ITS magazine - Siemens Schweiz AG
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ITS magazine - Siemens Schweiz AG
ITS magazine Fachmagazin für Straßenverkehrstechnik I 2/2011 www.siemens.com/mobility Fortschritt beim Stillstand Wie Optimierungen des ruhenden Verkehrs für mehr Bewegung sorgen können S Editorial & Inhalt Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, gleich zwei Sprachen hat man bemüht, um einen Patchwork-Begriff zu komponieren, der dann trotzdem nur relativ selten ins Schwarze trifft. Denn „selbst-beweglich“ ist das aus dem griechischen „αὐτό“ und dem lateinischen „mobilis“ zusammengesetzte Automobil laut Statistik nur etwa eine Stunde pro Tag – die übrigen 23 Stunden steht es auf einem Parkplatz und wird damit gewissermaßen zur Immobilie. Doch obwohl jede Fahrt mit einem Parkvorgang beginnt und endet, wie der ADAC konstatiert, spielte der ruhende Verkehr lange Zeit eine eher untergeordnete Rolle, wenn von Optimierung der Mobilität die Rede war. Erst in den letzten Jahren rückten die Organisation und die Bewirtschaftung von Parkraum immer weiter nach oben auf der 4 Eine leise Revolution Inhalt Im Fokus 4Eine leise Revolution 12Neuester Stand Professor Dr. Donald Shoup, Autor Auch wenn es um stehende Fahrdes Kultbuchs The High Cost of Free zeuge geht, ist die Welt permanent Parking, über die ersten Erfolge bei in Bewegung. Schon heute müssen der Umsetzung einer neuen Parkintelligente Parklösungen unterraumpolitik auf Basis der von ihm schiedlichste Anforderungen erfülpropagierten leistungsbezogenen len – und neuerdings meldet auch Gebühren in den USA noch die Zukunft der Mobilität weit reichende Ansprüche an 16Zahlen per Telefon In immer mehr Städten kann man Parkgebühren mit einem Griff zum Handy entrichten. Angesichts weiter optimierter Technologien bietet der Trend zum Mobile Parking darüber hinaus die Chance, völlig neue Dienste und Mehrwerte zu realisieren 9„Unser Problem ist der aufrechte Gang“ 15Wo die Stunde schlägt Interview mit Professor Dr. Hermann Walter Beck, Geschäftsführer der Knoflacher von der TU Wien über Würzburger Stadtverkehrs-GmbH, die evolutionären Hintergründe, die über die Schlüsselfaktoren für den konzeptionellen Eckpfeiler und die erfolgreichen Betrieb von Parkhäuerwünschten Effekte seiner kontrosern und Parkplätzen vers diskutierten Vorschläge für die Parkraumorganisation in Städten 18Mit Wut zur Lücke Sein höchstpersönlicher Ärger inspirierte einen unternehmungslustigen New Yorker zu einer innovativen Handy-Applikation: Registrierte Nutzer informieren sich per SMS über freie Parklücken. Schon kurz nach dem Start hat Roadify über 18.000 Mitglieder 2 its magazine 2/2011 Agenda. Zum Teil resultiert dies sicherlich aus der alarmierenden Erkenntnis, dass im Durchschnitt bis zu 40 Prozent des gesamten innerstädtischen Verkehrs durch Parkplatzsuche entsteht. Nicht unwesentlichen Anteil an der Belebung der Diskussion hat aber auch die Hartnäckigkeit einiger Wissenschaftler, die das Thema immer wieder auf die Tagesordnung setzen. Einer von ihnen ist der von vielen Experten als Park-Guru apostrophierte Professor Dr. Donald Shoup von der University of California, auf dessen Idee der dynamischen Staffelung von Parkgebühren das innovative Projekt SFpark in San Francisco basiert. Ein anderer ist der streitbare Professor Dr. Hermann Knoflacher von der TU Wien, der die Autos von Anwohnern und Besuchern am liebsten in hochmodern ausge- statteten Garagen vor den Toren unserer Städte parken lassen würde. Das ITS magazine hat die beiden Vordenker nach den Hintergründen ihrer Konzepte befragt und wirft darüber hinaus einen Blick auf die Technologien für die Zukunft des Parkens. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen. Herzlichst Ihr Hauke Jürgensen Leiter Intelligent Traffic Systems 22 Durchgehend geöffnet 24 Vor dem Sturm? Trends & Events Wissen & Forschung Rubriken 19Trendspot Das innovative Park & Charge-System Sitraffic Epos P erleichtert den schrittweisen Aufbau einer flächendeckenden Versorgungs-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge 22Durchgehend geöffnet Optimierte Sicherheitssysteme in Straßentunnels schützen nicht nur L eben, sie erhöhen auch die Verfügbarkeit der Verkehrswege unter Tage 21Im Seitenspiegel Nachdenkliches und Quergedachtes zum Thema Parken: „Suchst du noch oder parkst du schon?“ Partner & Projekte 20Eventnews Kompaktmeldungen zu aktuellen Veranstaltungen in Kolumbien und Deutschland 20Shortcuts Aktuelle Projekte im Bereich Straßenverkehrstechnik in Polen und Deutschland 26Profil Helge Molthan, Leiter Technical Sales „Park & Charge“ bei Siemens Complete Transportation, über die Integration innovativer Lade systeme in die bestehende Infrastruktur für Parkflächen: „Lösungen für das Henne-Ei-Problem“ Mobilität & Lebensraum 24Vor dem Sturm? Im Moment läuft alles exakt nach Plan im Siemens-Werk Augsburg, wo Parkscheinautomaten für die ganze Welt konfiguriert werden. Hinter den Kulissen jedoch haben die Verantwortlichen längst die Vorbereitungen getroffen für einige ungewöhnlich stressreiche Jahre 28Impressum 2/2011 its magazine 3 Im Fokus Eine leise Revolution 4 its magazine 2/2011 Essay n In den USA gilt sein Kultbuch The High Cost of Free Parking inzwischen als Pflichtlektüre für Kommunalpolitiker – und er selbst als gefragter Berater für Stadtplanungsprojekte. Die Ideen von Professor Dr. Donald Shoup von der University of California für eine Reform der Parkraumpolitik stehen hinter SFpark – einem innovativen, sensorgestützten System, das die Höhe der Parkgebühren in San Francisco der Nachfrage anpasst. Für das ITS magazine skizziert er die ersten Erfolgsstories zu seinen drei wichtigsten Empfehlungen. 2/2011 its magazine 5 Im Fokus Jeder kann von leistungsbezogenen Parkgebühren profitieren „Beim Parken ist das wie beim Besuch einer Prostituierten“, hat George Costanza einmal gesagt, einer der prominentesten Geizkrägen der TV-Geschichte: „Warum soll ich für etwas bezahlen, das ich, wenn ich mich anstrenge, vielleicht auch umsonst bekomme?“ Selbstverständlich würden die meisten von uns etwas subtilere Vergleiche ziehen, aber die Einstellung der US-Amerikaner zum Thema Parkgebühren bringt der kleine, übergewichtige Seinfeld-Kumpel damit doch ziemlich genau auf den Punkt. Und das haben wir jetzt davon: Wo das Parken am Straßenrand zu billig und daher zu begehrt ist, hat der Parkplatzsuchverkehr oft einen erstaunlich großen Anteil Parkuhr im SFpark: Die Höhe der Gebühren wird nachfragegerecht angepasst am gesamten Verkehrsaufkommen. 16 Untersuchungen zwischen 1927 und 2001 kamen zu dem Ergebnis, dass 30 Prozent der Autos nur deshalb in den verstopften städtischen Straßen umherfahren, um eine Parkgelegenheit zu finden. Wenn die Forscher zum Beispiel vor roten Ampeln stehengebliebene Fahrer in New York fragten, antworteten 28 Prozent der Fahrer in Manhattan, dass sie auf der Suche nach einem Parkplatz am Straßenrand seien, in Brooklyn waren es sogar 45 Prozent. Bei einer anderen Studie kam heraus, dass die Fahrer durchschnittlich 3,1 Minuten brauchten, um in einem 15 Blocks umfassenden Gebiet in der Upper West Side von Manhattan einen Parkplatz zu finden – und dafür im Mittel rund 600 Meter extra zurücklegen mussten. Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurde berechnet, dass allein in diesem kleinen Gebiet pro Jahr 590.000 überflüssige Kilometer gefahren und 295 Tonnen CO2 in die Luft geblasen werden. Kostenloses Parken am Straßenrand stellt für die wenigen Fahrer, die glücklich einen Parkplatz erwischen, einen kleinen, kurzfristigen Vorteil dar – für den großen Rest bedeutet es Tag für Tag immense soziale Kosten. Um den Straßenparkraum sinnvoll zu verwalten, sind einige Städte dazu übergegangen, die Parkgebühren nach Ort und Zeit so zu staffeln, dass eine 85-prozentige Belegung erreicht wird, also in einem typischen Straßenabschnitt mit acht Stellplätzen immer einer frei ist. Sind mehr Plätze frei, ist der Preis zu hoch – findet sich gar keine Lücke mehr, ist er zu niedrig. Die einen sprechen hier vom Goldilocks-Prinzip, die anderen nennen es Performance Pricing, der Effekt bleibt derselbe: eine gleich dreifache Verbesserung der Parkraumleistung. Erstens wird Parken auf der Straße effizienter, zweitens funktioniert das Verkehrssystem besser, und drittens profitiert die Wirtschaft: Denn die Fahrer parken in den Geschäftsvierteln nur zum Einkaufen und fahren dann schnellstmöglich weg, so dass die Plätze weiteren Kunden zur Verfügung stehen. San Francisco hat mit SFpark ein ehr geiziges Programm aufgesetzt, um die Parkgebühren angemessen festzulegen. Dazu werden Parkuhren aufgestellt, die unterschiedliche Gebühren verlangen können – und Sensoren installiert, die in Echtzeit die Parkplatzbelegung erfassen. Diese Informationen dienen dann als Basis für die nachfragegerechte Anpassung der Preise. Erklärtes Ziel ist es dabei, die Gebühren jeweils so niedrig wie möglich einzustellen, ohne dabei aber einen Parkplatzmangel zu erzeugen. Dieses Prinzip kann zudem zur Entpolitisierung des Themas beitragen. Denn wenn die Städte nicht mehr einen bestimmten Ertrag, sondern einen konkreten Effekt anstreben, bedarf es keiner Abstimmung des Stadtrats mehr über die Höhe der Gebühren. Die werden stattdessen durch unpersönliche Markttests definiert. Der einfachste Weg, Menschen davon zu überzeugen, dass Parken in den Straßen ihres Viertels etwas kosten sollte, ist die Verwendung der entsprechenden Einnahmen für die Aufwertung der jeweiligen Gemeinde – also etwa für die Reparatur Parking Day in San Francisco: Seit 2005 ziehen sich Demons tranten in vielen Städten rund um den Globus Parktickets und nutzen den gemieteten Platz für verschiedene Aktionen 6 its magazine 2/2011 Continental Building in der Spring Street in Los Angeles, Arts Bus in Pasadena: Reform besteht genauso in der Durchsetzung guter wie in der Abschaffung schlechter Maßnahmen von Bürgersteigen, das Pflanzen von Straßenbäumen und die Verlegung von Stromleitungen unter die Erde. Wenn die Menschen, die hier leben, arbeiten und Immobilien besitzen, sehen wie das Geld aus den Parkuhren für sie arbeitet, wird das Gesamtpaket auf weitaus höhere Akzeptanz stoßen als das Aufstellen von Parkuhren allein. Inzwischen gibt es bereits einige praktische Proben auf dieses theoretische Exempel. Die vielleicht eindrucksvollste Erfolgsgeschichte hat dabei Old Pasadena vorzuweisen: bis vor kurzem noch ein heruntergekommenes Geschäftsviertel – heute eines der beliebtesten Touristenziele in Südkalifornien. Und das „nur“, weil die reichliche Million US-Dollar, die dort neuerdings jährlich durch Parkgebühren eingenommen werden, unmittelbar zusätzlichen öffentlichen Dienstleistungen vor Ort zugute kommen. Reform besteht jedoch nicht nur in der Durchsetzung guter Maßnahmen, sondern auch in der Abschaffung verfehlter politischer Entscheidungen. Die Vorgabe, dass alle Gebäudebesitzer reichlich Stellplätze auf ihrem Grundstück zur Verfügung zu stellen haben, ist eine solche verfehlte Politik. In der griechischen Mythologie fließt das Füllhorn von dem über, was der Besitzer sich wünscht. Die Verordnung großzügiger Parkflächen bringt all den freien Parkraum, den wir uns wünschen, doch dadurch wird zugleich die Wahl des Transportmittels verfälscht, das Stadtbild verzerrt, die Wirtschaft geschä- Die Menschen sollen sehen, wie das Geld aus den Parkuhren für sie arbeitet digt und die Umwelt belastet. Einige Städte haben deshalb schon damit begonnen, die Mindeststellplatzzahl abzuschaffen, zumindest in ihren Innenstädten – und zwar aus zwei Gründen. Erstens verhindern Mindeststellplatzvorgaben die Schließung kleiner Baulücken, auf denen die Errichtung eines Gebäudes samt der geforderten Stellplätze schwierig und teuer wäre. Zweitens vereiteln diese Anforderungen außerdem die Umnutzung bestehender Gebäude, die für die neue Verwendung nicht genug Parkraum bieten. Die Aufhebung von Stellplatzvorgaben bedeutet übrigens keineswegs, den Parkraum zu beschränken oder die Stadt beim Parkraum kurzzuhalten. Im Gegenteil: Im Grunde stellen derartige Vorschriften eine Art Zwangsernährung der Stadt mit Parkplätzen dar, die durch deren Aufhebung lediglich abgeschafft wird. Damit haben Geschäfte und andere Unternehmen die Freiheit, genauso viele oder wenige Parkplätze auf ihrem Grundstück zur Verfügung zu stellen, wie sie für sinnvoll halten. » 2/2011 its magazine 7 Im Fokus Ein Beispiel erster Güte für die Relevanz dieser Thesen liefert die Spring Street in Los Angeles, einst Wall Street des Westens genannt. Dort steht die größte Ansammlung von intakten Bürogebäuden aus den Jahren 1900 bis 1930 in den USA. Ab den 60ern zogen im Zuge des Stadterneuerungsprogramms die meisten Büros ein paar Blocks nach Westen nach Bunker Hill, so dass die großartigen Art-Déco- und Jugendstilgebäude in der Spring Street bis auf die Läden im Erdgeschoss leerstanden. Daran änderte sich dann auch über Jahrzehnte nicht allzu viel. Bis Los Angeles ab 1999 auf Basis eines Erlasses zur angepassten Neunutzung (ARO) den Umbau wirtschaftlich unrentabler oder historisch wichtiger Bürogebäude in neue Wohneinheiten ohne die Einrichtung neuer Parkplätze erlaubte. Auf Grundlage der ARO wurden von Bauträgern zwischen 1999 und 2008 mindestens 7300 neue Wohneinheiten geschaffen. Parken am Straßenrand: Argumente und Konzepte für eine Reform gibt es genug 8 its magazine 2/2011 Die Zwangsernährung der Städte mit Parkplätzen war eine schlechte Idee Die wissenschaftliche Forschung hat wiederholt nachgewiesen, dass Mindeststellplatzanforderungen den Städten, der Wirtschaft und der Umwelt in vieler Hinsicht schaden. Dass Peter für die Parkzeit von Paul und Paul für die Parkzeit von Peter zahlen soll, war eine schlechte Idee. Jeder sollte für seine eigene Stellplatznutzung zahlen, ebenso wie für sein eigenes Auto, seine Reifen und sein Benzin. Stellplatzanforderungen können Kosten keineswegs vermeiden, sondern lediglich verstecken. Sie haben autogerechte, zersiedelte und damit deformierte Städte produziert – ohne dass es den Planern so richtig auf gefallen ist. Kostenloses Parken bedeutet oft voll subventioniertes Parken. Paradigmenwechsel im Städtebau sind oft kaum wahrnehmbar, sie vollziehen sich häufig in Form einer leisen Revolution. Wahrscheinlich ist es genau das, was wir gerade beobachten. Natürlich ist Parken immer ein Politikum. Aber gerade vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen für eine Neuausrichtung eigentlich ganz günstig. Denn im Grunde unterstützen leistungsbezogene Gebühren für Parken am Straßenrand, Verwendung der Parkeinkünfte für öffentliche Dienstleistungen vor Ort und die Abschaffung der Mindeststellplatzvorschriften die Erreichung der Ziele fast aller Interessengruppen – etwa durch Erhöhung der kommunalen öffent lichen Ausgaben ohne Steuererhöhungen, Zurückfahren staatlicher Regulierung, Senkung von Energieverbrauch, Luftver- schmutzung und CO2-Ausstoß, Entlastung der Unternehmen und die Möglichkeit, Lebensraum für Menschen in dicht bebauten Städten ohne Blechlawinen zu schaffen. Argumente und Konzepte für eine Reform der Parkraumpolitik gibt es genug – jetzt muss sich nur noch zeigen, ob wir auch den Willen dazu haben. Parken will bezahlt sein. « Zur Person Professor Dr. Donald Shoup lehrt seit 1980 Stadtplanung an der University of California in Los Angeles und war dort von 1996 bis 2001 außerdem als Direktor des Instituts für Verkehrswesen tätig. Sein einflussreiches Buch The High Cost of Free Parking überzeugt immer mehr Städte, faire Marktpreise für straßenseitiges Parken zu verlangen, die E rträge daraus für öffentliche Leistungen des betreffenden Viertels einzusetzen und die Stellplatzvor gaben für Grundstücke zu reduzie ren oder ganz aufzuheben. Seine Untersuchungen zu arbeitgeberfinanzierten Parkplätzen h aben in Kalifornien bereits zu einer Gesetzesänderung geführt. Interview n Professor Dr. Hermann Knoflacher, langjähriger Vorstand des Instituts für Verkehrs planung und -technik an der TU Wien, über die evolutionären Hinter gründe, die konzeptio nellen Eckpfeiler und die erwünschten Effekte seiner kontrovers diskutierten Vorschläge für die Parkraumorganisation in Städten. „Unser Problem ist der aufrechte Gang“ Herr Professor Knoflacher, seit über 35 Jahren sind Sie für jeden Studenten der Verkehrswissenschaften ein Begriff. Damals sorgten Sie mit der Idee des „Gehzeugs“ für Furore: Sie ließen Fußgänger mit umgehängten Holzrahmen in den Abmessungen e ines Mittelklassewagens gegen die Privilegien der Automobilität demons trieren. Wundert es Sie, dass Sie seither als Autogegner gelten? Keineswegs, aber das Vorurteil trifft trotzdem nicht zu. Ich lehne das Auto nicht ab. Ich nehme mir lediglich die Freiheit, seine gewissermaßen serienmäßig eingebaute Vorfahrt im Wertesystem unserer mobilen Gesellschaft in Frage zu stellen. Das „Gehzeug“ eignet sich dazu ziemlich gut: Wenn ein Fußgänger im öffentlichen Raum rund 7,5 Quadratmeter Platz für sich allein beanspruchen würde, erschiene uns das völlig verrückt – wenn derselbe Mensch das im Auto auf der Straße tut, finden wir das absolut normal. Eines Ihrer Hauptthemen ist seit geraumer Zeit die Parkraumorganisation in Städten. Ein Pkw-Abstellplatz in Zürich müsste nach Ihren Berechnungen derzeit zwischen 600 und 800 Schweizer Franken kosten. Wie kommen Sie auf diese Zahlen? Ganz einfach: indem ich den wirtschaftlichen Wert für die Bodennutzung auf Basis der aktuellen Quadratmeter-Preise hochrechne. Sie werden jetzt vielleicht einwenden, dass die Parkgebühren in Großstädten vielerorts schon auf einem entsprechenden Niveau angesiedelt sind. Damit hätten Sie auf den ersten Blick im einen oder anderen Fall sogar Recht – auf den zweiten jedoch nicht mehr: Denn die meisten Leute, die zum Beispiel in München 2,50 Euro für eine Stunde Parken zahlen, setzen die Kosten anschließend von der Steuer ab. Die Hälfte davon geht dann eben doch wieder zu Lasten der Allgemeinheit. „Der Fußweg zum Auto muss so lang sein wie der zur nächsten Haltestelle“ Dann müsste Ihnen die Idee Ihres USKollegen Professor Dr. Donald Shoup doch eigentlich ganz gut gefallen: Der plädiert schon lange dafür, dass die Höhe der Parkgebühren durch Angebot und Nachfrage dynamisch bestimmt » werden sollte … 2/2011 its magazine 9 Im Fokus „Staus sind kein verkehrliches, sondern ein organisatorisches Problem“ Ich glaube nicht, dass wir ausschließlich über die Höhe der Gebühren diskutieren sollten, wenn es um den Umgang mit parkenden Fahrzeugen in unseren Städten geht. Die Einführung marktwirtschaftlicher Kalkulationen allein wäre im Grunde nicht mehr als eine Symptomtherapie, die an sozialen Grenzen scheitert. Obwohl auch die schon einiges bringen würde – vor allem natürlich zusätzliches Geld, das es den Kommunen erleichtert, neue Wege zu gehen. Aber um auf lange Sicht etwas zu verändern, müssen wir die Ursache des gegenwärtigen Übels, die physischen Strukturen, in unsere Überlegungen mit einbeziehen. Denn die liegt in Wahrheit viel tiefer. Wie tief denn genau? Um es überspitzt zu formulieren: Unser Problem ist der aufrechte Gang. Wenn wir im Auto unterwegs sind, verbrauchen wir pro Zeiteinheit nur die Hälfte bis zu einem Sechstel der Körperenergie, die wir zu Fuß benötigen würden, um dieselbe Entfernung zurückzulegen. Da der Mensch schon aus evolutionären Gründen auf Effizienz getrimmt ist, sagt unser Instinkt: Fahren ist besser als gehen. Dass die Relation von Aufwand und Nutzen im System dabei komplett aus den Fugen gerät, wenn man den Energieverbrauch des Autos dazu addiert, spielt für die Entscheidungen unseres auf Basis uralter Erfahrungen programmierten Unterbewusstseins keine Rolle. Deshalb gibt es nur eine Methode, wirklich faire Wettbewerbsvoraussetzungen zu erreichen: Der Fußweg zum geparkten Auto muss mindestens genauso lang sein wie der zur nächstgelegenen Haltestelle Öffentlicher Verkehrsmittel. Dann sind wir dazu gezwungen, bewusst über unsere Mobilitätsentscheidungen nachzudenken. Und kämen dabei zu ganz anderen Schlussfolgerungen …? … als uns der automobile Mainstream seit einigen Jahrzehnten suggeriert, ja, davon gehe ich aus. Ich kann mir nicht vorstellen, Parkplatz vor einem Wiener Einkaufszentrum, automatische Parkgaragen in New York und Tokio: „Verursachergerechte Preisgestaltung verschafft den Kommunen die Mittel für eine nachhaltige Umstrukturierung“ 10 its magazine 2/2011 dass wir das wirklich wollen, was sich in den Zentren unserer Städte heute abspielt. Würde die verordnete räumliche Distanz zwischen Mensch und Auto nur für Besucher der jeweiligen Stadt gelten – oder auch für die Anwohner? Natürlich für beide. Es wären hier auch nicht unbedingt Verbote nötig, finanzielle Anreize würden sicherlich genügen. Je näher jemand sein Auto bei sich behalten will, desto mehr muss er für das Parken bezahlen – egal ob auf einem öffentlichen Stellplatz oder in der eigenen Garage. Vom Missfallen der unmittelbar Betroffenen einmal abgesehen: Welche Auswirkungen hätte das auf die Geschäfte des zentrumsnahen Einzelhandels? Rundum positive, wenn man den Prognosen die Erfahrungen zugrunde legt, die man bisher bei der Realisierung von Fußgängerzonen gesammelt hat. Der Handel stellt sich sehr schnell um, wenn er merkt, dass die Brieftaschen nicht mehr vorbeifahren, sondern vorbeigehen. Außerdem müssen nach meinem Modell die Mega märkte auf der grünen Wiese, die ihre Kunden heute mit kostenlosen Parkplätzen dazu motivieren, weite Anfahrtstrecken in Kauf zu nehmen, eine entsprechende Ausgleichszahlung leisten. Für die Innenstädte bedeutet das: mehr Leben – weniger Belastung beispielsweise durch Lärm und Emissionen. Wenn man es zu Ende denkt, sind Staus nämlich kein verkehrliches, sondern ein organisatorisches Problem. Der Anteil des wirklich notwendigen Verkehrs liegt in den meisten Städten bei gerade einmal vier bis sechs Prozent des heutigen Aufkommens. In Ihrer Idealvorstellung verwandeln sich also ganze Stadtzentren über kurz oder lang komplett in riesige Fußgängerzonen? Ja, im Wesentlichen schon. Aber man könnte es auch anders – und wahrscheinlich treffender – formulieren. Unsere Innenstädte werden zu dem, was sie früher schon waren: vielfältige, differenzierte, kompakte und endlich wieder menschliche Lebensräume. Dass unsere autoabhängigen städtischen Siedlungsstrukturen allein schon vor dem Hintergrund explodierender Ölpreise auf Dauer nicht funktionieren können, hat uns die jüngste Weltwirtschaftskrise sehr deutlich vor Augen geführt. Oder glauben Sie, es war Zufall, dass der Crash gerade im US-amerikanischen SubprimeMarkt, also in einem speziellen Bereich privater Baufinanzierungen begonnen hat? All das klingt einleuchtend, aber trotzdem ziemlich utopisch. Oder ist es nur die Macht der Gewohnheit, die viele Verkehrsexperten an der Realisierbarkeit Ihrer Ideen zweifeln lässt? So sehe ich das. Natürlich stelle ich immer wieder auch bei der Diskussion über Einzelprojekte fest, dass es oft sehr schwierig ist, politische Partner für deren Umsetzung zu finden. Das hat natürlich auch mit der Angst vor Bürgerprotesten zu tun: Die Leute schimpfen halt erst einmal, wenn man etwas ändert, woran sie sich gewöhnt haben. Aber wenn das Neue besser ist als das Alte, sind sie nach kurzer Aufregung ganz schnell begeistert. Das war bisher eigentlich bei allen Projekten so, an denen ich beteiligt war. Denn über das Stadium der Utopie ist meine Idee schon längst hinaus. Viele meiner ehemaligen Studenten fanden meine Thesen offenbar ziemlich schlüssig. Und einige von ihnen sind heute in entsprechend verantwortungsvoller Position. Auch deshalb gibt es inzwischen einige Städte, die meine Konzepte ganz oder zumindest teilweise realisiert haben. „Je weniger Park plätze man bietet, desto mehr Menschen kommen in die Stadt“ Meinen Sie damit Ihre erfolgreichen Konzepte für Fußgängerzonen in Wien, Graz und Innsbruck? Auch, aber nicht nur. An der TU Wien war es möglich, auf mein Betreiben alle Parkplätze in Innenhöfen aufzulösen. Zusammen mit vielen anderen Maßnahmen hat dies ermöglicht, das CO2-Profil der Beschäftigten bereits heute 40 Prozent unter den von der Europäischen Union für 2020 definierten Grenzwert zu senken. Ein gutes Beispiel für die positiven Wirkungen meines Konzepts bietet die 11.000-EinwohnerKommune Eisenstadt. Dort zählte man vor Umsetzung meiner Planungen im Zentrum täglich rund 10.000 Autofahrer und etwa 6000 Fußgänger. Bei einer später durchge- Professor Knoflacher im „Gehzeug“: „Wenn ein Fußgänger im öffentlichen Raum rund 7,5 Quadratmeter Platz für sich allein beanspruchen würde, erschiene uns das völlig verrückt“ führten Erhebung kam man dann auf 26.000 Fußgänger pro Tag. Der Grund liegt auf der Hand: Der Ort hatte sich so sehr zu seinem Vorteil verändert, dass er zu einem Shopping- und Ausflugsziel für die Menschen in der gesamten Region geworden ist. Ein ganz klarer Beweis für eine meiner Kernthesen: Je weniger Parkplätze man bietet, desto mehr Leute kommen in die Stadt. Zur Person Professor Dr. Hermann Knoflacher leitet seit 1975 das Institut für Verkehrsplanung und seit 1985 das Institut für Straßenbau und Verkehrswesen an der Technischen Universität Wien. Von 1989 bis 2007 war er dort als Leiter des Instituts für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik tätig. Zu den Preisen und Auszeichnungen, die er im Lauf seiner jahrzehntelangen Karriere erhalten hat, gehören unter anderem der Konrad-Lorenz-Preis des österreichischen Bundesminsteriums für Wissenschaft und Kunst sowie die Goldenen Ehrenzeichen des Landes Wien und der ungarischen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft. Professor Knoflacher betrachtet das Verkehrswesen als Verflechtung verschiedener Wissenschaften, als „ein komplexes, den Menschen überschreitendes, aber von ihm selbst errichtetes System“. Um diese Verflechtung besser verstehen zu können, arbeitete der unkonventionelle Denker unter anderem mit Konrad Lorenz und Rupert Riedl zusammen. Neben mehr als 500 wissenchaftlichen Veröffentlichungen hat er mehrere Bücher verfasst, zuletzt die beiden im Böhlau-Verlag erschienenen Titel „Grundlagen der Verkehrs- und Siedlungsplanung“ und „Virus Auto“. Für 10.000 Autos wie in Eisenstadt lassen sich außerhalb des Ortes wahrscheinlich relativ schnell Abstellmöglichkeiten schaffen. Aber wie genau würden Sie die Millionen Fahrzeuge unterbringen, die heute in Megacities unterwegs sind? Zunächst muss man sehen, dass es sicher weniger Fahrzeuge sein werden, die einzelne Ziele, also wieder Garagen ansteuern. Hier ist dann modernste Elektronik am Platz, insbesondere auch für die reibungslose und sichere Bewältigung der nun multimodalen Wegeketten. Automatisierte Parkvorgänge sparen dabei Raum und vermeiden in Kombination mit Informationssystemen etwa über Handy überflüssige Wartezeiten. Durch die Einführung verursachergerechter Kosten für Parken im öffentlichen Raum und falsch situierte Einzelstellplätze verfügen die Kommunen über jene Mittel, um diese Umstrukturierung in eine nachhaltige Zukunft umzusetzen. Außerdem gibt es auch zusätzliche Einnahmen für den nun auch attraktiven Öffentlichen Verkehr. Herr Professor Knoflacher, wir danken Ihnen für das Gespräch. « 2/2011 its magazine 11 Im Fokus Neuester Stand Intelligente Parklösungen n Auch wenn es um stehende Fahrzeuge geht, ist die Welt permanent in Bewegung. Denn moderne Parktechnologie muss heute die unterschiedlichen Anforderungen von mindestens drei Zielgruppen erfüllen: die der Autofahrer, der Verkehrsplaner und der privaten Betreiber. Und neuerdings meldet auch noch die Zukunft der Mobilität ihre weit reichenden Ansprüche an. Kardinal Micara war untröstlich, als er zu spät zum Heiligen Vater kam. Über eine Viertelstunde hatte er vergeblich nach einem Parkplatz gesucht, und es schien wohl gar nicht so sicher, wie sein einziger irdischer Vorgesetzter auf die eher profane Erklärung reagieren würde. Doch Papst Johannes XXIII. zeigte sich zum Glück ziemlich verständnisvoll: „Das sind durchaus bekannte Sorgen. Noah suchte einst 40 Tage, ehe er für seine Arche einen Platz fand.“ Seit der denkwürdigen Audienz sind rund 50 Jahre vergangen. Mittlerweile würde Seine Eminenz vermutlich noch 12 its magazine 2/2011 weitaus länger auf sich warten lassen. Denn heute hat der Parkplatzsuchverkehr an ganz normalen Tagen bis zu 40 Prozent Anteil am gesamten Verkehrsaufkommen in Innenstädten – an Adventssamstagen werden daraus auch schnell mal 90 Prozent. Ein wirksames weltliches Mittel dagegen ist die Information. Wenn Autofahrer schon bei der Anfahrt in Richtung City über die Belegungssituation der verschiedenen Parkhäuser und Tiefgaragen Bescheid wissen, können sie ihre Route ganz gezielt wählen und die aus ihrer Sicht bestplatzierte Lücke auf dem kürzesten Weg erreichen. Farben der Flexibilität „Messen statt zählen“ heißt das Prinzip bei Sipark SSD – dem einzigen sich selbst korrigierenden Parkhausleitsystem, das dem Autofahrer mit praktisch 100%-iger Zuverlässigkeit die richtige Leitempfehlung gibt. Ein Ultraschallsen- Sitraffic SSD: Datenkonzentratoren mit neuester CAN-Bus-Technologie (oben) können mehr als 240 Multicolor-Sensoren (rechts unten) ansteuern sor über jedem einzelnen Stellplatz ermittelt zweifelsfrei den jeweiligen Belegungszustand und gibt die Daten in Echtzeit an die Zentrale weiter. Ganz besondere Effizienz und Flexibilität versprechen dabei die neuen MulticolorSensoren, die in sechs verschiedenen Farben leuchten können und damit die Realisierung vielfältiger Führungs-Funktionen ermöglichen. So lassen sich bestimmte Stellplätze oder Bereiche für unterschiedliche Benutzergruppen ausweisen: zum Beispiel Grün für freien öffentlichen Parkraum, Gelb für VIP-Parkplätze, Blau für Behinderten-Stellplätze und Pink für Mutter-Kind-Plätze. Die dynamische Richtungsanzeige führt jede Nutzergruppe dann gezielt in den speziell für sie reservierten Bereich. Ist das System mit einer Zonen- und Gassenzählung kombiniert, kann sogar vermieden werden, zu viele Autofahrer gleichzeitig in einen Sektor mit nur noch wenigen freien Plätzen zu leiten. « Weniger Parkplatz suchverkehr – mehr Steuerungs möglichkeiten Parkleitsystem Sitraffic Guide: Aktuelle Informationen reduzieren den Suchverkehr erheblich Genau diese Informationen liefert itraffic Guide: ein innovatives ParkleitsysS tem, das den Kommunen darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Vorteile bietet. Es macht nämlich nicht nur den Besuch der Innenstadt für Bürger und Besucher attraktiver, es bietet auch die Möglichkeit, weniger frequentierte Parkareale besser auszulasten. Durch die einfache Verbindung mit den Verkehrsrechnern und Verkehrsmanagementzentralen der SitrafficFamilie lässt sich dieser Effekt zusätzlich erhöhen. Womit beim Aufbau solcher Systeme der Anfang gemacht wird, spielt übrigens keine Rolle – die einzelnen Komponenten sind in jeder Richtung erweiterbar. Autofahrer, Verkehrsplaner und Betreiber von Systemen für die Parkraumbewirtschaftung: Sie alle stellen heute ganz unterschiedliche Anforderungen an die Technologie rund um die stehenden Fahrzeuge. Deshalb ist in der Welt des ruhenden Verkehrs inzwischen genau so viel Intelligenz gefragt wie in der des fließenden. So garantieren beispielsweise die SiemensProduktlinien Sipark PMA und Sipark SSD dank ausgeklügelter, praxisgerechter Konzepte zum einen den Komfort, den Verkehrsteilnehmer zu schätzen wissen – und zum anderen die Effizienz, die den Betrieb eines Parkhauses lukrativer macht. Das Schranke-Kasse-System Sipark PMA beschleunigt das Einfahren, Bezahlen und Ausfahren beträchtlich. Von den Detektoren über die Kontrollgeräte bis zu den Bezahl automaten und Verwaltungssystemen ist hier einfach alles auf schnelle Abläufe, einfachste Bedienung und prompte Hilfestellung ausgelegt. Sipark SSD ermittelt mit Hilfe von Ultraschallsensoren die Belegung » der einzelnen Stellplätze und gibt diese 2/2011 its magazine 13 Im Fokus Sitraffic Epos P: Beim innovativen Park & Charge-System stehen Flexibilität, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit genauso im Vordergrund wie bei den Parkautomaten-Familien und dem KasseSchranke-System Sipark PMA Daten in Echtzeit an die Zentrale weiter. Jeder Autofahrer wird also per dynamischer Richtungsanzeige auf direktem Weg zum nächstgelegenen freien Stellplatz geleitet. Schon heute die Antworten auf die Fragen von morgen Für Kommunen ist die Bewirtschaftung öffentlicher Parkgelegenheiten indes längst keine reine Einnahmequelle mehr, sondern vor allem auch Instrument der Verkehrspolitik. Umso wichtiger also sind die Flexibilität, die Wirtschaftlichkeit und die Sicherheit der eingesetzten Systeme. Die Parkscheinautomaten der Produktfamilien Sitraffic Sicuro, Sitraffic Prisma und Sitraffic Sity sind in der Lage, ihren Strom selbst zu erzeugen und den Datenverkehr ganz ohne Verkabelung zu erledigen: Integrierte Solarpanels und Mobilfunkverbindungen nach GSM- oder GPRS-Standard machen’s möglich. Aber nicht nur im Hinblick auf reduzierte Installationskosten und Betriebsaufwen14 its magazine 2/2011 dungen haben die zigtausendfach bewährten Bestseller einiges zu bieten. Sie lassen dem Betreiber außerdem maximale Gestaltungsfreiheit bei der Wahl der Bezahlmöglichkeiten – von Münzen und Scheinen über EC- und Kreditkarten bis hin zu elektronischen Geldbörsen. Und auch wenn es um den Schutz vor Vandalismus, Manipulation oder Diebstahl geht, erfüllen die Produktlinien höchste Anforderungen. Sogar auf die Fragen von morgen gibt das Siemens-Portfolio bereits heute schlüssige Antworten. Zum Beispiel mit Sitraffic Epos P: einem Park & Charge-System, das den flexiblen und damit besonders wirtschaftlichen Aufbau einer Ladeinfrastruktur für die Elektromobile der Zukunft erlaubt (siehe auch Seite 26: „Lösungen für das Henne-Ei-Problem“). Sitraffic Epos P ist speziell für den Einsatz im öffentlichen Verkehrsraum sowie in Parkhäusern und auf Parkplätzen konzipiert. Das System lässt sich nahtlos in die bestehende Parkraumbewirtschaftung integrieren und unterstützt dabei die unterschiedlichsten Geschäftsmodelle. So ist es zum Beispiel möglich, Lade- und Parkzeiten gebührentechnisch zu verbinden und pauschal abzurechnen. « Wo die Stunde schlägt Statement n Walter Beck, Geschäftsführer der Würzburger Stadtverkehrs-GmbH, sieht vor allem drei Schlüsselfaktoren für den erfolgreichen Betrieb von Park häusern und Parkplätzen: „Die Lage, die Lage – und natürlich die Lage.“ Was sonst noch wichtig ist, hat er für das ITS magazine ähnlich prägnant zusammengefasst. Am Anfang steht der Abschied von einem lange gehegten Missverständnis: Moderne Parkflächen müssen nämlich nicht in erster Linie für Autos attraktiv sein, sondern für Menschen. Denn letztlich verbringen wir auch im Parkhaus den weitaus größten Teil der Zeit außerhalb unseres Fahrzeugs. Allein aus dieser Erkenntnis ergeben sich schon eine ganze Reihe von Kriterien, die für die Qualität eines Angebots entscheidend sind: Neben Helligkeit und Sauberkeit gehört dazu natürlich vor allem die Sicherheit. Gerade in diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren einiges getan. So dürfte es unter anderem dem verstärkten Einsatz von Videoüber wachungssystemen zu verdanken sein, dass die Anzahl der Sachbeschädigungen durch Vandalismus in den Parkhäusern bereits seit längerem deutlich zurückgeht. Die Kriterien des aktuellen ADAC-Parkhaus-Checks bilden die Veränderung der Blickrichtung vom Auto auf den Menschen übrigens ziemlich gut ab: Sie schließen beispielsweise die Gestaltung der Fußwege genauso mit ein wie die Qualität der Kassensysteme und der angebotenen Serviceeinrichtungen. In allen zwölf ADAC-Kategorien Bestnoten zu erzielen, scheint indes insbesondere bei manchen älteren Parkhäusern wegen ihrer baulichen Defizite kaum möglich – jedenfalls nicht ohne weit reichende Verwendung einer Abrissbirne. Die Bereiche Service und Komfort dagegen eröffnen dem Parkraumanbieter immer wieder neuen Spielraum für Optimierungen. So hat die Würzburger Stadtverkehrs-GmbH bereits vor vielen Jahren als erster Betreiber eine zentrale Parkleitstelle eingerichtet, deren Mitarbeiter rund Zugang zu einem Parkdeck: Moderne Parkflächen müssen nicht in erster Linie für Autos attraktiv sein, sondern für Menschen – neben Helligkeit und Sauberkeit kommt es vor allem auch auf S icherheit an Zur Person Walter Beck ist Geschäftsführer der Würzburger StadtverkehrsGmbH. In dieser Eigenschaft betreibt er regional insgesamt 17 Parkhäuser und Parkplätze und betreut im gesamten Bundesgebiet zusätzlich mehr als 100 weitere bewirtschaftete Parkflächen. um die Uhr erreichbar sind. Auch mit innovativer Technik lässt sich natürlich einiges verbessern: Moderne Schranke-Kasse-Systeme sind beispielsweise in der Lage, die Ein- und Ausfahrt zu beschleunigen, dynamische Parkleitsysteme lotsen den Autofahrer auf kürzestem Weg zum nächstgelegenen freien Stellplatz. Und wenn es ums Bezahlen geht, ist Flexibilität oberstes Gebot. Das gilt nicht nur für bargeldlose oder inzwischen sogar virtuelle Zahlungsoptionen: An das Ticketmanagement werden immer differenziertere Ansprüche gestellt, etwa im Hinblick auf Sonderkonditionen für Dauerparker oder Besucher von Veranstaltungen. Entsprechend vielfältig sind deshalb auch die Anforderungen der Betreiber an die Technologie, die sie zur Parkraumbewirtschaftung einsetzen: Neben Kosten effizienz, Funktionalität, Zuverlässigkeit und Investitionssicherheit spielt bei der Entscheidung in zunehmendem Maß die Beweglichkeit des Herstellers eine Rolle. Denn die Komplexität der Aufgaben erfordert heute mehr denn je wirklich maßgeschneiderte Lösungen. « 2/2011 its magazine 15 Im Fokus Zahlen per Telefon Mobile Parking n In immer mehr Städten kann man Parkgebühren mit einem Griff zum Handy entrichten. Der Trend zum so genannten Mobile Ticketing dürfte aber nicht nur zur Reduzierung manueller, papierbasierter Vorgänge führen: Angesichts weiter optimierter Technologien sehen Dr. Key Pousttchi, Privatdozent an der Uni Augsburg sowie Leiter der Forschungsgruppe wi-mobile, und seine Mitarbeiterin Yvonne Hufenbach darüber hinaus die Chance, völlig neue Dienste und Mehrwerte zu realisieren. Hat er überhaupt noch eine Zukunft, der mobile Mensch ohne sein mobiles Telefon? Offensichtlich nicht: In manchen Industriestaaten gibt es längst mehr Handy-SIMKarten als Einwohner. Doch die enorme Verbreitung ist nur eine Sache – die andere ist die direkte Zuordnung von Gerät und Nutzer: Dieser neue Draht zum Kunden ermöglicht Anbietern von Produkten und Dienstleistungen innovative Wege des Vertriebs, der Abrechnung und der Werbewirksamkeit. Denn über den mobilen Kanal können nicht nur Informationen versendet und abgerufen, sondern auch Produkte wie etwa Tickets verkauft werden. Im Allgemeinen versteht man unter einem Ticket den Nachweis des Rechts, eine bestimmte Leistung zu einer bestimmten Zeit oder für einen bestimmten Zeitraum an einem bestimmten Ort in Anspruch zu nehmen. Werden zur Realisierung dieses Nachweises mobile Übertragungstechnologien und Endgeräte verwendet, spricht man von Mobile Ticketing – oder eben von Mobile Parking, wenn es um die Gebührenabrechnung für Parkplätze geht. Die Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur und die Ticketabwicklung sowie die Gültigkeitsprüfung übernimmt dabei in der Regel ein Mobile-Parking-Anbieter im Auftrag der Kommune oder des Parkflächenbetreibers. Allein in Deutschland hat sich das entsprechende Angebot innerhalb der letzten drei Jahre fast vervierfacht. Während 2008 lediglich 22 Kommunen Mobile Parking anboten, sind es aktuell 82. Derzeit existieren zehn Anbieter dieser Verfahren. Der größte von ihnen ist sms&park mit 39 Städten, gefolgt von Mobile City mit 33 und EasyPark mit 18 Kommunen. Das Potenzial für Mobile Parking in Deutschland ist jedoch bei weitem noch nicht ausgeschöpft. 16 its magazine 2/2011 Mobiler Kanal: Per Handy lassen sich Produkte wie etwa Tickets problemlos verkaufen Derzeit bildet Mobile Parking nur den traditionellen Ticket vorgang nach Bei der operativen Konzeption unterscheidet man zwischen registrierungsfreien und -pflichtigen Verfahren. Bei registrierungspflichtigen Verfahren hinterlegt der Nutzer zunächst seine Kunden- und Abrechnungsdaten beim Mobile-ParkingAnbieter, bucht sich zu Beginn des Parkvorgangs in das System ein (Check-In) und meldet sich danach wieder ab (Check-Out). Abgerechnet wird per Lastschrift oder reditkarte. Bei registrierungsfreien VerfahK ren hingegen muss der Nutzer die benötigten Informationen (zum Beispiel: Parkzone, Kfz-Kennzeichen) beim Check-In angeben. Während im ersten Fall eine minutengenaue Abrechnung möglich ist, wird im zweiten Fall vorab die Parkdauer angegeben, wodurch der Check-Out – und das Risiko eines vergessenen Check-Out – entfällt. Bei der technischen Konzeption steht zunächst die Frage der Datenübertragung im Vordergrund. Derzeit wird hier ausschließlich Mobilfunk verwendet, zukünftig wird zudem Near Field Communication (NFC) relevant – und eröffnet ganz neue Potenziale zur Realisierung intuitiv bedienbarer Anwendungen nach dem Prinzip „touch & go“. Der Nutzer kann so beispielsweise den Check-In/Out durch Halten des NFC-fähigen Mobiltelefons an den mit einer NFC-Schnittstelle versehenen Park automaten durchführen. Dies ermöglicht die schnellere und einfachere Bedienung des Parkverfahrens. Darüber hinaus können Telekommunikationsgebühren für die Übermittlung des mobilen Parkscheins eingespart werden. Für die Umsetzung von Mobile Parking existieren verschiedene Realisierungstechniken. Die wichtigsten sind Interactive Voice Response (IVR), Wireless Application Protocol (WAP) oder Standard-HTML-Internetseiten sowie SMS/MMS. Bei IVR ruft der Nutzer etwa die Parkzonen-Rufnummer mit seinem Mobiltelefon an und führt den Check-In/Out mittels eines sprachbasierten Systems durch. Bei WAP/Web-basierten Verfahren loggt sich der Nutzer mit Mobilfunkrufnummer und Passwort in das System ein, um Parkvorgänge zu starten und zu stoppen sowie das zu parkende Fahr- Near Field Commu nication ist die wesentliche Zu kunftstechnologie zeug und die Parkzone auszuwählen. Bei SMS-basierten Verfahren sendet der Nutzer eine Kurznachricht mit den relevanten Daten an eine Kurzwahlnummer. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von mobilen Anwendungen, die vom Kunden vor der Nutzung des Systems auf seinem Mobiltelefon installiert werden müssen. Die App greift über das mobile Internet oder WAP auf das jeweilige Mobile-ParkingSystem zu und kann neben dem Parkschein auch weitere Informationen zur Verfügung stellen. Der Nachweis des mobilen Parktickets kann dem Nutzer per SMS/MMS mit Höchstparkdauer und Gebührenangabe für die jeweilige Parkzone übermittelt werden. In einigen Städten, wie etwa Köln und Berlin, verlangen die Kommunen zusätzlich das Anbringen einer Vignette zum Mobile Parking an der Windschutzscheibe. Für die Gültigkeitsprüfung benötigt der Kontrolleur einen Zugang zur Datenbank des Multitalent Handy: Künftig sind völlig neue Geschäfts- und Partnering-Modelle möglich nung integrieren und zusätzliche Erlöse von Handelsunternehmen und deren Kundenkanal (Mobile Retail) generieren. Mobile Parking schafft also Effektivitätsund Effizienzgewinne, die weit über die Reduzierung manueller, papierbasierter Vorgänge hinausgehen können. Die wesentliche Zukunftstechnologie ist dabei NFC. In der einfachsten Form, dem Card Emulation Mode, können die Geräte mit jedem ISO 14443-kompatiblen Lesegerät kommunizieren. In weiteren Modi sind zudem kontextbasierte Mehrwert-Dienste möglich, die nicht nur ein deutlich höheres Serviceniveau, sondern darüber hinaus völlig neue Geschäfts- und Partneringmodelle ermöglichen. « obile-Parking-Anbieters. Um festzustelM len, ob ein gültiger Parkschein vorliegt, sendet der Kontrolleur mit Hilfe eines internetfähigen mobilen Endgerätes eine Prüfanfrage an das Mobile-Parking-System und erhält eine entsprechende Rückantwort. Kommunen und Betreiber stellt die Umsetzung von Mobile-Parking-Verfahren vor verschiedene Herausforderungen. Neben den Nutzungspräferenzen der Kunden und der häufig noch mangelhaften Bedienungsfreundlichkeit sind vor allem hohe variable Kosten problematisch. Erfolgreiche Mobile-Parking-Verfahren müssen daher dem Nutzer Mehrwerte bieten. Zum einen muss das Verfahren intuitiv und schnell bedienbar sowie idealerweise kommunenübergreifend einsetzbar sein. Zum anderen sollten dem Nutzer keine höheren Kosten als bei einem herkömmlichen Parkschein entstehen. Wenn all dies gewährleistet ist, liegen die Vorteile auf der Hand: keine Suche nach Kleingeld mehr, minutengenaue Abrechnung und die rechtzeitige Erinnerung an das Ende der Höchstparkdauer. Kommunen hingegen profitieren von einer automatisierten Strafdatenverwaltung und von Kosten senkungspotenzialen im Bargeldhandling. Derzeit bilden Mobile-Parking-Verfahren ausschließlich den traditionellen Ticketvorgang nach. Für zukunftsweisende Verfahren liegt die Chance in der Integration von NFC, Mobile Payment, Mobile Marketing und Mobile Loyalty am Point of Sale. Damit lassen sich Elemente wie Berechtigungsnachweis, Vertrieb, Marketing und Abrech- Zur Person Dr. Key Pousttchi ist Privatdozent an der Uni Augsburg und leitet dort seit 2001 die Forschungsgruppe wi-mobile. Neben wissenschaftlicher Forschung und Lehre gehören auch Strategieberatungsprojekte für national und international agierende Unternehmen zu den Aktivitäten von wi-mobile. Yvonne Hufenbach ist wissenschaft liche Mitarbeiterin der Forschungsgruppe wi-mobile. Ihre Schwerpunkte liegen in der Analyse von Mobilfunkmärkten und in der Gestaltung der mobilen Kundenbeziehung für Handel, Banken und Industrie. 2/2011 its magazine 17 Im Fokus Parken per SMS n Sein höchstpersönlicher Ärger inspirierte einen unternehmungslustigen New Yorker zu einer innovativen HandyApplikation: Registrierte Nutzer informieren sich mit virtuellen Kurznachrichten über freie Parklücken. Schon kurz nach dem Start hat Roadify über 18.000 Mitglieder – und wurde von Big Apples Bürgermeister Mike Bloomberg als BigApp 2.0 geadelt. Mit Wut zur Lücke Frust macht erfinderisch: An einem Winterabend im Januar 2009 war Nick Nyhan wieder einmal eine Dreiviertelstunde um den Block gefahren, um einen Parkplatz zu finden. Da beschloss er, Abhilfe zu schaffen – mit einem einfachen Mittel: Kommunikation. Denn eines war dem 43-Jährigen an diesem Abend klar: „Die ganze Fahrerei hätte ich mir sparen können, wenn mir jemand gesagt hätte, dass an dieser Stelle etwas frei ist.“ Zehn Monate später war Roadify fertig, eine App, die bei der Parkplatzsuche hilft. Das Prinzip: Wer einen freien Platz sieht oder weiß, dass er selbst in ein paar Minuten einen frei machen wird, sendet eine SMS in ein Gemeinschaftsnetz. Parkplatzsucher können die Adresse dort abrufen. Das Ganze ist kostenfrei und funktioniert auf jedem Handy. „Jeder, der schon mal in New York parken musste, hat von so einer App geträumt – nun hat sie endlich jemand gebaut“, begeisterte sich der Webblog TechCrunch. Nach einem Dreivierteljahr hatte Roadify bereits über 3500 Mitglieder, die mehr als 40.000 Parkplätze gemeldet hatten, obwohl es die Initiative damals nur in dem Brooklyner Viertel Park Slope gab. Inzwischen sind es über 18.000 Mitglieder, und 18 its magazine 2/2011 das Aktionsgebiet ist die ganze Stadt. New Yorks Bürgermeister Mike Bloomberg zeichnete Roadify in diesem Jahr mit dem ersten Platz in dem renommierten Wettbewerb „BigApps 2.0“ aus. Dem vierköpfigen Roadify-Team um Ideengeber Nyhan geht es dabei um mehr als nur Bequemlichkeit. „Je weniger wir um den Block kurven, desto weniger Treibstoff verbrauchen wir“, sagt Dylan Goelz. Durchschnittlich wird in Amerikas Innenstädten fast ein Drittel des Verkehrs durch Parkplatzsuche verursacht. In Park Slope, wo Roadify startete, sind es sogar 45 Prozent, ergab eine Studie der gemeinnützigen New Yorker Organisation Transalt. Die Gefahr, dass mehrere Roadify-Fahrer den gleichen Parkplatz ansteuern, hat Nyhans Team ausgeschlossen: Sobald ein Mitglied eine Adresse reklamiert, wird sie für alle anderen gesperrt. Auch das zeitgleiche Reservieren mehrerer Plätze durch einen Nutzer ist nicht möglich. Freilich kann es vorkommen, dass ein als frei gemeldeter Parkplatz bereits belegt ist, wenn der von Roadify informierte Fahrer eintrifft. Das ist dann Pech. Damit möglichst viele Leute Parkplätze melden, setzt Roadify auf Sportsgeist und Belohnung: Ein Ranking auf der Webseite listet die ifrigsten Parkplatzmelder. Mitte Mai lag e „Bassnote“ vorn, mit 4319 freien Parkplätzen. Die Mitglieder sammeln außerdem „StreetCARma“-Punkte, die bei Shops in der Nachbarschaft gegen Naturalien einzulösen sind. Längst ist das Angebot erweitert: Die Mitglieder melden jetzt auch, wann und wo Busse unterwegs sind, denn Fahrpläne existieren in New York nur auf dem Papier. Und während der Blizzards im Winter dieses Jahres versorgte Roadify seine Community mit Nachrichten darüber, welche Flughäfen und Schulen geschlossen blieben. Denkbar sind künftig Kooperationen mit Handwerkern und Lieferanten, denen das Abstellproblem besonders zu schaffen macht. Die umfangreiche Datenbasis von Roadify dürfte aber auch für Anbieter von Navigationssystemen interessant sein. So könnte die Initiative eines Tages auch Geld einspielen. Noch ist sie ein Zuschussgeschäft – das Team wohnt im Haus von Familie Nyhan und arbeitet für Kost und Logis. Doch die Aussichten sind gut, nicht zuletzt durch den Gewinn des New Yorker BigApp-Wettbewerbs: Der Vorjahressieger, ein Suchdienst namens MyCityWay, hat inzwischen mehrere Millionen Dollar Venture Capital akquiriert. « Trends & Events Effizienz hoch zwei Sitraffic Epos P n Für die einen ist es der erste Parkscheinautomat, bei dem man auch Strom tanken kann – für die anderen die erste Stromtankstelle, an der man auch Parkscheine lösen kann. Und beide haben Recht: Denn das innovative Park & ChargeSystem kombiniert die beiden Funktionen so einfach wie effizient und erleichtert damit den schrittweisen Aufbau einer flächendeckenden Versorgungs-Infrastruktur für Elektrofahrzeuge. Das Multitalent besteht aus insgesamt drei Komponenten. Herzstück ist ein Parkscheinautomat als „Master“, über den sämtliche Funktionalitäten von der Anmeldung über die Bezahlung bis zum Quittungsdruck abgewickelt werden. Dazu kommen reine Ladesäulen als Satelliten zur Boden- oder Wandbefestigung sowie ein Schaltschrank für die Stromverteilung. Das System lässt sich also an jede Parkraumsituation individuell anpassen – und darüber hinaus ideal in die Sitraffic-Welt der Parkraumbewirtschaftung integrieren, bis hin zur Softwarelösung für das Backoffice. Für Betreiber, Wartungspersonal und Nutzer bedeutet das: gleiche Prozessabläufe, gleiches Look & Feel, gleiches Design. Neben Einfachheit und Effizienz stand natürlich auch die Sicherheit ganz oben im Lastenheft der Entwickler. Das gilt sowohl für den Schutz vor Vandalismus oder Diebstahl als auch für den sicheren Umgang mit Elektrizität. Die Satelliten stehen erst dann unter Spannung, wenn der Ladevorgang aktiviert wurde und das Kabel vorschriftsmäßig mit der Buchse verbunden ist. Selbst wenn eine Säule umgefahren würde, geht von ihr keine Gefahr aus, weil die Strom führenden Teile niemals offen liegen. « Clevere Kombination: Sitraffic Epos P ist Stromtankstelle und Parkscheinautomat in einem Volles Haus PARKEN 2011 in Wiesbaden n Mit einem stattlichen Besucher-Plus von neun Prozent unterstrich die diesjährige Auflage der Traditionsmesse ihre Bedeutung als wichtiger Branchentreff im deutschsprachigen Raum. Insgesamt informierten sich am 11. und 12. Mai in den Rhein-MainHallen mehr als 1.100 Interessenten über aktuelle Produkte und Trends in den Bereichen Planung, Bau und Betrieb von Einrichtungen für den ruhenden Verkehr. Auf der Angebotsseite markierte die Veranstaltung mit 93 Ausstellern sogar einen neuen Beteiligungsrekord. Besonders heiß diskutiert wurde in Wiesbaden die tragende Rolle, die der ParkingSektor im gerade beginnenden Zeitalter der Elektromobilität spielen kann. Deshalb avancierte das innovative Park & ChargeSystem Sitraffic Epos P am Stand von Siemens Mobility auch schnell zum Publikumsmagneten. Gleichzeitig richtete sich das Interesse der Standbesucher aber auch auf die vielen anderen intelligenten Lösungen für die effiziente Parkraumbe- wirtschaftung: auf das Schranke-KasseSystem Sitraffic PMA und die bewährten Parkscheinautomaten-Familien genauso wie auf das Parkhausleitsystem Sipark SSD und das dynamische Parkleitsystem Sitraffic Guide. « Lebendiger Dialog: Die Park & Charge-Technologie war eines der wichtigsten Themen 2/2011 its magazine 19 Partner & Projekte Stadt der Zukunft Fokusthema: In Hannover standen Lösungen für Metropolen im Blickpunkt Ausstellungsbereich Metropolitan Solutions auf der HANNOVER MESSE 2011 n „Entdecken Sie heute die Technologien für die urbanen Infrastrukturen von morgen“, forderte Dr. Wolfram von Fritsch, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Messe, in diesem Jahr die Besucher der weltgrößten Industriemesse auf. Erstmals wurden dort nicht nur Ideen und Visionen, sondern auch so genannte Leuchtturmprojekte und Best-Practise-Beispiele zu den vier zentralen Herausforderungen von Städten und Metropolen gebündelt präsentiert. Neben den Themen Energie, Wasser und Klimaschutz ging es dabei nicht zuletzt auch um Parken mit System Posen n Eine Erhöhung der Parkplatzverfügbarkeit und eine Verringerung des verkehrsbedingten CO2-Ausstoßes durch erhebliche Reduzierung des Suchverkehrs: Das sind die beiden wichtigsten Ziele, die die Straßenverkehrsbehörde der 550.000-Einwohner-Stadt im Westen Polens mit der Entscheidung für 20 its magazine 2/2011 Mobilität: zum Beispiel um intermodale Konzepte für den Stadtverkehr und um urbane Ladeinfrastrukturen für die Elektromobilität. Siemens Mobility stellte im Ausstellungsbereich Metropolitan Solutions unter anderem die Verkehrsinformationszentrale Berlin vor. Die größte und modernste Verkehrsregelungszentrale Europas erfasst mit Hilfe von mehr als 220 Infrarotsensoren und so genannten Floating-Car-Data von Bussen und Taxis permanent die aktuelle Verkehrs situation im gesamten Ballungsraum und steuert auf Basis dieser lückenlosen Informationen die rund 2000 Signalanlagen der Stadt. Ebenso große Beachtung fand auch das integrierte Mobilitätskonzept Londons, das sich für die Themsemetropole auf vielfache Art bezahlt gemacht hat: durch eine Verringerung des Stadtverkehrs um 20 Prozent, einen Rückgang der CO2-Emissionen um 150.000 Tonnen pro Jahr, eine Beschleunigung des Verkehrsflusses um 37 Prozent und eine Verkürzung der Pend lerzeiten um 17 Prozent. Für den Innovationskonzern bleibt die Fokussierung auf Metropolitan Solutions im Ausstellungsbereich der HANNOVER MESSE übrigens keineswegs ein einmaliges Ereignis: Bereits einige Tage zuvor hatte der Siemens-Vorstand die Gründung eines vierten Sektors bekannt gegeben: „Infrastructure and Cities“ wird die entsprechenden Kompetenzen des Unternehmens in Zukunft bündeln und so die Kommunen noch besser bei der Lösung ihrer großen Aufgaben unterstützen. « die Einführung des Parkleitsystems Sitraffic Guide im Jeżyce-Viertel verfolgt. 24 Anzeigetafeln sollen die Verkehrsteilnehmer in Zukunft auf dem kürzesten Weg zum nächstgelegenen freien Stellplatz in der geb ührenp flichtigen Park zone lotsen. Dazu werden an das System insgesamt 164 Parkscheinautomaten Sitraffic Sicuro 7 angebunden, die jeweils in Echtzeit Informationen zur Be legung der straßenseitigen Parklücken liefern. Die Parkscheinautomaten sind bereits seit April 2011 in Betrieb, das Leitsystem wird in der nächsten Projektphase installiert. « Leistungsschau: ANDINA TRAFFIC in Bogotá Im Süden was Neues ANDINA TRAFFIC 2011 in Bogotá n Nicht nur die Mobilitätsverantwortlichen aus den Anrainerstaaten der Anden, sondern auch zahlreiche ihrer Kollegen aus ganz Lateinamerika lockte die diesjährige Auflage der wichtigsten regionalen Leistungsschau der Verkehrstechnik in die kolumbianische Hauptstadt. Mehr als 70 Unternehmen aus 15 Ländern stellten dort sowohl im Showroom als auch auf den begleitenden Konferenzen ihre neuesten Produkte und Lösungen vor. In einem von Siemens Mobility veranstalteten Workshop mit Kunden aus Kolumbien, Ecuador, Peru, Brasilien und Chile standen beispielsweise verkehrsabhängige Netzsteuerungen auf dem Programm. Dabei wurden unter anderem die Erfahrungen der Millionenstadt Cartagena de Indias analysiert, die 2009 das erste System dieser Art in Südamerika installiert hatte. Die positiven Ergebnisse des Pilotprojekts führten letztlich noch im Messemonat zu mehreren Folgeaufträgen. « Effizienzgewinn: Parkleitsystem für Posen Temporäre Entspannung Im Seitenspiegel Ingolstadt / München n Der etwa 30 Kilometer lange Abschnitt der Autobahn A9 zwischen dem Dreieck Holledau südlich von Ingolstadt und dem Kreuz Neufahrn nördlich von München gilt derzeit als gravierender Engpass in beiden Fahrtrichtungen. Da die konventionelle Beseitigung des Problems durch einen achtstreifigen Ausbau aktuell nicht in Frage kommt, soll die temporäre Freigabe des Seitenstreifens in Zeiten der Spitzenbelastung für Entspannung sorgen. Suchst du noch oder parkst du schon? Nicht genug, dass Autos eher Stehzeuge als Fahrzeuge sind. Oft werden sie nur gefahren, damit man sie wieder abstellen kann. Kapazitätssteigerung: Höherer Durchfluss durch temporäre Freigabe des Seitenstreifens Zur flächendeckenden Beobachtung und automatischen Ereigniserkennung werden dabei dynamische Kameras eingesetzt. Die gesamte Anla ge beinhaltet Wechselverkehrszeichen auf Schilderbrücken und Kragarmen, statische und dynamische Wegweiser, dynamische Anzeigetafeln in Prismenwender- und LED-Technik, Videodetektion, Verkehrsdatenerfassung über Induktionsschleifen und Überkopfdetektoren, Umfelddatenerfassung (SWIS, Bodensensoren, Sichtweitenmessgeräte), Streckenstationen, die Neuanlage beziehungsweise Erweiterung einer Videounterzentrale sowie die übliche Verkabelung über Fernmeldeund Energiekabelwege. Die Steuerung der Anlage übernimmt die vorhandende Unterzentrale in der Verkehrsregelungszentrale Freimann. « Zum Parken ins Parkhaus fahren? Nein, das ist wirklich unsportlich, finden viele Zeitgenossen – am Automaten ein Ticket ziehen kann schließlich jeder. Deshalb gehen echte Kämpfernaturen im Dschungel der Großstadt auf Pirsch, um einen Parkplatz zu ergattern. Möglichst einen kostenlosen. Das entspricht wahrscheinlich dem archaischen Jagdinstinkt unserer steinzeitlichen Vorfahren und zeigt ganz unterschiedliche Ausprägungen. Je nach Temperament und Charakter. Da ist beispielsweise der Angreifer-Typ: Er kurvt mit unruhigem Gasfuß durch die Straßen, den Blick fest auf den Parkstreifen gerichtet. Erspäht er einen geeigneten Platz, greift er unbarmherzig an, schlägt mit abgewinkelten Ellbogen und quietschenden Reifen einen bereits einparkenden Kleinwagenfahrer in die Flucht und nimmt die Beute selbst in Besitz. Ganz anders der Taktiker: Er sucht sich erst mal einen guten Beobachtungsposten. Möglichst direkt vor dem Haus, damit er später nur noch ein paar Schritte zu Fuß gehen muss. Dann duckt er sich mit seiner Limousine unauffällig zur Seite, wartet geduldig, bis eine Parklücke frei wird, und schlüpft elegant hinein. Welche Strategie unter dem Strich erfolgreicher ist, wurde bisher noch kaum wissenschaftlich erforscht. Sicher ist aber: Der Kampf um den Parkplatz kostet mehr Zeit als gedacht – wie leicht vergehen zehn Minuten, bis der urbane Parkplatzjäger seine Beute sicher hat. Wie viel Sinnvolleres sich doch mit dieser Zeit anfangen ließe! Man könnte sich zum Beispiel mehr den schönen Dingen des Lebens widmen. Genüsslich eine Auster zu schlürfen, dauert schließlich nur etwa 10 Sekunden. Das macht in zehn Minuten locker 50 Austern, ein paar ordentliche Schlückchen Prosecco zum Nachspülen inklusive, und im Hintergrund 7,5 Durchläufe der berühmten Champagner-Arie aus Mozarts Don Giovanni. Hochgenuss kompakt. Für begeisterte Wintersportler böte sich stattdessen an, in diesen zehn Minuten fünfmal die WM-Abfahrtspiste in Garmisch-Partenkirchen hinunterzubrettern. Aufs Jahr hochgerechnet, gehen durch diese Parkplatzsuche sogar statt liche 1825 Stunden verloren. Dafür könnte man den 769 Kilometer langen Jakobsweg von den Pyrenäen bis Santiago de Compostela immerhin zweieinhalb Mal durchwandern. Oder „Two and a Half Men“ 28 Mal auf Video gucken, alle 177 Episoden. Ganz ehrlich: Dann doch lieber Parkhaus. « 2/2011 its magazine 21 Wissen & Forschung Durchgehend geöffnet Nachhaltige Tunnelsicherheit n Natürlich ist der Schutz von Menschen das wichtigste Ziel bei der Entwicklung innovativer Sicherheitstechnologien für Tunnels. Gleichzeitig minimieren die modernen integrierten Systeme zur Vermeidung und Begrenzung von Unfällen aber auch das Risiko erheblicher Strukturschäden und erhöhen die Verfügbarkeit der Straßen unter Tage. Montblanc, 1999: 39 Tote. Tauern, im selben Jahr: 12 Tote. Kaprun, 2000: 155 Tote. Gotthard, 2001: 11 Tote. Allein in Europa kosteten vier Tunnelbrände in nur zwei Jahren insgesamt 217 Menschen das Leben. Angesichts dieser Tragödien verbietet es sich fast, über Geld nachzudenken. Und doch gehört neben der emotionalen auch diese rationale Dimension mit zur Realität, wenn man heute, eine Dekade später, das ganze Ausmaß des Horrors bilanziert. So wurden nach dem Gotthard-Unglück die direkten Reparatur- und Umleitungskosten auf umgerechnet etwa zehn Millionen Euro geschätzt. Die indirekten negativen Auswirkungen auf weitere Teile der TransportInfrastruktur etwa durch erhöhte Verkehrsdichte und längere Reisezeiten auf Alternativstrecken ließen sich naturgemäß nicht einmal annähernd beziffern. Frühzeitiges Erken nen von Gefahren hat oberste Priorität Tunnelsicherheit ist also ein komplexes, weit reichendes Thema. Komplex, weil bautechnische und betriebliche Maßnahmen im und außerhalb des Tunnels berücksichtigt werden müssen. Weit reichend, weil die Sicherheitssysteme rund um die Straßen unter Tage nicht nur Leben schützen und die Kosten für den Wiederaufbau einschränken, sondern auch die Verfügbarkeit der Tunnels erhöhen. Das heißt: Neben der Verantwortung für die Gesundheit der Verkehrsteilnehmer spielt bei Entscheidungen über Investitionen in verbesserte Sicher22 its magazine 2/2011 Straßentunnel in der Türkei, moderne Tunnelleitzentrale, Branderkennungssystem FibroLaser: Optimierte Sicherheitssysteme schützen nicht nur Leben, sie erhöhen auch die Verfügbarkeit der Straßen unter Tage heitstechnologie auch die Verantwortung gegenüber der regionalen Wirtschaft eine wichtige Rolle. Auch wenn sich die in diesem Beitrag skizzierten Anwendungen aufgrund landesspezifischer Normen im Einzelfall unterscheiden mögen – ein Grundsatz gilt heute fast überall auf der Welt: Oberste Priorität im Gefahrenschutz genießt die Identifika tion von Vorfällen, die ernsthafte Schäden verursachen könnten. Systeme zur Identifikation solcher Vorfälle basieren in der Regel auf Videoüberwachung, nutzen Algorithmen zur Analyse von Videobildern, erkennen zuverlässig Abweichungen von „normalen“ Mustern und alarmieren den Betreiber automatisch im Fall von Ausnahmesituationen. Die meisten Vorfälle können inzwischen dank intelligenter Analysemethoden auf Videobasis automatisch gekennzeichnet werden: angehaltene oder liegengebliebene Fahrzeuge, Falschfahrer oder Fußgänger und Gegenstände auf Straßen oder Gleisen. Wie immer bei Ausbruch eines Feuers ist auch im Tunnel ein schnelles Identifizieren des Brandortes und der Brandgröße ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine effiziente Schadensbegrenzung. Ein integriertes Video-Raucherkennungssystem und ein intelligentes, dem jeweiligen Ventilationskonzept angepasstes Rauchmeldersystem erlauben das Früherfassen einer Veränderung der Sichtverhältnisse im Tunnel und damit ein schnelles Eingreifen über die Ventilationssteuerung. Zusammen mit dem linearen Wärmemeldersystem FibroLaser von Siemens ermöglichen die beiden Komponenten auch das Auslösen von vordefinierten Steuerungen der Tunnelbetriebstechnik – so genannten Tunnelreflexen. Im Falle ines Falles informieren sie den Betreiber e und die Interventionskräfte per Fernzugriff laufend über den aktuellen Status des Brandes und liefern somit wichtige Hinweise für die Planung des weiteren Vorgehens. Das mit Abstand wichtigste Ziel bei Tunnelunfällen ist selbstverständlich die Selbstrettung von Menschen. Die goldene Regel dabei lautet: Die Evakuierung muss stattfinden, bevor sich die Bedingungen im Tunnel verschlechtern. Gesetzliche Vorschriften und Normen regeln in diesem Zusammenhang zwar die Signalisierung und Beleuchtung bei Notfällen sowie die Platzierung der Rettungsnischen. Aber die Erfahrung zeigt, dass dies nicht ausreicht, um die gefährdeten Verkehrsteilnehmer unter Stress oder gar Panik an einen sicheren Ort zu lotsen. Daher sind spezielle Kommunikationssysteme entscheidend, die eine Evakuierung wirklich effizient begleiten können: zum Beispiel mit Hilfe von Lichtsignalgebern, über Radiodurchsagen oder LiveDurchsagen über das Lautsprechersystem des Tunnels. Grundsätzlich kommen dabei auch vordefinierte Anweisungen in Betracht. Deren Einsatz muss jedoch sehr genau differenziert werden. Denn wo genau sich in der jeweiligen Situation der nächstgelegene sichere Ort im Tunnel befindet, hängt von vielerlei Faktoren ab: unter anderem von der Art und Weise des Unfallherganges, von den involvierten Fahrzeugen und Transportgütern, von der Entwicklung der lebensbedrohenden Situation nach dem Unfall und der voraussehbaren Weiterentwicklung der Geschehnisse. Von der Einsatzbereitschaft der integrierten Systeme und der entsprechenden Netzwerkverbindungen hängt sowohl die Sicherheit als auch die Verfügbarkeit des Tunnels ab. Deshalb müssen alle Technikräume mit kritischen Systemen gegen Schäden geschützt sein. Auch hier stellt die Bedrohung durch Feuer das höchste Risiko dar. In solchen Umgebungen müssen Brandmeldelösungen in der Lage sein, auch langsame Brandentwicklungen frühzeitig zu erkennen. Das System muss bestätigte Alarme erzeugen, die ein automatisches Löschsystem ansteuern, das den Raum sofort flutet und das Feuer entspre- Die Erfahrung zeigt: Gesetzliche Regelungen reichen nicht aus chend schnell löscht. Je nach Art und Größe des zu schützenden Raumes sind hier Lösungen auf der Basis von Inertgasen oder chemischen Löschmitteln denkbar. Insgesamt werden Tunnels also auch weiterhin neue, einzigartige Herausforderungen an die Sicherheitstechnik stellen. Obwohl integrierte Tunnelmanagementsysteme künftig mehr und mehr die lückenlose Dokumentation der Geschehnisse und das Auslösen von vordefinierten Sicherheitsreflexen übernehmen: Angesichts der Komplexität der Aufgabe wird nachhaltige Tunnelsicherheit dennoch immer ein Wettbewerbsthema bleiben, das für Systemhersteller genügend Raum für Innovationen lässt – nicht zuletzt im Hinblick auf die sich wandelnden Verkehrsmuster und -volumen, die heute sehr stark durch neue regionale Wirtschaftsräume und Mobilitätstrends bestimmt werden. « 2/2011 its magazine 23 Mobilität & Lebensraum Vor dem Sturm? Werk Augsburg n Im Moment läuft alles exakt nach Plan in der Siemens-Niederlassung im Sigma Technopark, wo Parkscheinautomaten für die ganze Welt konfiguriert werden. Hinter den Kulissen jedoch haben Reinhard Doll, seine Kollegen und die entsprechenden Teams längst die Vorbereitungen getroffen für einige ungewöhnlich stressreiche Jahre. Denn bereits jetzt lässt sich die wichtige Rolle erahnen, die das neueste Produkt der Augsburger beim Aufbau der Infrastruktur für die Elektromobilität spielen kann. Er selbst ist ein Tausendprozentiger – nicht nur nach eigener Einschätzung, sondern auch in den Augen derer, die ihn ein bisschen besser kennen. Und die ITS-Mitarbeiter, die unter seiner Regie im SiemensWerk Augsburg für die Konfiguration von Produkten für die Straßenverkehrstechnik sorgen, stehen ihm da kaum nach. „Die allermeisten von uns“, sagt Reinhard Doll, Abteilungsleiter Configuration Management, „sind einfach mit Herzblut bei der 24 its magazine 2/2011 Sache. Wir haben den Ehrgeiz, unsere Parktickets nur an Automaten zu lösen, die wir selbst gebaut haben – egal, wo wir gerade unterwegs sind.“ Wahrscheinlich liegt allein darin schon ein wichtiger Grund dafür, dass die obligatorische Diskussion über die Verlagerung von Fertigungs-Arbeitsplätzen in Billiglohnländer nahezu spurlos an der bayerisch-schwäbischen Niederlassung vorbeigegangen ist. Nicht zuletzt wegen der ohen Identifikation des Teams mit seinen h Produkten steht „Made in Augsburg“ für höchste Qualitätsstandards und größte Zuverlässigkeit. Das gilt übrigens nicht nur für die Endprodukte, die das Werk im Sigma Technopark mit unterschiedlichsten Destinationen rund um den Globus verlassen, sondern schon für die angelieferten Komponenten. Auch die stammen zum überwiegenden Teil von spezialisierten Unternehmen aus der Region. „Man darf Bayerisch-schwäbischer Fertigungsalltag: Zu den Erfolgsgeheimnissen des Werks Augsburg gehört neben dem Engagement und dem Knowhow der Mitarbeiter auch die hohe Flexibilität dabei eben nicht nur die nackten Preise sehen“, weiß Reinhard Doll aus mittlerweile über 35-jähriger Erfahrung. „In manchen Fällen können hohe Nachbearbeitungskosten selbst das günstigste Bauteil richtig teuer machen.“ Neben dem Engagement und dem über Jahrzehnte gereiften Know-how seiner Mitarbeiter sieht Doll vor allem in der extrem hohen Flexibilität eines der Erfolgsgeheimnisse „seiner“ Siemensianer in der Fuggerstadt. Das zeigt sich zum einen, wenn es um die Berücksichtigung individueller Kundenwünsche wie etwa der speziellen Designvorgaben von Kopenhagen oder der besonderen Sicherheitsanforderungen mancher Metropolen geht. Zum anderen profitieren die Kunden von einer äußerst beweglichen Kapazitätsplanung der Augsburger. Dazu trägt auch das sehr kooperative Verhältnis mit dem örtlichen Betriebsrat bei, das beispielsweise eine der jeweiligen Auftragssituation angepasste Führung persönlicher Zeitkonten zwischen minus 30 und plus 60 Stunden erlaubt. Ein Modell, das in der Branche alles andere als üblich ist – und damit immer wieder signifikante Wettbewerbsvorteile beschert. Auch deshalb fühlt sich Reinhard Doll mit seinem Team bestens gerüstet für die stressreichen Jahre, die den bayerischen Schwaben wohl bevorstehen. Das große Interesse an Sitraffic Epos P, dem neuesten Spross der hier Das große Interesse am jüngsten Spross der Augsburger Produktfamilie hat sich lange vor der offiziellen Vorstellung angekündigt konfigurierten Produktfamilien, hat sich vor Ort nämlich bereits lange vor der offiziellen Vorstellung angekündigt. An der Impuls-Arena etwa, dem Stadion des frisch gebackenen Fußball-Bundesligisten FC Augsburg, sind die ersten Systeme schon installiert, weitere Standorte wie im Bereich der City-Galerie oder im benachbarten München dürften in Kürze dazukommen. Kein Wunder: Denn an der Schwelle zum beginnenden Zeitalter der Elektromobilität steht der etatschonende Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Strom-Tankstellen naturgemäß ganz weit oben auf der Agenda. Und genau dafür bietet das kombinierte Park & ChargeKonzept eine besonders effiziente Möglichkeit (siehe Seite 26: „Lösungen für das Henne-EiProblem“). Und wie das eben so ist mit innovativen Themen, die allerorten heiß diskutiert werden: „Irgendwann“, sagt Reinhard Doll, „platzt der Knoten, und dann kann es plötzlich gar nicht schnell genug gehen. An uns wird’s auf keinen Fall scheitern: Wir sind bereit.“ « 2/2011 its magazine 25 Profil „Lösungen für das Henne-Ei-Problem“ Interview n Helge Molthan, Leiter Technical Sales „Park & Charge“ bei Siemens Complete Transportation, über die effiziente Integration innovativer Ladesysteme in die bereits bestehende Infrastruktur für Parkflächen. Herr Molthan, bisher waren das Parken und das Betanken von Fahrzeugen zwei völlig verschiedene, auch räumlich voneinander getrennte Vorgänge. Das dürfte sich im Zeitalter der Elektromobilität nachhaltig ändern … Ja, davon gehen wir aus. Wie zahlreiche Studien belegen, sind Autos im Durchschnitt nur etwa eine Stunde pro Tag tatsächlich unterwegs, die restlichen 23 Stunden stehen sie – nicht selten am Straßenrand und auf Off-Street-Parkflächen. Es spricht also einiges dafür, diese Zeit in Zukunft für das „Betanken“ von Elektrofahrzeugen zu nutzen. Vor allem auch deshalb, weil langsamere Ladevorgänge gegenüber schnelleren vielerlei Vorteile bieten: sowohl im Hinblick auf die Auslastung der Energienetze als auch in puncto Batterieverschleiß. Wie wird letztlich zusammenwachsen, was zusammengehört? Werden die Energieversorger künftig auch Parkraum anbieten – oder die Parkraumanbieter auch Tankfüllungen? Voraussichtlich beides. Darüber hinaus wird es wahrscheinlich noch weitere Varianten geben, weil das neue Geschäftsmodell „Park & Charge“ natürlich auch für Spezial-Dienstleister Chancen birgt. Und selbst die Autoindustrie denkt über eigene Lösungen nach. Der Volkswagenkonzern beispielsweise spielt derzeit die Möglichkeiten dafür durch, seine in Deutschland 26 its magazine 2/2011 verkauften Elektrofahrzeuge künftig mit VW-Strom zu versorgen. Die Entscheidung, wohin die Reise tatsächlich gehen wird, liegt aber de facto bei den Eigentümern der Parkflächen, also in vielen Fällen bei den Kommunen. Sehen die in der Kombination von Parken und Laden nicht auch selbst eine Möglichkeit, ihre Einnahmen zu erhöhen? Diese Tendenz ist in der Tat zu beobachten. Zunächst hatten die meisten Kommunen das Thema Elektromobilität weitgehend an ihre jeweiligen Stadtwerke delegiert. Inzwischen werden die Verantwortlichkeiten neu überdacht – in vielen Fällen mit dem Ergebnis, dass nun auch die zuständigen Stellen für die Parkraumbewirtschaftung an entsprechenden Konzepten für die Zukunft mitarbeiten. Das ist von Stadt zu Stadt aber noch sehr unterschiedlich. Wenn es um die Startvoraussetzungen ins Zeitalter der Elektromobilität geht, ist immer wieder vom so genannten „Henne-Ei-Problem“ die Rede. Was genau verbirgt sich dahinter? Der Begriff beschreibt die Zwickmühle, die sich aus den unterschiedlichen Perspektiven der Angebots- und der Nachfrageseite ergibt: Die Investition in flächendeckende Ladeinfrastruktur lohnt sich erst, wenn es genügend Nutzer gibt – genügend Nutzer wiederum wird es aber erst geben, wenn eine flächendeckende Infrastruktur zur „Die Entscheidung, wohin die Reise geht, liegt bei den Eigentümern der Parkflächen” Verfügung steht. Inzwischen zeichnen sich aber bereits Lösungen für das Henne-EiProblem ab. Nämlich – welche? Zum einen lassen sich aus der Analyse der Zielgruppen mit der höchsten Affinität zu E-Mobilen die lukrativsten Standorte für die ersten öffentlichen und semiöffentlichen Strom-Zapfsäulen ableiten. In diesem Zusammenhang spielen zum Beispiel Studenten und ihre wichtigsten Tummelplätze eine Rolle: also Universitäten, Fachhochschulen, Studentenwohnheime, Bahnhöfe, Busbahnhöfe, Innenstädte und Einkaufszentren. Zum anderen bietet eine kombinierte Infrastruktur für Parken und Laden dem Betreiber die größtmögliche Flexibilität. Und wie könnte diese kombinierte Infrastruktur aussehen? Über das Stadium des Konjunktivs sind wir in diesem Bereich zum Glück schon weit hinaus. Inzwischen wissen wir ziemlich enau, wie diese All-in-one-Struktur aus g sehen kann. Unser neues System Sitraffic Epos P ist Parkscheinautomat und Ladestation in einem. Das heißt für die Parkraumbewirtschaftung der Zukunft: Es muss nicht im Vorhinein starr festgelegt werden, wie viele reine Ladeplätze und wie viele reine Parkplätze das Angebot umfassen soll: Sitraffic Epos P ist ein Ladesystem, bei dem man auch Parkscheine lösen kann – und gleichzeitig ein Parkscheinautomat, an dem man auch Strom tanken kann. Aber erfordern Parken und Laden nicht völlig unterschiedliche Abrechnungsmechanismen? Nicht unbedingt. Die Art, wie bezahlt werden kann, beherrschen wir seit langem. Dazu gehören Bargeld, öffentliche Karten mit Roamingverfahren wie etwa Kreditkarten oder private Kundenkarten. Neu ist lediglich, „was“ abgerechnet wird. Aber auch dies lässt sich gut kombinieren. Der Nutzer zahlt einfach gleichzeitig für beide Leistungen. Damit stellt die Erweiterung der Funk- tionalität auch für den Betreiber keinen zusätzlichen Handlingaufwand dar. Und er profitiert zusätzlich noch von zahlreichen weiteren Synergien zum Beispiel in den Bereichen Überwachung, Service und Wartung. Welche Neuerungen erwarten die Autofahrer denn bei den Zahlungsmethoden in der zukünftigen Welt des Parkens und Ladens? Da ist auf längere Sicht sicherlich Vieles denkbar – insbesondere im Hinblick auf virtuelle Technologien und Applikationen etwa für Smartphones ergeben sich Möglichkeiten, die wir ebenfalls genau betrachten. Aber: Schon allein deshalb, weil Münzen und Geldscheine das einzige anonyme Zahlungsmittel sind, wird es wohl noch viele Jahre dauern, bis diese völlig verschwinden. Werfen wir zum Schluss noch einen Blick in die Kristallkugel: Wie schnell wird die Elektromobilität kommen? In der jüngeren Vergangenheit gab es ja immer wieder skeptische Stimmen, die bezweifeln, ob 2020 tatsächlich die prognostizierten sechs Millionen E-Mobile weltweit unterwegs sein werden. Aber wenn ich mir die aktuelle Entwicklung der Benzinpreise so ansehe, könnte ich mir vorstellen, dass das alles viel schneller geht, als wir es momentan erwarten. Herr Molthan, wir danken Ihnen für das Gespräch. « Helge Molthan: Die wichtigsten Stationen auf einen Blick • Geboren 1976 in Verden (Nieder sachsen) • 1996-2000: Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit Fachrichtung Technologie-/Innovationsmanagement und Kommunikations-/Informationstechnik an der Fachhochschule Jena • 2000: Diplom als Wirtschaftsinge nieur (FH) • 2000-2002: Teilnahme am internationalen Siemens Graduate Program (SGP) mit Stationen bei Siemens Mobility in München und Beijing, China • 2002-2005: Strategischer Einkauf bei Siemens Mobility und Siemens Mobile Phones • 2005-2009: Operation Manager und Produktmanager für Parkscheinautomaten bei Siemens Mobility in München • Seit 2009: Verantwortlich für den Geschäftsaufbau für eMobility / Park & Charge bei Siemens Mobility in München 2/2011 its magazine 27 www.siemens.de/traffic IMPRESSUM ITS magazine · Fachmagazin für Straßenverkehrstechnik/ITS Herausgeber: Siemens AG · Industry Sector · Mobility Division · Complete Transportation · Intelligent Traffic Systems · Hofmannstraße 51 · D-81359 München Redaktionsleitung: Dr. Michael Ostertag (verantwortlich), Karin Kaindl: Siemens I MO CT BD&MK Koordination: Roland Michali: Siemens I MO CC Erlangen Textredaktion: Peter Rosenberger, Philip Wessa: www.bfw-tailormade.de · Eberhard Buhl („Im Seitenspiegel“) Fotos: Getty Images Titel, S.4/5, 6 unten, 8 · Corbis S. 6 oben, 10 Mitte u. unten, 18 · dpa picture-alliance S. 7, 9, 10 oben · G. 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