Grafen, Herzöge, Könige

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Grafen, Herzöge, Könige
Grafen, Herzöge, Könige
Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152)
Herausgegeben von
Hubertus Seibert und Jürgen Dendorfer
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HUBERTUS SEIBERT
Die frühen -Staufer-:
Forschungsstand und offene Fragen
In der frühen Regierungszeit Friedrich I. Barbarossas markiert der Hoftag von
Konstanz im März 1153 gleich in zweifacher Hinsicht einen ersten, folgenreichen Höhepunkt'. In Anwesenheit päpstlicher Legaten bestätigte der König
den mit dem Papsttum ausgehandelten Vertrag, der die beiderseitigen politischen Interessensphären absteckte und ihm den Weg nach Rom zur Kaiserkrönung eröffnete/, Das zweite Ergebnis von erheblicher politischer Tragweite
in Konstanz betraf die Lösung der Ehe Friedrichs mit Adela von Vohburg, die
die hier tagende Diözesansynode sanktionierte".
Viele zeitgenössische Chronisten begründeten diese Trennung pauschal,
ohne Angabe von Details, mit der zwischen beiden Ehepartnern bestehenden
Blutsverwandtschaft (vinculum consanguinitatiss, während erst spätere Quellen
des 13. Jahrhunderts andere Begründungen wie Ehebruch und inproborum
figmenta anbieten", Den in den zeitgleichen Quellen fehlenden Nachweis einer
zu nahen Verwandtschaft trat allein Wibald von Stablo in Form einer -Tabula
consanguinitatis- ans, die »wie das Ergebnisprotokoll einer diesbezüglichen
Boweisführung-" wirkt.
Wibalds Tafel skizziert den fünf Generationen umspannenden
Weg der
Vorfahren Barbarossas von einem ersten Friedrich ohne Zunamen über den
gleichnamigen Erbauer der später namengebenden Burg Stauf bis zu dessen
Enkel, Friedrich Barbarossa, der 1152 den römisch-deutschen
Königsthron
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JOHANNFRIEDRICH
BÖHMER,Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122)-1190,
1. Lieferung 1152 (1122)-1158, neubearb. von FERDINANDOPLL (Regesta Imperii IV, 2. Abteilung), Wien!Köln 1980, Nr. 167.
MGH DD F I. 51 u. 52; BÖHMER/OPLL(wie Anm. 1), Nr. 164,167 u. 169; ODlLO ENGELS,Zum
Konstanzer Vertrag von 1153, in: Dells qui mutat tempera. Menschen und Institutionen im Wandel des Mittelalters. Festschrift für Alfons Becker zu seinem 65. Geburtstag, hg. von ERNSTDIETERHEH!)HUBERTUSSElBERT(FRANZ
STAAB,Sigmaringen 1987, S. 235-258.
BöHMER/OPLL(wie Anm. 1), Nr. 167; HELMUTMAURER,Konstanz, in: Die deutschen Königspfalzen, Bd. 3: Baden-Württemberg, 3. Lieferung, Göttingen 1997, S. 263-331, hier S. 3OOf.,Nr. 18.
Vgl. die detaillierte Übersicht in BÖHMER/OPLL(wie Anm. 1), Nr. 167, S. 48.
Wibaldi Epistolae, ed. !'HILIPPJAFFE,Monumenta Corbeiensia (Bibliotheca rerum Germanicarum 1), Berlin 1864, Nr. 408, 5.547; LUI'OLDVONLEHSTEN,Die Tabula Consanguinitatis des
Wibald von Stablo, in: Die Zähringer. Anstoß und Wirkung, hg. von HANS SCHADEK/KARL
SCHMID(Veröffentlichungen zur Zähringer-Ausstellung 11), Sigmaringen 1986, Nr. 6, 5.14-16.
GERDALTHOFF,Anlässe zur schriftlichen Fixierung adligen Selbstverständnisses, in: Zeitschrift
für die Geschichte des Oberrheins 134,1986, S. 34-46, S. 41.
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Hubertus Seibert
bestieg? Diese im Auftrag Barbarossas und nach seinem Wissen erstellte Tafel
bietet uns - wie die Forschung schon lange erkannt hats - einen näheren, aber
tendenziösen Einblick in das adlige Selbstverständnis der .Staufer- und in die
Vorstellungen, die sie von ihrer Herkunft (origo) und Abstammung besaßen
und für erinnerungswürdig hielten.
Die neuere Forschung hat den erstaunlichen Erfolgsweg der -Staufer- von
einer nur regional bedeutsamen schwäbischen Adelsfamilie bis zum Königtum innerhalb von vier Generationen zurecht betont, seinen familiären, historischen und strukturellen Voraussetzungen und Bedingungen aber nur mäßige
Aufmerksamkeit geschenkt. Manche Handlungsweisen und politische Ziele
Barbarossas lassen sich erst in Kenntnis des staufischen Aufstiegs und durch
eine Neubewertung des bislang vernachlässigten Königtums seines Vorgängers und Onkels, Konrads IlL, tiefer erschließen.
Bisher hat die Forschung die Frühzeit der -Staufer- fast ausschließlich
durch die Brille Ottos von Freising wahrgenommen. Doch seine Angaben über
ihre Herkunft, Bedeutung und Karriere wecken begründete Zweifel an seiner
Glaubwürdigkeit und erweisen sich vielmehr im Vergleich mit anderen, zeitnäheren Quellen als Konstrukt von Ottos zeitgebundener Deutung", Somit gilt
es, stärker als bisher die zeitgenössischen Chronisten und ihre unterschiedlichen Formen erinnerten Wissens über die frühen -Staufer- in den Blick zu
nehmen und in ihrem eigenen Zeithorizont und funktionalen Kontext zu analysieren. Deren obgleich sporadische und disparate Aussagen zur Frühzeit der
-Staufer- vermitteln - wie noch zu zeigen sein wird - eine andere Vorstellung
von ihren Anfängen, die insofern authentischer ist, als sie ihren Aufstieg nicht
im Rückblick zu einer Erfolgsgeschichte verkürzen.
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Wibaldi Epistolae (wie Anm.5), S.547; KAHLScHMID, -De regia stirpe Waiblingensium-. Bemerkungen zum Selbstverständnis der Staufer, zuerst in: Zeitschrift für die Geschichte des
Oberrheins 124, 1976, S.63-73, hier zitiert nach DERS.,Gebetsgedenken und adliges Selbstverständnis im Mittelalter. Ausgewählte Beiträge. Festgabe zu seinem 60. Geburtstag, Sigmaringen
1983, S.454-466, hier S. 462; DERS.,Heirat, Familienfolge. Geschlechterbewußtsein, zuerst in: Il
matrimonio nella societa altomedievale (Settimane di studio del Centro italiano di studi
sull'alto medioevo 24/1), Spoleto 1977, S.103-137, hier zitiert nach DERS., Gebetsgedenken,
S.388-423,bes.S.414-422.
Bereits CHRISTOPHFRIEDRICHSTÄLIN,Wirtembergische Geschichte, Bd. 2, StuttgartfTübingen
1847, S. 227f. mit Anm. 1; ERNSTKLEBEL,Zur Abstammung der Hohenstaufen. in: Zeitschrift für
die Geschichte des Oberrheins 102, 1954, S. 137-187, bes. S. 138f.; HANSMARTIN
ScHWARZMAlER,
Die Heimat der Staufer. Bilder und Dokumente aus einhundert Jahren staufiseher Geschichte in
Südwestdeutschland. Sigmaringen 21977, 5.16-18; Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst _
Kultur. Katalog der Ausstellung, hg. von REINERHAUSSHERR,Bd. I, Stuttgart 1977, Nr.348,
S.248f.
Dazu jetzt tARS HAGENEIER,Die frühen Staufer bei Otto von Freising oder Wie sind die Gesta
Friderici entstanden?, und JÜRGENDENDORFER,
Fidi milites? Die Staufer und Kaiser Heinrich V., in
diesem Band S. 363-396 u. S. 213-265. Zuletzt hat STEPHANIE
DICK,Die Königserhebung Friedrich
Barbarossas im Spiegel der Quellen - Kritische Anmerkungen zu den -Cesta Frederici- Ottos von
Freising, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 121,
2004, S.200-237, den Bericht Ottos von Freising über die Königserhebung Friedrich Barbarossas
als tendenziöses Konstrukt entlarvt.
Die frühen
«Staufer.
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Die zeitgenössischen Autoren dokumentieren in besonderer Weise, daß Geschichte und Aufstieg dieser Adelsfamilie zwischen 1079 und 1152 vorrangig
von drei Konstituenten nachhaltig bestimmt wurden: durch ihre Herkunft und
Verwandtschaft, durch ihr Verhältnis zum Königtum und durch den Erwerb
und die Nutzung von Besitz- und Herrschaftsrechten. Ziel der folgenden Ausführungen ist es, den aktuellen Stand der Forschung in diesen drei Bereichen zu
resümieren sowie auf offene Fragen und Forschungslücken hinzuweisen.
1. Herkunft und Verwandtschaft
Die räumliche Herkunft und dynastische Abstammung thematisiert die Forschung seit dem 19. Jahrhundert in immer neuen Anläufen als die beiden
zentralen Bezugspunkte der Frühgeschichte der -Staufer- freilich ohne bis
heute zu allseits befriedigenden und abschließenden Ergebnissen zu gelangen.
Von der methodisch fragwürdigen Prämisse ausgehend, daß die Abfolge der
agnatischen Vorfahren konstitutiv für die Existenz eines Adelsgeschlechts sei,
suchte sie nach den adligen Vorfahren der -Staufer- - und fand sie bzw. ihre
eigentliche Heimat im salzburgischen Alpenvorland, im Rems-Fils-Gebiet'"
oder im schwäbischen Riesgau", Werner Hechberger hat den methodischen
Anachronismus dieser Sichtweise herausgestellt und damit der Adels- und
der Stauferforschung - aufbauend auf den wegweisenden Studien von Karl
Schmid und Otto Gerhard Oexle - eine neue Richtung gewiesen". Während
Karl Schmid die lange Zeit unterschätzte Bedeutung des adligen Geschlechterbewußtseins hervorhob und den sich seit dem 10';11. Jahrhundert vollziehenden tiefgreifenden Wandlungsprozeß von der horizontal strukturierten
Adelsfamilie des Frühmittelalters zu der vertikal geordneten, nur die Vorfahren der männlichen Linie umfassenden adligen Dynastie betonte+', definierte
Otto G. Oexle Adelsgeschlechter als »Abstammungsgemeinschaften der dem
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STÄUN, Wirtembergische
Geschichte (wie Anm. 8), S. 228f.; HANS HEUERMANN, Die Hausmachtpolitik der Staufer von Herzog Friedrich I. bis König Konrad Ill., Boma-Leipzig
1939, S. 17f.
Erstmals KLEBEL, Abstammung
(wie Anm. 8), S. 139f.; ähnlich, aber mit leichten Modifikationen
EMlL KIMPEN, Zur Königsgenealogie
der Karolingerbis Stauferzeit,
in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins
103, 1955, S. 35-115, bes. S.99f.; KLEBEL folgten mit weiteren, v. a. besitzgeschichtlichen
Argumenten
HEINZ BÜHLER, Zur Geschichte der frühen Staufer. Herkunft
und sozialer Rang - unbekannte
Staufer, in: Hohenstaufen
10, 1977, S. 1-44, hier zit. nach der
DERS., Adel, Klöster und Burgherren im alten Herzogtum
Schwaben. Gesammelte
Aufsätze, hg.
von WALTER ZIEGLER, Weißenhom
1997, S.441-486, S. 443-467; HANs-MARTIN MAURER, Der
Hohenstaufen.
Geschichte der Stammburg
eines Kaiserhauses,
Stuttgart 1977, S. 14-18.
WERNER HECHBERGER, Staufer und Welfen 1125-1190. Zur Verwendung
von Theorien in der
Geschichtswissenschaft
(passauer Historische Forschungen
10), Köln 1996, S. 160-183.
Grundlegend
KARL 5cHMID, Geblüt - Herrschaft - Geschlechterbewußtsein.
Grundfragen
zum
Verständnis des Adels im Mittelalter, (Habilitationsschrift
Freiburg i. Br. 1961), aus dem Nachlaß
hg. und eingeleitet von DIETER MERTENS und 1i-IOMAS Zorz (Vorträge und Forschungen
44), Sigmaringen 1998, bes. S. 103--109, 1n-lI8;
ferner DERS., Gebetsgedenken
(wie Anm. 7); DERS., Zur
Entstehung
und Erforschung
von GeschIechterbewußtsein,
in: Zeitschrift für die Geschichte des
Oberrheins 134, 1986, S.21-33.
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Hubertus Seibert
adligen -Haus. (domus) zugehörenden Familie«!'. Hechberger deutet, Oexle
folgend, Adelsgeschlechter wie die -Staufer- als mentale Konstruktionen, die
im historischen Sinn erst durch eine Reflexion - durch die gezielte historische
Erinnerung - entstehen".
In diesem Prozeß der historischen Erinnerung der eigenen Vorfahren und
ihrer Leistungen bedeutet die Regierungszeit Friedrich Barbarossas einen
deutlichen Einschnitt. Schon Barbarossas Vorgänger und Onkel, Konrad Ill.,
war von dem Bewußtsein erfüllt, Mitglied einer Königsdynastie zu sein'",
Diese Selbstdeutung überhöhte Otto von Freising zu der symbolträchtigen Vorstellung einer die Salier und ihre staufischen Nachkommen gleichermaßen
umfassenden Dynastie der -Waiblinger-F, indem er die Linie der Fürsten und
Könige zu einer Abstammungsgemeinschaft
verknüpfte18. Daß sich Barbarossa selbst dieser Vorstellung je bediente oder sich gar - wie Burchard von Ursberg suggeriert - als erster seines Geschlechts gerühmt habe, aus dem königlichen Stamm der >Waiblinger< (de regia stirpe Waiblingellsium) entsprossen zu
sein'", was ihn abstammungsmäßig
mit Karolingern, Merowingern und Trojanern verband-", ist mit Bestimmtheit auszuschließen. Doch verstand Barbarossa sich als Nachkomme des ersten Salierkaisers Konrads 11., auf den er sich _
dem Beispiel seines königlichen Onkels Konrads Ill. folgend - mehrfach als
seinen Vorfahren (abavus; pater) bezog". Diese Berufung Barbarossas auf seinen progenitor Konrad II. registrierten seit den 1160er Jahren auch zeitgenössi14
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OrrOGERHARD OEXLE,Adliges Selbstverständnis und seine Verknüpfung mit dem liturgischen
Gedenken - das Beispiel der Welfen, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 134, 1986,
S.47-75, hier S.47f.; DERS.,Haus und Ökonomie im früheren Mittelalter, in: Person und Gemeinschaft im Mittelalter. Karl Schmid zum 65. Geburtstag, hg. von GERDALTHOFFu. a., Sigmaringen 1988, S. 101-122, bes. S. 102-105 u. 120f.
HEGfBERGER,Staufer (wie Anm. 12), S. 167 u. 170.
ARNOLDBÜHLER,Königshaus und Fürsten. Zur Legitimation und Selbstdarstellung Konrads Ill.
1138, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 137, 1989, S. 78-90, bes. S. 82-85; vg!. ferner
unten Anrn. 21.
Otto von Freising, Gesta Frederici liber II, cap. 1, ed. FRANZ-JOSEF
ScHMALE(Freiherr vom SteinGedächtnisausgabe 17), Darmstadt 31%5, S.284; ÜDILO ENGELS,Beiträge zur Geschichte der
Staufer im 12. Jahrhundert (I), in: Deutsches Archiv 27, 1971, 5.373-456, hier zit. nach DERS.,
Stauferstudien. Beiträge zur Geschichte der Staufer im 12. Jahrhundert, hg. von ERlCH
MEUTHEN/STEFAN
WEINFURTER,
Sigmaringen 219%, S. 32-115, bes. S. %f.
HEGfBERGER,Staufer (wie Anrn. 12), S. 141.
Die Chronik des Propstes Burchard von Ursberg, ed. OsWALDHOLDER-EGGER/BERNHARD
VON
SIMSON,MGH SS rer. Germ. (16), Hannover 21916,S. 24, Z. 29 - S. 25, Z. 2.
Nach Gotifredi Viterbiensis opera. Pantheon particula XXIV,I, cap. 24, MGH SS 22, S. 264, Z. 23
entstammte Barbarossa ex clarissima proienie Karulorum.
Einen solchen familiären Rückbezug finden wir insbesondere in seinen frühen Urkunden, so
MGH D F I. 1, S.l, Z. 38f., in wörtlicher Wiederholung der entsprechenden Vorurkunde König
Konrads m, MGH D Ko Ill. 5, S. 10, Z. 2£.; den vermeintlich selbständigen Zusatz Barbarossas
(abavus) weist schon die Vorurkunde Konrads Ill. auf, was SäNKE LoRENZ,Staufer, in: Höfe und
Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches
Handbuch, hg. von
WERNERPARAVICINI,Teilband I: Dynastien und Höfe (Residenzenforschung 15/1), Ostfildem
2003, S. 195-199, S.197, übersehen hat. Eine besondere Bedeutung kommt dem zweiten Beleg
zu, der sich bezeichnenderweise in einem Privileg für Heinrich den Löwen findet, MGH D F I.
200 (1158, Jan. 1), S. 334, Z. 32f.: privilegium predecessoris et progenitoris nostri dioe memorie Cünradi
imperaioris, u. S. 335, Z. Sf.: ex dioi patris et antecessoris nostri Cünradi imperatoris instituiione.
Die [ruhen .Staufer.
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sehe Autoren diesseits wie jenseits der Alpen. Sie sprachen zudem Barbarossa
und seine Nachfahren als -Waiblinger- an22, benannt nach dem Ort, der - so
Gottfried von Viterbo-' - die berühmte Adligkeit des ersten Saliers, König
Konrads 1I., begründete. Dagegen lieferten sie keinen Hinweis, daß sich Barbarossa und seine Verwandten (Pfalzgraf Konrad; Herzog Friedrich IV. von Rothenburg) - wie die ältere Forschung zu wissen glaubte - »durch die Zugehörigkeit zu einer -staufischen- Dynastie verbunden wußten«24.
Südlich der Alpen war Barbarossas dynastische Verortung als .Waiblingerschon zu seinen Lebzeiten bekannt und diente als Grundstock für einen neuartigen Parteinamen, der geradezu zu einem politischen Kristallisationspunkt
wurde. Im Florenz des frühen 13. Jahrhunderts tauchte erstmals die Bezeichnung -Partei des Gibellinen- für die Anhänger des jungen (>Waiblinger<Erben) Friedrich II. auf25, die künftig zum Synonym für die kaiserliche, staufisehe Partei schlechthin wurde. Hinter dieser bald weit verbreiteten politischen
Verortung des Kaisergeschlechts der -Staufer- ist deren eigenes, erst im 13. Jahrhundert" und nur vereinzelt begegnendes dynastisches Bewußtsein, einer stirpe
et cognatione imperaiorum de Stophin27 zu entstammen oder gar einer domus
Stoffensis28 anzugehören, kaum zu erkennen.
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Codex Laureshamensis Kap. 96, ed. KARLGLÖCKNER,Bd. 1, Darmstadt 1929, S. 378f.: ... in Cuonradum regem, quem dieuni de Weibelingen, contenit regni uniuersalis electio. A quo ut aiuni process it
adhuc permallells imperialis prosapia. Weitere Belege bei ScHMID, De regia stirpe (wie Anm.7),
S. 459 Anm. 22.
Gottfried von Viterbo, Pantheon (wie Anm. 20) particula XXIII, cap. 24, S. 242, Z. 28f.; 5cHMID,
De regia stirpe (wie Anm. 7), S. 458; LORENZ,Staufer (wie Anm. 21), S. 197; 0D1LO ENGELS,coufried von Viterbo und seine Sicht des staufischen Kaiserhauses, in: Aus Archiven und Bibliotheken. Festschrift für Raymund Kottje zum 65. Geburtstag, hg. von HUBERTMORDEK(Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 3), Frankfurt/Main 1992, S. 327-345.
HECHBERGER,
Staufer (wie Anm. 12), S. 151.
PETERHERDE,Guelfen und Neoguelfen. Zur Geschichte einer nationalen Ideologie vom Mittelalter bis zum Risorgimento, Frankfurt 1986, hier zit. nach DERS.,Von Dante zum Risorgimento.
Studien zur Geistes- und Sozialgeschichte Italiens. Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze,
Bd. 1, Stuttgart 1997, S. 259-398, hier S. 261-265; DERS.,Guelfen und Gibellinen, in: Friedrich H.
Tagung des Deutschen Historischen Instituts in Rom im Gedenkjahr 1994, hg. von ARNOLD
ESCH/NORBERT
KAMP (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 85), Tübingen
1996, S. 50-66, S. SOf.
Der bislang älteste Beleg findet sich in der von Herzog Friedrich I. getroffenen Vogteiregelung
für St. Fides in Schlettstadt in der Ende des 12. Jahrhunderts gefälschten Urkunde seines Sohnes, Herzog Friedrichs IL, ed. STEPHANUSALEXANDER
WÜRDTWEIN,Nova subsidia diplomatica
ad selecta juris ecclesiastici Germaniae, tomus VI, Heidelbergae 1785, Nr. 123, S. 286-292, hier
S. 290: lice ad alienos heredes adrocatiam de Slettstat transferret, sed ad quem eius progeniei Stouja ae
omnis ducatus spectaret, ille advoeatus de S/rttstat existeret; EDUARDHLAWlTSCHKA,
Zu den Grundlagen der staufischen Stellung im Elsaß: Die Herkunft Hildegards von Schlettstadt (Sudetendeutsche Akademie der Wissenschaften und Künste. Geisteswissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte 1991, 9), München 1991, S. 92f.
Historia monasterii Marchtelanensis cap. 6, MGH SS 24, S. 665, Z. 46f.
Historia diplomatica Friderici secundi, ed. JEAN-LoUIS-ALPHONSEHUILLARD-BREHOLLES,
Bd. VU1, Paris 1860, ND Turin 1963, S.515; HECHBERGER,Staufer (wie Anm.12), S. 112 mit
Anm. 24; ARNo BoRST, Die Staufer und Europa, in: DERS., Reden über die Staufer, Frankfurt/Main 1978, S. 9-26, hier S. 13. In einem Brief an Herzog Bertold V. von Zähringen von 1202,
März c. 26 spricht Papst Innocenz III. erstmals de domo dUCllm Sueuie oidereiur aliquis ad imperium
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Hubertus Seibert
Doch wie stellt sich dieser Vorgang der historischen Erinnerung und Selbstvergewisserung für die frühen -Staufer- in der Zeit vor 1152 dar? Wie positionierte sich diese Familie in der Adelsgesellschaft des 11. und 12. Jahrhunderts?
Worauf gründete ihre Abstammung und ihr adliges Bewußtsein, die einen konstitutiven Wert für jedes Adelsgeschlecht repräsentierten? Wie bewerteten die
Zeitgenossen ihren adligen Stand und ihr Profil? Die Beantwortung dieser
Fragen erfordert ebenso eine Beurteilung der Zeitgenossen über deren Herkunft und Adligkeit wie die Vorstellungen und Kenntnisse offen zu legen, die
die -Staufer- selbst über ihre Herkunft und ihren adligen Rang besaßen und
verbreiteten.
Erste Mitglieder dieser Adelsfamilie - wie Friedrich und (Bischof) Otto _
treten seit dem späten 11. Jahrhundert in das Blickfeld der zeitgenössischen
Chronisten. Der konkrete Anlaß für Friedrichs erstmalige namentliche Erwähnung bildete die Neubesetzung des Herzogtums Schwaben, die König Heinrich IV. nach der Amtsenthebung und Ächtung Herzog Rudolfs von Rheinfelden und fast zweijähriger Vakanz an Ostern 1079 vornahm". Die zeitgleichen
Autoren verlieren kein Wort über Friedrichs geographische Herkunft oder
familiäre Zugehörigkeit'P, allein sein Grafentitel hebt ihn aus der Schar lokaler
Adliger heraus und weist ihm herrschaftliche Funktionen zu. Wo er seine Grafschaftsrechte ausübte - in Schwaben, Franken oder etwa im Elsaß -, hält keine
Quelle für erwähnenswert.
Daß dieser Friedrich - und somit auch sein Geschlecht - viele seiner gräflichen Standesgenossen überragt habe und auf einer Burg Stauf residierte, betonen erst Quellen des 12. Jahrhunderts. Ekkehard von Aura rühmt besonders
Friedrichs Klugheit, Charakter und Adel (nobilitas)31; Otto von Freising rechnet
ihn und seine Familie - abstammungsmäßig - zu den vornehmsten Grafengeschlechtern Schwabens (ex nobilissimis Suevie comitibus) und würdigt ausführlich seine Treue gegenüber Kaiser und Reich=, Otto stellt zudem einen locke-
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assumendus, Regesturn Innocentii III papae super negotio Romani imperii, ed. FRIEDRICH
KEMPF(Miscellanea Historiae Pontificiae 12), Rom 1947, Nr. 62, S. 175, Z. 1; der nächste Beleg
ist die Wahlanzeige der Pisaner an König Alfons X. von Kastilien vom 18. März 1256, ed.
MGH Const. II, Nr. 392, S.491, Z. 9f.: vos cognoverunt (se, Pisa und ganz Italien) esse naium de
progenie domus ducatus Sueuie; HECHBERGER,
Staufer (wie Anm, 12), S. 139 Anrn. 172 u. S. 152.
ULRICHPARLOW,Die Zähringer. Kommentierte Quellendokumentation zu einem südwestdeutschen Herzogsgeschlecht des hohen Mittelalters (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg A SO), Stuttgart 1999, Nr.83, S.55; zuletzt
HUBERTUS
SEIBERT,Rudolf von Rheinfelden, röm.-dt. (Gegen-)König, in: Neue Deutsche Biographie 22, Berlin 2005, S. 165-167.
Bertholdi Chronicon ad a. 1079, in: Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bemolds von
Konstanz 1054-1100, hg. von IAN S. ROBINSON,MGH SS rer. Germ. NS 14, Hannover 2003,
S. 357, Z. 16f.: Ipse (se, Heinrich IV.) ... ducaturn Alemannie ... comiti Friderico .. commendans; Annales Augustani ad a. 1079, MGH SS 3, S. 130, Z. 1: Fridericus dux Alemanniae praeponitur. Zu Herzog Friedrich I. von Schwaben jetzt TOBIAS WELLER,Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (Rheinisches Archiv 149), Köln 2004, S. 13-21.
Ekkehardi Chronica, Recensio I. ad a. 1105, in: Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die
Anonyme Kaiserchronik, hg. von FRANZ-JOSEFSCI-IMALE!IRENE
ScHMALE-üIT (Freiherr vom
Stein-Gedächtnisausgabe 15), Darmstadt 1972, S. 202, Z. 9f.
Otto von Freising, Gesta (wie Arun. 17) I, 8, S. 144, Z. 5-15 u. 24-27.
Oie frühen -Staufer.
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ren Bezug zwischen Friedrich und einer Burg Stauf (castro Stoypl1e) her, bei der
dieser eine Siedlung angelegt habe. Er enthält sich aber jeglicher Angaben
über die genaue Lage und spezifische Bedeutung dieser Burg für Friedrich.
Die bei Otto von Freising fehlende'? Benennung Friedrichs nach seiner Burg
(Fridericus de Stoufe) findet sich dagegen bei zwei zeitgenössischen, vor 1156
entstandenen Klosterchroniken süddeutscher Provenienz-", Deren Verfasser
verweisen damit auf die schwäbischen Wurzeln Friedrichs und seiner Familie,
die sie in einem ganz bestimmten, ihnen offenbar vertrauten Milieu ansiedeln.
Doch implizieren sie mit dem Namenszusatz de Stoufe/Stouphin keineswegs eine
besondere Funktion dieses Ortes als vermeintlicher politischer oder dynastischer Mittelpunkt von Friedrichs Herrschaft, gleichwohl diese Benennung
offensichtlich die gewünschte Funktion der Identifizierung erfüllte.
Angesichts dieser wenigen, vor 1152/56 verfaßten Quellennachrichten zu
Herkunft und Abstammung der -Staufer- gilt es nach anderen Kriterien zu
suchen, nach denen zeitnahe Chronisten sie dynastisch in der Adelsgesellschaft ihrer Zeit verorteten. Einen ersten wichtigen Hinweis dazu liefert Ekkehard von Aura, wenn er Herzog Friedrichs 1. Ansehen und Berühmtheit primär
auf dessen Ehe mit der Königstochter Agnes zurückführt". Nach Ekkehards
Deutung verdankten Friedrich und seine Nachkommen ihr adliges Prestige
und ihren hohen politischen Rang in erster Linie ihrem Konnubium und ihrer
Verwandtschaft mit der Salierdynastie.
Während Ekkehard eigens die Ehe Friedrichs mit Agnes als konstitutives,
die Verwandtschaft mit dem salischen Königshaus begründendes Element hervorhob, rekurrierten nahezu alle späteren, vor 1152/58 schreibenden Chronisten
allein auf die (Bluts-)Verwandtschaft mit den Saliern als adligem Signum der
-Staufer- und wichtigster Ausprägung sozialer Formation. Sie verorteten Herzog
Friedrich I., seine Söhne und Enkel dynastisch als königliche Blutsverwandte
(cognati", consanguinei", consobrinue", nepos39), als Nachkommen königlichen
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Anders der Marbacher Annalist, der seine Vorlage, Ottos Gesta, genau in diesem Punkt verändert und das daraus geschöpfte 8. Kapitel auf die Kemaussage reduziert, Heinrich IV. habe
seine Tochter Agnes cuidam Friderico de castro Stoyphe (sic!) wegen dessen Beistand zur Ehe gegeben und ihm das Herzogtum Schwaben verliehen, Annales Marbacenses ad a. 1125, ed.
HERMANNBLOCH,MGH SS rer. Germ. [9], Hannover 1907, S. 41, Z. 25-28.
Das 1137/38 geschriebene Bertholdi Chronicon cap. 30, in: Die Zwiefalter Chroniken Ortliebs
und Bertholds, neu hg. von LUITPOLD WALLACH/ERlCHKÖNIG/KARLOrro MÜLLER(Schwäbische Chroniken der Stauferzeit 2), Sigmaringen 21978, 5.232, und die zwischen 1134 und 1139
begonnene, nach 1148 und vor 1156 (oder 1159 ?) im 5. Buch unterbrochene Chronik von Petershausen am Bodensee. Die Chronik des Klosters Petershausen lib. 11,cap.33, neu hg. von
Orro FEGER(Schwäbische Chroniken der Stauferzeit 3), Sigmaringen 21978, 5.112: Friderico de
Siouphin; zu dessen Datierung und Redaktionsstufen zuletzt HELMUTG. WALlliER, Gründungsgeschichte und Tradition im Kloster Petershausen vor Konstanz, in: Schriften des Vereins
für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 96, 1978, S. 31-67.
Ekkehardi Chronica (wie Anm. 31), Rec. I. ad a. 1105, S. 202, Z. 10-12.
Chronicon s. Andreae Castri Cameracesii liber III, cap. 33, MGH SS 7, 5.547, Z. 14; Chronica
monasterii Casinensis lib. IV, cap. 87, ed. HARlMUTHOFFMANN,MGH SS 34, S. 548, Z. 10: cognationem Einrici inperatoris.
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Hubertus Seibert
Geblüts (de regum familia4o, filius sororis" bzw. sororii Heinrici imperatoris42) oder
als Erben (heredes43) des letzten Salierkaisers Heinrichs V.
Diese Verfahrensweise der Chronisten läßt sich besonders gut am Beispiel
von Herzog Friedrichs I. Sohn Konrad, dem späteren König, beobachten, den sie
- im Gegensatz zu seinem Vater und herzoglichen Bruder - fast nie über sein
Amt als Graf oder (zeitweiliger) Herzog definierten. Die vor 1152/58 schreibenden Autoren kennzeichneten Konrads Person und Stellung nahezu ausschließlich mit verwandtschaftlichen Termini, ohne über seine Herkunft, Abstammung
und Adligkeit ein Wort zu verlieren. Einige Chronisten sprachen ihn - kaum
überraschend - als Neffen Kaiser Heinrichs V. und Verwandten der Salier'" an;
doch auffallend viele zeitnahe Autoren hoben vorrangig auf seinen familiären
Status als Bruder Herzog Friedrichs 11.ab45• Als einzige zeitgenössische Quelle
ordnete die um 1142 verfaßte Magdeburger Bischofschronik in eigenhändiger
Ergänzung ihrer Vorlage Ekkehard von Aura Konrad herkunftsmäßig einem
bestimmten Ort und Raum zu, als sie ihn (Conrado Rodenburgensi) - unter bewußter Negation seines inzwischen erlangten Königstitels - nach seiner neuen
fränkischen Burggründung Rothenburg ob der Tauber benanntet".
Wenn die zeitgenössischen Quellen die frühen -Staufer- fast durchwegs als
Verwandte und Nachkommen der Salier wahrgenommen und gedeutet haben, legt dies keineswegs den Schluß nahe, ihre Verfasser hätten damit eine
vermeintliche Herkunft aus -kleinen Verhältnissen- kaschieren wollen. Indem
die Chronisten die Adligkeit der -Staufer- vielmehr über die ungleich bedeutendere Kategorie der königlichen Verwandtschaft definierten und begründeten,
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Ottonis episcopi Frisingensis Chronica sive Historia de duabus civitatibus liber VII, cap. 24, ed.
AOOLFHOFMEISTER,
MGH SS rer. Germ. [45], Hannover 1912, 5.347, Z. 18f.; OUo von Freising,
Gesta (wie Anm. 17) I, 18, 5.160, Z. 1: sanguinis consortes.
Ekkehardi Chronica (wie Anm. 31), Rec. IV. ad a. 1124, S. 364, Z. 25, ad a. 1125, S. 374, Z. 14.
Gesta Treverorum Contin. prima cap. 27, MGH SS 8, 5.199, Z.21f.; Chronica monasterii
Casinensis (wie Anm. 36) IV, 87, S. 548, Z. 11: nepotes.
Otto von Freising, Gesta (wie Anm. 17) I1,2, S. 286, Z. 2.
Ekkehardi Chronica (wie Anm. 31), Rec. Ill. ad a. 1116, S. 316, Z. 27; Honorii Augustodunensis
Summa totius ad a. 1125, MGH SS 10, S. 131, Z.27f.; Gesta archiepiscoporum
Magdeburgensium cap. 25, MGH SS 14, 5.412, Z. 2f.; Chronik von Petershausen (wie Anm. 34)
111,43,S. 164.
Ottonis Chronica (wie Anm. 37) VII, 15, 17 u. 22, S. 330, Z. 4, S. 333, Z. 23 u. S. 343, Z. 21f.
Otto von Freising, Gesta (wie Anm. 17) Capitul. lib. I, cap. 1-19, S. 90, Z. 30, u. I, 17, S. 158, Z. 4.
Ekkehardi Chronica (wie Anm. 31), Rec. Ill. ad a. 1116, S. 316, Z. 27, und ad a. 1124, S. 364, Z. 25;
Ottonis Chronica (wie Anm. 37) VII, 15, 17 u. 22, S. 330, Z. 4, S. 333, Z. 23 u. S. 343, Z. 21f.
Bertholdi Chronicon (wie Anm.34) cap. 30, S. 232; Annales Erphesfurdenses Lothariani ad
a. 1127, 1134 u. 1135, ed. OSWALDHOLDER-EGGER,MGH SS rer. Germ. [42], Hannover 1899,
5.35, Z. 13f., 5.41, Z. 19 u. 5.42, Z.34; Annalista Saxo ad a. 1127 u. 1128, MGH SS 6, 5.765,
Z.27f. u. 41; Otto von Freising, Gesta (wie Anm. 17) I, 17, 18 u. 23, 5.158, Z.4f. u. 13, 5.166,
Z. 28; Gesta archiepiscoporum Magdeburgensium (wie Anm. 41) cap. 25, S. 412, Z. 2f.
Gesta archiepiscoporum
Magdeburgensium
(wie Anm.41) cap.25, 5.412, Z.2f.; anders
GERHAlmLUBICH,Auf dem Weg zur »Cüldenen Freiheit«. Herrschaft und Raum in der Francia
orientalis von der Karolinger- zur Stauferzeit (Historische Studien 449), Husum 1996, 5.187 u.
242; OERS.,Der Besitz der frühen Staufer in Franken - ein »Erbe auf Umwegen«?, in: Zeitschrift
für württembergische Landesgeschichte 59, 2000, 5.403-412, hier 5.409, der hierin einen zeitnahen Reflex von Konrads ostfränkischem (Titular-)Herzogtum erkennt.
Die [ruhen -Staujer.
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hoben sie jene über deren adlige Standesgenossen empor und wiesen ihnen
einen gesteigerten Rang und gleichsam herrscherliche Qualitäten zu.
Welche Vorstellung - so ist nun in einem zweiten Schritt zu fragen - besaßen Herzog Friedrich 1. und seine Familie von solch konstitutiven sozialen
Werten wie (ihrer) Herkunft und Abstammung? In welchen Formen verarbeiteten sie ihr dynastisches Wissen und verliehen ihm Ausdruck? Unsere Spurensuche hat methodisch bei den Zeugnissen -staufischer- Familiengeschichte
und verwandten Quellen aus der Zeit vor 1152/58 anzusetzen. Unter den
wenigen überlieferten urkundlichen und historiographischen Zeugnissen des
»Erinnerungs- und Abstammungswissens«47 der frühen -Staufer- nimmt die
von Wibald von Stablo aufgezeichnete sogenannte -Tabula consanguinitatiseinen singulären Platz ein48. Diese gibt keine gelehrte Fiktion wieder, sondern
ist vielmehr Ausdruck des erinnerten Wissens Friedrich Barbarossas, das ihm
offenbar von seinen Vorfahren tradiert wurde und das er nun zur Beweisführung im Ehescheidungsverfahren heranzog. Sein dynastisches Wissen hat Barbarossa im Ordnungsmuster zweier Genealogien der im Scheidungsprozeß
verwickelten beiden Adelsfamilien der -Staufer- und der Markgrafen von
Cham-Vohburg (>Diepoldinger<) zusammenfassen und erstmals durch Wibald
aufzeichnen lassen. Damit entsprach er einem deutlich faßbaren Bestreben des
Adels seit dem 11./12. [ahrhunderr'", der sich nunmehr immer häufiger seiner
Vorfahren und Abstammung besann und die Ergebnisse seiner Nachforschungen schriftlich festhielt'", Diese neue Form der Selbstvergewisserung förderte
zugleich den Prozeß adliger Identitätsbildung auf der Basis eines neuartigen,
historisch argumentierenden und schriftlich nachvollziehbaren Selbstbildes und
Selbstverständnisses. Eine ausgewählte Genealogie als mündlich oder schriftlich
erinnerte Abfolge eines Geschlechts konstituierte und verstetigte adlige Identität und bot ihm vielfältige Möglichkeiten der familiären Selbstdeutung und
Selbstdarstellung51. Die von Barbarossa vermittelte und für seine angestrebte
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Dazu - am Beispiel der Welfen - grundlegend BERNDScHNEIDMÜllER,Die Welfen. Herrschaft
und Erinnerung (Urban-Taschenbücher 465), Stuttgart 2000, S. 23--40.
Wibaldi Epistolae (wie Anm.5), 5.547; BORST,Staufer (wie Anm.28), S. 12: »unser frühestes
Zeugnis für ihr Selbstverständnis, eine wortkarge Ahnenliste«.
Grundlegend ScHMID,Geblüt (wie Anm. 13); zuletzt resümierend WERNERHECHBERCER,
Adel,
Ministerialität und Rittertum im Mittelalter (Enzyklopädie deutscher Geschichte 72), München
20Q4,bes.S.19-22,u.74-79.
Zur Spurensuche Herzog Heinrichs des Schwarzen (t 1126) nach seinen -wclfischen, Ahnen
vg!. den Bericht der auf 1132/37 datierten sogenannten -Sächsischen Welfenquelle<, Anhang IV
zur Sächsischen Weltchronik, ed. LUDWICWEILAND,MGH Deutsche Chroniken 2, 1877, S.276,
cap.4, Z.I-{', dem der Annalista Saxo (wie A~m. 45) ad a. 1126, S.764, Z. 42. - S.765, Z.2
nahezu wörtlich folgt; HECHBERGER,
Staufer (wie Anrn. 12), S. 17lf.; ScHNEIDMULLER,
Welfen
(wie Anm. 47), S. 164; BEATEKELLNER,Ursprung und Kontinuität. Studien zum genealogischen
Wissen im Mittelalter, München 2004, bes. S. 314-321.
Zur Genealogie als gleichsam universales Ordnungsmuster und Prinzip der Organisation von
Wissen jetzt grundlegend KELLNER,Ursprung (wie Anm.50), bes. S. 13-15, 29-46, 61~ u.
104-127; KlLIAN HECK, Genealogie als Monument und Argument. Der Beitrag dynastischer
Wappen zur politischen Raumbildung der Neuzeit (Kunstwissenschaftliche Studien 98), Berlin
2002, S.31-5O; Genealogie als Denkform in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von DEMS'/
BERNHARD
JAHN(Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 80), Tübingen 2000.
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Hubertus Seibert
Ehescheidung instrumentalisierte Abstammungsreihe seiner Vorfahren in patrilinearer Linie stellt somit einen - im Konfliktfall - verschriftlichten Niederschlag
dieses Prozesses der Selbstfindung und -deutung in seiner Familie dar.
Die von Wibald überlieferte, von der Forschung bis heute so klassifizierte
Genealogie der >Staufer,52präsentiert sich als Abfolge von fünf Generationen,
deren jeweilige männliche Vertreter alle den (Leit-)Namen Friedrich trugen _
»ein eindrückliches Zeichen für die Kontinuität im Selbstverständnis der Familie«53 . Sie beginnt mit einem ersten Friedrich (als Spitzenahn?), der durch
keinen Titeloder Namenszusatz gekennzeichnet ist, und endet mit Friedrich
Barbarossa, der den Königstitel trägt. Ob das eklatante Fehlen jeglicher Amtsbezeichnung in den beiden ersten Generationen die eher bescheidenen adligen
und herrschaftlichen Anfänge der -Friedriche- erinnert, erscheint möglich, ist
aber letztlich nicht beweisbar. Doch spätestens mit dem Besitz eines Amtes _
der Herzogswürde - in der dritten Generation zeigt sich der Wille zu Aufstieg
und Machterweiterung. Die Friedriche der zweiten und dritten Generation
zeichnen sich als einzige durch einen Namenszusatz aus. Der zweite Friedrich
wird nach einem bis heute nicht zweifelsfrei lokalisierten Ort Buren benannte',
der entweder auf seine räumliche Herkunft verweist oder als sein Herrschaftssitz anzusprechen ist. Genauere Angaben bietet die Genealogie zum dritten
Friedrich. Sie stellt ihn zunächst als Gründer eines Ortes bzw. einer Burg
Stophe(n) vor, nach der er zudem bezeichnet wird. Damit deutet die Genealogie
Stophe als seinen speziellen Bezugsort und - gegenüber Buren - neuen Herrschaftssitz, nach dem aber kein anderes Familienmitglied neben ihm benannt
wird.
Wibalds Tabula der Vorfahren Barbarossas liegt die Vater-Sohn-Folge als
Strukturprinzip zugrunde - mit einer bezeichnenden Modifikation. Den Friedrich der vierten Generation zeichnet sie zudem als Sohn seiner namentlich
nicht genannten Mutter, der Tochter König Heinrichs IV., aus und verortet ihn
damit implizit als königlichen Sproß55. Alle anderen Frauen - ob Ehefrauen
oder weibliche Nachkommen - bleiben mangels konstitutiver Bedeutung für
die eigene Generation und Abstammung im Gegensatz zur zweiten von Wibald überlieferten Genealogie der Markgrafen von Cham-Vohburg'" uner-
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VONLEHSTEN,Tabula (wie Anm.5), S. 15; ODILO ENGELS,Die Staufer (Urban-Taschenbücher
154), Stuttgart 71998, S. 9.
So HEINZ KRIEG,Adel in Schwaben: Die Staufer und die Zähringer, in diesem Band, S. 65-97,
hier S. 78; ScHMID, Heirat (wie Anm. 7), S. 416-418.
Gegen die bis heute vertretene Gleichsetzung mit Wäschenbeuren (LK Göppingen) - so zuletzt
noch Lurz REICHARDT,Ortsnamenbuch des Kreises Göppingen (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B 112), Stuttgart 1989, S.220,
und ENGELS,Staufer (wie Anm. 52), S. 9 - schon SCHMID,De regia stirpe (wie Anm. 7), S. 462.
Wibaldi Epistolae (wie Anm. 5), S. 547: Dux Fridericus de Stophe ex filia regis Heinrici genuit ducem
Fridericum.
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Gemessen an der Funktion der Tabula spricht die Forschung die zweite Genealogie bis heute
unzutreffend als Zähringer-Genealogie an, doch geht es im Scheidungsverfahren auf dem Hoftag und der Synode von Konstanz 1153 nicht um die zu nahe Verwandtschaft Barbarossas mit
diesen, sondern mit deren Nachfahren und Verwandten, den Markgrafen von Cham-Vohburg.
Die frühen
-Staufer.
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wähnt. Daß auch Konrad IlL, immerhin der erste König aus diesem Adelsgeschlecht, in der Genealogie fehlt, ist kein Zufall und unterstreicht nur ihre
weitere Funktion. Ihr erklärtes Ziel ist die Darstellung der -Ceneratio- Friedrich Barbarossas. Dieser versteht sich agnatisch als direkter (und alleiniger?)
Nachfahre seiner von dem -Spitzenahn- Friedrich begründeten Adelsdynastie
und zugleich - unter Betonung der kognatischen Bezüge - als Nachkomme des
königlichen Geschlechts der Salier'", Eine gleichsam repräsentative, dynastische
Dokumentation der Familie der frühen -Staufer- in all ihren agnatischen und
kognatischen Bezügen lag Wibalds Tabula und ihrem königlichen Auftraggeber dagegen völlig fern.
Abgesehen von ihrer primär rechtlichen Funktionsbestimmung
eröffnet die
Genealogie einen unmittelbaren Zugang zum adligen Selbstbewußtsein Friedrich Barbarossas und zu jenem Prozeß, »der zur Bildung des Geschlechtes der
Staufer führtev'", Als Garanten ihres Erfolgsweges betrachteten diese offenbar
den Erwerb wichtiger Ämter, die Besitzerweiterung und den Burgenbau; in
ihrer Erinnerung gründete sich dieser Aufstieg aber in besonderer Weise auf
die Verwandtschaft mit der Königsdynastie und die Königsnähe.
Weitere, ähnlich aussagekräftige Zeugnisse -staufischer- Familiengeschichte aus der Zeit vor 1152/58 suchen wir vergeblich. Bis auf die schon erwähnte
Urkunde Konrads Ill. von 1138, deren Arenga auf seine königliche Abstammung abhebt'", fehlen bis zum Herrschaftsantritt Barbarossas jegliche urkundlichen Zeugnisse, die nähere Rückschlüsse auf ihre (adlige) Abstammung und
ihr königliches Bewußtsein zuließen. Ob wir die im Privileg Friedrich Barbarossas für die -Staufergründung- Lorch von 1154 getroffene, auf Empfängerdiktat zurückgehende
Unterscheidung zwischen den descendentes de genere
regis Cuonradi et Friderici ducis clarissimi60 als Zeugnis für ein »vinnerstauflsches- Hausbewusstseine'" zu deuten haben, erscheint problematisch.
Die von der Forschung an den zeitgenössischen Namenszusatz de Stophe
geknüpfte These von der zentralen Bedeutung dieser Burg als namengebender
und identitätsstiftender
Herrschaftssitz findet in den urkundlichen Zeugnissen keine ausreichende Bestätigung. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts benennt sich kein Mitglied der -staufischen- Familie in den eigenen Urkunden
nach der Burg oder dem Berg Stauf(en)62. Die wenigen Ausnahmen davon
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Heirat (wie Arun. 7), S.420f. betonte zu Recht, daß der Hinweis auf die königliche
Abstammung und Verwandtschaft Barbarossas ihn deutlich von seiner Frau Adela und ihrer
Familie abhob.
ScHMID, Heirat (wie Arun. 7), S. 417.
MGH D Ko Ill. 5, vg!. oben Anm. 16 u. 21.
MGH D F I. 77 (1154, Mai 3--17),S. 129, Z. 26f.
THOMAS ZOIZ, Der Südwesten des Reiches auf dem Weg zur staufischen Königslandschaft, in:
Orte der Herrschaft. Mittelalterliche Königspfalzen, hg. von CASPAREHLERS, Göttingen 2002,
S.85--105, hier S.91, spricht das Kloster Lorch als konkreten Kristallisationspunkt für ein »innerstaufisches Hausbewusstsein« an.
Zur Titulatur der -Staufer- als Herzöge von Schwaben im 12. Jahrhundert vg!. WALTHER
KIENAST,Der Herzogstitel in Frankreich und Deutschland (9. bis 12. Jahrhundert). Mit Listen
der ältesten deutschen Herzogsurkunden, München 1968, S. 414-416.
ScHMID,
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Hubertus Seibert
sind allesamt als Fremdbezeichnungen
einzustufen, als Titulaturen, die ihnen
durch Urkundenaussteller und deren Notare von außen beigelegt wurden. Die
Kanzlei Barbarossas hat ausschließlich Konrads Ill. Sohn, Herzog Friedrich IV.
von Schwaben, seit 1164 und bis 1166 wiederholt in zum Teil als Original
überlieferten Diplomen nach de Stoupha benannt'". Da diese Bezeichnung sich
zahlenmäßig mit anderen Benennungen Friedrichs als dux Slleviae/Sllevorum64,
als dux de Rotenburc(g)65 oder als filius Conradi regis66 in etwa die Waage hält,
eignet sie sich nicht für diesbezügliche weitergehende Rückschlüsse auf Friedrichs adliges Bewußtsein und Selbstdarstellung.
Als Ergebnis der Untersuchung der Fremdeinschätzung und Selbstdeutung
der frühen -Staufer- bleibt festzuhalten: Auf der Suche nach ihren räumlichen
und dynastischen Anfängen setzte die bisherige Forschung vorrangig bei der
Darstellung Ottos von Freising an, ohne dessen Deutung im einzelnen kritisch
zu überprüfen. Manche Angaben Ottos wie auch die Anlage seiner -Cesta
Frederici- überhaupt erfordern eine neuerliche Analyse'". Ein Blick auf die anderen, bislang vernachlässigten zeitgenössischen Quellen bis 1152/58 zeigt vielmehr, welch geringen Stellenwert sie der räumlichen Herkunft und den adligen Ursprüngen der frühen -Staufer- bei der Beurteilung von deren Adligkeit
(nobilitas) zubilligten. Vielmehr definierten und begründeten die Chronisten
ihren Rang und ihr Prestige primär über ihr Konnubium und ihre Verwandtschaft mit der salischen Königsdynastie'".
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MGH DD F I. 153 (1165 ?), S.264, Z.7; 470 (1164), S.382, Z.38; 506 (1166), S.439, Z.47; 507
(1166), S. 441, Z. 32; 513 (1166), S.448, Z.36, und 516 (1166), S.454, Z.22; REICHARDT,Göppingen (wie Anm. 54), S. 112f. Als eigentlicher Schöpfer dieser Titulatur kommt nur Friedrich Barbarossa selbst in Frage, der damit offenbar der herzoglichen Linie die Burg Stauf als Herkunftsort und Herrschaftssitz zuwies und sie auf diese Weise klar von der königlichen prosapia abhob;
dazu und zur Titulatur des jungen Friedrich in Herrscherdiplomen und anderen zeitgenössischen Quellen jetzt grundlegend THOMASZorz, Friedrich Barbarossa und Herzog Friedrich (IV.)
von Schwaben. Staufisches Königtum und schwäbisches Herzogtum um die Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Mediaevalia Augiensia. Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, hg. von
JÜRGENPETERSOHN(Vorträge und Forschungen 54), Stuttgart 2001, S. 285-306, bes. S. 291-298.
Erstmals MGH D F I. 61 (1153), S. 106, Z. 8.
MGH DD F I. 228 (1158), S. 15, Z. 28; 478 (1165), S. 392, Z. 36 u. S. 393, Z. 8 u. 23; 509 (1166),
S.444, Z.8; 529 (1167), S.472, Z.9; 559 (1170), S. 24, Z.30; 588 (1172), S.66, Z. 19; und 970
(1188), S.248, Z. 29; Wirtembergisches Urkundenbuch. Bd. 11, Stuttgart 1858, Nr.544 (1212),
S.386; zum Herzogstitel »von Rothenburg«, der »die Verdrängung Friedrichs IV. aus dem
schwäbischen Herzogtum « widerspiegelt, LUBICH,Weg (wie Anm. 46), S. 225f.; ZOTZ, Friedrich (wie Anm. 63), S. 295f., 298 u. 302f.
MGH DD F I. 61 (1153), S. 106, Z.8: Fridericus filius imperaioris Ciinradi dux Sweuie; 77 (1154),
S. 129, Z.36: Fridericus filius Cimmdi regis; 173 (1157), S.295, Z. 16: Fridericus dux filius Cünradi
regis; 174 (1157), S. 296, Z. 27f.; 472 (1164), S. 385, Z. Sf.; 523 (1167), S. 465, Z. 13; 532, S. 477, Z. 3;
u. 534, S. 481, Z. 2; ferner - als Selbstbezeichnung - in seiner im Original erhaltenen Urkunde
für Kloster Lorch von 1165, ed. Wirtembergisches Urkundenbuch (wie Anm.65) 11, Nr.386,
S. 151: ego Fridericus dux, illustris regis Cünradi filius.
Dazu jetzt HAGENElER,Die frühen Staufer (wie Anm. 9), in diesem Band, S. 363-396.
Dazu TOBlASWELLER,Auf dem Weg zum -staufischen Hause Zu Abstammung, Verwandtschaft und Konnubium der frühen Staufer, in diesem Band, S. 41~3; DERS.,Heiratspolitik (wie
Anm. 30), S. 18-21.
Die frühen .Staufer,
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Diese Einschätzung der Chronisten korrespondiert mit der Selbstdarstellung
der frühen -Staufer-, wie sie sich in der von Wibald von Corvey überlieferten
Genealogie und in ihren Königsurkunden manifestierte. Konrad IlL, Friedrich
Barbarossa und ihre Vorfahren verstanden sich als Nachkommen, Verwandte
und Erben der salischen Könige. In ihrem genealogisch erinnerten Wissen, das
sich zur Zeit Barbarossas über fünf Generationen in patrilinearer Deszendenz
erstreckte, nahm daher die Tochter König Heinrichs IV. und Mutter Herzog
Friedrichs 1I. und Konrads IlL, die die Verwandtschaft mit dem salischen Königshaus erst begründet hatte, als einzige Frau eine Schlüsselposition ein.
Die Wahrnehmung der zeitgenössischen Autoren und die -staufische- Selbstdeutung stimmen noch in einem weiteren Punkt überein - in ihrer Beurteilung
der Burg Stauf für das Selbstverständnis dieses Geschlechts. In beiden Fällen
werden nur ganz bestimmte Familienmitglieder in einen direkten Bezug zur
Burg Stauf gesetzt; ihr Namenszusatz de Siophe weist auf den Ort ihrer Herkunft oder auf den Mittelpunkt ihrer Herrschaft hin. Doch die wenigen diesbezüglichen Belege und das Fehlen jeglicher urkundlicher Selbstbezeichnung
nach der Burg unterstreichen, daß dieser Ort im 12. Jahrhundert keine herausragende Funktion als namengebender Herrschaftssitz einnahm und keine
identitätsstiftende Bedeutung entwickelte, die sich auf mehrere Familienmitglieder oder gar das -Adelshaus- erstreckt hätte.
1I.Königsnähe - Königsferne
Es ist daher kaum ein Zufall, daß Graf Friedrich bei seiner ersten Erwähnung
in den zeitgenössischen Quellen des späten 11. Jahrhunderts mit dem Königtum in Verbindung gebracht wird. Zählt doch die Königsnähe nach Ansicht
der neueren Forschung neben der Herzogswürde und der Verwandtschaft mit
der Königsdynastie zu den drei Faktoren, die »den Aufstieg des staufischen
Hauses zur überregionalen, universalen Wirksamkeit und Celtung«?? bedingten. Das Verhältnis der frühen -Staufer- zu Königtum und Reich verlief bis
1152 keineswegs geradlinig, sondern war von Höhen und Tiefen begleitet und
erfuhr manche Umbrüche wie die reichspolitischen Zäsuren von 1125 und 1138.
Zunächst ist aber der Blick auf die Anfänge und Entstehung dieser politisch-dynastischen Allianz zu richten. Was hat die Beziehungen Graf Friedrichs zum König 1079 begründet? König Heinrich IV. hat nach der Amtsenthebung und Ächtung der drei oppositionellen süddeutschen Herzöge, Rudolfs
von Rheinfeiden, Bertolds von Kärnten und Welfs IV. von Bayern, im Juni
1077 in Ulm fast zwei Jahre bis zu einer Wiederbesetzung des Herzogtums
Schwaben verstreichen lassen. Möglicherweise resultierte diese lange Zeitspanne aus Heinrichs Schwierigkeiten, einen geeigneten königstreuen Nachfolger für Rudolf zu finden. An Ostern 1079 erhob Heinrich IV. auf einer Ver69
KLAUS ScHREINER, Die Staufer als Herzöge von Schwaben, in: Die Zeit der Staufer (wie Anm. 8),
Bd. Ill, S. 7-19, hier S. 7.
14
Hubertus Seibert
sammlung seiner Anhänger in Regensburg. seinem wichtigsten Stützpunkt im
Süden des Reiches, den Grafen Friedrich zum neuen Herzog von Schwaben.
Die zeitnahen Chronisten nennen keinen Grund für diese auffallende Rangerhöhung Friedrichs'", Da er zu dieser Zeit offenbar weder in erkennbaren Beziehungen zum salischen Königtum stand, noch eine seine gräflichen Standesgenossen überragende Machtstellung einnahm, hat die Forschung vor allem
auf die strategische Lage seiner Besitzungen an wichtigen Durchgangsstraßen
als Hauptgrund für seine Auswahl und Erhöhung abgehoben". Zur Sicherung
der königlichen Positionen und Güter in Inner- und im östlichen Schwaben,
im Fils- und Remstal sowie im Raum Ulm, wählte Heinrich IV. offenbar gezielt einen dort begüterten, aufstrebenden Adligen aus, den er zudem durch
die Heirat mit seiner zweiten Tochter Agnes dauerhaft an das Königshaus zu
binden trachtete. Langfristig gesehen ging Heinrichs Kalkül auf. Herzog
Friedrich hat seine und seiner Familie Rangerhöhung und Förderung durch
zahlreiche Gunsterweise (Erhebung seines Bruders Otto zum Bischof von
Straßburg 1082/8472) seinem königlichen Schwiegervater zeitlebens auf vielfältige Weise gelohnt, als Heerführer, politischer Ratgeber, Intervenient und
Vermittler in Konflikten.
Von Anfang an stellte sich der neue Herzog Friedrich I. mit großem Eifer,
militärisch aber nur mit mäßigem Erfolg in den Dienst der königlichen Sache.
Der Schwerpunkt der seit 1077 geführten Kämpfe zwischen den salischen
Parteigängern und der süddeutschen Fürstenopposition lag bis 1090/93 in
Schwaben und im benachbarten Franken?', Während Friedrichs Versuche zur
Einnahme des (ost-)schwäbischen Vorortes Ulm 1079 kläglich scheiterten/s,
gelang es ihm zwischen 1082/83 und 1088/90 nur mit großer Mühe und nach
wiederholten Rückschlägen, das wichtige Augsburg gemeinsam mit dessem
heinrizianischen Bischof Siegfried für das salische Königtum zu behaupten".
Zahlenmäßig unterlegen vermied es Friedrich lange Zeit konsequent, sich
Welf IV. oder anderen fürstlichen Gegnern Heinrichs IV. in einer offenen Feld70
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VgI.Anm.30.
SäNKE LORENZ,Waiblingen - Ort der Könige und Kaiser, Waiblingen 2000, S. 114; ScHREINER,
Staufer (wie Anm. 69), S. 8.
HUBERTUSSEIBERT,Otto v. Staufen (Hohenstaufen), Bischof von Straßburg, in: Neue Deutsche
Biographie 19, 1999, S. 695.
PARLOW,Zähringer (wie Anm.29), Nr.97, 98, 101, 104-106, 109, 111 u. 133; THOMASZoTZ,
Ottonen-, Salier- und frühe Stauferzeit (911-1167), in: Handbuch der baden-württembergischen
Geschichte, Bd. 1/1: Von der Urzeit bis zum Ende der Staufer, hg. von MEINRAD5cHAAB/
HANSMARTIN
5cHw ARZMAlER,Stuttgart 2001, S. 380-528, hier S. 428-432; WILFRIEDHARTMANN,
Schwaben im Investiturstreit, in: Schwaben vor tausend Jahren, hg. von BARBARAScHOLKMANN/SäNKELoRENZ,Filderstadt 2002, S. ~1,
bes. S. 38f., 42 u. SO£.
Bertholdi Chronicon (wie Anm. 30) ad a. 1079, S. 359, Z. 14 - S. 360, Z. 12.
Annales Augustani (wie Anm. 30) ad a. 1083 u. 1084, S. 130f.; Die Regesten der Bischöfe und des
Domkapitels von Augsburg, Bd. 1: Von den Anfängen bis 1152, bearb. von WILHELMVOLKERT/
FRIEDRICHZOEPFL (Veröffentlichungen der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft
bei der
Kommission für bayerische Landesgeschichte Reihe II b), Augsburg 1985, Nr.349, 350 u. 356;
MICHAELHORN, Zur Geschichte der Bischöfe und der Bischofskirche von Augsburg, in: Die
Salier und das Reich, Bd. 2: Die Reichskirche in der Salierzeit. hg. von STEFANWEINFURTER
unter Mitarbeit von FRANKMARTINSIEFARTH,Sigmaringen 21992,S. 251-266, bes. S. 259f.
Die frühen
-Staufer«
15
schlacht zu stellen'": stattdessen verlegte er sich im Bündnis mit anderen Salieranhängern wie dem bayerischen Pfalzgrafen Rapoto V. vielfach auf einzelne
gezielte Eroberungs- und Plünderungszüge,
so im Juli (?) 1081 gegen das
schwäbische Donauwörth und im April1086 gegen die Bischofsstadt Freising",
Obwohl Herzog Friedrich bis 1098 nur über einen Großteil des nördlichen
und östlichen Schwaben gebot, gab Heinrich IV. dessen herrschaftlicher Präsenz in Schwaben und im Reich eindeutig den Vorrang vor einer möglichen
Teilnahme an den herrscherliehen Italienzügen'",
Neben den verschiedenen militärischen Unternehmen zeugen vor allem
Friedrichs vermehrte Aufenthalte am Königshof in den Jahren 1085/86, 1091,
1097 (?) und zwischen 1099 und 110379 von seinem erheblich gestiegenen Ansehen und seinem wachsenden Einfluß auf die politischen und militärischen
Entscheidungen Heinrichs IV. Im Ende 1104 ausbrechenden Konflikt zwischen
Heinrich IV. und seinem Sohn Heinrich V., der das Reich und die zur Parteinahme gezwungenen
Fürsten einer gefährlichen Zerreißprobe
aussetzte,
scheint Friedrich bis zu seinem Tod 1105 eine unparteiische Haltung eingenommen und zwischen beiden Seiten vermittelt zu haben'", In Anerkennung
dessen hat Heinrich V. Friedrichs gleichnamigen Sohn offenbar ohne erkennbare Verzögerung und Verpflichtung 1105 oder 1106 zum neuen Herzog von
Schwaben erhoben'". Die damit begründete dauerhafte Verankerung des
schwäbischen Dukats in der Familie der -Staufer- band diese künftig noch enger
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Bertholdi Chronicon (wie Anm. 30) ad a. 1079, S. 360, Z. 2-12; Chronik von Petershausen (wie
Anm. 34) II, 40, S. 116.
Chronik von Petershausen (wie Anm. 34) II, 40, S. 116; Annales Augustani (wie Anm.30) ad
a.1086, 5.132, Z.5-9; HUBERTUSSEIBERT,Vom königlichen dux zum Herzog von Bayern.
Welf IV. und der Südosten des Reiches, in: Welf IV. Schlüsselfigur einer Wendezeit. Regionale
und europäische Perspektiven, hg. von DIETERR. BAUER/MATTHIAS
BECHER(Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Beiheft 27), München 2004, S. 226-260, bes. S. 247-249.
Im Aug./Sept. 1091 hat Friedrich zusammen mit seinem Bruder, Bischof Otto von Straßburg,
aus unbekannten Gründen (Ausbau von 5t. Fides in Schlettstadt?) den Kaiser in Verona aufgesucht; anschließend kehrte er offensichtlich nach Schwaben zurück, da er in der Folgezeit nicht
mehr im kaiserlichen Gefolge in Italien nachweisbar ist: in MGH DD H IV. 424 (1091, Sept. 2) u.
426 (1091, Sept. 21) werden er und sein Bruder als Intervenientcn genannt.
MGH DD H IV. 377 (l085, Dez. 28), S.503, Z.24; 390 (1086, Apr. 29), S.516, Z.37; 424 (1091,
Sept. 2), 5.569, Z. 27; 426 (1091, Sept. 21), 5.572, Z. 2; 485 (1097 ?), 5.661, Z. 16; 463 (1099, Apr.
30), 5.625, Z. 34f.; 464 (1100, Jan. 7), S.627, Z.24; 468 (1101, Mai 16), 5.633, Z.39; 469 (1101),
5.635, Z. 20; 470 (1101, Jun. 1), 5.638, Z. 24 u. S. 639, Z. 11; 471 (1101, Aug. 3), 5.640, Z. 42; 473
(1102, Febr. 11), S. 643, Z. 18 u. 22; 476 (-), S. 650, Z. 31; 479 (1103, Ju!. 15), S. 654, Z. 17; und "511
(1088-1100), 5.699, Z. 6; ALFREDGAWUK,Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser
Heinrichs IV. (1056-1105). Der Übergang von der Interventions- zur Zeugenformel (Münchener
Historische Studien Abteilung Geschichtliche Hilfswissenschaften 7), Kallmünz 1970, 5.151.
Vg!. ferner Gesta abbatum Lobbiensium cap. 14, MGH SS 21, S. 317 Anm. 65: Herzog Friedrich 1.
unterschrieb an dritter Stelle, nach Heinrich IV. und Heinrich V., eine Urkunde Bischof Otberts
von Lüttich. die dieser bei der kaiserlichen Belagerung der Burg Limburg im Jahre 1102 ausstellte.
Armales Hildesheimenses ad a. 1105, ed. GEORGHEINRlCHPERTZ/GEORGWAITZ,MGH SS rer.
Germ. [8], Hannover 1878, S. 52.
Anonyme Kaiserchronik liber II ad a. 1105, ed. FRANZ-JOSEF
5cHMALE/IRENESCHMALE-OTT,in:
Frutolfs und Ekkehards Chroniken (wie Anm.31), 5.236, Z.23-25; Otto von Freising, Gesta
(wie Anrn. 17) 1,10, S. 148, Z. 2lf.
16
Hubertus Seibert
an das salische Königshaus und dessen Schicksal und bildete eine unerläßliehe Voraussetzung für eine Fortsetzung und Intensivierung ihrer vielfach
bewährten Aktionsgemeinschaft.
Herzog Friedrich 11. begegnet erstmals 1108 am Hof seines königlichen
Onkels'", Seit dem ersten Italienzug Heinrichs V. 1110/11 zählte er nach Pfalzgraf Gottfried von Calw und Graf Berengar von Sulzbach zu den engsten weltlichen Vertrauten und tatkräftigsten Helfern des Kaisers'", In der Folgezeit verfocht er an führender Stelle die kaiserlichen Interessen in dem sich seit 1115/16
erheblich verschärfenden Kampf mit der sächsisch-rheinischen Fürstenopposition'", Seinen rastlosen Einsatz für König und Reich belohnte Heinrich V. mit
der Übertragung der Reichsverweserschaft, als er 1116 für fast zwei Jahre nach
Italien zog'". Friedrichs jüngerer Bruder Konrad, der insgesamt nur drei Mal am
salischen Königshof nachzuweisen ist und seinem Onkel erheblich ferner
stand'", empfing zur gleichen Zeit die herzogliche Gewalt über den östlichen,
herrschaftlich vom Bischof von Würzburg beanspruchten Teil Frankens'".
Nach der Rückkehr Heinrichs V. aus Italien wuchs sich sein Konflikt mit
den Fürsten seit 1119/20 zu einer gefährlichen Krise aus, die das Ordnungsgefüge und den Fortbestand des Reiches existentiell bedrohten'", Diese aussichtslose Lage trieb Friedrich und seinen Bruder auf die Seite der Gegner des
Kaisers. Ihre wachsende Distanz zur kaiserlichen Politik manifestierte sich in
massiven politischen Differenzen mit Heinrich V., beispielsweise im Würzburger Bistumsstreit 112289 oder im Wormser Bischofsschisma 112490• Um
diese offenkundige Entfremdung zu erklären, hat die Forschung vor allem auf
die unterschiedlichen territorialen Interessen der Beteiligten und auf mögliche
persönliche Motive der Neffen abgehoben?', Dabei hat sie aber außer Acht
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St. 3032 (1108, Sept. 29), ed. THEODORMAYER,Spicilegium von Urkunden aus der Zeit der
österreichischen Babenberger-Fürsten,
in: Archiv für Kunde österreichischer GeschichtsQuellen 6, 1851, S. 294-296.
Dazu im einzelnen DENOORFER,
Fidi mi/ites (wie Anm. 9), S. 223-228 u. 234-239.
Annalium Patherbrunnensium fragmenta ad a. 1116, MGH SS 30/2, S. 1331f.; Ekkehardi Chronica (wie Anm. 31), Rec. IV. ad a. 1117, S. 336, Z. 26-30; Armales Hildesheimenses (wie Anm. 80)
ad a. 1118, S. 64; Annalista Saxo (wie Anm. 45) ad a. 1116 u. 1117, S. 753£.
Chronik von Petershausen (wie Anm.34) Ill, 43, S. 164: summam rerum commendaoii (sc. Heinrich V.); fast gleichlautend Otto von Freising, Chronica (wie Anm.37) VII, 15, S.33O, Z.4f.;
CHRISTOPHWALDECKER,Herzog Friedrich II. von Schwaben als Reichsregent 1116-1118, in:
Vergangenheit lebendig machen. Festgabe für Ingrid Heidrich zum 60. Geburtstag von ihren
Schülerinnen und Schülern, hg. von SABINEHAPP/CHRISTOPHWALDECKER,
Bonn 1999, S. 50-61.
DENDORFER,
Fidi mi/ites (wie Anm. 9), S. 224£.
Ekkehardi Chronica (wie Anm.31), Rec. Ill. ad a. 1116, S.316, Z.25-28; LUBICH,Weg (wie
Anm. 46), S. 162-168.
JUTIA ScHLICK,König, Fürsten und Reich 1056-1159. Herrschaftsverständnis im Wandel (Mittelalter-Forschungen 7), Stuttgart 2001, S.76--80; STEFANWEINFURTER,Das Jahrhundert der
Salier (1024-1125), Ostfildern 2004, S. 182 u. 184f.
Ekkehardi Chronica (wie Anm.31), Rec. IV. ad a. 1122, S.354, Z. 1-21, ad a. 1124, S.368,
Z. 16-19; LUBICH,Weg (wie Anm. 46), S. 192-202.
HUBERTUS
SEIBERT,Reichsbischof und Herrscher. Zu den Beziehungen zwischen Königtum und
Wormser Bischöfen in spätsalisch-frühstaufischer Zeit (1107-1217), in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 143, 1995, S. 97-144, bes. S. 107-109.
ENGELS,Staufer (wie Anm. 52), S. 22f.; zorz, Ottonenzeit (wie Anm. 73), S. 435.
Oiefrühen »Staufcr,
17
gelassen, daß sich insbesondere Friedrich seit 1119 neben und zusammen mit
den verschiedenen geistlichen und weltlichen Fürsten nachdrücklich für die
Wiederherstellung von Frieden und Ordnung im Reich eingesetzt hat92• Dieses
Anliegen und ein zweites Ziel - die angestrebte Einigung im Konflikt zwischen Kaiser und Papst'" - bewogen ihn zum Wechsel in das Lager der politischen Gegner des Kaisers, während dieser die Einigungs- und Friedensbemühungen der Fürsten mit allen Mitteln zu hintertreiben suchte. Als weiterer
Beweggrund Friedrichs neben seiner ausgeprägten fürstlichen Verantwortung
für das Reich ist vor allem seine Sorge um die Nachfolge in Königtum und
Reich als Erbe und Verwandter des Kaisers nach dessen seit 1123/24 absehbaren Tod in Rechnung zu stellen. Trotz dieser erheblichen Differenzen kam es
nicht zu einem dauerhaften Zerwürfnis zwischen Heinrich V. und seinen Neffen, wie Friedrichs sporadisches Auftreten am kaiserlichen Hof nach 112294
und vor allem Heinrichs testamentarische Verfügung de regni statu kurz vor
seinem Tode belegen. Nach Ekkehards Deutung bestimmte Heinrich darin
seinen Neffen Friedrich zum Allodialerben, dem er sein Eigentum (proprietates
suas) und die Königin - gleichsam als Unterpfand des Reichs - anvertraute'",
Bei der für Ende August 1125 in Mainz anberaumten Königswahl= suchte
Herzog Friedrich n. seinen - von manchen geteilten'? - Anspruch als Mitglied
der -stirps regia, und gleichsam geeignetster Anwärter auf die Nachfolge
Heinrichs V. im Königtum erfolgreich durchzusetzen. Sein allzu siegesgewisses, als hochmütig empfundenes Auftreten (ambicione cecatus98) und die bei
nicht wenigen der einstigen Saliergegner vorhandenen persönlichen Vorbehalte gegen den -Staufer- machten jedoch Friedrichs Hoffnungen und Erwartungen rasch zunichte. Seine ausgeprägte Königsnähe und Verwandtschaft mit
dem Königshaus - Eigenschaften und soziale Werte, die bei früheren Königs92
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Grundlegend fur diese Deutung sind die Ergebnisse von DENDORFER,Fidi milites (wie Anm. 9),
5.239-258.
Principum de restituenda pace consilium Wirceburgense, MGH Const. I, Nr. 106, S. 158, cap. 1:
Donmus inperator apostolice scdi obediat; zuletzt WEINFURTER,
Jahrhundert (wie Anm. 88), S. 180f.
DENOORFER,
Fidi miliics (wie Anm. 9), S. 258 u. 262.
Ekkehardi Chronica (wie Anm. 31), Rec. IV. ad a. 1125, S. 374, Z. 13-17.
HAGEN KELLER,Schwäbische Herzöge als Thronbewerber. Hermann 11. (1002), Rudolf von
Rheinfelden (1077), Friedrich von Staufen (1125). Zur Entwicklung von Reichsidee und Fürstenverantwortung, WahIverständnis und Wahlverfahren im 11. und 12.Jahrhundert, in: Zeitschrift fur die Geschichte des Oberrheins 131, 1983, 5.123-162, hier S. 123-125 u. 152; ULRICH
ScHlvllDT,Königswahl und Thronfolge im 12. Jahrhundert (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 7), Köln 1987, 5.34-59; LUDWIGVONES,Der gescheiterte Königsmacher. Erzbischof Adalbert I. und die Wahl von 1125, in: Historisches Jahrbuch 115, 1995,
5.85--124; ScHLICK,König (wie Anm. 88), 5.83-95, jeweils mit weiterführenden Hinweisen.
Chronicon s. Andreae (wie Anm. 36) Ill, 33, 5.547, Z. 14: ... cognati eius (se, Heinrichs V.) Conradus et Fredericus hercditarie regnum sibi txllent usurpare; Ekkehardi Chronica (wie Anm.31),
Rec. IV. ad a. 1125, S. 374, Z. 16£.:proprietates slIas atque reginam eiusdem Friderici utpote heredis sui
fidei commisii (se, Heinrich V.); Otto von Freising, Gesta (wie Anm. 17) 1,17, S. 156, Z. 31: predictus
dux ad regllum a multis exposceretur, u. S. 158, Z. 4; WELLER,Heiratspolitik (wie Anm. 30), S. 18f.
Narratio de electione Lotharii Saxoniae ducis in rcgem Romanorum, MGH SS 12, 5.510-512,
cap.3, S.51O, Z.37-40 u. 46 - 5.511, Z. 3 (Zitat, Z.37), ferner cap. 1, 5.510, Z. 19-24, u. cap.4,
5.511, Z. 4--6; ScHLICK,König (wie Anm. 88), S. 91 u.94.
18
Hubertus Seibert
erhebungen als Ausweis besonderer Eignung des e1igendus gegolten hatten, _
erwiesen sich 1125 in Mainz hingegen als entscheidender Nachteil für ihn
gegenüber seinen Konkurrenten und bildeten gleichsam einen politischen
Ausschlußgrund für seine Wahl und Nachfolge im Königtum.
Friedrichs Wahlniederlage und sein Ende 1125 ausbrechender Konflikt mit
König und Fürsten?', der sich an seiner Weigerung zur Rückgabe des ihm von
Heinrich V. anvertrauten Reichsguts entzündet hatte, führten zum Bruch mit
dem Königtum und bedeuteten das vorläufige Ende der auf König und Reich
ausgerichteten politischen Handlungsstrategie der -Staufer-. Bei dieser Haltung beließen es Friedrich und sein Bruder Konrad jedoch keineswegs. Bereits
im Dezember 1127 verliehen sie ihrem vermeintlich legitimen Anspruch auf
das Königtum noch auf andere, höchst augenfällige Weise Ausdruck und Geltung. Offenbar auf Betreiben Friedrichs wählten die staufischen Anhänger
seinen Bruder Konrad auf fränkischem Boden - auf der Reichsburg Nümberg
oder auf der Nivenburc bei Gellingen bzw. bei Burg Rothenburg ob der Tauber
- zum (Gegen-)König1OO• Die Wahl fiel ganz bewußt auf Konrad, da er König
Lothar III. noch nicht gehuldigt hatte und infolgedessen - anders als sein Bruder - keine Anklage wegen Eidbruchs zu befürchten hatte'?', Mit diesem Akt
kündigten sie König Lothar nicht nur Treue und Gefolgschaft auf, sie erklärten
vielmehr sein Königtum gleichsam vor aller Welt für illegitim und nicht existent. Die Reaktion der zeitnahen Chronisten auf diesen Schritt der -Stauferwar nahezu einhellig und unmißverständlich: sie brandmarkten Konrads
Wahl als Usurpation'F,
Ein das Ordnungsgefüge des Reiches erschütternder jahrelanger Bürgerkrieg war die Folge. Während sich Konrad schon bald dem Kampfgetümmel
entzog und sein Aktionsfeld - für Lothar Ill. überraschend - ohne den von
ihm erhofften durchschlagenden Erfolg nach Oberitalien (Krönung zum rex
Italiae in Monza am 29. Juni 1128)103 verlegte, hielt Friedrich der feindlichen
Übermacht trotz mancher Niederlagen bis 1134 stand'?'. Auf Vermittlung Kai99
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Annalista Saxo (wie Anm. 45) ad a. 1126, 5.763, Z. 14f., u. ad a. 1127, S. 765, Z. 27-32; JOHANN
FRIEDRICHBöHMER,Die Regesten des Kaiserreiches unter Lothar Ill. und Konrad Ill., 1. Teil:
Lothar rn. 1125 (1075)--1137, neubearb. von WOLFGANGPETKE(Regesta Imperii 1V,l/1), Köln
1994, Nr. 98, 106 u. 115.
Annalista Saxo (wie Anm.45) ad a. 1128, 5.765, Z.4Of.; Bertholdi Chronicon (wie Anm.34)
cap. 30, S. 232; Otto von Freising, Chronica (wie Anm. 37) VII, 17, S. 334, Z. 3f.; BöHMER/PETKE
(wie Anm.99), Nr.l50 u. 151; WOLFGANGGIESE,Das Gegenkönigtum des Staufers Konrad
1127-1135, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanist. Abteilung 95,
1978, 5.202-220, sieht Konrads Gegenkönigtum auf dessen Erbanspruch gegründet; dagegen
SCHMIDT,Königswahl (wie Anm. %), S.~;
zum Wahlort zuletzt LUSICH, Besitz (wie
Anm. 46), S. 408.
GERDALTHOFF,Konrad m. (1138-1152) mit Heinrich (1147-1150), in: Die deutschen Herrscher
des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919-1519), hg. von
BERND5cHNEIDMÜLLER/STEFAN
WElNFURTER,
München 2003, S. 217-231, hier 5.206.
5cHMIDT,Königswahl (wie Anm. %), S. 63 mit Verweis auf die einschlägigen Quellen.
AnnaIista Saxo (wie Anm. 45) ad a. 1127, S. 765, Z. 32f.; Otto von Freising, Chronica (wie Anm. 37)
vrr, 18, 5.335, Z.llf.; GIESE,Gegenkönigtum (wie Anm.loo), 5.203-206 u. 214; zuletzt JAN PAUL
NIEDERKORN,
Konrad rn. als Gegenkönig in Italien, in: Deutsches Archiv 49, 1993, S. 589-600.
BöHMER/PETKE(wie Anm. 99), Nr. 106, 132, 141, 145, 149, 155,208,211,281 u. 411--414.
Die frühen -Staujer.
19
serin Richenzas unterwarf er sich Lothar Ill. schließlich im Oktober 1134 in
Fulda und wurde auf Intervention Bemhards von Clairvaux im März 1135 in
Bamberg wieder in die kaiserliche Gnade aufgenommen'P''. Auch Konrad
schloß auf dem Hoftag in Mühlhausen, im September 1135, Frieden mit Lothar
und verpflichtete sich zudem - wie sein Bruder - zur Teilnahme an dem für
August 1136 angesagten ltalienzug des Kaisersl'", Lothar restituierte ihm daraufhin die meisten der eingezogenen Güter (und Rechte ?), beschenkte ihn
königlich und entließ ihn ehrenvoll. Mit seiner Indienstnahme als Bannerträger des kaiserlichen Heeres in Italien vollzog Konrad - anders als sein Bruder - eine bewußte neuerliche Annäherung an das Königtum. Sie förderte sein
Ansehen bei den beteiligten Fürsten merklich und wirkte sich offenbar positiv
aus auf seine Einschätzung als königsfähig durch Fürsten und zeitgenössische
Chronisten, was zudem seine erstaunlich schnelle Durchsetzung nach seiner
Wahl als König 1138 erklärtl'".
Bereits wenige Monate nach dem Tod Kaiser Lothars am 4. Dezember 1137
erreichten die -Staufer- somit ein langfristig angestrebtes Ziel, als mit Konrad
ein Mitglied der vierten Generation des Geschlechts den Königsthron bestieg.
Mit der von Herzog Friedrich 11. initiierten, von zwei päpstlichen Legaten und
wenigen Fürsten unterstützten Wahl in Koblenz+", am 7. März 1138, landeten
die Stauferanhänger einen Überraschungscoup
- oder »Staatstreich-P? (?) und schafften sie -langfristig gesehen - unverrückbare Fakten. Anders als der
zum Nachfolger Lothars erkorene, für hochmütig erachtete >Welfe< Heinrich
der Stolze hatten Konrad und Friedrich offensichtlich entsprechende Lehren
aus dem Verlauf und Ausgang der Wahl von 1125 gezogen'". Als Konrad auf
dem von zahlreichen Fürsten besuchten Pfingsthoftag in Bamberg, am 22. Mai
1138, die allgemeine Anerkennung fand, schien alles Weitere nur noch reine
Formsache zu sein'!'. Doch der 1138 ausbrechende Konflikt und bis 1152 feh-
105 Annalista Saxo (wie Anm.45) ad a. 1134 u. 1135, S.769, Z. 13-20 u. Z.26-29; BöHMER/PETKE
(wie Arun. 99), Nr. 417 u. 429.
106 BöHMER/PETKE(wie Anm. 99), Nr. 456 u. 494.
107 GERHARDLUBICH,Beobachtungen zur Wahl Konrads Ill. und ihrem Umfeld, in: Historisches
Jahrbuch 117,1997, S. 311-339, bes. S. 314f. u. 323.
108 Annalista Saxo (wie Anm.45) ad a. 1138, 5.776, Z. 17-22; Otto von Freising, Chronica (wie
Anm, 37) VII, 22, S. 343, Z. 16-26; Otto von Freising, Gesta (wie Arun. 17) I, 23, S. 166-168; Gesta
Alberonis archiepiscopi auctore Balderico, MGH SS 8, 5.243-260, cap.15, 5.252, Z.12-18;
Annales Magdeburgenses ad a. 1138, MGH SS 16, S. 186, Z. 34-37; SCHMIDT,Königswahl (wie
Arun.96), 5.81--85; URSULAVONES-LrEBENSTEIN,
Neue Aspekte zur Wahl Konrads Ill. (1138).
Dietwin von Santa Rufina, Albero von Trier, Amold von Köln, in: Köln - Stadt und Bistum in
Kirche und Reich des Mittelalters. Festschrift für Odilo Engels zum 65. Geburtstag, hg. von
HANNA VOLLRATH/STEFAN
WE[]\;FURTER,
Köln 1993, 5.323-348; LUBICH,Beobachtungen (wie
Anm. 107), passim; zuletzt ScHLICK,König (wie Anm. 88), S. 131-145.
109 So ENGE1.5,Staufer (wie Anm. 52), 5.33; ROLANDPAULER,War Konrads Ill. Wahl irregulär", in:
Deutsches Archiv 52,1996, 5.135--159.
110 Bertholdi Chronicon (wie Anm.34) cap.3O, 5.234; Otto von Freising, Chronica (wie Anm.37)
VII, 24, S. 347, Z. 16 - S. 348, Z. 17; 5cHL1CK,König (wie Anm. 88), S. 135.
111 Otto von Freising, Chronica (wie Anm.37) VII, 23, 5.344, Z. 15-19; ScHLICK, König (wie
Arun. 88), S. 136f.
20
Hubertus Seibert
lende Ausgleich mit den >Welfen,1l2 bildeten eine schwere Hypothek für Konrads Königtum und wurden geradezu zu einem charakteristischen Signum
seiner Regierung. Die Forschung hat dies mit seiner offensichtlichen Unfähigkeit erklärt, seinen vornehmsten Aufgaben als König, der Sorge für Frieden
und Gerechtigkeit, umfassend und kompetent gerecht zu werden und die
gewaltigen Probleme der Reichsordnung zu lösen'P. Daß Konrad Ill. als einziger der hochmittelalterlichen römisch-deutschen Könige nie die Kaiserwürde
errang und die Interessen des Reiches in Italien massiv vernachlässigte, scheinen das Bild eines glücklosen und schwachen Herrschers zu zeichnen, der
allenfalls zum Wegbereiter seines glanzvollen und tatkräftigen Nachfolgers
Friedrich Barbarossa taugte114• Aber ist Konrads Königtum nur am Maßstab
von Erfolg und Mißerfolg zu messen? Lassen sich in Konrads Politik und königlichem Handeln keine Hinweise »für eine grundsätzlich andere Bewertung«115seiner Herrschaft finden?
Eine neuere, umfassende Würdigung von Konrads Königtum und Politik,
den Grundlagen, Mitteln und Trägem seiner Königsherrschaft, ihren Konzepten
und ihrer Wirkungsweise ist seit dem Werk von Wilhelm Bemhardi von 1883116
ein dringendes Forschungsdesiderat. Neuere Forschungsübersichten und weiterführende Erkenntnisse liegen bereits für manche Einzelbereiche und -fragen
wie Konrads Kirchenpolitik und sein Verhältnis zu den Bischöfen!'? vor. In Weiterführung und Korrektur des bisherigen Forschungsstandes vermag jetzt Knut
Görich zu zeigen, welch erhebliche Anstrengungen Konrad zur Wahrung seines
königlichen honor und zur Steigerung der herrscherliehen Autorität unternahm!". Eine bisher fehlende, genauere Untersuchung der herrscherIichen
Entourage Konrads durch [an Keupp verdeutlicht, wie nachdrücklich sich
112 EGONBosHOF, Staufer und Welfen in der Regierungszeit Konrads Ill. Die ersten Welfenprozesse und die Opposition Welfs VI., in: Archiv für Kulturgeschichte 70, 1988, 5.313-341; GERD
ALTHOFF,Konfliktverhalten und Rechtsbewußtsein in der Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Frühmittelalterliche Studien 26, 1992, 5.331-352; JA.'I PAULNIEDERKORN,Welf VI. und Konrad m,
in: Die Welfen. Landesgeschichtliche Aspekte ihrer Herrschaft (Forum Suevicum. Beiträge zur
Geschichte Ostschwabens und der benachbarten Regionen 2), hg. von KARL-LUDWIGAY/
LORENZMAIER/JOACHIM
JAHN t, Konstanz 1998, 5.135-150; zuletzt ScHNEIDMÜLLER,Welfen
(wie Anm. 47), 5.173-188.
113 Zuletzt ALlHOFF, Konrad (wie Anm. 101), 5.222, und ScHNEIDMÜllER,Welfen (wie Anm.47),
5.188.
114 ENGELS,Staufer (wie Anm.52), S.47f. u. 53-55; DERS.,Konrad Ill., in: Lexikon für Theologie
und Kirche 3. Auflage, Bd. 6,1997, Sp. 279f.
115 Skeptisch ALTHOFF,Konrad (wie Anm. 101), 5.231; erste wichtige Hinweise zu einer Neubewertung von Konrads Königtum bietet schon ScHLICK,König (wie Anm. 88), 5.142-164.
116 WILHELMBERNHARDI,Jahrbücher des deutschen Reiches unter Konrad Ill. (Iahrbüchcr der
Deutschen Geschichte), Leipzig 1883.
117 GERHARDDILCHER,Königliche Privilegienemeuerung und kirchliches Reformdenken bei Konrad IlL, in: Nit anders denn liebs und guets. Petershauser Kolloquium aus Anlaß des achtzigsten Geburtstags von Karl S. Bader, hg. von CLAUSDIETER
5cHorr/CLAUDIO SaLIVA,Sigmaringen 1986, 5.47-55; BERND5cHüTIE, König Konrad Ill. und der deutsche Reichsepiskopat
(Studien zur Geschichtsforschung des Mittelalters 20), Hamburg 2004.
118 KNUTGöRlCH, Wahrung des honor. Ein Grundsatz im politischen Handeln König Konrads Ill.,
in diesem Band, S. 267-297.
Die frühen
-Staufer,
21
Valenz und Dignität einer zuverlässigen Anhängerschaft
auf die eigenen
Handlungs- und Erfolgschancen auswirktenl-", Die Wahl und rasche Durchsetzung ihres Verwandten Konrad als König konfrontierte die übrigen Familienmitglieder mit der Frage nach der künftigen Gestaltung ihres Verhältnisses
zum Königtum. Verfolgten Konrad und seine Verwandten gemeinsame politische Ziele zum Wohl von König und Reich? Oder stellten sie ihr herrschaftliches Handeln auf der Königs- bzw. Herzogsebene vorrangig in den Dienst
-staufischer Familieninteressen <120?
Festzuhalten bleibt: Das Ordnungs- und Handlungsmuster
KönigsnäheKönigsferne eignet sich in besonderer Weise zur Erfassung des Verhältnisses
der frühen -Staufer- zum Königtum, das einern stetigen Wandel unterlag. In
ihren Beziehungen zu König und Reich lassen sich bis 1152 drei verschiedene
Phasen ausmachen. Die Bestellung des schwäbischen Grafen Friedrich zum
neuen schwäbischen Herzog 1079 und dessen Konnubium mit der salischen
Königstochter Agnes bildeten den Auftakt zu einer ersten Phase großer Nähe
in dem auf Verwandtschaft, persönliche Treue und Reichsdienst gegründeten
Verhältnis. Die Verwandtschaft mit der salischen Königsdynastie und die seit
1079 durch stetigen Einsatz für Königtum und Reich vielfach bezeugte Königsnähe der frühen -Staufer- erwiesen sich 1125 für Herzog Friedrich II. als
entscheidender Wettbewerbsnachteil und bildeten - neben seinem persönlich
anfechtbaren Verhalten - den politischen Ausschlußgrund für seine angestrebte
Wahl zum König als erster Anwärter auf die Nachfolge im Reich. Die bis
1135/37 währende Phase ausgeprägter Königsferne der -Staufer- ist durch deren erfolglose Bemühungen um die Durchsetzung ihrer Ansprüche auf das Königtum und den daraus resultierenden Bürgerkrieg gekennzeichnet, der schließlich mit ihrer bedingungslosen Unterwerfung vor Kaiser Lothar Ill. endete.
Mit der Wahl Konrads Ill. zum römisch-deutschen König 1138 erreichten
die -Staufer- das vorrangige Ziel ihres konsequent betriebenen politischen
Aufstiegs. Ihr Verhältnis zu Königtum und Reich erlangte damit eine neuartige, gesteigerte Qualität. Daß der König nunmehr der eigenen Familie entstammte, leitete nicht nur eine weitere Phase engster gegenseitiger Beziehungen ein, sondern stellte beide Seiten auch vor neue Bewährungsproben
und
Herausforderungen.
Konrads III. Herrschaft und Politik im Reich würde künftig den Gradmesser dafür darstellen, ob sich königliche Ansprüche und -staufische FamiIieninteressen< miteinander vereinen ließen oder ob auf der Ebene
von Herrschaftsbildung
und Territorialausbau massive Interessengegensätze
und Konflikte zwischen Konrad und seinen Verwandten drohten. Damit ist
die zentrale Frage nach den Grundlagen und Zielen staufischen Herrschaftsund Territorialaufbaus vor 1152 aufgeworfen, die es im folgenden, letzten Abschnitt zu beantworten gilt.
119
KEUPP,Interaktion als Investition. Überlegungen zum Sozialkapital König Konrads III., in
diesem Band, S. 299-321.
120 WEIt"lERHECHBERGER,
Konrad Ill. - Königliche Politik und -staufische Familieninteressen.P, in
diesem Band, S. 323-340.
JAN
22
Hubertus Seibert
Ill. Besitzgrundlagen
und Herrschaftsaufbau
Wie viele andere Adelsgeschlechter
ihrer Zeit gründeten auch die frühen
-Staufer- ihre materielle Existenz, ihren adligen Rang und ihre politische
Macht sowohl auf Grund- und Lehensbesitz als auch auf herrschaftliche Instrumente wie auf vorn König verliehene Ämter, auf Burgen, Eigenkirchen,
Klostergründungen und Vogteirechte sowie auf eine Gefolgschaft von Adligen
und Ministerialen.
Grund- und Forstbesitz bildeten das materielle Substrat einer jeden Adelsherrschaft und damit die wichtigste Voraussetzung für jegliche Form von
Herrschaftsaufbau und Territorialausbau. Die Forschung hat den Besitzgrundlagen der -Staufer- seit jeher erhebliche Bedeutung beigemessen und zu deren
Erfassung und Bewertung insbesondere die Lage und den Umfang des jeweiligen Besitzes, dessen Herkunft, Nutzung und Funktion untersucht. Eine kritische Bestandsaufnahme der ältesten -staufischen- Besitzungen vor 1152 wurde
und wird durch die schlechte Überlieferungslage erschwert'?'. Die ältere Forschung hat dieses grundsätzliche Problem kaum thematisiert und sich vielfach
damit beholfen, jüngere Befunde in die Zeit des späten 11. und frühen 12. Jahrhunderts zurückzuprojizieren 122.
Die wichtigsten Besitzschwerpunkte der -Staufer- im Zeitraum bis 1138 befanden sich in Schwaben, im Elsaß und in Franken. Ihr anfänglich bescheidener Land- und Forstbesitz setzte sich aus Allod, salischem Erbgut und
Reichs- bzw. Kirchenlehen zusammen. Ihre ältesten schwäbischen Besitzungen
unbekannter Herkunft lagen im Norden des Herzogtums im Gebiet zwischen
Fils, Rems und Welzheimer Wald und waren auf die frühen Herrschaftsmittelpunkte Lorch, den Hohenstaufen und (Schwäbisch) Gmünd ausgerichter'P.
Weitere, namentlich nicht bekannte Güter im Rernstal fielen Herzog Friedrich I.
nach 1079 offenbar als Mitgift seiner Frau Agnes, der Tochter König Heinrichs IV., aus salischem Haus- oder Reichsbesitz zum. Wann (vor 1101 ?) und
wie (als Kirchenlehen oder über Vogteirechte?) die von Heinrich IV. 1080 und
1086 an das Domkapitel und die bischöfliche Kirche von Speyer übertragenen
121 Die beste Übersicht über die staufischen Besitzungen bietet FRANZXAVERVOLLMER,Besitz der
Staufer (bis 1250) Beiwort zur Karte V,4, in: Historischer Atlas von Baden-Württemberg Erläuterungen VA, Stuttgart 1976, zur spärlichen Quellenbasis bis 1152 bes. S. 2 u. 12.
122 STÄLlN,Wirtembergische Geschichte (wie Anm. 8), S. 23~244; HEUERMANN,Hausmachtpolitik
(wie Anm.l0), passim. Zur Vereinfachung der genealogisch-besitzgeschichtlichen
Untersuchungsmethode kritisch HUBERTRuss, Die Edelfreien und Grafen von Truhendingen. Studien
zur Geschichte eines Dynastengeschlechtes im fränkisch-schwäbisch-bayerischen
Grenzraum
vom frühen 12. bis frühen 15. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische
Geschichte IX/40), Neustadt/Aisch 1992, S. 13-18; jetzt GERHARDLUBICH,Territorien-, Klosterund Bistumspolitik in einer Gesellschaft im Wandel. Zur politischen Komponente des Herrschaftsaufbaus der Staufer vor 1138, in diesem Band, S. 179--211,hier S. 182.
123 HELMUTMAURER,Cöppingen, in: Die deutschen Königspfalzen (wie Anm. 3), 2. Lieferung,
Göttingen 1993, S. 141-147, hier 5.145.
124 LORENZ,Waiblingen (wie Anm. 71), S. 117.
Die frühe1l -Staufer,
23
salischen Hausgüter Waiblingen und Winterbach im unteren Remstal in -staufisehen- Besitz übergingen, berichtet keine zeitnahe Quelle125•
Im mittleren Neckartal und im östlichen Schwaben faßten die -Staufer- besitzmäßig und herrschaftlich noch im ausgehenden 11. Jahrhundert Fuß. In Esslingen standen die Kirche und weitere Güter in ihrem Besitz126; im herzoglichen
Vorort VIm geboten sie spätestens seit 1098 über die dortigen Reichsrechte-".
Die besondere Bedeutung und politische Funktion der ältesten schwäbischen Stammgüter der -Staufer- basierte auf ihrer Lage an wichtigen Verkehrswegen, an der Straße von Oberschwaben über Ulm durch das Filstal
nach Speyer und an der West-Ost-Route vom Rhein durch das Remstal zur
Donau über Gmünd und Närdlingen nach Donauwörth-".
Die elsässischen Besitzgrundlagen der frühen -Staufer- überragten die schwäbischen nachweislich an Alter wie Umfang. Dies evoziert die bislang von der
Forschung kaum gestellte Frage, ob die Ursprünge dieser Familie vielmehr im
elsässischen Raum lagen und sie daher als »elsässisches Adelsgeschlecht«
anzusprechen sei129. Die um oder kurz vor 1050 geschlossene Ehe von Herzog
Friedrichs gleichnamigem Vater mit Hildegard von Egisheim (Schlettstadt)
verband seine Familie nicht nur verwandtschaftlich
mit einem der mächtigsten und angesehensten Adelsgeschlechter im Südwesten des Reichesl'", sie
bescherte ihr auch eine reiche Mitgift an Gütern und Rechtstiteln. Dazu zählte
vor allem ein großer Besitzkomplex um den einstigen karolingischen Pfalzort
schlettstadt'".
Friedrich (von -Büren-) verfügte in diesem Gebiet zudem über
weitere, von ihm selbst erworbene Güter wie das Allod in der marcha Wittisheim132, das seine Frau und Kinder vor 1094 an ihre Kirchengründung St. Fides in Schlettstadt schenkten.
125 MGH DD H IV. 325 (1080, Okt. 14) u. 380 (1086, Jan. 12); in seiner Besitzbestätigung für das
Domkapitel von Speyer von 1101, Apr. 10, D H IV. 466, wird Winterbach nicht mehr erwähnt;
CASPAREHLERS,Metropolis Germaniae. Studien zur Bedeutung Speyers für das Königtum
(751-1250) (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 125), Göttingen 1996,
S. 169-171 u. 197f.; LoRE,,\/Z,Waiblingen (wie Anm. 71), S. 113 u. 116f.; LUBICH,Territorienpolitik (wie Anm. 122), S. 187 erwägt, ob Waiblingen erst 1138 an die -Staufer- fiel.
126 HELMUT MAURER, Esslingen, in: Die deutschen Königspfalzen (wie Anm. 3), 1. Lieferung,
Göttingen 1988, S. 95-112, u. 2. Lieferung, Göttingen 1993, S. 113-118, hier S. 112.
127 IMMO EBERL,Siedlung und Pfalz Ulm. Von der Gründung in der Merowingerzeit bis zur
Zerstörung im Jahre 1134, in: Zeitschrift für württembergische
Landesgeschichte 41, 1982,
S. 431-457, bes. S. 454f. u. 457.
128 SCHREINER,Staufer (wie Anm. 69), S. 8; LORENZ,Waiblingen (wie Anm. 71), S. 114.
129 Dazu jetzt DAI\.1ELZIEMA.."N,Die Staufer - Ein elsässisches Adelsgeschlecht?, in diesem Band,
S.99-133.
130 Grundlegend HLAWITSCHKA,
Grundlagen (wie Anm. 26), S. 31-102, bes. S. 51-57 u. 62; THOMAS
SEILER,Die frühstaufische Territorialpolitik im Elsaß, Hamburg 1995, S.48f., 59 u. 95; FRANK
LEGL, Studien zur Geschichte der Grafen von Dagsburg-Egisheim (Veröffentlichungen der
Kommission für saarländische Landesgeschichte und Volksforschung 31), Saarbrücken 1998,
S. 52, 58f. u. 474f.
131 HLAWITSCHKA,Grundlagen (wie Anm.26), S.38 u. 44-47; SEILER,Territorialpolitik (wie
Anm. 130), S. 59--62u. 95.
132 WÜRDlWEIN,Nova subsidia (wie Anm. 26), Nr. 110, S. 258f., hier S. 258: ... iradidimus (se, Bischof
Otto von Straßburg) allodium Ullum, quod in Withenesheim marclza hereditario paierne acquisitionis
jure possedimus; HLAWITSCHKA,
Grundlagen (wie Anm. 26), S. 37 u. 43.
24
Hubertus
Seibert
. es
ein _
Seinem Sohn, Herzog Friedrich I., gelang nach 1?79 dile IAusbildung
ß Zur umf~gl
zweiten >staufischen, Besitzschwerpunktes im nördlichen ~ sa . eh ein DrItte
reichen Mitgift seiner salischen Gemahlin gehörte vermutliC~tUdie Salier u~d
des ausgedehnten Heiligen Forstes, über dessen weitere Ante~ e rfüg
die
ten
die Grafen von Mömpelgard-Lützelburg
gebotenlP. Damit v~ Landl<o.rn>Staufer, über einen ertragreichen und ausbaufähigen Wald- :~errschafthCh
plex, den sie in der Folgezeit siedlungsmäßig e~schlossen un d 1125134, schuf
durchdrangen. Mit der Gründung Hagenaus. ZWischen 1115 u.n
staufische~
Her~og .Fri~drich 1.1. den z~ntralen Mitt~lpunkt der ~xpansl~;;erb des sahTerntonalblldung rm nördlichen Elsaß, die - nach erblichem
dem Kloster
schen Anteils 1125 und der gewaltsamen Aneignung des letzten, terben der
S W lb
.
. Is nac.h dem Auss
t. a urg testamentansch
zustehenden Dntte
0 das gesarnte
Grafen von Lützelburg im Mannesstamm (t 1143) _ seit ca. 115
Gebiet des Heiligen Forstes umfaßtem.
. königlichen
Von ihren Positionen im Elsaß griffen die frühen >Staufer' im
gspun1<te
Auftrag anscheinend noch vor 1100 nach Rheinfranken aus. Als Au~gru; Weißenihrer136
Herrschaftsausübung in diesem Raum dienten ihnen die ~öste rll'ehenen
burg
und Limburg an der HaardtlV,
wo die ihnen vom K'on 19 veive besitzReichsiehen und Vogteien die rechtliche Grundlage für ihre sukzessl bildeten.
mäßige und herrschaftliche Verankerung im Speyer- und Worms~~u en linkS
Unter Heinrich V. bauten die -Staufer. ihre fränkischen BesitzpOSltlO~genö55ides Rheins offenbar Zielstrebig aus - ein Prozeß, der sich mangels zel
sie
arben
sc~er <?uellen kaum rekonstruieren läßt. Bis 1125 erta~scht~n od~r (~olande~)f
~uter I~ Annweile~, am Fuß der Reichsburg T~els, m ~rchhelffiittelrhein In
Im Gebiet von KaIserslautern und Münsterdreisen sowie am M
133
134
135
136
. 'alpohtt"k (wie
HLAWITSCHKA, Grundlagen
(wie Anrn.26),
S.63f., 77 u. 82; SEILER, Ternton
Anrn. 130), S. 49f. u. 59.
.'
Ha<,iel1ovve, a
MGH D F I. 447 (1164, Juni 15) für Hagenau, hier 5.346, Z. 30--32: ill villa, qu~ dl~lt;;LAWrrscI.II(A:
nostro quondam patre duce Friderico sub Henrico Romanorum imperaiore fundata, 30) 5.12 -124,
1
Grundlagen
(wie Anrn.26),
S.78-82;
SEILER, Territorialpolitik
(wie Anrn. 1 rfutdUng
am
en
BERNHARD METZ, Hagenau als staufische Stadtgründung,
in: ~t~ufische Stadtg ), Sigmaringen
Oberrhem, hg. von EUGEN REL\iHARD/PEnR R(;CKERT (Oberrheinische
Studien 15
1998, S. 214--234, bes. S. 214 u. 217.
SEILER,Territorialpolitik
(wie Anrn. 130), S. 125 u. 140-143.
.
ei erstmals als
Im Vogteiweistum
MGH D H IV. 473 (1102, Febr. 11), S. 643, Z. 2lf. wird ~l~ vogt'
Anm.
),
130
e dien zur Ge(Reichs-)Lehen
Herzog
Friedrichs I. bezeichnet;
SEILER, Territorialpolirik
[wi
S. 37-39; HAN5-JOSEF KREY, Bischöfliche Herrschaft im Schatten des Königtum~:
Hochschulschichte des Bistums Speyer in spätsalischer
und frühstaufischer
Zeit (Europalsc
e tei Studien
schriften Ill, 703), Frankfurt/Main
1996, S. 8f.; zuletzt MARTIN CLAUSS, Die Unterv0!chlch
des
te
zur Stellvertretung
in der Kirchenvogtei
im Rahmen der deutschen
Verfassungsg
.
f
11. und 1~. Jahrhu~derts
(Bonner ~storische
Forschungen
61), Siegburg 2002, S. :f~ch
als mihKloster Llmburg diente Herzog Fnedrich 11. in den Jahren 1116 und 112~ (?) me T '1 I Bistum
tärischer Stützpunkt,
BöHMERiPETKE (wie Anm.99), Nr.52 u. 54; Palatia Sacra
~h1 bea .
rb
Speyer. Der Archidiakonat
des Dompropstes
von Speyer, Bd. 5: Der Landde~n~
e~chichte
von RENATE ENGELS (Quellen und Abhandlungen
zur mittelrheinischen
Kirc eng chung
en
61.~~, M~nz 1992, 5.123f.; WALTER ScHENK, Kloster Limburg an der Haardt. u~;rs~orschung
zu Uberheferung
und Geschichte (Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschi
ts
B 2), Neustadt/Weinstraße
2002, S.278.
s~
137
Die frühen .Staufer-
25
Boppard
•.
on
im Kaund f Bin g e n 138 . Heinrich
V. übertrug ihnen zur Stärkung ihrer Positiwie Oppe~.
geg~n Er~bischof Adalbert 1. von Mainz wichtige Reichslehen
139
Die >stau;'lm, Nierstein und Alzey nebst Pertinenzien .
1100 zurüCkl~chen( Besit~grundlagen in Ostfranken reichen bis in die Zeit um
Schweinfurt
.bNeben ~lrchenlehen des Bischofs von Würzburg im Raum
Hopferstedt 141 :saßen sie vor 1125 einzelne Güter unbekannter Herkunft in
bronn
H . (b~1 Ochsenfurt) und nördlich der späteren Zisterze Maul142
rad, di~ v~\7r~c~s V. Verleihung der ostfränkischen Herzogswürde an KonRothenburg \ le~~ t die na~h dem Aussterben der Grafen von ComburgWeitere, nicht be an das Rel~h zurückgefallene Grafschaft im143Kochergau und
entscheidend
kannte Besitz- und Rechtstitel miteinschloß , bildete eine
Besitzschwe e Voraussetzung für die Ausbildung eines ersten ostfränkischen
Comburg) rp~nktes der -Staufer- im Gebiet zwischen Kocher (um Kloster
fränkischenu~ !auber (um Rothenburg)144. Die Anfänge eines zweiten ostmöglicherw . esitzschwerpunktes
mit Weißenburg im Gau Sualafeld gehen
145
Nach dieelse n~ch in die spätsalische Zeit zurück .
der frühen Ssern Uberblick über die ältesten salierzeitlichen Besitzgrundlagen
a bschließe >d taufer < m
. d en d rer. Kemräumen Schwaben, Elsaß und Franken ISt
.
Anfall des~ l~ach möglichen Veränderungen bis zum Jahre 1138 durch den
Zu fragen. a Ischen Erbes und den jahrelangen Konflikt mit König Lothar III.
. Schon kurz n a.ch d em Tod Kaiser
.. Hemnchs
.
..
eingesetzt
V. ergnffen
seme aslEb r en
Zeitgeno en staufIschen Neffen Besitz vom gesamten Saliererbe, das sich den
sa.lschern
I.
ssen
als. ein s~hiier undurchdringliches Konglomerat von Re~c
. h s- un d
Farn.
Fnedrkh 11 ilienbesitz darstellte!". Daß sie dieses unter sich auftedten und
m
plexe rechat e staufIschen Hausgüter links des Rheins, Konrad die Besitzko s des Rh .
h d bi h .
:cc-------- __
ems verwaltete, läßt sich entgegen der Ansic t er "en138 Verfassun
El
MAR WADl E, Reichsgut
.
1969, S. 64fsg~schi<;hte
des
und Königsherrschaft
unter Lothar Ill. (1125-1137). Ein Beitrag zur
12. Jahrhunderts
(Schriften zur Verfassungsgeschichte
12), Berlin
139 Z~ Oppenheim
. nut weite r führ en d en Hinweisen.
.
.
."
1
~ttelrheinischenVOlKER
RODE~, Oppenheim
als Burg und Stadt des ReiChs, m: Beitrage zur
hier S. 61'
Landesgeschichte
(Geschichtliche
Landeskunde
21), Stuttgart 1980, S.60-8 ,
in: 1750 J~
Alzey HANS WERLE, König, Grafen und Dynasten im hochmittelalterl~chen
Alzey,
BARMANNIK~ Alzey. Festschrift hg. von FRIEDRICH KARL BECKERin Verbindung mit JOHANNES
HOFF, Bur u RT BöHNER!HEINRICH STEITZ, Alzey 1973, S.82-94, hier S.90--92; STEFAN G~.T140 ter 32, 200~ Snd Schloss Alzey. Residenz der Pfalzgrafen bei Rhein, in: Alzeyer GeschichtsblattUBI
,. 29-72.
141 U
Weg (w' Arun
rkundenbuch
le
.46), S. 133-135.
JOSEPH BENDEL der Benediktiner-Abtei
St. Stephan in Würzburg,
Bd. I, bearb. von ..FRA~~
chungen der
,neubearbeitet
von FRANZ HElDINGSFELDERund MAX KAUFMANN (V~roffen 142 Weg (Wie Anm
Gesellschaft für fränkische Geschichte Ill/l), Leipzig 1912, Nr.30, S. 41£., LUBICH,
CH,
143 WADlE R 'chs' 46), S. Bt.
144 t~:CH: S:itz Fw:e(~~). ;~~?·A~Anm. 52 u. S. 66.
145 W CH, Weg ( .
.,
.~
.
. ADLE, ReichswIe Arun. 46), S. 173-175, 217f. u. 221-226.
14(, Elchstätt im Su gut (wie Anm. 138), S. 91; zum frühen
WADlE, Reichs alafeld?au vg!. LUBICH, Weg (wie
gut (wie Anm. 138), S. 48-55.
Interesse
Herzog
Anm·46), S. 134.
.'
Fnednchs
I. am Ra
um
26
Hubertus Seibert
gen Forschung quellenmäßig nicht belegen!". Die Weigerung Herzog Friedrichs 11.das Reichsgut herauszugeben, wie es d~~ Spruch der in Regensburg
versammelten Fürsten gebotl.J8, führte zu seiner Achtung und löste einen jahrelangen Bürgerkrieg um den von ihm und seinem Bruder Konrad usurpierten
Reichsbesitz wie Speyer, Alzey, Nürnberg oder VIm ausH9•
Auf das - queIIenmäßig kaum näher lokalisierbare - salische Hausgut erhob Lothar III. dagegen keinen Anspruchl'", Dieses konzentrierte sich vor
allem im Elsaß, in Rhein- und Ostfranken, während das wenige in Schwaben
verbliebene Hausgut schon vor 1125 an die -Staufer- gefallen warlSI. Den größten Zugewinn aus dem salischen Erbe erzielten diese im nördlichen Elsaß mit
dem Erwerb des zweiten Drittels des Heiligen Forstes'F. In Rhein- und Ostfranken fielen mehrere unterschiedlich große Saliergüter an sie, so in den
Räumen Weißenburg und Kaiserslautern'<' sowie vielleicht im Gebiet um
Schweinfurt'>'.
Gelang es Friedrich 11.und Konrad in der Folgezeit, das salische Hausgut bis
auf zeitweilige Verluste im Elsaß und Ostfranken (Grafschaft im KochergauIsS)
weitgehend zu behaupten, so verloren sie aber fast das gesamte okkupierte
Reichsgut, insbesondere den Nürnberger Komplex und die rheinfränkischen
Positionen im Raum Speyer, an Lothar IIJ.156 Diese Verluste wurden seit 1138
mehr als wettgemacht, als mit dem Aufstieg Konrads Ill. zum Königtum eine
neue überaus expansive Phase in der staufischen Territorienbildung und Königslandpolitik einsetztet".
147 Anders LORENZ,Waiblingen (wie Anm. 71), S. 117; HANSMARTINSCHWARZMAlER,
Pater imperatoris. Herzog Friedrich 11. von Schwaben, der gescheiterte König, in: Mediaevalia Augiensia
(wie Anm.63), S.247-284, 5.254, 261 u. 273. HEUERMANN,Hausmachtpolitik (wie Anm. 10),
S.47f., und LUBICH,Weg (wie Anm. 46), S. ISH. datieren die Aufteilung des Besitzes zwischen
den Brüdern schon auf die Zeit nach dem Tode Herzog Friedrichs I. 1105.
148 Zum sogenannten Regensburger Fürstenweistum
vom Nov. 1125 BöHMER/PETKE (wie
Anm. 99), Nr. 101; WADLE,Reichsgut (wie Anm. 138), S. 51-56u. 100-123.
149 AnnaIista Saxo (wie Anm.45) ad a. 1127, 5.765, Z.27-31; Otto von Freising, Gesta (wie
Anm.I7) I, 17-18, S. 158-160; WADLE,Reichsgut (wie Anm. 138), 5.52, 6()..{j2u. 78-85; KREY,
Herrschaft (wie Anm. 136), S.46-49; EBERL,Siedlung (wie Anm.127), S.455f.; zuletzt zusammenfassend OLNERHERMANN,Lothar ill. und sein Wirkungsbereich. Räumliche Bezüge königlichen HandeIns im hochmittelalterlichen Reich (1125-1137) (Europa in der Geschichte 5),
Bochum 2000, S. 107, 109, 113-115, 118f., 125, 138,250-253,263,270,274-276 u. 296.
150 WADLE,Reichsgut (wie Anm. 138), S. 53 mit Anm. 23.
151 WADLE,Reichsgut (wie Anm. 138), S. 93-%.
152 SEILER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), S. 125.
153 VOLKERRÖDEL,Der Lauterer Reichsgutkomplex. Eine Zwischenbilanz. in: Deutsche Königspfalzen 4, Göttingen 19%, S. 409-445, hier S. 412, 416 u. 420.
154 WADLE,Reichsgut (wie Anm. 138), S. 89f. mit Arun. 56.
155 LUBICH,Weg (wie Anm. 46), S. 218.
156 Atois SCHMID,Vom fundus Nuorenberg zur civitas Numnberch. Die Anfänge der Stadt Nürnberg
in der Zeit der Salier und Staufer, in: Nürnberg. Eine europäische Stadt in Mittelalter und Neuzeit, hg. von HELMUfNEUHAUS,Nümberg 2000, S. 3-21, hier S. 10f.; LUBICH,Weg (wie Anm.46),
5.217; WADLE,Reichsgut (wie Anm.I38), 5.78-80 u. 84f.; KREY,Herrschaft (wie Anm. 136),
5.46-49; zur Zerstörung und zum Verlust Ulms 1134 EBERL,Siedlung (wie Anm. 127), S. 455f.
157 Dazu im einzelnen für Ostfranken LUBICH,Weg (wie Anm. 46), S. 221-226; für das Elsaß SEILER,
Territorialpolitik (wie Anm.130), 5.176-1% u. 245-266; ferner ALFONSScHÄFER,Staufische
Die frühen .Staufer.
27
Neben umfangreichen Besitzkomplexen gründeten die frühen -Staufer- ihre
Stellung und ihren Territorialaufbau auf wichtige herrschaftliche Bausteine: auf
vom König verliehene Ämter, auf Burgen, Eigenkirchen, Klostergründungen
und Vogteirechte sowie auf ein Gefolge von Adligen und Ministerialenl'",
Rangmäßig begegnen uns die ersten -Staufer- zunächst als Inhaber eines offenbar vom König verliehenen Grafen- und Herzogsamtes. Als einzige Quelle des
11. Jahrhunderts spricht Berthold von Reichenau Friedrich bei dessen erster
Erwähnung im Jahre 1079 als Grafen an159, ohne die Lage oder den Ursprung
von Friedrichs Grafschaft mitzuteilen. Die bisherige Forschung hat die Grafschaft Friedrichs unter Verweis auf den ältesten Besitzschwerpunkt seines Geschlechts im Raum zwischen Fils und Rems im ostschwäbischen Riesgau lokalisiert160• Einen gesicherten Quellenbeleg ist sie dafür - wie für die zeitweilige
Ausübung des schwäbischen Pfalzgrafenamtes durch Friedrichs Vater - aber bis
heute schuldig geblieben'?'. Dieser Befund entspricht auffallend der -staufisehen- Selbstdarstellung der rangmäßigen Stellung ihrer Vorfahren, wie sie
Wibalds -Tabula consanguinitatis- dokumentiert. In Wibalds Genealogie sind
die Friedriche der ersten beiden Generationen durch keine Amtsbezeichnung
deflniert'F,
Quellenmäßig gesicherteren Boden betreten wir bei den -staufischen- Grafschaftsrechten im Kochergau. In seinem Schutzprivileg für Kloster Comburg
vom August 1138 betonte Konrad IlL, daß er selbst die Grafschaft im Kochergau vor seiner Erhebung zum König besessen habe163• Der genaue Zeitpunkt
und die Umstände ihres Erwerbs sind in der Forschung bis heute strittig.
Kaiser Heinrich V. hatte die nach dem Aussterben der Grafen von ComburgRothenburg im Mannesstamm 1116 ledigen Grafschaftsrechte im Kochergau
offenbar an sich gezogen und sie seinem Neffen Konrad vielleicht noch im
Reichslandpolitik
und hochadlige
Herrschaftsbildung
schwarzwald
vom 11.-13. Jahrhundert,
in: Zeitschrift
1969, S. 179-244.
158
159
160
161
162
163
im Uff- und Pfinzgau und im Nordwestfür die Geschichte
des Oberrheins
117,
Zur politischen
Komponente
des Herrschaftsaufbaus
der frühen -Staufer- jetzt LUBICH, Territorialpolitik
(wie Anm. 122), S. 184.
Bertholdi Chronicon (wie Anm. 30) ad a. 1079, S. 357, Z. 16f.; vg!. auch oben S. 6.
HANSMARTIN DECKER-HAUFF, Das Staufische Haus, in: Die Zeit der Staufer (wie Anm.8) III,
S.339-374, hier S. 342f.; HEINZ BÜHLER, Geschichte der frühen Staufer (wie Anm. 11), S.449f.,
457-463 u. 467; DERS., Die frühen Staufer im Ries, in: Früh- und hochmittelalterlicher
Adel in
Schwaben und Bayern, hg. von IMMO EBERL/WOLFGANG HARTUNG/JOACHIM JAHN (Regio. Forschungen zur schwäbischen
Regionalgeschichte
1), Sigmaringendorf
1988, S. 270-294, hier zit.
nach DERS., Adel (wie Anm.Il),
S.899-923,
bes. 5.901-903;
MAURER, Göppingen
(wie
Anm. 123), S. 145; LORENZ, Waiblingen
(wie Anm. 71), S. 115; vg!. jetzt auch die Kritik an den
Thesen von BÜHLER und DECKER-HAUFF von WELLER, Heiratspolitik
(wie Anm. 30), S. 11f., 15f.
u.196-211.
Zuletzt Zmz, Ottonenzeit
(wie Anm. 73), S. 429 u. 475; schon HEUERMANN, Hausmachtpolitik
(wie Anm. 10), S. 17 bestritt, »daß die Staufer .. vor Friedrich, dem späteren Herzog, ein Grafenamt .. ausgeübt« hätten; SCHWARZMAlER, Heimat (wie Anm. 8), S. 18 bezweifelte,
»ob Friedrich
von Büren Graf oder, ... r schwäbischer
Pfalzgraf gewesen ist«.
Wibaldi Epistolae (wie Anm. 5), S. 547; vg!. oben S. 10.
MGH 0 Ko Ill. 14, S. 23, Z. 37£.
28
Hubertus Seibert
gleichen Jahr (als Substrat von Konrads ostfränkischem Dukat ?1b-!) oder spätestens bei seinem Ausgleich mit dem Bischof von Würzburg im Mai 1120165
als Amtslehen verliehen. Konrad scheint diese wichtigste Machtgrundlage der
-Staufer- im südlichen Ostfranken bis zu ihrem Verlust im Rahmen des Ausgleichs mit Lothar Ill. 1135 behauptet zu habenl'". Ungeachtet ihrer künftigen
Crafschaftserwerbungenl'" war und blieb das vom König verliehene Amt des
Herzogs der wichtigste Herrschaftstitel der frühen -Staufer- bis 1138.
Die bezeichnenderweise außerhalb Schwabens in Regensburg Ende März
1079 vollzogene Erhebung Friedrichs zum schwäbischen Herzog bedeutete für
ihn und seine Familie eine deutliche Rangerhöhung und potentiellen Machtzuwachs, stellte ihn faktisch aber vor kaum lösbare Probleme. Der oppositionelle
schwäbische Adel reagierte auf die Entscheidung Heinrichs IV. sogleich mit der
Wahl Bertholds von Rheinfeiden, König Rudolfs Sohn, zum neuen schwäbischen Herzog im einstigen königlichen Pfalzort Ulm168. Damit standen sich seit
Mai 1079 zwei Herzöge in Schwaben gegenüber, die mit kriegerischen und politischen Mitteln um ihre Anerkennung und die Durchsetzung ihrer herzoglichen
Gewalt fochten. Die schwäbische Adelsopposition um Berthold von Rheinfeiden
und seinen Schwager und Nachfolger im Herzogtum seit Mai 1092, Bertold 11.
von Zähringen, behielt militärisch lange Zeit die Oberhand in Innerschwaben,
während Friedrich nur den Norden Schwabens bis zur Donaulinie kontrolIiertel'", Diese politische Patt-Situation beendete 1098 schließlich der von Heinrich IV. initiierte Komprorniß, der den stetigen Zerfall der alten Herrschaftsordnung in der provincia Schwaben massiv beschleunigte. Die neue Ordnung von
1098 sanktionierte die Aufspaltung Schwabens in die beiden autogenen Herzogsherrschaften der -Zähringer- - im Westen und Süden mit Zürich als Mittelpunkt - und der -Staufer- - im Norden und Osten mit dem neuen herzoglichen
Vorort Ulm170• Langfristig gesehen verfestigte und verstärkte die für heide Seiten »defizitäre Schwabenlösung«!"
von 1098 die politische und territoriale Rivalität der -Zähringer- und -Staufer-, die sich nachhaltig auf die weitere Entwicklung des Südwestens des Reiches im 12. Jahrhundert auswirktel'",
Die -Staufer- gingen in der Folgezeit verstärkt daran, ihr herzogliches Amt
mit konkreten Rechtstiteln und herrschaftlichen Befugnissen auszufüllen und
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LUBICH, Besitz (wie Anm.46), S.405 u. 410 Anm.35 unter Zurückweisung
gegenteiliger Forschungspositionen.
LUBICH, Weg (wie Anm. 46), S. 187f.
LUBICH, Weg (wie Anm. 46), S. 218; DERS.,Besitz (wie Anm. 46), S. 412.
LUBICH, Weg (wie Anm. 46), S. 133f.
PARLOW, Zähringer (wie Anm. 29), Nr. %, S. 67 mit weiterführenden
Hinweisen.
PARLOW, Zähringer (wie Anm. 29), Nr. 120,129 u. 136;THoMASZarz, Der südwestdeutsche Adel
und seine Opposition gegen Heinrich rv., in: Welf rv. (wie Anm. 77), S. 339-359, hier S. 354-357.
PARLOW, Zähringer (wie Anm. 29), Nr.152; THOMASZorz, Die frühen Staufer, Breisach und das
Zähringerland, in: Ein gefüllter Willkomm. Festschrift für Knut Schulz zum 65. Geburtstag, hg.
von FRANZJ. FELTEN/STEPHANIE
IRRGANGIKURT WESOLY,Aachen 2002, S. 53-72, bes. S. 53-55.
zorz, Staufer (wie Anm. 170), S. 55.
Dazu jetzt KRIEG, Adel (wie Anm.53), in diesem Band, S.93-97; ferner ALFONSZETTLER,Geschichte des Herzogtums Schwaben, Stuttgart 2003, S. 184-194.
Die frühen -Staufer.
29
ihre Amtsherrschaft territorial dauerhaft in Schwaben zu verankern. Ein erster
Teilerfolg gelang ihnen bereits 1105 artläßlich des Todes Herzog Friedrichs I. Die
von Heinrich V. umgehend vollzogene Belehnung von dessen ältestem Sohn
Friedrich 11.mit Schwaben'P sicherte ihnen nicht nur die direkte Nachfolge im
herzoglichen Amt, sondern band dieses damit dauerhaft an die Familie der
-Staufer-. Friedrich H. hat den an das herzogliche Amt geknüpften Vorrechten
und Befugnissen, die während des jahrzehntelangen Bürgerkriegs in Schwaben
großen Schaden genommen hatten, in seiner über vierzigjährigen Amtszeit neuerlich und mit großem Nachdruck Geltung verschafft. Wie die Herzöge des
10./11. Jahrhunderts führte er das schwäbische Stammesaufgebot militärisch
an; von den schwäbischen Grafen forderte er die lehnsrechtlieh begründete
Heeresfolge ein174. Auf den von ihm einberufenen, von zahlreichen Adligen
und Freien besuchten Landtagen (Dim 1112, Rottenacker 1114 und auf der bis
heute nicht lokalisierbaren Dingstätte Königsstuhl ca. 1140) und Fürstenversammlungen (Dim 1128, Rottenacker 1116) brachte Friedrich seine Amtsherrschaft auf unterschiedliche Weise zur Anerkennung''". Gemeinsam mit den
Großen Schwabens trug er wie schon sein Vater 1104 Sorge für die Wahrung des
Landfriedens; klösterlichen Boten gewährte er Schutzgeleit in Ausübung seines
herzoglichen Celeitsrechtsl": Auf diese und andere Weise verschaffte er seiner
Herzogsherrschaft auch räumliche Wirkung und förderte er zugleich massiv insbesondere in Nord- und Ostschwaben sowie im angrenzenden fränkischen
Gebiet (Sualafeldgau) - die Ausbildung eines -staufischen. Territoriums, das
deutlich über die alte schwäbisch-fränkische Provinzgrenze hinausgriff!".
Diese überragende Machtfülle Friedrichs 11. scheint sich auch in seiner
neuen, erweiterten Titulatur dux Suueuorum et Alsaci« zu spiegeln, die ihm
1140 erstmals die Königskanzlei in einem Originaldiplom beilegte178 und die
173 Anonyme Kaiserchronik (wie Anm. 81) ad a. 1105, S. 236, Z. 23-25.
174 HELMUTMAURER,Der Herzog von Schwaben. Grundlagen, Wirkungen und Wesen seiner
Herrschaft in ottonischer, salischer und staufiseher Zeit, Sigmaringen 1978, S. 230, 239 u. 252.
175 Zu den Landtagen in Ulm und Rottenacker Notitiae fundationis et traditionum monasterii
s. Georgii in nigra silva, ed. OSWALDHOLDER-EcCER,MGH SS 15/2, S. 1005-1023, hier cap. 46,
5.1014, Z. 9-12 u. cap. 47, S. 1014, Z. 13-18; MAURER,Herzog (wie Anm. 174), S.99f., 113f., 228
u.236-243.
176 MAURER,Herzog (wie Anm. 174), S. 228, 231f. u. 253.
177 MAURER,Herzog (wie Anm. 174), S.231f., 235, 254 u. 271. Ein Reflex dieses interterritorialen
Herrschaftsaufbaus weist offenbar die Herzog Friedrich 1. beigelegte Titulatur, Fridericus ... Suetorum dux et Franeorum, in dessen um die Mitte des 12. Jahrhunderts nach einer zeitnahen Vorlage gefälschten Schenkungsurkunde für Kloster Lorch von 1102 auf, ed. Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. I, Stuttgart 1849, Nr.264, S.334; zur Entstehung um 1150 PETERWEISS,Die
Anfänge der besiegelten »Privat--Urkunde im hochmittelalterlichen Schwaben, in: Herrschaft
und Legitimation: Hochmittelalterlicher Adel in Südwestdeutschland. hg. von SäNKE LORENZ/
STEPHANMOLITOR(Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 36), Leinfelden-Echterdingen
2002, S. 155-169, hier S. 165f.
178 MGH D Ko Ill. 40, S. 66, Z. 26. Bereits die Urkunde Graf Hermanns von Stahleck für Kloster
Lorch legt dessen Schwager Friedrich II. den Titel eines Herzogs von Schwaben und Elsaß zu,
ed. Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. III, Stuttgart 1871, Nachtrag Nr. 6, S.466, die HANSMARTINMAURER,Zu den Anfängen Lorchs als staufisches Hauskloster, in: 900 Jahre Kloster
Lorch. Eine staufisehe Gründung vom Aufbruch zur Reform, hg. von FEUXHEINZER/ROBERT
30
Hubertus Seibert
er selbst 1142 in seiner einzigen erhaltenen, echten Herzogsurkunde führtel79.
Friedrichs elsässischer Herzogstitel (dux Alsaciae) allein begegnet erstmals in
den Jahren 1117 und 1126 in zeitgenössischen Chronikenl'" und seit 1139 in
Diplomen König Konrads III.181 Aber in allen Fällen handelt es sich um eine
Fremdbezeichnung; Friedrich selbst hat sich den Titel eines dux Alsaciae bis auf
die eine erwähnte Ausnahme niemals zugelegt. Dieser eindeutige Quellenbefund liefert auch den Schlüssel zu dessen Deutung. Diese Bezeichnung signalisiert keineswegs den Anspruch auf einen eigenen elsässischen Dukat182, sondern trug in den Augen der Zeitgenossen nur der Eigenständigkeit und
Bedeutung der auf Eigenbesitz und Lehen gegründeten -staufischen, Herrschaftsbildung im Elsaß Rechnung+".
Wiederum anders ist der Fall eines dritten für die frühen -Staufer- reklamierten Herzogstitels'Y gelagert. Kurz bevor Kaiser Heinrich V. seinen zweiten Italienzug antrat, berief er Pfalzgraf Gottfried von Calw und seine staufisehen Neffen Friedrich und Konrad im Januar 1116 zu Reichsverwesern für
die Zeit seiner Abwesenheit'P. Konrads Stellvertreterschaft im Reich stand in
direktem Zusammenhang mit der kaiserlicher Übertragung des ostfränkischen
Dukats an ihnl86. Die gegen den Bischof von Würzburg und seine Territorialpolitik gerichtete Entscheidung hatte aber nur wenige Jahre Bestand'F, Nach
ihrer Aussöhnung restituierte Heinrich V. Bischof Erlung von Würzburg die
bislang in Konrads Herzogtum inkorporierte dignitas iudiciaria, die ihm und
seinen Nachfolgern zwar keinen ducatus verlieh, aber die Möglichkeit ein-
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KRETZ5CHMAR/PETER
RÜCKERT,Stuttgart 2004,5.1-28, hier 5. 9 nunmehr auf den 1. April 1135
(statt Ende März 1138) datiert.
Wirtembergisches Urkundenbuch (wie Anm. 178) Ill, Nachtrag Nr. 8, 5.469; zum verbesserten
Datum (statt 1143) Rappoltsteinisches Urkundenbuch 759-1500, Bd. I, hg. von KARLALBRECHT,
Colmar 1891, Nr. 10, 5.9; ferner KIENAST,Herzogstitel (wie Anm. 62), S. 370 u. 415, Nr. 6.
Annalista Saxo (wie Anm.45) ad a. 1117,5.754, Z.43, ad a. 1126, 5.763, Z.14, u. ad a. 1128,
5.765, Z.41; Armales Hildesheimenses (wie Anm.80) ad a. 1126, 5.66; Annalium s. Aegidii
Brunsvicensium Excerpta ad a. 1134, ed. i...ornAR VON HEINEMANN,MGH 55 30/1, S. 13, Z. 25f.;
JEAN-YVESMARIOTTE,Les Staufen en Alsace au XIIe siede d'apres leurs diplörnes, in: Revue
d' Alsace 119,1993, S. 43-74, hier S. 49 Anm. 18.
MGH DD Ko III. 36, 5.59, Z. 35; 37, S. 61, Z. 3, und öfter. Die Angabe eines ersten urkundlichen
Belegs für dasjahr 1119 bei SCHREINER,Staufer (wie Anm. 69), 5. 9, und ihm folgend ScHwARZMAlER,Pater (wie Anm. 147),5.261, beruht offenbar auf einem Druckfehler (statt 1139).
50 SCHREINER,Staufer (wie Anm.69), 5.10; SEILER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), 5.96,
117 u. 267.
MAURER,Herzog (wie Anm. 174), 5. 185 u. 233; SCHWARZMAlER,
Pater (wie Anm. 147), 5. 26lf.
denkt an einen unter diesem Titel »zusammengefaßten
Sonderbereich Friedrichs im linksrheinischen Gebiet«.
Zur Deutung von Herzog Friedrichs I. Titel eines Svevorum dux et Franeorum vg!. oben S. 29
Anm.l77.
Vg!. oben S. 16.
Ekkehardi Chronica (wie Anm.31), Rec. III. ad a. 1116, 5.316, Z.25-28; LUBICH,Weg (wie
Anm.46),S.162-168.
Zu den von Konrad verschuldeten Kämpfen im Bistum Würzburg Ekkehardi Chronica (wie
Anm. 31), Rec.Il!. ad a. 1116, S. 324, Z.21-23.
Die frühen -Siaujer.
31
räumte, »über das Recht eine territoriale Einflußnahme zu begründen-J". Das
kaiserliche Privileg vom 1. Mai 1120 zeitigte zwei gravierende Rechtsfolgen:
der bischöfliche Besitz wurde damit wiederum der rechtlichen Oberhoheit des
Bischofs unterstellt, während Konrads Amtsherzogtum hierdurch seiner wichtigsten Existenzgrundlage beraubt wurde und fortan zu einem bloßen Titularherzogtum herabsank'I". Konrads ostfränkischer Dukat blieb eine kurze Episode, die auch in den zeitnahen Quellen kaum Spuren hinterlassen hat190• Dies
erklärt vielleicht auch, warum sich Konrad selbst rangmäßig nie über sein
ostfränkisches Amt sondern allenfalls über seine Teilhabe an der schwäbischen Herzogswürde definierte'?'.
Die Burgen stellten für die frühen -Staufer- ein wesentliches Rückgrat ihrer
auf unterschiedliche Räume konzentrierten Adelsherrschaft dar. Zumeist an
wichtigen Verkehrswegen gelegen und zu militärischen Festungen ausgebaut,
bildeten sie die zentralörtlichen Bezugspunkte, von denen die -staufischenHerzöge aus das umliegende Gebiet verwaltungsmäßig und herrschaftlich zu
erfassen suchten. Im einzelnen läßt sich dieser Vorgang mangels schriftlicher
Quellenzeugnisse
und gesicherter neuer archäologischer Grabungsbefunde
nur ansatzweise verfolgen!". Das viel zitierte -Bonrnot- Ottos von Freising,
das Herzog Friedrich 11. als den großen Burgenbauer im linksrheinischen
Raum zwischen Basel und Mainz präsentierte, hat sich als gelehrte Fiktion
entpuppt, da die Archäologen bis heute keine ihm zweifelsfrei zuweisbare
Anlage aus spätsalischer Zeit zu entdecken vermochten'?'. Welch hohe Bedeutung nichtsdestotrotz der Besitz und die Kontrolle von Burgen für die -staufisehe- Stellung und Herrschaftsausübung im Reich besaß, zeigt der Konflikt mit
Lothar 111., der sich im Kern als ein Kampf um Burgen und Pfalzorte wie
Nümberg, Ulm und Speyer erweist'?'.
Die zahlreichen Burgen, die sich jemals vor 1152 in -staufischem- Besitz befunden haben, lassen sich nach Ursprung und Funktion in drei Gruppen unterteilen. Quellenmäßig kaum näher zu fassen sind die Burgen, die die frühen
188 St. 3164, ed. Monumenta Boica, Bd. 29/1, München 1831, Nr.444, S.238f.; LUBICH,Weg (wie
Anm. 46), S. 179-185, Zitat S. 183.
189 LUBICH,Weg (wie Anm. 46), S. 183-186.
190 Von Konrads ostfränkischer Herzogswürde nahm außer Ekkehard nur der Verfasser der Urkunde Bischof Reinhards von Halberstadt vom 16. April 1120 Notiz, Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe, hg. von GUSTAVSCHMIDT,Teil I, Stuttgart 1883, Nr. 147,
S. 116: Conrado duce Franeorum orientalium; LUBICH,Weg (wie Anm. 46), S. 155f. u. 179.
191 Annales Isingrimi maiores ad a. 1138, ed. GEORGHEINRICHPERTZ,MGH SS 17, S.312, Z.40;
dazu ENGELS,Beiträge (wie Anm. 17), S. 105 Anm. 276; MAURER,Herzog (wie Anm. 174), S. 270;
LUBICH,Weg (wie Anm. 46), S. 153.
192 Dazu jetzt MATHIASHENSCH,Baukonzeption. Wohnkultur und Herrschaftsrepräsentation
im
Burgenbau des 11./12. Jahrhunderts in Nordbayem - neue Erkenntnisse der Archäologie, in
diesem Band, S. 135--178.
193 Otto von Freising, Gesta (wie Anm. 17) I, 12, S. 152, Z. 5--12; THOMASBILLER/BERNHARD
METZ,
Anfänge der Adelsburg im Elsaß in ottonischer, salischer und frühstaufischer Zeit, in: Burgen
der Salierzeit. Teil 2: In den südlichen Landschaften des Reiches, hg. von HORSTWOLFGANG
BöHME (Römisch-Germanisches
Zentralmuseum
Monographien 26/2), Sigmaringen 1991,
S. 245--284,hier S. 262f.
194 WADLE,Reichsgut (wie Anm. 138), S. 69.
32
Hubertus Seibert
-Staufer- als Amts- oder Reichslehen nur zeitweilig besassen und im Dienst
von König und Reich errichteten, ausbauten und befestigten oder sicherten,
wie Oppenheim, Guttenberg bei Bad Bergzabern, Landeck bei Klingenmünster, Neukastel bei Leinsweiler, Wachtenburg bei Wachenheim und Nürnberg
(ab 1125)195.
Eine zweite Gruppe bildeten Burgen, die sie durch Kauf bzw. Tausch oder
durch gewaltsame Aneignung erlangten. Um 1122/24 erwarb Herzog Friedrich n. für die beachtliche Summe von 500 Mark Silber von den Grafen Gottfried und Otto von Cappenberg als Erben der Grafen von Hildrizhausen ihre
am Rande des Forstes Schönbuch gelegenen Burgen Kräheneck und Hildrizhausen'?', Konrad Ill. tauschte 1142 den erforderlichen Baugrund auf dem
Burgberg von Rothenburg ob der Tauber vom Stift Neumünster (Diözese
Würzburg) ein, wo er noch im gleichen Jahr mit dem Bau der neuen gleichnamigen Burg begann'?" Die südwestlich des -staufischen- Besitzzentrums um
Schlettstadt gelegene, offenbar auf Boden der Abtei S. Denis errichtete Hohkönigsburg (castrum Estufin) hatten sich die -Staufer- vielleicht schon um 1115/20
angeeignetl'". Im November 1147, im kleinasiatischen Esseron, wehrten Konrad Ill. und sein Neffe Herzog Friedrich Ill. von Schwaben, die als derzeitige
Besitzer je eines Turmes der Burg bezeichnet wurden, die von Odo von Deuil
für sein früheres Kloster S. Denis erhobene Forderung nach Restitution der
Hohkönigsburg und des Dorfs Esslingen erfolgreich ab'?".
Oie größte Aufmerksamkeit hat die Forschung naturgemäß der dritten
Gruppe gezollt - den Burgen, die die frühen -Staufer- auf eigenem Grund und
Boden erbauten. Den ältesten Adels- und Wohnsitz der -staufischen- Familie hat
195 WADLE,Reichsgut (wie Anm. 138),5.70-72 u. 79-84; SElLER,Territorialpolitik (wie Anm. l30),
S. I52f.; zu Nürnberg, das 1127 erstmals als urbs munitissima bezeichnet wird, Chronica regia
Coloniensis ad a. 1127, ed. GEORGWAITZ, MGH SS rer. Germ. [18], Hannover 1880, S.65,
5cHMID,Fundus (wie Anm. 156), S. 10f.
196 Vita Godefridi comitis Capenbergensis, ed. PHILlPPJAfFE, MGH SS 12, 5.513-530, hier S.529,
Z. 20-30; HANSJÄNICHEN,Zur Geschichte des Schönbuchs. in: Der Schönbuch. Beiträge zu seiner landeskundliehen Erforschung, hg. von HERMANNGREES(Veröffentlichung des Alemannischen Instituts 27), Bühl/Baden 1969, S.49-M, bes. 5.50-52; SäNKE LORENZ,Staufer, Tübinger
und andere Herrschaftsträger im Schönbuch. in: Von Schwaben bis Jerusalem. Facetten staufischer Geschichte, hg. von SäNKE LoRENzJULRICHSCHMIDT(Veröffentlichung des Alemannischen Instituts 61), Sigmaringen 1995, S. 285-320, hier S. 303f. u. 318.
197 KARLFRIEDRICHSTUMPF-BRENTANO,
Die Reichskanzler vornehmlich des X., XI. und XII. Jahrhunderts, Bd.1I1, Innsbruck 1881, ND Aalen 1964, Nr.109, 5.132£.; LUBICH, Besitz (wie
Anm.46), S. 409; KARLBoRCHARDT,Die Anfänge von Burg und Stadt Rothenburg, in: Jahrbuch
des Historischen Vereins Alt-Rothenburg 1998, S. 177-202; lHOMASSTEINMETZ,
Die Königsp£alz
Rothenburg ob der Tauber, Brensbach 2002, S. 6--8.
198 WILHELMWIEGAND,Die Hohkönigsburg im Rahmen der elsässischen Geschichte bis zum
Ausgang der Staufischen Zeit, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 65,1911, S. 7-37,
hier S.16f.; SEILER,Territorialpolitik (wie Anm.130), S.84-86; anders ENGELS,Staufer (wie
Anm. 52), S. 10.
199 Odo von Deuil, Liber de via sancti Sepulchri a Ludovico VII. Franeorum rege suscepta, ed.
GEORGWAITZ, MGH SS 26, 5.59-73, hier 5.70, Z.21-31; nach ScHWARZMAlER,Pater (wie
Anm. 147), S. 254 Anm. 27 sei zu beachten, »daß die Hohkönigsburg, ..., ursprünglich _ der
Berg schon im 8. Jahrhundert - ebenfalls -Staufen- hieß, also möglicherweise als -Stammburg. eine ähnliche Bedeutung hatte wie der Hohenstaufen selbst«.
Die frühen -Staufer«
33
sie lange Zeit auf dem Berg oberhalb der Rems an der Stelle des um 1100 gegründeten Klosters Lorch lokalisiert'?', Die an diesem Platz bislang vergeblich
gesuchte gräfliche Befestigung wird archäologischerseits neuerdings mit guten
Gründen in der Siedlung im Tal auf dem heutigen Kirchhofareal vermutet'?'.
Der dort offenbar nachweisbare -staufische- Herrenhof diente der Sicherung
ihres an einer alten Durchgangsstraße gelegenen Besitzkomplexes im Remstal.
Welche Gründe und Ziele Graf Friedrich dazu bewogen, seinen bisherigen
Herrschaftssitz in Lorch im Tal auf den wesentlich höhergelegenen, die Landschaft beherrschenden Bergkegeloberhalb
der späteren Siedlung Göppingen
und unweit der durch das Rems- und Filstal führenden Verkehrswege zu verlegen, ist nicht mehr im einzelnen zu klären202. Schon bald nach 1070 (?) begann Friedrich auf dem Berg Hohenstaufen mit dem Bau der erstmals um 1137
in zeitgenössischen Chroniken erwähnten Burg Stauf, der während des 12. Jahrhunderts noch keineswegs die von der Forschung oft behauptete herausragende Bedeutung als namengebender Stammsitz zukam203• Von der vielleicht
noch im 11. Jahrhundert fertiggestellten ältesten Burg haben sich archäologisch offensichtlich keine Spuren erhalten'?',
Die ältesten Besitz- und Herrschaftskomplexe
der frühen -Staufer- umfaßten auch mehrere Eigenkirchen und von ihnen gegründete Klöster. Wichtige
Eigenkirchen, von denen die meisten zu Pfarr-, Stifts- oder Klosterkirchen
aufstiegen, besaßen sie in Lorch (um 1050/60 zum Kollegiatstift erweitert)205,
Schlettstadt (um 1087 nach dem Vorbild der Grabeskirche in Jerusalem erbaut)206, Esslingen (vor 1100?)207,Münsterdreisen (aus salischem Erbe??08 und
Hagenau (nach 1143 zur Pfarrkirche erweitertj-?',
Die älteste von insgesamt fünf -staufischen- Kloster- und Stiftsgründungen, die
Mitglieder der -staufischen. Familie bis 1152 initiierten oder an denen sie ent200 So zuletzt noch HELMUTMAURER,Lorch, in: Die deutschen Königspfalzen (wie Anm. 3),
4. Lieferung, Göttingen 2003, S.369-388, hier S.372, 374, 377 u. 385; H.-M. MAURER,Anfänge
(wie Anm. 178), S. 7.
201 SIMONM. HAAG, Beobachtungen und Überlegungen zum Staufersitz Lorch, in: 900 Jahre (wie
Anm. 178), S. 29-32, bes. S. 29-31.
202 H.-M. MAURER,Hohenstaufen (wie Anm. 11), S. 12-15 u. 18-20; HELMUTMAURER,Hohenstaufen, in: Die deutschen Königspfalzen (wie Anm.3), 2. Lieferung, Göttingen 1993, S.208-219,
bes. S. 208-212, 215 u. 218; LORENZ,Waiblingen (wie Anm. 71), S. 115.
203 Vg!. oben S. 7 u. llf.
204 H. MAURER,Hohenstaufen (wie Anm. 202), S. 212f.
205 H. MAURER,Lorch (wie Anm. 200), S. 372, 374, 382f. u. 385.
206 SEllER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), S. 62.
207 Die Urkunde Herzog Friedrichs H. von ca. 1106 (?), die den Tausch genannter Leibeigener der
Kirche von Esslingen mit der bischöflichen Kirche von Worms dokumentiert, ed. Wirtembergisches Urkundenbuch (wie Anm.I77) I, Nachtrag F., S.412, gilt mittlerweile als spätere Fälschung, PETERRÜCKERT,Alles gefälscht? Verdächtige Urkunden aus der Stauferzeit, Stuttgart
2003, S. 56f.; MAURER,Esslingen (wie Anm. 126), S. 112.
208 MGH 0 Ko Ill. 104 (1144), S. 185, Z. 2-10; BRUNOKRINGS,Das Prämonstratenserstift
Arnstein
a. d. Lahn im Mittelalter (1139-1527) (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für
Nassau 48), Wiesbaden 1990, S. 89f.
209 MGH 0 Ko Ill. 91 (1143), S. 162, Z. 11-18; METZ,Hagenau (wie Anm. 134), S. 217; SEllER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), S. 124 u. 131.
34
Hubertus Seibert
scheidend mitwirkten, ist St. Fides in SchIettstadt. 1094 übertrugen Hildegard
und ihre sechs Kinder, darunter Herzog Friedrich I. und Bischof Otto von Straßburg, die seit ca. 1092 der heiligen Fides geweihte Kapelle dem südfranzösischen Kloster Conques (Diözese Rodez) zur Einrichtung des mönchischen
Lebens und der Pflege des liturgischen Gedächtnisses der Stifterfamilie='', Das
einzige Priorat des Klosters Conques im Reich erwies sich erst nach weiteren
umfangreichen Schenkungen der Stifterfamilie als wirtschaftlich lebensfähig-",
Ob das 1106 von Papst Paschalis 11. mit Begräbnisrecht und freier Vogtwahl
privilegierte, Conques unterstellte Kloster als -staufische- Familiengrablege vorgesehen war, ist nicht nachweisbar-F,
Auch die Gründung des Klosters Lorch um 1100 geht auf eine gemeinsame
Aktion der -staufischen- Familie, Herzog Friedrichs I., seiner Gattin und Söhne
Friedrich und Konrad, zurück+'. Die bewußte Einführung der hirsauischen
Lebensweise und die (versuchte) Übertragung an den hI. Petrus in Rom belegen, wie nachhaltig die -staufischen- Gründer von den zeitgenössischen religiösen Idealen kirchlicher Erneuerung erfaßt waren-!'. Mit der von ihm veranlaßten Translation der Gebeine der -staufischen. Ahnen von der Stiftskirche im
Tal in die Klosterkirche auf dem Berg im Jahre 1139 intensivierte und institutionalisierte König Konrad Ill. die von der -staufischen- Familie und ihrer ministerialischen Familia gemeinsam getragene Memoria!",
Fast alle der im späten 11. und frühen 12. Jahrhundert im Heiligen Forst
gegründeten Männer- und Frauenklöster weisen einen oder mehr weniger
starken Bezug zur -staufischen- Familie (als Gründer) und ihrer Territorialpolitik im nördlichen Elsaß auf. Die 1074 von Graf Dietrich I. von Mömpelgard
gestiftete Zelle St. Walburg erhoben sein Neffe, Graf Peter von Lützelburg,
und Herzog Friedrich H. 1116/17 zur Abtei und übertrugen das neue Kloster
dem apostolischen Stuhl, der ihm den Besitz bestätigte und wichtige Vorrechte
210 WÜRDTWEIN,Nova subsidia (wie Anm.26), Nr. 109, S.256--258; zur Pilgerfahrt Herzog Friedrichs und Bischof Ottos zur hi. Fides und Traditio ihrer Gründung an Conques vgl. den zwischen
1108 und 1138 entstandenen Griindungsbericht, ed. LUCAROBERTINI,
über miraculorum sancte
Fidis (Biblioteca di Medioevo latino 10), Spoleto 1994, S.305-310, bes. S.305f., die die MGHEdition, MGH SS 15/2, S. 9%-1000, ersetzt; SEILER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), S. 62-70.
211 WÜRDTWEIN,Nova subsidia (wie Anm. 26), Nr. 110, S. 258f.; Cartulaire de l'abbaye de Conques
en Rouergue, publie par GUSTAVEDESJARDlNS,Paris 1879, Nr.575, S.405f.; ROBERTINI,über
(wie Anm. 210), S. 306-310; SEILER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), S. 71-sQ.
212 JL 6072, ed. WÜRDTWEIN,Nova subsidia (wie Anrn.26), Bd. VII, Heidelbergae 1786, Nr.3,
5.5-7; SEILER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), S. 80-82.
213 Wirtembergisches Urkundenbuch (wie Anm. 177) I, Nr.264, 5.334; MGH 0 F I. 77 (1154),
S. 129, Z. 22-24; H. MAURER,Lorch (wie Anm. 200), S. 374f.
214 H.-M. MAURER,Anfange (wie Anm. 178), S. 6f. u. 10; KLAUSGRAF,Staufer-Überlieferungen aus
Kloster Lorch, in: Von Schwaben (wie Anm. 196), S. 209-240, hier S. 212-214 u. 217f.
215 MGH 0 F I. 77 (1154), S. 129, Z. 19-23; KLAUSGEREONBEUCKERS,
Die Klosterkirche von Lorch.
Bemerkungen zu ihrer baulichen Entwicklung unter den Staufern, in: 900 Jahre (wie Anrn. 178),
5.43-70, bes. S. 45 u. ~;
H. MAURER,Lorch (wie Anm. 200), S. 379-384; H.-M. MAURER,Anfänge (wie Anm. 178), S. 16-19; zu Lorch als Kloster der -staufischen- Familia jetzt LUBICH,TerritoriaIpolitik (wie Anm. 122), S.200-202, zu den dortigen Staufergräbern GRAF, StauferÜberlieferungen (wie Anm. 214), S. 223-230.
Die frühen .Siaujer.
35
verlieh?". Friedrich 11.bezog St. Walburg seit 1119 durch großzügige Besitzschenkungen in seine Bemühungen zur siedlungsmäßigen Erschließung und
herrschaftlichen Erfassung des Heiligen Forstes mit ein und bestimmte es zu
seiner und seiner zweiten Frau Grablege-". Dem von Graf Reinhold von Lützelburg um 1133 gegründeten und nach seinem Tod (t 1143) zu seinem Erben
eingesetzten Zisterzienserkloster
Neuburg entriß Friedrich 11. das ihm zugedachte letzte Drittel des Heiligen Forstes-". Zur rechtlichen Legitimierung dieser Handlung erklärte Friedrich Barbarossa seinen Vater 1158 zum Mitgründer
Neuburgs und nahm durch diese rückwirkende Umdeutung des Gründungsvorgangs Neuburg für sich und seine Erben gleichsam als Eigenkloster in Anspruch+'', Das vor 1147 von Herzog Friedrich 11.gestiftete Zisterzienserinnenkloster Königsbrück vervollständigte im Norden den Kranz von kirchlichen
und weltlichen Stützpunkten, den er sukzessive um das Gebiet des Heiligen
Forstes gezogen hatte22D•
Welch hohe Anziehungskraft auch die prämonstratensische
Lebensweise
auf die frühen -Staufer- ausübte, verdeutlichen die von Friedrich n. und Konrad Ill. 1144 initiierte Neubesiedlung von Münsterdreisen durch Prämonstratenser221 und die Zustimmung Konrads Ill., Herzog Friedrichs 11. und seines
Sohnes zur Gründung des Prämonstratenserinnenstifts
Lochgarten 1144 durch
zwei Hintersassen des Kollegiatstifts Lorch222•
Eine weitere Säule ihrer adligen Herrschaft und ihres Territorialaufbaus
bildeten die Kirchenvogteien, die sie über ihre eigenen Gründungen und mehrere andere Klöster und Stifte ausübten. Dieses Herrschaftsinstrument,
das
einen idealen Ansatz- und Ausgangspunkt
für vielfältige raumbezogene
Einflußnahmen bot, suchten sie in rechtlich unterschiedlichen Formen - als
erbliche Gründervogtei oder als Reichsschutz - dauerhaft zu behaupten und
für ihre territorialen Ziele einzusetzen. Als Vögte ihrer ältesten Kirche, des
Kollegiatstifts St. Marien in Lorch, treten die frühen -Staufer- in den Quellen
kaum hervor+'. Die Vogtei über das Kloster Lorch war und blieb - ungeachtet
des freien Vogtwahlrechts des Konvents und ihres zeitweiligen Entzugs durch
216
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SEILER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), S. 44f. u. 125f.
MGH D F I.270 (1159), S. 78, Z. 25f.; SEILER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), S. 137f.
SEILER,Territorialpolitik (wie Anm. 130), S. 140f.
MGH D F I. 206, S.345, Z. 36-38; MICHAELÜBERWEIS,»A nostris progenitoribus fundata«. Die
Staufer als fiktive Gründer der Zisterzen Neuburg im Elsaß und Eußerthal in der Pfalz, in:
Grenzen erkennen B Begrenzungen überwinden. Festschrift für Reinhard Schneider zur
Vollendung seines 65. Lebensjahres, hg. von WOLFGANGHAUBRICHS!KURT-ULRlCH
JÄSCHKE/
MICHAELÜBERWEIS,
Sigmaringen 1999, S. 177-189, hier S. 182 u. 186.
MGH D F I. 967, S.244, Z. 30; THOMASSEILER,Das Zisterzienserinnenkloster
Königsbrück im
12. und 13. Jahrhundert. Ein Beitrag zur staufischen Territorialpolitik im Unterelsaß, in: Grenzen erkennen (wie Anm. 219), S. 163-175, bes. S. 166.
MGH D Ko Ill. 104, S. 185, Z. 3-15; SABINEPENTH, Prämonstratenser und Staufer. Zur Rolle
des Reformordens in der staufischen Reichs- und Territorialpolitik (Historische Studien 478),
Husum 2003, S. 52-54.
MGH D Ko Ill. 113; PENTH,Prämonstratenser (wie Anm. 221), S. 56f.
MGH D Ko Ill. 113 (1144), S. 202, Z. 39.
36
Hubertus Seibert
König Lothar Ill. 1134/35224 - dauerhaft in Form einer spezifischen Senioratsbestimmung in der -staufischen- Familie verankert-",
Ähnlich verhält es sich bei der zweiten -staufischen- Klostergründung
St. Fides in Schlettstadt. Obwohl die vier Söhne Hildegards von Egisheim im Juli
1095 dem Abt von Conques nach ihrem Tod das Recht der freien Vogtwahl zugestanden-", was Paschalis 11. 1106 ausdrücklich bestätigte, hat Herzog Friedrich H. faktisch die Vogtei über St. Fides zeitlebens niemals aufgegeben-". Weitere Vogteirechte übten die frühen -Staufer- im Elsaß vor 1147/52 über die
Klöster St. Walburg, Neuburg und das Zisterzienserinnenkloster
Königsbrück
aus228• Im benachbarten Rheinfranken amtierten sie als Vögte von Weißenburg
und Münsterdreisen+", in ihrem schwäbisch-fränkischen Machtbereich erwarben sie die Vogteien über Comburg (vor 1138), Öhningen und Lochgarten23o.
Ein letzter Träger der Adelsherrschaft der frühen -Staufer- sei hier noch
kurz angesprochen - ihr aus Adligen und Ministerialen zusammengesetztes
Gefolge. Otto von Freising hebt unter den vielen rühmenswerten Tugenden
Herzog Friedrichs 11. besonders dessen Freigebigkeit hervor. Sie habe bewirkt,
daß Friedrich eine große Menge von Rittern (militum) zuströmte und sich ihm
freiwillig zum Dienst anbot-". Eine Identifizierung dieses Personenkreises wie
des staufischen Gefolges vor 1138 insgesamt wird durch die wenigen zeitgenössischen Quellennachrichten erheblich eingeschränkt. Die Urkunden mit ihren Zeugenlisten, die in anders gelagerten Fällen232 einen erheblichen Erkenntnisgewinn
zeitigten, führen hier mangels Masse nicht zu dem
gewünschten Ergebnis. Von den -staufischen- Herzögen in Schwaben und Ostfranken sind bis 1152 überhaupt nur fünf Urkunden überliefert, von denen vier
224 Erstmals in der Urkunde Pfalzgraf Hermanns von Stahleck vom 1. April 113S (?), Wirtembergisches Urkundenbuch (wie Anm. 178) Ut Nachtrag Nr. 6, S. 466; MGH 0 Ko Ill. 38 (1139), S. 62,
Z.4lf. u. 5.63, Z.3f. u. 6--9; zum Verlust des Vogtwahlrechts H.-M. MAURER,Anfänge (wie
Anm. 178), S. 9f.
22S MGH 0 Ko HI. 38, S. 63, Z. 1-7; MGH 0 F I. 77 (1154), S. 129, Z.24-27; die Erbvogtei in Form
einer Senioratsregelung verfügt auch die um die Mitte des 12. Jahrhunderts nach echter zeitgenössischer Vorlage gefälschte Schenkungsurkunde Herzog Friedrichs 11. für Lorch von 1102,
Wirtembergisches Urkundenbuch (wie Anm. 177) I, Nr.264, S.334; H. MAURER,Lorch (wie
Anm.200), S.37Sf. Im ersten Papstprivileg für Kloster Lorch von Innocenz 11.vom 24. April
1136 fehlt bezeichnenderweise ein Passus über die Bestellung des Vogts, JL ml, Wirtembergisches Urkundenbuch I, Nr. 303, S. 383f.
226 DESJARDINS,Cartulaire (wie Anm.211), Nr.575, S.405f.; SEILER, Territorialpolitik
(wie
Anm. 130), S. 74.
227 JL 6072, ed. WÜRDlWElN,Nova subsidia (wie Anm. 212), Nr.3, S. Sf.; SElLER,Territorialpolitik
(wie Anm. 130), S. 80-82.
228 CLAUSS,Untervogtei (wie Anm. 136), S.270f. u. 274; SEILER,Territorialpolitik (wie Anm. 130),
S.139-142.
229 CLAUSS,Untervogtei (wie Anm.I36), S.270-272; PENTH, Prämonstratenser (wie Anm.221),
S.53 u. 89f.
230 HELMUTMAURER,Komburg. in: Die deutschen Königspfalzen (wie Anm. 3), 3. Lieferung,
Göttingen 1997, S.254-262, hier S.257f.; LUBICH,Besitz (wie Anm.46), S.412; zu Öhningen
CLAUSS,Untervogtei (wie Anm. 136), S.271 u. 274f., zu Lochgarten PENTII, Prämonstratenser
(wie Anm. 221), S. 56f.
231 Otto von Freising, Gesta (wie Anm. 17) I, 12, S. 152, Z. 12-15.
232 DENDORFER,
Fidi milites (wie Anm. 9), S. 220f.
Die [ruhen .Staufer.
37
eine Zeugenliste besitzen. Während Herkunft (Bischofsurkunde?) und Authentizität der Zeugenliste der auf den Namen Herzog Friedrichs n. Ende des
12. Jahrhunderts gefälschten Urkunde für St. Fides in Schlettstadt zweifelhaft
sind233, weisen die Laien, die die echte Urkunde Herzog Friedrichs L von 1103234
und das Falsum Herzog Friedrichs n. von 1106 (?)235bezeugten, keine Zunamen
oder Herkunftsbezeichnungen
auf, was ihre Zuordnung zu einer Adelsfamilie
oder einem bestimmten Raum unmöglich macht. Erschwerend kommt insgesamt hinzu, daß sich die Forschung der Entstehung und Zusammensetzung des
-staufischen- Gefolges bislang kaum angenommen hat236•
Der quellenmäßig gut dokumentierte Teilnehmerkreis des Fürstentags in
Rottenacker 1116 und des herzoglichen Landtags am Königsstuhl um 1140
erlaubt erste vorsichtige Rückschlüsse auf das herzogliche Gefolge Friedrichs IL, dem offenbar die Grafen von Kirchberg, Berg, Veringen, Zollern,
Achalm, Wirtemberg, Lenzburg und der Pfalzgraf von Tübingen zuzuweisen
sind237• Der Graf von Lenzburg begegnet zudem als Spitzenzeuge in der einzigen erhaltenen echten Herzogsurkunde
Friedrichs IL, die 1142 in Hagenau
ausgestellt wurde-". Neben mehreren bayerischen Großen, den Grafen von
Bogen und den Edelfreien von Moosburg, dem herzoglichen Mundschenk und
Notar bezeugten Friedrichs Schenkung an das Kloster Odenheim noch vier
weitere Personen. Der an erster Stelle genannte Walther entstammte dem Geschlecht der Herren von Lobenhausen, die wie die Edelfreien von BieJriet und
von Truhendingen zu den ostfränkischen Gefolgsleuten der frühen -Stauferzählten+", Die übrigen drei Zeugen der Urkunde von 1142 gehören offenbar
zum elsässischen Gefolge Friedrichs 11.,darunter vielleicht der Edelfreie Otto
von Huneburg+" und die Ministerialen Konrad Zurno und Heinrich von Rappoltsweiler.
Eine profiliertere Stellung als der Adel nahmen im -staufischen- Gefolge offensichtlich die zahlreichen Ministerialengeschlechter
ein. Vor 1138 lassen sich
quellenmäßig aber nur wenige von ihnen im Dienst der schwäbischen Herzö233 WÜRDTIVEIN,Nova subsidia (wie Anm. 26), Nr. 123, S.286-292, hier S. 290f.; zum Fälschungscharakter HLAWITSCHKA,
Grundlagen (wie Anm. 26), S. 93 mit weiterführender Literatur.
234 BENDEL,Urkundenbuch (wie Anm. 141), Nr. 30, S. 42, Z. 15-20.
235 Wirtembergisches Urkundenbuch (wie Anm. 177) I, Nachtrag F., S. 412.
236 Erste, aber nicht immer nachprüfbare Hinweise bei KARLBost, Die Reichsministerialität der
Salier und Staufer. Ein Beitrag zur Geschichte des hochmittelalterlichen deutschen Volkes, Staates und Reiches (Schriften der MGH 10/1-2), Stuttgart 1950/51, S.99f., 119, 123, 130, 190,365 u.
386f., der wiederholt die Wichtigkeit der Unterscheidung »zwischen Reichsministerialen und
Dienstmannen des Herzogtums Schwaben und staufischen Eigenministerialen« (119) betont.
237 MAURER,Herzog (wie Anm. 174), S.238-243 mit Nennung weiterer Grafen und Edelfreier. die
der -staufische- Herzog von Schwaben an seinen Hof zu ziehen vermochte.
238 Wirtembergisches Urkundenbuch (wie Anm. 178) 1II,Nachtrag Nr. 8, S. 469.
239 LUBICH,Weg (wie Anm. 46), S. 176 u. 193f.; nach Russ, Truhendingen (wie Anm. 122), S.23 u.
75f. werden die Edelfreien von Truhendingen erstmals in MGH 0 Ko Ill. 79 (1142), S. 141, Z. 17,
im -staufischen- Gefolge erwähnt, scheinen aber schon vorher im Raum Eichstätt -staufischeInteressen wahrgenommen zu haben.
240 Zu den Edelfreien von Huneburg, deren Stammburg nördlich von Zabem lag, SEILER,Territorialpolitik (wie Anm.I30), S.173-175; BOSL,Reichsrninisterialität (wie Anm.236), S.192 weist
Otto von Huneburg einem Reichsministerialengeschlecht zu.
38
Hubertus Seibert
ge und -staufischen- Territorialpolitik nachweisen. Zu den ältesten -staufisehen- Ministerialenfamilien gehörten vermutlich die Geschlechter, die sich
nach ihren Sitzen bzw. -staufischen- Burgen Rot, Rothenburg ob der Taubern,
Pappenheinr'" und Staufen2H benannten.
Aus unserer Tour d'horizon über die Besitzgrundlagen und den Herrschaftsaufbau der frühen -Staufer- lassen sich zwei Schlüsse ziehen. Zum einen unterschieden sich die -Staufer- in vielem kaum von anderen Adelsfamilien ihrer Zeit. Wie diese betrieben sie konsequent den Auf- und Ausbau einer
auf Grundbesitz, Burgen, Klöster, Vogteien und Ministerialen gegründeten
adligen Territorialherrschaft. Doch hoben sich die -Staufer- in anderem deutlich von ihren adligen Standesgenossen ab. Sie waren besitzmäßig und herrschaftlich in drei Räumen, Schwaben, Elsaß und Franken, verankert. Aber ihre
wichtigsten herrschaftlich nutzbaren Positionen und Rechte erwarben sie offenbar im Zuge ihres überragenden reichspolitischen Engagements oder eigneten sie sich infolgedessen gewaltsam und auf Dauer an. So gesehen erweist
sich ihr geschicktes und erfolgsorientiertes politisches Handeln als treibende
Kraft ihres stetigen Aufstiegs, der nicht - entgegen der Ansicht der bisherigen
Forschung - das Resultat einer territorial fundierten HausmachtsteIlung war44•
IV. Offene Fragen
Am Ende dieses Überblicks über die wichtigsten Ergebnisse und Positionen
der Forschung zur Geschichte der frühen -Staufer- (1079-1152) wollen wir den
Blick künftiger Forschung auf offene Fragen und Desiderata lenken.
In der viel diskutierten Frage nach Herkunft und Abstammung-v dieser
Adelsfamilie sind neue Erkenntnisse angesichts der wenigen vorhandenen
Quellen nicht zu erwarten. Künftige Forschung wird daher vor allem bei den
unterschiedlichen
Grundlagen und Mitteln des -staufischen. Aufstiegs seit
1079 anzusetzen und die Stellung und Vemetzung der -Staufer- innerhalb des
regionalen Adels als auch auf der Ebene der Fürsten im Reich präziser als
bisher zu konturieren haben. Während ihr Dienst für Königtum und Reich/";
die Bedeutung ihrer Königsnähe und -verwandtschaft angemessen gewürdigt
wurden, bedürfen die -staufische- Herrschaftsbildung und ihr Territorialauf-
241 LOBICH,Weg (wie Anm. 46), S. 176; seit ca. 1140 wird Rothenburg in Urkunden auch als Beiname von staufischen Ministerialen verwandt, DERS.,Besitz (wie Anm. 46), S. 409 Anm. 28.
242 Zu den Marschällen von Pappenheim JAN ULRlCHKEUPP, Dienst und Verdienst. Die Ministerialen Friedrich Barbarossas und Heinrichs VI. (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 48), Stuttgart 2002, S. 180f.
243 REICHARDT,Göppingen (wie Anm.54), S. Il2f.; H. MAURER,Hohenstaufen (wie Anm.202),
S. 216; der früheste Beleg stammt von 1171, MGH 0 F I. 577, S. SO,Z. 6.
244 LOBICH,Territorialpolitik (wie Anm. 122), S. 209.
245 Dazu WELLER,Auf dem Weg (wie Anm. 68), in diesem Band.
246 Vg!. DENDORFER,
Fidi milites (wie Anm. 9), in diesem Band.
Die [ruhen .Staufcr,
39
bau vor 1152w vor allem in Schwaben und im Elsaß248einer neuerlichen kleinteiligeren Untersuchung.
Neben den Burgen und Klöstern als zentralörtlichen Bezugs- und Ausgangspunkten -staufischer- Herrschaftsbildung
ist insbesondere das bislang
kaum behandelte -staufische. Gefolge aus Adel und Ministerialität als Träger
des staufischen Aufstiegs in den Blick zu nehmen. Viel zu wenig wissen wir
über Herkunft, Umfang und Funktion der Güter und Rechte, die die frühen
-Staufer- von Bischofs- und Klosterkirchen zu Lehen trugen. Die Wahl des ersten -Staufers- zum römisch-deutschen König 1138 markierte einen neuen Abschnitt in der Geschichte ihres Aufstiegs, stellte sie jedoch zugleich vor neue
Probleme und Herausforderungen=",
Den von der jüngsten Forschung eingeschlagenen Weg einer Neubewertung von Konrads Ill. Person und Königtum250 gilt es fortzusetzen und die weißen Flecken, die noch für seine Herrschaft und seinen Hof bestehen, zu füllen.
Ein letztes Forschungsdesiderat
betrifft die Wahrnehmung und Deutung
der frühen -Staufer- in der zeitgenössischen Historiographie und volkssprachigen Literatur+". Die insbesondere in der Kritik der Darstellung Ottos von Freising erzielten Ergebnisse-S erfordern eine Vertiefung. Im Kontext der skizzierten Forschungsfelder und künftigen Aufgaben verstehen sich die Beiträge
dieses Tagungsbandes+'
als ersten Schritt hin zu einer fundierteren Bewertung und Deutung der frühen -Staufer- vor Friedrich Barbarossa.
247
248
249
250
Vgl. LUBICH,Territorialpolitik (wie Arun. 122), in diesem Band.
Dazu KRIEG,Adel (wie Anm. 53), u. ZIEMANN,Staufer (wie Anm. 129), in diesem Band.
Erste Hinweise bei HECHBERGER,
Konrad III. (wie Anm. 120), in diesem Band.
Dazu CöRICH, Wahrung (wie Arun. 118), u. KEUpr, Interaktion (wie Anm. 119), sowie SEBASTIANSCHOLZ,Die Wiener Reichskrone. Eine Krone aus der Zeit Konrads IlL?, alle in diesem Band.
251 Für die .vor-staufische- Zeit vgl. MONlKA WINTERLING,Zur Darstellung Heinrichs v. und
Lothars III. in der deutschen Kaiserchronik des 12. Jahrhundert, in diesem Band, S. 397-408.
252 Dazu HAGENEIER,Staufer (wie Anm. 9), in diesem Band.
253 Ein konzises Resümee der Beiträge dieses Bandes bietet CLAUDIAZEY,Grafen, Herzöge, Könige. Der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079-1152) Zusammenfassung, in diesem
Band,S.~.