Erwin Heerich Ohne Titel - nrw

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Erwin Heerich Ohne Titel - nrw
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Erwin Heerich
Ohne Titel (aus der Gruppe »Architektonische
Landschaft«)
1975
Skulptur
Holz, weiß gestrichen, 8 Teile
50 × 190 × 10 cm
—
Lehmbruck Museum
Die kleinen Holzskulpturen bilden ein Ensemble einer modellhaften
plastischen-architektonischen Landschaft, zu der auch das mehrteilige
Tableau als Unterbau und integraler Bestandteil gehört. Weit
auseinanderliegend platzierte Raumkörper erwecken in Erwin Heerichs
Skulptur nicht die Illusion eines städtischen oder wohnräumlichen Gefüges,
sondern erscheinen vielmehr als aufeinander bezogene Teile einer
modellhaften Museumslandschaft.
Zentrales Thema im Werk von Erwin Heerich sind die vielfältigen
Ausformungen des plastisch-architektonischen Raumkörpers.
Ausgangspunkt seiner künstlerischen Entwicklungsprozesse sind Baupläne
und Diagrammzeichnungen. Der Künstler verwendet dabei stets karierte
Blätter in der Größe DIN A3, auf denen mit schwarzer Tusche, bisweilen
zusätzlich mit Bleistift, flächige Kompositionen, Grundrisse, Ansichten von
oben und unten in »diaphanen Strukturen« gezeichnet werden. Heerich hat
zahlreiche Diagrammzeichnungen in weiß gestrichene Holzskulpturen, wie
beispielsweise die unbetitelte Arbeit aus der WerkgruppeArchitektonische
Landschaft von 1975, übersetzt, aber ihre Gestalten sind wesentlich
differenzierter und komplizierter. Bei den Diagrammzeichnungen werden die
Quadratrasterungen des verwendeten Papiers häufig in der Zeichnung weiter
entwickelt und als gestaltendes Element in mitunter komplizierte
Raumstrukturen einbezogen.
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Bis zu diesem Punkt sind die plastischen Raumkörper nichts als Idee,
Möglichkeit und Vorstellung, als Werk in sich abgeschlossen und
funktionsfrei. Von hier aus aber ergeben sich neue Möglichkeiten der
plastischen Umsetzung: zur Kartonplastik, zur Holzplastik, zur Steinplastik
für Innen- und Außenräume, bis zur Umsetzung in Möbel und Architektur.
Was die aufeinander abgestimmten Werkgruppen zusammenhält, ist der
konsequente Weg von der Diagrammzeichnung zur »begehbaren Skulptur«
am Beispiel der aus geometrischen Grundformen entwickelten Raumkörper.
Die kleinen Holzskulpturen bilden ein Ensemble einer modellhaften
plastischen-architektonischen Landschaft, zu der auch das mehrteilige
Tableau als Unterbau und integraler Bestandteil gehört. Weit
auseinanderliegend platzierte Raumkörper erwecken nicht die Illusion eines
städtischen oder wohnräumlichen Gefüges, sondern erscheinen vielmehr als
aufeinander bezogene Teile einer modellhaften Museumslandschaft.
Erwin Heerich, wie Joseph Beuys Schüler von Ewald Mataré in Düsseldorf hat
aus der Avantgarde der Vorkriegszeit und aus seinem Studium grundsätzlich
Konsequenzen gezogen. Er hat auf der Basis durchsichtiger Regeln ein
Universum von Raumkörpern entwickelt, das ihn zum wichtigsten
Repräsentanten eines (offiziell in Deutschland nicht existenten) »New
Bauhaus« nach dem Kriege werden ließ.
Ohne es zu beabsichtigen, hat Heerich durch seine systematische
Untersuchung von Raumkörpern manche Aspekte der amerikanischen
Minimal Art vorweggenommen. Er hat eine Position bezogen, die als
europäische Spiritualisierung minimalistischer Prinzipien gekennzeichnet
werden kann und sich vom radikalen amerikanischen Purismus deutlich
abgrenzt. Dies wird besonders durch Vergleiche mit dem Werk von Sol LeWitt
erkennbar, das in reduzierterer und rationalerer Weise plastische
Grundformen, plastische Mittel und ihre Wahrnehmung hinterfragt. Der
Konzentration auf die Wahrnehmung bei Sol LeWitt steht die Gestaltvielfalt
bei Heerich gegenüber. Auf die eng gefasste mathematische Gesetzmäßigkeit
eines Sol LeWitt antwortet Heerich mit vielfältigen geometrischen und
stereometrischen Ordnungsprinzipien auf der Folie eines universell üblichen,
vorgegebenen Rastersystems.
Schöpferische Fantasie, so zeigt Heerich, besitzt auch in der Bindung an
räumliche Ordnungen und logische Systeme eine ungeheure Vielfalt an
Möglichkeiten. Hinter der Methode und Erscheinung seiner Kunst steht eine
Lebensphilosophie, die zweifellos durch die Erfahrungen von Diktatur und
Weltkrieg geprägt ist. In dem Maße, wie individuelle Freiheit an transparente,
objektivierbare Spielregeln in einer pluralistischen Demokratie gebunden
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sein muss, benötigt die unabhängige künstlerische Fantasie die Bindung an
rationale, überprüfbare Gestaltungsstrukturen.
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