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LEITSCHRIFT
DER SAVIGNY-STImNG
FOR
RECHTSGESCHICHTE
HERAUSGEGEBEN VON
M. KASER, W. KUNKEL, K. S. BADER, H. THlEME
S. GRUNDMANN, S. REICKE
NEUNUNDSIEBZIGSTER BAND
XCII. B A N D DER Z E I T S C H R I F T
FOR RECHTSGESCHICHTE
KANONISTISCHE ABTEILUNG XLVIII
1910 BEGRONDET V O N
U L R I C H STUTZ
W E I M A R 1962
VEKI.Ac;
1-1 L : R M A N N B C ) H L A U S N A C H F O L G E R
I.
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prum.
Der R e c h t s g e h a l t des I. Buches seiner „ L i b r i d u o
de s y n o d a l i b u s c a u s i s e t disciplinis ecclesiasticis".
Von
Walter Mellinger.
Einleitung*).
I.
E n t s t e h u n g , A n l a g e u n d C h a r a k t e r des S e n d h a , n d b u c h e s .
Zu den bedeutendsten Qi~ellensammlungen des kanonischen
Rechts aus dcr Zeit vor Gratian zählen die „Libri duo de synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis" des Abtes Regino von
Prüml). Das Worli ist iingefä,hr im Jahre 906 entstanden. Regino,
der aus zwingenden Gründen in der vorangegangenen Zeit sein
Benediktinerkloster Prüm in der Eifel verlassen hatte, befand sich
damaIs im Dienste des Erzbischofs Ratbod von Trier. Wie er in
der Vorrede zu diesem für die Praxis der Pfarrvisitationen be*) Die vorliegende Abliandliiiig wird im folgenden Blinde zu Ende gefiihrt.
h e r sein Leben und sein kanonistisches Werk vgl. insbesondere P a u l
F o u r n i e r - G a b r i e l L e B r a s , Histoiro des collections canoniques en
occident depuis les fausses d6crQtales jusqu'au Dhcret de Gratien, 2 tom.,
Paris 1931132, tom. I p. 244 ss.; P a i i l F o u r n i e r , L'oeuvre de Reginon de
Prum, en: BibliothBque de L'Ecole des Chartres 81 (1920) p. G ss.; H a n s
E r i c h F e i n e , Kirchliche Rechtsgeschichte, Bd. 1, 3. Aufl., Weimar 1966,
S . 146 uni1 \5Tillibalrl M. P l ö c h l , G~scliichtedes Rirchcnrechts, Bd. 1 ,
Wien u n d hliirrchcn 1963, S . 410 und 376ff. Der AuEs;itz von K a i 1 P e r d i n a n d W e r n e r , Zur Arbeitsweise des Regino von Prüm, in: Die Welt
als Geschichte, Jahrg. 1 9 (1969) S. 96ff., behandelt die \Veltchronilr des
Regino und hat keinen unmittelbaren Bezug suf das Sendbuch. - Die
gebräuchliche lind such bei der vorliegenden Btla8rbeitiing verwencioto
Textausgabe ist die von F. G. A. W a s s e r s c h l e b e n : Reginonis Libri duo
de synodrrlibus causis et disciplinis ecclesiasticis, ed. F. G. A. W a s s e r schieben, Lipsiae 1840. - Die Untersiichiing wurde im wesentlichen im
Ja,hre 1965 abgeschlossen.
l)
1 Zeitschrift fdr Rechtsgeschichte. LXXIX. Kan. Abt. XLVIXI.
2
\\l:tlter Helliiiger,
stimmten Handbuch selbst berichtet, hat er es auf Veranlassung des
Bischofs geschnff en. Uicscr hatte es bisher als Mangel einpfunderi,
auf den Reisen durch die Diözese Sammlungen von Ko11zilsb~schliissen mitschleppen zu müssen, um jederzeit in die Anordnungen
der kirchlichen Autorität Einblick nehmen und sich bci Zweifelsfragen über die Rechtslagi! unterrichten zu können. Diesem Nilistand gedachte Regino mit dein neuen, bequem überallhin initziiführenden Haridbucli, das eine Anleitung für die Tätiglieit dcs
Visitators sein sollte, abzuhelfen. Er hat es dem Erzbischof Hatto
von Mainz, dcm damaligen Primas von Deutschland, gewidmet und
ihn mit ul~erschäuinendeiiWorten seine höchste Verehrung wisseri
lassen2). In der Vorrede, in der dies ziim Ausdruck kommt, hebt
Iiegino auch mit aller Deutlichkeit hervor, daß er bei Anfertigung
ilieses Scndhandbuclies die schlimmen Zustande im Auge hattc,
die damals in der fränltischen Kirche herrschten und alles frulitlr
schon Dagewesene in Schatten stellten. DaP3 Regino an lionkrrtr
Ereignisse anlinupft und nicht aus der Luft greift, zeigt 2~uchder
Hauptteil seiner Sammlung, der sich mit Schandtaten schlimnister Art befa,ßt. Er beginnt im 1. Buch mit 9G Sendfrageil, die dem
Hiscliof eine Richtschnur geben sollen, wie bei der Pfnrrvisitntion
das VcrmOgen dcr Kirchen, die Arntstätigkeit und der T,rbcnswandrl sowie die fachliche Befähigung des Pfarrers zii iiberprufcn
sind. Am Ende dicses Fragebogens - wenn man diese Anweisung
wegen ihrer äufieren Formgebung so nennen darf - erklärt Regino
C'S fur erford~lrlicli,dt~shierin kurz Zusammeiigef;~ßtedurch die
lianonisch~Autoritat zu bekräftigen. Die nun folg~nden455 joweils
mit einer Uberschrift versehenen Kapitel des I. Buclirs sind
Qurllenstc~llen, die der Verfasser hauptsächlich aus Konzilsbcschlüsstn, piipstliclien Delrretalen und fränliischen Kapitularien
gcriomnicii h&t.Desgleichen hat er aus Uußbiiclzcrn, Ordcnsregclil,
germ:~nischcri Vollrsrechtcn und aiis d ~ mromisclicn Recht gclschoplt. Ei~iigesfiridct sich auch in den damals se11oi-i~ o r l l ~ n ~ i r n ~ ~ r ~
und gebräucliliclleii Sammlungen des kirchlichen Rechts oder
stammt aus der Fcdcr hervorragcndrr Vertreter des ltirclilichcn
2, Regino bezciclinrt IIatto als tleii Mann, der allein die, Geister dei
Philosoph~nvcrfrote. Nalicrcs uber IIatto siclic bei l f i c h a e l B u c h b e r g e r
(Iirsg.), Lexilron Fiir Thcologi~lind Kirrlir, 10 Bdc., 2. Aufl., Frribilrg 1930ff.,
ßd. 4 Sp. 840f
Die Pfarrvisitatiori iiach Regino von Pruin.
3
Lebens. Etliche Stellen sind jedoch unbekannter Herkunft. Daß
die Vorschriften des kanonischen Rechts genau zu beobachten sind
und niemand bei seinen Amtshandlungen nach Gutdünken vorgehen darf, vielmehr jeder sich von der kirchlichen A~itoritä~t
leiten lassen muß, wird gleich im ersten Kapitel betont, dessen
Urheber die Väter der Synode von Meaux (845)3)sind. Die Kapitel2
bis 17 unseres Sendhandbuches geben allgemeine Vorschriften zur
~isitationspfliclitdes Bischofs4). Die weiteren Kapitel beziehen
sich auf den Inhalt der Sendfragen und liefern die Rechtsgrundlage für die Verbote und Gebote, die in ihnen zum Ausdruck gelangen. Auffallend ist allerdings, daß manche Sendfrage im
Quellenteil nicht belegt wird und umgekehrt zu verschiedenen
Rechtssätzen, die dort wiedergegeben und von Regino in der dazugehörigen Ubcrsclirift anerkannt werden, sich keine diesbezügliche Sendfrage finden läßt. Mari wird diese Tatsache nur damit
erklären können, da0 unser Abt von Prüm die Sendfragen wahrscheinlich nicht aus dem in den Quellenstellen enthaltenen umfangreichen Material gleichsam hcrausgezogcn, sondern sie nach dem
Vorbild anderer einschlägiger Schriften gestaltet hat. Es ist ohne
weiteres aus dem mitunter gleichlautenden Test ersichtlich, da,B
er sich der im Jahre 852 entstandenen Capitula ad presbyteros
parochiae suae des Erzbischofs Hinkmar von Reims6) sowie der
sogenannten Admonitio synodalis, die angeblich von Papst Leo 1.V.
(847-855) stammt6), bedient hat. Da diese Schriften auch als
a, C. 34 = Regino I 1. Vgl. C a r l J o s e p h V. H ef el e , Conciliengeschichte~
7 Bde., 2. Aufl., Freiburg 1873ff., Bd. 4 S. 115.
4, Sie werden iinter TI. der Eiiileitiirig behandelt.
6, Zum Text siehe: Acta conciliorum ot epistolae decret:rles ac constitutiones sumnioruiil pontificum, eil. J a h . H a r d i i i n u s , tomi 11, Paris 1714
bis 1715, tom. 5 p. 391ss. Uber EIiiikmar, der irr1 ,Jahre 882 verstarb, und
sein Wirken vgl. B i l c h b e r g e r Bd. 5 Sp. 64ff.
') Zuin Ttixt sielie: J . P. JIigiic, P:~trologia Latini~,221 toini, P:LT~S
1844-1864, toin. 96 col. 1376 ss. und tom. 115 col. 676. Näheres über
diese Schrift vgl. in V a l e n t i n T h a l hof e r , Handbiicli der katholischen
Litiirgik, 2. hiifl., iiirigearbeitet von L i ~ d w i gEisenliof e r , 2 Btle., Freiburg 1912, Hd. 1 S. 117 iiiitl 463 (die 'Tou:iafl:ige [I041 F.] war dein Verf.
nicht ziigäriglich) sowie bei G o t t f r i e d F l t t d e , Die Erziehung dos lilerris
diirch tlir Visitationeri bis ziim 10. Jti., Züriclittr tlieol. Diss., Berliii 1933 (auch
in: Neue Stiidien zur Geschichte der Theologie uild Kirche, hrsg. V. N. B o n \l7etsch und R. S e e b e r g , Bd. 26 11. 27, Berliii 1930--1933), S. 39 und 44.
4
Wri,lter Hellinge?,
Rechtsquellen anzuspreclieii sind, haben somit auch diejenige11
Sendfragen, deren Inhalt niclit in den Kapiteln unseres Sendhandbuches wiederlrelirt, ihre Rechtsgruiidlage. Innerhalb der Quellenstellen selbst will auch nlanches nicht so recht zueinander passen.
Da und dort bringt Regino zu ein und derselben Frage verschiedenartige und sogar entgegengesetzte Regelungen7). Das hängt jecloch
mit den1 Charakter von Regii~osWerk zusammen, das trotz seiner
Zweckgebundenheit als Anleitung für Visitntioa und Send iinmer
noch eine Quellensammlung sein will. Wenn li'lades) die Arbeit
des Priimer Abtes in dieser Hinsicht bemängelt, geht er von unriclitigen Voraussetziingen aus. Wie Regino schon in der Vorrede
Iiervorhebt, will er den Benutzer seines Sendhandbuches lediglich
informieren, wie die kirchliche Autorität zu den einzelnen Tntbeständen, über die der Bischof zu entscheiden hat, Stellung nimmt.
Es liegt ihm also fern, ein eigenes Lehrsystem zu entwickeln; dies
hätte auch nicht seiner großen Bescheidenheit entsprochen. 111
dieseni Siiiiie wurdigt auch Charlo t t e Leitmaiers) die Tätigkeit
Regiiios. Mit vollem Recht ist sie der Ansicht, daß er nur registriert, was er vorfindet, ohne den Versuch zu machen, die Rechtsentwieklung durch seine Sammlung zu beeinflussen. Unter dieseni
Gesichtspunkt betrachtet, enthalten viele Stellen, die dem Texte
nach nicht miteinander in Einlilang stehen, auch nur scheinbar
einen Widerspruch. Wenn nämlie,h Regino für einen bestimmten
Grundsatz mehrere Quellen anfiihrt, die mitunter bis in die
älteste Zeit zurückreichen, will er wohl dessen Bedeutung besonders herarisheben, im übrigen aber regelmäßig nur das Schlußglied dieser Kette als für seine Zeit gültiges, unmittelbar anzuwendendes Rl'cht betrachtet wissen. Was einem früheren Stndiuni
der Reclitscnt\vicklung arigcliort und anders lautet, gilt dann nur
bcschr#n!<t. All dicsc Rikrniitiiisse lassen sich ebenso aus dem
2. Biiche iI1I;crc.r S:llninlririg a b l r i t ~ n .das dem Scncigeiicht ubri
Das ist ganz verstandlich, wenn man bedenkt, daß die betreffenden
Rcchtssatae zum großen Teil partikularreclitlirher Xatui sind oder zu recht
verschiedener Zeit cilasscn wurden od1.r i n ihnen vielleicht ein Wandel iri deii
Ansehaiiuiigon seinpn Kiedcrsclilt~ggefr~ndenhat.
A. a. O., S. 79.
@)Dip Kirche itnd die Gottesurteile, Wien 1963 (Wiener rechtsgeschichtlicht. Arbeiten, Bd. 2), 8. 69.
Die Pfarrvisitation nach Elegino von Prum.
5
die Laien gewidmet ist, welches anläßlicli der Visitation abgehalten wurde. Es besteht aus 454 Kapiteln. Eingangs finden sich
mehrere Verfahrensvorschriften und sodann in den unter Kapitel 5
aufgeführten 89 Sendfragen lind in deii folgenden Kapiteln eine
ausgiebige Behandlung der verschiedenen Delikte und ihrer BestrafunglO). Da die vorliegende Arbeit - wie schon ihr Titel besagt - sich nur auf die im 1.Buch geregelte Pfarrvisitation erstrecktl1), erübrigt es sich, auf den Laiensend hier näher einzugehen. Erwähnt sei noch, daß W a s s e r s c h l e b c n in seine Textausgabe (außerdem) drei Anhänge aufgenommen hat, die nicht
mehr zu dem Werke Reginos gehörenl2) und deshalb iinberiicksichtigt bleiben.
Dem Werke Reginos kommt iii der kirclienreclitsgeschichtlichen
und auch liirchcngeschichtlichen E'orscliung ganz erhebliche Bedeutung zu. Dies ergibt sich schon daraus, daß es sich nicht auf
die speziellen Verfallreiisvorscliriften fur Visitation und Send beschränkt, sondern - wie Ii'einel3) es treffend charalrterisiert --„den ganzen Geschäftskreis einer bischöflichcii Sprengelver~~altung bis ins Einzelnr zur rechtlichen Darstellung bringt und so
eine anschauliche Qiirllc des wirltlicheii Itirchliclien Lebrns bietet".
Ein Blick iri die rinschlägige Literatur zeigt auch, daß iiieinarid,
der Untersuchungeii dber die kirchliclien Vrrliiiltnissc des crstcii
Jahrtausends anstellt, an dein Sendhanclbiicli des l'rumer Al.jtes
vorübergehen kann. Dennoch ist bisher keine iimfasseiide Darstellung dieser wiclitigen Kirchenrecl~tasari111i1111igerst:hienen. Allerdings hat G o t t f r i e d F l a d e sehr viel in dieser Richtung getan.
1°) Näheres siehe P l ö c h l I S. 377 und 410. Bemerkenswert Ist, da6
Reginos Sariiiillurig scholl die Trcnniirig von Pfarrvisitation und Laiensend,
clie seit Ende des 9. Jh.s die Regel ist, auch Riißerlich in der Einteilung
kenntlich macht. Vgl. P l ö c h l I S. 3761. und 327.
I ' ) Die Ilarstellnng des 2. Buches bleibt, einer l)esoricicreri AbbalidIung, zu der ich da,s wichtigste Material bereits gesanimtrlt habe, vorbehalten.
12) Die Appendiccs I1 iincl 111 sind erst lange nach ltegino entstanden,
wä,lirerid der Anfang der Appendix I - wie F o u r i i i c r p. 7i. und F o i i r n i e r Le B r a s I p. 246 annehmen
möglicherwcisc noch von Regino oder eineirr
seiner Schülcr stairinicn kann. Vgl. auch d i e I'ra,efatio editoris p. XI11 in
d p r Aiisgabc F J r ~ s s a i s c h l e h i t i i s .
'") :i.
145.
-
Wttlter Hellinger,
Er hat verschiedeile Arbeiten14), mit denen er auf kirchen- oder
l~ulturgeschichtlicheFragen Antwort geben will, auf der GrundIage von Reginos Sendhandbuch aufgebaut und dabei zahlreiche
Rechtssätze dieser Quellensammlung berührt. Ihren rechtlichen
Gehalt aber hat er dabei ebensowenig voll ausgeschöpft-wie etwa C.
W a w r a , P. F o u r n i e r und H. Löwe, die das literarische Wirken
des Prümer Abtes in verschiedenen Abhandlungen gewürdigt
habenl6). Dies sucht nun die vorliegende Arbeit, die ein Beitrag
zur Geschichte des kanonischen Rechts sein will, zu erreichen.
Was die Art und Weise der Darstellung betrifft, mußte natürlicli die besondere Eigenart von Reginos Werk berücksichtigt
werden. Wenn auch Regino zweifellos mit den fundamentalen
Rechtsgrundsätzen seiner Zeit, die er in den Sendfragen und Überschriften heraiisstellt, einiggeht, wäre es doch verfehlt, den Inhalt
seines Werkes, also auch den der Quellenstellen, als seine persönliche Lehrmeinung vortragen zu wollen. So etwas hieße die Quellen3ainmlung in ein Lehrbuch umstempeln. Es kommt nur in Betracht, von den einzelnen Sendfragen auszugehen und sie mit den
jeweils dmiigeliörenden oder wenigstens die gleiche Angelegenheit
betreffenden Qucllenstellen, die oft recht verstreut in der Sammsind, in Verbindung zu bringen und auf diese
lung ~intergebra~clit
Weise den Inlia,lt von Reginos Werk zu veranschauliclien. Obgleich unser Sendliniidbuch schon eine systematische Sammlung
darstellt, die den Stoff nicht chronologisch, sondern nach Sachgebieten ordnet16), ist es doch nur teilweise möglich, die dort gcgebene
Reihenfolge der Sendfragen und Knpitel auch bci dor Be-
G o t t f r i e d F l a d e , Voin EinfliiW des Christentums auf die Germanen,
Stu.ttgart 1936 (Forschungen zur Kirchen- lind Geistcsgcschiclitr, Iirsg. 7..
E. S e e h e r g , R. H o l t z i n a n n u n d \ V . W e h e r , Bd. 10); dors., Ger~nanisclies
Heidentiiin und christliches Erziehurigsbemühen in karolingischer Zcit,
iri: Tfirologischr Stfiidien i i i i r l Kritilirn, lirsg. V. C. ITllniann, F. W. [ i n b r e i t u. ii., Jalirg. 106 (Neiic Folge J.), 1934/36, 8.213-240.
16) Car oltls W a w r n , De Reginone Priimiensi, Vratislaviae 1900 (Bres[auer kath.-tlieol. Diss.); F o u r n i e r (s. oben Ariiii.1); I I e i n z L ö w e ,
Regino von Prüm und diis historische Woltbil(1 der Karolirigcrzeit, in:
Rheinische Vierteljaliresschrift (Mittcilungeri des Instituts für gr:schichtliclie
Landeskunde der Rheinlande a n der Universität Bonn), Jnhrg. 17, 1962,
S. 161-179 (Festschrift für T h e o d o r F r i n g s ) .
I B ) Dies liebt G o d e h a r d J o s e f E b e r s , GrilridriW dcs Iratliolisclion
Kirchenrechts, Wien 1960, S.107 als besonderes Merkmal hervor.
14)
Die Pfarrvisitatiori nüch Regino von Priiin.
7
arbeitung einzuhalten; denn diese Ordnung ist Regino nur recht
unvollkommen gediehen und erspart deshalb eine anderweitige
Aufgliederung des Stoffes für die vorliegende I)arstelliing keineswegs1I). Bei der Wiedergabe der Quellenstellen erschien es angängig, nach Möglichkeit deren Herkunft - soweit sie bekannt
und in der Textausgabe W a s s erschleb ens angegeben ist18)
zu bezeichnen. Dies illustriert nicht nur, wen Regino alles zu Wort'
kommen läßt, es erleichtert auch bei verschiedenartigen, wirklich
oder nur scheinbar einander widersprechenden Regelungen die
Beurteilung der Frage, welche Vorschrift wolil zur Zeit Rcginos
den Vorrang hatte; denn es ist hierbei von entscheidender Bcdeutung, wann eine Norm entstanden ist und wer sie erlassen hat19).
Es ergab sich aber keine Notwendigkeit, die einzelnen Quellen etwa
noch auf ihre rechtliche Geltung im friiiikischen Rauinc insbesondere zu überprüfen20); denn man muß berücksichtigen, daß
- wie schon ausgeführt - der Bischof durch die Wiedergabe von
17) Ubrigens macht die mangelnde Ubersichtlichkeit, vor allem aiich
die oft nicht einfache Auffindbarkeit der zu den Sencifragen gehörende11
Kapitel in besonderem Maße eine geordnete Darstellung erforderlich, die)
ohne Miihe Einblick gewährt,was Reginos Samniliingim einzelnen enthält. - Eine nur i n Zahlen ausgedrückte und recht summarische ubersic,lit, wie dir
Sendfragen und Kapitel zusammengehören, findet sich bei F. G. h. W a s s e r schieben, Beitrage zur Geschichte der vorgratianisehen Kirchenreclitsquellen, Leipzig 1839, S. 2.
18) W itss e r s c h l e b e n h a t i n dieser Hinsicht eine nicht zu unterschätzend^
Leistung vollbraclit. Reginos eigene Quellenangabe trifft i n zahlreicho~i
Fällen nicht zu, so daß er vieles berichtigen miiBte. Es stimmen abei aiich
W a s s e r s c h l e b e n s Angaben niclit immer mit denen anderer Sammlungen
überein.
19) Man denke vor allem daran, daß i n der karolingischen Zeit lange der
König im Widerstreit zum Papst das oberste Gesetzgehungsrecht in kirchlichen Angelegenheiten i n Anspruch nahm und sic,h sogar berechtigt fiililte.
verbindlich angesehene Kanones lind päpstliche Dekreta,len diirch cntgegerigesctzto Bestimmnnge~ipraktisch außer Kraft zii s r t z c n . So l i t i l i r i c,s
iln Einzelfall recht zweifelliaft sein, welche Norm vorging. Vgl. hierzu die‘
ausführliclie Darstellung bei P a u l H i n s c h i u s , Das Kirrhenrrcht der
Katholiken und Protestanten, Bd. 1-6, 1 (unvoll.), Berlin 1869ff., Bcl. 3
S. 702ff. (insbesondere S. 703 und 712f.); s. iiiich P l ö c h l T S. 274, 278
und 282.
Obgleich nianche Stelle offensichtlich gar nicht als Rcchtssata i~.~iausehen ist (etwa weil ihr Urheber nicht zur Rechtsctzung befugt war) orlei.
als p:~rtikiilarreclitlicheVorschrift nur anderwlrts Geltung erlangt hast,
8
Walter Hellinger,
Quellenstellen über die in der Kirche oder von ihren mafigeblichen
Vertretern aufgestellten Grundsätze lediglich informiert werden,
also nicht in erster Linie zu einem unmittelbar anwendbaren Rechtssatz hingeführt werden sollte. Auch konnten im Rahinen dieser
Arbeit keine ausführlichen Erläuterungen über die Entstehung und
Bedeutung der einzelnen QueIlen gegeben werden. Ich hielt es
jedoch für sinnvoll, die oft recht interessanten Motive für die
jeweiligen Bestimmungen, soweit sie in den Normen zum Ausdruclr kommen, dem Leser nicht vorzuenthalten. Im übrigen war
es mein Bestreben, bei der Wiedergabe der einzelnen Kapitel, die
jil Anbetracht der Fdlle des Stoffes so liurz wie möglich erfolgen
mußte, auf das einschlägige Schrifttum zu verweisen, das eine
niihere Orientierung ermoglicht. Soweit es sich hierbei um Ubersetzungun oder Inhaltsangaben handelt, besteht manchmal allerdings keine tfbereinstimmung mit dem Texte Reginos21). Maßgebend für die vorliegende Arbeit konnte natürlich nur das sein,
was in dem Sxdhandbucli aufgezeichnet ist2Z). Da zahlreiche
Kapitel im Decretum Gratiitni wiederkehrenz3), konnte auch dic
Literatur zum Corpiis Tiiris Canonici da und dort herangezogen
werden.
Ein der Arbeit angefügtesVerzeichnis der Seiidfrageii und Kapitel
soll die Moglichlieit bieten, jederzeit auf bequeme Weise nachzuschlagen, was die Arbeit zu der einen oder anderen Stelle von
Reginos Sammlung enthält.
JI.
Die V i s i t a t i o n s p f l i c h t des Diözesanbiscliofs.
In der Uberschrift zu den Sendfragen des 1. Buches weist Rcgirio
darauf hin, daß im folgenden all das aufgeführt .wird, was der Bischof
oder seine Gehilfen hri den Vii;itationsreiscn in den Städten odrr
P
Neben Textabweichungen finden sich oft auch Kurzungen.
22) Auch bin i ~ grundsatzlich
h
immer von dein Haupttext bei W a s s e r S C h l e h en nusgrgangeii.
2a) W a s s e r s c h l e b e n verweist jeweils in den Aiimerkurigen darauf und
zitiert nurhin einer Uhrrsicht arn Schluß seiner Textausgabe die betreffenden
Fundstellen. Es kann deshalb darauf verziclitct nrcrden, dies bei Beliitndlung
der in Frage kornnieiidcn Kapitc>lnoch bcsoiidcrs zu r e r m r ~ k e n .
al)
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
9
Siedlungen und in den Pfarreien ihrer Diözese sorgfältig erkunden
müssen. Er sieht sich auch veranlaßt, in den ersten Kapiteln der
den Sendfragen nachfolgenden Quellensammlung den Bischöfen
daß für sie eine Pflicht zur Visitation besteht. Dieser
Aufgabe haben sie grundsätzlich persönlich nachzukommen. Die
Synode von Meaux (845)24) verurteilt die „tadelnswerte, ja sogar
verwerfliche Gewohnheit gewisser Bischöfe . . ., die das ihnen
anvertraute Volk selten oder nie in eigener Person" aufsuchen.
Ein Bischof, der durch Krankheit oder wichtige Geschäfte abgehalten ist, darf entsprechend qualifizierte Presbyter oder Dia'kone
mit dieser Aufgabe betrauen, wie die 4. Synode von Toledo (633)26)
ausdrücklich zuläßt. „Daraus entwickelte sich" - stellt P l ö c h l
fest26) - „die Visitation durch den Archidiakon, der sie in der
Folge als ein Recht in Anspruch nahm." Welche Voraussetzungen
der Stellvertreter mitbringen und welchen Anforderungen er gea4) C. 29 = Regino I 6. Vgl. FIef e l e Bd. 4 S. 116. Welche Grundsätze
iii fränkischer Zeit für die Pfarrvisitation galten,ist bei P l ö c h l I S. 326f.
zusammengestellt. - Zu deii Beschlüssen von Meaux sei bemerkt, daß in
den Konzilsakten der Synode unter der Uberschrift „Conciliuni M e l d e n ~ e ~ ~
alles ziisammengefüßt ist, was man in Meaux selbst in1 Jahre 845 als auch
846 i n Paris, wo die Synode fortgesetzt wurde, normiert hat (vgl. H e f e l e
Bd. 4 S. 113). Die eine oder andere Stelle, die gerneinhin als BescliluB von
bfeaiix (845) bezeichnet wird, ist derilnach vielleicht erst im folgenden Jahre
iii Paris entstanden.
26) C. 36 (Mitte) = Rcgino 1 9. Vgl. I-Iefele Bd. 3 S. 83; I'ius B o i i i f a c i u s G a m s , Die Kirchengeschichte von Spa,nien, 3 Bde. (Bd. 2 und 3
je i n Halbbändeii), Regensburg 1862ff., Bd. 2,2 S. 97; M a x L i n g g , Geschiclitc des Instituts der Pfarivisitatioii, ICcinpten 1888, S. 19.
26) Bd. I S. 326. E r liebt weiter hervor, daß Archipresbyter und Ki~,noniltcr
111s Stellvertreter des Biscliofs fiir die Visitat.ioii in Uetritclit liariicn.
Den Unterschied zwischen d e n ~Bischof und deiii Stellvertreter hirisiclitlicli
ihrer Rechtsstclluiig legt A l b c r t Afichael K o e n i g e r , Die Sendgerichte
i r i Dei~tsctilaiid,Bd. 1, 3Ziiiiclir+ii1910 (Yeriifferitlichrrrigcn tiiis tleiii T<irchcnliistorisclieii Seiiiiriar 3lünclicn, 111. Kt:ihe Kr. 2), S.97 dtrr: ,,Der Ujsciiofsbann war etwas Eigentliclies, dein bischöflic,lien Amt ~lnliaftendes;er begriff dalirr tlie Fälle von Befiigiiisscn iii sich, welche init der biscliöfliclicn
Ciewalt überliziiipt ziisanimenhiiiigcri. Der banniis seiiier Stellrt~itretererscheint iliir als der des Mandatars, ging in seinein Urnfaiig riur so weit, :,Is
dns Miindat reichte, und haftete nicht iini Aiut, sondern riur ,211 der Persori
cl(?s Beaiiftragten, der aus deii AIitgliedern der cinfliißrciclisten Strllen t1c.i;
I)iscliöflichcn Preshytoriuiris genoniiircri wiirde."
11
IValter Hcllingei .
Die Pfarrvisitiltior\ iia,eli Kegino voii Piiim.
iiügen muß, legen die Väter von Meaux ausführlich darz7). ES
kommt nur ein sittenstrenger und keineswegs geldgieriger Mann
in Frage, der in gutem Ansehen steht. Er muß aber auch in der
Lage sein, den Presbytern die Glaubenswahrheiten rein und iinverfälscht vorzutragen lind sie in der Beobachtung der Gebote Gottt5s
sowie im Predigen zu unterrichtenza). Die 2. Synode von Braga
(572)29), die ebenfalls den Bischöfen die Visitationspflicht cinscharft, setzt sich mit der praktischen Handhabung aiiscinandcr.
Die Bischofe sollen zunächst30) ihren Klerus auf gewissenhafte
Pflichterfüllung uberpriifen. insbesondere kommt es diirauf an,
ob die Geistlichen die Taufe und die Feier des Meßopfcrs in dci
gebotenen Weise vollzielien und ob sie an den Katechurneneii
20 Tage vor der Taufe die Exoi.zismcn31) vornehmen und ihnen
von diesem Zeitpunkt an das Glaubensbekenntnis beibringen. Was
zu beanstanden ist, soll für die Zultunft durch entsprechende
Unterweisung gebessert werden. Darauf wendet sich die Visitation
den Laien zu, die am folgenden Tage32) versammelt werden. Diesen
soll der Visitator die heidnischen Irrtumer ausreden und sie voi
Verbrechen wie Mord, Ehebruch, Meineid und falsches Zeugnis
warnen. Es soll ihnen aueli zii glauben vorgestellt werden, daB
alle Mensclien einst zur Auferstehung gelangen und ein Gericht
stattfindet, „bei welcliem ein jeder entsprechend seinen Werken
aufgenommen wird". Der Bischof hat also nur zn belehren; „vor]
stra;frichterlieher Tätigkeit ist hier nicht die Rede"33). Dies ist
aber schon vor Regino anders geworden, als sich im 8.,Jh. itus dei
bisohoflichen Visitation heraus die Sendgerichte entwickeltens4).
Daß die Bischöfe die Pfarreien visitjeren und etwaige Verbrechen
der genannten Art aufklären, ist die Sorge Karls d. Gr. in einen1
Kapitulare von Aachen (813)36). Aber auch die „Nahrung des
gdttlichen Wortes" soll den Gläubigen bei dieser Gelegenheit zugrfuhrt werden38). Ganz ähnlich verlangen die Vater von Mearis
(843)37), daß die Bischofe ihre Pfarreien bereisen und dabei „die
ihnen anvertrauten Presbyter veranlassen, sich durch Gelrhrsarnkeit, Keuschlieit, Enthaltsamkeit sowie Gastlichkeit aiiszuzeiclineii.
wie es ihr Amt erfordert". Sie sind sich andererseits bewufit. da11
die ordnungsgemäße Erfullung der Visitationspflicht einen erheblichen Zcitaufwand beansprucht. Deshalb wenden sie sich38) ;I,II
den I(onig39) und bitten ihn, daß er in großherziger Gesinnung
die Bischofe weit mehr als bisher für ihr geistliches Amt freistellt.
Die Bischofe dagegen crmahnen sie, die ihnen gewahrte Zeit nicht
init eigenen Vergnugungen zu vergeuden und ihre Diozesanen nicht
Es gelle auch nicht an, die Visitation so zu gezu vernachlassig~n~~).
stalten, daW sie zu einer unertraglichen Last fur die Glaubigen wird.
hiif Miillniiiig Ludwigs d. Fr. haben die Bischofe -wir
d ~ Kaiser
r
selbst brric1itet4l) -- versprochen, bei Visitations- oder Pirmungsreisen drm Volke, dem sie ja nur nutzen, nicht aber eine Last sein
sollcii, lrunftig nicht mehr beschwerlich zii werden. Die 7. Syizocic
10
Vgl. hierzu P l ö c h l I S. 375ff.
c.1 = Regino 1 1 0 . Vgl. J o h a n i i F r i e d r i e h B ö h m e r
E. M ü h l b i l c h e r , Regesta Imperii I, Die Regesten des Kai~erreic~hesunter den
Karolingern 751-918, 2. Aufl., Innsbruck 1899-1908, S. 217.
36) Regino I 3. Nach Regii~oist clio Stelle ebenfalls von Kaiser Kar1
d. Gr. Sie ist aufgezeichnet i n der I<apitulariensammlung des Ansegisus
von Fontanella. (L. I C. 103). Zu dieser Samit~lungund ihrer Bedeutung vgl.
11. a. P l ö c h l I S. 406 und F e i n e S. 140f.
3 7 ) C. Si? (Scliliiß)
Kegino I 5 (aiii Ende).
3 8 ) C. 28 = Rcgino 1 4 . Vgl. H e f o l e Bd. 4 S. 114f.
38) ES handelt sich um Karl den Kahlen.
'O)
Diese Nalinung ist auch i n Regino I 5 enthalten.
41) In C. 1 9 seines Kapitulare a n die Bischöfe (Aachen 817)
Regjno J
13 (Regirio schreibt die Stelle Karl (1. Gi.. zii). Vgl. Hef el c Rd. 4 S. 27
lind Aiit o n J o s e p l i B i n t e r i u i , I'ragiilatischc Geschichte tlcr deui;scheii
National-, Provinzial- und vorzüglichsteii Diözesankorizilien vom 4. Jh.
his aiif clas Conciliuni von Trient, 7 Bde., Mainz 1836ff.. B(1. 2 S. 358.
U)
3s)
35 = Regiito 1 2. Vgl. Hef e l e Bd. 4 S. 115.
Die „facliliclie Schulung u n d Weiterbildung" des Klerus war ja aiicti
Bestandteil der Visitation, vgl. P l o c l i l I S. 326.
29) r. 1 = Regino 1 7. Vgl. H e f e l o Bd. 3 S. 2'3; G a m s Bd. 2, 1 S. 463,
K o e n i g e r S. 29 und 119; F l a d e , Kleriis S. 7; F l a d e , Erzirliunqshen~uhe~i
S 213; t'lorlil T S 161.
Wie ICo eilig ci S. 119 ni~iliiiiiiit, btagdriii tiie Visitation wohl iiarlirnittags.
Ziir Bedeutung dieses Salrramentale im ersten Jahrtausend vgl
P l o c h l I S. 86, 217 und 370f.
a2) Und zwar am Nachmittag ( K o e n i g e ~S. 119)
33) Dips hebt ICoriliger S . 29 besonders liervor. Auch legt ci Gew~clii
ttltrauf, daß Iiiri srhon ciiie scliaife Tienitiing ~ w i a c l i t ticr
> ~ ~Kleriis- iincl (Ici
Laienvis~tationvorgriiorniiieii wird (S. 26).
27)
28)
C.
-
-
12
Walter Hellinger,
von Toledo (646)42) untersagt insbesondere, dafi der Visitator mit
mehr als 50 Wagen im Gefolge erscheint und länger als einen
Tag in ein und derselben Pfarrei verweilt. Die 2. Synode von
Braga (572)43) gewährt dem Bischof als finanzielle Zuwendung
itnläßlich der Besichtigung einer Pfarrei nur das ~ a t h e d r a t i c u m ~ ~ ) ,
eine Ehrengabe von 2 Solidi4s). Keineswegs darf er den dritten
Teil der bei der betreffenden Kirche eingehenden Opfergaben für
sich einziehen; was auf diesen eritfällt,, soll für die Beleuchtung
und eine notwendige Restaurierung der Kirche verwendet und dem
Bischof später darüber Rechnung gelegt werden. Schließlicli sucht
Regino in Kapitel 1 1246) einer schlimineii Unsitte zu begegnen.
Es ist namlich vorgekoinmen, daß Bischöfe, welche die Pfarreien
ihres Sprengels niclit zur Visitation oder Firmung bereist hatten,
nun doch die Abgaben und Leistungen einverlangten, die jeweils
in den einzelnen Orten fällig gewordenwären. Dies gereiche ihnen zu
doppelter Schande, weil ein solches Verhalten auf Nachlässigkeit
wie auch Habgier schließen läßt. Den Oberhirten gilt daher die
Mahnung, von einer derart materiellen Gesinnung abzulassen und
sich mehr um ihre Herde zu bekümmern.
Während der Bischof draußen in der Diözese ~veilt,dürfen seine
Amtsgescliäftc! in der Bischofsstadt nicht einfach unerledigt bleiben.
In einem Kaspitiilsre Karlmaniis47) von Verneuil-sur-Oise
..-P-") c. 4 (Mitte) = Regino 1 5. Vgl. EIefelc Bd. 3 S. 96f.; G a m s Bd. 2 , 2
8.125; K o e n i g e r S. 119 und 147; F l a d e , Klerus S. 31f.; P l ö c h l T
S. 161.
43) C. 2 = Regino I 11. Vgl. H e f c l e Bd. 3 S. 29; G a m s Bd. 2, 1 S. 463;
P l ö c h l I S. 161.
44) Zur Bedeutung dieses Begriffes iin ersten Jahrtausend vgl. P l ö c h l
I S.242 und 397. Auch das heutige Recht des CIC kennt das Catliedraticunl
als eine Abgabe, welche die Anerkennung der Oberfioheit des Bischofs lind
des STorranges der ICathedralo bezeiigen soll; vgl. E b e r s S. 407f. lind
I31iciiberger Bd. 2 Sp. 793.
4 6 ) K o e n i g e r (8. 136) weist darauf iiiri, dnlj den1 Bischof atillcrdeiil 11oc:ti
linterlialt und Verpflegung i n der1 ririzclnen Pfarreien gewahrt werden
iuußten.
Über die Visitationskosten vgl. auch L i n g g S. 22E.
46) Nach Regilio ein Besclilulj von Tribur (895); W a s s e r s c h l eh cn
koriiito die Stellein dcn Akten der 'I'riburer Synode nicht finden. B i n t cri 111,
Konzilien ßtl. 3 S. 210f. gibt iliren Inhalt wieder und rechnet sie zu den
Beschlüssen von Tribiir. Zuni Iiilialt vgl. L i n g g S. 19 und 23.
47) Es hlnt10It sie11 L I I ~einen Sohn Lridwigs d. Strt.minlcrs ur111 Enkrl
Karls (1. Kahlen.
-
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
13
($$4)38) wird ihm geboten, geeignete Gehilfen zu seiner Stellvertretung dort zurückzulassen. In gleichem Maße ist es wichtig, daß
seine Anordnungen, die er bei der Visitation in den einzelnen
Kirchenzentren und Siedlungen getroffen hat, aucli dann noch
durchgeführt werden, wenn er weitergezogen ist und wieder bei
seiner Kathedrale weilt. Um dies sicherzustellen, soll er in den
abgelegenen Gegenden seiner Diözese49)angesehene lind erprobte
Priester mit entsprechendem Auftrag einsetzen, denen auch die
anderen vertrauensvoll ihre Anliegen vortragen könnenS0).
Die Durchführung der Visitation und ihre Rechtsgrundlage.
Regino hat die Sendfragen nach bestimmten Gesichtspunkten
zusammengestellt und dies auch, von einer einzigen Ausnahme ahgesehensl), durch entsprechende tfberschriften deutlich gemacht.
Es ist damit auch der Gang der Visitation festgelegts2). So gilt die
Prüfung zunächst dcn Sachen, die in den Dienst der Seelsorge
gestellt sind63). Sie wendet sich dann der Person des Presbyterss4)
zu und erstreckt sich auf seinen Lebenswandel sowie die pflichtgemäße Amtsausübung66), auf die persönlichen Voraussetzungen66)
und die notwendigen Kenntnisses7) für das ihm übertragene Amt.
C. 7 = Regino 1 1 7 . Vgl. K o e n i g e r S. 147.
Hier wird der Ausdiuck ,,parochiau gebraucht, der in den älteren
Quellen so viel wie Bischofssprengel oder Diozeso bedeutet (vgl. P l o c h l
I S. 142 und 315).
60) &fit den Gehilfen des Bischofs sind wohl Archipresbyter und Archidiakon, init den Priestern, die außerhalb der Bischofsstadt ringesetzt
werden, die Landarcliipresbytcr i n ihrer spateren Fortentwicklung gemeint
(schon zm 9. Jh. findet sich der Titel ,,Dekanu); vgl. P l o c h l I S. 316f.
61) Flir d1tx Fr<~gr>n
1 16 h a t er keiiie auf deren Jnlialt sich beziehend?
t)beisch~ift grgcben. 4bcr sucli Ge gchore~idei Sdchr ridth zu'rnuirilen
6a) An die Reih~nfolgeder Fragen konnte sich der Visitator iinn~ittelbai
halten, was fur andere Sendregeln nicht galt ( L i n g g S. 23f.).
") Fr. 1-16.
54) ,,lir~~sbyter"bbeeiitete zur damaligen Zeit soviel wie Pfairer: vgl
Briclibcrger Bd. 8 Sp. 188ff. (unter „Pfarreiu).
66) Pr. 17-75
Fr. 76-81.
67) Fr. 52 -96.
48)
14
Die Pfarr~isit~atioii
iiacli Regi~iovon Prüni.
Waltßi Hellinger,
I. A b s c h n i t t :
llaß für die Seelsorge die notwendigen Einrichtungen, Gerätschaften und dazu eine gediegene wirtschaftliche Grundlage vorhanden und diese Dinge auch jederzeit eine ordniingsgemäße Verwaltung aufweisen müssen, ist eigentlich selbstverständlich. Trotzdem hält es Regino für nötig, das Augenmerk des Visitators gleich
zu Anfang auf den Zustand des kirchlichen Vermögens zu richten.
Was hier in den Scildfragen und Quellen an Verboten und Geboten
zum Ausdrucli gelangt, läßt deutlich erkennen, daß zur Zeit
Reginos vieles in dieser Hinsicht im argen lag und man nicht einmal vor einer Profanierung der ausschließlich dem Gottesdienst
gewidmeten Sachen zurückschreckte. Auf welche Weise die strenge
Oberprüfung, die der Abt von Prüm deshalb für erforderlich hält,
erfolgen soll, wird nicht besonders dargelegt. Es ist dies in bezug
auf die kirchlichen Sac,hen auch kein Problem; den11 schon ein
Augenschein verschafft dem Visitator genügend Gewißhcit, ob
der Pfarrer seine Pflicht erfüllt h a t .
Das Kirchengebäude.
Die Visitation hat mit dem Iiirchengebäude zu beginnen, wie
in Sendfrage 1bestimmt ist. Regino läßt zuerst nachforschen, von
wem die Kirche geweiht wurde und wer der Ortsheilige ist, auf
dessen Name die Weihe erfolgte. Ein Blick in die Geschielite68)
zeigt uns, daß in dcn Jahrhunderten vor Regino bei der Weihe
der Kirche allerhand Mißstande herrschten, die ein Eingreifen der
liirehliclien Oberen erforderlich machten. Es kani manchmal vor.
rfnB ein Bisctiof irnhcfugt in frcnidcr 1)ictzcsc~c i n ~Kirche
16
oder daß gar ein einfacher Priester dieses nur dem Bischof ZUstehende Recht sich anmaßteeD). Es ereignete sich aber auch
- das betrifft den Titel der Kirche -, daß man sie auf den Nameri
eines Verstorbenen, ja selbst eines Ungläubigen weihte, statt dazu,
wie es kirchlicher Vorschrift entsprach, einen heiligmäßigen Märtyrer oder Bekenner auszusuchen61). Trotz dieser Geschehnisse,
die für die Sendfrage Reginos den geschichtlichen Hintergruiid
liefern, leuchtet es nicht ohne weiteres ein, warum der Bischof bei
der Visitation jeweils feststellen soll, auf welchen Namen und von
wem die Kirche geweiht wurde. Man sollte doch meinen, daß es
sieh hierbei uin eine feststehende Tatsache handeIt, über die der
Bischof von vornherein unterrichtet ist und deshalb nur bei seiner
ersten Visitation und bei späteren nur dann, wenn es sich um
cine neuerrichtete Kirche handelt, Nachforschungen anstellen
muß. Wir wissen jedoch aus der Geschichte, daß auf dieWahl des
Kirchenheiligen die sozial führenden Schichten sowie mit dem
Aufkommen des germanischen Eigenliirchenwesens vor allem die
Grundherren erheblichen Einfliiß ausübten und es infolge Besitzwechsels, Wdlfahrten oder Anerkennung neiier Heiliger oft zu einem
Wechsel in der Person des Kirchenpatrons kamß2). Es scheint, daß
Regino diese Vorgänge im Auge hat und mit seiner Anordnung
erreichen will, daß der Visitator ihre Rcchtmäßigkeit überprüft.
Selbstverständlich muß aber der Visitator in erster Linie darauf
achten, daß die Kirche überhaupt geweiht ist (wenn es auch in
der SvndErage nicht ausdrücklich anbefohlen wird). Dies bringt
Regino in I C. 3Iß3) zum Ausdruck: Kirchen oder Altäre, deren
Weihe zweifelhaft ist, müssen geweiht wcrdene4).
In den weiteren zu diesem Thema von Regino angeführten
Quellenstcllen wird nur dio vermögensrechtliche Seite der Kirchweihe berührt. So bestimmt die Wormscr Synode
daß
cici
----P
ztii.
-. Wcilic cinnr Kirolic? cingeladenc? Bischof von dern S t i f t ~ r
S t i e f e n h o f e r S. 42.
Vgl. die eingehende Abhandlung voii D i o n y s S t i e f enhof e r , Dic
Geschichte tler Kirclicnwcilie vom 1.--7. Jh., Al~inchen 1909 (Veröffentlichungen aiis dem Iiirclienliistorisclien Stiiiinar ilfunclie~i,111. Reihe Nr. 8)
iind clie Ausfuhriiiigen bei U l r i c h S t u t z , Geschichte des kirchlichen Benefizinlwtscns, ßd. I, BerIin 1895, passim,
Zur Vornaliinc. der Weihe war niir der Ortsordinarius berechtigt; vgl.
S t i e f e n h o t e r S. 42fE.
") Stiof e n hof e r S. 46 ii. 53 sowie S t i i t z , Benefizidwesen S. 564.
62) Vgl. ß u c l i b e r g e r ßd. 8 Sp. 2 (unter „Patron"):
"3) Dcr hior n~aßgctbljolic? Seil des fiapitvls finde,t. sich bei Ansc.gisiis
L. I C. 145. Uber dan wciteroii Stil s. U. S.27 bei Sendfrage 4.
Vgl. ?Luch S t i e f c n h o f e r S, 71.
3 = Rogino X 23. Vgl. Bin t e r i m , Korizilieii ßd. 3 S. 163 lind
S t i e f e n h o f c r 9. 61.
C.
:L6
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
Walter Hellinger,
der Kirche zwar ein Geschenk annehmen, aber nichts „als Schuldigkeit" von ihm fordern darf. Der Bischof soll nicht eher eine Kirche
einweihen, „bis ein Fonds für die Kirche und für den Dienst derselben angewiesen und schriftlich ausgefertigt istaee), da für die
Beleuchtung der Kirchee7) und für den Lebensunterhalt der
Kirchendiener vorgesorgt sein muß. Die 3. Synode von Toledo
(589)68) wendet sich dagegen, daß manche Erbauer einer Kirche
bei deren Weihe sich ausbedingen, das von ihnen der Kirche zugewendetevermögen dürfe nicht inVerwaltung des Bischofs steheneg).
Ob und inwieweit der Bischof darauf Einfluß nehmen darf, war
auch im Frankenreich in den folgenden Jahrhunderten umstritten.
Das bekannte Kirchenkapitulare von 818/819, das Regino eigenartigerweise nicht zitiert, gewährte dem Bischof ein Aufsichtsrecht
bezüglich der Instandhaltung der Kirche70). S t u t z7l) berichtet
voii einer Synode von Paris (849), welche die Kirche samt Wideni
und Zehnt nach Maßgabe des genannten Kapitulare von 818/1Y
der Leitung des Bischofs und der Verwaltung des Priesters anvertraute. Es kann also durchaus angenommen werden, daß Regino
den von ihm zitierten Beschluß von Toledo als auch für seine Zeit
geltendes Recht beachtet wissen wollte.
Die erste Sendfrage läßt den Bischof auch seine Aufmerksamkeit auf den äußeren Zustand des Kirchengebäudes und die Sauber86) Ubersetzung von B i n t e r i m a. a. 0. Der Grunder mußte also die
sog. dos (zuin Begriff sielie S t u t z , Benefizialwesen S. 98ff.), auch Widern
genannt, bereitstellen, was urkundlich festgelegt wurde. Vgl. P l o c h l I
S. 237f., tler von ciner ganz entsprechenden Anordniing des Papstrc Gelasius I dusgeht.
67) Uber die Bcleuclitung der Kiiehe vgl. unten die Behandlung drr Sendfrage 1 3 und T l i a l h o f e r - E i s e n l i o f e r Bd. 1 S. 376ff.
6 8 ) C. 19
Regino 1 33. Vgl. I I e f e l e Btl. 3 S. 62, Garns Bel. 2, 2 S. 13;
S t i e f e i i f i o f e r S. 58ff.
") lI)i('~eV o ~ ~ ( l i l ilidrirrt
it
offeiisic8lltlitlirriit tlcrn Eiecnhii~lienui~sc~~i
LUsaiumen (vgl. lliris eliiiis Bd. 2 S. 621 Anrii. 7 und S. 624ff., wo dir Frngr
des Eigentums an der Kirche behanciclt wird). Wie F e i n c S. 153 hervorliebt, verboten tlir5e wie auch spateie Synoden von Toledo Eigenkirclien
im strengcii Sinn und gewahrten iiiir eine Schutzherrschaft mit Prasentationsreclit nach Art des spateren Patronats. Diese Anordnungen konnten
aber das Eigenlrirelienwcsen auch in Spanien nicht iinterbinden
'O)
Vgl. F e i n c S. 154.
71) Benefizlalwesen S. 270.
-
17
keit im Inneren richten. Regino verlangt, daß die Kirche gut
gedeckt und gewölbt ist. E r bringt hierzu einige Vorschriften, die
zur Instandhaltung und Ausbesserung des Kirchengebäudes mahnen. In einem Kapitulare (per se scribendum) Ludwigs d. Fr. von
Aachen (819)72) wird diese Pflicht für die Lehensträger der Kirche
wie auch des Königs ausgesprochen73). Sie dürfen dieser Anordnung
aber auch in der Weise nachkommen, daß sie die dazu notwendige
Sunime Geld an den Rektor7*) der Kirche leisten, der dann seinerseits die Arbeiten vornehmen läßt. In einem Kapitulare von
Aachen (825)75) hat Ludwig der Fromme erneut die Instandhaltung
der Kirchen durch Arbeitsleistung oder Entrichtung einer Ablösungssumme nach Ermessen des Bischofs angeordnet. Nach dem
Willen des Königs7e) sollen heilige, jetzt entweihte Orte wieder
in den früheren Zustand zurückversetzt werden. Vor allem aber
sollen, womit sich einige weitere Vorschriften77) befassen, verfallene*Kirchen wieder aufgebaut werden. Geschah der Verfall
aus Nachlässigkeit der für den Zustand der Kirche Verantwortlichen, ist es Pflicht der Bischöfe, diese zur Restaurierung zii
zwingen; im anderen Falle bleibt die Regelung dem Ermessen des
betreffenden Bischofs überlassen, wenn die zur Kirche gehörenden
72) C. 5 = Regino I 37. Vgl. B ö h m e r S. 281. W a s s e r s c h l e b e n gibt
als Jahreszahl 817 an.
73) Diese Vorschrift hängt mit dem Benefizialwesen zusammen, das von
der unter Karl Martell begonnenen Einziehung des kirchlichen Grundbesitzes her seinen Ausgang genommen hat. In der Folgezeit, vor allem unter
Karl d. Gr., wurde das Kirchengut nicht mehr zu Eigentum, sondern als
zinspflichtiges T,eihogut weitergegeben ( E b e r s S. 77). Vgl. auch die ziisammenfassenden Darstellungen bei F e i n e S. 184ff. und P l ö c h l I S. 390ff.
Die Pflicht der Lehensträger bestand aber nur subsidiär, wenn es an Kirchenvermögen fehlte. Wie E b e r s S. 139 ausführt, hatten nach der karolingischen
Cresetzgebilng tlie Träger der Kirchenbaulast bei u n z u r e i c h e n (1 e m ICirchenvermögen i n folgender Reihenfolge ihrer Verpflichtiing zu genügen:
1. Di<:1rili:itiei. von cnt,freiildetein Kirchengut, 2. die I3enefizi;ifeii nlit
iiberschüssigeri Pfriiiitleneirikünfteri iirid 3. die Pfarrangehörigen.
74) Er war der eigentlich verantwortliche Leiter der Kirche, l~iittoaber
oft (las Recht zu. dercn Weitergi~bo;vgl. Fcirio S. 186.
7 5 ) C. 24 -= Rcgiiio I 38. Vgl. B ö l i m e r S. 316.
7=) Rcgino 1 39. Nach W a s s e r s c l i l e b e n in tleri Cap. iiiiss. voll 817
eiitlialteii, nach Böli m e r S. 282 ist es 0. 10 der Iiistruktion fiir tlic KöIiiKsboten voii 819.
77) Rogino 1 40-42.
2
Zeitschrift tui- Rechtsgeschichte. LXXIX. Kan. Abt. XLVIII.
i$
19
Walter Helliriger,
Die Pfnrrvisitation nach Regino von Priim.
Xittel nicht t~usreiciien78).Fdr die Erneueruilgsarbeiten sind dir
Leibeigenen, auch wenn sie nicht im Dienste geistlicher Herren
stehen, auf mindestens 20 Tage im Jahr ohne Entlohnung zur
Verfugung zu stellen7g).
Der Abt von Prum denkt aber auch an die Beschaffung der notwendigen Mitttll und fuhrt unter der tfberschrift „Woraus die
Kirche arncuprt lind dem Bischof eine Abgabe (obsequiiim) dargeboten werde11 mur3.. zwei Quellenstellen an, die sich mit dieser
wichtigen Frage befassen. Zwar sind auch in den soeben besprochenen Kapiteln, durch die Regino in erster Linie auf die Kirchenbaulast als solche hinweisen willao),einschlägige Anordnungen enthalten. Regino nennt die wohl wichtigste und in erster Linie in
Betracht kommende Grundlage zur Bestreitung dieser Auslagen
in den Kapitclri 34 und 35, die der genannten tfberschrift folgen.
Wie in ßrir~fcndcr Papstc Sirnpliciusal) und Gclasius I.a2) zuin
Ailsdrucli gelangt, sollen die Einkunfte der Kirche und die Opfergiibrn dcr GI&ubigcri89zii jc clinem Viertel dcm Bischof, dem Klcriis
für den Lebensunterhalt, den Armen und Fremden als Unterstütziing und endlich - was hier von Bedeutung ist - den
~ir~henbedürfnissen(der sog. Kirchenfabrik) zufließen. Diese
Regelung, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem „allgenleinen liirchlichen Verwaltungsgrundsatz"s4) entwickelt hatte,
wurde in1 Zeitalter Reginos noch von der Mainzer Synode (852)
wiederholta6). G e l a s i ~ i s ~rnahnt
~)
aber auch, das den Kirchenerfordernissen zugeteilte Viertel in der richtigen Weise zu verwenden, und sagt wörtlich: „Daß aber das den kirchlichen Gebäuden Zugesprochene auch wirklich diesem Zweck zugeführt
worden, soll die ersichtliche Instandhaltung der heiligen Orte beweisen, weil es sündhaft wäre, wenn der Bischof unter Vernachlässigung der heiligen Gebäude die hierfür bestimmten Beträge
fiir seinen Vorteil benützen würde"87).
Was die Reinhaltung des Kircliengebäudes betrifft, heißt es in
der ersten Sendfrage, daß die Kirche vor allem nicht den Tauben
und anderen Vögelna8) eine Zuflucht bieten soll; denn der widerliche Lärm, den sie erzeugen und der die Andacht der Gläubigen
stört, sowie der Gestank, der vom Kot der Tiere herrührt, passen
nicht in das Gatteshaiis. Daß auch diese Vorschrift auf bitteren
Erfahrungen aus den damaligen Verhältnissen fußt, läßt sich
unschwer erraten. Dies wird auch aus einem Icapitulare deutlich, das Kar1 d. Gr. auf der Bachener Synode von 789 erlassen
hat89). Es wird darin unter anderm angeordnet, daß das Gottes-
~--
78) Regino 1 40 = C. 3 von Lothttrs Generalkapitulare der Synode von
Worms 820; vgl. B ö h m c r S. 339. Vgl. auch Regino I 42 = C. 6 eines
Kapitiilare Ludwigs d. Fr. von 826 (s. Böliiner S. 315f.), das allerdings,
soweit es hier in Betrt~chtkommt, nur eine allgemeine Ermahnung enthält,
die liirchenrest;ruration nicht z11 vernaclilissigen.
79) Regino 1 41
(ni~cliW a s s e r s c h l e b e n ) C. 62 (Mitte) eines KapituIitre Karls (1. li;~lileii,das er dem Reichstag von Epernay (846) zugestellt,
bist (s. dazu H e f e l e Bd. 4 S. 120). Vgl. auch F l a d e , Germanen S. 101.
80) Dies folgt :~iisden von Itegirio gegebenen Uberschriften, in denen
Lediglich zoiri hiisdriick gelangt, ctaU das jeweils folgende Kapitel die Kirchenoriieiioriirig betrifft.
C. 2 se.irie,s Briefes BI^ die Bischöfe Florentius, Equitiiis und Severus
(476) = Regirio I 36. u b a r den ArilaW zu diesem Brief vgl. Bibliothek der
Kirclienväter, lirsg. unter der Oberleitung von V. Tlialhof e r , Keinpten
1869ff., Bd. GO S. 102 und S t u t z , Benefizialwesen S. 27f.; ziirn Inhalt;
vgl. P i ß c h l I S. 244f.; zur deut~scli~n
Uhc~.setziirigvgl. R i b l . (1. Kil.clic~riviiter (Tliallioler) Btl. (iO 8.103.
82) C. 27 seines Briefes an alle Bischöfe in Liikanien, Briittiiim und Sizilien
(494) = Regino I 34. Zii111 Inhalt vgl. S t u t z , Benefizialwesen S. 28 und
P l ö c h l I 5. 130; ziir deutschen Ubersetzung vgl. Bibl. (1. Kirchenväter
(Tlialhofcr) Bd. 61 S. 16Gf.
Als Einkünfte Iraiilen i n erster Linie die Zelintleistiingen i n Betracht
(darüber ist iinten bei Besprechung der Sendfragen I6 urirl 69 die Rede).
Die Opfergaben (0bl:ttionen) bostanden bis etwa zum 12. Jh. i n Naturalien,
1-
vor allem Brot iind Wein. Von letzteren wurde i n den ältesten Zeiten ein
Teil zur Konsekration ausgewälilt und der Rest mit den anderen Gaben,
wie zum Beispiel Öl und Honig, dem Klerus und den Armen überl~ssen.
Seit dem 6. Jh. beschaffte sich der Priester die Konselrrationsmaterie selbst,
so daß den Gliiubigen nur noch die Gabendarbringung verblieb. Vgl. dazu
Jos e p h B r n u n , Liturgisches Handlexikon, 2. Aiifl., Regensbiirg 1924,
S.233 und P l ö e h l I S. 242.
P l ö c h l I S. 130.
") C. 3; von Regino nicht wiedergegeben. Uber~et~zurig
bei ß i n t e r i m ,
k ~ n z i l i e nBd. 2 S. 506f.
8 6 ) A. B. 0.
t>jb~rsctziin~
nach Bibl. (1. I<irclienviiter (Thalhofer) Bd. 61 S, 167.
") Die zii den Dach- oder Tiirniluken einfliegen können; vgl. F l a d e ,
Klerus S. 72.
") C. 70 = Regino I 36. Vgl. H e f e l e Bd. 3 S. 669; B i n t o r i m , Konzilien Bd. 2 S. 247 ; F l a d e , Kleriis S. 72.
Die Pfarrvisitatioil nach Regiiio von Priiin.
haus iiicht den Hunden zugänglich sein darf. Gegeii eine weiterc.
liiisitte in bezug auf das Kirchengebäiide kämpft Regino in Sendfrage 3: Der Sondhcrr hat darauf zu achten, daß kein Heu, Getreido
oder etwas anderes von solclier Art in der Kirche lagertg0).Ziiiii
Beleg verweist Rcgino auf ein Kapitulare Karls d. Gr.91), in welchem dies nnsdr~iclilichverl~otenwird. Er beruft sich aber i ~ u ~ l ]
auf Augustiniis") und Bcnedilrt von Niirsia93), die ganz allgerneiri
mahnen, das Gotteshaus nur zu seinein eigentlichen Zwecli, dri.
Gottesverel-irung, zu beniitzen94). Weiter gußert sich Regino nocli
in I b0g6) in gleicl-iem Sinne und rrinnert vor allem daran, da13 irii
(;ottesharis „der Lrib des Herrii konsckrirrt wird", daß „die
Gegenwart der Engel nicht bez\\leifelt wird'' und die R~liquien
der E-Ieiligeii dort verehrt werden. Er bringt außerdem mehrere
Vorschrifteilge), die sich gegen mißbrauchliche Benutzung dei.
Kirche durch den Pf~~rrei.
wenden, also nicht niir eine Wnchlassiglieit in der Sorge um das Kirchengebäiide im Auge haben. Es
empfielilt sich jedoch, aiif diese Dinge weiter untt.11 tlinzugchcn.
wo voin Lcbviisw~ridrldes Pfarrers die Rede istg7).
S~~uberlieit
hat abcr nicht nur iin Kirclieiigebaudc selbst zii
herrschen, auch der Vorliof (atriutn)g8) darf nicht dlirch rinc Ver-
Vgl. F l a d e , Klerus S. 73; ders., Germanen S. 14.
C. 5 eines Kapitiilarr (an die Prrsbyter) von Aachcn (809) = Rrgino I 53. Vgl. IIeErlc Bd. 3 S. 762 iind B i n t e r i m , Konzilirn Bd. 2
S. 330.
82) Alls der Augustiiierregcl (2. Sext) C. 3 = Regino I 54. Vgl. i\dol:ir
Z i i m k e l l c r , Das Monclitum des hl. Augiistiniis, Wurzburg 1960, S . 215f.
und 223.
8 3 ) Alls der Benediktirierregcl c. 52 = Regino 1 65. Vgl. 1 1 ~ ~ ~ 1 s - v
Uorns
B a l t h a s a r , Die großen Ordensregeln, Einsiedeln, Zürich iiritl lC6lii 1948,
S. 196f.
"1) 111 deli ;riigclfiiiii.tcvi Sti!!leli ist :iIleiciirigs die Jtrtle voni ,,Or;it.»ritiiii".
Wie aber B i ~ l t l i a s a r S. 167 Aiim. 2 ausführt, bedeutet dieser Begriff
zwar im streng:;teii Siiiric iiiir die Stätte, wo das Chorgebet gehalten wird,
dann aber iti~clii~llgcrnrin(1;~s Gottes1i:iiis.
96) Die Hcrlrurift dieser Stelle ist 1VTi;rssersc h l e b e n unbcltannt gehliebeii.
96) Rcgino 1 66-68.
97) Vgl. die: 13ohandl1iiig der So~idfuagen23-26.
98) Ihn fiiidct inan bei alten Basiliken. Er war voii Siiiilen uingcbcri irntl
dem 1,anghaus rorgeltagert. VgI. S h : ~ I l i o fe r - E i s e n hof e r 13-lrl. 1 S. 416.
00)
O1)
21
unreiiligung entweiht werden. lleshalb verlangt Regino in Sendfrage 16, daß er durch eine Umzäunung gesichert istg9).
Was das Kirchengebäude noch betrifftlOO),anerkennt Karl der
Kahle in cinein Kapitulare, das er auf der Synode von Soissons
($53) als Tiistriiktion für die Königsboten erließlO1), die Immunität
der Kirclien (wie auch die der Pfarrer)lo2). Die Kirchen miissci-i
sich aber auch iii der Hand des Bischofs befinden; der Neubaii ciiier
Kirche darf nur mit Erlatibnis des fur den betreffenden Sprengel
zustiindigen Bischofs geschehen. Dies bestimmen die 1. Synode
von Orleans (511)103)und auch Karl d. Gr.lo4);letzterer geht sogar
davon aus, da13 jemand auf eigenem Grund und Boden baut. Kaisrr
Og) Iliese Uinziiuiiiiiig - es handelte sich nm eine Mauer - war hinter den
Säl1leri a,ngobrctcht. Vgl. R i c h a r d H a i ) l a i i n , Geschiclite der Kunst, 2. Aiifl..
Berlin 1937, S. 84. F l a d e , Iileriis S. 72 spricht von dem „ma~icruinsclilossenen und vor Voriinreinigiing zu Iiiitenden ICirchhofl' und verweist dnbri
niif clie Sendfragcri 14 und 16. Bei dein Begriff ,,atrium ecclesiae" clenlit ei'
deirin:tch an tleii Friedhof. Diese ubersetzung ist allerdiiigs möglich; deiiii
schon irii 5. Jli. ----in Deutscliiand, wo man noch während der hferowinge~.zeii, die Toten aiißerhalb der Ortscliaft in Reihengräbcrn bestattete, allerdings erst seit Ronifatius - finden sich uin die Kirchen herum Begräbnisplätze (vgl. R i i c l i b e r g c r Bd. 4 Sp. 187 nnter ,,Kirchliof"). Denno<:!i
scheint mir, d a ß Regino hier mehr auf die ursprünglichc Bedeutung voti
atrium, iiäii~licliVorhalle, abstellt, ziinial zu seiner Zeit dieser Begräbliisort
bei der Iiirclie nocli ziemlich non mtr. Vom Friedhof ist in Scndfragu 14
die Rede, wo R,cgino den speziellen Ausdruck „coemiteriumU gebraucht.
loO)Die iiii folgenden zu besprechenden Kapitel stehen allerdings nicht,
mehr i n unniittelba,rem Ziisamnienhang mit den Sendfragen 1 iind 3. Es
empfiehlt sich aber, sie hier mitzuhehandeln, da auch sie sich mit dein Kirchengebäiidc befassen.
'01) C. 4 = Regiiio I 14. Zu dieser Synode vgl. I-Iefele Bd. 4 S. 180.
lo2) Die Immunität bedeutet ziinäclist, daß kein profaner Gehraiich iiiit
(ler Kirche geiiiacht werden darf: dann aber aiicli das Asylrecht und dir
Freiheit von öffentlichen Abgaben lind Lasten; vgl. H i n s c l i i ~ i sBd. 4
S. 167 mit Aiitn. 3 iiiid E b e r s S. 61 iuid 62.
lo3) C. 17
Regino 1 16. Regino (in der Überschrift) und 1Vassers c h l e b e n geben als Quelle C. 1 3 dieser Synode an. Bei H e f e l e Bd. 2 S. 664
P l ö c h l I S. 218 berichtet, daß a,ueh Jiistinian in Nov. 67,
ist es c. 17.
2 die Bauerlaubnis einer Kirche an die Ziistimmung des Bischofs gebunden
habe.
lo4) C. 3 seines Kapitulare drr auf seiner Villa SalzinFrankenabgehalteileri
Synode (804) = 1Zcgirio 1 27. Vgl. auch H e f e l c Rd. 3 S. 746 und B ö l i i i i ~ r
S. 179.
-
-
22
1)ie Pfairvi~it~ation
iiacli Hegiiio von Prüni.
Wnlter Hellinger.
Kar1 verlangt in seinem Kapitulare weiter, daß infolge der Neubauten die älteren Kirchen hinsichtlich ihrer Rechte und insbesondere des Zehnten nicht beeinträchtigt werden dürfenlos). In gleichem Sinne äußert er sich in einem Kapitulare von Aachen (809)106),
und auch die Reformsynoden von Arles und Mainz (beide 813)lo7)
sorgen entsprechend vor. Danach sollen, wie Ludwig d. Fr. in
einem an die Bischöfe gerichteten Kapitulare zu Aachen (817)lo8)
hervorhebt, in jungen Ansiedlungen neu errichtete Kirchen ihrcn
Zehnten nur aus diesen Villen beziehen.
In einigen Kapiteln befaßt sich Regino rnit der Frage der Verjäliruilglo9). Er geht von dem Fall aus, daß kirchliches Vermögen
und sogar Pfarrcicn und ganze Diözesen sich in fremdem Besitz,
vor allem in den1 des Nachbarbischofs, befinden. Wie die Synode
von Chalcedon (45i)ll0) ~ l n dPapst Gelasius I.lll) übereinstimmend
bekunden, soll der betreffend? Gegenstand in der Hand dessen
verbleiben, der ihn schon 30 Jahre widerspruchslos besitzt. Tritt
also in dieser I-Iinsicht ein Streit auf112).kommt eine nähere Uritsrsuchung der rechtlichen Verhältnisse durch die Vorgesetzten nur
dann in Betracht, wenn nicht der 30jälirige Besitz einer der Parteien feststeht. Gelasins beruft sich bei dieser Regelung auf römilos) Vgl. außer den unter Anni. 104nngefiihrten Stellen iiuch R i n t e r i i n ,
Konzilien Bd. 2 S. 322.
lo8) C. 3 = Regino I 32. Vgl. H e f e l e Rd. 3 S. 752 lind B i n t e r i m ,
Konzilien Bd. 2 S. 330. W a s s e r s c l i l e b e n gibt Ingelheim statt Aachen an.
lo7) Regino I 30 = G. 41 von Mairiz (vgl. I l e f e l e Bd. 3 S. 763 und B i n t e r i n i , Konzilien Bd. 2 S. 467) und c. 20 von Arles (vgl. I l e f e l e Bd. 3
S. 757).
los) C. 1 2 = Regino I 26. Vgl. H e f e l e Bd. 4 S. 27.
log) Auch dies wird zweckmäßig hier miterörtert, obwohl cs hier aiich
um andere Dinge als das Kirchengebiiiide geht.
11°) C. 17 = Regino I 16. Vgl. die Inhi~ltsaiigabciincl Erläiite~niig bei
H e f e l e Bd. 2 S. 521.
'"1 C. 2 sciiirs Bricfcs 11 an dic? Hiscliöfe Sizilirns von 411.1 lirgi~io1
18.Vgl. die Übcrsctziirig init airsführlicliuii hniiierkuiigen ili Bibl. d. i<irelienväter (Thalhofer) Bd. 61 S. 162.
'I2) Wie sich aus der Erläuterung von H ef eie a. a. 0. ergibt, bezogen sich
solche Strcitiglreiten hauptsächlich aiif Grenzgebiete zwischeii Diözesen. Die von Regiiio gewählte Uberschrift zu Ka,pitel 1 16 ,,De parochiis"
läßt den Schluß zii, daß er die Rechtssätze, die sich mit dem 3Ojährigen
Besitz befassen, iin Hinblick auf Streitigkeiten über die Zi~gehörigkeitzu
Diözesen angeführt h a t ; vgl. aiicli oben S. 13 Anm. 49.
-
23
Ki~iserll~).
In gleiche Richtung zielt Lothars Geiieralkapitulare der Synode von Worms (829)114), das den Zeugenbeweis b e ~
Prozessen ausschließt, die um Kirchengut geführt werden, das
schon 30 Jahre in kirchlichem Besitz steht. Dem Grundsatz der
Verjährung verleiht Regino auch in den Kapiteln 20 bis 22 Nachdruck. Ihr konkreter Inhalt bezieht sich allerdings nicht auf
kirchliche Angelegenheiten. Regino bringt sie in diesem Zusammenhang wohl nur deshalb, um den Verjährungsgrundsatz in seiner
allgemeinen Bedeutung zu unterstreichen. Wer sich fremdes Land
gewaltsam angeeignet hat, braucht es nach 30 Jahren dem Eigentümer nicht mehr zurückzugebcnll6). Dementsprechend darf nach
dieser Zeit auch keine Klage mehr angestrengt werden, weil jeder;mann eine Frist von 30 Jahren „zu Verlang wie zu Empfang des ihm
Geschuldeten genugen kann"l16). Ein in fremdem Besitz befindlicher Kolone117) kann nur innerhalb von 30 Jahren samt seinen
Kindern und dem Vrrmögen vom Herrn zuruckver1:ingt ~rrtl~rden;
falls er während dissrr Zrit verstorben ist, gilt dies trotzdcin noch
hinsichtlich dcr Kinder und des V e r m ~ g e n s ~Bei
~ ~ einer
).
Kolonin
l13) In Bibl. d. Kirchenväter (Thalhofer) a. a. 0 . Anrn. 3 wird auf ein
Gesetz Kaiser Theodosius' 11. vom 14. 11. 424 verwiesen, das Kaiser Valentinian 111. auch für das Abendland für verbindlich erklärt hat.
114) C. 8 = Regino I 19. Vgl. B ö h m e r S. 339.
116) Regino I 20 =- Lex Rurgiindioniim Tit,. 79 C . 2. 3. Vgl. Germanenrechte, Texte lind Ubersetzungen (Scliriften der Akademie fiir deutsches
Recht, Gruppe V, Rechtsgesrhiclitc), 12 Bde., Weimar 1934ff., Bd. 10
S. 107 (Gesetz V. 1.3. 515).
lle) Regino I 2 1 = Lex Bilrgiindionuiii Tit. 79 c. 6 . Vgl. (Tcrmanenrechte
a. a. 0.
117) Die Kolonen waren Schutzliörige, die von der Römerherrschaft her
sich i n Germanien befanden (vgl. Cl a i i d i u s P r h . v. S c h w e r i n , Grundzüge
der deutschen Rechtsge~chicht~e,4. Aufl., besorgt von H a n s T h i e m e ,
Berlin und München 1950, S. 47).
)8'" Rcgino I 2 2 = Lex flomana Visigothoriini, ctl. G u s t ü v i i s Fl.a,enei.
Lipsiae 1849, Interprctatio C. 1 Cod. Tlieod. De inquilinis et colonis (V 10).
Zu dieser Kodifikation vgl. Wolf g a n g K u n k c l , Römische Reclitsgescliiclite,
Heidelberg 1948, S. 108 und andere einschlägige Werke. Nach O t t o S e e c k .
Regesten der Kaiser und Papste fiir die Jahre 311-476 n. Chr., Stuttgnrt
1919, S. 342 handelt es sich tim ein Gesetz vom 26. 6. 419(ICaiscr Ilonoriiis
und Tlieodosiiis 11.). Vgl. M t t x C o n r a t (Cohn), Bieviariiini Aln~.icianiln-I,
Römisches Recht im Fränkischen Reich in svsteiria,tischer Da,ist~lliiiig,
TJeipzig 1903, S. 78.
24
Walter Hellinger,
beträgt die lqrist nur 20 Jahre. Hat sie während dieser Zeit aus der
Ehe mit einem fremden Koloilen Nachlroinmenschaft erhalten, folgt
diese rechtlich zu 2/, dem Kolonen und zu i/, ihr. Um aber eine
Trennung der Eheleute zii vermeiden, soll die Kolonin bei dein
Kolonen verbleiben, dessen Herr aber dem der Kolonin Ersatzleute für die Kolonin und den dritten Teil der Nachkommenschaft
besorgenlls). Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich
um Verjälir~~ngsvorschriften,
'die praktisch zu einer Ersitzurig
des strittigen Rechts führten120).
Die Glocken.
In Sendfrage 2 erhält der Bischof den Auftrag, bei der Visitation festzastellen, von welchem Metall die Glocken der Kirche
siridlZ1).In den Qiiellenstellen ist aber leider nichts uber diese Anordnung enthalten, so daß wir daraiis nicht die nähere Bedeutung
dieser Seiidfrage erfahren können. Wie den einschlägigen Aiisführungeil bei Tlialhof er-Eisenhof er1Z2) zu entnehmen ist,
liam den Glocken, deren Klang man als ,,eine Stimine des Herrn
und seiner I<irche"lZ3)betrachtete, schon verhältnismäßig frü1ilZ4)
eine erhebliche Bedeiitung iin kirchlichen Leben zu. Sie sollen nicht
A. a. 0. Vgl. iiii oiiizelnen C o n r a t S. 80 ii. 81.
lZ0) Die zitierten Recht~siiormen,vor allein das Gesetz Kaiser Theodosius'II.
von 424, das Gelasiiis I. bei seinem Hinweis auf frühere Rechtsvorschriften im Auge hatte, haben die sog. Klageverjährung, wiesie dem späteren
röm. Recht eigen ist, zum Gegenstand (iin Gegensatz zur Anspruchsverjihrung). Da aber die Verwirklichiing eines Rechts von der Klagemoglichkeit abhängt, Iromiiit der Verlust des Klagerechts im Ergebnis einem Verlust
des materiellen Rechts gleich, wie er im Sinne des deutschen Rechts durch
den Zeitabla,uf bewirkt wii.d.
121) Siehe auch F l a d e , I<leriis S. 72.
lZ2) Bd. 1 S. 472ff. - Ziir Bedeutung der Glocken vgl. aucli A n t o n
J o s e p h B i n t e r i i n , Die vorzüglichsten Denkwürdigkeiten der christkatholischen Kirche, 7 Rde., Mainz 1826ff., Bd. 4, 1 S. 288ff. und H e i n r i c h
O t t e , Glockenkunde, 2. Aufl., Leipzig 1884, S. 7ff. lind 68ff.
la3) S. 479 (vgl. auch S. 476).
la4) Nach P l ö c h l I S. 373 verbreitete sich seit dem 6. oder G. Th. von
Ita,lien her der Gebrauch der Glocken iiber das Abendland,
"O)
Ilie I'fa,rrvisiti~tioiinach Regino von Prüin.
25
iiui. die C;läubigen zuin Gottcsdierist zusainmenrufenfi5), sonder11
die Feierlichkeit liturgischer Handlungen erhöheil und zur
Erbauung der Gläubigen beitragen. Daß inan unter diesen Uinständen auf ein recht wohlklingendes Geläute l~edachtwar, bf.darf keiner näheren Ausfiihriingen. Der Klang einer Glocke liängt
aber wesentlich von demMetrtl1 ab, aus dem sie hergestellt ist. Zu
Lebzeiten Reginos lind schon in den vorangehenden Jahrhunderten
hatte man gegossene oder aus Metallblech gehämmerte und zusammengenietete Glocken. Auch wurden sie schon im Nittelalter
aus einer Legierung von Kupfer und Zinn l i e r g e ~ t e l l t ~ D~p~i ') ,
Visitator hatte also, wie man annehmen darf, wegen des schonen
Klanges, dem inan nach damaliger Auffassung sogar überiiatürliehe Wirksamkeit zuschrieblZ7),auf die Beschaffenheit der Glocken
zu achtenlZR).Es mag natürlich auch der allgemein in der Liturgie geltende Griindsrttz eine Rolle gespielt haben, daß nur das
Beste und Wertvollste dem Dienste Gottes gewidmet werden soll.
Der A l t a r , s e i n e A u s s t a t t u n g u n d d i e G e r ä t e
des G o t t e s d i e n s l e s .
I . Der Altn~.
Sobald der Bischof nach dem Kirchengebaude und den Glock~n
gesehen hat, soll er sich, wie es in Sendfrage 4 heißt, dem Altar
der Kirche ziiwenden und dessen UmkleiduilglZ9)auf ihr Alter und
126) Das war naturlich ihr ursprunglicher Zweck. Deshalb ist ihre hcrkommliche und in der Liturgie bis heute iibliche Bezeichnung, die auch
Regino gebraucht, ,,signaU = Zeichen fiir den Beginn des Gottesdienstes.
Später unterschied man „campanaea (große Glorkeii) und ,,nolae" (Hanciglocken). In1 einzelnen siehe T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 6. 472.
las) Dies ergibt sich aiis den Erlaiiterringen bei T h a l h o f e r - E i s e n l i o f ei
Bd. 1 S. 473. Siehe auch O t t e S. 70. Nach H a n s V. S c h i i b o r t , Geschichte
dei chrlstlirbtri Kirche ini I~rrilrmittelalter,Tiihiiigen 1921 C, 751 A n i n 1
waren die Glocken wahrscheinlich aus Eisen oder Erz.
la7) T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r a. a. 0.
lZ8) Diesen Schluß zu ziehen, fanden T h a l l i o I e r - E i s r i i l i o f e r allerdingq
keine Gelegenh~it.
I")
Dieser Ausdruck bezieht sich auf das Ausbreiten der Altartiicliei,
das als ,,Belileidon" des Altars bezeichnet wird ( T h a l hof e r - E i s e n h o f 81
Rd. 1 S. 437 Anni. 1). -- Zuin Altar und dessen Schmuck vgl. $$ 34 (S
424ff.) und 35 (S. 435ff.) clc4 gleichen Werkes.
26
Walter Hellinger,
besonders auf ihre Sauberkeit überprüfen. Schon zu Lcbzeiteii
Reginos wurden auf den Altären Leinentücher130) ausgelegt, die
rechts und links herunterhingen und so auch die Seitenflächen
bedeckten. Zur Umkleidung des Altars gehorten auch sogenannte
Antependien oder Pallae131), welche die Vorderseite schmückten.
Daß alle diese Tucher sauber sein müssen, ist in Anbetracht des
erhabenen Geschehens, das sich bei der Messe auf dem Altarc
vollzieht, eine Selbstverständlichkeit132). Wie Regino in I 60133)
zum Ausdruck bringt, ist aus den gleichen Gründen134) zu verlangen, daß dazu reinstes Liiirien verwendet werde136). Den Frauen
der einzelnen Gemeinden wurde die Aufgabe zugedacht, es auf
Geheiß des Pfarrers herzu~tellcnl3~).
l30) ES wurden gewöhnlich mehrere (bis zu 4) aufeinandergelegt, darnit bei Verschütten des heiligen Blutes nichts auf den Altartiseh durchsickerte.
lal) Antependium von „ante altare depeiidi oportet". In der Regel
handelte es sich ebenfalls um Tiicher; sie wirrden „pallae" genannt (solche
hat auch Regino in Kapitel I 60 in1 Auge). Die Antependien waren bisweilen
auch aus Metall vgl. T l i a l l i o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 436ff.
' 3 7 Vgl. F l a d e , Klerus S. 73. In Wirklichkeit sah es zur damaligen Zeit,
in dieser Hinsieht nicht immer gut aus; vgl. F l a d e , Germanen S. 14.
la3) Nach Reginos Angabe ist das Kapitel der Synode von Reims entnommen. Wie W a s s e r s c h l e b e n bemerkt, h a t er die Stelle unter deii
Beschlüssen dieser Synode -- sio fand im Jalire 630 statt - nicht gcfundeii.
134) ES wird ditraiif hingewiesen, ciaß der Altar die Stätte des Blellopfrrs
ist, aber auch, daß dort die Reliqiiicri von Heiligen verwahrt werden. Gerade
die letztgenannte Tatsache wnrde damals den Gläubigen besonders vor
Augen gestellt, ziimal in den ä,Itestcn Zeiten die Kirchen gewöhnlich über
Märtyrergräbern erbaut waren ( T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 426).
las) Solches war „nicht bloß ein Abbild der Grabtücher Jesu, sonder11
auch Sinnbild der durch Leiden erlangten Glorie dcs in1 Opfer fortlebenden
r durr,h Opfrr lind Entsagiingen erhistorisclien Chi'istiis sowohl als d ~ nur
reichbaren IIeiligBcit der Glieder scinrs mystischen Leibes, der Gläirbigcri"
( T l i a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 441).
In e. 7 seines Kapitulare an die Presbyter (Aaelien 809) = Regino I
61 weist Karl (1. Gr. die Pfarrer an, dies den Frauen zu predigen. Vgl.
H e f e l e Bti. 3 S . 752; B i n t c r i m , IConzilirn Bd. 2 S..330; Flacle, Germanen S. 15 11. 36 ( F l a d e hebt unter Hinweis auf Regino I 200 U. 201
liorvor, daß die Frau, die nach damaliger Anschauung hiritc!r dem Mann :in
Wert ziirückstand, sich zwar d i e s e r Tä.tigkeit unterziehen soll, aber kciiirn
Zutritt zum Alti~rehat).
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüin.
27
Was den Altar selbst betrifft, wird in Reginos schon oben besprochenen.iKapitel 136137)ganzallgemein zum Ausdruck gebracht,
daß die Altäre (wie das Kirchengebäude) entsprechendihrer Würde
verehrt werden sollen. Ein gleichfalls schon in anderem Zusammenhang hervorgehobenes Kapitel13s) bestimmt in seiner zweiten
Hälfte in aller Kürze, daß überflüssige Altäre aus der Kirche entfernt werden müssen. Eine recht eigenartige Anordnung, möchte
man sagen! Kann ein Zuviel an Altären von Schaden sein? Aufklärung erhalten wir bei Binterim139) und Thalhof e r - Z i s e n hof er140). Im christlichen Altertum herrschte der Grundsatz, nur
einen Altar in der Kirche zu errichten141). Später aber, als die
Priester mehrmals am Tage die Messe feierten, zahlreiche Bencfizien gestiftet wurden sowie die Verehrung der Heiligen und ihrer
Reliquien zunahm und man Altäre auf ihren Namen weihen
wollte142),kam man mit jeweils einem Altare in der Kirche nicht
mehr aus und half sich durch Neuerrichtung von Altären, obwohl
es althergebrachtem Griindsatz widersprach. Gegen ein obermaß
in dieser Hinsicht wandte sieh dann die kirchliche Gesetzgebung.
Auch Karl d. Gr. fühlte sich hierzu veranlafit, wie uns das zuletzt
genannte Kapitel Reginos zeigt, welches die hier in Frage koinmende Anordnung des Kaisers enthält.
2. Die Reliquien und ilwe Verwahrung.
In Sendfrage 5 läßt Regino den Visitator dnrauf achten, mit
welchem Metall die „capsaeL' und die „cruces" bedeclrt sind. Der
157) C. 70 des Kirehenkapituiare Karls d. Gr. von Aachen (789); vgl. o. S. 19.
198) C. 8 des Kapitulare Karls d. Gr. von Diedenhofen (805) = Regino I
31. Vgl. H e f e l e Hd. 3 S. 747 (er bringt die Stelle als Ka,pitel 6 der 1. Serie);
B i n t e r i m , Konzilien Bd. 2 S. 465; B ö h m e r S. 186; T h a l h o f e r - E i s c n h o f e r B d . 1 8.430; s . o . S . 1 6 mitAnm.63.
13@)Deiikwürdigkeiten Bd. 4, 1 S. 94ff.
lM) Rcl. 1 S. 430.
lfl) ,,Einen anderen Altar errichten" hieß soviel wie „sich vom Bischof
trennen" ( B i n t e r i n i , Denkwürdigkeiten Bd. 4, 1 S. 96).
I4a) Nan denkt hier unwillkürlich an die Altar- und Meßpfründen, die mit
Ende des 13. Jh.s in Deutschland aufkamen: Vornehme Familien, Zünfte
und Genossenschaften wollten f ü r die Seelenmessen ihrer Mitglieder sowie
für bestimmte Foiern in den Bßsitz eines eigenen Altares gelangen und errichteten deshalb eine entsprechende Stiftung. Vgl. E b e r s S. 139 lind
F e i n e S. 373f. (s. a,iich H i n s c h i u s Bd. 4 S. 400).
30
Walter Hellinger,
schlossen erscheint es nacli dem Wortlautl6Q)der Vorschrift, daß
die Reliquienkapseln auf dem Altar sogar befestigt werden sollten.
Zwar müssen, wie T h a l h o f er-Eisenhof erlao) hervorheben, die
Reliquien bei Aussetzung des Allerheiligsten vom Altar weggenommen werden. Eine Aussetzung hat es aber zur Zeit Reginos
wohl nicht gegebenlG1), so daß keine Notwendigkeit zum Wegnehmen der Reliquien bestand. Es ist aber in den einschlägigen
WerkenlG2)davon die Rede, daß die Reliquienkapseln oft init
einem Versohluß ausgestattet und auf dem Altare aufgestellt, aber
nicht, daß sie dort befestigt waren. Eine Auslegung im letztgenannten Sinne dürfte demnach nicht in Betracht kommen.
T)ie Pfnrrvisitation nach Regino von Priiin.
33
Erbrechen bewirkt. Desgleichen ist Holz verbotenl66); wahrscheiiilieh nicht nur wegen seines geringen Wertes, auch die Saiiberhaltung ist hier erschwert. Auf Sauberkeit legt Regino in Sendfrage G großten WertlGG).Schließlich soll sich der Visitator noch
darum bekummern, wo Kelch und Patene verwahrt werden.
Welches der hierzu bestimmte Ort ist, läßt Regino offen. I n dem
schon mehrfach genannten Kapitel I 6 0 ist nur von einem sauberen
und verschließbaren Ort die Rede. Man wird entsprechend der bereits damals hrrrschenden Ubung an einen Nebenraum der Kirche
denken durfen, in welchem die Kirchengerätschaften aufbewahrt
werden167).
4. Das Korporale und seine Reinigung.
3. Kelch und Patene.
Besondere Aufmerksamkeit wendet Regino auch Kelch und
Patene zu, die ja beim Meßopfer mit dem Leib und Blute Christi
in engste Berührung kominenlG3). Daß sie, wie es in Sendfrage 6
heißt, von edlem Metall sein müssen, folgt nicht nur aus ihrer
erhabenen Zweckbestimmung; es sind vielmehr noch Gründe der
Hygiene maßgebend. Wie in Kapitel I 681G4)gefordert, müssen
sie aus Gold oder wenigstens aus Silber hergestellt sein. Zur Beschaffung der notwendigen Mittel soll der Pfarrer aus den Kircheneinkünften beisteuern und das Volk Opfergaben darbringen. Im
Falle der Armut darf auch Zinn verwendet werden. Erz oder
Messing sind unzulässig, da der Wein Grünspan zieht und dann
log) Munire kann namlich „sichern, ausstatten'' oder auch ,,befestigenLg
heißen (s. SI e u m e r unter ,,rnunio").
le0) A. a. 0.
lal) Vgl. T h a l l i o f r r - E i s e n l i o f e r Bd. 1 S. 490.
162) Vg1. a ~ i ß e rden bererts genalintcn auch Blich b e r g e r Bd. 8 Sp. 810f
(unter „Reliquien").
'") Auf ilei P,it eiic,, cbineir1tcllrraitigcn GeCdß, liegt V ahr end tit I Mrssi,
bei dei Oblatio~iund voin Agrius Der bis zu1 I<omrriuiiion die lIostie, wzlircnd
der Kelch, ein Tiinkgefaß init Schaft und Fuß, den Wein enthalt. Ini einzelnen siehe B u c h b e r g e r Bd. 7 Sp. 1027f. (untei „Patene") und Bd. 5
Sp. 918ff. (unter ,,T<elch").
le4) Regino schreibt die Stelle der Reimwr Synode zu. W a s s e r s c h l e b e n
hat einen derartigen Synodalbeschluß von Reiins nicht gefunden. Zum
Inhalt siehe Flndt., I<lerus S. 74 lind T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1
S. 481. Von Kelch uni1 Patene ist auf S. 480ff. die Rede.
Gleich Kelch und Patene hat noch das Korporale eine wiclitige
Funktion. Es handelt sich um ein Lcinentuch, das bei der Feier
der Messe zur Opferung auf dem Altar ausgebreitet lind nacli der
Kon~munionwicder entfernt wirdlG8).Auf jhm ruht in und außerhalb der Messe-soweit diese Aufgabe iiicht der Patene zukommt die in dcn Leib des Herrn verwandelte Hostie169). In Sendfrage 7
Iäßt Regino den Bischof prüfen, ob es aus reinstem und sauberstem
Linnen gefertigt ist und wo es aufbewahrt wird. In Kapitel 1
6g170) wird dazu ausgeführt, daß ein anderer, wrnn ;tucli kost165) Das gleiche gilt, wie T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r und F l a d e a. a. 0.
angeben, nach iinscrern Kapitel auch für Glas. Im Text von W a s s e r s c h l e b e n Itomnit dies nicht zum Ausclrnck. E r hat aber in Textanmerlrilng
Nr. 194 auf eine tliesbezügliche Abweichung verwiesen.
lG6) Vgl. :~izchF l a d e , Kleriis S. 73f.
167) Vgl. S c h in i d S. 104. Sie hießen ursprünglicli Pastophorien, dann
auch Sektretarien und Sakrarien (woraus sich der Begriff ,,Sakristeiu
entwickelt hat). Auch die Eiicharistie wurde im Mittelalter vielfach nicht
:rnf derii Altii~e,sondcrn in cincn3 Ncbenraiirir vermalirt.
le8) Niiliercs s i c h bci T h a l l i o f e r - E i s e i l h o f c r Bti. 1 S. 436 uiitl 438ff.,
S c h m i t l S. 1.20ff. lind B u c h b e r g c r Bd. G Sp. 214f. (unter ,,Korporale").
leg) Früher wurde das damals zieirilich große Korporale ailch liber den
I<elcli g~schliigeii.Heute ist es wesentlich ltli?incr, wesh:ilb nian für der1
ICelch ein besonderes, ziisiimme~igcfaltetesKorporale, ctie sogeiianritr Polla,
benutzt. Vgl. die unter Anrn. 168 zitierte Literatiir.
170) Nach Regino entstammt es der Reinlser Synode: Wa,ssersclileberi
bezeichnet die Herkunft der Stelle a l ~
unbestimmt.
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
barerer Stoff, wie z. B. Seide, hierfür nicht in Frage kommt. ~ o c h
mehr als die Altartucher ist gerade das Korporde ein Abbild der
Grabtuclier Jesu, die auch aus Leinenl7l) waren172).
Aucli hinsichtlich des Ver~rahrungsortsgibt unser Kapitel nähere
Weisung. Das Korporale darf niemals auf dem Altare zuruckbleiben, sondern muß im Sakrczm~ntenbuchl7~)
oder mit Kelch
und Patene zils;bmmeii an einem sauberen Ort174)verwahrt werden.
Uaß es selbst auch immer sauber ist, liegt Rcgino ebenfalls am
Herzenl76). Gcwasclicn werden darf es, wie das genannte I<apitel
bestimmt, nur vom Priester, Diakon oder Subdiakon170) innerhalb der KircEic, wobei ein eigens dazu bestimmtrs GefäB zu be);
das I<orporale ist mit dem Leib und Blut
nutzen i ~ t l 7 ~ denn
des Herrn in Berührung gekommen. Ob die dazu notwendige
Einrichtung vorhanden ist, hat der Bischof bei seiner Visitation
ebenfalls zu erlriind~nl7~).
In eiiirm besonderen
oder
nebem dein Altan muß ein Gefaß zur Vcrfugung stehen,in welchem
der Priester nach drr I<ommunionausteiluiig die Hande waschen
kann und das den dazu Berechtigten zum erstmaligen Waschen
des Korporale dient. Gleichfalls inuß dort eine Moglichkeit bestehen, das dabei verwendete Wasser auszugießen. F l a d e spricht
von einem „regelrechten Abfluß fur wegzugießrndes Wasser
171) In iinsereiii Icapitel wird hierfur im Anschluß an Matth. 27, 59 dic
Bezeichnung ,,Sindon" gebraucht (vgl. auch T h a l hof e r - E i s e n h o f e r Ru. 1
S. 438).
172) Davon w i ~ rschon oben bei Sendfrage 4 die Rede; s. S. 26.
173) ES enthalt die Gebete fur den Vollzug des hkßopfers ( T h a l h o f e r E i s e n h o f c r Bd. 1 S. 63). Nalirrcs siehe unten bei Besprechung der Seridfrage 10.
174) Welcher Ort hierfur i n Frage kommt, wurde schon obeniln Zusammcnhang init Sentlfragc 6 erortert; s. S.31.
"7)
V g l niirli F l d d e , Germanen S. 14 u n d Mlriiis C. 73.
17G)Siehe ~ ~ u cTl li i a 1 i i o f e 1 - E i s e r i l i o f o r Bd. 1 S. 440 und 483.
177) Dies knn~rntnoch i n den Kapiteln I 8 0 und 274 zum Ausdruck. Beide
Stellen finden \ich in Ilinliinars ,,Capitula" unter C. 3.
178) S ~ i ~ d f i i l g8e (es empfiehlt sich, diese Sendfrage i i r i Zusammenhang iriit ticm Korporale zu behandeln). Vgl. hierzu auch F l a d e , Klerus
s. 73.
170) F l a d c ;L. a. 0 . spricht von dei Sakristei (vgl. dazu die obigen Ausfulii iiiiqen a i i Seiidfra{;e G ; s. o. zu Aniri. 167).
33
(piscina)"lso). Im gleichen Sinne berichten Thalhof e r - E i s e n hof erlsl) unter Hinweis auf liturgische Schriften aus dem Mittelalter, daß das Wasser nach dem Waschen in „das mit dem Baptisterium verbundene Sakrarium"ls2) gegossen wurde.
5. Die Pyxis.
Zur Aufgabe des Priesters gehört es seit den ältesten Zeiten,
den Kranken und Sterbenden die Eucharistie zu bringen. Dazu
bedarf es eines besonderen Gefäßes, das zur Zeit Reginos den
Namen „Pyxis" trugls3). Von ihr ist in Sendfrage 9 die Rede.
Der Bischof hat nachzuforschen, ob sich auf dem Altare stets die
Pyxis mit der heiligen Hostie zur Wegzelirung für die Kranken
befindetlB4). Der gleiche Gedanke gelangt in Regino I 70 und
lso) A. a. 0. - An anderer Stelle (Erziehungsbemühen S. 238) vertritt
er die Auffassung, daß Regino mit seiner Sorge um das Weggießen des
Wassers vielleicht auch einem abergläubischen Mißbrauch desselben vorbeugen wollte. Unsere Sendfrage liefert für diese Vermutung keinen Anhaltspunkt, zumal sie nicht an der Stelle aufgeführt bzw. wiederholt wird, wo
Regino sich mit dem Aberglauben auseinandersetzt. Sie erscheint vielmehr
nur i n der Reihe der Sendfragen, die einen geordneten Vollzug der gottesdienstlichen Handlungen garantieren wollen.
lsl) Bd. 1 S. 440.
182) ,,Baptisterium" bedeutet das Taufbecken. Dessen Wasser schüttete
man nach Gebrauch i n das Sakrariiim (auch Piszina genannt), das sieh als
ausgehöhlte, oben schüsselförmig ausmündende Steinsäule darstellt und
einen Abfliiß in die unterirdische Sakrariumsgrube hat (vgl. T h a l h o f e r E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 465f.). S l c u m e r versteht unter ,,sacrarium" ganz
einfach die hinter den1 Altare lind i n der Taufkapelle befindliche Senkgrube
selbst.
lß3) Vg1. Sch111i(1 S.113. -- Der Ausdruck ,,Pyxisu kommt aus dem
Griechischen und bedeutete ursprünglich ein rundliches GefLW aus Buclisbaumholz. Zum gottcsdienstlichen Gebrauch stellte man es auch aus Elfenbein oder Metall her. Vgl. dazu im einzelnen T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1
S. 487f. und auch P I ö c h l I S. 197.
la4) Diese Sendfrage ist bei S c h m i d a. a. 0. und T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 453 wiednrgegeben. Siehe auch F l a d e , Klerus S. 74. Die Pyxis stand, wie P l o c h l a. a. 0. ausführt, allerdings nicht auf dem
Haupta,ltar.
:J
Zeitsclir.iSt f ü r Rechtsgescliich!e.
LXXTX. Kan. Abi. X1,VTII.
34
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
Walter Hellinger,
711s5) zum Ausdruck, wo wir lesen, daß jeder Priester in der Pyxis
immer eine konsekrierte Hostie bereit haben soll, damit kein
Kranker oder ein schwaches Kind sterbe, ohne zuvor die Eucharistie
empfangen zu haben. Auch soll die Hostie in das Blut Christi
eingetaucht sein, damit der Priester wirklich dem Kranken sagen
kann: ,,Der Leib und das Blut des Herrn bringe dir Hilfe"lß6).
Das Gefäß (die Pyxis) hat zum Schutz gegen Mäuse und auch
ruchlose Mensclien, die sich an der Eucharistie vergreifen könnten,
verschlossen auf dem Altar zu liegen. Alle drei Tage muß der Presbyter eine frische Hostie in die Pyxis einlegenls?) und die bisher
für die Kranken bereitgehaltene selbst empfangen; denn sie
könnte durch zu langes Aufbewahren schimmelig werden.
6. Die liturgischen Bücher.
Zur Gestaltung der Gottesdienste sind Bücher mit den dabei
gebräuchlichen Texten unerläßlich. Deshalb muß sich der Bischof,
so entnehmen wir Sendfrage 10, auch vergewissern, ob ein volllU6)Regino I 70 = C. 1 6 eines Kapitulare Karls d. Gr. an die Presbyter
(Aachen 800); I V a s s e r s c h l e b e n gibt Ingelheim an. Vgl. Iief ele Bd. 3
S. 762f. und B i n t e r i m , Konzilicn Bd. 2 S. 330. -- Regino I 7 1 stammt nach
Roginos Uberschrift aus eincr Synode von Tours (so auch S c h i n i d a. a. O.,
der dieses Kapitel Itcginos anführt). Nach W a s s e r s c h l e b e n ist die EIcrkunft ungewiß. - S c h m i d weist auch darauf hin, da5 hier nur ein diesem
so erhabenen Saltrament würdiges Gefäß, also nicht aiisschließlich die
Pyxis, anbefohlen wird, und folgert hieraus, daß zu Lebzeiten Rcginos -er bezeichnet das Jahr 899 - „in Betreff dieses Gefäßes noch keine so
genauen Bestimmungeii gegeben waren". Dieser Schluß ist jedoch nicht*
zwingend. Wie wir bereits festgestellt haben, will ltegino offensichtlich
die von ihm wiedergegebenen Rechtssätze aus früherer Zeit - zu diesen
gchört möglicherweise auch Kapitel I 71 - nur ihren Grundgcdankeii nach
angewendet wissen, wenn sie dem zu seiner Zeit geltenden Recht nicht inehr
voll entsprc?clien. 13s ist also nicht ausgcschlnssen, da6 schoir i ~ n9. 311. niir
die Pyxis als Gr:fiiß zur Aufbewahrurig der Iirankenkominiiriio~ianerltaiiill
war. Dafür spricht aiich, daß Regino in der Sendfragc I) einzig lind nlleiii
von ihr spricht und ihr kein anderes Gefäß gleiclistellt.
Iu0) Dies lind das Folgcnctc ist nur i n Regino I 71 enthalten. -- Ilirs
Eintaiiclieri der Hostie, die sog. instinctio, t r a t an dic Stelle des Lnienltelclics,
der sclion ziir Zeit Reginos nicht inehr ollgemein gereicht wiirdr: (vgl. clazii
P l ö c l i l I S. 366).
Is7)
Sieh(?:t,iich P l ß c h l I 8. 356.
35
Meßbuch, ein Lektionarium und ein Antiphonarium
vorhanden sind; ,,denn ohne diese kann die Messe nicht vollständig gefeiert werden", wie Regino ausdrücklich hervorhebtlß8).
Das erstgenannte Buch, das Missale plenarium, enthält sämtliche
zur Meßfeier gehörigen Gebete und Lesungen. Zu Lebzeiten Reginos war sein Gebrauch noch ziemlich neu. Es ist eine Zusammenfassung aus den verschiedenen, zuvor allgemein benutzten liturgischen Büchern, in denen die Texte jeweils für einen bestimmten
Teil der Messe gcsa,mmelt waren. Zu diesen gehören noch Leliti~na~r
und Antiphonar. Tm ersteren finden wir die Evangelienund Episteln
aufgezeichnet, im letzteren die liturgischen Gesänge der Meßfeierls9).
Daß Regino sie in einem Zuge mit dem Missale nennt, läßt den
Schluß zu, daß sie damals noch nicht durch das letztgenannte
verdrängt warenlgO).Von den Quellenstellen in Reginos Werk
befaßt sich nur das schon mehrfach genannte Kapitel I 60 mit
liturgischen Büchern. Dort heißt es, daß die vier Evangelien ihren
Platz auf dem Altar haben, während das Sakramentenbiich nach
Schluß der Meßfeier an einem sauberen Ort verwahrt werden soll.
Unter den „vier Evangelien" ist natürlich das Evangelienbuch,
das sogenannte Evangeliar, zu verstchenlgl), dessen Inhalt vielfach
nicht in das Lektionar mit aufgenommen warlß2).Dem Sakramentenbuchlg3), das hier auch genannt wird, entnahm der Bischof
Wortlich aus der angegebenen Sendfrage.
lag) ZU den genannten liturgischen Büchern vgl. irn einzelnen T h a l h o f e r E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 71-73 und aiißcrdem B u c h b e r g e r Bd. 7 Sp. 214ff.
(unter „Missalea), Bd. 6 Sp. 478f. (unter ,,LektionarU) und Bd. 2 Sp. 886ff.
(unter „Choralbuch"). Siche in diesem Zusammenhang auch F l a d e , Klerus
s. 74.
lS0) Aiiffz~llend ist allerdings, daß Regino verlangt, daß diese Bücher
n e b e n dein hlissale vorhanden sind; denn die Texte des Lektionars und
Antiphonars sind ja auch im Missale enthalten. Dies durfte wohl damit ZII
crklaren srin, d a 8 schon damals zur Gestaltung feieilicher hirssen grsondeete
Aufzeichnungen cler betreffenden Texte benötigt wurden, wir das auch
heute der Fall ist.
lQ1) Vgl. S c li iiii d S. 98 Anm. 1.
lQz)In solchem Falle hieß r s auch „Epistolar" (siehe dazii T h a l h o f e r E i s c n h o f e r Bd. 1 S. 71).
IQ3)Liher Sacramentoruin (wie hier) oder Sacrainentarium genannt.
Vgl. T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 63 und S l e i i m c r unter „sacramentarium".
Ia8)
36
Walter Hellinger,
oder Priester die Gebete für die Meßfeierlg*) wie auch für die
Spendung der Sakramente und Sakramentalien.
In Sendfrage 11 wird dem Visitator der Auftrag erteilt, auch
nach anderen Büchern zu sehen und festzustellen, ob sie zur Verlesung gekommen sind. Da den Quellenstellen nichts zu entnehmen
ist, bleiben wir im ungewissen, welche Bücher Regino hier im
Auge hat. Man wird aber aus dem Zusammenhang dieser Sendfrage mit der vorangehenden schließen dürfen, daß es sich ebenfalls um liturgische Bücher handelt. Es kommen daher wohl jene
Schriften hier in Betracht, die zum Stundengebet verwendet
wurdenlg6). Dazu gehören vor allem PsalteriumlQ6), Heiligc:
Schrift, Passionarlg7),Homiliarlgs) und HymnarlS9).
7. Die liturgischen Gewänder.
Schließlich hat der Sendherr aber auch, wie in Sendfrage 12
geboten ist, die Zahl und Beschaffenheit der Gewänder, die der
Pfarrer bei den gottesdienstlichen Handlungen tragen soll, zu
überprüfen, wobei es natürlich auch hier - wie bei den andern
schon bisher genannten Sachen - auf deren Sauberkeit und
entsprechende Verwahrung vornehmlich ankommtzo0). Dementsprechend äußert sich das schon bekannte Kapitel I 60, das die
priesterlichen Gewänder unter den Gegenständen aufzählt, die
lg4) Für die Messe benötigte man es vor der Einführung des Missale
ergänzend zum Lektionar und Antiphonar, da diese Bücher -- wie bereits
tlargelegt - nur einen Teil der XeRti:xte enthielten.
196) Zur Zeit Reginos waren es noch verschiedene Biicher für die einzelnen
Teile tles sog. Offiziums (eiitsprechenti wie bei den Neßtexten). Erst seit
dern 11. ,Th. bereinigte man sie; vorn 13. Jh. an kam das Breviarium, in
welchem alle Gebete zu e i n e m Buch zusammengefaßt wurden, iri Gebrauch.
Vgl. T h a l hof e r - E i s e n hof er Ud. I S. 75 (auch fiir die nachfolgend ge~iarirrtenliturgischen Rüclier).
lg6) Mit dem auf die Woche verteilten Psalter und den biblischen Ca,iitica = psnlmenartigen Lobgesängen.
lg7) Das eine Darstellung des Lebens der Heiligen gibt.
Ig8) Eil1 Predigtbuch. Uber diesen Begriff wird noch bei Besprechung
der Sendfrage 95 die Rede sein.
lS9) Es enthalt Lobeslioder auf Gott und die Heiligen. Diese Hymnen sind
seit dem 4. Jli. aufgekoinmen.
Siehe dazu Fl:t d e , I<lerus S. 74 und Germanen S. 14.
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüni.
37
nach der Messe sauber zu verwahren sind, dann aber auch recht
eingehend Kapitel I 8I2O1), das allerdings seiner uberschrift na,ch
in erster Linie dem Priester einschärfen will, die Messe nicht ohne
liturgische Kleidung zu feiernZ02).Hier erfahren wir auch, um welche
Einzelstücke es sich dabei handelt: Amikt203),AlbeZo4),Sto1a206),
FanoZ06) und Kase1207).Diese Kleidung darf der Priester aber nicht
außerhalb der Kirche tragen208). Zu dieser Anordnung bestand
201) Regino schreibt diese Stelle einer Reiinser Synode zu; W a s s e r s c h l e b e n hat sie jedoch nirgends gefunden.
202) Desha,lb bedarf dieses Kapitel i n anderem Zusammenhang (bei Scndfrage 68) nochmals der Erwähnung; s. U. S. 57.
203) Ein Hals- und Schultertuch, das als erstes beim Bekleiden mit den
liturgischen Gewändern angelegt wird. E s entstammt der antiken Kleidung
(überhaupt ist ja die liturgische Kleidung aus der profanen hervorgegangen).
Der Amikt kam mit der Einführung der römischen Liturgie während der
Karolingerzeit nach Gallien. Vgl. i m einzelnen T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r
Bd. 1 S. 508f. und B u c h b e r g e r Bd. 1 Sp. 363 (unter „Amikt").
204) Ein hemdartiges, bis zum Knöchel reichendes G e ~ a n daus Leinen.
Es ist aus dcr antiken Tunika hervorgegangen. Die Albe symbolisiert die
Reinheit der Seele. Siehe dazu T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 512ff.
und B u c h b e r g e r Bd. 1 Sp. 196f. (unter „Albau).
206) Ein mehrere Zentimeter breiter Stoffstreifen, der vom Priester
um den Nacken gelegt und über der Brust gekreuzt getragen wird. Der
Ursprung der Stola ist umstritten. Sie ist Sinnbild des Gewandes der heiligmachenden Gnade und des Joches des Herrn. Sie wird getragen bei Ausübung des Ordo. Einzelheiten bei T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 554ff.
und B u c h b e r g e r Bd. 9 Sp. 838 (unter ,,StolacL).
206) Dieser Begriff war i m Mittelalter von ganz verschiedener Bedeutung
(vgl. B u c h b e r g e r Bd. 3 Sp. 954 unter ,,Fano"). Hier ist dem Zusammenhang nach der Manipel gemeint: Ein streifenförmiges, a m linken Vorderarm
zu tragendes Ornatstück der Meßkleidung. Zur Zeit Reginos handelte es sich
vielfach noch um ein einfaches Tuch. Der ManipeI hat sich nämlich aus
einem in römischer Zeit verwendeten Schweißtuch entwickelt. Desha,lb
versinnbildlicht er auch die Mühen des irdischen Lebens und die Verdienste,
die rnnn durch gcdiildiges Ausharren für das Jenseits erwirbt. Eii~zelhcitcii
jielie bei T l i a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 550ff. und B u c l i b e r g e r Bd. (i
Sp. 852I. (unter „Manipel").
207) Das eigentliche Meßgewand, das zur Zeit Reginos noch der Paenula,
einem in der Antike getragenen weiten Mantel, ähnlich sah, der ringsum
geschlossen war und über den Kopf angezogen wurde. VgI. T I i a l h o f e r E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 521ff. und R u e h b e r g e r Bd. 5 Sp. 860ff. (unter
,,Kaseli').
208) Denn sie war nur für die Meßfeier bestinimt.
39
Walter Hellinger,
Die Pfarrvisitation nach Rsgino von Prüin.
wohl genügend ArilaG. Zum Beispiel das letztgenannte liturgische
Kleidungsstück, die Kasel, fand sich bis ins 8. und 9. Jh. als
außerkirchliche Tracht der Kleriker und Mönche209). Allmählich
niußte inan es jedoch als Mißstand empfinden, daß der Priester
den heiligen Dienst am Altare in derselben Kleidung versah, die
er im Alltag trug.
Der Sendlierr hat auch, wie Regiiio in Sendfrage 13 anordnet,
auf die Lichter der Kirche zii acliten210) und festzustellen, wieviel Wacliszinspflichtige (cerarii)211) vorhanden sind. In den
Quellenstellen heißt es, daß die zur ordnungsgemäßen Beleuchtung
erforderlichen Mittel den Pfarrern in ihren Einkünften zur Verfügung stehenzlz), aber auch von ihnen zu diesem Zweck verwendet
werden müssenx3). 1)cincritsprechend darf eine ncue Iciiclic nur
geweiht werden, wenn für die Beleuchtung vorgesorgt ist2I4). Diese
Vorschriften befassen sich aber nur mit der materiellen Seite der
Angelegenheit. Wie die Beleuchtung sein muß und warum niaii
ihr so große Bedeutung beilegt, geht aus ihnen nicht hervor. Dariiber kann man sich nur an Hand der einschlägigen Quellen
Aufklärung verschaffen216). Es ging damals nicht einfach darum,
diircli Anbringen von Lampen oder Leuchtern die Finsternis ans
dem Kirchenraiim zu verdrängen und so den Gläubigen das Vciweilen daselbst angenehmer zu gestalten. Man legte vielmehr seit
den altesten Zeiten dem Lichte eine tiefe symbolische Bedeutung
beizx6). In ihm erblickte man schlechthin ein Symbol fiir das
Göttliche, da ja auch in der Heiligen Schrift das Licht immer
wieder mit dem Wesen Gottes in Verbindung gebracht wird und
Christus sich selbst als das Licht der Welt bezeichnet hatZ17).
Nimmt es da wunder, daß man jederzeit zur feierlichen Gestaltung
des Gottesdienstes auf möglichst reichhaltige Beleuchtung des
Gotteshauses bedacht war? Es erstrahlten Öllarnpen und Kerzen-
zoD)Vgl. B u c l i b e r g e r ;i. a. 0.
210) F l a d e gibt in Klerus S. 72 und üerinarien S. 11(lieseinTeil der Sendfrage eine andere Aiislegiing: Der Sendlierr soll darauf achten, ob und wic
viele Fenster vorliantleii sind und i n welcheiri Ziistantl sie sich befinden.
1)eiiinach übersetzt er „luniiiiaria" mit „Fensteru (Plural). Diesc Bedcutuiig
l<:tnn das Wort allerdings i~iiclihaben (vgl. Sl C ii in er iinter „liiiniriaria1').
Wenn aber die gleiche Sendfrage sich noch iiiit den Wachszinspflichtigcii
beschäftigt, liegt dem Zusammenharig nach die t]ibersetziing mit „Lichteru
am nächsten. Hierfür spricht weiter, da6 man der Frage der Beleuchtiing
von jeher größte Bedeutung beigemessen hat, während der Zustand der Fenster nur insoweit interessierte, als es ganz allgemein um die Instandhaltung
des Kirchengebäiides ging. Was die Beleiiclitiirig betrifft, ist auch die bnuliche Anlage der karolingischen Kirchen zu beriicksicht,igen, die nur wenige
und unbedeiitende Lichtöffnungen Iiiitten (siehe liierzu etwa Haiiiaiiii
S. 216ff.). SchlieDlich sei auch noch hervorgehoben, da0 das Wort „luininariai'
i u den Qiiellenstelleri, in ticnen es vorkoinmt, dein Sinne nach nur in der
Iiicr angenommenen Bedeutung gebraiiclit wird (vgl. Itegirio 1 23, 42, 123
und 249).
211) Uber diesen Begriff s. u. Anm. 220.
212) Regino I 42 = C. 6 eines Kapitulare Ludwigs d. Fr. von Aachcn (825).
Vgl. Bohrner S. 316f. -Als wesentliche Griiiidlagc der Einkünfte wird hier
der „%Iansiis" genannt. Dtbvon wird unten bei Sendfrage 1 4 die Rede sein.
213) Regino I 249
o. 76 der Syiio(1o von hleaux (846). Vgl. F l a d e ,
Gerinaiien S. 28.
214) Regino I 23 = C. 3 der Synode von Worms (868). Die Stelle wiirde
bereits besprochen, als von den Voraussetzungeii fur die Kirchweihe die
Rede war. - Die Mittel zur Instandhaltung, Ausstattung und Beleuchtiing
der Kirche liefert das Lichtergut. Im Gegensatz hierzu steht das Wittum
(auch Widem genannt): die Mittel zum Unterhalt des Geistlichen. Vgl.
B u c l i b e r g e r Bil. 6 Sp. 716 (unter ,,Luminariengiit"). In frankischer Zeit
wird niitunter der Begriff „Lichtergut" sogar stellvertretend fur da.: Kilclieiigut uberhaupt gebraucht.
216) Vgl. U. a. T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 376ff.
216) Auf sie verweist auch E u g e n W o h l h a u p t e r , Die Kerze in1 Recht,
1940 (Forschiingen ziim deutschen Recht, Bd. 4 Heft I), S. 3f. U. 16f.
Er schildert uns (S. 2 ii. 16ff.), daß die Verwendung des Lichtes iirspriiuglich
nur einer praktischen Notwendigkeit entsprach, weil die gottesdicnstlirlicn
Pririri rn der Xacht oder in dunklen Raiinirn stattfaittleri. Die 'lnfangs
benutzte Öllampe wurde dabei schon bald durch das Wachslicht verdrangt.
Schon zu Beginn der Mittelalters t r a t die symbolische BeCleiitiing der Kerze
Iiervor: Sio brannte - ziierst nur bei ein~olnenTeilen drr 1\Iecse - auch
tlmn, wenn man nicht auf ihren Lichtschein angewiesen wai Wo h l h a i i p t e r
qpricht niich davon, daß ihre Vcrurciidung ,.gclegentlicb dt~rZalilerisyinbolik
iliclit fern~tnnd". So gnlteli z B. dir 7 ICcr~clibtim J'011tiflk~li1iiit a l i r 5 i r i
Sinnbild drlr 7 G'iben des H]. Geistes (S. 16f.).
"') Joli. 8, 12.
38
IV.
Die B e l e u c h t u n g d e r K i r c h e .
--
41
Walter Hellinger,
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
lichter, deren Zahl oft in die Hunderte ging218).Aber nicht nur an
die zahlreichen Lichter, die von gewaltigen Kronleuchtern oder
Licliterrecheri während des Gottesdienstes den Raum erhellten,
ist hier zu denken. In manchen Kirchen ließ man schon zur Zeit
Reginos vor dem Altare bei Tag und Nacht eine oder mehrere
Lampen ständig brennen. Ob es sich damals bereits um eine
Salrrameritslampe, das sogenannte ewige Licht, das ständig vor
dcm Tabernakel brennt, gehandelt hat, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagenZl9). Jedenfalls kam auch diesem Licht die oben
geschilderte Bedeutung zu.
Auch was es mit den Wacliszinspflichtigen auf sich hat, führt
Regino nicht näher aus. Es handelt sich bei den „cerariiKum eine
besondere Klasse von Schutzhörigen der Kirche. Es waren Freigelassene oder in ein Schutzverliiiltnis der Kirche eingetretene
Freie. Ihre Abhiingigkeit war nur eine recht lose, die kaum zu einer
Beeintraclitigiing ihrer Freiheit fuhrte. Wie schon ihr Name besagt, schuldeten sie als Entgelt für den gewahrten Schutz der
Kirche einen Zins, der in Wachs für die Herstellung der Kcrzrri
bestand oder hierfür bestimmt wurdeZ2O).
al1ßerdem sollen vier mancipia vorhanden seinZ21). Dementsprechend mahnen die von Regino wiedergegebenen Quellen, daß
jeder Kirche die eben näher bezeichnete Pfarrhufe abgabenfrei
zur Verfügung stehen mußZZ2). So bestimmt Ludwig d. Fr. in
seinem Kapitulare an die Bischöfe (Aachen 817)223),daß der Priester natürlich keineswegs verpflichtet ist, von den Zehnteinkünften22*), den Opfergaben der Gläubigen (Oblationen) sowie vor1
Haus und Garten eine Abgabe oder eine Dienstleistung zu crbringen. Dafür hat er ausschließlich seinem ltirchlichen Dienst zu
genügenzz6).Erzielt er aber einen Überschuß, soll cr davon „seinen
Oberen das Schuldige entrichten"226). Wenn aber jemand - so
entnehmen wir Lothars Gencrdkapitulare der Synode von Worms
(829)zz7)- rc!clitswidrig sich aus dem Mansus ctwas leisten läßt,
mu13 er es auf Geheiß der Grafen und Sendboten wieder zurückerstatten. Auf kirchlicher Seite äußert sich im gleichen Sinne die
Synode von Mcaux (845)228).Wer dagegen verstößt, soll bis zu:.
Genugtuung sogar der Exkommuniltation verfallen sein.
40
D e r Mansus.
Fur den Unterhalt des Geistlichen, dem die Seelsorge an dcr
betreffenden Kirche ubertragen ist, bedarf es einer wirtscliaftliclien Grundlage. Deshalb achtet Regino in Sendfrage 14 darauf,
daß zur Kirche ein X:~nsiis(eine Landhufe) geliort, dcr 12 Morgen
umfaßt außrr dem Friedhof (coeineterium) und einem Hof, durch
den die Kirche und das Haus des Geistlichen verbunden werden;
218) 7,111 Art i~rid1tTciic ilri Belci~chturig vgl airc,Ii Sciirnid 7 136f urid
140ff.
218) Vgl. T h a i l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 380.
220)Uber die JVachszinspflichtigen vgl. H e i n r i c l i B r u n n e r , Dciitsche
Rechtsgrscliichtc, 2 Bde., 2. Aiifl., Bd. 1 Leipzig 1906, Bd. 2 (bearb. V.
C l a u d i u ~Frli. V. S r l i w e ~ i r i )Blurichen und Leipzig 1928, Bd. 1 S. 3621.;
R i c h a r d S r lir o d e r , Lehrbiich der deutschen Rechtsgeschichte, 7 Aufl.,
fortgesetzt von E. Frli. V. ICunCiberg, Urihn 1932, S. 236; I l e r m a n n
C o n r a d , Dciitsche Rcclitsgeschiclite, Bd. 1, Kailsriilie 1964, S. 169.
221) Vgl. auch F l a d e , Klerus S. 72.
222) Was hier angeordnet ist, soll der durch das Eigenkirchenwesen bedingten ttllzi~großcn Abhsngigkeit des Priesters vom Grundherrn begegnen;
vgl. U l r i c h S t u t z , Artikel „Eigenkirche, Eigenkloster" in RE (vgl. Anm.
295) Bd. 23 S. 369 und Benefizialwesen S. 264; P l ö c h l I S. 394 lind F e i n e
S. 184f.
223) C. 10 Itcgino I 24. Vgl. H e f e l e Bd. 4 S. 27 und B i n t e r i m ,
Konzilien Bd. 2 S. 358.
224) Hier ist a,llgemcin von „den Zehnten" die Rede. Es dürfte aber wohl,
wie auch S t u t z , Benefizialwesen S. 254 Arim. 60, den Begriff ,,Zehntu für
den liier gegebenen Zusammenhang auslegt, das den1 Priester damals znstehende Drittel oder Viertel des Zehnten gemeint sein.
-25) Gleiches ist auch bei F e i n e a. a. 0. zu lesen, der hier eine entsprecliende Bnorilniirig tlcs ~iaoliencr T<irchenk;ipiti~l:ire von 818/819 wirdergibt. Vgl. aiicli S t u t z , ßeiiefizinlweseii S. 234.
226)SO übersetzt H e f e l e a. a. 0. Daß H e f e l e auch an den kirchlichen
Oberen, den Biscliof denkt, wird man nicht annehmen können. Mit den
„Oberenu Iröiinen wohl nur die Grundherren gemeint sein, da in1 Text die
Bezeicliniirig ,,sciiiores" verwendet wird und an das Recht der Eigenkirchen
zu denltcn ist.
2a7) C. 4 = Ilegino 1 2 8 . Vgl. B ö h m e r S. 339.
228)C. 63 = Regino I 29. Vgl. Hef e l e Bd. 4 S. 117.
-
42
JValter Hellinger,
Daß bei der Bemessung des Mansus das Coerneterium und der
Hof, der Kirche und Pfarrhaus verbindet229), nicht mitgerechnet
werden dürfen, erwähnen und begründen die Quellenstellen nicht.
Dieser Berechnungsmodus erklärt sich wohl daraus, daß der Mansus
nach seiner Zweekbestimmung einen wirtschaftlicheil Nutzen erbringen soll, was bei den nicht einzurechnenden Gruridfläelien
offensichtlich nicht der Fall ist.
Was für eine Bewandtnis es mit den vier mancipia hat, läßt der
Quellenteil unserer Sendregel ebenfalls offen. Es kommt natürlich
in Betracht, daß es sich uin Knechtez30)handelt, welche die Pfarrhufe bewirtschaften sollen. Man kann auch an einen Begriff denken, der mit der Aufgliederung der Pfarrangehörigen zusarnmenhängt und eine bestimmte Personenzahl bedeutet. Wie P 1 0 c h l ~ ~ l )
erwähnt, schrieb c. 5 des 16. Konzils von Toledo (693) vor, „daß
eine Pfarrkirche als Miiidestzahl voii Pfarrlingen wenigstrns 10
inaneipia umfassen sollte"232). Er fugt hinzu, daß uber die BeEh
deutung des Begriffes mltncipia lreiiir Klarheit
scheint aber sicher, daß die letztgenannte Bedeutung des Wortes
hier nicht in Frage k ~ m n i t ~In
~ ~der
) . Scndfrage 14 geht es gewiß
tim die Pfarrliufe, die den Pfarrer ~~irtschaftlich
siclierstrllen
soll. Darnit er sich ganz seinem gt3istliclien Amt hingeben lrann, wie
es im Interesse der Seelsorge ZLI fordern ist, mussen dafur die eilt-
22Q) Dies ist der Pfarrliof, der also von1 Kirchhof zu unterscheiden ist.
Vgl. auch F e i n e S. 161.
aso) Und zwar deren unterste Klasse ( S c h r ö d e r - K ü n ß b e r g S. 237).
Sie waren nicht angesiedelt, g:tlteii als frei veräußerliche, bewegliche Sache
lind hatten ungemessene Dienste zu leisten. Vgl. auch B r u n n e r J S. 370
lind C o n r a d 1 S. 160.
231) Bd. I S. 323.
JVeitcres si~fii'X . :L. O.
'"3)
C l i ~ i ~Ud.
i ~ 2, 2 S. 182 i l i i i i i . 1 vc!l.wc,isL ;tiif tlie i\iisiciit IIli C i r i i g ~ ~ ,
tler den Standpunlrt vertritt, es seicii ,,hier nicht ICneclitr, soiid(~riiTlöfe
rilit je einern unfreien Insassen gemeint (mit je einer Füiiiilie von IIörigrn ?)".
In gleicher Weise iiiißort sich ebenfalls I-Iefele Bd. 3 S.321; er bezeichnet
i b e r aiich die Kircherisklriveri, welche die Ilöfe zu bcwirtsc1i;iiteri hat,tt,ii,
:LIS„ m a n ~ i p i a ~ ~ .
234) Sie ivird auch in den fiihroiiden l>:trstelluiigcii iici tlcutschen Rcclitsgeschichtc nirgends erwähnt.
Die Pfarrvisitatio~~
iinch Regiiio von Pruiii.
43
sprechenden Arbeitskräfte zur Bewirtschaftung des Marisus dem
Geistlichen zur Verfügung stehen. Um sie sorgt sich Regino wohl
in den Schlußworten dieser S e n d f r a g ~ ~ 3 ~ ) .
Der Zehnt.
Auch für die Auslegung des speziellen Inhalts der Sendfrage 15
hat der Quellenteil unseres Sendhandbuches nichts zu bieten.
Regino fragt hier, wie viele mansi ingenuiles und serviles oder
accolae, ,,woher der Zehnte bezahlt werden sollL',die Kirche haot.
Unter den beiden erstgenannten Bezeichnungen versteht man
Höfe, die von Grundherren gegen Zins und Dienste an abhängige
Leute verlieheii wurden und dann eben je nach dem Stand dieser
Zinsmannen in mansi ingenniles, wenn es Freie waren, oder
mansi serviles, wenn es sich um Unfreie handelte, unterschieden
wurden236).Mansi serviles wurden aber auch Unfreie genannt, die
gegen Zins und Dienstpflicht auf eigener Scholle angesiedelt
waren237).Die accolae waren in vollem Besitz ihrer Freiheit befindliche Lanclsiedler, denen Wildland zur Rodung übergebe11
wurde und die dann die sogenannte Besserung zu Leiherecht auf
Widerruf behalten durftenma). Für unsere Sendfrage ist von :~usschlaggebender Bedeutung, daß hier die Zehntholden der Kirchen
gemeint siiid. Das veranlaßt uns, auf die - nun allerdings recht
zahlreich in Reginos Sendord~iungvorhandenen - Bestimmungen
aus dem Zehntrecht
236) Daß zum Kirchenmarisus vier Knechte gehöien, berichtet auclr
S t u t z untei Hinweis aiif die Quellen (Bciiefizialwescn S. 278; vgl. auch
Art. Eigcrikirche S. 369f.).
L3a)Vgl. im ciri7rliieri S c l i r o d pr- K u r ~ l i b e r gS '227t. irrid 235
a 3 7 ) A. it. 0. S. 237.
2ss) A. U. 0. S.235.
M<~nrhr>s
davon ist schon beiiilirt worcleii, vor alleiiii111Zusaiiliiicriliang
init tlcn Vorschrifte~iuber tfic Iiilrhweihr.
Uns Srliiifttiiiii Iiat sicli rccht
c~njiehendriiit dem Zeliiiticrht h ~ f ~ i l jvt g; l 1 1 C I . 1711i(tli S til t 7 , lhir k:iroIingisrhr Zclintgrbot, i n . ZftG 29 (1908) (;ci~n Abt 5.1 8 0 f f ; tiera.,
ßenefizialw~sen 5.240ff.; F e l n e S. lii.if., 160Ff. itnd 174Ef., P l o c h l 1
S 241f illid 396f.; B i i c h b e r g r r Bd 10 Sp. 1047ft. (iiritci „ZelintU)
44
Walter Hellinger,
Der kirchliche Zehnt, der in fränkischer Zeit als Entschädigung
I'ur das eingezogene Kirchengut staatlich angeordnet wurde, kani
zunächst hauptsächlich den alten Taufkirchen zugute, wurde aber
durch das bekannte Kirchenkapitulare von 818/19240)noch den
Grundherren für ihre Eigenkirchen zugestandenZ4l).Damit wurde
natürlich eine strenge Abgrenzung der Zehntbezirke erforderlich,
wodurch die Grundlage zu ,,einem neuen K l e i n p f a r r ~ y s t e m " ~ ~ ~ )
geschaffen wurde. Zu dieser Abgrenzung, welche die Bischöfe vorn a h m e ~ P ~mahnt
),
auch Karl d. Gr. in einem Kapitulare an dic
Presbyter (Aachen 809)244),WO es heißt, daß jede Kirche einen
Sprengel haben rniiß, aus dem sie den Zehnten bezieht. Infolgc
neuer Kirchengründungen entstand natürlich die Gefahr, daß die
d t e n Kirchen in ihren Zehnteinkunften geschmälert wurden; denn
die Grundherrn suchten das Zelintrecht, das anfangs nur den d t e n
Taufkirchen zukam, auch für ihre Eigenkirchen zu erlangen245).
Eine ganze Reihe von Bestimmungen, die Regino in sein Sendhandbuch aufgenonimen hat, suchen dies zu unterbinden. Wohl räumt
Kaiscr Karl auf einer Synode in seiner Villa Salz in Franken
(803)z46)ein, daß jeder auf eigenem Grund und Boden mit Zustimmung des betreffenden Bischofs eine Kirche erbauen darf, er
verlangt aber auch, daß die Zehnteinlrünfte der alten Kirchen nicht
beeintrachtigt werden - auch wenn die Ablieferiingspfliclit sich
auf Besitzungen bezieht, die an Bistümer oder Klöster geschrnkt
wurden - und daß diesen d t e n Pfarrkirchen alle Zuwendungen
samt Besitz und Gerechtsamen erhalten bleiben müssen. Daß die
nlten Kirchen gegenüber den neiien in dieser Hinsicht keinen
Nnclitcil erlriden diirfen, betonen in gleicher Weise die Reforin-
Das bekanntlich bei Regino nirgends erwatint wird.
F P I I ~7.C 155.
1 4 2 ) F e i n e S. 166.
243) F e i n e S. 170.
2 4 4 ) C. 10 - licgino J 26. Vgl. R e f r l e Bd. 3 S. 752 iind R i n t r r i i i i ,
lionxilien i3d. 2 S. 330.
246)Vgl. S t 11t X , B r i i e t i x i n l ~ e ~ (S.~ n244.
24'3) C. 3 -- Reqino 1 2 7 . Vgl. I I e f e l e Bd. 3 S.746; R i n t e r i i n , I<onxilii~ii
Bd. 2 S. 322; B o h n i c r S. 179; F l n d r , Gerriiancn S.25 iiiid 28. C . 2 Regino 162. V$. E I r f i ~ l c B
, i n t c r i i n lind Bolinier n. a. 0.
"0)
211)
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
45
von Mainz und Arles (beide 813)"'). Es bedeutet aber
auch keinen Widerspruch, wenn Ludwig d. Fr. - wie oben schon
hervorgehoben - in seinem Kapitulare an die Bischöfe (Aachen
817)248) befiehlt, daß in neuen Siedlungen errichtete Kirchen ihren
Zehnt aus diesen erhalten sollen; denn in den Zehntbezirk alter
Kirchen wird ja in dieseln Falle nicht eingegriffen249).Doch macht
die Synode von Tribur (895)250)eine erhebliche Einschränkung;
gruadsätzlich ist vom Rodungsland weiterhin an die alte Kirolie
zu zehnten. Hat jemand allerdings - so heißt es hier weiter eine Fläche gerodet, dic 4000-5000 Schritt im Umkreis mißt,
soll er mit Zustimmung des Bischofs dort eine Kirche errichten
und nach deren Weihe fur einen Geistlichen sorgen, der dann
den Zehnten, der fur den betreffenden Sprengel nun der neuen
I(irche zusteht, zu erheben hat. Wer jedoch der zustandigen
Kirche den Zehnten entzieht und „um Geschenke oder Freundschaft oder einer sonstigen Gelegenheit willen" ihn einer anderen
Kirche entrichtet, inuß auE Grund von Lothars Generalliapitulare
der Synodr von Worins (829)261)hierfur Ersatz leisten. Wesentlich
härter werden die Zehntverweigerer angefaßt, die sich um die
Zehntpflicht herumdrucken wollen. Sie verfallen nach dem Willen
der Synode von Chalon-sur-Sadne (813)z62) der Exkommunikation, wenn Ermahnungen nichts fruchten; wegen der Gcfahr
des Meineidrs sollen sie aber nicht durch einen Schwur gebunden
werden. Haben I n h a b ~ von
r Lelien schon viele Jahre den Neunten2s3)
und Zehnten ganz oder teilweise nicht entrichtet, mussen die Konigs247) C. 41 von Mainz und c. 20 von Arles = Regino I 30. Vgl. H e f e l e
Hd. 3 S. 763 lind 757 sowie B i n t e r i m , Konzilien Bd. 2 S. 467.
C. 12 = Rrgino I 26. Vgl. Hef e l e Bd. 4 S. 27.
2 4 9 ) Siehe dazu iioch S t u t z , Brnefizialwesen S. 257ff.
"'0)
C. 14 = Regino I 44 b. Vgl. II of el e Bd. 4 S. 554 und I'la d e , GerInanen S. 28f.
L 6 1 ) C (i= IZrgiiio 1 48. Vgl
R o h ln r r S. 3'19 irnd d ~ ciirgrlic~ndr~n
e
Erlauterungen bei I p l ; ~ d e ,Germanen S. 89.
"') C. 18 = Rrgino I 45. Mit dem zweiten Satz dieses Kapitels befaßt
sich auch F l a d c , Germrtnen S. 26. Seine Aiislegiing geht dahin, daß nicht
durch Eid bewiesen werden roll, ob der Zehnt tatsarhlicli gelei~tetwiirdr.
E r halt aber auch fur moglich, da8 inan veihindein will, eidliche Versprechen
auf Zehntleistung abzuverlangen, Lrtatcres srheint mir nach dem Wortlalit
der Stelle sogar wahrscheinlicher.
263) Siehe unten die Erklärung des Doppelzehnten (in Anm. 267).
46
Wa,lter Hellinger,
boten den Jahresbetrag samt einem Verzugszuschlag - wenn
man es so nennen darfZ64) - in Form des Konigsbannes bei
ihnen eintreiben; für den Wiederholungsfall droht Kaiser Lothar I.,
~ ~ ~ )Voraus dessen schon oben genanntem G e n e r d k a p i t ~ l a r ediese
schrift stammt, den Verlust des zehntpflichtigen Lehens an. Ganz
entsprechend verfahrt die Synode von Meaux (845)266):Wer seine
Pflicht in dieser IIinsicht versaumt und es zuläßt, da5 der Priester
dadurch verarmt lind das Kirchengebäude zerfallt, muß bis zur
Wiedergutmachung die kirchliche Gemeinschaft entbehren, und
beim zweiten Mal wird der Konig ihm sein Land entzielien. Da
Kaiser Lothar in dein genannten Kapitulare vom D o p p e l ~ e h n t ~ ~ ' )
spricht, geht es hier iim das säkularisierte Kirchengut, das an die
Großen des Frankenrciches zu Lehen gegeben wurde. Kaiser Kar1
d. Gr.268)laßt die Inhaber von solchen Kirchenlehen um die Hälfte
arbeiten und außerdem an ihre Geistlichen den Zehnten von1
r.igenen Anteil entrichten. Das einfache Volk wird ebenfalls an
seine Zehntpflicht erinnert. Die Bischofe durfen, wie Kaiser Lothar I. bcfiehltz69), nicht zulassen, daß es fiir die Zehntleistung
ein Entgelt verlangt; Zelinthinterzielier, die Leute des Kaisers
sind, haben vor diesem zu erscheinen und sich zu verr~ntworten,
gegen andere wird mit Z.cvangscintreibung vorgegangen. Der
Kaiser denkt abrr auch an jene, die besonders schlau sein wollen
--
Diese Bezeichnung verwendet F l a d r , Germanen S. 26.
266)C. 5 = R~giiio I 47. Vg1. Bohmclr S. 339 und F l a d e , Germanen
S. 26 (iin Gegensatz zu. W a s \ e r s c h l e b e n fuhrt er Ludwig d. Fi. al.; Ur1i~bcidieser Stell? an). Iin gleichen Sinne aiißerte sich schon Ludwig (1.
Fr. 111 Kapitel 6 (an1 Scliluß) seiner capitiila per se scribenda von 819 (JVn s \ e r s c l i l c b e n gibt 817 an) = Regino 1 37. Vgl. B o h m e r S. 281.
266) C. 62 = Rrgino 161. Vgl. IIef e l c Bd. 4 S. 117 iind F l a i l e , Germanen
S. 28.
267) E r bestand aus clrn ublicheri Zelinten urid dem iieunten Teil
ficstcs ( d ~ i nsog Nerinten), so daS also r n e i ~ i ~ aI/„i riliobrn .xiirtlc Vgl
dazu F1 a d e , Germanen S. 25 U. die einschlagige Literatur (2. B. B r u n n e r
I1 S. 338, F e i n e S. 155, P l o c h l I S. 397 und B u c h b e r g o r Bd. 1 0 Sp.
1047ff. unter „ZehntN).
268)C. 18 des Kapitulare an die Presbyter (Aaclien 809) = Regino 1 44.
Vgl. ITefele Bd. 3 S. 763; B i n t e r i m , Konzilien Bd. 2 S. 330f.; F l a d e ,
Germanen S. 26f.
26s) C. 7 des sclion bekannten Wormser Generalkapitulare v. 829 =
Regino I 49. Vgl. B b h m e r S. 339 und F l a d P , Germanen S. 27.
J64)
Die Pfarrvisitatioii nach Regino von Prüm.
47
und das geliehene Kjrchenland nicht bebauen, damit sie nicht den
Neunten und Zehnten daraus entrichten müssenze0): sie werden
mit dem Ertrag dreier Jahre herangezogenZ6l) und haben im
Falle des Ungehorsams sich in der Kaiserpfalz zu melden. Die
Zehntschuld inuß keineswegs immer durch eine Haturalabgabe
erfüllt werden. Ludwig d. Fr. ermahnt zwar in seinem Kapitulare
von Aacheil (825)z6z),daß entsprechend dem von seinem Vater
und auch ihm wiederholt geäußerten Willen von Wein und Heu
sowie sonstigem Arbeitsertrag dem Herkommen gemäß der Doppelzehnt erbracht werde. Diese Naturalleistung kann aber auch, falls
der zuständige Bischof damit einverstanden ist, durch eine Geldzahlung abgelost werden.
Unserm Abt von Prüm ist es auch eine große Sorge, wie die
abgelieferten Zehnten verwendet werden. Er läßt Kar1 d. Gr.
sprechen, dor iii seinem Kapitiilare an die Presbyter (Aachen
809)"3) anordnet, daß rs in der Macht des Bischofs liegt, wie die
Zehnten von drn Priestern verteilt ~ e r d e n ~ 6 ~Ucr
4 ) . %c.lint wurde
also damals schon in der Pfarrei2G6)entrichtet. der Bischof h;ztttl
aber im Geg~nsatzzur späteren Entwicklungzeß) noch bedeutende
Weisungsreclitc. Mit Recht kann daher Plade"7) fui. dieses
2so) C. 9 des Worinser Gencralkapitulare von 829 = Hrgino I 60. Vgl.
B o h m e r S. 339 lind Flacle, Germanen S. 89f.
261) Nach F l a d c a. a. 0. ist die Naturalabgabe (deinnach nicht der
üesaiiitertrag) dreier Jahre zu leisten. E r hat soinit seiner Obrrsetzung
einen abweichenden Text ziigrundr gelegt, auf den W a s s e r s c h l e b e n
in Anrii. 145 verweist ipsain nonam r t decimarii. Iin Wasserschlel~enschen
H ~ i i p t t r x tsteht an dieser Stelle das Wort annona == Ertrag.
2sz) C. 23 = Rrgino I 46. Vgl. B o h m e r S.316 lind F1 a d P . Germanrn
3 2G.
L03)C. 4 - Jlrgiiio 1 43. Vgl. H e f e l ~Bd. 3 S. 752.
"4)
B i n t r i 1111, Konzilien Bd. 2 S. 330 iibersctzt: Die Bischofe sollen
den Zclititcn t ~ i idie Priester verteilen. Diese Übersetzung deckt sich nicht
init ~Icrii\Vortlniit tlei ICapitcbli iintl qtrht auch iin Gc~pc>ns,rt7
zii (Itrirnlgen
von l l r f ~ l e,L. d. 0.
2R6)U r i l ) r ~ ~ ~ g lWi r Ih I ~ ~der
P Zehnt an drn Bischof qelristet (vgl. P l o c h l
1 S. 396).
266) Die dahin ging, tlaß die Pfarrer dic eigentlichen Zehntherren wurderi
~iiiddic Biseliofr sich iiiit eineni Z~hntaiiteilvon einem Drittel oder eineni
Viertel zufricdengebrn mußten (vgl. P l o c h l a. a. 0 . lind B u c h b e r g e i
Bd. 10 Sp. 1048 unter „ZehntN).
267) Germanen S. 25.
Die Pfarrvisitr~tionnnah Regino vor1 Priiin.
Kapitel Reginos den ganz anschaulichen Vergleich bringen: die
Bischöfe waren gleichsam die Steueraufsicht - und die Priester
die Steuerverwaltungsbehörde. Wie der Pfarrer mit den Zehnteinkünften umzugehen hat, läßt Regino in Sendfrage 69z68)verlauten:
Der Visitator hat nachzuforschen, ob aus den Zehnten vier
Teile (portiones) gemacht werden. Den Beleg aus den Quellen
liefert uns ein Beschluß der Synode von Nantes (658 bzw. 895 ?)269).
Den Presbytern gilt eingangs die Mahnung, die empfangenen
Zehnten und Opfergaben „nicht wie Ihriges, sondern wie Anvertrautes zu gebrauchen" und sich immer bewußt zu sein, daß sie
vor Gott darüber Rechnung legen müssen. Die Synode unterwirft
diese Einkünfte der bekannten Vierteilung, die schon in früherer
Zeit ganz allgemein für die Kircheneinkünfte gegolten hat2V0).
Es entfällt je ein Teil auf die Kirehenfabrik, die Armen, den Presbyter mit seinen Klerikern271) und schließlich auf den Bischof nach
dessen Weisung. Ein besonderes Anliegen ist der Synode die
Armenfürsorge. Der hierfür vorgesehene Teil, der durch Zuwendung
aus dem bischöflichen Anteil erganzt werden kanrPZ), ist mit
den Armen auch den Gästen und Durchreisenden ~ i i g e d a c h t ~ 7 ~ ) ,
268) Sie gehört i n den zweiten Teil der Sendfragen des ersten Biiches, der
sich mit der Lebensführung und dem Umgang des Presbyters befaßt. Im
Interesse einer zusammenfassenden Behandlung des Zehntrechts erscheirit
es angebracht, schon jetzt auf sie und die daziigehörige Quellenstelle einziigehen.
269) C. 1 0 = Regino 1353. Vgl. EIefele Bd. 3 S. 105. Wie er Bd. 3 S.104
ausführt, werden i n den Konziliensarnmlungcn einer angeblich am Ende des
9. Jh.s i n Nantes abgehaltenen Kirchenversammlung 20 Iianones ziigeschrieben, die auch Regino in seine Sammlung aufgenommen Iiat. Es wird
mitunter die Meinung vertreten, daß sie rler Synode von Nantes a. il. J. 658
angehören. Siehe auch die Textanmerkung W a s s e r s c h l e b e n s zii Regino
I 105.
"O)
Vgl. die bcriiits besprochenen Ka.pitel Llegino I Y4 iiad 35 (ohori
S. 18) sowie P l ö c h l I S. 396.
271) Sie waren die Gehilfen des Presbyters und hatten damals verscliicdeiic Funktionen, die in den Bezeichnungen vor allen1 der niederen Weihcgrade zum Ausdruck kommen. Heute sind die Weihegrade nur noch Durcligangsstationen auf dem Weg zum Priesteiti~ni,mit denen kein Kirclienaint
mehr verbunden ist.
272) VgI. F l a d e , Germanen S. 109.
278) F l a d e , Germanen S. 29 lind Klerus S. 86.
49
als deren Treuhänder, wenn man so sagen darf, sieh der Presbyter
betrachten soll. Um die Nöte innerhalb des Volkes sorgen sich aacii
die Väter von Meaux (845)274):Die Priester sollen die Zehnten
der Pfarrangehörigen empfangen und sie zur Mildtätigkeit innerhalb der Gemeinde verwenden276); die Zehnten der Grundherren
( S a l ~ e h n t e n ) ~dagegen
~~)
sollen den Kirehengebäuden und dein
1,ichtergut anheimfdlen. Das Hauptanliegen dieses Besehlussos
von Meaux ist aber offensichtlich ein anderesz77):es soll verhütet
werden, daß die Kirchen und deren Zehnten in dic Hand von
Laien gelange1127~).Die Synode richtet an den König - es handelt
sich um Kar1 d. Kahlen - unter Hinweis auf „die Gefahr des
Bannes wegen Zehntanmaßung" die eindringliche Mahnung, in
Abkehr von seiiicm bisherigen leichtsinnigen Handeln die Kapcllen
seiner Villen nur jenen anzuvertrauen, „die in gebiihrender Unterordnung unter ihn diese Stätten nach den Vorschriften der Religion bedienen \1lürden"~~9).
Haben etwa Laien diese innez80),widersprwlie es jeder Vernunft und Ordnung, wenn sie ans dem eingenommenen Zehnten ihre Hunde und Dirnen füttern28l). Vielmehr
sollenzB2)die Presbyter der Kirchenzs3) ihn empfangen, „zur Er274) C. 75 = Regino I 249. Vgl. die Inhaltsangabe zu C. 75 bei S t u t z ,
Benefizialwesen S. 267. Regino hat diesen Beschluß i n 3 Kapitel zerlegt
( I 248 bis 260).
276) Siehe auch F l a d e , Germanen S. 28.
276) Zu diesem Begriff vgl. S c h r ö d e r - K ü n ß b e r g S. 568 Anin. 8.
277) ES gelangt i n Regino I 248 und 250 zum Ausdruck (zur Herkunft
dieser Kapitel s. o. Aiim. 274). Vgl. auch F l a d e , Gerinarien S. 26.
"') Dies besagt ~ i i c hdie von Regino über Kapitel 1 248 gesetzte Oberschrift.
270) Ubersetzung von S t u t z a. :L. 0. (zu diesem Kapitel I 248 vgl. aiich
I l e f e l e Bd. 4 S. 118).
S t u t z 8. &. 0 . ergänzt: (zu Lehen).
Regino I 250 (siehe Anin. 274).
S t u t z ergänzt hier siiiiigerniiß: „ . . . auch d a ~ l n . . .", (1. lr., auch
wenn Laicn die Kirchen besitzen.
283) Das heißt der Pfarrkirchen. Diesen sollen also die Zehnte11 selbst der
in Laienliand befindliclien K a p e l l e n zliflie8en. Auch nach damaligen1 Recht
gehörten die Kapellen immer zii einer Pfarrkirche (also aiicli, wenn ilinoi
ein Priester vorstand). Während die Einkünfte der Pfarrpfrü~ide,
insbesoridere
der Zehnt, den GeistJichen der Hauptkirche zufielen, inuWte sich der an der
Kapelle fiingierende Priester von den Einwohriern bzw. dem Grundherrn
unterha'lten lassen. Vgl. bei F r a n z X a v e r K ü n s t l e , Die deiitsche Pfarrei
4
Zeitschrift f 0 r Rechtsgeschidite.
LXXIX.
Kan. Abt. XLVIII
51
Walter ITellinger,
Die Pfarrvisitatioii naeli Regino von Priiiii.
lialtung der Kirchen, für die Lichter uiid fiir die Fremden- und
Armenpflege sie verwenden und Gott dafür um Gnade für König
und Reich
iii Uetrnclit zit.ht286). Dies wird man auch daraus folgern dürfen,
daß die Sendfragen des 3. und 4. Teils (von Frage 76 an) so formuliert sind, daß sie der Sache nach nur an den PEarrer selbst
gerichtet werden kdnnen lind - wie sich aus den Uberschrifteii
rrgibt287) -- auch sollen. Diesr Einteilung läßt deninach der1
Schluß zu, dar; die Fragen 17-75 auf Grund allgemeiner Nachforschungen zii klLrrii sind.
50
11. A b s c h n i t t :
D I E AMTS- U N D L E B E N S F U H R U N G D E S P F A R R E R S .
L.
Die bisher besprochenen Sendfragen machen es dem Visitator
zur Aufgabe, sich über den Zustand bestimmter Sachen zu vergewissern. Das kann durch sinnliche Wahrnehmung, durch einen
Augensclieiil geschehen. Die folgendeil Sendfragen (bis zum Schluß)
beziehen sich auf die Person des Presbyters. In den Sendfragen
17-75, dic Regino unter der Uberschrift „Uber das Leben und
den Umgang des PresbytersU285) zusammcnfaßt, erhält der Visitator den Auftrag nnclizuforschen, wie der Presbyter seinen
ilintspflicliten genugt und welchen Lebenswandel er führt. Durch
die Untersuchuiig soll sein Verhalten in dieser Hinsicht festgestellt
werden. Rrgirio laßt es offen, wie das zu geschehen hat. Das Näclistliegeiidc ist tiaturlich, den Pfarrer selbst zu den einzelnen Punkten
zii befragen. Das wird aber nicht iminer die reine Wahrheit zutage fördcrii. Hat er näinlicli gegen seine Pflichten verstoßen,
wird er nur zurüclihi~ltendoder gar walirheitswidrig sich äußern.
Ilesliall:, darf nian wohl annehrneii, daß unser Abt von Prüin auch
rlas Zeugnis dritter Personen, etwa angesehener Pfarrangehöriger,
und ihr Recht zii Aiisgang des iVIittnlalters, 1905 (Kirchenrechtliche AbIiandlungen, Iirsg. v. U. S t u t z , Heft 20), S. 5f. und B i i c h b e r g e r Bd. 5
Sp. 796 (unter ,,Kapelle") sowie Bd. 7 Sp. 746 (unter „Oratoriumu). - Hier
t,aucht nat,iirlicli die Frnge niif, wer die prirlstexlichen Fiiiilrtionen zii verrichten hat, weriii eine Kapelle iiuii trotzdem eiiieril Laien überlassen wurde.
Unter I-Iinweis auf U l r i c h S t iit z , Die Eigenkirche als Element des inittelalterlieh-gerriianisc1ir:n Kirchenrechts, I3erlin 1896, S. 29 bemerkt F l & d ~ ,
Germanen S. 29, daß i n solchein Falle die Kapelle mit einem abliängigeii
Priester besetzt wurde. Vgl. aiicli H i n s c h i u s Rd. 2 S. 624 Ann:. 6.
284) Das Zitat ist S t u t z a. a. 0. entnomnien. Siehe aucli F l a d e , Germanen S. 29.
2 8 6 ) :,De vita ot conversittione presbyteri."
Die A m t s a u s ü b u n g .
Fur eine geordnete Seelsorge ist nicht nur unerläßlich, daß dir
hierzu erforderlichen Einrichtungen und Mittel vorhanden sind,
es liommt auch darauf an, daß der Pfarrer die ihm obliegenden Aufgaben entsprcclieiid den Weisungen seiner Oberen verantwortunghhewußt crfrillt. In dieser Hinsicht muß sich Regiiio um gar viele
Dinge sorgen.
I. Dip Meßfezet..
Die voriieliiiiste I'iliclit dcs Priesters ist seit den ältesten Zeiteii
die ITeifr des 8Ießopfers. Xit der Erfullung dieser Aufgabe befaßt
sich Regino in mehrwen Sendfragen und belegt sie mit Kapiteln
aus den Quellen.
z 8 6 ) In der Literatui besteht zu dieser Frage keine einheitliche Meinung.
Nach F o u r n i e r - L c B r a s I S. 243 und 246 werden die sich aiif
Pfarrer beziehenden Fragen an die Sendzeugen gerichtet, die
richt zu fungieren haben. Gleicher Auffassung scheint aucli P1 o
zu sein. Dagegen ist L i n g g S. 14f. der Ansicht, daß „bei Regino
Pfarrer betreffenden Fragen nicht mehr an dir Sendzeugen gerichte
In der ersten Halfte des 9. Jh.s, als die Visitation der Kleriker
gewohnlichen Sendgerichten stattfand, hatten die Sendzeugen
den Pfarrer zu berichten. Nach Aieinung von L i n g g wollte m
(also schon i n der Zeit, i n der Rrginos Sammlung entstanden
Pf<iirer tlai b~schi~meiidc
Getilhl erspdren, tldR ierric eigenen
uber ihn Aussagen niachen miissen.
Dir Uberschrlft vor Frage 76 lautet: Was i ~ vt o m P r e s h y t e r zu
erfragen? Dann heißt es weiter: Nachdem dics alles sorgfaltig erkundet
worden ist, soll dann d e r P r e s b y t e r s e l b s t vom Bischof oder seinerri
Stellvertreter ausgefragt werden. Die flberschrlft vor Frage 8 2 laiitet:
Danach soll e r uber den ihm anvrrtratiten Dienst ~~usgrforscht
werden.
(Die Sperrungen gehoren nicht ziim Text, sie dienen nur der Ve~deiitlirhung
dessen, was hier bewiesen werden soll.)
52
Waltei ilellinger,
In Sendfrage 22 geht es um den O r t der Meßfeier. Es soll festgestellt werden, ob der Pfarrer außerhalb der Kirche in den Hausern die Messe liest. Dies war in den ersten christlichen Jahrhunderten der allgemeine Brauch fiir die eucharistische Feierzs8), zu
Lebzeiten unseres Prümer Abtes war er längst durch die lrirchlicht3
Autorität abgelehnt worden. wic einige Kapitel bei Regino dcutlicli
/,eigen. So sagt die Synode von Laodicea (zw. 343 und 381)"99),
daß in den Häusern von den Bischöfen und Priestern keine Opferzg0)
dargebracht werderi dllrfen. Diesem Konzilsbeschluß läßt Regino
ein in die glciche Richtung zielendes Kapitel folgenzg1), das uns
einen Grund fur das Verbot angibt, aber auch einen Ausnahmefall
regelt. Es wird darin vor Augen geführt, daß bei Meßfeiern, die
auf Verttnlassung von Laien in deren Häusern stattfinden, die
heiligen Geheimnisse mehr entweiht als geweiht werden, wenn dort
Hunde lind Dirnen sich herumtreiben. Deshalb darf die Messe
nicht außerhalb der Icirclie gefeiert werden, ausgenommen eine
Reisr rnaclit es erforderlich; dann kann sie in einem Zelt oder auch
unter freiem l-limmel an sauberer, von jedem Unrat weit t a t fernter Stiitte gehalten werden, wobei ein geweihter Altartisch
unerläßlich ist. Das Verbot der „Winkelmessen und H a u ~ f e i e r n " ~ ~ ~ ) ,
288) Siehe P l ö c h l I S. 75.
C. 58 = Regino 1133. VgI. H e f e l e Bd. 1 S. 774.
Da13 es sich hier nur um (las e i t c h a r i s t i s c h e Opfer handeln kann,
hebt EIefele noch erliluternd hervor. Auch Regino kann den Begriff „oblationes" nur i n diesem Sinne verstanden haben, wie sich aus dem Ziisainmenhang mit dem folgende11 Kapitel (I 134) ergibt, wo er i n seiner Uberschrift tlie Bezeichnung ,,inissa" gebraucht. Anfangs spri~ch man Von
,,oblstioU ( P l ö c h l I S. 76), seit dein 6. und 7. Jh. ist allgemein das Wort
„missaU üblich (vgl. T h a l l i o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 2 S. 2f.). Der Ausdruck
„missaU t r i t t :~llerdings schon im 4. Jh. bei Ambrosius auf ( P l ö c h l I S.
195). - Den Begriff „oblationesU verwendete man bereits i n der christlicht?n Frülizcit, irisbesontiere für die Opferga,ben, die wahrend der hleßfilio.
dargebracht wiiiden und aiis Brot und Wein bestanden ( P l ö c h l 1 S. 95).
Zu. diesen inissnlen Oblationen vgl. auch G e o r g S c h r e i b e r , Gregor VII.,
Cluny, Citeaux, Prhnlontr6 zu Eigenkirche, Parochie, Seelsorge, in: Z R G 6b
(1947) I h n , Abt. 34 S. 31ff. (8.67ff.). Die Abhandlung berücksichtigt jedoch
in der I-1:ttiplsache tlie Zeit n a c h Itegino. Siehe auch unten S. 63ff.
"I)
Regino I 134. Die Berlrunft, des Kapitels bezeichnet W a s s c r s c h l e b e n als iinbestimmt.
29a) F l u d e , Klerus S. 81.
Die Pfarrvisitation riacfi Regiiio von Prüni.
53
das sich zur Zeit Reginos noch nicht recht durchgesetzt hatte2g3),
liegt wohl auch darin begründet, daß durch solche, um mit Fladez94)
zu sprechen, „die Einheit der Gemeinde gestört, die Festigkeit des
unterschiedslosen Zusammenschlusses gelockert" wird. Zur Frage
der Örtlichkeit der Meßfeier nimmt auch ein Kapitel aus PseudoIsidorzg6)Stellung: Nur vom Bischof geweihte Orte kommen hierfür in Betrachtzge). Schließlich verdient noch ein weiteres, gleichfalls bei Pseudo-Isidor aufgeführtes Kapitel, das dem letztgenannten bei Regino vorangeht, an dieser Stelle erwähnt zu werden2Q7).Es heißt dort, daß der Priester das Meßopfer nicht allein,
sondern nur unter Zeugen darbringen darf, damit er immer überprüft wird, ob er in vollkommener Weise an den dem Herrn geweihten Orten die heilige Handlung vollzieht.
Aber nicht genug damit! Der Presbyter ist, was den Ort für die
Messe betrifft, noch einer weiteren Einschränkung unterworfen:
Nur innerhalb seiner Pfarrei darf er zelebrieren. Deshalb untersagt Regino in Sendfrage 49, daß der Presbyter in der Pfarrei
eines Mitbruders ohne dessen Einwilligung und Bitte die Messt?
liest. Dicses Verbot ist Ausdruck des Pfarrzwanges298), der schon
zur Zeit Rcginos Gcftung erlangt hetz99). Unser Abt von Prüm
kann sich auf Kar1 d. Gr. berufen, der in seinem Kapitulare an die
den Geistlichen ebenfalls für die MeßPresbyter (Aachen
feier auf die Grenzen seiner Pfarrei beschränkt. Eine Ausnahine von
diesem Grundsatz läßt der Kaiser gelten, wenn sich der Pfarrer
gerade auf Reisen befindet.
293) Vgl. P l o c h l I S. 363.
#O4) A. 8. 0.
2 0 6 ) ZU dieser Sammlung und ihrer Bedeutung siehe n. a. E. S e c k e l ,
Ait. ,,Pseudo-Isidor" in: Herzog-Ilauck, Realenzyklopadie fur protestantischeTheologie lind Kirche, 3. Aiifl., 24 Bde., Leipzig 1896ff. (im folgenden
zlt: RE) Htl. 16 S. 26Eiff. (griiritlirgt~riti) I'locfil ! 7 408ff. uiiti F r i n c
S. 142ff.
298) Regino I 352.
207) Regino I 361.
208) Auch Pfarrbanii genannt ( P l o r h l I S. 364 und P l a d e . Klerus
S. 56).
Vgl. E b e r s S. 81 und F e i n e S. 171.
C. 9. [ W a s s e r s c h l e b e n gibt Ingelheim (806) an] = Regino 1 260.
Vgl. H e f e l e Bd. 3 S. 752 und B i n t r r i m , Konzilien Bil. 2 S . 330.
64
Die Pfarrvisitation ii;icli Itegino von Prüm.
Walter IIelIiiiger,
Wenn schon Messen außerhalb der Pfarrei verboten sind, ist es
nicht verwunderlich, daß der Pfarrer auch lieine fremden Pfarrangehörigen unerlaubt an seiner Messe teilnehmen lassen darf.
Regino, der dies in Sendfrage 48 ausspricht, sieht von der Einhaltung dieser Vorschrift ab, wenn die Fremden sich anläWljch
einer lteise in der anderen Pfarrei zur Messe einfinden. Im gleichen
Sinne äußert sich Kar1 d. Gr. in seinem Kapitulare an die Presbyter (Aacheii 809)301). Er gestattet auch dann die Teilnahme an
der Messe der fremden Pfarrei, wenn es der Heimatpfarrer erlaubt.
Wie der Pfarrer sich zwecks Durchführung des Pfarrzwanges verhalten soll, bestimmt dje Synode von Nantes (638 oder 895?j302):
An Sonn- und Festtagen hat er vor Beginn der Messe an die versammelten Gläubigen die R a g e zu richten, ob sich ein Pfarrangehoriger eines mdern Pfarrers in der Kirche befindet, der unter
Geringschgtzung seines eigenen Pfarrers nun hier die Messe mitfeiern will. Wird ein solcher ausfindig gemacht, hat der Pfarrci
ihn aus der Kirche zu weisen lind zur Ruckkchr in seine IIeiiristpfarrei zu veranlassen.
Aiisdriiclr des Pfarrzwanges ist es auch, daß kein Klerilier oder
Laie in einer fremden Kirche ohne einen Brief seines Bischofs,
der ihn dazu berechtigt, die Eucharistie empfangen darf, wie schon
die 1. Synode von Karthago (348j303)eingeschärft 1i;~t.Ganz entsprechend hat auch Papst Felix 11. (111.) in einem Brief an dir
Bischiife in Sizilien (488)304)verboten, dnW ein Bischof oder Presbyter einen fremden Büßer oder Rckonziliierten (Wiederaufge801) o. 8 ( W a s s e r s o h l e b e n gibt C . 7 von Ingelheiiil an) = Regino I 62
und 268 (beide gleichlautend). Vgl. H ef el e Bd. 3 S,762; B i n t e r i rn,
Konzilien Bd. 2 S. 330; F l a d e , Klerus S. 57. Ganz entsprechend haben sich
schon die Vater von Nantes (658 oder 895?) C. 2 geäußert (vgl. I I e f e l e
Bd. 3 S. 104).
502) C. 1 (hier koinmen nur dessen Satz I. und 2 in Betracht)
Regino 11
421 (Regino verweist a m Schluß von I 62 auf dieses Kapitel irn 2. Buch).
Vgl. aiich H e f e l e Bd. 3 S. 104 und P l ö c h l I S. 274.
308) e. 7 = Regino 1259. Vgl. H e f e l e Bd. 1 S. 633.
304) C. 9 = Regino I 313. Felix II., tler von 483-492
regierte, wird oft
f5lsclilich als F. 111. bezeichnet. Näheres über ihn siehe bei B u c h b e r g e r
B(]. 3 Sp. 99lf. (iinter „Felix"). Zii seiiieiii Brief vgl. Bihl. CI. ICirchenväter
(Tlii~lliofer) Bd. 6 = 60 S. 258---262 iiiid 273 (die hier wiedergegebeiie
Stelle).
-
55
nommenen) bei sich aufnimmt, ohne daß er ein entsprechendes
Schreiben seines eigenen Bischofs oder Presbyters vorweisen kann.
Auch der Z e i t p u n k t für die i\Iessc ist festgelegt. Nach SendFrage 30 hat der Visitator darauf zu acliten, da5 die Meßfeier nicht
vor der dritten Stunde stattfindet. Diese Formulierung läßt nun
dlerdings den Schluß zu, daB die Messe aiiclri zu einem beliebige11
späteren Zeitpunkt stattfinden darf. In Sendfrage 34305)lesen wii
jedoch, daß der Abt von Prum ,,zur festgesetzten Zeit, das ist
ungefähr um die dritte Tagesstunde", sie gehalten wissen will.
Eine spätere Stunde als die dritte - also nach unserer Zeitrechnung n a c h 9 Uhr300) -- kommt somit nicht ohne weiteres in Betracht307). Den Grund für diese Anordnung erfahren
wir aus P~eiido-Isidor~0~):
Zu dieser Stunde ist der Herr gekreuzigt
worden und ulxr die Apostel der Heilige Geist g e k ~ m r n e n ~ ~ ~ ) .
Ein anderer Zeitpunkt für die IleBfeier gilt nur an Weihnachten.
~ v osie ,,in der Nacht der heiligen Geburt" ~ t a t t f i n d c t ~ ~ o ) .
Der hohen Bedeutung dieser dritten Stunde entspricht es aircli,
wenn vor ihr Kleriker wie Laien keine MahIzeit halten durfenfill).
Daraus ergibt sich, d r ~ ß der zelebrierende Priester nuclitei'n
sein muß. Das ordnet auch Rcgino in Sendfrage 31 ausdri~cklich
an: Der visitierende Obere hat festzustellen, ob der Presbyter,
was fern sei, sich erdreistet, die Messe zu feiern, nachdem er
Von der iiiitcn iii ;tntlereni Ziisniiiiiieiiliiing tiie Rede sei11 wird (8. 66f.).
Nach der röinisclie!i Zeitrechiiiing, die aiicll hier in der Liturgie gebräiiclilich ist, begann tler Tiig riioigens uiii 6 IJhr. Die riiinische Zeitrecliriiing
koinmt aiich in den Nztineii der einzelnen Tagzeiteii des Stvriidongebetes ziirii
diisdruck. Davon wird iinteri noch die Rede sein (S. 105ff.).
3w) T h a l hof e r - E i s e n h o f e r Hd. 2 S. 263 erIrl3reii (Ii~zii,tlii.B die hoi;;
tertia iiiir fiir tlie sog. rnissa publica, die ijffeiitliclie Opferfeiei, zwiiigenc! vorgescliriebeii wztr. Privntrnessen diirfteil also a,iic,lizii aiitfeiei. Zeit gehalteil
werden. - Siehe auch F l a d e , Klerus S. 76f., der d:tr;liif hinweist, dall tier
FIaiiptg»ttesdic~iicttiri Sonn- lind Feiertagen iiiii 5) l'iir :ili;'.ei~:~ltena.c.i.doii
rnußte.
308) ICcgino 1 188.
309) Vgl. aizcli T h : i > l h o f e r - E i s e n h o f e r a. a. 0.
310) Siehe aiicli wieder T l i a l h o f e r - E i s e n l i o f e r ;I. ;i.0.
"l) Regino I 189 = I 66 der Collectio Martini Bracareiisis. Diese Sariimlung stammt von dem Erzbiscliof Martin voii Braga (520-.380). Näheres
iiber sie vgl. Pliiclil I S . 259. Zum Inhalt des I(apite1s vgl. P l a c l e , Gerriia,nen S. 21.
306)
m6)
57
Walter Hellinger,
Die Pfarrvisitatiori nach Regino von Priini.
Speise und Trank zii sich genommen hat. Schon die 3. Synode
von Karthago (397)312) hat dieses Nüchternheitsgebot erlassen;
sie hat aber auch den Gründonnerstag, an dem „das Mahl des
Herrn" gefeiert wird, als den einzigen Tag im Jahre davon ausgenommen. Da das allerheiligste Altarsakrament am Abend dieses
Tages eingesetzt wurde, ließ man in Erinnerung hieran auch zu
dieser Stunde die Messe feiern313), wobei ihr eine Agape, ein
Liebesmahl, vorausging314). Im übrigen aber ist die genannte
Synode recht streng. Sie erlaubt, falls der Priester nicht mehr
nüchtern ist, als Furbitte für am Nachmittag Verstorbene - selbst
wenn es sich um einen Bischof oder Priester handelt - lediglich
eine Feier durch Gebete. tfber das Ausmaß der Nüchternheit, wie
lange also der Zelebrant vor der Messe nichts mehr zu sicli nehmen
darf, läßt Regino uns leider nichts wissen. Wie Plöch1316) berichtet, ist diese Frage für die älteste Zeit ungeklärt, während sie
in den p~rtilrult~rrecl~tliclien
Quellen des fruhen Mittelalters ganz
vrrschicdeii bcaritwortet wird316).
Mit der Nuchtcrnheit v o r der Messe ist es aber niclit getan. In
dr>r bereits qenriniitrn Sendfrage 34 verlnngt Regino, da13 der
P1;hrrt.r nacli seiilrr zur dritten Tagesstunde zelebrierten Messe
iiocli bis zur Tagrsinittr nuchtern bleibt, iim mit Gästen und
Pilgern, die sicli ini Laufe des Vormittags etwa einfinden, das Me13opfei f ~ i e r nzu ko1inrri~~7).
IJnter den Quellenstelleri kommt dies
in den Capitula des Hinkinar von Reims zum Ausdruck31s). Unsere
Sendfrage zeigt aber auch, daß es dem Pfarrer im Zeitalter Rcginos
nur erlaubt, soriderii auch vorgeschricben war, a n ein und
demselben T:$ge unter Umständen mehrmals die Messe zu halten.
i)ie Bination, wie man dieses mehrmalige Zelebrieren nennt, mußte
&er, um MiBbräiichen zu begegnen, im Laufe der Geschichte
immer wieder eingeschränkt werden, so da0 zahlreiche Vorschriften
ubcr dieses Institut entstanden sind und man wirklich von einem
I3inations„recht" sprechen kann3l9).
Unser Abt von Prüm sieht sich weiter genotigt, nähere Ariordnungen zur G e s t a l t u n g d e r Meßfeier zu treffen. Es komilit
darauf an, daß der Zelebrant die vorgeschriebene Ordnung einIiält. Wichtig ist dabei, daß er die hierzu erforderIichen Gegenstande besitzt und sachgerriäß ver~~endet~20).
So hat nach Sxdfrage 68 der Presbyter sich zu verge\vissern,
ob der Pfarrer sich herausnimmt, ohne A l b e oder mit jener, dir
er täglich zu eigenem Gebri~iichbenützt, die Messe zu feiern3").
%LI dieser Vorsc,hrift bestand sicherlich genugend ilnlaß. Wie schoii
oben322)dargelegt, hat sicli die litiirgische Kleidung aus der profanen entwiclrelt. S h a l h o f e r - E i s e n h o f ~ r ~die
~ ~ sieh
) , ebenfiills
mit unsrrcr Seridlragr befassen3"), zielicn aus ihr folgerichtig drn
Schluß, daß diese vom Klerus auch im profanen Verkehr getragene
Albe „sich von dcr liturgischen nicht oder wenigstens nicht wesentlich
Bei dieser Sachlagr konnte ein Geistlicher
56
-
c. 29
Regino I 190. Vgl. G e o r g D a n i e l F u c h s , Bibliothek der
Iiirchenversa~iinilungen des 4. und 5. Jh.s in Ubersetzungen und Ausziigen,
4 Teile, Leipzig I'iBOff., 3. Teil S. 81f.; H e f e l e Bd. 2 S. 58 (die Stelle ist
als Beschluß tler Synode von I-Iippo (393) unter Nr. 28 der 2. Reihe aufgeführt;; die Beschlüsse dieser Syiiode wiirtlen aiif der 3. Synode von Kart1ii1,go
(397) verlesen, siehe FTefele a. ii.0. S. 64f.); T l i a l h o f e r - E i s e n h o f e r
Bd. 1 S.620.
313) T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 623.
314) P l ö c h l I S. 196.
316) A. a, 0.
31R) Brl. I S. 356. - Xiich für die Laien, wie man den Umständen nach
annelisnen muß, galt das Gebot der Nüchteriiheit, wenn auch die Quellen
es nur für die Klerilrei aussprechen (vgl. P l ö c h l I S. 196).
317) Vgl. hierzu F l a d e , Klerus S. 63 11. 65 sowie H i n s c l i i u s Hd. 4
8. 184 Ariiil. 6 lind P l ö c h l I S. 354f.
"la)
als) C. 9 = Regino 1 211 (2. Satz).
81%)Vgl. I l i n s c h i i i s Bd. 4 S. 184ff., P l ö c h l I S. 196 und 354 sowie
T l i a l h o f e r - E i s e n l i o f e r Bd. 2 S. 261f.
"O)
Der Visitator hat sich also auch liier iiiit Kultgegenständen zu befassen. Regino hat die diesbezüglichen Sendfragen wohl deshalb erst hier
iin 2. Teil der Senclfragen gebracht, weil er hesonderen Ntzclrdruck auf den
r e ~ h t m ~ ß i g eGebrhuch
n
der Sachen seitens des Pfarrers legen will nnd nicht
in erster 1,iriie irn Auge hat, o b sie iin Verriiögen der betreffenden T<ii.che
vorhanden sind iilid sich in eiriwandfreio~siZi~staildbefinden.
3a1) Vgl. F l a d e , Kleriis S. 66. Siehe aiicli Regino I 81.
3az) Bei den Vorschriften über die liturgische Gewandung; s. o. S. 37
Xnin. 203.
323) Bd. 1 S. 617 und 618.
3*4) Sie sprechen jedoch
wahrscheinlich auf Griind einer ander11 Textansgabe - von Sendfrage 66 (nicht 68).
326) Vgl. hierzu aircli Riich b e r g e r Bd. 1 Sp. 196f. (unter „Alba").
-
58
Walter Hellinger,
Die Pfarrvisitation ii;~chRegino von Prum.
50
natürlich leicht versucht sein, in seiner A l l t a g ~ a l b e ~
auch
~ ~ )den
Altardjenst zu versehen.
I n Sendfrage 32 läßt Regino den Visitator feststellen, ob der
Presbyter ein R a u c h f a ß hat und ein Rauchopfer bei der Messe
darbringt. Bereits in den Apostolischen
ist ausgeführt, daß hierzu an Früchten nur Oliven und Thymian328)vcrwendet werden sollen. Die Synode von Rouen (650)32Q)wünscht,
daß bei der Messe zum Evangelium und nach der Opferung die
Opfergaben zum Andenken an den Tod des Herrn beräuchert
werden.
Schon in den ältesten Zeiten war es üblich, daß dem Presbyter
in seinem Amt, vor allem bei der Liturgie, Gehilfen zur Seite
~tanden3~0).
Die meisten zählten zum Stand der Kleriker. In
Sendfrage 27 schreibt Regino zwingend vor, daß sich der Pfarrer
bei Meßfeier und Stundengebet einer solchen Hilfe bedienen rniiß.
Der Visitator hat festzustellen, ob er einen Kleriker hat, dcr die
Epistel oder Lectio (Lesung)331) vorliest und bei der Meßfeier
respondiert (die Antwortgehete spricht) sowie mit ihm die Psalmen
singt33"). Auch aus Regino I 210333)vernehmen wir, daß jeder
Presbyter, der eine Kirche innehat und die Seelsorge über seine
Gemeinde ausübt, zu Gesang lind Schriftlesung sich eines I<lerilrers
bedienen muW. Es wird von diesem Gehilfen aber auch verlangt, claß
er die „scholnU halten kann. Gemeint ist die in der Karolingerzeii
von kirchlicher Seite ins Leben gerufene und anfangs immer vom
Pfarrer selbst gehaltene Pfarrschule334), die naturlich in erster
Linie auf die Heranbildung dcs zukünftigen Klcrus abzielte. Dicscni
Zweck entsprach dann aucli der Unterrichtsstoff336). Vom Pfarrei.
wird in unserrn Kapitel demzufolge noch v~rlangt,daß er die
Pfarrangeliörigen ermahnt, ihre Söhne zur Kirche zu schicken,
damit er selbst sie den Psalter lehren
Warum für dir
Messe zum Respondieren ein Kleriker zur Verfügiing stehen muß,
erfahren wir aus Regino I 193337):ES sei sinnlos. wenn der Priester
gemäß den Gebetstexten spricht „Der Herr sei mit euch" odcr
„Erhebt die Herzen" oder „Lasset uns beten" 1isw.3~8),wenn
niemand antwortet und mit ihm betet. Es gehe auch nicht an,
diese Sätze, die sich an anwesendc Gläubige wenden, einfach ~ p g -
326) ES handelt sich iibrigens bei ihr uiii einen Vorläufer des Rochetts.
der seit dein 9. Jh. einen Bestandteil der ~ußerlitiirgisctienklerikalen Tracht
bildet. I-Ieiite darf clieses Gewand nur von höheren Geistlichen wie Bischöfen
iind Prälaten getragen werden. Vgl. aucli B i i c h b e r g e r Bd. 8 Sp. 926 (iinter
,,Rochettu).
527) C. 4 = Regino 165. Vgl. dazu Joli. S e b a s t i a r i V. I j r e y , Xeiie Untersuchungen über die Constitiitionen uncl Kanones der Apostel, Tübingen
1832, S. 365 lind 370 sowie I-lefele Bd. 1 S. 801, die daranf hinweisen, da13
es sich bei dieser Stelle um einen Zusatz aus späterer Zeit handeln miilJ.
Das dürfte zutreffen. Wie T h a l l i o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 391 mitteilen,
bieten die Apostolischen Konstitutionen eine vollstandige Liturgie, erwähnen aber nicht das liturgische Raucliopfer. Die Apostolisclien ITanones
bilden einen Anhang zii letztgenanntem Werk iind sind mit dessen Vollendiing um das Jahr 400 entstanden (vgl. E b e r s S. 27 und die dort genannte
Textausgabe von F. X. F u n k iinil iturli P l o c l i l 1 S. 103) D a r a i i ~lalit iicli
schließen, daß auch sie keine Uestliii~iiungenuber das Ilaucliopfer getioffeil
haben konnten.
32s) Für die Eiicharistie dagegen sind Ähren und Trauben vorgeschrieben.
829) C. 1 = Regino 1203. Vgl. H e f e l e Bd. 3 S. 97.
a30) Näheres siehe P l ö c h l I S. 64.
3s1) ES handelt sich um die Sehriftlesiing, die bei der Jleßfeier dem ersten
Evangelium vorangeht (vornehmlich aus Apostelbriefen oder aus dem Alten
Testament).
339Da die Stundengebete, von denen noch die Rede sein wird, sich ziim
großen Teil aus Psalmen zusam~iiensetzen,können niir sie geiiieint sein.
Vgl. auch F l a d e , Klerus S. 76.
333) IRegirio schreibt das Kapitel der Synode von Nantes zu. W a s s e r i c h l e b e n hat es jedoch unter den Beschlüssc~idieser Synode n i c l ~gefunden.
t
.4ls Beschluß von IVantes (895) ist sein Inlirrlt auch bei B u c l i h e r g e r unter
dem Sticliwort „Pfarrschule" i n Bd. 8 Sp. 197ff. aufgeführt,.
334) Vgl. B i i c h b e r g e r a. a. 0 . lind Bd. 9 Sp. 341 (iinter „Schiile").
Kar1 d. Gr. wollte von der weltlichen Herrschaftsordiruiig getragene Schiile~i
einführen, was ihm jedoch nicht mehr gelang.
396) Bei Biic h b e r g e r Bd. 8 Sp. 197ff. (unter „Pfa~rrscliuleri") wird aiif
einen Reschliiß vonVaison (529) - er ist von Regino nicht wiedergegeben -verwiesen, der es den Presbytern zur Pflicht machte, „Knaben im Psalmenxingen, in den kirchlichen 1,esiirignii iind im Gesetze des Herrn zii iinterrichten".
336) Vgl. F l a d e , Germ:tnen S. 81; er spricht dttvon, tiaW dio Eiter11 ihre
Kinder in die „Christenlehreu schicken sollen.
337) Auch dieses Kapitel weist Regino der Synocie von Nrtntes zii. W a s s e r s c hl e b e n hat es unter den Bescliliisseri dieser Syriode nicht gefiinden.
Aber die Reformsynode von Mainz (813) ha,t in c. 43 ihrer Beschlüsse eine
Anordnung gleicher Art getroffen. Vgl. I I e f e l e Rd. 3 S. 763.
"7 Hier niir kiirze. zusamrneliiassende Darstelliliig des Ka,pitela. Zii den
Einzelheiten vgl. dessen Text.
Die Pfnrrvisifntioii nacli Kegino von Pi'iini.
zulassen, Bei Strafe der Amtsenthebung ist es dalier jedem Presbyter geboten, zur Meßfeier Gehilfen zuzuziehen339). Daß der
Priester nicht für sich allein zelebrieren darf, wird auch in den1
bereits besprochenen Kapitel 1 351 brtont, das Pseudo-lsidor
entnommen ist340).
Seit altchristlicher Zeit legt die Kirche großen Wert dclrauf,
daß bei der Messe der versammelten Gemeinde das W o r t G o t t es
zu Gehör gebraclit wird. Deshalb hat - wie wir Sendfrage 33
entnehmen - der Bischof sich zu vergewissern, ob der Pfarrer
das Wort des Herrn dem Volke vorträgt. Zwar wird hier nicht
gesagt, wo und bei ~velcheinAnlaß dies geschehen soll. Es kann
jedoch, wie die in Reginos Werk aufgenommenen Quellenstellen
zeigen, kein Zweifel bestehen, daß der Priester sein Lehramt vor~l)
dtr Meßfeier ausubeii
nehmlich durch die P r ~ d i g t ~ während
soll. Nicht von einer innerkirchlichrn Autoritßt, ~ondernvon
Kaiser Karl d. Gr. stammen die einschlägigen Brlegstellen. Lii
seinen capitula missorum von ilachen (810)342) ermahnt er dir
Priester zur Predigt iiiid Brlehriing des ihnen anvertrauten Vollies.
Aiich sollen sir cls wegen der Sehiclisnlsschlage, von denen es
Ansständig betroffen wird, zii Almosen und Gebet
fulirliche Weisungen iiber den Inhalt der Predigt ertrilt Kaiser
Karl in seinem Kapitulare von 789344), dss an die in Anchen zn
riiirr Synode versainmelten Bischofr gericlitrt ist. Die Bischofe
haben darauf zu achten, dali dir Presbyter in den Pfarreien tlir
Glaubenswahrliciten unvtrfklsclit dern Vollie predigen und nichl s
Neues ersinnen, was im Widerspruch ziir Heiligen Schrift steht;
auch die Bischbfe selbst sollen nur lehren, was zum ewigen Lebcii
fiihrt. Sie sollrii ditl Gläubigen iiber die Diatur Gottes in den drri
Personen, dir Fleiscli\verdung. dir 1,eidensgeschichte und die Auf38e) Vg1. auch Flacle, Klerus S. 26.
340)Dip hltaidieriei, sriei~e.; i<leiikei otier L,tieii niannlicf~~n
Gesclilerlit\
wirken stellvertretend fiii (las Volk bei der Feier des Meßopfers mit.
341) Wahrscheinlich ~ n i voraiigehender
t
Veilesung des Evangeliuins.
342) C. 6 ( W a s s e r s c l i l e b e n gibt c. C> an) = Regino 1208. Vgl. B o l i m e ~
S. 202.
343) C. C> ( W a s s e r s c h l e b e i i gibt C. 4 an) = Regino 1207. Vgl. B ö l i i n e i
S. 202.
344) C. 81 = Regino I 204. Vgl. I-Ief e l e Rd, 3 8.670; B j n t e r i i i ~, Korizilien Bd. 2 S.260; Flride, Klerils R. 77.
61
erstelziing Christi sowie die Wiedererweckung aller Menschen beim
Jüngsten Gericht belehren. Es sind aber auch all die Sünden zii
nennen, welche ewige Verdammnis bewirken, z. B. Unzucht:
Schwelgerei und Zauberei. Wie Karl d. Gr. in dem uns schon
bekannten Kapitulare an die Presbyter (Aachen
befiehlt,
rniiß jeder Presbyter ein Verzeichnis der leichten und sch\~~ereii
Fehler haben, damit er erkennen und den Gläubigen einpräge11
kann, wovor sie sich zu hüten haben. Am Schluß des vorhin g(?nannten Kapitulare an die Bischöfe heißt es schließlich noch, da15
das Vollc zur Gottes- und Nächstenliebo zu ermahnen ist und ihm
Tugenden wie Demut, Geduld, Keuschheit und NiIdtätigkcit vor
Augen zu führen sind; aber auch an das Sündenbekenntnis, das
Gottes Verzeihung bewirkt, ist zu
Wenn der Presbyter zu so eingehender Belehrung der Gläubigen
verpflichtet ist, muß von den Gliedern der Gemeinde auch gefordert wordcii, clafi sie sich die Predigt anhören. Dcsht~lbvorIangcri dic Statlita ecclesiae a,riti~yua~~7),
daß jeder aus der Gemeinschadt ansgeschlossen wird, der während der Predigt die
Kircho verl:ißt.
Der Predigt folgt das gemeinsame G e b e t der versammelten Geineinde, zu dein der Presbyter aufzufordern halt. DiesePflicht wird
ihm zwar nicht in einer der Sendfragen auferlegt. Sie gelangt aber
in einem Bescliluß der Synode von Laodicea (zw. 343 und 381)348)
zum ilusdrucli, den li,egino in seine Sammlung aufgenommen
-.
346)C. 15 ( J V ; ~ s s o r s c h l e b e n gibt Ingelheim an) = Regino I 206. Vgl.
H e f e l e Bd. 3 S. 752 lind B i n t e r i n i , Konzilien Rd. 2 S. 330.
346) Noch C. 81 = Regino 1 205. Vgl. die unter Anm. 344 angegebene
Literatur. - Regiiio bringt i n dieseln Zusaininenhang noch eine ganz allgeineiri gehaltene Eriualinitng Ludwigs (1. Fr. an die Bischöfe, i n welcher
der Kaiser letztere anspornt, daraiif zu achten, daß die Priester ihre Geineindeglieder durcli Wort und Beispiel zu einem tugendsamen Lebe11 nnIt?iteri. 1':s ii:~ndeltsich iiin C . 4 eines i<npittii;lre von haehen a. (1. J. 825
(siehe nucli Anseg. C'apitiil. L. 11 c. 5j = Regino 1 209.
347)C. 31
12egino I 199. Vgl. F a c h s 3. Teil S. 466 und Hef el t:
Bd. 2 S. 71 [beide bringen die Stelle als C. 24 der angebliclien 4. Synode von
Karthago (398), als deren Besclilüsse die Statuta, ecclesiae nntirlua mitunter
fälschlich bezeichnt!t werden]. -- Vgl. zu dieser Quellensaminlung und ilirer
Entstehung Plöclil I S. 268.
348) C. 19 = Itegino I 191. Vgl. H e f elo
Rd. 1 S. 763f. uncl F l n d e ,
Klerus S. 78.
-
64
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüin.
Walter Hellinger,
vor dem Evangelium an liturgische Personen a ~ s z u h ä n d i g e n ~ ~ ~ ) .
Man muß demnach annehmen, daß Regino mit dem genanntrn
Zeitpunkt f i ~ rdie Opferung einverstanden war. Mit der Darbringung des Opfers verbinden die Spender den Zweck, sich aucli
speziell in d ~ Opfergebet
s
zu empfehlen369). In Sendfrage 75 erganzt Regino noch, daß jedermann lediglich eine Opfergabr fiir
sich und die Seinen zum Offertorium darbringen soll360). Auf
dir Oblationspflicht der Gläubigen wird auch in dern bereits361)
eingrliend belriandelten Kapitel I 68 verwiesen, wo an das Ecispiel
erinnert wird, welches das jiidisc,hc Volk gegeben hat3e2). Ausführlich regeln einige Kapitrl, von welcher Art die Opfergaben sein
müsspn ~ ~ wie
i dsie verwendet werden sollen. So bestimmt die
Synode von Worms (868)363), daß fur die Eucharistie nur Brot
und mit Wasser gemischter Wein Verwendung finden dürfen :
denn Christus hat nicht nur Brot lind den Kelch unter diesen1
Sakrament dargereicht. Daß der Wein mit Wasser gemischt werden
r n 1 1 ß ~-auch
~ ~ ) Senilfi'a-ge66 verlangt dics -, begriindet die Synoclr
368) Vgl. T h a l h o f e r - E i s e ~ i h o f e rBd. 2 S. 120.
368) Vgl, W e t z e r - W e l t e , Kirchenlexikon, 2. AufI. von H e r g e r i r ö t l i e r K a u l e n , 13 Bde., Freiburg 1882ff., Bd. 9 Sp. 627 (unter „Oblationenu).
360) Wie F l a t l e , Klerus S. 8 5 erläutert, sollte diese Vorschrift verliüten,
daß die Gläiibigen sich über ihre Verhältnisse hinaus verausgabten. Daß zu
großer Opferfreiitligkeit vorgebeugt werden inußte, erscheint mir aber doch
recht zweifelhaft, ziirnrtl seit dem 6. Jh. die bisher freiwillige A1ta)roblatioii
zur Pflichtabgz~he erklärt wurde. Vielleicht sollten sich nicht allzu viele
Einzeleben a m Altare häufen, so tlaß man ; ~ i i f ent,sprccliend wertvollere
Opfer jeweils einer Familie ~bzielte.Möglicli ist t~iich,daß die Ziisaiririiengehörigiieit der Fa,milienmitglieder betont werden sollt,e. Aiis den Qiielleristellen erfahren wir zur Auslegung dieser Sendfrage leider nichts.
361) Bei Kelch und Pateiie; s. o. S. 301.
382) Die Jiiden betr~itenden Tempel in .Jeriisaleiri nicht mit leerer I-Ianti
und legten auch Lkinkopfer dort nieder. Vgl. T h a l h o f er-Eiseriliof e r
Das lrirchliclic: 11bg:iLieBd. 2 S.119, wo ;IUF 1)t. 16, I G f . vorwiesen wirtl.
wesen tles cliristliclte~iAltertiinis hatte ganz allgenieiri seiriVorbilt1 in den
jüdischeii Teinpelsteiiern (vgl. P l ö c l i l I S.96).
"3')
C. 4 = Regisio J 67. Vgl. Fiefele Bd. 4 S. 369f. lind B i n t,orini,
Konzilien Bd. 3 S.163f.
'04) Über diese Frage Iixt iiiaii iiii 9. Jli. (wie übrigens auch zii anderer
Zeit) gestritten (vgl. B i n t e r i m , Konzilien Bd. 3 S. 239 und T h a l h o f e r E i s e n h o f e r Ud. 2 S. 113f.). Deslialb wohl aiicli die ausfiihrliche Begründung durch tlie Wormser Synode.
65
damit, daß das Wasser das Volk symbolisiert, welches gleichsam
durch die Vermischung mit Christus vereinigt wird. Ein Opfer von
Wein oder Wasser allein würde demnach bedeuten, daß Christus
ohne das Volk und das Volk ohne Christus bliebe. Einen weiteren
Grund erfahren wir aus einem Werk über die kirchlichen Dogmen,
das Gennadius zugeschrieben ~ i r d 3 ~ 6 ES
) . wird in demselben erinnert, daß bei Christi blutigem Opfer am Kreuze Blut wie auch
Wasser aus seiner Seite geflossen sind366). Die Apostolischen
KanoneP7), die auch schon davon ausgehen, daß nur Brot und
Wein für die Eucharistie in Frage kommen, verbieten ausdrücklich
jede andere Konsekrationsniaterie. Biscliofen wie Priestern droht
Absetzung, wenn sie etwa Honig, Milch368) oder Met369) statt
des Weines und von Geflügel, sonstigen Tieren oder Hiilsenfrüchten zubereitete Speisen statt des Brotes verwenden. In
Regino I 72370)wird verlangt, daß man die Opfergaben, wclche
auf dem Altar dargebracht werden, von Sonntag zu Sonntag erneuert, damit sie nicht dem Verderb ansgesctzt sind.
Was mit den Sponden des Volkes geschehen soll, hat auch eine
Regelung erfahren. Wenn die Gläubigen etwas zum Altare geben -
366) C. 42 = Regino I 348. Am Scliliiß von Kapitel I 67 verweist Regino
auf diese Stelle. - Geiinadiiis war ein Presbyter voii Narseille (gestorbe~i
zwischen 492 lind 503). Eines seiner Werke ist der Liber ecclesiasticoruni
dogmatum (Näheres siehe B u c h b e r g e r Btl. 4 Sp. 382 iinter „Gennadius").
ES konirlit ~ioclihiilzu, ditß inzm mit Sicherheit annehineii Itaiiii, tlaW
schon Christus zur Koiisekr,ztioii den Wein mit Wasser verniisclit hat (vgl.
T h a l l i o f e r - E i s e n l i o f e r Bd. 2 S.11Sf.).
Über d:~s Jfengenverhaltiiis
zwischen Wein iincl llrnsser bericlitct Regino nichts. Die Synode vor1 Tribiir
(8'35)Iiiit es I L U ~ Wein und % Wasser festgesetzt (vgl. B i n t e r i i i i , Konzilien Rtl. 3 S.?X2 iiiirl T l i a l h o f o r - R i s c n i i o f n r 1311.2 3. 116).
36')
C . 3 -: Ilegirio 1 64. Vgl. Ilel'el e Utl. 1 S . 800.
368) Daß hier hiilcli lind Honig genannt werden, hängt wo111 tfn,riiit ziisarriinen, daß diese Nalirungsinittel wahrentl der Ultesten Zeit irn Ritus
der Taufinesse eine Rolle spielten. In Bgyptcii wurde eine ;l.liscliririg davo~i,
die aiif der11 Altar geweiht worden war, dem Taufliiig iiaoll tler I<oininuiii«~i
gereicht (vgl. B u c l i b e r g e r Bd. 7 Sp. 183f. iinter „Milch").
360)Auch ,,Schorbetu genannt, Ist. sicera (siehe Sleuiner).
370)Nach W i ~ s s e r s c h l e b e niinbestim~rit~er
TIerkiinft.
5
Zeitschrift flir Rechtsgeschichte. T2XXIX. Kan. Abt. XLVIII.
Die Pfarrvisitatioli n:~ch Regino von Prüm.
so bestimmt Regl~io1ti3"l) -, soll es vom D i ~ i i c ? r ~~angeaommcti
~"
urid hinter dcii Altar gelegt werdeii37". 111 deii hpostolisclicii
Kanones374), deren Entstehung in die Zeit fällt, als iiocli dir
Gläubigen für die Mcßoblation sorgten, wird verlangt, da13 dir,
nicht zur Konseliration verwendbaren Gaben dem Bischof odci
dcn Presbyterri in ihr Haus uberinittelt und R E I C ~iinter
I
die Diakon(,
und iibrigen Kleriker verteilt urerden376).
Uber dic Verwandliing der Opfergaben in Christi 1:leirvli lind
Blut trifft ttcgino keine Anordnungen. In Sendfrage 43 wcndrt
(lr sich gleich dcm dritten Hauptteil der Meßfeier, dem Opfcrnialil.
zu. Der Visitntor hat zii erkuiidrri, ob der P r e s b y t e r dir $lrss(>
feiert, ohne dabei die Komrniinion zu empfange1137~).l>ieApostolischen Kanones377) drohen mit Aiisschluß aus der liirolilicheii
Gemeinschaft, wenn dies ohne triftigen Grund gescliicht. Aiic'li
Kaiser Karl d. Gr. veriirteilt in seinem Kapitulare an dip ßisclidft.
(Aachen 789)37" ein solches Verhalten und nimmt auf dic Apostolischen Ict~nonesBezug. Er fügt hinzii, daß der Priester in solchciii
Falle aiich nicht mit Recht beten kann: „Wir haben, o ltcrr, dip
.'779).
Auch dir Synodr von T%oiitlii
Salrramrnte empfmgcii
liegirio hat d i ~ sKapitel angeblich einem K~~pitiilare~,ntnoiiiiireii.
W:tsserschl e b e n Iia,t es iiirgeiids gefiinden.
"2) Dies ist tier Siibdinkon (vgl. H e f e l e Rrl. 1 S. 766f. bei r. 24 voii
i,aodicea).
3 7 3 ) ES w:tr in der späteren Zeit Brauch, da6 die Glaiibigen nicht riiehr
selbst zur 0pfeid;~rbringungan den Altar traten (vgl. T h a l h o f e r - E i s e n Iiof er Rd. 2 S. 123f.).
374)
h = Regino I 66. Vgl. Hef e l e 13d. 1 S. 801.
3 7 5 ) Den11 zu deren Unterhalt waren sie ja auch bestiiiliilt (Nliheres sielie
' I ' h a l l i o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 2 S. 119f.). Vgl. auch D r e y S. 366, der zri
iinserein Kauoii bemerkt, daß zur Aufbewahriing cler 0pierg:ibrii eigens
Speicher und Mttgazine erbaut werden inuliten.
370) Vgl. :iiicli F l a d e , Kleriis S. 79.
3 7 7 ) C. D = Ilegi~io1 194. Vgl. D r e y S. 2551. iiiid Hcf e l e Utl. I S. &J-.
"'1 c . 6 = Regino 1 197. Vgl. I-lefelo Rt1.3 S.665 iind B i n t e r i m ,
Konzilieii ß(1. 2 S. 236.
3 7 9 ) Geiiieiiit ist hier (las SchluWgebet nacli dem Empfang tlei. Iioiiiiriunioii, d:rs jetzt „Postcominunio'>eiiarint
wird. In1 Cregorin,~iisclie~i
Ordo begiinri sie iilit den von Icaiser Karl zitierten JVorteri (vgl. B i n t e r i m
it. n. 0.). Die lieiitigc I'ostcom~nnnio geliiirt zu den vcriinderliclien Teilen
tler Messc. \Tg!. aiich B1i c h b e r g e r Btl. 8 Sp. 397f. (iinter „Post,comiiii~riio").
67
(660)380) macht dem Priester den Kommunionempfang bei der
Messe zur Pflicht und verbietet vor allem, die heiligen Mystcrieii
Laien oder gar Frauen zu übergeben. Der Priester hat die Kommunion selbst zu empfangen und sie anschließend auch den Gliederii
seiner Gemeinde zu reichen. Er darf sie aber einem Laien oder einer
Frau nicht in die Hand, sondern nur in den Mund legen mit den
Worten: „Der Leib und das Blut des Herrn nütze dir zur Vrrgebung der Sunden und zum ewigen Leben." Was übrigbleibt,
soll er dem Dialion odcr Subdiakon übergeben381). All die genannten Qnellenstell~nund auch Regino lassen leider die Frage offen,
was den Priester hauptsächlich hätte veranlassen konnen, bei111
Zelebrieren vom Empfang der Kommunion abzusehen. Vielleicht
geschah es, um das rccht strenge Gebot der W u ~ h t e r n h e i t ~zu~ ~ )
umgehen. Denkbar ist aber auch, daß es mit der Bination zusammenhängt, die im Zeitalter Reginos noch nicht allgemein eingeschränkt
Bei mehrmaligem Zelebrieren an ein und demselben Tage mag mancher Priester aus Ehrfurcht vor dem eihabenen Sakrament sich gescheut haben, jedesmal aucli selbst dir
Eucharistie zu einpfangen. Schließlich ist aucli daran zu denken,
daß er durch irgendeinen Frevel sein Gewissen belastet hattc
und deshalb nicht wagte, bei der Messe, die er trotzdem nocli
zelebrierte, auch sclbst zu kommunizieren.
380) C. 2 = IZegino 1 202. Vgl. H e f e l e Bd. 3 5. 97 und H i n s c h i u s
Bd. 4 S. 64f.
881) Der BeschliiB von Rouen bekämpft also nicht nur, daß der Priester
sich vom Koiiimunionempfang aiisschlicßt. E r will auch verschiedenen
Sitten iind Gcbriluchoii begrgnen, die i n den ersten cliristlichen Jahrhunderten durcharis vorlierrsc~liendund ii,nerkannt waren. Dio Gläubigen n a h ~ n e n
damals von den konseltrierten Brote11 welche mit nach Haiise lind iiberbrachten sie a~iicli tlcricn, die zur eiicharistischen Feier nicht erscheinen
konnten. 1,etzteres witr allerdings eine der Hauptacifgabcn der Diakone
(vpi. P l ö c h l I S. 7Gf. iiiid 355). Aiicii Iirrrschte rrcbt Iitngi: dir Praxis,
tLii,B die Gläi~bigcndie Koiiimunion i n die Hand empfingen. Wie P l ö c h l
1 S. 365 bericlitot, .ircrscliwantl diese Sitte vom 8. J h . an.
Daß die Fro,ii
von litiirgischon IIandliingen ausgesclilossen ist, zeigen außer dein Synodalbc?scliluß nocli andere Vorsclrriften in Reginos Sammlung, die iins später
noch begegnen werden.
nesscn Ausmaß ober1 ringehend besprochen wiirde (s. S. 65fT.).
383) Vg1. PlÖehI 1 8.346. Von ihr war i n clicsrm Ahschriitt iiber dir Mrllfeier schon die Rede (s. o. S. 57).
68
Jlie Pfdirvisitation nach Regino von Prum.
Walter IIellinger.
Der Presbyter hat aber nicht nur die Pfliclit, selbst die Eucharistie zu empfangeii, er muß auch dafür sorgen, da8 das Volk
ebenfalls in dieser Beziehung seine Pflicht erliillt. Deshalb ist wie wir Sziidfrage 60 entnehmen - bei der Visitr~tionfestzustrllen, ob der Presbyter die G l ä u b i g e n ermahnt, zu den drci
Hauptt'estzeitcn des Jahrcs, d. 11. an Weihiiachten, Ostern uiid
Pfingsten, sich zum E m p f a n g d e s L e i b e s u n d B l i i t e s des
Herrn einzuf inden384)
Ganz entsprechend schreibt aucli die Reformsynode voll Tours
(813)3a5) vor, dalS die Laien, wenn schon nicht häufiger, so doch
weiiigstrns a n diesen drci Hoclifesteii die Kommunion empfangen;
dies gilt aber nur dann, wenn ihr Gewissen nicht durch s c h ~ ~ l e r e
Sünden belastet ist. Regino fuhrt aber auch Vorschriften aus
älterer Zeit an, die erheblicli strenger gehalten sind. 1)ie Apostolisclien Kanones386) und dir bereits bekannte Synode von Antiochien aus dem 4. Jh.387) bedrohen jeden mit Ausschluß aus der
kirchlichen Gemeinscliaft, der zwar an der eucharistischen Feier,
aber nicht a n der gemeinsainen Kommunion teiliiimmt. Dies entspricht gtmz der Auffassung, die in der alten Kirche bezuglicli
der cominunio herrschte. „Sie war niclit nur die Verbindung mit
dem mystischen 1 , ~ i bChristi, sondern auch der sichtbare Ausdruck
der kirchlichen Gemeinschaft. Wer zu ihr gehörte, nahm an der
Eucharistie teil lind empfing die Eucharistie, die ,Kornrriunioii'."
So erklärt uns P1 ö c h 138a)das Wesentliche in prägnanten Worten.
).
ge4) F I a d e , der sich in Klerus S. 82 iiiit dieser Sendfrage befaßt, hebt
hervor, d,iW der Presbytei sich dabei nicht ctwa auf eine offeritliclie Ansage
nach der Predigt zii brcchranken hatte.
386) C. 60 = Regino I 334. Vgl. IIef e l e Bd. 3 S. 764. P l o c h l I S. 197
zitiert fur dieses Gebot, das in jcnrn Jahrhunderten ofters eingescharft
wiirdr, r. 1 8 der Synotle von Agdr (606).
386) C. 10
R C S I I I1~ 195
C. 2 der Synode von 341 (in enc~~eniis) Regino 1 196. Vgl. llef e l ~
B(1. 1 5. 514 lind Gt.rhar d I t a i i s c l i e n , Eiicliariitie und Biißsakr,inicnt
in den eisten scclls Jalirliun(1eitcn der Tiircfie, Freibiirg 1910, S. 136.
388) Bd. I S . 57. S i ~ l i ci1lit~J1 (1ie Ahlinndliing 1ibt.r (1:~s Tlirnia .,Die
IIdiifigkeit dcs I ~ o n i r i i u r i i o n c ~ i i ~ p f ~ ~ bei
~ ~ g cTlial
~ i " h of e r - E i s e n h oi e r
Bd. 2 S. 344ff. unil dir entspreclientien Alisfiihriingon bei R a u s c h e n
S. 130ff. - Eincii geschichtlichen Abri5 i ~ b e r ciic Kommunionpflicht
liefrrt aiich H i n s c h i i i s Bd. 4 S.70ff
-
69
Aber schon im frühen Mittelalter war diese schöne Sitte im Verschwinden, und die liirchliche Autorität hatte allen Anlaß, zu
häufigerem Empfang der Eucharistie zii mahnen3aB). Gennadius
verlangt in seinem Bilch der Dogmcn330) die sonntägliche Kommunion lind lehnt es gleichzeitig ab, den täglichen Koniinuilionempfimg zu l o h n oder zii tadeln. Wer nicht gerade eine todbringende Stinde auf sich geladen h a t iind fur die Zulruiift jede Sundc
meiden will, soll mit TrLnen iind Gebeten Cenugtuiii~gIcistei~uiid
dann iin Vertr;~uciiaiif des Herrn Barmherzigkeit ruhig und sicher
am Opfermnlil teilnehincn. Aiigustinus Uberläßt es in einem Brief
~ l ) pflichtgemäßen Ermessen eincs jeden Chria n J a n u a r i u ~ ~dein
sten, ob r r taglicll oder weniger oft lromrnuiiizieren will. Auch in
der Saininliing des Aiisegis von li'ontanella392) wird zuni Konimunionempfaiig cieriiuntert, und die Reforinsynode von Chnloris
(813)393) ~ ~ a r i einerseits
it
davor, den Empfang der Eucharistir
griindlos hinauszuschieben, andererseits aber auch, es unvurdig
xii tun und dadurch swigr Verdammnis auf sich hcr;thzuziehen.
Hier wie auch in Rcgiiios Kapitel I341 394)ist vorgeschrieben, sich
einige Tage vor Empfanq dieses so erhnb~neiiSakramentrs des
ehelichen Umgangs zu enthalten395). Einer solch Iiolicn Auffassung entspricht es z~ucli,wenn ein dem Becla Venerabilis zugc-
389) Wie U r ~ yS. 255 zii dem 10. Apostolisclien Kanon ( - Regino I
196) ausführt, verliellen manche Gläubige schon riacli dem Lesegottesdierist
iiiit den Büßern die Kirche, weil ihnen die Liturgie zu lange dauerte.
Der anfängliche Eifer der Christen hatte damals sclion erheblich na,chgelassen.
390) C. 23
IKcgino 1 329.
391) C. 3 (Brief 118) = Regino 1 330. Vgl. Bibl. (I. Kirchenväter (Thalhofer) Bcl. 7
12 S. 227f. und 229f. Uber die Person des Januarius wird
hier niclits gt:sagt. R ~ l i0 t t o B a r d e n h e \ v o r , Ceschicht,e der. nltctirisl!ichr~ri
Literatur, 6 Bdc., 2. hufl., IPreiburg 1'313ff., Bd. 4 8.49'3, wo von d.eii
Briefen Augustins gesprochen wird, ist die Retlc von einem afrikanischen
Presbyter Jariuariariiis.
3g2)Biicli 2 Kap. 132 Rcgirio 1332.
"3)
C. 46
Regino 1333. Vgl. H e f e l e Rtl. 3 S. 766.
3u4)Die Ilerkunft der Stelle bezeichnet 'iT'asserschleben als iirihestimmt. Rogino hat Ircirieii JIiii~veisgegeben,
V;$. aiic11 Plöclil I S. 355 iintl R a u s c l i c n 8. 146.
--T
-
-
71
Walter Hellinger,
Die J'farrvisitiition iiiicli Begino von Priiiii.
schriebenes Bußbuch3Q6)harte Biißen397) vorsieht, falls jemand
infolge Trunkenheit oder Gefräßigkeit die Eucharistie
Ist die Kommunionausteilung an die Gläubigen beendet, kann
es sehr wohl sein, daß von den konsekrierten Opfergaben noch
welche übrig sind. Auch an diese Möglichkeit hat Regino gedacht.
In Sendfrage 67 läßt er den Visitator überprüfen, ob der Presbyter nach Schluß der Messe den Rest des Leibes und Blutes des
Herrn mit Ehrfurclit und Ehrerbietung genießt399).In einem Kapitel bei Pseudo-Isidor400) wird dies als Pflicht der Kleriker bezeichnet. Auch wird ihnen geboten, nicht unmittelbar darauf
andere Speisen zu sich zu nehmen, die dann mit der Eucharistie
vermischt würden. Sie sollen vielmehr bis zur 6. Stunde (Mittag)
bzw., wenn sie die restliche Eucharistie erst zur 3. oder 4. Stunde
zu sich genommen haben, bis zum Abend fasten. Die genannte
Sendfrage hält den Priester auch dazu an, falls er keinen Diakon
oder Subdialron hat, den Kelch und die Patene selbst mit eigener
Hand abzuwaschen und n b ~ u t r o c k n e n ~Erwähnt
~~).
sei schließlich
noch, daß in Kapitel I 129402) dem Priester streng verboten wird,
für die Spendung der Kommunion sich etwas bezahlen zu lassen.
Bis weit ins Mittelalter lierrsclite am Schluß der Blesse ein
Brauch, auf den Regino in Sendfrage G3 hinweist. Der Visitationslierr hat sich zu vergewissern, ob der Presbyter von dcn Opfergaben, die vom Volke an den Sonn- und Feiertagen dargebrt~clit
werden, die E u l o g i e n nach Ende der Messe an die Gemeinde aus-
teilt. L)ie Synode von Nantes (658)403)weist den Presbyter an, die
nicht konsekrierten Brote sorgsam zu sammeln, um sie dann nach
Schluß des feierlichen Meßopfers, in kleine Stüclrchen geschnitten,
an diejenigen Gläubigen auszuteilen, die am eucharistischen Opfermahl nicht teilgenommen haben. Es handelt sich also bei den Eulogien - so nennt man diese Gaben - um ein „Surrogat fiir die
K o m m ~ n i o n " ~ ~Vor
~ ) . der Austeilung hat der Presbyter ein
Segensgebet über sie zu sprechen, dessen Wortlaut in dem Beschluß von Nantes ebenfalls festgelegt ist. Dieses gesegnete Brot so heißt r s darin - möge allen zum Heile an Leib und Serle gc-
70
aQ6) C. 20 = Regino I 151. W a s s e r s c h l e b e n bezeichnet dieses Werk
als „Poeiiitentiale Darmstadiensis" und begründet in seinen „Beiträgenu
S. 124f. eingehend, warum Beda (der von 673-735 lebte) als Verfasser in
Betracht koinint. Der Ursprung des Werkes i s t aber bis Iieut,e zweifelhaft
(vgl. P l ö c h l I S. 404).
387) Die Bußzeit beträgt (nach diesem Biißkanon) 40, für Priester 70
lind für die Bischöfe sogar 90 Tage. Geschieht es infolge Krankheit, ist eine
Buße von 7 Tagen liillig (Erfo1,:sliaftiing). Vom Blißweseii wird iintrn noch
die ILede seiii.
Sielic auch F l a d e , Germanen S. 84.
3g8) Siehe auch F l a d e , Klerus S. 79.
400) Regino 1331. Vgl. F l a d c , Klerus S. 79.
*01) F l a d e , Klerus S. 73 hebt hervor, daß hierzu besondere Trockentücher vorgesehen sein mußten.
402) Das innerhalb der Vorschriften zum Hegribiiisreelit aufgeführt isi'
lind bei ciessen Bcsprechiing näher betrachtet wird (s. U. S. 10lff.).
- ....--
.--
408) C. 9 = Regino I 342. Vgl. Hef c l e Bd. 3 S. 105. W a s s e r s c l i l c b eil
weist darauf hin, daß sich i n C. 7 der Capitula des Hinkina,r von Reims ein?
ganz ähnliche Vorsclirift findet.
404) T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 2 S. 113f. Uber das Wesen der Eulogie
vgl. außerdem deren Bd. 1 S. 656, R a u s c h e n S. 140f. und B u c h b e r g e r
Bd. 3 Sp. 884 (unter „Eulogie"). - F l a d e , der sich in Klerus S. 79 ebenfalls mit der hier i n Frage stehenden Anordnung befaßt, erhebt unter
Bezugnahme auf sie gegen Regino den Vorwurf der Inkonsequenz und behauptet, daß der Abt von Prüm „zwar fleißig sammeln, aber keine Einheitlichkeit der Gesetze erzielen konnte". E r stellt darauf ab, daß mehrere
Kapitel des Quellenteils unter strenger Strafandrohung regelmäßigen
Kommunioiiempfang bei jeder Teilnahme a m Meßopfer vorschreiben.
während niin hier die nicht kommunizierenden Gläubigen, die doch vorschriftswidrig handeln, sogar mit der Eulogie bedacht werden sollen. Was
F l a d e hier vorbringt, hält jedoch einer genauen Nachprüfung nicht strtnd.
Er achtet nämlicli nur auf den Inhalt der einzelnen Quellenstellen und berücksichtigt nicht, daß sie ganz verschiedenen Zeitabschnitten angeliören,
in denen unterschiedliches Recht gegolten hat. Wenn Regino eine Norm
iinführt, die einen überholten Rechtszustand widerspiegelt, will er damit
riiir einen bestimmten Grundsatz im allgemeinen - hier z. B. die Koininunionpflicht als solche - betonen, nicht aber veraltetes Recht wieder
aufleben lassen. Was Regino für seine Zeit als Recht betrachtet, läßt sicli a,us
den Sendfragen oder den Uberschriften entnehmen, die er den einzelnen
1Z:~piteln hinzugefügt hat. Invrie\veit fiir sein Zeitiiiter eine I'fiiaht ziirii
Roiiirnoiiionernpfa~~gbestand, ergibt; sich aiis Soiidirage GO (niiinliolr
dreiinal i ~ nJahre). Dieses Gebot steht itber gewiß iiiclit in1 Gegensatz zu
(lern, was die Sendfrage 67 über die Austeilung der Eulogie sagt. Wariim
sollten auch die Gläubigeil, die ihrer IZoinmui~ionpflicht wenigstens in1
reclit,lich gebotenen Umfang nachkommen, nicht Empfiinger der Eiilogie,
der ,,Ersatzkoinmiinion", sein dürfen, wenn sie ohne Teilnahme an1 eucharistisc,hen 0pferin;~hl der Messe beigewoliiit habeii? Vgl. dazu. auch die
~ri~ndsitzlicheii
Aiisfüliriirigei~in der TCinleitiing (S. 4ff.).
72
Die I'farrvisitation nach Regiiio von Prüm.
Walter Hellinger,
reiclien und ein Schutz gegen Krankheit und feindliche NachstelIiingeii sein.
Regino erwartet auch von den Gläubigen, daß sie die Kirche
nicht vor Ende der Meßfeirr verlassen. Er bringt dies in seiner
uberschrift zu einem Beschluß der 1. Synode von Orleans (511)406)
zum Ausdruck, der sich mit dieser Angelegenheit befaßt und Gleiches wir Regino gebietet. Die Synode fügt hinzu, daß das Volk
ilm Schluß noch den Segen des Priesters, falls der Bischof nicht
gerade anwrsend ist, empfangen ~011406).Die Apostolischen Kanones
ermahnen, bis zum Ende der Messe4o7)standhaft im Gebete zii
verharren, und in der Kiipitulariensammlung drs A n s e g i s ~ s ~ ~ ~ )
heißt es, daß dir Gläubigen das Schliißgebet abwarten sollen.
Plochl"9) fuhrt in seinem Werk einen Beschluß der Synode vor1
Agde (606) an, dcr den Gläubigen das Vrrlassen der Kirche vor dein
Sclilußsegen verbietet, und folgert daraus, daß seit damals fiir die
Gläubigen eine Pflicht zum Besuch der Soniitagsrnesse
Dieser Scliluß ist berechtigt und kann aiis dem Inhalt der ähnlich
lautenden Qucllenstelleii, dir Kegino in seine Sammlung aufgenommen hat, ebenfalls gezogen werden. Ausdrucltlich g e n ~ n n wird
t
*Os) C. 26 (nach W a s s e r s c h l e b e n c. 22) = Regino I 198. Vgl. H e f e l e
Bd. 2 S. 664.
406) R a u s c l i e n S. 137 erwähnt, tlaß in Gallien es so weit kam, cien SchlußSegen gleicli nach dein Meßkanon oder Vaterunser zii erteilen, „d:~niit die
vielen, welche vor der Kominiinion die Kirclie verließen, nicht oline Segen
schieden".
407) Da hier die Bezeichniing „niisst~", die irr1 4. Jh. iiii Abendland aufgekommen i s t und zum ersten Male in einem Brief des A~nbrosiusauftaucht
(vgl. P i ö c h l I S. 195), verwendet wird, dürfte es sich bei diesein Teil des
Kanons urn eine nachtraglichc Eirifügung Iiandeln. Dies hat : ~ u c hW a s s e r s c h l e b e n in seinem Text deutlich geniaclit.
408) Bilch 2 Kap. 132 = Regino I 332. Auch dieses Kapitel wiirde im
%u.samincnliang rnii, der I~oniiuiiiiionpflicht~
sclioii genannt.
*Og) Bd. I S. 195.
*I0) Er will damit wolil sagen, daß das Gebot, bis zuin Schliili der Messe
in der liirclie zu verweilen, nur dann eixieri Sinn hat, wenn überht~upteine
Pflicht ziiiii Besuch der Meßfeier statuiert ist. Eine solche ltommt der gescliichtlicheri Entwickli~ngrinch niir fiir den Sonntag in Frage, da lange
Zeit bloli :tn ihr11 eine für das Vollc bestiinnite eiicliaristisclie Feier stattfand
(siehe hierzii auch B u c l i b e r g e r I3d. 7 Sp. 124 unter ,,3lesse" iintl Bti. 9
Sp. G68 unter ,,Sonntag").
73
diese PIlicht in einem später zu erörternden Kapitel411), das den
Gläubigen gewisse Arbeiten für den Sonntag untersagt und sie
anhält, statt dessen der Sonntagsmesse beizuwohnen. Wie es die
Kleriker in dieser Hinsicht halten sollen, vernehmen wir aus einem
Beschluß einer Synode von Toledo (400)412). Sie sind - auch
wenn sie auswärts weilen und sich dort eine Kirche befindet -sogar zum täglichen Besuch der Opferfeier verpflichtet und werden
aus dem geistlichen Stand ausgestoßen, falls sie säumig sind iirid
sich durch Strafe nicht bessern lassen.
Auch die Frage, ob bei der Messe oder sonstigen gottesdienstlichen Handlungen die Gläubigen stehen oder knien sollen, ist bei
Regino behandelt. Das Konzil von Nicaea (325)413) ordnet im
Interesse einer gleichmäßigen Übung an, daß an den Sonntagen
und in der Zeit von Ostern bis Pfingsten stehend gebetet wird.
Unter Hin~vcis auf Tertullian berichtet Hefele414), daß die
stehende Körperhaltung an diesen Tagen ein Symbol sein sollte
fiir die Auferstehung Christi, durch welche die Mcnschheit wieder
aufgerichtet wurde. In Regino I 39I4l6) ist dieses Gebot ebenfalls
~ntlia~lten.
Ergänzend wird ausgeführt, daß in der Quadragesima
und während der Quatembertage nur bei der feierliclien Messe,
sobald der Diakon dazu auffordert416), die Knie zu beugen sind.
Es soll aber niemand wagen, beim Gebet nur das eine Knie zii
beugen; denn dns haben die Juden getan, dio dcn Herrn bei seinem
Leiden verhiiliritcii. Es rniisseii also beide Knie dcn Roden heriihrctn.
Mit der Teilnnhme ain Meßopfcr hängt eng zusaiiiinen, wa.s
Regino in St:ndfrirge 72 vorschreibt uiid bei der Visitation überpriifcii Iiißt,: Iler Pfarrer hat zu ermalincn, daO dio Frti3iic~n
iiicht
in dcr Vorhallo der Kirche singen oder den Cliorgestbng bcstrciten;
sie sollon vielmehr das Innere der Kirclie betreten 1111d sch~~eigciid
das Wort des Herrn hiireii. Flade417)h i n g t diese Seiidfragr rnit
tlcn Kapitrlii T 392 rilid 393 i n T3czic21iii1g i i n d Irgt sic so iiii?. als
Regiiio 1 386 (s. U. bei Belitiritlliirig der Seiitlfrage 71).
5 = Iiegino I 184. Vgl. I I e f e l e Bd. 2 S. 78, Fiiclis 2. Teil 5. 570
iiiid G:i rns Bd. 2, 1 S. 390.
413) C. 20
Regino I 390. Vgl. IIcf e l e Bd. 1 S. 430f.
414) A. R . 0.Näheres siehe dort,.
*I6) Nach \ Y ; ~ s s c r s c l i l e b e r iuiibestimrnter Herkunft.
'I1)
"12) C.
-
74
Uie Pfarrvisitation iiilcli ltegino von Priliri.
W ~ l t e rHelliriger,
ob Regino hier das Absingen heidnischer oder unanständiger Lieder
bekänipfen wollte. Es ist aber meines Erachtens verfehlt, die
Sendfrage in solcher Richtung zu deuten. Eine Quellenstelle, die
im Wortlaut oder wenigstens im Inhalt mit ihr übereinstimmt und
näheren Aufschluß geben könnte, ist nicht vorhanden. Einen
Anhaltspunkt für die Auslegung bietet jedoch Reginos Kapitrl T
280, das sich init den Bittprozessionen befaßt und unter anderem
verlangt, daß auf keinen Fall die Frauen dabei die Chöre gestalten41s). Es liegt nahe, hier wie bei Sendfrage 72 an den althergebrachten kirchlichen Grundsatz „mulier taceat in ecclesiaR419)zu denken. Die Frau ist von der priesterlichen Lehr- und
Weihegewalt ausgeschlossen420) und darf somit auch keine liturgischen Funktionen ausüben. Als ein ministeriiim ecclesiasticum
betrachtet Regino aber auch den Chorgesang und hält Frauen von
ihm fern421).
2 . Die Sakramenten~pendung~~~).
Was Regino bezüglich der Spendung des allerheiligsten Altarsalrramentes bri der Visitation am Herzen liegt, wurde bei der
Darstellung seiner Vorschriften zur Gestaltung der Meßft''Irr soeben mitbesprochen. Von den andern Sakramenten sind bei ihm
nur Taufe, Buße und die Sterbesakramente Gegenstand der Pfarrvi~itation4~3).
a) Die T a u f e .
Nach Sendfrage 53 hat der Bischof zu überprüfen, ob der Presbyter gleichgültig tauft. Was er bei der Verwaltung dieses Salrrainentes gewissenhaft zii beobachten hat, ist bri Regino eingehciicl
418) Es sind sogar die gleichen lateinischen Worte wie i n Sendfrage 72
gewälilt.
41°) 1. Kor. 14, 34.
4")
Vgl. H i n s c h i i i s ßd. 1 8. 8 Aii~n.8 und U i ~ c l ~ h e r g Btl.
e i 4 Sp. 143
[unter „Frauu).
421) Vgl. T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 1 S. 272. - Daß Frauen aucli
nicht als Altardiener i n Betracht kommen, wird später ausgeführt werden,
wenn von den hmtsverfelilungen des Pfarrers gesproclien wird.
d22) Z u m Sakramentenrecht i n seiner gescliichtlichen Eiitwiclrliiiig vgl.
hier vor allem P l ö c h l I S. 70ff., 190ff. und 350ff.
a 8 )Daß der Bischof bei der Visitation ;ruf richtige Sa~kr;~iiientenspetitlrtri~
zii achten hat,, hebt P l ö c h l I S. 191 hervor,
75
geregelt424).Einer der Apostolischen Kanones425)verlangt, daß die
Taufe im Namen der Dreifaltigkeit erfolgt426).Wer nur auf eine
der drei göttlichen Personen tauft, wird seines Amtes enthoben.
Der folgende Kanon427) gebietet bei gleicher Strafandrohiing für
den Taufakt ein dreimaliges U n t e r t a u ~ h e n ~des
~ ~Täuflings
)
und
wendet sich gegen eine damals verbreitete Sitte, es init einmaligem
Untertauchen bewenden zu lassen429);letzteres bedeute nämlich,
wie zur Erklärung ausgeführt wird, daß allein auf den Tod des
Herrn getauft werde, während aber Christus im Gegensatz hierzii
die Taufe auf den Namen aller drei göttlichen Personen befolilcii
habe, mit den Worten: Gehet hinaus und lehret alle Völker, taufet
sie „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Gei~tes"*~O).
Vgl. auch die ausführlichenDarlegungen bei H i n s c h i u s Bd. 4 S. 23ff.
49 = Regino 1265. Vgl. H e f e l e Bd. 1 S. 816.
Auf dieses griindsätzliche Erfordernis weist auch P l ö c h l I S. 361
hin. - Zuin geschichtlichen Hintergrund des Kanons führt D r e y S. 262
in etwa aus: Die Taufformel stand von Anfang an fest; denn Christi Vorschrift für die Taufe enthält schon die Form des Ritus. I n der Folgezeit
bedienten sich aber verschiedene Sekten einer anderen Taufformel, so daß
die Kirche den schon bisher beobachteten Brauch als Gesetz erneut verankern mußte, ,,um die schon längstens stehende Forniel gegen jede Abänderung siclierzustellen".
427) C. 60 = Regino 1266. Vgl. H e f e l e Bd. 1 S. 816.
428) ES wird also hier noch die sog. Imn~ersionstaufeverlangt, die erst
i m späten Mittelalter durch die sog. Infusionstaufe, welche ein bloßes Übergießen mit Wasser zuläßt und zuvor iiii Abendland nur in besonderen Fallen,
z. B. bei der Krankentaufe, Anwendung fand, vollständig abgelöst worden
ist. Vgl. dazu T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 2 S.302, P l ö c h l I S.70und 73
(der hier erwähnt, daß im Abendland bei der Iin~nersionstaufenicht vollständig untergetaucht wurde) und B u c h b e r g e r Bd. 9 Sp. 1009 (unter ,,Taiife").
429) Wie P l ö c h l I S. 190 ausführt, galt es dainals, die Taufordnung der
Eiinomianer, einer arianischen Sekte, zu bekämpfen, die einmaliges Untertauchen für richtig hielten.
430) Matth. 28, 19. - D r e y , der sicli auf S. 361ff. mit der Bedeutiing des
ilreiniiiligeii Untertauclieris befaJit, berichtet, dalJ schon in der iilteste~aZeit
auf diese Weise getauft wurde lind dafi viele den Ursprurig dieser Sit,te
„von der Tradition, d. h. von der anfänglichen Einrichtung der Apostel",
a,bleiten. Dieses dreimalige Untertauchen sollte die drei göttlichen Personen
versinnbiltlliclien. Näheres sielie a. a,. 0. --Bei der Tailfe erfolgte aiicli
eine Salbung mit Chrisma. Was Regiiio darüber bringt, wird in] ZusammcnIiarig mit den Vorschriften, welche die heiligen Ole betreffen, wiedergegeben
( 5 . U., wo von den Sterbesakramenten, insbesondere von der I<ra.rikenöliing,
tlie Rede ist).
424)
426) C.
77
Die Pfarrvisitation nach Regino von Priim.
Als Ort der Taufe bestimmt die Synode von Meaux (845)431) die
Taufkirche iin Kirchenzentruni und gestattet nur eine Ausnahme
in1 Falle von Krankheit und sicher festzustellender Not. Wie Regiilo
in Sendfrage 54 und Hinlrmar von Reims in seinen C a p i t ~ l a ~ ~ ~ )
übereinstimmend anordnen, mu15 sich der Presbyter dazu eines
Taufsteins oder, falls ihm ein solcher ermangelt, eines andern
eigens dazu bestimmten Gefäßes bedienen, das zu keinem sonstigen
Zweck Verwendung finden darf433). Als Zeitpunkt für die Taufe
geben Papst Lco I. in seinem Brief an alle Bischofe Siziliens
(447)434) und die Wormser Synode von 868435) das Oster- und
Plingstfest a11436). Es hängt, wie Papst Leo ausfuhrt, mit der ,,bc1deutungsvollen lind begründeten Ausnahmestelliing des vorzugliclisten und wichtigsten Sakramente~""~)zusammen, dnß geradc
diese höchsten Feiertage dazu reserviert sind. Die. Worniser Synod(.
läßt bei Todesgefahr, damit die betreffende Seele nicht Iur dic
Ewigkeit verlorengeht, die Taufe auch zti aridrreni Zcitpiiiikt
zii, und Papst Leo nennt außerdem noch Belagerung, Verfolgung
und zii befürchtenden Schiffbruch als Ausnahmefall. Die Sorge,
daß niemand vor der Taufe stirbt, wird auch in Sendfrage 21
laut: Der Visitator hat vor allein zu erlitinden, ob durch Naclilassigkeit des Priesters irgendein Kind in dcr Pfarrei ohnc Tnufr
gestorben ist43s).Das angeblich von Ueda stammende B1113buch~~~)
unterwirft jede gebärende Frau, dir ihr Kind infolgc Nachlässigkeit ohne Taufe hat sterben lassen, einjähriger Kirchenbuße und
zitiert jeden Priester, der zur Taufe eines Kindes gerufen wird iind,
ob~vohler zuständig ist, der Aiiffordrrung nicht naclikomnit, vor
..~
431) C. 48 = Regino 1273. Vgl. H e f e l e Bd. 4 S. 116. Zum Ort der Tiiufe
in dniiiiiliger Zeit vgl. auch P l ö c h l I S. 191f. iind 350 sowie F e i n e S. 166.
432)C. 3 = Regiiio I 80 und 274 (Regino Iii~tdieses Kapitel Hiiikinars
zweimal wiedergegeben, allerdings iiiclit ganz irn selben Wortlaiit).
4")
Sielie arrc'ii F l a t l e , Iilal.iis S. 73.
4w) C. 5 = ltegino I 267. Vgl. auch Bilil. d. Kirclienväter (TliallioEer)
Brl. 4 = 59 S. 163f.
436)C. I = Regjno 1 272. Vgl. B i i i t e r i i i i , Konzilien Bd. 3 S. 163.
4BB) Sielle niicli F l a d e , Klerus S. 83. - PI öclil I S. 71 weist dar:~ilfliiii,
daß seit d e ~ n4. J11. auc,li das Epiphaniofest ziigelassen war.
437) Ubersetzili~~
nach Bibl. d. Kirchenväter (Tlialliofer) n. n. 0.
438) Vgl. auch P la tl e , Kleriis S. 83.
439)C. 17 (Poen. IIR~II~sI;.)
== Regino I 130.
das Gericht des Bischofs. Es wird an dieser Stelle auch hervorgehoben, daß selbst Lnien zur Spctndung der Taufe befugt sind, wenn
sich ein Ungetaufter in Todesgefahr befindetd40). Es sollten sich
daher unter den Laien vor allen1 die Mönche441)um die Kenntnis
* ~ ) ganz alldes Taufcns bemühen. Ein anderer B u ß k a n ~ n ~ läßt
gemein jeden Schuldigen, diirch dessen Leichtsinn ein Kind ohnc
Taufe gestorben ist, drei Jahre - eines davon bei Wasser und
Brot - Buße ti1n44~).Schließlich erinnert noch ein weiteres Kapitel
bei R ~ g i n o ~dessen
~ ~ ) , Herkunft Wasserschleben unbekannt ist,
die Presbyter an ihre Taufpflicht und warnt mit eindringlichen
Worten davor, „da13 sie Seelen, für die Christi Blut vergossen
wurde, durch ihre Sorglosigkeit von der himmlischen Glückseligkeit ausschließen". Für den Pa>ll, daß Zweifel bestehen, ob ein
Kind schon getauft ist und dies nicht durch unbedingt sichere
Zeugen oder Befragen des Kindes selbst445) ZU klären ist, hat nach
einem Beschluß der 6. Synode von Karthago (401)446) trotzdem
ohne Bedenken die Taufe zu erfolgen. Dies erscheint nun keineswegs selbstverständlich, wenn man seinen Blick auf die Vorschriften richtet, die sich gegen cine weitere Taufe, die sogenannte
Wiederta,ufe, ~ e n d e n 4 ~ 7 Der
) . Empfailg dieses Sakraments, das
der Seele ein u~iauslöschljclies Pl'lerlrrrial eii~prä~gt,kann nicht
wiederholt werden. Darüber ist man sich seit den ältesten Zeiten
einig. Heftiger Streit bestand aber, wie auch Plöch1448) mit entsprechenden Belegen ausführt, ob von Häretikern und Schisma-
440) Zur Frage der Nottaiife im 1. ,Jahrtausend vgl. P l ö c h l J S. 72, 191.
und 351.
441) Sie gehörten tiamsls noch ineist den1 Lttienstand an.
442) Nacli W a s s e r s c l i l e b e n aus einem iinbeki~nntenBiißbuch
Regiiio
I 132.
443) Siehe aiiclri P l ö c h l I S. 350.
444) Regino 1131.
445) Wrilrr es iiooh i i 1 I ~ i ijiing ist.
"'B)
C. 6 = Regilin 1 269. Vgl. H e f e l e Bd. 2 S. 83 (als o. 7 a ~ f g e l ü l i r l ) ~
F u c h s 3. Teil S. l l l f . sowie P l ö c h l I S. 193 (der sicli gerade init dieseiii
BeschliiB von Ksrtliago beschäftigt). W a s s e r s c h l e b e n bezeichnet diese
Synode als die 5. von Karthago (ebenfalls 401).
447)Dsß es sich um eine bedingte Taufe irn Sinne der heutigen kirchlichen
Praxis handelt, ist nicht aiisgesprochen, wenn man aucti, wie P l ö c h l
a. :L.0. ineint, von einem Anfang dazii sprechen kanii.
Bd. I S. 72f. lind 192f.
-
78
Die Pfarrvisitatio~i nach Regino von Prüiii.
Waitei lIelliiiger,
tikern gespendete Taufen als gültig anzusehen sind und sich dadurch eine erneute Vollziehung des Taufaktes erübrigt. Regino
gibt einen Beschluß der Synode von Lerida (524 oder 546)449)
wieder, der die Frage zwar nicht entscheidet, aber für pflichtwidriges Verhalten der Täuflinge unter Hinweis auf das Konzil
von Nicaea (325)460) eine Kirchenstrafe aussetzt. Wer sidi nänilicli ohne Not oder Zwang erneut taufen Iäßt, darf sieben Jahre
lediglich unter den Katechumenen sowie zwei Jahre unter den
Gläubigen nur am Gebete und erst danach mit Einwilligung des
Bischofs wieder an Meßopfer und Eucharistie t e i l i ~ e h r n e n ~Eine
~~).
Spezialfrage hinsichtlich der Wiedertaufe regelt ein Beschliiß der
Synode von Neocaesarea (314)452). ES wird hier ausdrücklich die
Tatife von Schwangeren erlaubt, weil nach Auffassung der beschließenden Bischofe die Leibesfrucht nicht gleichzeitig mitgetamft wird, sondern Mutter wie Kind ihren Willen zur Taufe durch
eigenes Bekenntnis an den Tag legen mussen. Die Synode verwirft somit die zur damaligen Zeit öfter vertretene gegenteilige
Meinung, die zur Folge hatte, daß man in solchem Falle die Taufe
des dann zur Welt gekommenen Kindes als Wiedertaufe betrachtete
und deshalb mit der Taufe eintlr Schwangeren zuwartete. bis sie
geboren hatte463).
Unser Abt von Prüm nimmt nicht nur darauf Bedacht, daß der
Presbyter sich, sofern die Voraussetzuiigen dazu vorliegen, zum
Taufen bereit findet und den Taufakt ordnungsgemäß vollzieht,
er sieht sich auch veranlaßt, verwerflichem Gewinnstreben vorzubeugen. In Sendfrage 20 beauftragt er den Visitator nachzuforschrn, ob der Presbyter fiir die Taufe der Kinder oder andere
eine Vergütung oder
dort einzeln aufgezählte Amtsh;~ndlnngen~6~)
C.
9
=
Regino I 271. Vgl. H e f e l e Bd. 2 S. 707 und F l a d e , Klerus
S. 83.
460)Auch die Vater von Nicaea liatten keine allgemeine Entscheidung
getroffen, sondern nur Einzelfälle dieser Art geregelt (vgl. P l ö c h l I S. 73).
Der Ttiuf l i n g wird also hier der Strafe unterworfen, nicht der Spender der Taufe.
462) C. 6 = Regino 1 268. Vgl. 11ef el e Bd. 1 S. 246f.
463) Zur Deutung des Beschli~ssessiehe H e f e l e a. a. 0 .
4")
Auf clie Sendfrage komme ich jeweils zurück, wen11 von den betreffenden Amtshanciliingen die Rede ist.
79
sonst eine Zuwendung verlangt4s6). Mit einem derartigen Mißbrauch der kirchlichen Amtsgewalt4s6) befaßt sich auch Papst
Gelasius I. in seinem Brief an alle Bischöfe in Lukanien, Bruttium
und Sizilien (494)457). Er verbietet, für Taufe und Firmung etwas
zu verlangen, „weil wir beauftragt sind, umsonst zu geben, was
wir umsonst empfangen habenU468). Auch befürchtet er, daß im
Falle einer Abgabepflicht viele aus Armut oder Unwillen verschmähen, „die Quellen ihres Heils aufzusuchen". Allen, die „bei
solchen verpönten Handlungen ertappt werden oder die begangenen
Fehler nicht aus eigenem Antrieb gutmachen", droht der Papst
Verlust ihrer Würde an.
Schließlich bringt Regino unter den Taufbestimmungen noch
einen in der kanonistischen Literatur viel zitierten Beschluß der
Synode von Elvira (305 oder 306)459), der sich mit der Frage befaßt, ob zur Seligkeit die Taufe allein genügt. Hat ein Diakon,
der eine Gemeinde ohne Bischof oder Presbyter leitet, irgendwelche Personen getauft, „wird der Bischof sie durch die Seg466) Vgl. auch F l a d e , Klerus S. 66f. lind P l ö c h l I S. 193 und 360.
9 In Anbetracht der Anschaiiungen, wie sie noch zur Zeit Reginos
galten. Der Pfarrer sollte seinen Lebensunterhalt allein aus seinein Zehntanteil und den Einkünften aus dem Kirchengut bestreiten. Für die Sakramentenspendung oder andere kirchliche Handlungen sich entlohnen zu
lassen, galt als simonistisch. Die Erhebung von Stolgebühren, die einen
Wandel in den Anschauungen bedeutete, kam erst in der Zeit nach Regino
auf (vgl. P l ö c h l I S. 358 und F e i n e S. 174). Siehe auch P h i l i p p I-lofm e i s t e r , Die heiligen Öle i n der morgenländischen und abendländische11
Kirche, Würzburg 1948 (Das östliche Christentum, Abhandlungen im Auftrage der „Arbeitsgemeinschaft der deutschen Augustinerordenprovinz zum
Studium der Ostkirche", hrsg. V. G. W u n d e r l e , Neue Folge Heft 6/7),
S. 233.
467)C. 17
Regiiio 1122. Vgl. Bibl. CI. Kirchenvater (Thalhofer) Bil. 7 ==
61 S. 136 uncl 143.
4 5 8 ) Iii gleioliern Siririe äußert sich such dils bereits irii Zusammenhang
mit der Konliriilnionpflicht genannte und unten bei den Bestimmungen
über das Begriibnis noch näher zu beha.ndeliide Kapitel 1129 iiiiseres SendIiandbuches.
469)C. 77 = Regino 1 270. Vgl. G a m s Bd. 2, 1 S. 134; I-Iefele Bd. 1
8. 189f.; P l ö c l i l I S. 74. F e i n e S. 89 Anm. 3 bringt diesen Beschliiß ebenfalls und beruft sich auf ihn als Beleg dafür, daß in der alten Kirche Gemeinden vereinzelt, bloß von Dia,konen geleitet wiirden.
4
-
81.
Walter Hellinger,
Die Pfarrvisitation nach Regiiio von Prüiii.
nung460) vollenden müssen". Stirbt aber jemand, ehe er die Firmung
empfangen hat, wird er „unter dem Glauben, welchen er gehabt,
gerechtfertigt werdenU4%l).Die Firmung inuß also nicht unbedingt zur Taufe hinzukommen, um das ewige Heil zu erlangen.
bis zuni Zeitalter Reginos ist gekennzeichnet diirch die
;i]lmähliche Zuriickdrängung der öffentlichen Buße, die in den
ersten Jahrhunderten vorherrschend war, und der „Verpflanzung
des keltisch-irischen Uußwesens auf den europäischen Kontinent464)". Durch dessen Einfluß erhielt seit dem 7. Jli. die Privatbuße entschieden den Vorrang; im Rahmen der karolingischen
IZeform kam abcr iin 9. Jh. für die schwersten iiffentlichen Vergehen wieder die 6ffentliche Buße in ~bung486).Auf dieser Stufe
der Rechtsentwicklung steht aucli Regino mit seinem Sendhandbuch. Er verlangt nämlich in der unten noch zu besprechenden
Sendfrage 9G den Gebrauch der Bußbücher des Erzbischofs Theodor von Canterbury oder des Beda Venerabilis und hat einige Vorschriften in seinen Quellenteil aufgenommen, welche die öf f e n t liche Buße regeln. Nichtsdestoweniger greift er noch auf Normen
zurück, die Jahrhunderte zuvor entstanden sind.
Auf die Bußpflicht der Gläubigen bezieht sich die Sendfrage 59.
Der Visitator hat zu übrrprüfen, ob dcr Presbyter a m Asclier~ n i t t w o c h ~das
~ ~ ihm
)
anvertraute Volk zum Sündenbe!reniitnis
auffordert und ihm nacli Art seiner Vergehen eine Buße auferlegt,
nicht nach eigenem Gutdunlien, sondern wie es iin Bußbuch aufgc-
80
b) D i e B u ß e .
Wie auch Feine4") feststellt, kommt dem Werke Reginos besonders dadurch erhebliche Bedeutung zu, daß es uns reichhaltige
Kenntnis über die Bußpraxis liefert463). Die geschichtliche Ent460) Gemeint ist natürlich - wie sich auch aus der Ifberschrift zu diesem
Kapitel ergibt - die Firmung (vgl. H e f e l e und Plöclil I a. a. 0 . ; F e i n e
s.a. 0. spricht von der „bischöflichen Benediktion", ohne diesen Begriff
näher zu erklären). Die Firmiing wurde, wie P l ö c h l a. a. 0. ausführt, ungefähr bis zum 4. Jli. gewöhnlich direkt im Anschluß an die Taufe gespendet,
da der Bischof bei letzterer regelmäßig zugegen wa,r. Dieser Brauch ist für
die Auslegiing des Beschlusses von Elvira recht wesentlich. Der Beschluß
will keineswegs besagen, da5 die Firmiing iinterbleiben dürfe, wenn ein
Bischof oder Presbyter getauft hat (zu einer solchen Auslegung könnte die
inhaltliche Wiedergabe des Bescliliisses bei F e i n e verleiten). Aus den1 Beschliiß ergibt sich vielmehr, daß tlie Firmung dann nachträglich erteilt
werden muß, wenn ein solcher aiif sich allein gestellter Diakon getauft
hat; denn ein Diakon darf noch nicht firmen. Der Sinii und Zweck dieser
Rechtsnormist darin zii finden, daß die Väter von Elvira einschärfen wollten,
die nachträgliche Firmung nicht zu unterlassen. Auffallend ist allerdings,
daß die hier getroffene Regelung nicht auch auf die Presbyter ausgedehnt,
wird, zumal dic Firmung - worauf P l ö c h l a. a. 0. hinweist - im Gegensatz zu dein in der ältesten Zeit herrschenden Brauch diirch die Synode
allein den1 Bischof vorbehalten wird. Man muß jedoch bedenken, daß die
Gesetzgebiiiig der Synotlcn von Anfang an recht kasiiistiscli gehalten war.
Die Synode von lflviis hatte tleninacli wohl zu einem Fall Stellung zii
nelimcii, bei deiii es sich iirn die von eineiri D i i t k o n gespendete Taufe handelte und sah sich dechslh wohl nicht veranlaßt, aucli die Presbyter hier
einzubczieheii. 111s Ergebnis wird iii:in festhalten kiinnen, daß es ohne
Rel:irig i s t , wenn unser IiorizilsbesclilirD letligiicli voiii Di:ikoii :LI.; tlerii Spender der Taufe ausgeht. Eine Pflicht zur Piriniing besteht :ilso iinmar, gleicli
wer sie gespendet hat.
461) Die Zitate sind G a m s a. a. 0. eiitnoiiiiiicri.
462) S, 198.
463) Von tleit Werken, die das Bilßweseri tlaistellen, sielic vor allem die
beiden Abharrdluilgen P o s c h m a n n s über die abeiidliintlisclie Kirchenbuße:
B e r n h a r d P o s c l i i n a i i n , Die abondliindische Kirchenbuße in1 Ausgang
des christlichen Altertiiiris, München 1928 (Münchener Studien zur histo-
--
rischen Theologie, Heft 7) (im folg. zit.: P o s c h m a n n , Kirchenbuße I);
B e r n h a r d P o s c h m a n n , Die abendländische Kirchenbuße im frühen
Xittelalter, Breslaii 1930 (Breslauer Studien ziir historischen Theologie,
Bd. 16) (im folg. zit.: P o s c h i n a n n , Kirchenbiiße 11). Diese beiden Werke
geben für die hier zu behandelnden Fragen eine recht detaillierte Da.rstellung.
464) P l ö c h l I S. 199.
Zil den Eiiizelheiten des geschichtlichen Ablaufs sei auf die einschlägige Literatur, besonders auf H i n s c h i u s Bd. 4 S. 715ff. und 816ff., P l ö c hl
I S. 77ff., 198ff. und 366ff. sowie suf F e i n e S. 38, I l O f f . und 198s. (etwas
kürzer und zusaininenfassender) verwiesen.
""6)
\YÖrtlicli heilit es: Ai11 4. Wochentag r o i tler Qiiiitir;rge:iiriii~. Di18
tlariinter (lcr Ascherrriittwocli zii verstehen ist, erklärt sich ::iis der Tatsache, da8 iirspriiiiglicli eist ~ n i tden1 1. Fastensonntag die Quatiragesini;~
begonnen hat; tlenn niir bei tlicser Snc1il:~gekann iiiaii vom '4. Woc,hent:ig
v o r der Fastenzeit reden. Den früheren Ziistantl l:rssen noch Ircirte die Secrctit
der Messe ~ 0 1 1 11. F~lstensonntagerkennen, wo \vir lesen: „Lii Bcginii der
~,)u~tclragesinia
. . ." Das Osterfastcri daiicrtc iintor den d:rmaligcn Verliiiltnisseri natürlich nur 36 Ta,ge. Vgl hicrzii s-iich B u c h b e r g e i Htl. II
Sp. 965 (unter „Fastenc').
'1
i:
I
Zeitschrift t u r Rechtsgeschichte. LXXIX. Kan. Abt. XLVIII.
Walter Helliiiger,
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prürn.
zeiclinet ist4"). Auch Regino I 292468)enthält die Aufforderung
an den Presbyter, daß er am Aschermittwoch zum Empfang des
Bußsakramentes ermahne. Es wird noch ergänzend ausgeführt,
daß nicht nur derjenige, der sein Gewissen mit einer Todsünde
belastet hat, sondern überhaupt jeder, der das unbefleckte Kleid
Christi, das er in der Taufe empfing, duroh den Makel der Sunde
beschmutzt hat, seine Missetaten mit Demut und Reue seinem
Presbyter hrlronnen und die ihm auferlegte Buße erfüllen muß.
Regino hat i~lsodas allgemeine Beichtgebot im Auge, das sich in
Deutscliland zu seiner Zeit schon durchgesetzt hatte469).Zuvor
galt iliese Pflicht nur im Falle schwerer Verfehlungen470). Welclier
Ritus fiir die private Beichte, um die es sich hier handelt, zu gelten
hat, gibt Rcgino in den Kapiteln I 301-304 in allen Einzelheiten
wieder471). Gleiclisam zur Vorbereitung soll der Beichtvater, sobald bri ihin jemand zum Sundenbekenntnis erscheint, sicli niederwerfen und unter Seufzen und Tränen für seine und des Ponitenteri
Nissettitcri b e t ~ n ~ 7Er
~ ) .soll sich sogar, wie es an anderer Stelle
heißt477, iri die Kirche oder in seine Kammer zuriickziehen und
der1 Poniteritrn solange warten lassen oder, wenn nicht tnnlich,
gleich fiir sieh ein Gebet sprechen, in welchem er um Reue und
Bekehrung des Sunders fleht; das schmerzliche Empfinden des
Priesters soll ,jenen iri eine reiimiitige Stimmung versetzen. Dar-
aUf474) hat der Beichtvater ihn zu fragen, ob er an die heilige Dreifaltigkeit und an das Jüngste Gericht glaube und auch gewillt sei, all
denen, die wider ihn gesündigt haben, nach Gottes Willen seinerseits
zu verzeihen. In einer kurzen Ansprache soll er sein Beichtkind zii
einem rückhaltlosen Sündenbekenntnis ermuntern und ihm, wenn
notwendig, jede Scham ausreden. Es schließt sich das eigentlich?
Sündenbekenntnis an, bei dem an den Pönitenten eine ganze Reihe
von Fragen gerichtet werden, welche die hauptsächlichsten Vergehen betreffen, und auch gleich die dafür angedrohte Bußzeit
genannt
Nachdem sich der Beichtvater nun ein Bild über
den Seelenzustand des Beichtenden gemacht hat, kann er ihn ermahnen, was er in Zukunft t u n und lassen soll. Der Pönitent wirft
sich darauf zu Boden und legt nochmals in wenigen Worten ein
allgemeines Schuldbekenntnis ab, worin er gesteht, ein Missetäter
vor Gott und den Menschen zii sein, für den auch der Priester
Gnade und Verzeihung von Gott erflehen möge. Der Beichtvater
singt sodann verschiedene Psalmen und erteilt danach die Lossprechung. Sie geschieht durch Verrichtung eines Gebetes, bci
dem der Beichtvater Sündennachlaß für seinen Pönitenten rrbittet. Es ist also noch nicht das „Ego tc absolvo", bei dem dcr
Priester sich selbst als der im Auftrag Gottes Absolvierende bpzeichnet. Trotzdem handelt es sich auch hier bei Regino um eine
echte Lossprechung kraft der dem Priester von Gott übertragenrn
Gewalt. Wenn die Kirche, wie Thalhofer-Eisenhofer476) brmerken, auch damals noch die Absolutionsformel in das Gewand
einer Bitte gekleidet hat, so war sie sicli doch bewußt, daß Gott dieso
Bitte stets erhört477).Schließlich wird noch hervorgehoben, da8 der
82
467) Siehe auch Iplade, Klerus S. 60.
W a s s e r s c l i l e b e n bezeichnet die Herkunft des Kapitels als unbesliinmt. Vgl. xuin Inhalt F l a d e , Iileriis S. 63.
460) Spüter h : ~ tdas 4. Latert~nlroiixilvon 1216 in C. 21 ein Icirchengebot
erlassen, wonach jeder Gläubige weiiigsteris e i n m a l ini Jahre der Beichtpflicht genügen miiß (vgl. dazu aiicli F e i n e S. 379).
470) Siehe P l ö c h l I S. 358.
471) T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 2 S. 374ff. geben eine Scliilderung,
wie im Mittelnlter der Beichtritus gehandhabt wurde. Sie deckt sich nicht
grlix i i i i t rfcin, was bei Regiiio tiargclegt wird. Seirie UuWortfniiir{: gibt
A l b e r t Hniic k , Kirchengeschichte Deiitsclilands, 3. iiiid 4. Aiifl., 6 Teile,
Leipzig 1904ff., Teil 2 S. 763f. zusammenfassend wieder.
472)Dies bestimmt Halitgar von Cambrai in der Vorrede zu Bilch 6
seiner Beiclitbücher
Regino I 301. Über Halitgar vgl. H e r m a n n J o s e f
S c h m i t z , Die Bußbüeher und die Bnßtlisziplin der Kirche, Mainz 1883
(im folg. zit.: S c h i n i t z , Bußbiicher I), S. 719 und P l ö c h l I S.368 und404.
473) Regino 1 302 und 303
Hnlitgar a,. a. 0 . Vgl. auch P o s c h m a n n ,
Kirchenhuße I1 S. 106.
468)
-
-
83
474) Das Folgende ist i n Regino I 304 enthalten. W a s s e r s c h l e b e n kann
tlie Herkunft des Kapitels nicht angeben.
476) Diese Fragen stimmeninhaltlich fast mit den Sendfragen von Reginos
13uch 2 seiner Snmniliiiig überein, so dnW es zweckmkßig erscheint, sic
zusammen mit jenen i n einer Bearbeitiing des 2. Buches wiederzugeben.
"76) Bd. 2 S. 379.
477)Im Anschliiß an Regino I 299 bringt W a s s e r s c h l e b e i i eine Lossprechiingsformel, die nach seiner Auffassung erst später i n Reginos Werk
eingefügt wurde iind daher nicht direkt dazu gehört. Sie enthalt eingangs
zwar auch die an Gott gerichtete Bitte, den Büßer von seinen Sünden 211
befreien. Am Schliiß aber folgen i n der Wir-Form gehaltene Lossprechungsworte des Priesters, die sich a,uf die ihm übertragene Gewalt beziehen.
a*
Die Pfarrvisitatioii iiacli Regino von Prüin.
Beichtvater auch die persönlichenVerhältnisse wie Gesclileclit, Alter
tisw. seines Ponitenten berücksichtigen und ihn dementsprechend zu
Werken der Frömmigkeit, die für ihn geeignet sind, aufmuntern soll.
Dem bereits genannten BuBbuch des Theodor von C a n t e r b ~ r y ~ ~ ~ )
hat Regino entnommen, wie die ö f f e n t l i c h e Buße eingeleitet
wird479). Die Personen, die etwa, d s öffentliche Sünder dariinterfallen, haben sich, ebenfalls zu Beginn der Quadragesima, vor
der Kirclicntüre im Büßerkleid barfüßig und gesenkten Blickes
dem Bischof als Biißer vorzustellen, wobei der Dekan4so)und der
Pfarrer d t r Ponitenten, welcher dcren Bekehrung sorgfältig zu
überwachen hat, zugegen sein müssen. Der Bischof verhängt sodann die Buße und reiht die Ponitenten in die entsprechende
Büßerlrlasse ein481). Anschließend führt er sie in die Kirche hinein
und singt mit dein Klerus zusammen, auf dem Boden hingestreckt, die sieben Bußpsalmen um dcren vollkommene Buße. Der
Bischof erhebt sich wieder, legt den Büßern die Hand i ~ ~ f ~ ~ ' ) ,
478) C. I1 = Regiiio I 296. Vgl. P o s c h m a n n , Kirchenbiiße I1 S. 126
und 130 (er gibt Regino 1 2 4 1 an).
47O) Auch hierzu geben T h a l h o f e r - E i s e n l i o f e r Bd. 2 S. 377 eine anschauliche Erkliiriiiig, die r~llerdingsnicht ganz init dem übereinstirrinit, was
Theodor hier bestimiilt hat.
da0) ES wird noch ergsnzt, daß es sich bei den Dekanen tim die Archipresbyter der Pfarreien handelt. Der Dekan war bzw. ist noch heute eine
Instanz zwischen Bischof und Pfarrer; er hat gewisse Aufsichts- lind Visitationsreclite hinsichtlich der Pfarreien seines Sprengels. Vgl. die Aiisführungen bei F l a d e , I<leriis S. 53 lind P l ö c h l I S. 317.
481) Diese Büßerlrlasson werden u. a. bei T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r S.
371ff. uni1 P l ö c l i l I S. 78f. aufgezahlt.
482) Wenn im Zusaminenliang mit dem Bußsakrrtment von der Handauflegung gesprochen wird, denkt inan zunächst an die Wiederaufnahme
(Rekonziliation) der Biißer, die init dieser Haridlung vollzogen wurde. Hier
greift jedoch deii Uiiistänclen nach eine weitere Bedeutung des Begriffes
Platz, da Tlieodor die tVirdcraiifnahinr! erst ain Griindonnerst:~gstattfinden
liißt. Es kann sii:li iiiir iitn die Aririiiliiiie, zur ßiiWe oder -~--anders :iilsgetiriickt - die Aiifnaliine i n cleii Stand der Büßer handeln ( P o s c l i i n a n n ,
Kirclienbuße I S. 110 und B u c h b e r g e r Bd. 1 SE).658 iiiiter „BuBtlisziplin"). Dei1 Büwern wollte m r ~ niiatiurch übernatürliche ICrifte initteilci~,
ciiircli welche sie Befreiung von der Macht des Tei~felserlislteri sollten, wie
(las auch beini Exorzismiis geschielit (vgl. tlazii TIial hof e r - E i s e n h o f e r
Bd. 1 S. 362f. uni1 B u c h b e r g e r Bd. 4 Sp. 811 iintoi ,,Han<f;~uflegung").
Siohe zum Vergleich auch den i n Regino 1 1 9 1 enthaltenen und bei der1 Vorschriften über das Neßopfer wiedergegebenenBeschluf.3 vonLaodicea (s. S. 61).
85
streut ilsche auf ihr Haupt, besprengt sie mit Weihwasser und
stattet sie mit dem Büßerkl~id48~)
aus. Darauf verkündet er ihneil.
daß sie - gleichsani wie einst Adam aus dem Paradiese gcjagt
wurde - ihrer Sünden wegen aus der Kirche verwiesen werden.
Während der Chor der Kleriker das eben angedeutete Ereignis
aus dem Alten Testament brsingt, müssen die öffentlichen Biißei.
niin die Kirche vcrlasscn, haben aber am Gründonnerstag wicdei
zur Rekonziliation zu erscheinen. Daß dieser Tag dazu ausersehen
ist, sagt auch Papst Innozenz I. in einrm Brief an den Biscliof
Decentius von Gubbio (416)484).Ist aber jemand durch Krnnlihrit
der Verzweiflung nahr, darf er schon fruher losgesprochen wrrden486).
Zur Abnahme des Sündenbekenntnisses und Auferleg~irigeinrr
Buße halt Regino nur den Bischof und den Presbyter fiir berechtigt.
Dies betont er ausdrücklich in der Uberschrift zu einer Stelle aus
Halitgar48G),in der zuin Ausdruck kommt, daß h i e r ~ unur befugt
ist, wer auch das Meßopfer feiern darf. In der Uberschrift Liim
folgenden Kapitrl, das gleichfalls Halitgar487) entnominen ist,
gestattet er itu~lldem Diakon, wenn notwendig, das Sundenbckenntriis ciitgcgenzunehmtn. H~tlitgar benennt als Grund f u i .
"3) ,,Ciliciun16' genannt (vgl. B ucli b e r g e r Bd. 2 Sp. 967I. unter „Ciliciiim").
484) C. 7 = Reg. I 311. Vgl. Bibl. d. Kirchenväter (Tlialhnfer) Bd. 3
58 S. 124.
486) Bei den Begriffen „Rekonziliation" (Wiederaufnahine in die kircliliche Gemeinschaft) und ,,Absolution1' (Sündenvergebung), die beide in
Reginos Werk auftauchen, ist zu beachten, daß sie iin Grunde genommen
keineswegs das gleiche bedeuten. Wie P l ö c h l I S. 369f. aufzeigt, ging die
geschichtliche Entwickliiiig aber dahin, daß die Rekonziliation allmählich
„zuin eigentlichen Akt der Siindenvergebung, der Absoliition", wurde. Das
hing mit tler Einfiil-iriiiig der Puivatbilße zusari-inlen, die keine Exkommuriikation mehr kannte, so daß die eigentliche Rekonziliation gegenstandslos wurde. RIiln kann es daher wohl als belanglos ansehen, ob bei Regino der eine oder andere Begriff verwendet wird. - DaB der Gründonnerstag zur Rekonziliation bestimmt ist, hebt auch P l ö c h l I S. 199
hervor.
Regino I 299.
Vorrede zii Birch 6 = Regino I 300. Vgl. P o s c h m a n r i , Kirchenbuhe I1 S. 201f. (er zitiert die Stelle als Regino I 296).
=-I
Die Pfarrvisitation nach Regino von Priiiri.
einen solchen Ausnahmefall die Abwesenheit des P r e s b y t e r ~ ~ ~ ~ ) .
Diesem Grundsatz widerspricht es nicht, wenn Regino außerdem
noch einen Beschluß der 3. Synode von Karthago (397)489)in
sein Sendhandbuch aufgenommen hat, der dem Presbyter die
Rekonziliation nur mit Zustimmung des Bischofs gestattet, es sei
denn, der Bischof ist abwesend und ein N o t f a l P ) gegeben. Es
ist offensichtlich, daß diese Bestimmung die damals vorherrschende
öffentliche Buße im Auge hatte, die auch später in der karolingischen Zeit allein vom Bischof verwaltet wurde4S1).
Regino betont in diesem Zusammenhang wieder den Grundsatz
des Pfarrzwanges. In der Uberschrift zu einem492) Kapitel, das er
einem Briefe Papst Felix' 11. an die Bischöfe Siziliens (488)4m)
entnommen hat, ordnet er an, daß kein Presbyter eincn BuWer
einer andern Bischofsstadt oder Pfarrei annehmen oder ohne ein
Zeugnis seines Bischofs oder Presbyters wieder reliionziliieren darf.
Den zur Spendung des Bußsakramentes Berufenen erteilt Rcgino
besondere Richtlinien, nach welchen Grundsätzrn sie dieses Amt
ausüben sollen. Die erforder1ic)heBiißc ist selbstverständlich jedeiii
ohne Ansehen der Person aufzuerlegen, wie die Statuta ecclesiatl
a n t i q ~ a ausdrücliilich
~~~)
hervorheben. Die Dauer der Buße soll sich
nach der Beschaffenheit und Größe der Sunden richten. Dieser
Wie R a u s c h e n S. 191 und T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Bd. 2 S. 368
darlegen, hat man iin Mittelalter zeitweise den Diakonen Absoliltionsgewalt
ziierkannt. Die auch i n den Bußbüchern genannte Diakonenbeicht hatte
demnach sakramentalen Charakter. Unsere Stelle hat daher nichts zu tu11
mit dem in1 Westen bis ins Mittelalter herrschenden Brauch, Diakonen
und auch Laien die Sünden zu bekennen, ohne daß es sich uni den Empfang
des Bußsakrainentes im eigentlichen Sinne handelte (vgl. P l ö c h l I S. 79).
48g) 0. 30 (nicht 32, wie W a s s e r s c h l e b e n angibt) = Regino J 310.
Vgl. F u c h s 3. Teil S. 8 3 und H e f e l e Bd. 2 S. 68 [als Beschluß von Hippo
(393) aufgeführt] und R a u s c h e n S. 191.
"O)
Wie F u c l l s ;L.a. 0. bemerkt, isi; Totlesgefalir gcmeiiit.
Vgl. P l ö c h l I S. 368.
4gZ)Bei den Vorschriften über das Meßopfer bereits genannten Kapitel
(s. 0. s. 54).
493) C. 9 = Regjno 1313. Vgl. Bibl. d. Kirchenväter (Thalhofer) Bd. 6 ==
60 S. 273.
4@4)C. 18 = Regino I 306. Vgl. F u c h s 3. Teil 8 . 471 lind Hef e l e Bd, 2
S. 74 (beide bringen die Stelle als c. 74 der angeblichen 4. Synode von
Karthago aus dein Jahre 398).
87
Grundsatz, den die 3. Synode von Karthago (397)495)aufgestellt
hat, wird von der 1. Synode von Mainz unter Rab. Maurus (847)496)
näher ausgestaltet. Maßgebend für die Art und Dauer der Bußen
haben die alten Kanones, die Heilige Schrift und die kirchliche
~ ~ ~ ~ h r i zu
l i esein.
i t Es wird nachdrücklich vor zu leichter Buße
gewarnt, die nur Ruhepolster und Kopfkissen für die Menschen
bereitet, um dadurch Seelen zu fangen. Auch schärft die Synode
daß für öffentliche Sünder nur öffentliche Buße in Betracht
kommt. Diese sollen, wie auch in dem eben genannten Beschluß
zum Ausdruck gelangt, die Handaufleg~~ng~~B)
von Karthag0~~7)
vor der Apsis499)erhalten. Haben irgendwelche Personen Sünden
verschiedener Art auf sich gela'den, so läßt die Synode von Laodicea,
(zw. 343 und 383)600)auch ihnen nach vollzogener Buße Verzeihung
ztiteil werden, wenn sie „irn Gebete des Bekenntnisses und der
Buße"501) ausdauern und sich vom Bösen bekehrt haben. Zeigt sich
P
-
496) C. 31 = Regino 1 305. Vg1 F u c h s 3. Teil S. 83, H e f e l e Bd. 2 S. 58
[als Nr. 30 der 2. Rcilie von IIippo (393) aufgeführt] und R a u s c h e n
S. 191.
496) C. 31 = Regino 1 296. Vgl. H e f e l e Bd. 4 S. 128; B i n t e r i m , Konzilien Bd. 2 S. 502; F l a d e , Germanen S. 18.
4 9 7 ) Siehe Anm. 496. Der hier in Frage kommende Teil ist in Regino 1
293 wiedergegeben. Vgl. auch die angegebenen Zitate aus F u c h s und
H e f e l e sowie R a u s c h e n S. 222 [welche die Stelle als Beschluß von Hippo
(393) bringen].
498) Sie bedeutet hier natürlich die Rekonziliation (vgl. auch T h a l h o f e i E i s e n h o f e r Bcl. 2 S. 375).
499) Die Apsis ist die halbkreisfövinige, oben gewölbte und nach Osten
gerichtete Ausladung der Basilika. Dort sta,nd der Altar, und der Bischof
nahm bei Feierlichkeiten mit seinem Klerus a n dieser Stelle seinen Platz
ein (vgl. B u c h b e r g e r Bd. 1 Sp. 577f. unter „Apsisu). Hier war im Mitteltaler auch der Ort für die Spendung des Bußs:rkrnnientes (vgl. T h a l h o f e r E i s e n h o f e r Bd. 2 S. 370). „Vor der Apsis" bedeutet demnach soviel wie
„öffentlich vor der Gemeinde" (vgl. H i n s c h i u s Bd. 4 S.722 Anm. 3).
C. 2
Regino I 308. Vgl. F i r c h s 2. Teil S . 321 rriid FTefele Bd. 1
S. 751f. (der aiich deii nicht ganz eindeutigen Wortlaut des Kanons ausziilegen sucht).
"I) Ubersetzung von H e f e l e a. a. 0. E r bernerkt iiii Arischluß an del~
Synodalbeschliiß, daß nicht die ~a~kramentale
Beicht in Betracht koiiirnf-.
sondern „wohl jenes öfter vor Gott und der Geilieinde in1 Gebete wiederholte bußfertige Bekenntnis der begttiigeneii Sünden, welches der sa,kr;inientalen Beicht und Absolution voranging".
Firchs n . rt. 0. iibersetzt:
.,. . . mit Bekenntnis lind Reue im Gebete anhalten . . . "
-
89
Walter Hellinger,
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
jemand nachlässig bei Verrichtung der Biiße, darf man ihn nach
einer Bestimmung in den Statuta ecclesiae antiquaso" erst geraume
Zeit später wieder aufnehmen. Ein Pönitent asber, der gleich von
Anfang an eifrig und beständig in der Buße verharrt, soll - wie
-Hditgar503) bestimmt - sofort milder behandelt werden. Auch
empfiehlt er504) dem Beichtvater, sooft er einem Sünder einen
R:tt erteilt, ihm auch gleich einein Fasten oder Almosen bestehende
Buße zu geben; denn es soll vermieden werden, daß nochmals nach
hierbei zum Vorschein geliommenen Sünden gefragt werden muW
und der Büßer sich dann vielleicht schämt, diese Siinden erneut zii
bekennen. Ht~litgarsos)verpflichtet aber aiich die Beichtväter,
\$Tenn sie jemanden durch Fasten büßen lassen, sich mit dem Betreffenden für eine oder zwei Wochen in dieser Bußübung zu vereinigen: cs soll ihnen niclit das gleiche zum Vorwurf gernacht
werdcn, was der Herr den jüdischen Gesetzeslehrern vorgehalten
hat. Diese hatten den Menschen unerträgliche Lasten aufgebürdet,
die sie selbst nicht mit einem Finger berührtenso6). Der Büßende
soll nbcr auch, wie Basilius in seiner Rege1607) mahnt, von Herzen
:tufgenommon \verden gemiiß dem Herrenwort: ,,Freiit euch mit
mir, denn ich habe m-in Schaf gefunden, das verloren wars0")."
Mclden sicti Vcrheiratntc zur Buße, so dürfen sie nach Anordnung
der 2. Synode von Arles (443)s") nur mit Zustimmung des anderen
Ehegatten zugclassen werden610). Schließlich ist in diesem Zii-
salnlnenhang auch zu erdrtern, wie derjenige zu behandeln ist,
der für seine Sunden keine Biiße ableisten will. Aiif ihn bezieht
Basiliiis in seiner
das Wort des Herrn: „Er sei dir wie
ein Heide und Z ~ l l n e r " ~und
~ ~ )das des Apostels: „Haltet euch
fern von jedem Bruder, der ein unordeiitliches Leben führt und
nicht iiacli der Uberlieferung lebt, die er von uns empfangcn
hat6l3).''
Einige Kapitel befassen sich mit dem Verhalten der Ponitenteii
bei und nach der Biiße. Ein Beschluß der Synode von ilgde
(506)514), der eingangs auf die Handauflegung und den Ernpfang
des Büßerkleides hinweist, schreibt vor, daß man alle vom Eriipfang des Bußsaliramentes zurückweisen soll, die nicht ihre Haarr
abgelegt und die Kleidung geändert haben. Aiich sollen die Rußer.
wie Papst Leo d. Gr. in einem Brief an den Bischof R~isticusvon
N a r b o n ~ i e ~(458
~ ~ )oder 459)616)verlangt, keine Handelsgeschaftc
treiben. Der Papst erkennt zwar an, da13 der dabei erzielte Erwerb
nicht unbedingt schimpflich zu sein braucht. Da aber bei solchcr
Tätigkeit die Gefahr zur Sunde recht groß ist, solleii die Bußer
lieber darauf verzichten und Verluste in I h u f nehmen. tlberhaupl
halt es der Papst fur ratsaii1~17),daß jeder, der fiir Unerlaubte5
Verzeihung verlangt, sieh sogar Erlaubtes versagt, gerniiß dern
Apostelwort: „Alles ist mir erlaubt, nicht alles ist mir fordrr-
88
.
.
jo2) C. 19 = Regino I 312. Vgl. F u c h s 3. Teil S. 471 und H e f e l e Bd. 2
S. 74 [bei beiden als c. 75 der angeblichen 4. Synode von Karthago (398)
aufgeführt].
Vorrede zu Biicli G seiner Bußbücher = Regino I 309.
Mersebiirger Pönitentiale = Regino I 298. Vgl. auch P o s c h m a n n ,
Kirchenbiiße I1 S, 105.
"O")
Vorrede zu Buch G der Bußbücher
Regino 1297. Vgl. auch P o s c h m a n n , Kirchenbuße I1 S. 104.
"OB)
Liik. 11, 46.
Antwort auf die 8. Frage (aus den kurzgefaßten Regeln) = Regino I
326 ( W a s s e r s c h l e b e n gibt C. 25 der Regel an). Vgl. Bibl. d. Kirchenväter
(Thalhofer) Bd. 2 = 1 5 S. 188.
608) Luk. 15, 6,
C. 22 = Regino 1307. Vgl. H e f e l e Bd. 2 S. 301 ( W a s s e r s c h l e b e n
gibt ziim Zeitpunkt der Synode an, daß sie nicht später als 460 stattfand).
Der Grund für diese Vorschrift lag darin, daß die eheliche Lebensgemeinschaft durch die Ableistiing der Buße stark beeinträchtigt wurde
-
(vgi. H i n s cliius Bd. 4 S. 722 Anin. 10). Bei öffeiitlicher Buße durfte
nämlich die Ehe wahrend der Biißzeit, i n schweren Fällen do,rüber hinaus
bis ans Lebensende, nicht fortgesetzt werden lind auch bei privater Buße
konnte Enthaltsamkeit verlangt sein (vgl. P l ö c h l I S. 199, 211 und 368).
511) Antwort auf die 9. Frage (aus den kurzgefaßten Regeln; W a s s e r s c h i e b e n gibt Kapitel 28 der Regel an) = Regino I 328. Vgl. Bibl. d.
Kirchenväter (Thalhofer) Bd. 2 = 1 5 S. 188.
Matth. 18, 17.
j17 2. Thessal. 3, 6.
514) C. 1 6 = Regino I 294. Vgl. H e f e l e Bd. 2 S. 663.
'I6) Südfranz. Kreisstadt (über ihre geschichtliche Bedeutung vgl. Bucfib e r g e r Bd. 7 Sp. 441).
'I6) Antwort auf die 11. Frage = Regiiio I 317. Vgl. Bibl. d. Kirchenvater (Thalhofer) Bd. 6 = 69 S. 4261., H i n s c h i u s Bd. 4 S. 722 Anm. 10
lllld F l a d e , Germanen S. 87.
'I7) Antwort auf die 10. Frage des gleichen Briefes = Regino 1 323. Vgl.
ßihl. (1. I(irchenviiter (Thalhofer) Bd. 5 = 59 S. 425.
90
\'alter
Die Pfarrvisitatiori nach Regino von Prüm.
Hellinger,
lichSl8)." Die gleiche Forderung stellt Regino in Kapitel I 322619)
auf und legt ihr den Gedanken zugrunde, daß der Büßer, der
Verbotenes getan hat, durch Enthaltung von dem ihm Gewährten
Genugtuung leistet. Ganz allgemein gilt für die Ponitenten, daß
sie nur dann richtig büßen, wenn sie Haß und Abscheu vor drr
Sünde empfinden. Dies betonen Basilius620) und A u g u ~ t i n u s ~ ~ ~ ) .
Letzterer ergänzt noch, daß alles, was vorher im Leben süß war,
durch die Buße in der Seele bitter schmecken und, was den Leib
ergötzte, jetzt im Herzen Qualen bereiten muß. Für die Zeit
nach abgeleisteter Buße verbietet Papst Leo I. in seinem Brief
an den Bischof Rusticus von Narbonne (458 oder 459)622),daW
der betrrffende Bußer wieder zii weltlichem Kriegsdienst zurüclikehrt623),und verweist zur Begründung auf das Wort des Apostels:
„Keiner, der für Gott streitet, befaßt sich mit weltlichen Geschäften"524). Wer das zu tun beabsichtigt, ist nicht frei von den
Schlingen des Teufels.
Auch die Frage, was einem Riiclifälligen zu geschehen hat, wird
Iiier erörtert. In Regino I 324Sz6)heißt es ganz allgemein, daß auf
jede Pfliclitverletzung aucli ein entsprechender Urteilssprucli zu
folgen hat. Unter Hinweis auf fruhere Synoden wird noch in
Regino I 321626)bestimmt, daß alle, die nach abgeleisteter Buße
1. Kor. 6, 12.
Regino schreibt die Stelle Papst Gregor zu. \V i ~ s s e r s c hel b e n hat
vergebens in dessen Schriften nach ihr gesiicht.
M o ) Regel C. 1 8 (nrtch W a s s e r s c h l e b e n ) = Regino 1 326.
"1)
Sermo V11 cie tempore (die Sermones befassen sich mit den beweglichen Festen und Festzeiten des Jahres, vgl. B a r t i e n l i e w e r Bd. 4 S. 493) =:
Regino 1327.
522) Antwort auf tlie 12. Frage = Regino 1318. Vgl. Bibl. d. Kirchenväter
(Thalhofer) Bd. 5 = 59 S. 426 und H i n s c l i i u s Bd. 4 S. 723 Anm. 10.
523) Siehe ttiich P l ö c h l I S. 199.
F l a t l e , ICleriis S. 48 weist tlarauf hin, daLi Iiier tlie
S24) 2. Tim. 2, 4.
Waffenlosigkeit des Büßers ganz ähnlich begründet wird wie die des Priesters.
626) Nach W a s s e r s c l i l e b e n ist es ein Exzerpt aus C. 7 der 6. Synode von
Toledo (638). Zu diesem Beschluß vgl. H e f e l e Bd. 3 S. 90.
526)Nach W a s s e r s c h l e b e n handelt es sich um ein Exzerpt aus c. 5
eines Briefes von Papst Siriciiis an den Bischof IIimerius von Tarragona
(385). Vgl. ßibl. d. Kirchenväter (Thalhofer) Bd. 2 57 S. 415 unct J o s e f
L a n g e n , Geschichte der römischen Kirche bis zum Ponitifikate Leos l.,
Bonn 1881 (iin folg. zit.: Langen I), S. 613.
"I)
-
91
,,wie Hunde und Schweine zu ihrem früheren Erbrochenen und
Morast zurückkehren", als exkommuniziert und verdammt gelten
sollen, bis sie zum Heilmittel der Buße und zur vergessenen Ordniing zurückfinden. Die Wiederholung der Buße ist also zulässig,
was in der ältesten Zeit keineswegs selbstverständlich war627).
In einigen weiteren Kapiteln wird geregelt, inwieweit Kleriker
der Buße unterworfen werden dürfen. Wie die 5. Synodc von
Karthago (401)628)und Papst Leo I. in dem bereits genannten
Brief an den Bischof Rusticus von Narbonne (468 oder 459)"9)
ü b e r e i n ~ t i m r n e n d ~festlegen,
~~)
dürfen Presbyter und I>iakoric~
nicht gleich den Laien die Handauflegung empfangen. Gemeint ist
natürlich, daß es nicht statthaft ist, sie in ö f f e n t l i c h e Buße
zu nehmenS3l). Statt dessen sollen Gefallene dieses Standes, nrio
Papst Leo hinzufügt, sich an einen abgeschiedenen Ort begeben,
um sich Gottes Barmherzigkeit würdig zu machen. Hierbei ist
an einen Aufenthalt im Kloster zu denken632).Es bedeutet jedoch
lieincn Widerspruch, wenn in einem anderen Kapite1633) bei Regino,
das den Beschlüssen der Synode von Orange (441)s3*)entnommen
ist, gesagt wird, die Buße solle den Klerikern, die danach verlangen, nicht verweigert werden; denn man darf annehmen, daß wie auch Hefele vermutet636) - sich die Stelle nur auf die
Privatbuße bezieht. Es ist nämlich als geschichtliclie Tatsache
bekannt, daß die öffentliche Kirchenbuße nur bis zum Ende des
3. Jh.s auf Kleriker Anwendung fand, während die spätere Zeit
fiir sie nur noch die Privatbuße kennts36).
Vgl. 1'1 öc h l I S. 78.
5as) C. 11 = Regino I 314. Vgl. H e f e l e Bd. 2 S. 84 [hier a,ls C. 1 2 der
6. Synode von Karthago (ebenfalls 401) bezeichnet].
628) Antwort ; ~ u die
f 2. Frage = Regino 1316. Vgl. Bibl. d. Kirchenväter
59 S. 415f. und P ~ s c h m a ~ n Kirchenbuße
n,
I 1 S. 158
(Thalhofer) Bd. 5
(ilic Stelle wird hier als ltogino I 312 zitiert).
630) Anch die Uberschrift Reginos zu Kapitel 1 314 lautet ganz entsprechend.
681) Vgl. H e f e l e und Bibl. d. Kirchenväter (Thalhofer) a. a. 0.
632) P l ö c h l I S. 199 und Bihl. d. Kirchenväter (Thalhofer) a. a. 0.
633) Und dessen Uberschrift.
534) C. 4 = Regino 1315. Vgl. H e f e l e Bd. 2 S. 291.
696) A. a. 0.
Siehe P l ö c h l I S. 79 und 199.
-
92
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
Walter Hellinger,
Im Ziisammenhang mit der Buße der Kleriker befaßt sich Regino
auch mit den Mönchen, die ihrem Gelübde untreu werden und in
die Welt zurückkehren. Wie die schon oben genannte 2. Synode
von Arles (443 oder 452)537)bestimmt, können sie ohne vorlierige
Buße nicht zur Kommunion zugelassen und in den Klerikcrstand
aufgenommen werden. Tragen sie nach erfolgter Buße ein weltliches Kleid, soll man sie aus der Kirche verstoßen638). Obwohl
die Mönche - wie sicli auch iius diesem Beschluß von Arles ergibt - nicht zum Klerus gehörten, kam für sie allgemeiner Ansicht
nach auch nur Privatbußc in Frage; man stellte sie also in bezug
auf die Buße den Klerikern gleich639).
Unser Abt von Prüm sieht sich auch seranlaßt, von schlimmen
Mißbräuchen bei der Verwaltiing des Bußsakramentes zu sprecheii.
Er läßt in Sendfrage 39 den Visitator erforschen, ob der Pfarrer
einem Büßer, der nicht würdig genug ist, aus Gunst, Freundschaft
oder Verwandtschaft dieRekonziliation verschafft undihm ein Zeugnis über die Wicderaufndime ausgestellt hat540). Gegen ein solches
Verhalten wendet sicli Hinkinar von Reims641) und setzt ihm den
Fall gleich, daß der Pfarrer einen der Wiederaiifnahme wurdigcii
Büßer aus Mißgunst von ihr ausschließt. Der Visitator hat aber
auch - wie wir in Scndfrage 51 lesen - danach zu fragen, ob der
Presbyter einen Biißcr etwa aufgefordert hat, Fleisch zu essen oder
Wein zu trinken, ohne dafür ein Almosen gegeben zii haben. Ein
solches Verhalten zeugt von falsch verstandener Nächstenliebe und
ist geeignet, der Buße ihre heilsame Wirkung zii nehmen. Es ist
daher ganz verständlich, wenn der iiin die kirchlichen Belange
so sehr besorgte Kaiser Kar1 d. Gr.5") derartiger Unsittc dadurch
637) C. 25 = Regino I 319. Vgl. F i i c h s 4. Teil S . 574 und Hef e l e Bd. 2
S. 301f.
5a8) Schllißsatz des gleichen S~nodalbeschlusses= Regino I 320. Vgl.
F u c h s iind IIeEele a. ;L. 0.
539) Vgl. P o s c h m a n n , Kirchenbnße I S. 201.
540) Ein solches Zeugnis ist bekanntlich dann von erheblicher Bedeutung,
wenn der Bilßer zii einer anderen Gemeinde uberwechselt.
C. 1 3 seiner Capitula = Regiiio I 215 (hier kommt niir die 2. 'tIalfte
des Kapitels in Betracht).
"2)
C. 12 Y ~ ~ I I CI<i%pitnlnre
S
nn die Prenl~yter(iiaclieli 809)
Regirio 1
262. Vgl. TIefele Btl. 3 S. 752; B i n t e r i in, Konzilien Bd. 2 S. 330: Flii d e
Geriniirieii S. 22.
-
93
zu steuern sucht, daß er jeden Presbyter oder Laien, der einein
Büßer gegenüber keine Zurückhaltung üben kann, ein oder zwei
Denare (je nach Beschaffenheit der Buße) entrichten läßt543).
Hef ele5**) charakterisiert diese pekuniäre Verpflichtung direkt
als eine Strafe. Auch wenn man nicht so weit gehen will, wird man
doch zugeben müssen, daß es der Zweck dieser Vorschrift ist.
jeden davon abzuhalten, einem andern das Büßerleben zii erleichtern.
C)
D i e Sterbesakramente.
Besondere Vorschriften gelten für die Betreuung der in Todesgefahr schwebenden Kranken. Ihnen muß der Priester am Sterbelager die Beicht abnehmen sowie die Krankenölung und die
eucharistische Wegzehrung spenden. So wurde es schon zur Zeit
Reginos gehandhabt, wie seine Sendfrage 19 erkennen läßt. Dic
Erkundungen bei der Visitation sollen Aufschluß geben, ob clcr
Pfarrer die Krankeil besucht, sie rekonziliiert, sie mit heiligem
Öl salbt gemäß der Anordnung des Apostels645)~ i n dihnen mit
eigener Hand, nicht durch einen beliebigen Laien, die Kommunioil
reicht oder ob er die Eucharistie einem Laien oder gar einer Fraii
zur Uberbringung an den Kranken aushändigt, was frevelhaft
wäre546). Was beim Krankenbesuch zunächst zu geschehen hat,
sagt uns ein Beschluß der Synode von Nantes (658 bzw. 895)647).
Der Priester, der rasch herbeieilen soll, wenn er von einem Krankheitsfall in der Gemeinde erfährt, besprengt nach seinem Eintreffen den Kranken und auch sein Gemach mit Weihwasser, woGebete ~ o r r i c h t e t 5 ~ Die
~ ) . aulSer den1
bei er verschi~dene~~8)
Priester und dem Kranken Anwesenden müssen sodann das Zimmer
verlassen. Mit freundlichen und sanften Worten redet der Priester
--
643) B i n t e r i n i spliclit in seiner Uberset,ziiiig von zwei oder drei Denaren.
544) A. 21.. 0.
"5)
.Ji~l<.0,1.1.
6") Vgl, zu dieser Scndfrage auch P e t e r B r o w e , Die letzte Ölung in tler
a,benilländischen Kirche tles Mittelalters, in: Zeitschrift für katliolisehe
Tlieologie, 13tl. 53 (1931) S. 524 i ~ n dF l t i d e , Germanen S. 36.
647) C. 4 = IZegiiio I 106. Vgl. I-Iefele Bd. 3 S. l o b iir~tl T h a l h o f e r E i s e n h o f e r Btl. 2 S.385f.
In clem Beschluß einzeln ttufgefiilirt.
544) Es handelt sich hier um die Segnung des ICrankengemaches, dic
eiligaiigs zu erfolgen hat (vgl. Thalliof e r - E i s e n h o f e r Bd. 2 S. 385).
94
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm.
Walter Hellinger,
nun dem Kranken zu, sein Leiden in Gottvertrauen geduldig
zu ertragen und es als Mittel zur Läuterung und Züchtigung aufzufassen. Er richtet an ihn die Mahnung, seine Sünden zu bekennen,
für den Fall, daß er die Krankheit übersteht, Buße und Besserung
zu geloben, zur Genugtuung sein Vermögen für Almosen zu verwenden, denjenigen, die gegen ihn gesündigt haben, zu verzeihen
und den rechten Glauben zu bewahren, damit er an Gottes Barmherzigkeit nicht verzweifle. Darauf entfernt sich der Priester
zunächst, damit der Kranke Zeit findet, über seine Siinden nachzudenken. Die gleiche Synodeb60) bestimmt auch, daß jeder dem
Tode nahe Kranke, der seine Sünden bekennt, die Lossprechung
unter der Bedingung erhält, daß er nach etwa erfolgter Genesung
sich nach dem Maße seiner Schuld der Buße unterzieht. Daß dem
Sterbenden der geistliche Beistand nicht verweigert werden darf,
ist auch der Wille des Konzils von Nicaea (325)561),der 2. Synode
von Karthago (390)562),der Päpste Siricius563), Coelestin I.5b4) und
Leo d. Gr.bb5).
-
660) C. 6
Regino 1107. Vgl. EIefele a. a,. 0.
661) C. 1 3 = Regino I 108. Vgt. I-Ief e l e Bd. 1 S. 417 (der diesen Beschlu5
näher erliiutert) sowie PI ö c h l I S. 201.
662) C. 4 = Regino I 110. Vgl. F u c h s 3. Teil S. 46 und I-Iefele Bd. 2
S. 49. Dje Synode ordnet insbesondere an, daB in solchem Falle bei Abwesenheit des Bischofs der Presbyter in dessen Auftrag tätig werden soll.
663) C. 6 (vorletzter Satz) eines Rriefes an den Erzbischof Himerius von
Tarragona (385) = Regino 1 1 1 4 . Vgl. G a m s Bd. 2 , l S. 428 und P o s c h m a n n , Kirchenbuße I S. 59f.
664) AUSC. 2 eines Briefes an die Bischöfe Galliens (428) = Regino 1111.
Vgl. Bibl. d. Kirchenväter (Thalhofer) Bd. 3 = E8 S. 391.
666) C. 4 eines Briefes an den Bischof Tlieodor von Forojuliun~ (452) =
Regino I 109. Vgl. Bibl. d. Kirchenväter (Thalhofer) Bd. 6 = 59 S. 147
(Forojulium heißt heute Frejus und ist eine Rischofsstadt in der Provence;
vgl. B u c h b e r g e r Bd. 4 Sp. 179 unter „FrQjus"). - Coelestin bezieht sich
in diesem l(apite1 anf das ßiiWsaltrainerit, währen<i die niidorlt Stellen iiiir
davon sprechen, daß die Wegzehrung gereicht werden soll. Sämtlicheri
Anordnungen liegt aber wohl der gemeinsame Gedanke zugrunde, daW riisii
den Kranken nicht mit seiner Sündenlast den Weg ins Jenseits beschreiteii
läßt. Wie P o s c h m a n n , Kirchenbuße I S. 110 feststellt, verschafft allerdings nur die Wegzehrung die Wiederaufnahme i n die kirchliche Genieinschaft. --- Das gleiche Gebot, das die i n den Anin. 561-555 genannte11
Kapitel enthalten, finden wir auch in Regino 1120, das a m Schlu5 der Vorschritten über die Sterbesakramente behandelt wird (unten S. 100).
95
I>aß die A u s s ö h n u n g aber nur dann wirksam ist, wenn der
Kranke tatsächlich stirbt, bringen der genannte Beschluß von
Nicaea und die Statuta ecclesiae antiquabb6)zum Ausdruck567).
Der Sünder, der die Krankheit überstanden hat, muß sich unter
die Büßer einreihen und dann auf normalem Wege durch die Hand;buflegung die kirchliche Gemeinschaft zurückgewinnen. Buße und
I(0mmunion sollen aber auch, wie Papst Leo I. noch ausführt65s),
tiiriem Kranken gewährt werden, der bereits der Sprache nicht
mehr mächtig ist, aber mittels Zeichen danach verlangt hat. Kann
er seinen Wunsch dem herbeigerufenen Priester nicht einmal mehr
durch Zeichensprache verständlich machen669), dann soll das Zeugnis von Gläubigen scjner Umgebung genügen, die seinen diesbezüglichen Wunsch kurz zuvor vernommen haben. Hat. einen Büßer
nun doch der Tod ereilt, ehe er in diekirchliche Gemeinschaft wieder
aufgenommen werden konnte, so darf für ihn nach einem Bcschluß der 1. Synode von Vaison (442)560) trotzdem das Meßopfer
dargebracht iind dem Unglücklichen auch ein kirchliches Leiehenbegiingnis gewiilirt werden. Scheinbar im Gegensatz hierzu steht
eine Anordnung, die Papst Leo I. in seinem Brief an den Bischof
Rusticus von Narbonne (458 oder 459)561) gegeben hat. Er ist der
Auffassung, daß die Behandlung eines dera,rtigen Falles dem Ge--.
666)C. 21 = Regino I 113. Vgl. F u c h s 3. Teil S. 471f. und Hef ele
Bd. 2 S. 75 (beide bringen die Stelle als C. 78 der angeblichen 4. Synode voii
Karthago ii. d. ,J. 398) sowie Plöclil I S. 201.
Beide Stellen nehmen ihren Biisga,ngspnnkt voii der W e g z e h r u n g ,
die dem Kranken in der Todesgefahr gereicht werden soll. P o s ch manri
a. a. 0. befaßt sich mit der Frage, wie das viaticum gegenüber der communio
rechtlich zu bcurtcilen ist, da der wider Erwarten Genesende trotz der Wieder~~ufnahrne,
die ihm auf dem Sterbebett zuteil geworden ist, nun doch i n den
Stand der Biißer ziirückversetzt wird. E r stellt darauf ab, daß man das
viaticurn a'ls eine commiinio besonderer Art betrachtete, die dem Sterbenden,
obwohl tlie Vor;iiissctziin~enclazir fehlten, letliglich im Vertrn,ueri auf Gottes
~ariiilierzigkeitgewiilirt, wurde und iliin zum ewigen IIeile ~erhelfensollte.
G68)C. 5 des unter Anin. 565 genannten Briefes = Regino I 112. Vgl.
Hibl. d. Icirchenväter (Thalhofer) a. a,. 0.
G69)Infolge seines Zustandes.
060) C. 2 = Regino I 116. TTgl. F i i c h s 4. Teil S. 664 und I-Iefele Btl. 2
S. 296.
97
Walter Helliiigc~~,
Die Pfarrvisitation nach Regino von Priim.
richte Gottes zu über1:tssen sei; für die kirchliche Praxis dagegen
gibt er eine Richtlinie mit den Worten: „Wir jedoch können mit
denjenigen im Tode lreine Gemeinschirft haben, mit denen wir im
Leben keine hatten." Der Papst hat, wie man annehmen darf,
einen thndern P d 1 im Auge als die Väter von Vaison. Diese denken
wohl a,n einen Sünder, der sich mit Eifer der Buße widmet iind dabei
vom Tode überrascht wird, er aber meint den Umständen nach
einen Saumseligen, der grundlos die Ableistung der Buße hinausschiebt und darin nicht mehr rechtzeitig die Aussöhnung mit der
Kirche erlangen kann. Dieser hat dann selbst durch sein frivoles
Verhalten die schlimme Folge schuldliaft IierbeigeführtsG2).
Den1 Süiidenbekenntnis des Kranken und der Lossprechung durch
den Priester schließt sich nun die K r a n k e n ö l u n g an, wie auch
in Regino I 117603) angeordnet ist. Der Kranke wird nach dieser
Vorschrift auf der Brust und zwisclicn den Schulterblättcrii mit
geweilitrm Öl im Hainen Ciottes gesalbt, wobei die dazugehörenden
~ ) . Papst Innozenz I. in seinen1
Gebete gesproclieii w e r d ~ n 5 ~Wie
Brief an deii Bischof Decentius von Gubbio (416)56) darlegt, soll
der Empfang dieses Sakramentes dem Kranken zum ewigen Heile
gereichen, da es ihin Trost und Stärke bringt und auch die Vergebung der Sünde bewirkt. Als Spender der Krankenölung b ~ , zeichnet der Papst die PriestersG6), hebt aber unter Hinweis auf
bestehende Meinungsverschiedenheiten hervor, daß dieses Recht
selbstverständlich auch den Bischöfen zustehtse7). E r erwähnt
weiter, daß Büßer die Krankenölung nicht empfangen dürfen,
da es sich um ein Sakrament handelt und diesen der Sakramenteneinpfang allgemein versagt ist. Es können natürlich nur solche
von Krankheit befallene Büßer hier gemeint sein, die nicht in
Lebensgefahr schwebensG"; denn die andern sollen ja nach Anordnung des gleichen PapstessGg)auf dem Krankenbett die Versöhnung mit der Kirche erlangen. In einer Erklärung des Jakobusbriefes spricht Beda Venerabiliss70) davon, dali es Brauch ist, die
Kranken im Namen des Herrn mit geweihtem Öl zu salben, er
ermahnt sie außerdeni, ihre Sünden den Presbytern zu bekennen
und Besserung zu geloben, damit sie ihnen vergeben werden
können.
Innozenz wie Beda betonen, daß das Öl, welches zur Spendung
dieses Sakramentes Verwendung findet, vom Bischof bereitet sein
muß. Wie der Pfarrer es sich beschaffen und es behandeln soll, ist
in mehreren Kapiteln bei Regino eingehend dargelegt. Es finden
sich hierbei auch Vorschriften bezüglich des Katechumenen8ls und
des Chrismas671). Allerdings sind zur Zeit Rcginos die verschiedenen Begriffe nicht immer streng geschieden. Wie Hof meis t er672)
betont, bedeutet das Wort ,,ChrismaR an verschiedenen Stellen
662) Vgl. hierzu auch I3ibl. (1. Kirchenväter (Thalhofer) a. a. 0. A n n ~ I.
.
663) Die I-Ierkiiiift des Kapitels ist nach W a s s e r s c h l e b e n ungewiß. Zur letzten Ölung vgl. 11. n,. I I i n s c h i i i s Bd. 4 S. 135ff.
664) Der Ritus wiirde noch zur Zeit Reginos recht verschiedeii gehnndh a b t (vgl. T h a l h o f e r - E i s e n h o f e r Btl. 2 S. 387 iind I l o f m e i s t e r , Heilige
Öle S. 152).
665) C. 8 ( W a s s e r s c h l e b e n gibt fälschlich das J a h r 404 an) = Ilegirio
1118. Vgl. Bibl. ti. Kirchenväter (Thalliofer) Bd. 3 = 58 S. 324f. Die Stelle
wird i n der Literatur viel zitiert, u . a . bei T h a l h o f e r - E i s e n l i o f e r Bd. 2
S. 382, B r o w e S. 6lbf. iind P l ö c h l I S. 200.
G G a ) T I I I I ~ Z ~ I I Z nennt Iiier ancii die Laien. A i i s tleni S e x t l&Wtsich aber nicht
eindeutig ersehen, ob er sie iiiir als Einpfiiriger oder aucli als Spender des
Sakraments bezeichnen will. In Bibl. d. Kirchenväter (ThalhoEer) a. n. 0.
Anin. 2 wird die erstere Ansicht vertreten, während Beda Veneiabilis nnscheinend clie zweitgeniinrite SIöglichlieit annirnmt (in Regirio I 119, s. U.).
Wenn Laien, wie es i m Altertum vorkam, eine Krankenölung vornahmeri,
handelte es sich dabei jedenfalls nicht um das Sakrament der letzten Ölung,
sondern nur iirn ein Sakranient,i~le(vgl. W e t z e r - Wel t e Bd. 9 Sp. 724
unter „Ölung, letzte").
667)Daß auch der Bischof berechtigt ist, hielt inan deshalb fiir xweifelliaft, weil in Jak. 6,14, wo die ,,Promulgation" dieses Sakraments ( P l ö c h l
I S. 80) erfolgte, iiitr von den Presbytern geredet wird. Innozenz erklärt die
eigenartige Formulierung der Bibelstelle damit, tlaß die Biscliöfe voii jeher
nicht in der Lnge waren, alle die Kranken aufzusuchen und diese Seelsorgepflicht gewöhrilich den Presbytern iiberlasseri mußten. Deshalb geht seiner
Ansicht nach wohl aucli der Apostel voii dein Regelfalle aiis, d;i,B die Presbyter das Sakrainerit spenden.
6R"
Es war tiairial:; iibljcli, die!;e;i Salirnraient ;irich deii niir leiciiter E r krariliten zii spenden; vgl. Bibl. d. ICirchenvater (Thalhofer) n. a. 0. Anin. 3.
"O) Siehe Regino I 311 und Bibl. d. Kirchenväter (Thalhofer) a. n. 0.
~ ~ l l l 3.
u.
"O)
Regino 1 119. Beda hat zur Auslegung der biblischen Bücher zalilreiche Kommentare und Abliandliingen geschrieben ( ~ g l .W e t z e r - TJTelt0
Ud. 2 Sp. 172 unter ,,Redri").
671) Auch ,,Chrisam.. genannt.
"'2) IJeilige Öle S. 20.
96
7
% < ' i ( w l ~ . i f lfiir I~rcliiseescliiciile.1,XXIX.
K ; i i ~ .AI,(.
X1,Vlll
98
Walter Hellinger,
auch das KrsnkenölS73)).Während es sich bei dem zur Salbung
der Kranken bestimmten Öl um reines Olivenöl handelt, besteht
das Chrisma, das vornehmlich zur Salbung nach der Taiife Anwendung findet, aus einer Mischung von Olivenöl und Balsam.
Der Pfarrer, der diese Öle zur Sakramentenverwaltung b ~ n ö t i g t ~ 7 ~ ) ,
muß immer mit ihnen ausgestattet sein; darauf dringt besonders
die Synode von Orange (441)s7s)hinsichtlich des Chrisams für die
Taufe. So ist es die Sorge Kaiser Karls d. Gr. in seinem Kapitulare
an dic Presbyter (Aachen 809)676) und auch Reginos in seiner
tfberschrift hierzii, daß jeder Presbyter sich am Gründonnerstag
in die Bisehofsstadt begibt und zwei „Amp~llen"~77)mitbringt,
das eine Gefäß zum Empfaiig des Chrisams, das andere für das
Katechumenen- oder Krankenöl678). Jedoch brauchen, wie Ludwig
d. Pr. in seinem Kapitulare an die Bischöfe (Aachen 817)579)einräumt, alle die Presbyter, die mehr als 4000-5000 Schritt entfernt wohnen, nicht persönlich zu erscheinen, sondern können
sieh jeweils durch einen ihrer Mitbrüder vertraten lassen, der
673) Schon deshalb lind aus Gründen der Zus:tmmengehörigkeit ist es
iingebraclit, liier nicht nur die sich aiif das Krankenöl beziehendeil Vorschriften, sondern alles, was Regino bezüglich der heiligeil C)le iii :;eine
Snininluiig rtufgenoiiinien hat, wiederzugebe~i.
674) Rlit hl. Öl vrercicn aiich, wie in Regino 1 73 (s. 11. Auiii. 586) hervorgehoben wird, die Röriige lind die Priester gesalbt,.
676) C. 2
Itegiiio I 79. Vgl. H e f e l e Brl. 2 S. 292. Die Synotie führt
weiter aus, daß der Mensch nur einmal, und zwar bei der Taiife, init den1
Chrisam gesalbt wird. Wiirde die Salbiing dort uiiterlasseri, hat sie bei der
Firmling zu erfolgen. Diese Praxis übte man, wie I i e f e l e n.. a. 0. beiiierkt.
in Gsllieri, wiillrenil in Itoni bei der Taufe und dazu iiocli bei tlcr Fiiiniinr
init Chrisarri gesalbt wurde.
67s) C. 17
Regino 176. Vgl. Flefele Bd. 3 S. 753; B i i i t e i i i n , Konzilien
Bd. 2 S. 330; B r o w e S.518 Anin. 9; H o f m e i s t e r , Heilige i)le S.40.
"7)
Es hnriilclt sich iirn eigens zia den1 hicr angegebenen Zweck host~iniiiit~e
(.:efiLDe (vgl. ß i i c h b e r g e r 13d. 1 Sp. 376 unter , , h i i ~ p i ~ l l e ' ~ ) .
678) Wie Ilef c l e lind B i n t e r i i n a. a. 0. bemerken, gebrauchte iri:Lri dani:ils
~~iisclieineiiil
eiri iiird d:isselbe 01 bezüglich der T a i i f l i i ~ ~\vie
e der Krnrilten.
IIeuCe bes1,elit iii dieser ITinsiclit eiiie Trcniiuiig, so dtiß iiisgcsaint drei
(>eIiifie ziini I<;iiipf:~ngder heiligen dle riot~veridig sintl. Ailcli erfolgt die
Weilic? (los K;itcclsuineilen- lind I<r;~nlteiiij!s nicht gleichzeitig iiiiici'lialb tier
Crrüiitloiiiicrst:ig:i111es:ie (vgl. tl,zzil 'Pli a l l i o f e r - E i s e n l i o f e r Hti. 1 S. 62'if.).
"9)
C. 18
ncgino 1 77. Vgi. I-iefeie Ud.4 S . 2 7 iin<t Biriterirll,
Konzilien RII. 2 S. 368.
-
-
-
Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüni.
99
das Chrisma für sie empfängt und ihnen überbringt5*O). Die
synode von Vaison (442)5s1) gestattet auch, daß ein Diakon zur
Bisohofsstadt reist oder ausnahmsweise ein Subdiakon zur Empfangnahme dorthin entsandt wird. Ob letzteres mit dem Willen
Reginos übereinstimmt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden:
denn er spricht in den Uberschriften, die er den einzelnen Kapiteln
vorangestellt hat, nur vom Presbyter und betrachtet demnach nur
ihn als zur Abholung der heiligen Öle befugt und verpflichtet682).
Auch kann nichts daraus hergeleitet werden, daß er diesen Beschluß von Vaison in seine Sammlung eingefügt hat. Wie nämlicli
seine uberschrift hierzu erkennen läßt, hat er ihn wohl nur deshalb
übernommen, um die in seinem ersten Teil enthaltene Anordnung
zur Geltung zu bringenss3). Die Synode verlangt zu Eingang des
Beschlusses, daß nur beim eigenen Bischof und nicht bei einem
fremden, den man lieber aufsuchen würde, weil er in der Nähe
seinen Sitz hat, jeweils kurz vor Ostern das Chrisma zu erbitten
ist. Es besteht also in dieser Hinsicht eine ausscliließliche Zuständigkeit des Diözesanbischofs, Die Synode von Meaux (845)684)
verbietet den Bischöfen und ihren Gehilfen, für das Chrisma
sich etwas bezahlen zu lassen oder irgendein Geschenk anzunehmen; sie hält cs aber für geziemend, daß die Presbyter sonst
zu passender Zeit ihren Bischöfen als Zeichen der Ehrerbietung
680) Der Schlußsatz des Kapitels betrifft nicht unmittelbar das hier zu
behandelnde Thema und sei nur der Vollstandigkeit wegen genannt. E r
lautet (nach H e f e l e ) : ,,Um Unterricht zu erhalten, sollen sie nicht in der
Quamages, sondern zu einer andern Zeit vom Bischof in die Stadt berufen
werden".
6 8 1 ) C. 3 = Regino I 78. Vgl. F i i c h s 4. Teil S. 666 und H e f e l e Bd. 2
S. 297.
682) Allzu streng wird wohl auch Regino in dieser Hinsicht nicht gedacht
habeil; denn es dreht siclt ja dabei nicht uiir eine Ilaridliiirg, die Arisfluß
aer Weiliegewalt ist, vielmehr ging es haiiptsäclilich dariim, da13 die Abholung durch vertr:~iienswürdige Persoiien erfolgt. - Heute dürfen ,,treukatholisclie 1,aien" ohne weiteres damit beaiiftra.gt werden (vgl. B u c h b e r ger Bd. 7 Sp. 702 unter „Öle, heiliee").
~,,
683) Also nicht, um die Frage zu regeln, wer mit der Ablioliing der heiligen
Öle beauftragt weiden darf.
"') C. 46 = Reginn 1 7 5 . Vgl. I I e f e l e Bd. 4 S.1113sowie H o f m e i s t e r ,
Heilige Öle S. 232.
Die Pfa,rrvisitation nach Regino von Prüin.
otwas zuwenden. Das empfangene Chrisma muß, wie in Regino 1
73.8') zum Ausdruck gelangt, gut verschlossen aufbewahrt werden,
damit nicht Unbefugte sich daran vergreifen können, um es zur
Beeinflussung und Fälschung von Gottesurteilen zu verwendenGa6).
Stellt ein Presbyter jemandem das Chrisma zu diesem Zweck zur
Verfügung, soll er, wie Kar1 d. Gr. in seinem Kapitulare von
Aschen (809)687)befiehlt, seines Grades verlustig gehen und die
Hand verlieren.
Nach der Krankenölung wird, wie in Regino I 120588)festgelegt
ist, dem Sterbenden die Wegzehrung gereichtG89).Der Presbyter
m u ß für diesen Zweck, wie wir schon gehört habenGgo), immer eine
--Eucharistie in der Pyxis bereit haben. Auch darf das viaticumregelmäßig nur vom Priester gespendet werden""). In Hegino I 121692)
wird nämlich unter Hinweis auf pflichtwidriges Verhalten einiger
Priester, welche die göttlichen Geheimnisse anscheinend geringschätzten, als verwerflich hingestellt und ausdrücklich verboten,
daß der heilige Leib des Herrn einem Laien, geschweige denn einer
Frau vom Presbyter, der doch eigenhändig dem Kranken die
Kommunion reichen müßte, mit dem Auftrag übergeben wird, ihn
6 8 6 ) Regino schreibt das Kapitel einer Synode vor1 Tours zu. W a s s e r s c h l e b e n bezeichnet die Herkunft der Stelle als unbestimmt. Zu ihrem
Inhalt vgl. F l a d e , Erziehungsbeiniihen S. 238 und L e i t m a i e r S. 39 und 57.
68e) Man hat es eingenommen oder aridern eingegeben, um ein günstiges
Ergebnis beiiii Ordal herbeizuführen. Uber solchen hIißbrauch, wie er
damals vorkam, berichten F l a d e lind L e i t m a i e r a. a. 0. sowie H o f m e i s t e r a . a. 0.
687) C. 10 = Regino 1 7 4 . Vgl. Bölinier S.198, F l a d e a. a. 0. und H o f n i e i s t e r a. a. 0. S. 237.
588)N:ic,h Witss e r s c h l e b e n unbestimmter Herkunft.
689) D:iß auf die Ölung die Wegzelirurig folgt, ist keineswegs selbstverstknill~cli.Diese Reihenfolge war :illerclings, wie R r o w e S. 550 mitteilt,
,:in1 Frü11niitiel:iltt:r iinü tlarüber iiinaiis clic IierkBmiriliclie iirid zienilich
a>llgernein iihliclie". Es fand sich aber auch, vor allein in späterer Zeit,
gerade das TJrngckelirte. Xiiliorcs siehe iii B r o w es tiefschürfciider Untersiicliiing auf S. 550ff.
690) Sielic Itegiil« 1 70 rcnd 7 1 bei den Vorschrifteii iibcr die Pyxis (obeii
s. 33f.).
5 @ 1 ) VgI. (iazti iiiich Pliichl I S. 360.
G9z)Itegiiio schreibt oie Stelle einer Syiiotle voii Reiins zu. Wa,ssers c h l e b eil Ii:it sie {inter dcii Reimser Beschlüssen riicht gefunden.
101
dem Kranken zu überbringenG93). Diese Personen dürfen auch
nicht die Sakristei betreten oder sich dem Altare nähern.
Schließlich sei noch hervorgehoben, daß der Presbyter seinen
Dienst am Krankenbett unentgeltlich zu verrichten hat. Dies bestimmt die bereitsGe*) behandelte Sendfrage 20, welche auch hinsichtlich der Taufe und des kirchlichen Begräbnisses ein gegen die
Entlohnung gerichtetes Verbot aufstellt6g6).
3. Sortstige Amtspflichten.
a) D a s k i r c h l i c h e Begräbnis.
Hat der Kranke oder sonst einer der Gläubigen das Zeitliche
gesegnet, kommt dem Pfarrer die Aufgabe zu, für ein den Vorschriften der Kirche entsprechendes Begräbnis zu sorgen. Innerhalb der Sendfragen ergibt sich diese Verpflichtung nur mittelbar
aus der zuletzt genannten Sendfrage 20, die dem Pfarrer eine
Gebühr für diese Amtshandlung ausdrücklich abspricht. Jedes
Zuwiderhandeln gegen dieses Verbot wird in Regino I 1296g6)
als Simonie gebrandmarkt, und es wird betont, daß die von
Christus unentgeltlich empfangenen Gaben auch in gleicher Weise,
also ohne jedenLohn, ausgespendet werden müssen. Papst Gregor I.
in seinem Briefe an den Erzbischof Januarius von Cagliari697)
(599)698),unter Bezugnahme auf ihn die Synode von Neaux
683) Vgl. auch F l a d e , Germanen S. 36.
604) Boi den Vorschriften über die Taufe (s. o. S. 78f.).
685) Vgl. F l a d e , Klerus S. 66f. und Hof m e i s t e r a. a. 0. S. 233. Recht
eingehend untersucht B r owe S. 626ff. für die Zeit des IVlittelalters die
Cebührenerliebung bei kirchlichen Amtshandlungen, insbesondere hinsichtlich der Erteilung der Sterbesakramente.
696) Regino schreibt die Stelle der Synode von Tribur zu. W a s s e r s c l i l e b e n hilt sie unter (teil Rescliliissen dieser Synode niclit gefuncien. (D:rs
liiipitel wurde schon bei den Vorsclirifteri zur Taufe untl Iiomniuriiori erwähnt.) Ziir deutschen obersetzung vgl. B i n t e r i i n , Konzilien Bd. 3 S.
211. - Das vorangehende Kapitel I 128 bei Regino wendet sich i n seinem
zweiten Halbsatz ebenfalls gegen eine Bestattungsabgaho. Für seine Herkunft
gilt da,s gleiche wie bei Regino I 129.
697) Reute die Hauptstadt von Sardinien.
6g8) Brief 3 = Regino I 123. Vgl. Bibi. d. Kirchenvater (Tlialhofer)
Bd. 2 -- 41 S. 431.
102
Walter Hellinger,
(845)6D9)und auch die Synode von flantes (658 bzw. 895)'jo0)beziehen dieses Verbot iiisbesondere auf eine Abgabe für die Begräbnisstätt e. Papst Gregor und die Väter von Meaux bezeichnen
es übereinstimmend als pflichtvergessen, für den Boden, ,,welcher
der Verwesung eingeräumt wird", einen Preis zu fordern und „aus
der Trauer anderer Leute sich einen Gewinn" z11 verschaffenßO1).
!)aß ein Pfarrer versucht sein konnte, für den Begriibnisplatz e t ~ v i ~ s
z u verlangen, ruhrt davon her, daW die Friedhöfe iim die Kirchen
herum angelegt wiirden und viele Glaubige damals bestrebt waren,
sogar im Innerii der Kirche odcr ~venigstensin der Vorlialle den
Ort ihrer letzten Rulic zu
Bei dieser Sachlage ist es
ganz verständlich, wenn der ebengenannte Papst zulaßt, da5 ein
Presbyter, der fiir einen Verstorbenen dns Begräbriis innerhalb
der Kirche erlaubt hat, von den Eltern, hnverwandteii odcr
Erben eine freiwillig c Gabe für den Lichterverbrauch der Kirche
mnimmt. Die gleiche Richtung schlägt die Synode von Nantesßo3)
ein. Sie duldet eine Zuwendung aii die Kirclie, in deren Vorlialle
ctcr Verstorbene beigesetzt wurde, wenn dieser es zu Lcbzeiten
angeordnet hat odrr werin diejenigen, die naelii seinem 'rode zur
Vrrteilung von Almoseii aus seinem Vcrmogen berechtigt sind,
aus eigenem Aiitricb sich dazu bereitfinden. 1)ie Vktrr vonMeatix"04)
rrlrlären sich gnnz allgemein damit rinverstandeii, dal3 iliif C;chei[j
des inzwischen Verstorbeneil die Ver~v:tndtcii oder Erben die
Kirche niit eiiier milden Gabe hedenItcii. Papst Gregor \vic dir
Väter von Mcaux scl.iarfen aber in diesem Zusammenhang nocliinals ein, daß auf lreinen Fall irgendcin Zwang zu solcher Leistung
ausgeubt werden darf; denn die I(irc1ie IrOnnte sonst als liziuflicli
angesehen werden, und die kirchlichen Organe Itoniiten in den
Verdacht geraten, bei Todesfallen Frcude zri ernpfindiln, ~scilsir
599)
C.
72
- Itegi~io1 124. Vgl. 1Iefele Bd. 4 S. 118, Fl:i d e , Geriiinneii
S. I t ; iin(1 I>iiilipp lIoi"iiieister, Das Co(.teilin:is als Regriil~iiisstiiite,jii:
iircliiv fiir 1~:ltiioiisciiesI<ir~lieiireclit,,Ud. 111 (1931) S. 449 iillti 460.
60°) C. G = Regino I 127. Vgl. 1 - I ~ f ~ Bd.
l e 3 S. 106 iiiid I l o f i i l e i s t e r
1i. a. 0. S. 457 iiiid 460.
6oi) Das wörtlicli Zitierte ist der f f b e r s e t z ~ i nder
~ ßibl. (1. I<irclieill~;tcr
(Thalliofcr) e~it~nonimen.
602) Sie110 a1io11 TlialIioFer-Eisenliofer Htl. 2 S. 464.
903) h.I , . 0. (Regino I 127).
604) i\. a. 0. (Regino I 124).
l)ie l'farrvisitatioii ii:~cli Regiiio von Pruiii.
103
daraus Nutzen ziehen. Wenn es sonach vom kirchlichen Standp~inkt
auch
erscheint, die Beisetzung in der Kirche oder
in deren Vorhalle zu gestatten und dafür eine freiwillige Gabe anzunehmen, geht das Bestreben der maßgebenden Stellen -- wie
mehrere andere Kapitel bei Regino zeigen - doch gegeii
die Wahl eines soIelien Begräbnisortes. Die Synode von Nantrsßo5)
wohl auch die von Arles (813)606) sowie Kar1 d. Gr. in seinem
KaPitiilnrc an die Presbyter (Aachcn 809)607)b r t ~ i i c nden Grundsatz, da13 ltrin Toter in der Kirche beigesetzt werdrii dt~rf.Aucli
Rcgino bringt dies in der tfbcrschrift zu letztgenannter Quellenstelle zum Ausdruck. Wahrend aber die Synode von Nantes urirrbittlich daran festhalt, daß fur die Beisetziing innerhalb clei
Kirche oder nahe beim Altar, „wo der Leib und das Bliit des
Herrn brreitet wird", eine Erlaubnis nicht in Betracht ltomiiit.
räilmen die Vater von Mraux608) diese in der Kirchc ein, wc/iiu ein
Bischof oder Presbyter den Verstorbenen auf Grund seines Lebenswandels deren £ur wurdig erachtet. Sie warnen abcr davor, daß
jemand ohne weiteres sich herausnimmt, „gleichsam nach ererbten1
Reclit" einen beliebigen Toten in der Kirche zu brgraben. Dir
Forniulierung, welche die Synode für ihr Verbot hier wählt, 1aWt
sich nur vo1ii Eigeiikirchenwesen her erklären. Die EigenkircticriIicrren beriefen sich nzimlicli, wie S t u t z und F l a d e schildernß09),
:~ufalte tfberlieferiiilg und betrachteten es als tiefeingewurzcltes Recht, „sich innerhalb ihrer Kirche begraben zu lassen
uiid gegen oder ohne Entgelt anderen eine Grabstatte darin zii
g o ~ a h r e n " 6 ~ ~Bei
) . dieser Sachlage hatte es die Kirclic n:btiirlic>li
606)A. a. 0. (Regino I 127).
606)C. 21 = Regino I 126. Vgl. H e f e l e Bd. 3 S. 757 und IIof liieistet
d :L.0. S. 4GOf. I n dieseln Besrhluß heißt es allerdings nur, daß hinsichtlich
tlei Beerdigung in den Kirclicn die von den altehrwurdigen Vatern fest~ e s e t z t eOrdnung gelten solle. Nach dem Zusammenhang, iii deiii $ich die
~Leilehefindef , ist nnzu~icliiiien,d:iß lirer auch das Verbot der Rciqptziir;~.
111 tler K~rclieaiisgesprochrn wird Jii dicieiii Siiiiir E I lii <ri:c 11 I! o f m t.1 it r r
'1 a. 0. die Stelle auf.
607)C. 14 = Regino I 125. Vgl. H e f e l e Bd. 3 S. 757; ß i i i t e i i i i ~ ,Koiifl!ien Bd. 2 S. 330; I l o f r n e i s t e r a. a. 0. S. 468.
'08) A. :L. 0. (Regino 1124).
'Oe) Vgl. S t u t z , I I e n c f ~ z ~ a l i ~ e $.
, ( l 272
~ ~ ~ O W I PFlrt d r Kielili h W1
iiriti (;orinaiici~ S. 16.
'I0) F l a d e , Kleins S. 81,
106
Walter Hellinger,
Die Pfarrvisitation nach IZegino von Prüm.
reclit schwer, ihren entgegengesetzten Standpunkt durchzusetzen.
Wenn sie auch ihren Grundsatz, daß niemand im Gotteshaus beigesetzt werden darf, unentwegt verfocht, war sie - wie auch
unser Beseliluß von Meaiix zeigt - doch da und dort zum Nachgeben gezwongcne1l). Als ordnungsgemäßen Bestattungsort bezcjchnet die Synode von Nantes die Vorhalle oder den Säulengang
der Kirche oder - wie es gleichfalls in Regino I 128612) heißt den Platz um die Kirclic613). Schließlich wendet sich der Bcseliliiß von MC~LIIX
mit scharfen Worten noch gegen solche, die Gebrine von Toten aus dem Grab entfernen oder die Bestattung eines
Verstorbenen dnrcli unbedachtsame Handlungen stören. Die Toten
sollen vielmehr in dem Grab, das man ilincn auf gottliche Anordnung gewahrt, ungestört bis zum Jiingsten Gericht verbleiben.
Wer dies unbeaclitct laßt, frevelt nicht nur gegen das Gesetz
Gottes, sondern auch gegen staatliches Reclit und ist als Grabschander des Todes wiirdig.
vernehmen616). Er fügt noch hinzu, daß die Gläubigen von diesem
Wasser in kleinen Gefäßen etwas empfangen und mit nach Hause
nehmen dürfen, um es durch ihre Fluren, über das Vieh, in die
Ställe und gewiß auch über Speise und Trank zu sprengen. In
einem Kapitel bei Pseudo-Isidor617), das ebenfalls dic durch Gebet erfolgende Wasserweihe den Priestern zur Pflicht macht, wird
darauf hingewiesen, daß Salz in das Wasser einzustreuen ist. Es
wird daran erinnert, daß einst der Prophet Elisaus Salz in die
Wasser Jcrichos warf, um deren Unfruchtbarkeit zu heilen618).
So soll auch, wie Pseudo-Isidor erhofft, die ,,Unfruchtbarkeit der
menschlichen Dinge" durch dieses Wasser beseitigt werden. Als
weitere Wirlruiigen nennt er innere Reinigung und Heiligung,
Mehrung des Guten, Abwehr des Bösen und schließlich Schutz vor
den Einfliissen der Dämonen.
104
b) Dze Weihwasserb~reatung.
Zu dcn Uenediktioricn6l4), die dem einfachen Priestri uberlnssen sind, zlililt die Bereitung des Weihwassrrs. In Senclfrngc
36 wrist Rrgino dem Visitator die Aufgabe zu, daruber zu wachen,
ob der Pfarrer an jedem Sonntag vor der 1IivlrBfcic.r das Weihwasser,
init wclclicin das zrir Kirche lcoinm~ndrVolk besprengt wird, in
eiilrm sauberen Gef¿iß und mit gebulirerider Weilic zubereitet.
Icnst mit drn glrichcn Wortcn laßt sieh auch Hinlrmar von Reims616)
Sielie ebenfalls F l a d e a. :L. 0.
Bereits oben genannt, iils vor1 dein Verbot einer Bestattungsgebühr
die Rede war.
613) I m Texte \ V a s s e r s c h l e b e i i s steht zwar ,,exedra." (bedeutet in
diesem Zusainmenliairg „Apsisu). Man wird aber ruhig niit P l a d e , Gerrn;riieir S. 16 den von \Vasscrsclile'r~eiiin hnrii. 355 angegebenen abwcichendori Text Eiir richtig halten tliirfeii. iZii die Stelle vor] ,,exetlra ecclesine"
ist dann „extra occlesiaiii" zu setzen.
'314) Dies sind Segnungen bestimmter Personen (z. B. beini Begräbnis
die Einsegnung der Leiche) oder von Sachen (wie die hier zu besprechende
Wasseuweiho). Sie zählen zu den Saltrl~riienta.lioii. Näheres sielie U. a. bei
T l i a l h o f e r - E i s e i i l i o f o r Bd. 2 8 . 463ff.
61" C. E) seiner Capitiila
Regino 1 214. Vgl. auch T h a l h o f e r - E i s e n 11of e r Bd. 2 S. 478 und B u c h b e r g e r Bd. 10 Sp. 7631. (unter „\Vasser").
"2)
-
C)
D i e Breuierpf Eicht.
Regino liegt es auch ixm l-ierzen, daß der Presbyter zu den einzelnen Tagzeiten das Stundengebet ordnungsgemäß verrichtet.
So weist er iil Sendfrage 20 den Visitator an, darauf zu achten, ob
tler Presbyter die erste, dritte, sechste und neunte Stunde reclit616) Wie T l i a l l i o f e r - E i s e n h o f e r a . a . 0. erwähnen, geht es hier u m
die ailch heute übliche Austeilung des Weihwassers vor dem sonritiiglichen
Ilauptgottesdieilst. Nt~clidein Wortlaiit der Sendfrage und des llinkmarschen Kapitels könnte inan noch an die eigenhändige Besprengung der
Gläubigen aus einem arn Eingang der Kirche bereitgestellten Weihwassergefäß denken. Es ist aber wohl nicht anzunehnien, daß hier der Brauch, heim
Betreten der Kirche Wei1iw:~sser zu nehmen, geineint ist; denn er hat sich
erst in der Zeit nach Regino vollends herausgebildet. Für die hier vertretene
Aiiffassung spricht zudem die bei W a s s e r s c h l e b e n in Anin. 1 2 zu Sendfrage 36 zitierte Textabweichuiig, die beziiglich des Volkes den Zusatz
enthält: et stans in ecclesia'. Diese Ergänzung hezieht sich also auf das in der
Kirclic! schoii :tiiwcseride Volk: Es soll saiiit den Gläilhigen, tlie gerntle tlie
Kirche betreten, init \FTeihwasscr besprengt werden.
'I7)
Regino 1213. In lateinischem Text auch bei T l i a l h o f e r - E i s e n h o f e r
it. a. 0. wiedergegeberi.
'I8) 4. 1Cg 2,20. Vgl. auch T l i r t l l i o f e r - E i s e n h o f e r Rd. 2 S. 476, ur"
veriirerkt wird, daß nicht dieser Bericht aus den Königsbiicliern die gebräucliliche Beimischung des Salzes veranlaßte, sondern der Glaube a n die
„Dän~onenurld die Krankheit versclieiicliende Kraft des Salzes, den das
(Jhristentum bei den Röinerii vorfand".
106
Die Pfarrvisitation nacli Itegino voii Pruiii.
Walter Hellinger,
zeitig mit der Kirchenglocke ankündigt und die geschuldete Folge
absingtßlQ).In Sendfrage 28 macht Regino darauf aufmerksam,
daß der Presbyter sogar nachts aufzustelien hat, uni sich den
Gebeten der Matutin mit Laudes zu widmenNo). Auch Hinkmar
von Reims6") spricht von der Brevierpflicht und weist daraiif
hin, daß der Presbyter ihr im Zusammenwirken mit scincn Schillern
in feierlicher Weise genugen soll. Die Ordnung des Stu~idcizgebctes
wird in Kapitel 16 der benediktinischen O r d e n ~ r e g e l ß wieder~~)
gegeben, wo Benedikt des Propheten Wort „Siebenmal des Tages
singe ich dir LobaBz3)zitiert. Hier werden allerdings fur die Nacht
sowie
außer der Matutin noch ein besonderer Nachtgottesdie~ist~~~)
die an die Non sich t~nschließendenTagzeiten der Vesperßz6)und
Komplet626) genannt. Man wird aber wohl zu Recht annehmen
konnen, daß die beiden letztgenannten Tagzeiten schon zur Zeit
Reginos auch beim Weltklerus eingelulirt waren, obgleich Regino
~~).
sie eigenartigerweise in seinen Sendfragen nicht e r w a l ~ i i t ~Der
besondere Naclitgottcsdieiist durfte wohl schon zu Lebzeitcii unseres Prumer Abtes auf den frulien Ilorgci~verlegt u11d mit der
619) E S geht hier ~1111 die I'riril, Terz, Sext; riiici Soli, die V011 rliorgens
G ZJlir a n (dies war iitrcli der riirriischeri Zeitrecliiiiirig die erste Stunde des
Tages) jeweils iili hbstantl von drei Stunden ge1i;ilteri wiirderi. Wie die
Senilfrage zeigt, h a t t e der Pfiirrer daiiiiils tliese Stiiridengebete, tlie ziirn großen
Teil aus Psalniengesaiig besti~iicieii,öffontlicli i n tler J<irc.he zu verricht'eii
lind nuch tlie Geriieinde durcli den Riif der üloc,lte dzizu eiiizuladen. I n
dieser \?reise wird lieut,e noch iii tien Iilijstern das Cliorgebet der I?I öiiclio
gepflegt. - Zu dieser Sendfrage siehe aucli F l a d e , Kleriis S. 76.
620) E S hitndelt sich uni tli~s auf tiic Nacht eiitf;illende Stiindengebet,,
(las heute i n den meisten Iclöstern iri tleii friilien 3Iorgeristundeii rerrichtel
wird. Dies geschah wolil --wie sich iiiis Kiipitel 1 211 ergibt (s. U. Anin. 621)
- z u r Zeit Reginos beirn JVeltklerus in gleicher JVeise. Vgl. aucli T l i o i h o f e r ISisenliof e r Bd. 2 S. 574 uriti F l a d e a. n. 0 .
621) C. 9 seiner Capitiila (bereits genannt, als voll (ler Messe die Retlc wrir) =
Liegiiio I 211. TIier wird : i ~ i ~gesagt,
li
tln B tiic 3lntiitiii frii11iiior;rrns r:c,fci~i~t
\vird.
"2) Regino 1 187. Vgl. V . Hiilt1ias;ii S. L;:?.
""9 I's. 118. l(i4.
824) Siehe Iiierzit t~iicliSli:i 1 liof e r - E i s enliof e r 13tl. 'J S. 625.
Sie findet nach iirisorer Zeit,recliiiuiig gewühiilicsli :in1 !S 1:lii' .;t;it.l..
"26) Sie wird in tler Kegel iirii 20 ü l i r geli:ilte;i.
1I)iese ?iiiffnssiiiig o r g i l ~ t sicli :iiicIi niis Si:it b ci.1 I3ii 11iii e r . ( : P schictit,e des Ilro~~iei.:;,Ii'reibiirg 1896, p:issiiii, insbes. S. 253.
107
~ a t u t i nverschniolzen gewesen
Wie wichtig die Erfüllung
der Brevierpflicht ist, zeigen ci~iigcKapitel unserer Quellcnsammlung, die eine strenge Bestrafung der Säumigen vorsehen. Wie die
Statuta ecclesiae a11tiqua6~~)
bestimmen, sollen Kleriker, die, ohne
lirank zu sein, bei den Vigilienß30) fehlen, ihrer Einkiinfte verlustig gehen. Die Synode von Vannes (465)631) schließt in einem
Falle dieser Art632) den Kleriker für sieben Tage von der Koiizmunion aus, und die Synode von Agde (506)633)hält es für angcbracht, daß dem in seiner Brevierpflicht säumigen Kleriker niir
die Fremdenkommunionß34) gereicht werde.
d) D i e B i t t p r o z e s s i o n e n .
IJnter Ziffer 56 und 57 der Svndfragen lesen wir nur „De litania
inaioreL'und „De rogatioriibus". Wie sich auch aus den zugehörige11
Quellenstellen ergibt, sind hiermit die Bittprozcssionen vor Christi
Die litania maior, die gcgcnüber d ~ i i
Himmelfahrt gemei11t~3~).
es)Vgl. S l i a l h o f e r - E i s e n l i o f e r Ud. 2 S. 574 uiid lliiuiiier S. l(;O.
C Z g ) C. 35 = Regino I 183. Vgl. F u c h s 3. Seil S. 468 uiid IIef e l e Bd. %
S. 73 (beide briiigeii die Stelle als C. 49 der arigebliclien 4. Syiiode vor]
Karthago riiis dein J:ilire 398).
Dies war die iirspriirigliche ßezeiclinuiig iiir den Narlitgottesciierist.
14 =: Regino 1 186. Vgl. l f e f e l e Bd. 2 S. 596.
e32) Hier werden allerdings nicht die Vigilien gerraiirit, sontlerrr niir t l i p
>fatutiii.
633) C, 64 == Regiiio I 186.
6")
Uber die Bedeiitiing dieser co~iiiiiiiiiioperegiiiia wurcle scliori viel
gestritten. Ni~cliH i n s c h i i i s Bd. 4 S. 734 ilnrii. 6 i s t es eine rriildere Forni
der Deposition. Rerhtlich bedeutet sie seirier Ansicht iiiirh eine Gleichstelliing des einheiiiiischen Klerilieis m i t deiii fremden in beziig eiif die
1rleiik:ile Iteclitsstelliing, nicht aher a u f die allgemeine als i\litglied dei
Icirclie. Naheres siehe ii. ii. 0. \17ic W e t z e r - W e i t e Bd. 3 SI>.717 (uritei
„eoiiiriiiiiiio peregrina") i~iisführeri,behiilt der in die Prenideiigemeiiischaft
:ersetzte: Geistliclie Itiliig, :iiiit uiitl Pfriiritlcirikoiririie~~,
t1;irl' iii)t~riiis ziii
Biililcisti~rigkeine kircliliclieii Verriclitiirigeri vorriclirueii.
sn6) Stiatt „rogatiories'Viiidet sich auch die Bezeichnung „litaiiiae iiiiiiores..
iiibtlr tlir ßedeutiing (lieses Begriffes siehe im ETn~ipt,text).112s TVort „Iitnni:i" - 1,itariei wird liier in seinen. iibertriigeneri Ucrleiitiiiig gebrairclit.
I):: die Ir~rrzgcfaßteri JYcchselriife tlcr Litniiei sich l~esonrlt?r!: :;ir i.cligiösc
1liiizii;;i: eigneten, crliielteii diese allriiB1ilirlr tiic f3ezeiriiniiilc: ..lit;:,iiiae'..
Ygl. J % n ( ; l ? l ~ e r gBiI.
e r 6 Sp. 600 (1iri1;er ..r,i!i:iipi") 111it1 T l i : ~ l l ~ i ~ ! c ~ r - I ~ i : ~ ~ ~ ~ ~ l!oici, I%tl.I S. 6h9l.
630)
831) C.
108
109
Walter Hellinger,
Oie Pfarrvisitatioii riacli llegirio von Priiiii.
rogationes besonders feierlich gestaltet wird, findet am 25. April
(Fest des hl. Markiis) statt. Daß alle Christen, ausgenommen die
Z(ranke11, sich an ihr beteiligen, ist der Wunsch der Reformsynode
von M:iinz (813)636). Aber nicht zu Pferd und in prunkvolleri
I(leidern, sondern mit Asche bestreut und mit den1 Büßerkleid
iingrtaii, soll rs geschehen. Ganz ähnliche Vorschriften finden sich
in Regino T 280637) fur die Bittgaiige, die an den letzten drei
Tagen vor Christi Himmelfahrt veranstaltet und bei Regino als
rogationes brzeichnct werden. Das I<apitel nimmt darauf Bezug,
daß Gallirii rinstw3")stark von Wolfen heimgesucht wurde und die
in der Stadt Vieiiiie versammelten 13ischofe znr Abwendung diese]
Geißel ein dreitagiges Fasten angeordnet haben. Der Herr habe
sich barrribcrzig erwiesen und es sri von dti an zur Gewohnheit
geworden, j;ilirlich vor der Feier der Himmelfahrt des Herrn diesr
drei Tage in gleicher Weise zu begehen. Auch in Zukunft soll, wie
der unbclcctiinte Verfasser der Stelle weiterfahrt, dieser Brauch
im Geiste der Ilemut und Enthaltsnmlreit aiifrecliterhalten werden,
tim der Versiichiingen der Dämonen, jeiicr unsichtbaren \Volfe,
Herr zu werden. Trinlcgclage, b(li denen inan sich gar noch iii
Liauscti versetzt, diirfen aiif lreinen Fall zur Feier dieser Tage
stattfinclen. Vielinehr soll jeder barfuß in Sack lind hsclie einhergchrn lind drtdurch einr dem Ernst diesrr Tage angepnßtc Stirnmung zurn Ausdruck bringen. Bei den Uittgangen ist drn Fraiicn
die Gestaltiing des Chorgesangs verboten, dagegen sollen alle
Teilnehmer gemeinsam das „Kyric clcison" singen sowie mit
ictirvollem Herzen ihrer Sunden wegen um Gottes Barmherzigkeit
flehen. Auch um Fricden, Gedeihen der Feldfruchtcurid Bewahrung
vor Unheil wie sonstiger Not sollen sie beten. Daß bei jedweder
1-Ieimsuchilng das Volk Gottes Barmherzigkeit erflehen soll, ist
übrigens auch ein Wunsch Karls d. Gr., den er in einem Kapitulare
von Diedenliofen (805)63Q)äußert: Bei Hunger, Pest und sonstigem
Unheil sollen sofort öffentliche Gebetsstiinden abgehalten werden,
ohne daß man erst ein liaiserliches Edikt abwartet, welches dies
anordnet.
P
-
616) c . 3 3 - Ttegii-io I 279. I'gl. H e f e l e B d . 3 S. 762 iiiid B i n t e i ~ i i i ,
tCoiizilieri Rd. 2 S. 4G5, die ilirri f i l ~ e r s e t z u nnllerdirig~
~
einen etwas ab\\7cic*lieiiileriText zugruncie legen, auf den auch W a s s e r s c h l e h e n in seirieit
iriiiit~rliiingrn liiiiareist. Sie sprechen vot <illeni \ a n d r e i Tngei~,an r1enc.11
die l'iozessiori ctiiichgcfiihrt wertlen joll. Diese Kegeliriig gilt aber ge~ntie
fur tlie in1 folgeiitleir zil beliandelri~leri rogationes. - Vgl. auch F l a d e ,
I<lerris S. 70.
G37) IY L(!)
11
' :issel sc!ilebeii iinlirltaiiriter Ilerlrliiift - Aiicli F l d t l e
:L. n. 0. nennt diesrs 1Z:ipitt.l.
038) W a i s e i s c l i l e l ~ e nzitirit zu tliesein l < t i p ~ t eK
l ~ l n f i i e t iStinbo, dei
iiris beiicEitet, dziR das E ~ e i g i ~von
i ~ . c1rii-i W ~ 11~1
I
l?eg~noholen, dem Zeifaltei
Clilodwigs zuziirechrieii ist
e) A u f f o r d e r u n g zu F a s t e n urtd E n t h a l t s a m k e i t .
Gleich dem Gcbet ist auch das Pasten eine heilsame Ubung, dtt
es zu jenen Mitteln geliort, diirch welchr der Mensch sich die
Ziiiieigung Gottes verschaffen und drohendes Unheil wirksam
abwenden kann. L)tn Visitator ~ ~ c i sRegino
t
in Sendfrage 58
an, sich zu vergewissern, ob der Presbyter der Gemeinde jeweils die airf dir vier Jahreszeiten entfallenden Frsttage zur
Beobachtung a n k ~ n d i g t 6 ~Die
~ ) . zugehorige Quellenstelle ist ein
Beschlui.3 der Rcformsynodc von Mainz (813)641): Es soll von
allen in der ersttln Woche des März, in der zweiten des Juni, in
der dritten des September und in der dem Vigiltage von Weihnachten vorarigeliciiden Woclic dcs Ilezember jeweils an1 Mittwoch, Freitag lind Samstag gefastet werden; um die neunte
Stunde sollen die Gläubigen :in diesen Tagen iinter Ciesang von
Litaneien ziir fcierlichen Messe in die Kirche ziehen642). Es geht
hier, wie unscliwer zu erkennen ist, uni die Beobachtung der Quatembertage. In seinem Kapitel I 282643)erinnert Regino in diesem
Zusammenhang noch an das Fastengebot der Vigiltage"4). Es
wird verlangt, da8 die Presbyter, wenn sie die hohen Yeiertage
anliundigen, das Volk zur Erfullung dieser Pflicht anhalten. Sich
ubcr das Fastengebot lii~iwegzusetzen,wird - wie F l a d e Iiernusstellt und mekirere Kapitel Reginos andeuten - „nicht nur als
"'") c i
ltc~iiiiio1 287 Vgl. Koli incr S. 1Hi;
Vgl. ilii(*hFl ii d O , K l e i l i ~S. 79.
641) C . 34 - Regi~io I 281. Vgl. I l e i e l e Bd. 3 S. 762 unti ß ~ i i t e r i r n .
l<onzilien Btl. 2 S.466.
R42') IVie B I I I L C ~ I I IKori~ilien
I,
Utl. 2 S.2738. beirlerkt, hat dir Synode
(las Pdstengebot niclit etwa eist eil,lisen, sonderii lediglirh tl~rs,was i(,lion
trriller gegolten h;rt, ni~licigeordiict.
"?)
Kircli \V a i s Crs c hl e h e n iinbcltaiiiiter IIerlruiift
R44) Dies sind die Voit'ige vor Iioheii Feiertagen.
Die Pfiirrviiitatioii nach Rrgitio voii Pi'iiiii.
ein Zeichcri voii Unbeherrschtheit und Unordnung . . ., sondern
als Niclitaclitung der kirchlichen A~torität"64~)aufgefaßt. Die
Synoden von Gangra (355)69 und Mainz (813)647) verhängen
uber jeden das Anathem, der in Anmaßung oder Übermut sich
um die angeordneten Fasten nicht bekümmert. Auch Kaiser
Karl d. Gr. warnt in seinem Kapitiilare von Aachen (789)648)
vor einer Absage gegenüber dem Fastengebot. Schließlicli wird
noch in 12egino I 285649)an Jonathan, den Sohn des Saul, erinnert,
der sogar wegen einer recht geringfügigen Übertretung dieser Art
zum Tode verurteilt wurdefi0).
Die gleiche Opfergesinnung, wie sie das Fasten voraussetzt, wird
in Sendfrage 61 und den hierzu in Frage kommenden Qucllenstellen von den Gläubigen verlangt. Der Bischof hat sich davon
zri überzeugen, daß der Presbyter seine Gemeinde auf dic Zeiten
>~ufmerkssmmacht, zu denen Ehemänner sich ihrer Ehefrau zu
ontlialtcn 1t;tbcn. Nach der irischen Collectio Hibernen~isß5~)
fallen
jährlich drei Quadragesimalzeiten sowie jeweils der Sonntag,
Mittwoch lind Freitag unter dieses Gebot. Die Gatten sollen sich
in gleicher weise wiihrcnd der Schwangerschaft der Frau, sobald
sich dns Kind im Mutterleib bewegt, lind in der Zeit nacli der
Geburt, bei Knaben 36 und bei Mädchen 56 Tage lang, des ehelichen Verkehrs enthaltensb2). Etwas hiervon abweichende Anordnungen trifft Beda V e n e r a b i l i ~ ~ Er
~ ~ )verlangt
.
Enthaltsamkeit fur vierzig Tage vor Ostern, Pi'lingsten und Weilinacliteii
l T l c ~ ( l eG, e r i l i ~ ~ i ~S.e i21.
i
. 1
licgino 1 244. \'F;]. 11 e t r l e Ud 1 S 1871
"')
C 35
[tegii~oI 253. Vgl. l I r f t>le Ihi 3 $ 762 13iiit r r i 111. ICoii7ilien 13tl. 2 S. 4% lind Fl a tle ;I. ;I 0 .
6 4 8 ) C. 48 - Itcgiiio 1 286. TTgl J1 ef el e 1311.3 S. 668 i i i r t l 131rr t criiii
Konzilieri Btl. 2 S. 242f.
0 4 0 ) '\<ich 1 V d ' i ' i e i ~ r l r i r l ) e riiriheitiiiiiiiter
i
Ilriiiiiiitt
0 6 0 ) Il~ngerichtct wurde er alleidiiigs nirlit, tla. das Volk beiin Konig
f u r ihn eintrat. E\ wird in Sam. 14, 43--45 tlariiber berichtet. Vgl. aiich
\ I 7 e t z e r - Wel t c 13tI. 6 Sp. 1816 (iiiitrr „ Jon,~tIins").
651) C. 11 von I3rich 44 = TZegino 1338. a b e r die Brdeutiing dieser Snm:iiIiirig vgl. 11. ri. I'loclil I S 404. Sir stnmiut \r.:ilirscheiril~ch rtiis der ersten
IInlfte dr.s 8 ,711 s.
05"
Sielie niirh F1,~dc , Germanen S 61 und I'loil h l 1 8. 373
8 5 3 ) Poeiiit IIar111st C 5 = Rrgiro 1339.
)
111
sowie jeweils am Sonntag, Mittwoch und Freitag. Sobald die
Empfängnis der Brau offenbar geworden ist, besteht die Pflicht,
der Kirclie fernziibleiben, und zwar bis 30 Tage nach der Geburt
bei einem Knaben, bis 40 Tage danach bei einem Mädchen. Des
Mannes muß die Frau sich drei Monate vor der Geburt bis 40 Tage
danacli entlinlten. Wer in diesen Tagen geheiratet hat, muß
20 Tage RuBe tun664). Wer aber, so lesen wir ebenfalls bei Bedae56),
in der Quadrrigesima mit seiner Frau geschlechtlichen Umgang
gehabt und sich ihr nicht hat enthalten x-ollen, soll ein ganzes
Jahr buWen oder ersatzweise 26 Solidi der Kirche oder den Armen
zuwenden. Die ISul3e beträgt nur 40 Tage, wenn es im Rausch und
nicht gewohnheitsm&ßig geschehen ist. Daß die Eheleute, wie in
Regino I 341 festgelegt ist, aiicli vor Empfang der Eucharistie
Enthalt~nmlicit~
ubcn musscn, urnrde bereits ausgefiihrt, als von
der Kon~riiunionspflichtdie Kcde \TiIr (oben S. 69).
f ) M a h f i u n y z u r A r h e ~ i t s r u ha~m R o n n t a y .
Zur Heiligiiiig des Sonntilgs geh0rt riiclit nur die 'I'ejlnahme an
der Solziit:rgsincss~~~~~).
Es muW auch nach Gottes Gcbot an diesein
'rage die Arbeit i~ritcrbrocheiibvcrden. Des2iülb macht cs Regino
den1 I'resbyter in Scudfrage 71 zur Pflicht, die Gläubigen zu bplehren, daW inan den Sonntag und die i~iidercillqesttage von
Vesper zu V~sp(~r"7)ohne knechtlichc Arbeit verbringt668), und
der Visitator hat auf die Erfullung dieser Aufgabe zu achten. Unter
tIinaris auf die Synodaledilrte seines Vaters Pippin befiehlt Karl
d. Gr. in scincm Jinpit~ilarevon Aaclirii (789)6") die sonntägliche
ArbeitsriiEiclirnd zahlt die an diesem Tage verbotenen und erlaiibt~n
B~t&tigungoii
ciinzelri auf. Den Miinnern ist die 1,andarbrit unterOGJ) X ; l i r i Yrr1)ot der I ~ ~ I i t ~ s r ~ i l i e wiik~re~i(I
L ~ i i ~ r ~ der f?:ist(>~izeiiV;;].
;111rl1
I'liichl 1 S. 208 i i i i i l 36.4.
"9 5~i)e)Ril~;lll~i
C, 5
Kt:giiio I 34U.
fi5"
iiiervoii wxr scliori bei ilen Yorsclirifte~iiiber tlie XeLlfeier tlie Rede.
8 5 7 ) I)ii:i lbe(lciitot \roiii itbeiid des S;ri~ist:lgsI>zm. tlt?s tleiii Pest,t,ag voi.;in~c~!iciitiriil'ilgcs bis x i i i i i Sonntag- bzw. li'est,tagabcntl.
C")
Vgl. i11lc.11 I<'l;i iie, IZleriis S.82 iiiid P l ö c l i l I S. 364. Mit dorri (lcbcit,
der si~niil~ii~lii:lreii
A\i.boitsriilie bef:ißl, sicli :tiirlr I-Iiriscliiiis 13t1. 4 S. 280if.
ieciit ciligelientl.
6")
C. 80
Megino 1 383-386. Vgl. H e f e l e Bd. 3 S.670; ' B i n t e r i m ,
Iconziiien Bd. 2 S. 249 (er bringt die Stelle als C. 81): F l a d e , Klerus S. 81.
~
=-Y
-
112
sagt. Sie durfen insbesondere nicht im Weinberg arbeiten, den
Acker pfliigcn, mähen und Heu schneiden. E s kommt aucli nicht
in Betracht, daß sie Umzäunungen anlegen, in den Wäldern roden,
Bäume fallrn, iin Steinbruch arbeiten, sicli dein Iiäuserbau widmen,
Gartenarbeit verriclitcii, der Jagd nachgellen, sich mit Handel
befassen oder zum Gericlitstag zusainmcnlrommen. „Nur drri
Werlrc mit K;~rren"660) sind ihneii erlniibt: Fuhren mit Kriegsmaterial und Lcbcnsmittel sowie, wenn es gerade notwendig werden
sollte, die letzte Fahrt eines Verstorbenen zu seiner Begräbnisstätte. Den Frauen ist cs a m Sonntag nicht gestattet zu weben,
Kleider zu ri3hen oder zu fliclren, Wolle zu pflücken und Leinen
zu klopfen, iii der Öffentlichkeit Kleidungsstücke zu waschen oder
Hammel zu scheren. Der Tag des Herrn soll dagegen durch Ehrfurcht und Ruhe gclrennzeichnet sein. Deincntsprecliend ist es
angebracht, zur Sonntagsmesse sich von iiberdlher in der Kirclie
einzufinden und den Hcrrn für die erwiesenen Wohltaten zu loben.
Auch die Reformsyiiode von Mainz (813)661) duldet nicht, daß a m
Sonntag, der doch mit :~llerEhrfurcht als Tag des Herrn begangen
werden soll, jemand lrnechtlicher Arbeit sich hingibt. Insbesondere
darf - das liebt Kar1 d. Gr. in seinein Kapitularc von Aacheii
(809)6") eigens hervor - an diesem Tage nirgendwo Markt abgehalten werdrn. Die genannte Synode verbietet auch, da0 nm
Sonntag eine Gerichtsverhandlung stattfindet, bei der einer zuni
Tode oder sonst zu irgendeiner Strafe verurteilt wird; ebenso sollen
keine Eide an diesem Tage geleistet \verden. Den Bischofen,
Priestern und sonstigen I(leri1rern ist es - wie die Synode von
Tarrt~gona(61G)6G3)bestimmt
verwehrt, am S ~ n n t a g ,den sich
docll ganz dem Gottesdienst widinpn sollen, uberliaupt irgeiideine
Reclitsai~gelegciil~ctit
zu entscheideii. Das Gebot dcr sonritaglicht1n
Arbcitsrulie erstreckt Regino -- wie wir unserer Se11dfr;ige entrichrwic~n -- :~nrliauf die andern I ~ c s t t a g rdes J:ihres. Einc Aiifzahluiig der liirchlichen Sceste Irn Verlt~ufeirics Jahres gcben uiis
-
iAlso gewisse Tr:~risf~ortarbeiteri.
C. 37
IZegino 1 386. Trgl. 11 r?f el o litl. 3 S . 762 ~iiitl Hiiit e r i 111.
I~onzilienIjrl. 2 S. 466.
C. D =: Itegino 1 3 8 i .
fifi3) C. 4 (nnr der I . S i ~ t z )== liegirio I R!)l?. Vgl. Hefe10 Htl. 2 S. 676:
G a 111s Iltl. Y , 1 S. 433.
"O)
"I)
Die I)frirrvisitatioii iiiicii Itegino von Priim.
Walter IIelliriger,
113
etwas voneinander abweichend - die Synoden von
Mainz (813)664)und Riesbach (799)666). Die erstgenannte Synode
benennt folgende Tage: Ostern mit der ganzen Osterwoche, Christi
~ i m m e l f a h r t Pfingsten
,
mit der ganzen Pfingstwoche, Peter und
paul, Geburt dcs hl. Johannes des Täufers, Mariä Himmelfahrt,
die Feste dcr Heiligen Michael, Remigius, Martin und Andreas,
Weihnachten (vier Tage) mit dem Oktavtag dieses Festes, Erscheinung des Herrn, Mariä Reinigung sowie die Feste jener
Märtyrer und Bekenner, deren Gebeine in der betreffenden Pfarrei
sich befinden. Die Synode von Riesbacli sclireibt nur fünftägige
Feiern fiir Ostern und Pfingsten vor666)und erläutert zum Gebot
der Arbeitsruhe, daß v o r der Meßfeier Pflügen und Säen, Gartenund Weinbergsarbeit sowie die Umzäunung des Gartens erlaubt
sind; dagegen haben n a c h der Messe Arbeiten jeder Art zu unterbleiben. An weiteren Festtagen nennt diese Synode noch den
Tag des 111. Laiirentius, Allerheiligen sowie das Kirchwcihfest.
g) V e r h i n d e r u n g a n s t ö ß i g e r G e s ä n g e urater dem V o l k e .
Christlichem Lebenswandel widerspricht es, a n den Festtagen
schmutzige Gesange und Tänze aufzuführen. Die 3. Synode von
Toledo (589)667) trägt den Priestern und Richtern auf, solcher
Unsitte, wie sie damals in Spanien unter dem Vollre herrschte,
lcräftig abzuhelfen. Die Reformsynode von Mainz (813)668) wendet
sich besonders dagegen, schimpfliche Lieder, die nirgendwo statthaft sind, sogar in der Gegend u m die Kirche zu singen. Da13 man
zu damaliger Zeit mit solch unanständigem Betragen nicht einmal
vor gewcihtoii Orten zurückschreclrte, dürfte nicht ausschließlich
.
6a4) C. 36 =-- Regiiio 1 388. Vgl. H e f e l e Bd. 3 S. 762 urid B i i i t eriiii
Iionzilien Bd. 2 S. 466.
665) C. 9 (niicli W i t s s e r s c h l e b e n ) = Regino 1389. Bei B i n t e r i m , Konzilien, tlerin Htl. B S. 221.f. die Synotialstat.iite~ivon Riesbacli i n f ' b e r ~ e t z i i n ~
wietlergiht, findet sicli dieser Bescliliiß nicht.
OB6) Siehe c~ucliB i n t e r i m , Iionzilien Bd. 2 S. 295, der diese ilriordnung
erwiihnt und dar;ciif hiiiweist, daß die hohen Feste i i i den einzelnen Gegenden verschieden lang gefeiert wurden.
C. 23 = Regino I 392. Vgl. I i e f e l e Ud. 3 S. 53 lind (3 a nis Bd. 2, 2
S.1.1.
r. 48 = Regino I 393. Vgl. H e f e l e Bd. 3 S. 763 iiiitl B i i i t e r i n t ,
[(onzilien Tid. 2 S. 469.
i:
Zeitschrift f u r Rechtsgeschichte. LXXIX. Kan. Abt. XLVIII.
Die Pfarrvisitatioii iisch Kegino von Priiili.
als Ausdruck von Gleichgultiglreit oder mangelnder Ehrfurcht zu
werten sein, es ist vielmehr daran zu denken, daß bei der Kirche
ja auch der Friedhof lag und die Gesange mit der aus heidnischer
Zeit uberlieferten Totenbeschworung in Verbindung stehen kOnnenmg). Wie weit derartiger Aberglaube noch zur Zeit Reginos
vilrbreitct war. wird iins aus Scudfrage 73 und deiii ciuzugeliorigeri
Kapitel I 3 9 8 I<iind. Der Visitationsherr soll nämlich - so heißt PS
in der geii:~iinteu S~iidfragcmO)
- uberprufen, ob der Presbyter
die teuflischen Gesange, die das gemeineVolk uber dieri'oten hinweg
in drii Naclitstunden z11 singen pflegt, und das scliallende GPläcliter, dessen cs sich befleißigt, unter Anriifung des allmächtigei~
Gottes verliiiidert. I n Regino I 3986T1) werden die Laien, wrlchc
dir Totcn~~luche
besorgen, ermahnt, sich mit Furcht und Zittern
wic ~ ~ u cZiiruckhaltung
li
dieser Aufgabe zii unterziehen. Niemand
darf ¿in drr Leiclienbalire teiiflische Gesängc erklingt>n,Witze erschallen und sich zum Tanze Iiinrrißen lassrn. wie es bei den Heiden
Sittc ist; denn rs widerspriclit nicht nur der cliristliclien Religion,
sondern aucli dcr meiischliclien Natur, dort zu singen, zu lachen,
sich zu betrinken und gleichsam unter Hintansetzung jeder Pietät
lind Anwaiidlung von Liebe zu dem Verstorbenen sich uber den
Tod zu frruen, wo doch Traiier und Wehklagen uber den bitteren
Verlust lierrschen mußten. Die Heilige Schrift berichtet von verschiedenen liriligmaßigeri Mannern, vor allem vom Patriarchen
Sakob und Martyrer Stephanus, daß sif unter allgemeinem Weinen
und Wehlilagen beigesetzt wurden. Ilaher mUsscri solch unpassend(>
Fr~iudeund die sclilrchtcn Liecler, von denen hier die Rede ist,
auf jeden F d l verboten ~ircrden.Wer :in der Totenbahre iinbcdingt singen will, darf das ,,Kyrie elcisori" crlrlirigrii lassen. In1
ubrigen liut an dirser Stattr Scliweigen zu Iirrrsclicn. TTTc.r sich
der Anordnung nicht fugt, wird mit den1 Bann belegt oder aus drill
Tr<rurrlr:xiisc critfrrni und h a t arn folncndcn Ttigr rine nhschrtkkeiide Strafc zu er~varteri.uber die ticferc Uedcutung des nidt'rlichcn Treibcns, das hirr gcschildcrt wird, hrrrsclit in der Wissen-
L15
schaft viel Streit. Flädeß72) ist der Auffassung, daß es bei de111
Gesang darum ging, sich die Toten dienstbzir zu machen; nicht für
ganz richtig oder wenigstens nicht ganz erschöpfend hält er die
Erlrläriing Albert l l : i u ~ l t s ~ 7 ~daß
) , man sich durch das laute
Gebaren das Grnuen vor dciii Tode vertreiben wollte674).
h) B e l e h r u n g d e s V o l k e s ü b e r d a s G e b o t d e s H c r r l i
tcvad d a s G l a u b e n s b e k e n n t n i s .
Wer sein Leben nach den Grundsätzen des christlichen Glauberts
gestalten soll, niuß sclbstvcrständlich auch die Wahrheiten und
Gebote im wesentlichen kennen, die zu glauben und zu befolgen er
verpflichtet ist. Deshalb ist es Regino eine brennende Sorge, daß
den Gläubigen in der Gemeinde das notwendige Rüstzeug vermittelt wird. In Sendfrage 55 laßt er den Visitator sein Augeiimerk daraiif richten, ob der Prcsbytcr seinen Pfarrangehorigen
das Grbct des Herrn und das Glaubensbelienntnis einprägt. In
lcapitel 1273, das Regino einer Synode von Reirns zuschrcibt675),
wird der Presbyter angewiesen, dieser Verpflichtung prrsonlicli
oder durch eiiieri Beauftragten nachzukomnien. E r soll sich auch
von seinen Pf;~rrkindern, wenn sie in der Quadragesima zum
Sundenbekenntiiis sich bei ilim einfinden, diese Texte auswendig
vorbeten lassen; Beiner der Gläubigen soll die Komnlunion empfangen durfen, ehe er beider Gebete mächtig ist. Zum ewigen Heile,
das auch von1 rechten Glaiiben abhängt, ist - wie es in unserin
I(apite1 heißt - deren Icenntnis notwendig, weil sie das Glaiibensgilt be~valircnbzw. das enthalten, was der Mensch beten und voll
Gott erbitten muß; niemand kann aber a n llinge glauben, von
denen er nie etwas gehort hat lind nichts weiß. E s geht auch nicht
an, daß jeiilaiid mangelnden Verstand vorschutzt; denn diese
Gebete sind „einerseits so Irlrin, daß niemand so dumm und unge1)ildt.t i i i , siti nielit ~ r l c ~ r ~mtl
~ c r tmit i~iirf;iclienW o r t ~ i iircrcagrn
Lir Iroiincn, und andererseits so groW, daß jeder, der sie vollständig
hrrherrsclit, vrrtrnuen lmnn, sie werde11 ihm zum ewigen Heil
.-
Diese Veriuiitiing st.ellt F1 a d C , Erzieliiiiigsbeiniilie~i S . 22bf. niif'.
870) Vgl. F I i ~ d e Klerus
,
S. 85 iintl Erzieliiirigsbemiilieii n. a . 0 .
67L) -YT:1~1i \Jr ; : s s c : r s c ! ~ l e b e ~ist
~ d a s Kapitel iiiibestiiiiiiitc:r fleikiirift.
Xi1111 Ii~lb:!lt vgl, Flacle. I<!CTIISS. 85, G P ~ I ~ : I IS,
I ~16
I I u1i(1 1<r:!iel11111g~beniiihen S. 226--227.
EI ~ i e l i i l n g ~ l ~ e ~ nS.~228.
~liei~
071) ICir~lie1ige~c111~11te
13d. 2 S. 786.
"&) IIbei we~terelfeiiiurrgeii iiiid deren Bciiiteilung siehe F l n d e a. a. 0 ,
lirlirtsserr clileb e n 11:it die Stelle unter (Ion Reimser ßescliliisseri
'ilclit gefunden. - - Zirm Inhalt vgl. F l a d e , IClerus S. 78.
'X
116 Wiilter Hellinger, Die Pfarrvisititt,ioii nach Regino von Prüm.
genügen". Schließlich ist noch zu beachten, daß niemand ein Kind
~ I I Sder Taufe heben darf, bevor er das Glaubensbekenntnis und
das Gebet des Herrn in Gegenwart des Presbyters vorgebetet
hat. Der Pfarrer hat den Ta-ufpaten einzuschärfen, daß es ihre
heilige Pflicht ist, den Patenkindern die genannten Gebete gleichfalls beizubringen, sobald sie zum Gebrauch der Vernunft gelangt
sind.
I)il.lildtätzqkei1.
Der Pfarrer hat lieineswegs nur mit Geboten und Verboten, dit>
in die Lebensgcstaltung eingreifen, an die Gläiibigen heranzutrc>tcri, er hat sich ihnen gegenüber auch mildthtig zu erweisen.
Nach Sendfrage 36 ist bei der Visitation festzustellen, ob er Sorge
trägt für die Armen, die Wanderer und die Waisenkinder und sie
rntspreolicnd seinem Vermogen zu seiner Mahlzeit einlädt676).
Diese Art von Gastfreundschaft legt auch Hinkmar von Reims677)
mit fast den gleichen Worten dem Presbyter dringend ans Herz.
Rrgino verweist am Schluß des Hinlimarschen Kapitels auf eine
Stellc im 2. Uiicli seiner Sammlung. Dort verleiht Karlmann in
rineni Kapitulsire von Verneuil-sur-Oise (884)678),das ebenfalls deii
Presbytern die Gastfreundschaft warm empfiehlt, seiner Ansicht
Ausdrucli, daß solch mildtätiges Verhalten geeignet ist, die Gelegenheit zum Rallb zu beseitigen, E r will also damit sagen, daß bei
entsprcchender Sorge für die Notleidenden eine Verletzung fremder1
Eigentums nicht so sehr zu befiirchten ist. Daß der Presbytri*
die Verpflichtung hat, zur Erfüllung dieser Aufgabe seine Einliunfte, vor allem ein Viertel des Zehnten, zu verwenden, wurde
bereits hervorgehoben679).
Siehe aiicli 1" lade, Iilerus 8. 63.
10 seiner Ca.pit,ula Regino 1212.
C . 12
rtegino 11 428.
" 7 " ) Als voiil Zeliiitreclit die Iietlc w;Lr. 111 Regino 1 250 i i f i d li6ii, die t1oi.L
behandelt wurden, wird auf diese Art der Verwendung des Zehnten besonders hingewiesen (s. o. S. 48ff.).
07&)
077) C.
-
über das Problem neuen Rechts
im früheren Mittelalter *I.
Von
Rolf Sprandel.
Es gab, wenn wir richtig sehen, im früheren Mittelalter vier verschiedene Auffassungen über die Grundlagen, auf die sich das gelebte und angewandte Recht stützt. Wir werden von diesen vier
Auffassungen im Laufe des Aufsatzes nacheinander zu sprechen
haben. Das Problenl neuen Rechts entstand im früheren Mittelalter
deswegen, weil die vier Auffassungen im Zusnminenmirlien der
Schaffung neuen Rechts weder auf eine lilare Weise einen Standort einräumten und sir rechtfertigtrn noch verhinderten und verboten.
I.
Beginnen wir mit der Auffassung vom alten, guten Recht. Diese
Auffassung ist schon recht erforscht und bekannt1). Ein Gesetz
odcr eine andcre Rechtsvorschrift galt danach nur dann als gut,
das Iieiljt genügend gestützt, wenn sein oder ihr hohes Alter nachweisbar war. Kraft iind Wert des Rechts lagen in seiner Bewähriing durch langc Geltungsdauer. Altes Recht war besser als neues
*) Dein Aufsatz Iiegt die Freiburger Antrittsvorlesung des Verfassers
vom 7. Jiini 1961 zrigrunde. Sie wird hier unter geringen sachlichen Veranderungen, init Anmerkungen versehen, vorgelegt.
I) Vgl. CI. F r h . V. S c h w e r i n , Freiheit und Gebundenheit im germanischcn Stciat, 1933. 0. B r u r i n e i , Land iincl IIerrschaft, 194Za, S. 154ff.
T h e a V i e n k o n , Dit. Geltungsdauer rechtlicher L)okuiiiente in1 fruh- und
Iioclimittelalterlichen Reich, 1942. F. K e r n , Recht und Verfassiing im
Xittelalter (Sonderausgabe), 1962. H. K r a u s e , Kaiserrecht und Rezeption,
1962, bes. S. 14-18. Jf. J. 0 d e n h e i m e r , Der christlich-kirchliche Anteil
a n der Verdrangung der mittelalterlichen Rechtsstruktur . . Basler Studien zur Rechtswissenschaft 46,1967. Und als Neuestes: H. K r a u s e , Dauer
lind Vcrganglichlieit iin iuittelalterliclien Recht, ZRG. Germ. Abt. 75, 1968,
b 206-251

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