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Prävention
Gefahr durch hohe Schneelasten auf Dächern
Die Last mit der (Schnee-) Last
Ungewöhnlich früh hat der Winter 2010/2011 mit seiner weißen Pracht Einzug gehalten. Die
anhaltenden Schneefälle der letzten Tage haben gezeigt, dass nach den milden Wintern
vergangener Jahre noch immer mit Schnee und Eis zu rechnen ist. Vielerorts lasten dann
tonnenschwer die drückenden Schneemassen auf den Gebäuden. Wegen drohender Einsturzgefahr von Dächern mussten schon vorsorglich Einrichtungen geschlossen oder evakuiert werden. Um bleibende Schäden zu vermeiden, sollten vorsorglich die Schneelasten
beseitigt werden. Überlegtes Handeln ist unabdingbar, um bei Räumarbeiten die mitunter
lebensgefährlichen Absturzunfälle zu vermeiden.
Wann sind Schneelasten zu räumen?
In Deutschland sind die Anforderungen an die Schneebelastbarkeit von Dächern in der DIN 1055-5
geregelt. Extreme Schneelastsituationen, die nur sehr selten vorkommen, sind durch die Norm
jedoch nicht abgedeckt. Es zeigte sich immer wieder, dass den Schneelasten auf Dächern oft nicht
genug Augenmerk geschenkt wird und im Gegensatz zur Information über die Lawinenlage findet
eine qualifizierte Information durch die Bauaufsichtsbehörden und Wetterdienste über die aktuellen
Schneelasten, selbst bei größeren Überschreitungen der lokalen Normlasten, oft nicht im ausreichenden Maße statt.
Der Handlungsbedarf bemisst sich aber nicht aus der augenscheinlichen Schneehöhe sondern
durch das Schneegewicht. Dieses kann durch das Vorhandensein als Pulverschnee oder Nassschnee ausschlaggebend sein. Während beispielsweise 10 cm frisch gefallener Pulverschnee ca.
10kg/ m2 wiegen, so bringt 10 cm Nassschnee schon 40 kg/ m2 auf die Waage. Noch höher ist das
Gewicht von 10 cm hoher Eisschicht (90kg/ m2).
Die zulässigen Schneelasten
Die Schneelast kann mit der DIN 1055-5 für jeden Standort eines Gebäudes in Abhängigkeit von
der Schneelastzone und der Geländehöhe ermittelt werden. Dabei werden auch die Dachneigung
und die Dachform berücksichtigt. Diese Schneelast wird zugleich auch als die zulässige Schneelast für ein Gebäude bezeichnet, die nicht überschritten werden soll. Eine zulässige Schneelast
von z. B. 1 kN/m2 bedeutet, dass 100 kg Schnee, bezogen auf einen m2 Grundrissfläche des Daches (Projektion auf die Waagrechte), zulässig sind. Eine gewisse Überschreitung der zulässigen
Schneelast wird – ebenso wie die Alterung sowie geringfügige Abweichungen bei der Planung und
Herstellung des Gebäudes – durch entsprechende Sicherheiten beim Standsicherheitsnachweis
berücksichtigt.
Die für das Dachtragwerk zulässige Schneelast kann dem Standsicherheitsnachweis (Statik) für
das Gebäude entnommen werden. Hilfsweise können Auskünfte über die zulässige Schneelast bei
der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde (in der Regel das Landratsamt, die kreisfreie Stadt
oder die Große Kreisstadt) oder einem örtlichen Ingenieur- oder Architekturbüro eingeholt werden.
Bestehen Zweifel, ob das Dach für eine bestimmte Schneelast ausreichend dimensioniert ist, oder
sind für das Gebäude keine statischen Unterlagen mehr vorhanden, sollte man sich an ein örtliches Ingenieur- oder Architekturbüro wenden.
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Prävention
Ermittlung des tatsächlichen Schneegewichts
Zur Ermittlung der Schneelast auf dem Dach ist das tatsächliche Schneegewicht zu bestimmen.
Eine mögliche Messmethode ist im Folgenden erläutert. Die Messstelle sollte so gewählt werden,
dass die Messung für die Ermittlung des Schneegewichts auf dem Dach möglichst repräsentativ
ist. Mit einer Ausstechvorrichtung, z. B. einem Kunststoff- oder einem Ofenrohr, wird auf dem Dach
senkrecht zur Dachfläche ein Bohrkern über die gesamte Schneehöhe ggf. einschl. Eisschicht von
Oberkante Schnee bis Oberkante Dach entnommen. Gegebenenfalls muss der Schnee in der
Ausstechvorrichtung beim Ziehen gegen Herausrutschen durch ein eingeschobenes Blech gesichert werden. Dann wird der Schnee (ohne Ausstechvorrichtung) gewogen.
Das Schneegewicht in kg/ m2 errechnet sich wie folgt:
Lässt sich die Eisschicht nicht durchstechen und mit dem Bohrkern ziehen, kann die Höhe der Eisschicht in Zentimeter gemessen und das Eisgewicht abgeschätzt werden. Es muss dann dem
Schneegewicht pro Quadratmeter hinzugerechnet werden. Für eine 1 cm dicke Eisschicht kann
dabei ein Eisgewicht von ca. 9 kg/ m2 angesetzt werden. Bei einem Flachdach kann die ermittelte
Schneelast unmittelbar mit der zulässigen Schneelast im Standsicherheitsnachweis verglichen
werden, da diese zulässige Schneelast auf die Waagrechte bezogen ist. Bei geneigten Dächern
muss die ermittelte Schneelast für den Vergleich mit der zulässigen Schneelast entsprechend dem
Neigungswinkel des Daches umgerechnet werden. Dazu muss die ermittelte Schneelast in Abhängigkeit von der Dachneigung mit einem Korrekturfaktor multipliziert werden, der aus nachstehender
Tabelle entnommen werden kann. Zwischenwerte dürfen näherungsweise linear interpoliert oder
es kann zur Berechnung der nächsthöhere Tabellenwert angesetzt werden.
Dachneigung
Korrekturfaktor
0°
1,00
10°
1,02
20°
1,07
25°
1,11
30°
1,16
35°
1,23
40°
1,31
45°
1,42
50°
1,56
55°
1,75
60°
2,00
Beispiel Flachdach:
Schnee-Entnahme mit Rohr, Innendurchmesser d = 0,1 m;
Öffnungsfläche des Rohres: 0,052 x  = 0,0025 x 3,14 = 0,0079 m2
Tatsächlich vorhandenes Schneegewicht: 4 kg
Daraus errechnet sich ein Schneegewicht pro m2 von ca. 506 kg/m2 bzw. einer Schneelast von
5,06 kN/m2
Beispiel geneigtes Dach mit 30° Dachneigung:
Schnee-Entnahme mit Rohr, Innendurchmesser d = 0,1 m;
Öffnungsfläche des Rohres: 0,052 x  = 0,0025 x 3,14 = 0,0079 m2
Tatsächlich vorhandenes Schneegewicht: 0,6 kg
Daraus errechnet sich ein Schneegewicht pro m2 von ca. 76 kg/m2 bzw. einer Schneelast von
0,76 x 1,16 = 0,88 kN/ m2
Daher: Spätestens wenn die zulässige Schneelast erreicht ist, soll das Dach vom Schnee
geräumt werden.
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Prävention
Schneeräumung – aber sicher!
Ob zu Ermittlung der Schneelasten oder im Falle des Räumens sind grundsätzlich Schutzmaßnahmen zur Vermeidung des Abstürzens anzuwenden. Wer sich auf ein Dach begibt, bewegt sich
in der Regel 3 Meter und mehr über dem umliegenden Gelände. Bei leicht geneigten und bei flachen Dächern besteht an den Dachkanten Absturzgefahr; bei stärker geneigten Dächern auf der
gesamten Dachfläche. Ein Absturz aus dieser Höhe endet meist mit schweren Verletzungen.
Durch die Arbeiten auf dem Dach ist die Konzentration der Ausführenden bereits sehr in Anspruch
genommen, so dass ein Übersehen der Absturzkante nicht unwahrscheinlich ist.
Schutzmaßnahmen

Verhaltensmaßnahmen
Grundsätzlich muss beim Betreten der Dachfläche die Standsicherheit gewährleistet sein.
Eventuell ist die Dacheindeckung für ein Betreten nicht geeignet. Oder Dachöffnungen, wie
z. B. Dachfenster oder Lichtkuppeln mit Plexiglashauben werden unter der Schneedecke nicht
wahrgenommen und brechen dann beim Betreten unter Umständen sofort ein.
Bei der Räumung des Daches ist immer die Statik des Dachtragwerkes zu beachten. Zum Beispiel kann es Stabilitätsprobleme geben, wenn das Dach bei zu hohen Schneelasten zunächst
komplett auf der einen Seite geräumt wird, bevor auf der anderen Seite mit dem Abtragen des
Schnees begonnen wird. In der Regel empfiehlt es sich, das Dach auf beiden Seiten möglichst
gleichmäßig zu entlasten und den Schnee abschnittsweise und dabei jeweils abwechselnd auf
der einen und der anderen Dachseite abzutragen.

Persönliche Schutzausrüstung
Idealerweise ist an den Absturzkanten eine mindestens 1,0 m hohe Umwehrung vorhanden.
Alternativ sollte ein Anseilschutz als persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stehen. Für
den Einsatz von Anseilschutz müssen Anschlageinrichtungen auf dem Dach vorhanden sein.
Dies können Einzelösen oder Anschlagkonstruktionen mit Leitseilen sein.
Mit der Benutzung des Anseilschutzes sollte man sich bereits im Vorfeld vertraut gemacht haben. Es ist daher sicherzustellen, dass die mit der Räumung betrauten Mitarbeiter in der Handhabung der Anseilsysteme unterwiesen und auch über das sicherheitsgerechte Verhalten aufgeklärt wurden.
Sind die Möglichkeiten eines Anseilschutzes nicht gegeben, sollten Arbeiten auf dem Dach
nicht durch eigene Mitarbeiter durchgeführt werden. In diesem Fällen sind entweder Fachfirmen oder Hilfsorganisationen z. B. die Feuerwehr oder das Technische Hilfswerk unterstützend hinzuzuziehen.
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Prävention
Fazit:
Die Räumung der Schneelasten auf den Dächern von Gebäuden verlangt ein verantwortungsbewusstes Handeln. Bei der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung soll die folgende Checkliste
behilflich sein, die Sicherheit beim Betreten des Daches oder Räumen der Schneelast zu berücksichtigen:
 Wie hoch dürfen die Schneelasten auf den betreffenden Dächern sein?
 Sind die Dächer begehbar?
 Können die vorhandenen Schneelasten ermittelt werden?
 Sind geeignete Aufstiegshilfen vorhanden?
 Wie werden diese Personen gesichert? Sind Anschlagpunkte und persönliche Schutzeinrichtungen gegen Absturz vorhanden?
 Sind die Mitarbeiter unterwiesen und mit der Durchführung des sicheren Räumens betraut?
 Bestehen weitere Gefahren durch Schnee und Eis (z.B. Eiszapfen an den Dachrändern, Abgang von plötzlichen Dachlawinen)?
Links:
Vorschriften:
 Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten“
(GUV-V C22); § 12 Abs. 3
 Regeln für den Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz
(GUV-R 198
 Regeln für den Einsatz von persönlichen Schutzausrüstungen zum Halten und Retten
(GUV-R 199)
Sonstige Informationen
 http://www.verwaltung.bayern.de/Anlage2143901/SchneelastaufDaechern.pdf
 http://home.arcor.de/millioncellshomepage/schneelastrechner/Schneelast%20Rechner.htm
 http://www.schneelast.info/
Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Michael Protsch
Prävention
Leonardo-da-Vinci-Allee 20
60486 Frankfurt am Main
Telefon 069-29972 211 Fax 069-29972 8211
m.protsch(at)ukh.de
9. Dezember 2010
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