Zweitwein positioniert. „Von den Steinterrassen“ heißt er
und vereint Trauben aus der Kupfergrube, dem Steinberg und der Niederhäuser
Kertz. „Dies ermöglicht uns eine ganz extreme Selektion bei den großen Gewächsen“, erklärt Müller.
Im Gutswein werden auch Trauben aus
der Traiser Bastei verarbeitet, wohl die
beste Lage der Nahe überhaupt. Dass
daraus noch kein „Großes Gewächs“ gekeltert wird, sagt viel über das Potenzial
des Weingutes für die Zukunft aus. „Wir
(v.l.n.r.) Geschäftsführer Oliver Müller, Besitzer Jens Reidel und Kellermeister Karsten Peter wollen das
Weingut zu altem Ruhm zurückführen.
stehen erst am Anfang und müssen langsam starten“, erklärt Müller.
Dazu gehört, dass zunächst das Lagenportfolio geordnet wurde. Das Gut Hermannsberg verpachtet Parzellen in der
Hermannshöhle an Helmut Dönnhoff.
„Die Hermannshöhle wird immer untrennbar mit dem Namen Dönnhoff verbunden
sein“, begründet Müller diesen Tausch.
Dafür bewirtschaftet sein Team nun Dönnhoff-Parzellen in der Kupfergrube.
Müller wählt auch erstmals den neuen
Vertriebsweg über eine Agentur, die in
Deutschland internationale Spitzenweine
vermarktet. Die Folge des extremen Qualitätsstrebens und des neuen Vertriebs
über Zwischenhändler: Die Preise sind
gestiegen. „Das hat einige Kunden, die
seit Jahrzehnten hier ihren Wein kaufen,
verschreckt“, gibt Oliver Müller zu. „Wir
müssen diesen Weg aber gehen, um langfristig erfolgreich zu sein.“ Als günstigster
Einstiegswein wird deshalb das „Herrmännche“ angeboten, ein Müller-Thurgau-Riesling-Cuvée, das ausschließlich
direkt ab Hof erhältlich ist.
2010 wird nun der erste Jahrgang sein,
der komplett unter der Regie von Karsten
Peter und Oliver Müller entsteht. Dazu
wurden und werden weiterhin umfangreiche Investitionen getätigt: Über dem
Flaschenlager mit direktem Blick auf die
Spitzenlage Kupfergrube entsteht beispielsweise ein neues Weinprobierzentrum. Das Team Reidel/Peters/Müller
denkt jedenfalls langfristig: „Um unsere
gesteckten Ziele zu erreichen, werden wir
Jahre brauchen“, so Müller. T.S.
initiativ 03/2010

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