0, 1, 2 oder 3 - welches ist das beste Ei?
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0, 1, 2 oder 3 welches ist das beste Ei? „Der Mensch ist, was er isst“ zur Ethik der Lebens - Mittel am Beispiel der Hühnerhaltung und Eierproduktion Raphaela Alender Immanuel – Kant – Gymnasium, Leinfelden betreuende Lehrerin: Frau Hoffmann Wettbewerb „Christentum und Kultur“ Schuljahr 2006/07 „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will. Albert Schweitzer „Die Hennen scharrten in der Sonne herum, fühlten sich federweich und warm an. Was für ein wunderbares Gefühl es war, sie gerettet zu haben.“ Cornelia Funke, Die wilden Hühner „Wir wollen Ihnen zeigen, was wir tun für vitale, zufriedene, schöne Hühner, die gesunde und besonders wohlschmeckende Eier legen.“ Martin Häring und Martina Mast; Biolandhof „Jagsthof“ Westhausen Inhaltsverzeichnis Einleitung 3 1. „Ist der Mensch, was er isst“? Auseinandersetzung mit der These Ludwig Feuerbachs 5 2. Situationsbeschreibung: Was und wie essen wir? 6 2.1. Verbreitete Trends im Essverhalten 2.1.1. Fastfood 2.1.2. Billiglebensmittel 6 6 7 2.2. Bewusstseinswandel im Essverhalten 2.2.1. Slowfood 2.2.2. Bio-Boom 9 9 9 3. Ethik der Lebens-Mittel: Was sollen und dürfen wir essen? 11 3.1. Biblische Aussagen über den Umgang mit der Natur 3.1.1. Altes Testament 3.1.2. Neues Testament 11 11 12 3.2. Werte für den Umgang mit der Natur 3.2.1. Werte für den Umgang mit dem Menschen 3.2.2. Werte für den Umgang mit der nichtmenschlichen Natur 13 13 13 3.3. Konsequenzen für die Nahrungsmittelproduktion und für unser Essverhalten 3.3.1. Forderungen in Bezug auf den Menschen 3.3.2. Forderungen in Bezug auf die nichtmenschliche Natur 15 15 15 4. Lebensmittelethik am Beispiel der Hühnerhaltung und Eierproduktion 16 4.1. 4.2. Wissenswertes über das Ei Wissenswertes über das Huhn 16 17 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.3.4. Die Hühnerhaltung Käfighaltung Bodenhaltung Freilandhaltung Ökologische Haltung 17 18 18 19 19 4.4. 4.5. 4.6. Die Eierkennzeichnung Ethische Bewertung der verschiedenen Arten der Hühnerhaltung Konsequenzen für Politik und Landwirtschaft 20 22 23 1 5. Beispiel einer ethisch verantwortbaren Hühnerhaltung: Der Jagsthof in Westhausen 24 5.1. 5.2. 5.3. 5.4. 24 26 27 27 Die Wohnverhältnisse der Hühner Das Menu der Hühner Die Eierproduktion Die Vermarktung 6. Erhebung zum Verbraucherverhalten 28 6.1. Die Verbraucher-Umfrage: Wer kauft welches Ei? 6.2. Eier-Testessen: Welches Ei schmeckt wie? 28 31 Schlussüberlegungen 32 Quellenverzeichnis 33 ANHANG A Bildmaterial zum Jagsthof B Erhebung zum Verbraucherverhalten 1. Fragebögen und Gesamtauswertung der Verbraucher-Umfrage 2. Testbögen zum Eier-Testessen C Darstellung des methodischen Vorgehens D Erklärung 2 Einleitung Die vorangestellten drei Zitate umreißen die Thematik dieser Arbeit: Ansätze einer Lebensmittelethik am Beispiel der Hühnerhaltung und Eierproduktion. Handelt es sich bei der Nahrungsmittelproduktion und Nahrungsaufnahme einerseits um die Befriedigung eines unumstrittenen menschlichen Grundbedürfnisses, so soll andererseits mit dieser Arbeit gezeigt werden, dass dies nicht ohne die Einbeziehung ethischer Überlegungen vonstatten gehen kann. Das Zitat des berühmten Arztes und Theologen Albert Schweitzer „ Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“ bringt genau dies zum Ausdruck. Der Mensch hat das Recht, seine Lebensbedürfnisse zu befriedigen, muss allerdings gleichzeitig die anderer Menschen, aber ebenso die nichtmenschlicher Lebewesen respektieren. Wie die heutige Gesellschaft aber mit diesen Bedürfnissen in Bezug auf das Essverhalten umgeht, dokumentiert das Kapitel 2: „Was und wie essen wir?“ Nimmt man die Aussage von Albert Schweitzer ernst, dass nämlich alle, auch nichtmenschliche Lebewesen, ein Recht auf Leben haben, befindet man sich bereits mitten in der ethischen Fragestellung: „Was sollen und was dürfen wir essen?“ Womit begründen wir unser Essverhalten und welche Hinweise zum Umgang mit dieser Frage kann uns die christliche Religion geben? Ansätze einer Ethik der Lebensmittel auf der Grundlage des christlichen Glaubens stellt Kapitel 3 dar. Um Aspekte einer solchen Lebensmittelethik aufzustellen, ist es aber unerlässlich, das Menschenbild zu erörtern, das solchen Überlegungen zugrunde liegt. Ist der Mensch in der Lage oder willens, seine Nahrungsaufnahme ethisch zu kontrollieren und sich Beschränkungen aufzuerlegen? Die im Untertitel angeführte Behauptung des Philosophen Ludwig Feuerbach: „Der Mensch ist, was er isst“ geht auf den Zusammenhang von Menschenbild und Essverhalten ein. Seine These wird zu Beginn der Arbeit im Kapitel 1 kritisch diskutiert. Die beiden anderen Zitate, von der Kinderbuchautorin Cornelia Funke und den Betreibern eines Biolandhofes, führen auf die Schwerpunktsetzung der Arbeit hin, also die Nahrungsmittelethik am Beispiel der Hühnerhaltung und Eierproduktion und der Eierkennzeichnung, worauf die Frage im Titel der Arbeit hinweist: „Welches ist das - ethisch - beste Ei?“ In Cornelia Funkes Kinderbuch „Die wilden Hühner“ entdeckt eine Mädchenbande für sich den ideellen Wert einer Hühnerschar und macht es sich zur Aufgabe sie artgerecht zu pflegen. Damit zeigt die Autorin, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit „Nutz“-Tieren aussehen kann. Im Kapitel 4 werden die verschiedenen Arten der Hühnerhaltung dargestellt und unter ethischen Gesichtspunkten bewertet. Als konkretes Beispiel einer ethisch vertretbaren Hühnerhaltung wird in Kapitel 5 der Biolandhof „Jagsthof“ in Westhausen bei Aalen vorgestellt. Hier wird, wie die Aussagen der Landwirte zeigen, versucht, die ethischen Überlegungen praktisch umzusetzen in Form einer artgerechten Hühnerhaltung und gesunden Eierproduktion. 3 Angesichts der Breite des Themas „Lebensmittelethik“ war die Beschränkung auf ein konkretes Beispiel, in diesem Fall Hühnerhaltung und Eierproduktion, notwendig. Andere interessante Schwerpunktsetzungen, die zum Teil am Rande erwähnt werden, hätten u.a. sein können: die Fleischproduktion, genmanipulierte Lebensmittel, die Ausbeutung der Dritten Welt angesichts der Globalisierung des Agrarmarktes oder der verantwortungslose Umgang mit Wasser und anderen Ressourcen in den Industrienationen. Zielsetzung dieser Arbeit soll sein, verschiedene Arten der Hühnerhaltung nach ethischen Kriterien zu diskutieren, auf Missstände bei der Hühnerhaltung hinzuweisen und die Verbraucher wachzurütteln und dazu aufzurufen, sich über ihr Konsumverhalten Gedanken zu machen. Ist es richtig, immer das billigste Produkt zu wählen oder sollte man nicht lieber nach anderen Kriterien aussuchen? Wodurch wird der Wert eines Eis bestimmt - allein durch die Preiskalkulation oder müssen nicht auch andere Aspekte in die Bewertung einfließen? ¾ Also: „Kennzeichnung 0, 1, 2 oder 3 - welches ist das beste Ei?“ 4 1. „Ist der Mensch, was er isst“? Auseinandersetzung mit der These Ludwig Feuerbachs Das zum Sprichwort gewordene Zitat des Philosophen Ludwig Feuerbach wurde von ihm in einer 1846 erschienenen Streitschrift „Wider den Dualismus von Leib und Seele, Fleisch und Geist“ formuliert. 1 Er wendet sich damit gegen die idealistische Leibfeindlichkeit und stellt die Behauptung auf, dass die ganze Existenz des Menschen von seiner Nahrungsaufnahme abhänge: „ Das Sein ist eins mit dem Essen; Sein heißt Essen; was ist, isst und wird gegessen.“ 2 Die rein biologisch notwendige Nahrungsaufnahme ist also nicht nur Voraussetzung für das Denken und Handeln des Menschen, sie bestimmt auch sein gesamtes Wesen. Dieser Ansatz macht Feuerbach zu einem materialistischen Philosophen. Feuerbach geht aber noch weiter und sieht im Essen auch eine Quelle des Genusses für den Menschen, die er ohne moralische Bedenken als angenehm empfinden soll. 3 An dieser Stelle führt Feuerbach aber einen ethischen Aspekt ein. Er sieht den Genuss beim Essen nur dann gerechtfertigt, wenn jeder denselben Genuss erleben kann: „Aber unmoralisch ist es, das Gute, das man sich gönnt, anderen zu entziehen oder nicht zu gönnen, nur den eigenen, nicht auch den Glückseligkeitstrieb der anderen als eine berechtigte Macht theoretisch und praktisch anzuerkennen…“ 4 Natürlich hat Feuerbach Recht mit der Behauptung, dass die Nahrungsaufnahme für den Menschen existentiell wichtig ist, dass eine rein idealistische Betrachtung des Menschen als Geistund Vernunftwesen ihn nicht ausreichend beschreibt und dass das Essverhalten den Menschen einerseits prägt und umgekehrt auch viel über ihn und seine Lebenseinstellung aussagt. So elementar aber die Nahrungsaufnahme für den Menschen ist, so ist ihr Stellenwert bei Feuerbach eindeutig zu hoch angesetzt. Seine Reduzierung des menschlichen Wesens auf das Essen ist genauso einseitig wie die von ihm kritisierte Leibfeindlichkeit. Es ist doch auch eine verkürzte Sicht des Menschen, seine Fähigkeit zum Denken, zum Gebrauch von Vernunft und Moral unterzubewerten. So kann zum Beispiel ein Mensch ganz bewusst trotz großen Hungers zugunsten eines Mitmenschen auf Nahrung verzichten und somit moralisch handeln. Auch kann er durch eine bewusste, vernunftgeleitete Steuerung seines Einkaufs- und Ernährungsverhaltens einen wichtigen Beitrag zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Nahrung leisten, wie später noch diskutiert werden wird. Ebenso kann er auch durch andere Dinge als Essen Befriedigung erlangen. So erlebt er Genuss in der Betrachtung eines Bildes oder im Hören eines schönen Konzertes, was nicht rein materialistisch erklärt werden kann. Natürlich hängt die Existenz von der Nahrungsaufnahme ab. Um den Menschen aber als Ganzes erfassen zu wollen, reicht diese Erklärung nicht aus und lässt viele Aspekte der menschlichen Natur außer acht. Meine These zu Feuerbachs These wäre somit: Der Mensch ist wohl, was er isst. Aber der Mensch ist auch noch mehr, als er isst. 1 Lemke, Harald, Feuerbachs Stammtischthese oder zum Ursprung des Satzes: „Der Mensch ist, was er isst“, S.117 a.a.O., S.119 3 a.a.O., S. 123 4 a.a.O., S. 124 2 5 2. Situationsbeschreibung: Was und wie essen wir? 2.1. Verbreitete Trends im Essverhalten Was essen wir? Wie essen wir? Wo essen wir? Woher kommt unser Essen? Tatsächlich ist Essen heutzutage einigen Trends unterworfen, die zeigen, dass der Mehrheit der Deutschen die Beschäftigung mit gutem Essen nicht mehr viel wert ist. Jeder kann sich ja selbst überprüfen, wie bewusst oder unbewusst er sich durch das Leben futtert. 2.1.1. Fastfood Trend 1, der hier angeführt werden soll, ist die sogenannte Fastfood-Bewegung. Wie das Wort schon sagt, geht es bei Fastfood darum, mit möglichst wenig Zeit und Geld möglichst schnell satt zu werden, zum Beispiel mit Aufwärmen von Fertigprodukten in der Mikrowelle, mit Essen an Imbissständen, Dönerbuden, Sandwichtheken und Schnellrestaurants, allen voran die Fastfood-Kette Mc Donalds, die hier exemplarisch beleuchtet werden soll. Mc Donalds gibt es in der ganzen Welt und das dort angebotene Essen schmeckt überall gleich, unabhängig von regionalen Eigenheiten der jeweiligen Esskultur. „Alle 4 Stunden wird weltweit ein neuer Mc Donalds eröffnet. Täglich werden in etwa 35 000 Filialen um die 45 Millionen Menschen abgefüttert.“ 5 Wer und warum isst man bei Mc Donalds? Ein Rundblick durch eine Mc Donalds Filiale zeigt: Rechts sitzt der gehetzte Geschäftsführer, der in seiner Mittagspause oder auf der Durchreise schnell einen „Big Mac“ vertilgt. Hinten an einer Tischgruppe versucht eine gestresste Mutter die lärmenden Kindergeburtstagsgäste mit zahlreichen „Happy Meals“ ruhigzustellen, daneben eine Kleinfamilie, wie man sie eigentlich am gemeinsamen Mittagstisch zu Hause erwartet, die billig essen gehen will, damit die Eltern nicht kochen müssen. Links in der Ecke eine Clique Jugendlicher, vor denen sich ein wachsender Berg von Verpackungsmaterial auftürmt. Über allem hängt der Geruch von Fettgebackenem. Die Kunden bei Mc Donalds wollen also schnell, billig, unkompliziert, sättigend und ohne ausgefallene Geschmacksrichtungen essen. Werden diese Bedürfnisse wirklich befriedigt und sind sie überhaupt für das menschliche Essverhalten erstrebenswert? Mc Donalds ist erstens „das genaue Gegenteil von dem, was Esskultur auszeichnet. Statt Geschmacksvielfalt gibt es eine Geschmackseinfalt, die überall identisch ist. Alles ist darauf angelegt, nicht in Ruhe essen zu können. Die Möblierung in den Fastfood-Restaurants ist unbequem. Die Leute sollen nicht lange sitzen, sondern sie sollen essen und gehen, damit die nächsten kommen.“ 6 Verlust der Esskultur bedeutet aber auch, dass beim Fastfood-Konsum das Wissen über die Natur zunehmend verloren geht. So wissen viele Kinder nicht mehr, woraus zum Beispiel Ketchup wirklich gemacht wird. Als zweiter Kritikpunkt ist der gesundheitliche Aspekt zu nennen. „Die Produkte enthalten zu viel Fett, insbesondere gesättigte Fettsäuren sowie Transfettsäuren und sind arm an Vitaminen und Ballaststoffen“. 7 5 Diederich, Ellen, in: www.uni-kassel.de/fb5/frieden/rat/2004/diederich.html Andrea Arcais, Ein kultureller Verlust, in: Die Zukunft der Wirtschaft – Landwirtschaft und Ernährung, S.15 7 www.fitnesswelt.com/59/content.html 6 6 „Die Produkte von Mc Donalds enthalten Geschmacksverstärker, die in ihrer Kombination das künstliche Bedürfnis nach mehr Essen verursachen. Fettleibigkeit und ernsthafte Gesundheitsprobleme sind die Folgen“. 8 Die ungesunden Auswirkungen einer solchen Ernährung beweist eine Studie aus dem Jahre 2004, bei der Morgan Spurlock 30 Tage lang ausschließlich Produkte von Mc Donalds konsumiert hatte und deren Ergebnisse in dem Film „Super Size Me“ dokumentiert wurden. „Das Ergebnis: Morgan Spurlock nahm 12 Kilo zu, die Cholesterin- und Leberfettwerte glichen denen eines Kranken, der Mann wurde schlapp und depressiv.“ 9 Neben diesen sichtbaren Auswirkungen muss drittens auch auf die sozialen und ökologischen Missstände aufmerksam gemacht werden. „Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, gewerkschaftliche Organisierung wird unterbunden…Regenwald wird für die Rinder der reichen Welt abgeholzt, in Brasilien und Costa Rica sind große Waldgebiete gerodet worden, genmanipuliertes Soja wird für das Viehfutter der Satten angebaut. In Brasilien ist bereits ein Fünftel der Ackerfläche so besetzt. Das Land fehlt für den Anbau von Lebensmitteln für die Menschen.“ 10 Als Ergebnis kann festgehalten werden: Essen bei Mc Donalds sättigt nur kurzfristig, ist nicht gesund und, global und sozial betrachtet, auch nicht billig, da andere Menschen den Preis für das hier erschwingliche Angebot bezahlen müssen. Von bekömmlicher Esskultur kann beim Fastfood insgesamt keine Rede sein. 2.1.2.Billiglebensmittel Trend 2, der ausführlicher besprochen werden soll, geht näher auf das verbreitete Bedürfnis ein, möglichst billig einzukaufen. Europaweit geben die Deutschen nämlich am wenigsten Geld für Nahrungsmittel aus. Außerdem haben sich die Ausgaben für Nahrungsmittel zunehmend reduziert: „1962 gaben die Bundesbürger 37 Prozent ihres Monatsbudgets für Essen und Getränke aus, heute sind es keine 13 Prozent.“ 11 Das Verhalten der Verbraucher polarisiert sich. Grundbedürfnisse werden zu ganz niedrigen Preisen gedeckt, während andererseits für Luxusgüter oft kein Preis zu hoch ist. Immer mehr Menschen erledigen ihren Einkauf bei so genannten Discountern, wie Lidl oder Aldi. „In den letzten zehn Jahren haben die Discounter ihren Anteil am Lebensmitteleinzelhandel auf 35 Prozent verdoppelt.“ 12 Aber heißt billig auch immer besser? Für billige Lebensmittel nehmen die Konsumenten einiges in Kauf. Das erste Problem der Discounter ist, wie beim Fastfood auch, die Qualität und Gesundheitsverträglichkeit der angebotenen Nahrung. Die Verbraucherorganisation „Ökotest“ testete 50 Produkte von verschiedenen Discountern auf ihren Schadstoffgehalt. Frische Paprika schnitten besonders schlecht ab. „Die Schoten von Aldi Nord und Plus enthalten sechs bzw. neun unterschiedliche Wirkstoffe, darunter auch das in Deutschland nicht zugelassene Lufenuron über der gesetzlichen Höchstmenge von 0,01 Milligramm pro Kilogramm.“ 13 8 Diederich, Ellen, a.a.O. www.medizin.de/gesundheit/deutsch/799.html 10 Diederich, Ellen, a.a.O. 11 Buchners Themen Politik, S.175 12 a.a.O., S.175 13 www.oekotest.de/cgi/ot/otgs.cgi?suchtext=discounter&doc=62957 9 7 Auch die schlechte soziale Stellung der Mitarbeiter der meisten Discounter ist mit der der Fastfood-Unternehmen vergleichbar. „Vor Ort beruht das Erfolgsrezept Billig auf Personalnotstand und gnadenloser Hetze. Wo sich Unmut regt, geben sich Testkäufer die Klinke in die Hand und inszenieren Kündigungsgründe.“ 14 Auch was die Tierhaltung betrifft, ist der Trend zu möglichst günstigen Lebensmitteln zu kritisieren. Der Film von Erwin Wagenhofer aus dem Jahre 2005 „We feed the world“ dokumentiert diese Entwicklung in anschaulichster Weise. Anhand der Hähnchenmast wird hier gezeigt, dass der gestiegene Fleischkonsum und der Anspruch der Verbraucher, immer genügend und billiges Hühnerfleisch verfügbar zu haben, zu einer industriellen Massentierhaltung geführt hat, bei der das Tier nur noch als Ware gesehen wird. Im Film wird auch kritisiert, dass den Verbraucher nur noch der Preis und nicht mehr andere Kriterien, wie die Qualität und der Geschmack interessieren. Die Konzerne hingegen interessiert nur die Profitmaximierung, wie das Interview mit Peter Brabeck, dem Konzernchef von Nestlé, zeigt. 15 Vor allem aber unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Globalisierung sind unsere viel zu billig importierten Lebensmittel problematisch. Jean Ziegler erklärt die globalen wirtschaftlichen Missstände mit dem sogenannten „Kolonialpakt“. „Die verschiedenen Kolonialmächte zwangen also die afrikanischen Bauern zum Anbau von Pflanzensorten, die in der europäischen Industrie und auf dem europäischen Markt Verwendung fanden.“ 16 Dies führt zu gigantischen Monokulturen, die nur für den Export gedacht sind. Das wiederum hat zur Folge, dass die Entwicklungsstaaten Produkte für ihre eigenen Grundbedürfnisse teuer importieren müssen und damit extrem vom Weltmarkt abhängig sind. 17 Damit wir hier in den reichen Industrienationen Produkte aus den Entwicklungsländern, wie Bananen, Kaffee, Kakao usw. zu möglichst niedrigen Preisen kaufen können, müssen zum Beispiel die Landarbeiter dort unter ausbeuterischen Arbeits- und Lebensbedingungen arbeiten und beziehen als Lohn für ihre Arbeit nur einen Bruchteil des Verkaufspreises. Zum Glück gibt es Organisationen, wie die „Gepa“, die sich für „Fair Trade“ engagieren und die Nachteile der Globalisierung wenigstens im kleinen Rahmen auszugleichen versuchen. Eindeutig steht fest, dass unter Einbeziehung verschiedenster Kriterien „billig“ auf keinen Fall „besser“ heißt. Leider leben aber auch in unserer Wohlstandsgesellschaft viele Menschen in sozialer Armut und sind auf ein günstiges Nahrungsmittelangebot angewiesen. Umso größer müsste aber gerade hier die Verantwortung großer Lebensmittelkonzerne sein, auch für Menschen mit kleinem Geldbeutel gewisse Qualitätsstandards anzubieten. Andererseits gibt es genügend Konsumenten, die trotz eines ausreichenden Einkommens gerade beim Lebensmitteleinkauf auf Discounter zurückgreifen und damit die oben aufgeführten Probleme unterstützen. Als Fazit bleibt festzuhalten: Essen ist bei uns im Verhältnis zu anderen Ausgaben eindeutig zu billig geworden und hat damit nicht mehr den Stellenwert, der der Nahrung als Grundlage unserer Existenz eigentlich zukommen müsste. 14 Verdibericht, in: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/944/22922/ vgl. Wagenhofer, Erwin, We feed the world 16 Ziegler, Jean, Wie kommt der Hunger in die Welt? 17 vgl. a.a.O. 15 8 2.2. Bewusstseinswandel im Essverhalten Nicht erst die Kampagne der Bundesregierung gegen Übergewicht im Mai 2007 markiert eine Trendwende im Essverhalten der Deutschen. In breiten Bevölkerungsschichten entsteht schon länger ein Prozess des Umdenkens, motiviert in erster Linie aus der Sorge um die eigene Gesundheit. Titel verschiedener Veröffentlichungen demonstrieren die neue Orientierung: „Gesund essen, aber wie?“ „Bio für alle“, „Klüger essen“, „Die Eßmanzipation“, oder „Wie man in 10 Schritten ein ökologisch korrekter Konsument wird“. 2.2.1. Slowfood Die Slowfood-Bewegung, 1986 in Italien gegründet und in Deutschland seit 1992, ist mehr als nur eine Gegenbewegung zu Fastfood. Sie will die gesamte Esskultur verbessern und dabei eine Kultur stärken, die die Individualität des Menschen betont. Als wichtige Aufgabe sieht sie die Belebung und Stärkung der regionalen kulinarischen Kulturen. Soziale, ökologische oder weltwirtschaftliche Aspekte spielen aber eher eine untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt soll der Genuss stehen. 18 2.2.2. Bio-Boom Unter dem Schlagwort „Bio-Boom“ drückt sich das zunehmende Interesse an Lebensmitteln aus ökologisch kontrolliertem Anbau aus. „Zweistellige Zuwachsraten kennzeichnen den Bio-Markt jetzt schon seit mehreren Jahren.“ 19 Neben kleinen Naturkostläden, Direktverkauf in Bauernhöfen oder an Marktständen eröffnen auch immer mehr Bio-Supermärkte, wie „basic“. Ein beliebter Service ist auch das Abonnement-System, bei dem Bio-Landwirte ihre Kunden wöchentlich mit frischen Produkten frei Haus beliefern. Ist Bio nun wirklich gesünder und was sind die Vorteile von Bio-Produkten? Auf jeden Fall dürfen bei Bioprodukten keine chemischen Pflanzenschutzmittel oder Dünger verwendet werden, ebenso ist die Fütterung der Tiere mit gentechnisch veränderten Stoffen grundsätzlich verboten. Bio-Milch hat einen höheren Anteil an Vitamin E, Omega-3-Fettsäuren und Betakarotin als Milch nicht biologisch gehaltener Kühe. Bio-Fleisch ist nicht mit Hormon- und Medikamentenrückständen belastet. Die Gefahr des Salmonellenbefalls ist bei Bio-Eiern wesentlich geringer als bei Eiern aus großen Legehennenbeständen und aus Käfighaltung. Bei Bio-Obst ist zwar der Vitamin C-Gehalt nicht höher als bei konventionell angebautem Obst, da dieser mehr von der Sorte des Obstes und der Lagerdauer abhängt. Jedoch ist der deutlich geringere Schadstoffgehalt ein wichtiger Faktor bei der gesundheitlichen Bewertung der Produkte. 20 Aber nicht nur Qualitätskriterien sollten für die Bewertung von biologischen Produkten eine Rolle spielen. Ökologisch kontrollierter Anbau ist durch den Verzicht auf chemische Schadstoffe eindeutig umweltverträglicher und naturschonender als konventioneller Anbau. Viele Biobauern legen auch Hecken oder Feldraine an, wo Kleinbiotope mit blüten- und artenreichen Pflanzenbeständen entstehen. Solche Orte bevorzugen auch nützliche Kleintiere, die durch ihren Schädlingsfraß die Agrarchemie ersetzen können. 18 vgl. Interview mit Andrea Arcais, Geschäftsführer von Slowfood Deutschland e.V., in: Die Zukunft der Wirtschaft, S.14-16 Tambour, Barbara, Gesund essen – aber wie?, in: Publik Forum, S.12 20 vgl. a.a.O., S.13 / 15 19 9 „Auf ökologisch bewirtschafteten Flächen sind 85 Prozent mehr Pflanzenarten, ein Drittel mehr Fledermäuse, 17 Prozent mehr Spinnen und 5 Prozent mehr Vogelarten anzutreffen…Im Boden einer Biofläche findet man 50 bis 80 Prozent mehr Regenwürmer als im Boden mineralisch gedüngter Flächen.“ 21 Auch der besondere Umgang mit den Tieren spricht für die biologische Landwirtschaft. Biotiere haben Tageslicht, Weidegang oder Auslauf. Hier „stehen Gesundheit, Vitalität und Widerstandskraft der Tiere als gleichrangige Ziele neben der Leistungsfähigkeit: Produkthöchstleistungen zu Lasten der Gesundheit sind bei Biotieren absolut tabu.“ 22 Das Tierfutter wird überwiegend im eigenen Betrieb erzeugt, so dass der Bauer weiß, was seine Tiere fressen. Artgerechte Tierhaltung bedeutet „Medikamentenrückstände im Fleisch sind kein Thema“. 23 aber auch Krankheitsvorsorge, Als Beispiel einer gut und konsequent geführten Bio-Organisation soll hier „Bioland“ erwähnt werden. Mehr als 4500 Landwirte, Gärtner, Winzer und Imker und daneben 706 Hersteller aus verschiedenen Branchen, wie Bäcker, Metzger oder Molkereien, sind Mitglieder des Bioland e.V. 24 Verbraucher schätzen den hohen Richtlinienstandard bei Bioland, der um einiges strenger ist als die EG-Öko-Verordnung. Als Beispiele sollen nur einige Vorschriften genannt werden: Grundsätzlich gilt mindestens 90 Prozent Biofutter. Über 50 Prozent des Futters muss vom eigenen Betrieb oder einer regionalen Kooperation stammen. Die maximale Tieranzahl pro Hektar landwirtschaftlicher Anbaufläche beträgt 140 Hennen, 280 Hähnchen oder 10 Mastschweine pro ha und Jahr. Die Verarbeitung von tierischen Produkten ist umfassend hinsichtlich erlaubter Zutaten, Zusatz- und Hilfsstoffe, Verfahren und Packstoffe geregelt. Bei der Standortwahl von Pflanzenbau ist die Belastung durch Schadstoffe aus der Umwelt und der vorherigen Nutzung zu berücksichtigen. Alle Vorteile ökologisch kontrollierter Nahrungsmittelproduktion zusammengenommen müssten eigentlich jedes Verbraucher-Gewissen wachrütteln und zumindest die Überlegung anregen, ob hier nicht zugunsten der vielen positiven Aspekte der höhere Preis unbedingt in Kauf genommen werden muss. 21 Starke Argumente für BIO, in: www.bioland.de a.a.O. 23 a.a.O. 24 vgl. a.a.O. 22 10 3. Ethik der Lebens-Mittel: Was sollen und dürfen wir essen? Die geschilderten Probleme durch unsere Nahrungsmittelproduktion, wie zunehmende landwirtschaftliche Umweltschäden, negative Auswirkungen der globalen Wirtschaftsverflechtungen oder die vielen Lebensmittelskandale, zeigen die Notwendigkeit, dass sich die in den westlichen Wohlstandsgesellschaften vorherrschenden Essgewohnheiten grundlegend ändern müssen. Die begonnene Neuorientierung zeigt, dass dazu bereits Ansätze gemacht werden. Dabei müssen wir uns darüber klar werden, was ist gutes und was ist schlechtes Verhalten in Bezug auf unseren Umgang mit der Natur und die Befriedigung unserer Nahrungsbedürfnisse. Im Folgenden geht es also um die ethische Fragestellung: Was sollen und was dürfen wir essen? Und wie können wir unsere Lebensmittel ethisch verantwortbar produzieren? Bevor dazu Kriterien entwickelt werden können, sollen Überlegungen angestellt werden, welche Grundhaltungen und Werte der christliche Glaube in die Frage des richtigen Umgangs mit der Natur einbringt. 3.1. Biblische Aussagen über den Umgang mit der Natur Die biblischen Aussagen zum Verhältnis von Mensch und Umwelt sollen durch jeweils eine Textstelle aus dem Alten und eine aus dem Neuen Testament veranschaulicht werden. 3.1.1. Altes Testament In den Schöpfungsgeschichten im Buch Genesis ist das Verhältnis des Menschen zur nichtmenschlichen Natur grundgelegt. „Die Urgeschichten des Alten Testamentes haben die Form von ‚Anfangserzählungen’, die nicht über ein historisches Geschehen berichten, sondern in exemplarischer Weise Grundzüge der menschlichen Lebenssituation schildern. Diese können als eine unwiderrufliche, ethisch verpflichtende Schöpfungsordnung für Israel und die ganze Menschheit verstanden werden.“ Für die gottgewollte Lebenswelt „steht in der biblischen Erzählung der Garten Eden (Gen 2,4b-25) sowie der Schöpfungsbericht, in dem das frisch vollendete Werk als ‚sehr gut’ bezeichnet wird.“ 25 Das hier harmonisch angelegte Miteinander von Natur und Mensch wird im weiteren Verlauf durch zwei Aussagen gefährdet. Erstens durch die hervorgehobene Sonderstellung des Menschen als Krone (Gen 1) bzw. als Mittelpunkt (Gen 2) der Schöpfung. Dies wird als Anthropozentrik der Schöpfungserzählungen bezeichnet. Zweitens durch den Herrschaftsauftrag an den Menschen (Gen 1,28): „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“ 26 Diese Aussagen wurden von verschiedenen Kritikern für den schlechten Umgang des Menschen mit der nichtmenschlichen Welt verantwortlich gemacht. Bei genauer Betrachtung der biblischen Texte ist dieser Vorwurf aber nicht haltbar. Die Überbewertung der Sonderstellung des Menschen und das Verständnis des Schöpfungsauftrags als 25 26 Die deutschen Bischöfe, S. 20 Die Bibel, Einheitsübersetzung 11 Aufforderung zur Ausbeutung der Natur ist eine eindeutige Fehlinterpretation. Versteht man die Bibel richtig, dann besitzt der Mensch zwar eine herausgehobene Stellung und darf gestaltend in die Natur eingreifen und sie für seine Lebensbedürfnisse benützen. Gleichzeitig aber ist er selbst auch nur Geschöpf unter Geschöpfen und als solches in die gesamte Schöpfung eingebunden. Seine Befugnis, zu „herrschen“ und sich die Welt zunutze zu machen, ist streng geknüpft an Verantwortung, Pflege und Fürsorge für die Umwelt, wie der Auftrag in Gen 2,15 deutlich macht: „Bebauen u n d Bewahren“. 27 Somit tragen also die biblischen Schöpfungserzählungen zu einem positiven Umgang zwischen Mensch und Natur bei. 3.1.2. Neues Testament Im Neuen Testament wird der Schöpfungsglaube des Alten Testaments aufgenommen und in einen Zusammenhang mit der christlichen Hoffnung auf das Reich Gottes gebracht. So verkündet Jesus die Botschaft, dass der Heilszustand für Mensch und Welt mit ihm schon begonnen hat und für die Menschen erfahrbar ist. „In seinen Gleichnissen werden Tiere und Pflanzen, zum Beispiel die Vögel des Himmels und die Lilien auf dem Felde zu symbolischen Hinweisen auf die umfassende Güte Gottes“. 28 „Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie… Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird, wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen.“ (Mt 6, 26-30) 29 In diesem Text aus der Bergpredigt Jesu erfährt die Natur eine ganz positive Bewertung. Obwohl der Mensch von Jesus eindeutig als höhergestelltes Wesen beschrieben wird („viel mehr wert“), zeigt er trotzdem die wichtige Bedeutung der nichtmenschlichen Natur. Erstens wird sie von Jesus in ihrer besonderen Schönheit bewundert (prächtiger als Salomos Pracht), zweitens dient sie sogar als Vorbild für den Menschen, an dem er sich orientieren kann („Lernt von…“), und drittens ist sie, wie der Mensch auch, beschützt und umsorgt von Gott („euer himmlischer Vater ernährt sie“). Der Text zeigt die hohe Wertschätzung der Natur. 27 vgl. Die deutschen Bischöfe, S.22 a.a.O., S. 23 29 Die Bibel, Einheitsübersetzung 28 12 3.2. Werte für den Umgang mit der Natur Nimmt man die Aussagen des christlichen Glaubens als Grundlage ethischen Handelns ernst, so ergeben sich daraus zentrale Werte für den Umgang mit der Natur. Dabei beinhaltet Natur sowohl den Menschen als Teil der Schöpfung als auch die nichtmenschliche Schöpfung. 3.2.1. Werte für den Umgang mit dem Menschen Gen 1, 27, die Erschaffung des Menschen als Abbild Gottes, gesteht dem Menschen eine hohe Würde zu. Das heißt, das Leben jedes Menschen muss als der höchste Wert betrachtet und deshalb besonders geschützt und geachtet werden. Das wiederum bedeutet, dass dem Menschen alles, was er zu einem guten Leben braucht, ermöglicht werden muss. Da alle Menschen vor Gott gleich sind und deshalb die gleiche Würde haben, muss a l l e n Menschen das Recht auf die Befriedigung ihres Grundbedürfnisses nach Nahrung als ein grundlegendes Menschenrecht zugestanden werden. Dabei müssen besonders die benachteiligten Menschen, also Menschen in armen Ländern oder Menschen, die bei uns in Armut leben, in die ethischen Überlegungen einbezogen werden. Ebenso ist es wichtig, die Lebensbedingungen für die kommenden Generationen zu sichern, da auch ihr Leben als der höchste Wert respektiert werden muss. 3.2.2. Werte für den Umgang mit der nichtmenschlichen Natur Gegenüber früherer Ethik, in der es vorrangig um das Verhalten der Menschen untereinander ging, muss nun angesichts der heutigen Probleme mit der Umwelt das ethische Denken und Handeln um eine wichtige Dimension erweitert werden. „Die auf das Hinüber und Herüber mitmenschlichen Handelns bezogene Ethik früherer Jahrhunderte ist durch die Verfügungsgewalt neuzeitlicher Technik weitgehend wirkungslos geworden.“ 30 Deshalb müssen wir „die Maximen herkömmlicher Ethik von allen anthropozentrischen Verengungen frei machen und auf einen größeren Horizont ausweiten“. 31 Mit diesen Sätzen fordert der Theologe Günter Altner, die ethische Verantwortung über den Umgang der Menschen untereinander, also über die Mitmenschlichkeit hinaus, auszuweiten auf den Umgang mit der Natur. Die neue geforderte Haltung umschreibt er mit dem Begriff der „Mitkreatürlichkeit“. Mitkreatürlichkeit heißt, die Bedeutung der nichtmenschlichen Natur zu respektieren und auch im Umgang mit der Natur Partnerschaft und Solidarität zu beweisen. Konkret verlangt eine praktizierte Mitkreatürlichkeit „neue Formen der Kooperation zwischen Mensch und Natur…, die nicht nur dem menschlichen Fortschritt dienen wollen, sondern das Wohl der Umwelt mitberücksichtigen“. 32 Nur so kann ein ausgeglichenes Verhältnis von Mensch und Natur erreicht werden. Dabei muss noch auf einen wichtigen Zusammenhang hingewiesen werden. Mensch und nichtmenschliche Schöpfung stehen stets in einem Wechselverhältnis und sind durch die gemeinsame Nutzung der Erde eng miteinander verbunden. Was der Mensch für die Umwelt Gutes oder Schlechtes tut, das tut er gleichzeitig auch für sich. Behandelt er zum Beispiel seine Obstbäume 30 Altner, Günther, Schöpfung am Abgrund, S.155 a.a.O., S. 131 32 a.a.O., S. 33 31 13 mit giftigen Pflanzenschutzmitteln, so vergiftet er damit seine Nahrung und letztendlich auch sich selbst. Voraussetzung für die ethische Haltung der Mitkreatürlichkeit ist ein umfassender Lebensbegriff, wie er genau in dem bereits erwähnten Zitat von Albert Schweitzer zum Ausdruck kommt: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“. 33 Auch nichtmenschliches Leben will leben. Denkt man nun die Aussage Albert Schweitzers konsequent zu Ende, so beinhaltet sie aber auch die Notwendigkeit, die eigenen Lebensansprüche unter Umständen einzuschränken. Das heißt, dass der Mensch auf überzogene Lebensansprüche verzichten muss, wenn diese der Umwelt schaden. Als historisches Vorbild für ein solches harmonisches Miteinander von Mensch und Natur, für ein Leben im Einklang mit der Natur, soll hier Franz von Assisi angeführt werden. 34 1182 als Sohn eines reichen Kaufmanns geboren und aufgewachsen, macht Franz eine radikale Kehrtwende in seinem Leben und lebt das Ideal der Armut und Besitzlosigkeit. Gegenüber der an Macht und Reichtum orientierten Kirche predigt er eine Erneuerung nach dem Vorbild des Evangeliums. Der Name des von ihm gegründeten Ordens „Die minderen Brüder“, später die „Franziskaner“, spiegelt das Ideal des einfachen Lebens, der eigenen Bedürfnislosigkeit und Nächstenliebe wider. Die letzten Jahre bis zu seinem Tod 1226 verbringt Franz zurückgezogen in einem kleinen Kloster. In seinem „Sonnengesang“ besingt er die ganze Schöpfung, in der sich die Liebe und Größe Gottes zeigt: „Sei gepriesen mit all deinen Geschöpfen….Sei gepriesen durch unsere Schwester, die Mutter Erde; sie trägt und erhält uns, bringt vielerlei Früchte hervor und Kräuter und Blumen…“ „Immer wieder betonen die Legenden seine sanftmütige Demut allen Menschen und auch der Kreatur gegenüber – alle sind ihm Schwester und Bruder, auch Sonne, Mond und Tod…“ 35 Nach seinem Tode beschreiben viele Legenden seine innige Beziehung zur Natur. So soll Franz zum Beispiel in der Stadt Gubbio einen Wolf gezähmt haben, er soll die Fähigkeit besessen haben mit Tieren zu sprechen und bei seinem Tod soll zu ungewöhnlicher Tageszeit eine Lerche aufgestiegen sein. Die „franziskanische“ Lebensweise kann für uns heute ein provozierendes und faszinierendes Vorbild eines mit der Natur verbundenen Lebens sein. 33 www.albert-schweitzer-zentrum.de/index.php?option=com_content&task=view&id=63&Itemid=98 vgl.zum Folgenden: Reclams Lexikon der Heiligen, S. 201-204 35 a.a.O., S. 202 34 14 3.3. Konsequenzen für die Nahrungsmittelproduktion und für unser Essverhalten Aus den mit dem christlichen Glauben begründeten Grundhaltungen einer Lebensmittelethik ergeben sich konkret vier Forderungen, die bei unserem Umgang mit der Nahrung zu berücksichtigen sind. 3.3.1. Forderungen in Bezug auf den Menschen 1. Für das gesundheitliche Wohl der Verbraucher muss die Qualität der Produkte Vorrang haben vor kapitalistischen Gewinninteressen. Erreichbar wäre dies durch ökologische Anbauweisen und Ablehnung genmanipulierter Produkte. 2. Global gesehen muss ein gerechter Welthandel angestrebt werden, der garantiert, dass alle Menschen dieser Welt genügend und gesunde Nahrung haben. Die Politik müsste regionale Märkte stärken und insgesamt Maßnahmen gegen Ausbeutung, Armut und Unterdrückung durchsetzen. 36 3.3.2. Forderungen in Bezug auf die nichtmenschliche Natur 1. Zum Wohle der Tiere muss die Massentierhaltung und Billigfleischproduktion abgeschafft werden. Politisch könnte dies durch eine Verschärfung des Tierschutzgesetzes mit dem Ziel einer artgerechten Haltung durchgesetzt werden. Auch der Verbraucher kann durch die Einschränkung seines Fleischkonsums zu einer Veränderung beitragen. Das bedeutet Fleisch als Beilage statt als Grundnahrungsmittel, Fleisch nur bei besonderen Anlässen oder nur einmal in der Woche, eine mehr oder weniger vegetarische Ernährung. 2. Angesicht der enormen Umweltzerstörung durch die konventionelle Landwirtschaft muss die Naturnutzung unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit betrieben werden. Das heißt, dass die heutige Landwirtschaft die Umwelt nicht zu Lasten kommender Generationen zerstören darf, sondern sie bewahren muss. Dabei gibt es keine Alternative zu einer ökologischen Landwirtschaft. Wie oben ausgeführt, sollte die Umsetzung dieser Forderungen eine der Hauptaufgaben der Politik sein. Nicht zu unterschätzen sind aber auch die Möglichkeiten jedes einzelnen Verbrauchers, „die Macht des Einkaufswagens.“ Jeder Konsument kann durch sein Einkaufsverhalten und durch die Gestaltung seiner Esskultur zu einer positiven Entwicklung in der beschriebenen Richtung beitragen. 36 vgl. Ziegler, Jean, Wie kommt der Hunger in die Welt? 15 4. Lebensmittelethik am Beispiel der Hühnerhaltung und Eierproduktion 4.1.Wissenswertes über das Ei Das Ei ist eines der schönsten Geschenke der Natur: Ohne Ei keine Spätzle, keinen Kuchen, keine Pfannkuchen, keine Mayonnaise, kein Tiramisu, kein Osternest,… Dabei gleicht entgegen dem Sprichwort kein Ei dem anderen. „Ein Bio-Ei vom Bauernhof schmeckt nämlich wirklich anders als ein Legebatterie-Ei, manche Eier haben hellgelbes, andere ein dunkelorangefarbenes Eigelb, wiederum andere schmecken würzig und gottlob keines mehr wie früher fischig.“ 37 Der Geschmack eines Eis hängt in erster Linie davon ab, was das Huhn gefressen hat. Das früher zugefütterte Fischmehl ist heute verboten. Für das Aussehen eines Eis ist zum einen die Größe, zum anderen besonders auch die Dotterfarbe entscheidend. Die meisten bei uns verkauften Eier gehören zu den Größen M und L und wiegen zwischen 53 und 72 Gramm. Dabei ist die Größe des Eis abhängig von der Größe des Huhns: Kleines Huhn gleich kleines Ei. Die Farbe des Dotters hängt eindeutig vom Futter ab, viel Mais im Futter erzeugt eine gelbe, viel Paprika eine eher rötliche Dotterfarbe. Wichtig ist auch, wie viel so genannte Carotinoide das Huhn mit dem Futter aufgenommen hat. Carotinoide sind zum Beispiel in Karotten enthalten. Zur Erreichung einer besonders orangeroten Färbung wird in manchen Hühnerhaltungen sogar Lebensmittelfarbe dem Hühnerfutter beigemischt. Woraus besteht ein Ei? Natürlich besteht das Ei hauptsächlich aus Eigelb und Eiweiß, allerdings finden sich zahlreiche weitere Inhaltsstoffe, so enthält ein Ei fast sieben Gramm Fett, ein halbes Gramm Kohlenhydrate, 30 Milligramm Calcium, 1,2 Milligramm Eisen und zahlreiche Vitamine, wie Vitamin D, K, B 12, Biotin und Selen und insgesamt etwa 85 Kalorien. Ei enthält viel Cholesterin, weshalb es in Maßen genossen werden sollte. 38 Eier sind bei uns geschätzt, trotzdem ist in Deutschland der Eierkonsum eher rückläufig: „Statt 280 Eier wie Anfang der 80er-Jahre aß der Deutsche im vorigen Jahr nur noch 205. Mit 12,6 Kilo Ei pro Jahr liegen die Deutschen weit hinter den Dänen (18,7) und Spaniern (17,5) zurück. Trotzdem schaffen die 43 Millionen deutschen Hennen nur 70 Prozent der jährlich verzehrten 16 Milliarden Eier, der Rest wird aus dem Ausland importiert.“ 39 Seit 2004 gibt es für Eier die Kennzeichnungsvorschrift, das heißt, dass alle zum Verkauf angebotenen Eier mit einem Stempel versehen sind. Nähere Ausführungen dazu werden unter 4.4. „Die Eierkennzeichnung“ gemacht. 37 38 39 Lücke, Robert, Kein Ei gleicht dem anderen, aus: Stuttgarter Zeitung, S.8 vgl. a.a.O. a.a.O. 16 4.2. Wissenswertes über das Huhn Fest steht: Ohne Huhn kein Ei! Ursprünglich stammt das Huhn vom Dinosaurier ab, was sich noch heute anhand des Skelettes nachweisen lässt. 40 Als Vorfahr unserer Haushühner gilt das ursprünglich aus Indien stammende Bankivahuhn, welches um das Jahr 1400 v. Chr. über China zu uns gelangte. Durch jahrhundertelange Zucht sind rund 150 verschiedene Rassen entstanden. Das Huhn hat den typischen Körperbau des Vogels, durch starke Läufe und Beinmuskeln ist es aber deutlich besser im Laufen als im Fliegen. Typische Verhaltensmuster von Hühnern sind: 41 Futteraufnahme durch Picken und Scharren Fortbewegung durch freies Gehen, Laufen und Flattern bis hin zum Fliegen Ausruhen durch Stehen, Liegen und Dösen Körperpflege durch Putzen, Fuß- und Flügelstrecken, Flügelschlagen, Sand- und Sonnenbaden Nestinspektion Eiablage und Eiausbrüten Hühner mit roten Ohrläppchen legen braune Eier und Hühner mit weißen Ohrläppchen Eier mit weißer Eierschale. Im Durchschnitt legt ein Huhn jährlich 300 Eier. 4.3. Die Hühnerhaltung Bei der Zähmung verschiedenster Tiere spielte unter den Geflügelarten das Huhn die wichtigste Rolle. Schon zu Beginn des Mittelalters muss in Deutschland eine größere Zahl Hühner gehalten worden sein, wie ein Rechtsbuch aus dem 5. Jahrhundert belegt. Obrigkeit und Kirche verlangten Zins und Abgaben auch in Form von Eiern und Hühnern. Zu fürstlichen Hochzeiten wurden nicht selten Tausende von Hühnern geschlachtet. „Es wird sogar berichtet, dass der Mörtel von Bauwerken, die eine große Festigkeit aufweisen sollten, wie Kirchen und Brücken, mit Eiweiß angemacht worden sei.“ 42 Als Begründer der deutschen Rassegeflügelzucht gilt Robert Oettel (1798-1884) aus Görlitz. Er gründete 1852 den ersten Geflügelzuchtverein. Die Zahl der verschiedenen gezüchteten Hühnerrassen stieg dabei bald an. Der Aspekt der Eigenversorgung mit Hühnerfleisch und Eiern trat aber zunehmend in den Hintergrund, je mehr die Bevölkerung ihre Lebensmittel in ausreichender Menge kaufen konnte. Mitte des 20. Jahrhunderts setzten sich immer mehr die aus Amerika kommenden Hybridhühner durch, hochgezüchtete Tiere, die in der Eierleistung die alten Rassehühner weit übertrafen. Seit etwa 1970 begann die Massentierhaltung. „Einige Großindustrielle bauten riesige ‚Hühnersilos’, das heißt, sie bauten ‚Hochhäuser’ mit bis zu 500.000 Hühnern, die nur zum Zwecke der 40 vgl. zum Folgenden: Kreuser, Heinrich, Leitfaden der Hühnerhaltung, S.6-8 vgl. www.bioland.de 42 Kreuser, Heinrich, Leitfaden der Hühnerhaltung, S. 6 41 17 Eiererzeugung gehalten wurden. In den folgenden Jahren entstanden dann Betriebe mit noch größeren Tierzahlen.“ 43 Viele kleinere Betriebe wurden vom Markt verdrängt. Konnte ein Wirtschaftsgeflügelzüchter bis dahin von ca. 2.000 Tieren mit seiner Familie leben, so musste er nun mindestens 15.000 Tiere halten, um rentabel zu wirtschaften. In der Hühnerhaltung heute unterscheidet man vier verschiedene Haltungsarten: 44 4.3.1. Käfighaltung Bei der Käfighaltung leben die Hühner in Drahtkäfigen mit Schräggittern mit einer Durchschnittsgröße von 50 mal 50 cm und einer Höhe von vorne 40 und hinten 35 cm. In einem solchen Käfig mit einem viertel Quadratmeter Bodenfläche leben etwa fünf Hennen, das heißt, dass auf einen Quadratmeter 20 Hennen kommen. Für eine Henne bleibt damit also durchnittlich eine Fläche von 500 cm², also weniger als ein DIN-A4-Blatt. Die Käfige sind doppelreihig und mit vier bis acht Etagen übereinander gestellt. Alle Versorgungsmaßnahmen, wie Fütterung, Wasserversorgung, Ei-Entnahme und Kotbeseitigung laufen vollautomatisiert ab. Die Käfige sind beleuchtet und werden mit Ventilatoren belüftet. Ein bis zwei Arbeiter sind für 100.000 - 300.000 Hennen verantwortlich. Eine neue EU-Richtlinie schreibt aber nun ab 2008 „ausgestaltete“ Käfige vor, das heißt wenigstens eine Vergrößerung der Fläche für jedes Huhn auf 600 – 750 cm², außerdem sollen sie ein Nest und Sitzstangen, Einstreu und Krallenabriebflächen enthalten. Der Anteil der Käfigeier am Gesamtverbrauch in Deutschland liegt ungefähr bei 70 Prozent. Dabei ist aber wichtig zu unterscheiden, dass der Anteil von Käfigeiern im privaten Haushaltsverbrauch nur bei 43 bis 50 Prozent liegt, während bei Großverbrauchern und in der Nahrungsmittelindustrie, die die Hälfte des Gesamtverbrauchs an Eiern ausmacht, 95 Prozent Eier aus Käfighaltung verwendet werden. Insgesamt ist der Anteil an Käfigeiern rückläufig. Ein Ei aus Käfighaltung kostete am 10. April 2007 im Supermarkt Edeka in Leinfelden-Echterdingen 9,5 Cent. 4.3.2. Bodenhaltung Bei der Bodenhaltung leben die Hühner in einem Stall mit Sitzstangen und Legenestern. Es leben sieben Hennen pro Quadratmeter zusammen, wobei jedes Tier eine Fläche von 1430 cm² zur Verfügung hat, also das Dreifache der Käfighaltung. Der Stall ist mit Einstreu belegt und enthält eine Kotgrube. 43 44 Kreuser, Heinrich, Leitfaden der Hühnerhaltung, S. 8 vgl zum Folgenden: www.tierrechte.de/p200020003000x1006.html 18 Eine Erweiterung der Bodenhaltung ist die Volierenhaltung, bei der die Hühner in übereinander angebrachten Ebenen leben. Dadurch können mehr Hennen pro Quadratmeter gehalten werden, die Regel liegt bei 25 Hühnern. Hier gibt es wie bei der Käfighaltung ein vollautomatisches System mit Transportbändern. Ein Ei aus Bodenhaltung kostete am 10. April 2007 im Supermarkt Edeka in Leinfelden-Echterdingen 21 Cent. 4.3.3. Freilandhaltung Bei der Freilandhaltung muss der Stall in Größe und Ausstattung den gleichen Anforderungen wie bei der Bodenhaltung entsprechen. Das Besondere der Freilandhaltung ist allerdings, dass hier jedem Huhn zusätzlich 4 m² Auslauffläche im Freien zur Verfügung stehen. Dadurch können die Hühner ihren natürlichen Verhaltensweisen, wie Flügelschlagen, Scharren und Sandbaden, nachgehen. . Ein Ei aus Freilandhaltung kostete am 10. April 2007 im Supermarkt Edeka in Leinfelden-Echterdingen 25 Cent. 4.3.4. Ökologische Haltung Bei der ökologischen Hühnerhaltung werden den Hennen mehrere Lebensräume zur Verfügung gestellt. Sie haben erstens einen Stall mit erhöhten Ebenen, Sitzstangen, Nestern und einem eingestreuten Scharrraum. Zweitens steht ihnen ein überdachter Auslauf, eine Art Wintergarten, zur Verfügung, der ganzjährig genutzt werden kann. Im zusätzlichen Grünauslauf können die Hennen ihrer natürlichen Futtersuche nachgehen. Dort sorgen Bäume, Sträucher und Unterstände für Schutz. Die Auslauffläche beträgt auch hier, wie bei der Freilandhaltung, mindestens 4 m² pro Huhn. Der größte Unterschied zu den anderen Haltungsarten besteht aber in der Art des Futters, das laut der EG-Öko-Verordnung zu 85 %, bei Bioland sogar zu 90% aus ökologischem Anbau stammen muss. 19 Eine ausführlichere Beschreibung der ökologischen Haltungsart bringt das Kapitel 5 über den Jagsthof in Westhausen. Ein Ei aus ökologischer Haltung kostete am 10. April 2007 im Supermarkt Edeka in Leinfelden-Echterdingen 38 Cent. 4.4. Die Eierkennzeichnung Den vier geschilderten Haltungsarten entsprechen vier verschiedene Kennzeichnungen in Form eines Stempelaufdrucks auf den jeweiligen Eiern. Die Vermarktungsnormen von Eiern und Geflügelfleisch wurden erstmalig EU-weit in einer Verordnung von 1990 geregelt und haben seitdem noch viele und wesentliche Veränderungen erfahren. Die wichtigsten Kennzeichnungsbestimmungen aber erfolgten erst zum 1.Januar 2004, ergänzt durch die Verordnungen vom 1.Januar 2005 und 1.Juli 2005. 45 Seit 2004 muss jedes zum Verkauf angebotene Ei eine vorgeschriebene Kennzeichnung aufweisen, die dem Verbraucher Aufschluss über Haltungsart und Herkunft des Eis gibt. Davor war für den Verbraucher überhaupt nicht nachvollziehbar, aus welcher Haltungsart das gekaufte Ei stammte. Laut Wolfgang Apel, dem Präsidenten des Deutschen Tierschutzverbundes, ist „die Geschichte der Eier-Kennzeichnung eine Erfolgsstory. Seit die Verbraucher erkennen können, wie die Legehennen gehalten werden, die die Eier gelegt haben, geht der Verkauf von Käfigeiern stetig zurück. Die Bürger zeigen damit deutlich: Sie wollen nicht, dass Hühner in Käfigbatterien eingepfercht werden.“ 46 45 vgl. dazu: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in: www.bmelv.de/nn_769206/SharedDocs/downloads/02Verbraucherschutz/Lebensmittelsicherheit/EierkennzeichnungMerkblatt,templated=raw,property=publicationFile.pdf/Eierkennzeich nungMerkblatt.pdf 46 Wolfgang Apel, Kein Ei aus Quälerei. Kolumne des Deutschen Tierschutzbundes, in: Fressnapf-Journal, April 2007, S.25 20 Der Code des Stempelaufdrucks auf jedem Ei enthält folgende Kennzeichen: Ziffer Die erste Ziffer bezeichnet die Hühnerhaltungsform, aus der das Ei stammt. 0 = Biohaltung 1 = Freilandhaltung 2 = Bodenhaltung 3 = Käfighaltung 1. Buchstabe Die angeführten Buchstaben stehen für das Erzeugerland. AT = Österreich BE = Belgien DE = Deutschland DK = Dänemark ES = Spanien FR = Frankreich NL = Niederlande 2. Ziffern Die siebenstellige Nummer am Schluss gibt Aufschluss über den Legebetrieb, aus dem das Ei stammt. Dabei stehen die ersten beiden Ziffern für das jeweilige Bundesland. Baden-Württemberg hat hier zum Beispiel die Kennzeichnung „08“. Die Skizze veranschaulicht dies: 47 Das steht auf dem Ei 47 vgl. www.bmelv.de 21 4.5. Ethische Bewertung der verschiedenen Arten der Hühnerhaltung Es stellt sich nun die Frage: „0, 1, 2 oder 3 – welches ist, unter ethischen Gesichtspunkten, das beste Ei?“ Stellt man ethische Überlegungen zum richtigen Umgang mit dem Huhn als Nutztier an, so können dafür die in Kapitel 3 erarbeiteten Aussagen zum Umgang mit der Natur herangezogen und auf den speziellen Umgang mit dem Huhn übertragen werden. Auch jedes einzelne Huhn ist „Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“. Das heißt, auch jedes Huhn hat ein Recht auf Respektierung seiner Lebensbedürfnisse. Schwierig wird dies dann, wenn sich die Lebensansprüche von Mensch und Huhn gegenüberstehen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Bedürfnis des Huhns nach Auslauf und Bewegung dem „Bedürfnis“ des Menschen nach einer womöglich wirtschaftlich rentablen Eierproduktion entgegensteht. Die biblischen Texte sagen uns hier eindeutig, dass wir unsere Bedürfnisse zwar befriedigen dürfen, aber nicht um jeden Preis und nicht auf Kosten der Mitgeschöpfe. Der Schöpfungsauftrag an den Menschen in Gen 2,15 den Garten Eden sowohl zu „bebauen“ als auch zu „bewahren“ bringt die Lösung des Dilemmas auf den Punkt: Wir dürfen das Huhn als Nutztier zur Sicherung unserer Lebensbedürfnisse benutzen, es aber nicht beliebig für andere Zwecke, wie zum Beispiel für Profitmaximierung durch die Massentierhaltung, ausbeuten. In jedem Huhn begegnen wir also einem Teil der Schöpfung, müssen wir ein Mitgeschöpf erkennen, welchem wir mit der ethischen Haltung der „Mitkreatürlichkeit“ gegenübertreten müssen. Was heißt jetzt die ethische Haltung der „Mitkreatürlichkeit“ konkret für den Umgang mit dem Huhn und für die Hühnerhaltung? Auf jeden Fall muss die Hühnerhaltung so aussehen, dass sie die Lebensbedürfnisse der Hühner respektiert und ihnen ein ihnen gemäßes Leben ermöglicht. Dies lässt sich auch einfach mit dem Begriff der „artgerechten Haltung“ umschreiben. Anhaltspunkte für die praktische Umsetzung einer solchen artgerechten Haltung können die unter 4.2. aufgeführten typischen Verhaltensweisen der Hühner sein. Eine ethisch verantwortbare, artgerechte Hühnerhaltung berücksichtigt diese typischen Verhaltensmuster von Hühnern, also ihr Bedürfnis nach Futteraufnahme durch Picken und Scharren Fortbewegung durch freies Gehen, Laufen und Flattern bis hin zum Fliegen Ausruhen durch Stehen, Liegen und Dösen Körperpflege durch Putzen, Fuß- und Flügelstrecken, Flügelschlagen, Sand- und Sonnenbaden Nestinspektion Eiablage und Eiausbrüten 48 Dabei ist klar, dass die Käfighaltung diesen Ansprüchen in keinster Weise gerecht wird, auch nicht nach den neuesten Vorschriften. „Wenn man das Normalverhalten der Hühner kennt, wird deutlich, dass der herkömmliche Käfig ein extrem eingeschränktes und reizarmes Umfeld für die Hennen darstellt, das zu schweren Ver- 22 haltens- und Gesundheitsstörungen führen muss: Fliegen, Flattern, ja bereits Flügelschlagen und Streckbewegungen, Staub- und Sonnenbaden, Scharren und Aufbaumen sind gänzlich unmöglich, jeder Ansatz von Fortbewegung, Nahrungssuche und -bearbeitung, Nestverhalten und ungestörte Eiablage und jegliche Sozialdistanz werden extrem behindert. Die Möglichkeiten sich zu bewegen reduzieren sich auf erzwungene Schiebe- und Rangierbewegungen, die mit Stürzen und Übereinanderklettern verbunden sind. Den angeborenen Drang zu den eingangs geschilderten natürlichen Verhaltensweisen versuchen die Tiere am Ersatzobjekt, im Leerlauf, als bloße Intentionsbewegung und in Form von Stereotypien abzureagieren. Es kommt zu typischen Körperschäden und Erkrankungen, wie Gefieder- und Hautschäden, Ballenabszessen, Knochenerweichung und verformung mit häufigen Brüchen beim Abtransport zum Schlachthof, zu Leberverfettung. 49 Dass die Käfighaltung mit ihren tierunwürdigen Verhältnissen immer noch die mit Abstand häufigste Haltungsart unserer Haushühner ist, ist ein Skandal! Auch die Bodenhaltung verbessert die Situation der Hühner nur graduell, nicht aber grundlegend. Hierbei haben die Hühner zwar mehr Platz, können aber trotzdem die meisten ihrer Verhaltensbedürfnisse nicht befriedigen. Einer artgerechten Haltung, bei denen die Hühner genügend Auslauf und Bewegung haben, kommen also die Freilandhaltung und die ökologische Haltung am nächsten. Der gravierende und überzeugende Vorteil der biologischen Hühnerhaltung gegenüber der Freilandhaltung besteht aber noch in der Verwendung von ökologisch unbedenklichem Futter, womit diese eben einen wesentlichen Beitrag zum Naturschutz insgesamt und zur Gesundheit des Menschen leistet. Bleibt als Schlussfolgerung festzuhalten: „0, 1, 2 oder 3 – unter ethischen Gesichtspunkten ist 0 das beste Ei!“ 4.6. Konsequenzen für Politik und Landwirtschaft Der in der Politik bereits eingeleitete Trend zu strikteren Vorschriften in der Hühnerhaltung ist zu begrüßen und hat bereits zu kleinen Verbesserungen geführt, wie die Rückläufigkeit des Anteils an Käfigeiern zeigt. „Im Jahre 2009 werden in Deutschland nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes mehr als die Hälfte aller Legehennen in Boden- und Freilandhaltungssystemen gehalten werden…Mit der Änderung der Tierschutz- und Nutztierhaltungsverordnung im Jahre 2006 mussten die Betriebe, die Eier in Legebatterien erzeugten, Ende vergangenen Jahres eine verpflichtende Anzeige zur Umstellung abgeben. Dafür verbleibt den Betrieben eine Umstellungsphase von zwei Jahren.“ 50 Der Absatz an Bio-Eiern ist in Deutschland allein im Januar und Februar 2007 immerhin um 9,3 % gestiegen. Bedenkt man aber die Vorteile für Huhn, Mensch und gesamte Natur, die die ökologische Hühnerhaltung gegenüber den anderen Haltungsarten hat, müsste die Neuorientierung noch viel konsequenter und umfassender sein. Insgesamt aber müsste auf jeden Fall die Käfighaltung und streng genommen auch die für die Hühner nur unwesentlich bessere Bodenhaltung ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen sofort verboten werden! 48 49 50 vgl. www.bioland.de www.tierrechte.de/p200020003000x1007.html www.vetion.de/focus/pages/FNews2.cfm?focus_id=47&aktuell_show=11071&farbe=a 23 5. Beispiel einer ethisch verantwortbaren Hühnerhaltung: Der Jagsthof in Westhausen Wo gibt es „vitale, zufriedene, schöne Hühner, die gesunde und besonders wohlschmeckende Eier legen“? 51 Herzlich Willkommen auf dem Biolandhof „Jagsthof“ in Westhausen bei Aalen! 52 So fühlte ich mich auch bei meinem Besuch auf dem Jagsthof im April 2007, wo mir Martina Mast, die zusammen mit Martin Häring den ökologischen Hühnerhof führt, in einem Rundgang ihren Betrieb zeigte und alle Fragen beantwortete. Dabei bekam ich persönlichen Kontakt nicht nur zu den Betreibern, sondern auch zu den Hühnern! Der Hof besteht aus 45 ha Gesamtfläche, davon 10 ha Wiese und 35 ha Ackerland. Nach dem Motto: „Gesunde Hühner – Gesunde Eier“ wird auf dem Jagsthof alles getan, damit die Hühner sich wohlfühlen und die Qualität der Eier höchsten ökologischen Ansprüchen entspricht. 5.1.Die Wohnverhältnisse der Hühner Das „Haus“ der Hühner ist in drei Bereiche unterteilt, die sich auch durch besondere Lichtverhältnisse unterscheiden. Der Stall bietet artgerechte erhöhte Sitzstangen und genügend Hobelspäne und Stroh zum Scharren und Picken. Tageslicht wird durch ein Lichtband in der Decke hereingelassen, trotzdem ist es eher dämmrig, damit die Hühner sich erholen können. Außerdem befinden sich dort die Nester, in die die Hühner ihre Eier legen, die durch ein Band sofort in den Eiersortierraum gelangen, sodass sie sauber bleiben. Der Stall dient als Schlaf und Arbeitszimmer Der zweite Bereich ist der „Wintergarten“. Dieser überdachte Auslauf ermöglicht es den Hühnern bei jedem Wetter draußen zu sein und ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachzukommen. Das Dach des Außenbereichs ist bewachsen und dient so einerseits vielen Tieren und Pflanzen als Lebensraum und schützt andererseits die Hühner vor Hitze. Hier ist es schattig, aber hell. Im überdachten Außenbereich befindet sich außerdem ein Sandbad, in dem sich die Hühner wälzen 51 51 Martin Häring und Martina Mast in: www.jagsthof.de/start.html vgl. zum Folgenden: www.jagsthof.de 24 können, Urgesteinsmehl zur Gefiederpflege und Schnurbündel als Zupfspielzeug. Urgesteinsmehl Der Wintergarten ist der Freizeitraum Der dritte Bereich ist der begrünte Auslauf, in dem die Hühner sich bei gutem Wetter aufhalten können und die Sonne genießen können. Dieselbe Fläche wird immer nur zwei Jahre benutzt und dann wieder umgepflügt und als Ackerfläche bewirtschaftet, um den Boden nicht zu stark mit den nitrat- und phosphathaltigen Ausscheidungen der Hühner zu belasten. Da die Hühner sich aus Angst vor Raubvögeln nur ungern vom Stall entfernen, ist der Auslauf mit Schutzdächern, Lauftunnels und Schattennetzen ausgestattet, so dass die Hühner sich besser auf der Wiese verteilen. Der Auslauf ist wie ein Garten für die Hennen. 25 5.2. Das Menu der Hühner Was das Futter anbelangt, gelten bei Bioland noch strengere Vorschriften als auf europäischer Ebene für biologische Haltung festgelegt ist. Normalerweise darf, wie schon erwähnt, der Biobauer dem ökologischen Futter noch 15 % konventionelles Futter beimischen, bei Bioland liegt die Grenze bei 10%. Der Jagsthof unterbietet dies aber noch und mischt keinerlei konventionelles Futter bei. Die Bioeier vom Jagsthof sind schadstofffrei, da das Futter größtenteils von den eigenen Äckern kommt, auf denen keine chemisch-synthetischen Düngemittel eingesetzt werden, natürlich wird auch keine Gentechnik verwendet. Dieses Hauptfutter besteht aus ökologisch angebautem Getreide, Mais, Triticalen (Kreuzung zwischen Weizen und Roggen), Weizen, Hafer und Nackthafer. Außerdem werden Erbsen, Ackerbohnen und Wicken beigemischt. Der Jagsthof erstellt also seine hofeigene Futtermischung. Futtermischung Zusätzlich bekommen die Hühner Grascobs (getrocknetes und gepresstes Grünfutter), Bio-Sojabohnen aus Italien und einen biologischen Futterergänzer aus Futterkalk, einer Mineralstoffmischung, Maiskleber und Kartoffeleiweiß, die als wichtige Eiweißlieferant dienen, da Hühner eigentlich keine Vegetarier sind, Tier- oder Fischmehl aber als Futterzusatz verboten sind. Außerdem bekommen die Hühner noch mehrmals täglich Körner und Möhren, die beim Picken auch eine Beschäftigung darstellen. Austernschalen sorgen zusätzlich noch für die Kalkversorgung und eine stabile Eierschale. Austernschale Durch den Auslauf fressen die Hühner natürlich auch viel Grünzeug, wie Löwenzahn oder Klee. Wichtig sind auch kleine Steinchen, die die Hühner aufnehmen um das Körnerfutter im Magen zu zerkleinern. Martina Mast erklärte, dass der Bio-Boom wirtschaftlich für den Jagsthof gar nicht so vorteilhaft sei, da nun auch Großbetriebe teilweise auf biologische Eierproduktion umstellen, um für die großen Discounter zu produzieren. Das führt dann, zum Nachteil für die Biobauern, zu einem Anstieg der Preise auf dem Markt für biologische Futtermittel. Der Preis für 100 kg Futterweizen stieg zum Beispiel von 20 auf 28 Euro an. Außerdem werden die ökologischen Bestimmungen oftmals nur grenzwertig umgesetzt und die Quantität steht wieder im Vordergrund. 26 5.3. Die Eierproduktion Auf dem Jagsthof leben zwei Gruppen von Hühnern. Da die Legehennen nur ca. ein Jahr rentabel Eier legen, müssen sie nach dieser Zeit geschlachtet oder zur privaten Hühnerhaltung als Seniorenhennen abgegeben werden. Das Anliegen der Bauern ist es, möglichst viele Hühner in ein schönes Rentendasein zu vermitteln, zum Beispiel in den Gärten von alten Menschen, Alleinstehenden oder auch Familien mit Kindern. Zweimal jährlich, im Sommer und im Winter, erfolgt dann ein Austausch der Hennen, bei dem auch der gesamte Stall gereinigt wird. Die halbjährigen Hennen nehmen den Platz der Althennen ein und werden durch Junge ersetzt. Jede Gruppe umfasst 3000 Hühner. Täglich werden von den 6000 Hühnern ca. 5000 Eier gelegt, jedes Legehuhn legt im Jahr ungefähr 260 – 320 Eier. 5.4. Die Vermarktung Die Vermarktung der Eier erfolgt durch die Bauern selber, die in aufwendigen Touren ihre Eier einmal wöchentlich zu den Händlern fahren, vorrangig in den Umkreis Stuttgart. Wer in den Genuss eines guten Jagsthofeis kommen will, kann diese auf Wochenmärkten, zum Beispiel in Waiblingen, oder in ökologischen Hofläden kaufen. Die bequemste Art, die Eier zu beziehen, besteht in den wöchentlichen Freihausbelieferungen durch biologische Abo-Lieferservices, wie z. B. der Naturkostlieferservice „ Ökofrisch“ von Marcus Arzt in Ditzingen. Die Jagsthofhühner sind ganz besonders zutraulich und ließen sich problemlos von mir auf den Arm nehmen. Die Bäuerin bestätigte meine Beobachtung und erklärte, dass gerade auch Hühner, die ja eher als scheue Wesen gelten, stark auf menschliche Zuwendung und Fürsorge reagieren. „Gutes Futter aus überwiegend eigenem biologischem Anbau, täglich frisches Wasser und Zugang zu Sonne und frischer Luft, sowie genug Platz zum Bewegen und sorgfältige Betreuung sind sicher die wichtigsten Voraussetzungen, um ein Hühnervolk gesund und voll befiedert zu erhalten.“ 53 53 www.jagsthof.de/Gesunde_Eier.html 27 6. Erhebung zum Verbraucherverhalten 6.1. Die Verbraucher-Umfrage: Wer kauft welches Ei? Im Mai 2007 führte ich in kleinem Rahmen eine eigene Erhebung zum Eierkonsum durch. Mittels eines Fragebogens versuchte ich das Kaufverhalten eines Teils meiner unmittelbaren Mitbürger in Leinfelden-Echterdingen / Ortsteil Musberg zu erkunden. Mit meinen Fragebögen stellte ich mich in der Ortsmitte genau an die Stelle, wo der freitags stattfindende wöchentliche Markt vor dem Supermarkt endet. So erreichte ich Kunden vom Supermarkt und vom Wochenmarkt. Insgesamt wurden 65 Fragebögen ausgefüllt. Im Anhang, unter B 1., sind ein Original, einige exemplarische Bögen und eine Übersicht über die Gesamtauswertung beigefügt. Die folgende Auswertung fasst die Ergebnisse im Überblick zusammen. Alter • bis 30 Jahre • bis 50 Jahre • älter als 50 Jahre Geschlecht • weiblich • männlich □ □ □ □ □ Anzahl der Personen im Haushalt 1 □ 2 □ 2–5 □ mehr als 5 □ • • • • Von den befragten Personen sind 23% unter 30 Jahre, 40% unter 50 Jahre und 37% älter, davon sind 44% männlich und 56% weiblich. 79% leben mit 2 oder mehr Personen im Haushalt. 1. Wie viele Eier verbrauchen Sie im Durchschnitt pro Woche pro Person? • • • • 0 1 2 mehr als 2 □ □ □ □ Von den 65 Befragten verbrauchen 30 ein Ei, 18 zwei Eier, 16 mehr als zwei Eier pro Woche. Nur eine Person gab an, gar kein Ei zu essen. 2. Wo kaufen Sie Ihre Eier? • Discounter □ • Supermarkt □ • Wochenmarkt □ • Bauernhof □ Ihren Eiereinkauf, bei dem Mehrfachnennungen möglich waren, tätigen 19% beim Discounter, 36% beim Supermarkt, 28% auf dem Wochenmarkt und 27% direkt beim Bauernhof 28 3. Worauf achten Sie beim Kauf von Eiern? JA • auf gar nichts □ • auf den Preis □ • auf die Eierfarbe □ • auf die Größe der Eier □ • auf die Verpackung □ • auf den Herkunftsort □ • auf die Hühnerhaltung □ NEIN □ □ □ □ □ □ □ Die Mehrzahl, 60%, achtet beim Eierkauf auf die Art der Hühnerhaltung, dicht gefolgt von 53%, die auf die Größe der Eier achten. 28% achten auf den Herkunftsort der Eier und 26% auf den Preis. Die anderen Kriterien spielen keine große Rolle beim Kauf. 4. Sind Sie darüber informiert, was der Stempelaufdruck auf der Eierschale über die Herkunft der Eier und die Art der Hühnerhaltung aussagt? JA □ Nein □ Das Wissen über den Stempelaufdruck überwiegt nur leicht mit 36 Stimmen für JA. 5. Sie kaufen vorrangig Eier aus • • • • Käfighaltung Bodenhaltung Freilandhaltung Ökologischer Haltung JA □ □ □ □ NEIN □ □ □ □ Die meisten Verbraucher bevorzugen Eier aus Freilandhaltung (36%), gefolgt von ökologischer und Bodenhaltung, die ähnlich abschnitten (ca.30%). Aus Käfighaltung kaufen in Musberg nur 20%. 6. Sollte die Käfighaltung von Hühnern Ihrer Ansicht nach verboten werden? JA □ Nein □ Nur 19% sind gegen eine Abschaffung der Käfighaltung. 29 Die Umfrage zeigt zum einen, dass der Verbrauch von Eiern nicht sehr groß ist. Ein Großteil der Befragten scheint auch sehr darauf zu achten, wo sie ihre Eier kaufen und wählen den Wochenmarkt oder den Bauernhof, da sie dort auch nachvollziehen können, wo ihre Eier herkommen. Erfreulich zu beobachten ist, dass es den Menschen keineswegs egal ist, wie die Hühner gehalten werden, deren Eier sie essen, und wo diese Eier herkommen. Dennoch ist der Preis für viele Verbraucher auch sehr wichtig. Interessant ist auch, dass die Mehrzahl der Verbraucher aus Musberg über den Stempelaufdruck auf dem Ei aufgeklärt ist, also scheint diese Innovation angekommen zu sein. Die meisten der Befragten kaufen Eier aus Freilandhaltung, was sehr zu begrüßen ist. Sehr viele kaufen auch Eier aus ökologischer Haltung. Diese hohen Werte könnten auch mit dem doch eher ländlichen Umfeld Musbergs zusammenhängen, da die Leute hier wohl mehr Kontakt zur Landwirtschaft haben. Bodenhaltung und Käfighaltung sind zwar immer noch beliebt, scheinen aber an Bedeutung zu verlieren. Erfreulich ist das Ergebnis der letzten Frage. Demnach sind 81% für die Abschaffung der Käfighaltung. 30 6.2. Eier-Testessen: Welches Ei schmeckt wie? Während der gesamten Beschäftigung mit dem Thema Eier tauchte immer wieder die Frage auf: Schmeckt ein Ei von glücklichen Bio-Hennen wirklich anders als ein Ei von einem Käfighuhn? Um wenigstens ansatzweise zu einer Antwort zu gelangen, führte ich in kleinem Rahmen ein EierTestessen durch, bei dem vier Testpersonen Spiegeleier aus allen vier verschiedenen Haltungsformen probierten und anhand eines Testbogens bewerteten. Ein Beispiel für einen Testbogen und die vier ausgefüllten Bögen der Tester befinden sich im Anhang unter B 2. Die Haltungsart war durch einen Buchstaben verschlüsselt, so dass kein Tester wusste, aus welcher Haltung welches Ei stammte: A = Freilandhaltung, B = ökologische Haltung, C = Käfighaltung, D = Bodenhaltung. Die Tester bewerteten die Eier nach den Kriterien Geruch, Dotterfarbe, Frische und Geschmack. Auffallend am Ergebnis war, dass bei der Dotterfarbe das Bio-Ei schlecht abschnitt, was sicher damit zusammenhängt, dass kräftige Dotterfarben (teilweise durch Zusätze erreicht) ansprechender sind. Bei der Bewertung des Geschmacks war aber tatsächlich bei drei von vier Testern das Käfigei mit Abstand das schlechteste. Natürlich kann das Ergebnis in keinster Weise repräsentativ sein, da es ja erstens vom individuellen Geschmack der Tester abhängig ist und zweitens die kleine Zahl der Testpersonen nicht besonders aussagekräftig ist. Trotzdem hatten alle Beteiligten viel Spaß bei diesem Experiment. 31 Schlussüberlegungen Die Fragestellung für diese Arbeit war: ¾ „0, 1, 2 oder 3 – welches ist das beste Ei?“ Dazu wurde versucht, nach einer Beschreibung unseres Verhaltens im Umgang mit Nahrungsmitteln, ethische Kriterien zu entwickeln, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur aussehen müsste. Ebenso sollte gezeigt werden, welche entscheidenden Anregungen das Christentum, zum Beispiel durch die Forderung der „Mitkreatürlichkeit“, in die Diskussion einbringen kann. Die Übertragung dieser allgemeinen Überlegungen auf das konkrete Beispiel der Hühnerhaltung ergab, dass bei einem Vergleich der unterschiedlichen Haltungsarten unter den beschriebenen Wertmaßstäben eindeutig die ökologische Hühnerhaltung zu favorisieren ist. Das Ergebnis dieser Arbeit ist, dass das aus biologischer Haltung stammende Ei auf jeden Fall seinen höheren Preis wert ist. Denn wonach bemisst sich der Wert eines Eis? Eben nicht nur nach den Produktionskosten, die sich für den Verbraucher im Preis widerspiegeln. In der Arbeit sollte vielmehr belegt werden, dass der ethisch vertretbare Wert eines Eis andere Kriterien als nur den wirtschaftlichen Faktor berücksichtigen muss. Solche Kriterien sind zum einen die Qualität in Bezug auf den Geschmack und die Gesundheitsverträglichkeit für den Menschen. Zum anderen aber muss besonders auch an die Hühner gedacht werden, also an die Würde, an die Lebensansprüche und damit an die konkreten Lebensbedingungen jedes Huhns. Als Folge aller Überlegungen bleibt zum Schluss noch der dringende Appell an jeden einzelnen Verbraucher: ¾ als Mindestforderung: „Kein Ei aus Quälerei - kein Ei mit 3!“ ¾ als optimale Maxime: „0, 1, 2 oder 3 – natürlich ist 0 das beste Ei!“ Je mehr wir Menschen es schaffen, unser Essverhalten kritisch zu reflektieren und bewusst zu steuern, desto mehr zeigt sich, dass der Mensch eben nicht nur „ist, was er isst“! 32 Quellenverzeichnis Altner, Günter, Schöpfung am Abgrund. Die Theologie vor der Umweltfrage, Neukirchen-Vluyn, 2/1977. Apel, Wolfgang, Kein Ei aus Quälerei. Kolumne des Deutschen Tierschutzbundes, in: FressnapfJournal, April 2007. Buchners Themen Politik, Bd 3: Wirtschaft und Politik im Zeitalter der Globalisierung Bamberg 2006. Die Bibel, Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Stuttgart, 1980. Die deutschen Bischöfe – Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen 19. Handeln für die Zukunft der Schöpfung, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn, 22. Oktober 1998. Die Zukunft der Wirtschaft – Landwirtschaft und Ernährung. Arbeitshilfe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 2002. Diederich, Ellen, in: www.uni-kassel.de. „Franziskus von Assisi“, in: Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten, Stuttgart, 1970, S. 201-204. Funke, Cornelia, Die wilden Hühner, Fuchsalarm, Hamburg 1998. Kreuser, Heinrich, Leitfaden der Hühnerhaltung, Reutlingen, 2006. Lemke, Harald, Feuerbachs Stammtischthese oder zum Ursprung des Satzes: „Der Mensch ist, was er isst“, in: Aufklärung und Kritik. Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie, 1/2004. Lücke, Robert, Kein Ei gleicht dem anderen, aus: Stuttgarter Zeitung vom 19. März 2007. Tambour, Barbara, Gesund essen, aber wie?, in: Publik-Forum. Zeitung kritischer Christen, 23. Februar 2007. Verdibericht, in: www.sueddeutsche.de. Ziegler, Jean, Wie kommt der Hunger in die Welt?, München, 2001. Internet: www.albert-schweitzer-zentrum.de www.bioland.de www.bmelv.de www.fitnesswelt.com www.jagsthof.de www.medizin.de www.oekotest.de www.tierrechte.de www.vetion.de Film: Erwin Wagenhofer: We Feed The World – Essen global, Österreich 2005 33 ANHANG A Bildmaterial zum Jagsthof B 1. Die Verbraucher – Umfrage Wer kauft welches Ei? Geschlecht Alter • bis 30 Jahre • bis 50 Jahre • älter als 50 Jahre □ □ □ Anzahl der Personen im Haushalt □ □ • weiblich • männlich 1. Wie viele Eier verbrauchen Sie im Durchschnitt pro Woche pro Person? • 0 • 1 • 2 • mehr als 2 • 1 • 2 • 2–5 • mehr als 5 □ □ □ □ 2. Wo kaufen Sie Ihre Eier? □ □ □ □ • Discounter • Supermarkt • Wochenmarkt • Bauernhof □ □ □ □ 3. Worauf achten Sie beim Kauf von Eiern? • auf gar nichts • auf den Preis • auf die Eierfarbe • auf die Größe der Eier • auf die Verpackung • auf den Herkunftsort • auf die Hühnerhaltung JA NEIN □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ □ 4. Sind Sie darüber informiert, was der Stempelaufdruck auf der Eierschale über die Herkunft der Eier und die Art der Hühnerhaltung aussagt? JA □ Nein □ 5. Sie kaufen vorrangig Eier aus • Käfighaltung • Bodenhaltung • Freilandhaltung • Ökologischer Haltung JA NEIN □ □ □ □ □ □ □ □ 6. Sollte die Käfighaltung von Hühnern Ihrer Ansicht nach verboten werden? JA □ Nein □ Grundauswertung der Befragung: 1) Alter bis 30 Jahre bis 50 Jahre älter als 50 Jahre ____________ Nennungen (Mehrfachwahl möglich!) geantwortet haben ohne Antwort 15 (23,08%) 26 (40,00%) 24 (36,92%) ______________ 65 65 0 männlich weiblich ____________ Nennungen (Mehrfachwahl möglich!) geantwortet haben ohne Antwort 29 (44,62%) 36 (55,38%) ______________ 65 65 0 2) Geschlecht 3) Anzahl der Personen im Haushalt 1 2 2-5 mehr als 5 ____________ Nennungen (Mehrfachwahl möglich!) geantwortet haben ohne Antwort 13 (20,00%) 20 (30,77%) 30 (46,15%) 2 (3,08%) ______________ 65 65 0 4) Wie viele Eier verbrauchen Sie im Durchschnitt pro Woche pro Person? 0 1 2 mehr als 2 ____________ Nennungen (Mehrfachwahl möglich!) geantwortet haben ohne Antwort 1 (1,54%) 30 (46,15%) 18 (27,69%) 16 (24,62%) ______________ 65 65 0 5) Wo kaufen Sie Ihre Eier? Discounter Supermarkt Wochenmarkt Bauernhof ____________ Nennungen (Mehrfachwahl möglich!) geantwortet haben ohne Antwort 12 (18,75%) 23 (35,94%) 18 (28,13%) 17 (26,56%) ______________ 70 64 1 6) Worauf achten Sie beim Kauf von Eiern? auf gar nichts auf den Preis auf die Eierfarbe auf die Größe der Eier auf die Verpackung auf den Herkunftsort auf die Hühnerhaltung ____________ Nennungen (Mehrfachwahl möglich!) geantwortet haben ohne Antwort 7 (10,94%) 26 (40,63%) 11 (17,19%) 34 (53,13%) 6 (9,38%) 28 (43,75%) 39 (60,94%) ______________ 151 64 1 7) Sind Sie darüber informiert, was der Stempelaufdruck auf der Eierschale über die Herkunft der Eier und die Art der Hühnerhaltung aussagt? ja nein ____________ Nennungen (Mehrfachwahl möglich!) geantwortet haben ohne Antwort 36 (56,25%) 28 (43,75%) ______________ 64 64 1 8) Sie kaufen vorrangig Eier aus Käfighaltung Bodenhaltung Freilandhaltung Ökologischer Haltung ____________ Nennungen (Mehrfachwahl möglich!) geantwortet haben ohne Antwort 13 (20,31%) 19 (29,69%) 23 (35,94%) 20 (31,25%) ______________ 75 64 1 9) Sollte die Käfighaltung von Hühnern Ihrer Ansicht nach verboten werden? ja nein ____________ Nennungen (Mehrfachwahl möglich!) geantwortet haben ohne Antwort 52 (81,25%) 12 (18,75%) ______________ 64 64 1 B 2. Spiegeleier – Testessen Welches Ei schmeckt wie? 1. Geruch • Ei A • Ei B • Ei C • Ei D abstoßend verführerisch abstoßend verführerisch abstoßend verführerisch abstoßend verführerisch unappetitlich ansprechend unappetitlich ansprechend unappetitlich ansprechend unappetitlich ansprechend 2. Dotterfarbe • Ei A • Ei B • Ei C • Ei D 3. Frische • Ei A vermutlich jenseits des Verfalldatums legefrisch vermutlich jenseits des Verfalldatums legefrisch vermutlich jenseits des Verfalldatums legefrisch vermutlich jenseits des Verfalldatums legefrisch • Ei B • Ei C • Ei D 4. Geschmack • Ei A ungenießbar 5 Sterne verdächtig ungenießbar 5 Sterne verdächtig ungenießbar 5 Sterne verdächtig ungenießbar 5 Sterne verdächtig • Ei B • Ei C • Ei D 5. Gesamturteil • Ei A • Ei B • Ei C • Ei D Note 1 2 3 4 5 6 Note 1 2 3 4 5 6 Note 1 2 3 4 5 6 Note 1 2 3 4 5 6 C Darstellung des methodischen Vorgehens Warum hat mich das Thema angesprochen? Beim Lesen der angebotenen Themen in der Wettbewerbsausschreibung hatte ich sofort Lust, mich mit dem Thema „Lebensmittelethik“ zu befassen. Besonders interessant fand ich die Verbindung des biologischen Aspekts mit dem gesellschaftswissenschaftlichen, was auch zur Kombination meiner Wahlfächer, Profilfach Biologie und Neigungsfach Politik passt. Meine beiden Interessenschwerpunkte, für die ich mich auch gerne engagiere, fand ich so direkt in dem vorgeschlagenen Thema wieder. Für mich war klar, dass die Schwerpunktsetzung innerhalb des Themas etwas mit Tierschutz zu tun haben sollte. Der Umgang mit Tieren hat für mich schon immer eine große Bedeutung. Seit einigen Jahren lebe ich vegetarisch. Deshalb plante ich zuerst die Arbeit über das Thema Fleischproduktion zu schreiben. Bei einem Verwandtenbesuch auf der Ostalb entdeckte ich plötzlich ein Hinweisschild zum „Jagsthof“ und erinnerte mich, dass unsere Eier, die wir seit vielen Jahren über einen BioAbolieferservice beziehen, genau von diesem Jagsthof kommen. So entstand die Idee, für die Arbeit den Schwerpunkt der Eierproduktion zu wählen. Dies kam mir auch deshalb entgegen, weil ich im Frühjahr 2004 bei einer Aktion der Grünen mitgeholfen habe, bei der wir auf einem Marktstand Passanten über die neuen Eierkennzeichnungen informierten. Abschreckende Filme und Berichte über Legehennenfabriken bestärkten mich in meinem Vorhaben, über diese schlimmen Zustände zu berichten. Wie ging ich bei der Erstellung der Arbeit vor? Nach der Festlegung des Themas begann die Phase des Zusammentragens von Informationsmaterial. Zeitungsartikel, Fernsehsendungen und Filme etc. verfolgte ich nun aufmerksamer im Hinblick auf mein Thema. In den Weihnachtsferien begann ich mit der umfangreicheren Suche nach Literatur und recherchierte auch im Internet. Beratungsgespräche mit meiner betreuenden Lehrerin, Frau Hoffmann, gaben mir zusätzliche Hinweise, zum Beispiel den Filmtipp „We feed the world“ und das im Unterricht angesprochen Buch von Jean Ziegler „Wie kommt der Hunger in die Welt?“. Danach entwarf ich einen ersten Gliederungsplan, der sich später bei der Ausarbeitung als passabel erwies. Im weiteren Verlauf vereinbarte ich telefonisch einen Besuchstermin auf dem Jagsthof in Westhausen, der in den Osterferien stattfand. Dafür musste ich zwei Mal Anlauf nehmen, da wir bei der ersten Fahrt eine Autopanne hatten. Nachdem ich am Telefon zunächst den Eindruck hatte, dass die Bäuerin aufgrund der vielen Arbeit nicht besonders über einen Besuch erfreut war, waren der Empfang und die anschließende Führung umso herzlicher. Martina Mast nahm sich sehr viel Zeit, beantwortete alle meine Fragen und zeigte mir alle Bereiche des Hofs. Ich durfte die Ställe betreten und mich mitten in der Hühnerschar bewegen und war erstaunt, dass sich die äußerst zutraulichen Hennen von mir einfach auf den Arm nehmen und streicheln ließen. Die Führung dokumentierte ich mit Fotos. Alle meine Erwartungen an einen biologisch geführten Hühnerhof wurden übertroffen. Ebenfalls in den Osterferien entwarf ich den Testbogen für das Eiertestessen und den Fragebogen für die Verbraucher-Umfrage in Musberg. Dies stellte sich schwieriger als erwartet heraus, da ich keinerlei Erfahrung mit derartigen Statistiken hatte und mir auch nicht sicher war, welche Kriterien in die Fragen aufgenommen werden sollten. Die Durchführung des Testessens wurde zu einem großen Spaß für die Gäste und für mich. Für den ersten Teil der schriftlichen Ausführung der Arbeit benutzte ich das lange Wochenende um Himmelfahrt mit dem freien Brückentag. Am schwierigsten war die Entscheidung, in welchem Maße die Gesamtzusammenhänge um das Thema herum ausgeführt werden sollten. Die vorgenommenen Einschränkungen habe ich deshalb in der Einleitung begründet. Probleme machte mir auch die sinnvolle Einbindung des Feuerbach-Zitats. Bei der Beschäftigung mit Feuerbach wurde mir erst die Komplexität der Aussage bewusst und es brauchte lange, bis ich mir über meine Position, so wie sie am Schluss des Kapitels 1 formuliert ist, klar wurde. Im Laufe der Arbeit nun stellte sich heraus, dass der biologische Anteil am Thema geringer als erwartet war. Je mehr ich mich in die Problematik vertiefte, umso wichtiger wurde für mich die ethische Fragestellung und die Überlegung, woher bekomme ich Kriterien für eine fundierte Begründung meiner Position. Die Impulse, die der christliche Glaube dafür geben kann, überzeugten mich immer mehr und waren für mich bei der Begründung eine große Hilfe. Auch die Diskussionen mit meiner Familie zum Problem der Begründung ethischer Positionen brachten mich weiter. Als ich in einem weiteren Beratungsgespräch mit Frau Hoffmann mein bisheriges Konzept vorstellte, wies diese mich auf Franz von Assisi hin, den ich nachträglich noch einarbeitete. An einem Freitag in den Pfingstferien führte ich in Musberg meine Befragung vor dem Supermarkt durch, bei der sich die Leute bis auf wenige Ausnahmen sehr aufgeschlossen und interessiert zeigten. Ebenfalls in den Pfingstferien erfolgte der zweite und letzte Teil der schriftlichen Ausarbeitung. Besonders das Kapitel über den Jagsthof machte mir richtig Spaß. Beim Layout bekam ich Hilfestellung durch meinen Vater, meine Mutter las die Arbeit auf Rechtschreib- und Stilfehler durch. In der letzten Woche der Sommerferien bereitete ich mich auf das Kolloquium vor, da ich diese Arbeit als „Besondere Lernleistung“ in das Abitur einbringen möchte. Was mir die Arbeit persönlich gebracht hat: Insgesamt fand ich es bereichernd, aber auch anstrengend mich über einen langen Zeitraum so gründlich und intensiv mit einem Thema zu beschäftigen. Da mir dieses Thema sehr am Herzen liegt, hat sich inhaltlich die Auseinandersetzung sehr gelohnt. Durch die Arbeit hat sich für mich der Blick geschärft für den Umgang mit unseren Nahrungsmitteln und so werde ich in Zukunft versuchen, jeden vom Kauf eines Käfigeis abzuhalten. Ich erkläre, dass ich diese Arbeit selbstständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln angefertigt habe und dass alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken entnommen sind, durch Angabe der Quellen als Entlehnungen kenntlich gemacht worden sind.