Betrugsaufklärung durch Unfallanalysen

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Betrugsaufklärung durch Unfallanalysen
INSTITUT FÜR UNFALLANALYSEN
Betrugsaufklärung durch Unfallanalysen
Institut für Unfallanalysen
Dipl.-Ing. Michael Weber
Ö. b. u. v. Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle
Borgweg 6, 22303 Hamburg
Tel. 040-63 60 99 88 Fax. 040-63 60 99 86
www.unfallforensik.de (enthält das Lexikon der Unfallrekonstruktion)
[email protected]
Abstract
Die wesentlichen Betrugsarten und die Motive
der Betrüger werden in diesem Artikel erläutert. Ihre Kenntnis ist Voraussetzung für einen
sicheren Umgang mit Betrugsfällen. Es wird
dargelegt, welche Beweissicherung zur Vorbereitung einer gerichtlichen Auseinandersetzung im vermuteten Betrugsfall notwendig
ist. Beim Nachweis verabredeter oder fingierter Schadenereignisse sowohl vorprozessual
als auch in Gerichtsverfahren besitzt der Unfallanalytiker eine Schlüsselstellung. Die Methoden des technischen Nachweises werden
erklärt, und danach folgen praktische Hinweise zu nützlichen Hilfsmitteln und Techniken.
Beispiele erläutern die theoretischen Konzepte.
Versicherungsbetrug wird in weiten Teilen der
Gesellschaft als Kavaliersdelikt angesehen.
Eine Vorstellung zur Größenordnung des Betruges zum Nachteil von Versicherungen vermittelt Abbildung 1. Diese Zahlen wurden von
der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung)
erhoben und publiziert. Das Datenmaterial
basieren auf persönlichen Befragungen einer
repräsentativen Verbrauchergruppe. Eine der
gestellten Fragen war, ob sie ihre Versicherungsgesellschaft in den letzten fünf Jahren
betrogen haben. In der Kfz-Haftpflicht beantworteten 7 % diese Frage freimütig mit Ja, in
der Allgemeinen Haftpflicht sogar 20 %! Da
nur eine Teil der Befragen offen antwortet, ist
die Dunkelziffer bei derartigen Interviews sehr
hoch.
Einführung
In den letzten Jahrzehnten haben Versicherungsgesellschaften in Deutschland, der
Schweiz und Österreich eine starke Zunahme
an betrügerischen Schadenersatzansprüchen
festgestellt. Für dieses Phänomen gibt es verschiedene Ursachen. Die Hauptursache ist sicher, dass der Normalbürger kein Unrechtsbewusstsein hat, wenn er die anonyme Versicherungsgesellschaft betrügt, und außerdem
ist das Risiko, dabei ertappt zu werden, sehr
gering. Wird ein Versicherungsbetrug dann
doch einmal bewiesen, besteht nur ein geringes öffentliches Interesse an der Sanktion.
Versicherungssparte
Allg. Haftpflicht
Hausrat
Kfz-Haftpflicht
Kfz-Kasko
Abb. 1: GfK-Studie
Zugegebener Betrug
in Prozent
19 %
15 %
7.3 %
5.5 %
Nach meiner persönlichen Einschätzung, basierend auf 17 Jahre Berufserfahrung mit Betrugsaufklärung, dürfte zwischen 15 % bis
25 % der für Unfallschäden mit Kfz ausgezahlten Versicherungssummen auf Betrugshandlungen entfallen. Hierin mit einbezogen sind
die vielen kleinen Schummeleien, wie Verschweigen von Vorschäden und der weit verbreitete Abrechnungsbetrug der mit der Unfallreparatur beauftragen Werkstätten.
In dem folgenden Bericht wird ausschließlich
auf Betrugsaufklärung in Verbindung mit
Kraftfahrzeugen eingegangen. In dieser Sparte
gehen sehr zurückhaltende Schätzungen von
einem jährlichen finanziellen Schaden von
4 Mrd. DM aus, der auf Betrügereien mit
Kraftfahrzeugen zurückzuführen ist. Nach den
von mir genannten Zahlen ergibt sich sogar
ein Schaden von 7 bis 12 Milliarden DM.
Durch die Deregulierung des Marktes stehen
die Versicherungsgesellschaften unter einem
enormen Kostendruck. Bei dem Versuch, ihre
Kosten zu reduzieren, gehen sie unterschiedliche Wege. Die meisten Gesellschaften setzen
zur Zeit auf „kundenfreundliche und offensive
Schadenregulierung“. Unangenehme Fragen
werden erst gar nicht gestellt, das spart Personal und die Kunden freuen sich über die
schnelle und komplikationslose Regulierung.
Hierdurch ergeben sich -kurzfristig betrachtetbeträchtliche Personaleinsparungen.
Erste statistische Auswertungen zeigen aber
bereits als negativen Trend, dass der Schadenaufwand der Versicherungen trotz stagnierender oder rückläufiger Unfallstatistiken der
Polizei stark ansteigt.
Die Hauptursache für diesen Trend setzt sich
zweifellos die fehlende Prüfung der Anspruchsgrundlage und –höhe. Infolge der
stimulierenden Erfahrungen der Geschädigten
mit dieser „kundenfreundlichen Regulierungspraxis“ wird sich diese Tendenz in den
kommenden Jahren durch zunehmende Betrugshandlungen aller Gruppen noch erheblich verstärken. Bei der Abrechnung von Versicherungsschäden ist es ähnlich, wie bei der
Steuererklärung und der Abrechnungspraxis
der Ärzte:
Fehlende Kontrolle fördert den Betrug!
Bei dem zweiten Weg, den einige Gesellschaften beschreiten, beschränkt sich die Betrugsbekämpfung nicht auf Lippenbekenntnisse
und die Anschaffung von Betrugssoftware zur
automatisierten Prüfung . Sie verfügen über
gut ausgebildete Spezialabteilungen, die verdächtige Fälle in der Schadenbearbeitung herausfiltern, Recherchen durchführen und bei
Bestätigung des Betrugsverdachtes die ungerechtfertigten Ansprüche energisch bekämpfen. Die vorliegenden Analysen zur Rentabilität gut ausgebildeter, auf Effizienz ausgerichteter Betrugsabteilungen belegen eine auch
den Skeptiker überzeugende Bilanz zwischen
Kosten und Nutzen, selbst wenn die Präventivwirkung der Betrugsprüfung auf das zukünftige Verhalten der Versicherten unberücksichtigt bleibt.
Wird ein Betrug aufgedeckt, kommt es in der
Regel nicht mehr zur Zivilklage des Anspruchstellers. Nur in einigen Fällen mündet
die Ablehnung der ungerechtfertigten Ansprüche in einem Zivilprozess, bei dem der Betrüger als Kläger auftritt. In diesen Gerichtsverfahren beantragen die streitenden Parteien
die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Richter beauftragen einen unabhängigen Unfallanalytiker mit der technischen
Untersuchung des Falles.
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Motive für Versicherungsbetrug mit Kraftfahrzeugen
In den meisten Ländern wird die Schadenregulierung (Reparatur oder auch die Ersatzbeschaffung eines beschädigten Fahrzeugs) von
der Versicherungsgesellschaft weitgehend
vorgegeben. Im Unterschied hierzu hat in
Deutschland, Österreich und der Schweiz das
„Opfer“ eines Unfalls das Privileg, die Reparaturkosten einzufordern, ohne dazu verpflichtet zu sein, das Fahrzeug tatsächlich zu reparieren.
Die erforderlichen Reparaturkosten werden
von einem Sachverständigen für Schäden und
Bewertung ermittelt, der von dem Opfer ausgesucht werden kann. Oft genügt sogar der
Kostenvoranschlag einer Werkstatt. In
Deutschland lautet die übliche Bezeichnung
für diesen Vorgang „fiktive Abrechnung“. Sie
ist durch die BGH-Rechtssprechung trotz Europäisierung nach wie vor gedeckt.
Es liegt auf der Hand, dass ein Anspruchsteller
hieraus keinen Vorteil ziehen kann, wenn er
ein vor dem Unfall tadelloses Fahrzeug in einer Fachwerkstatt sach- und fachgerecht reparieren lässt. Wenn aber eine Reparatur nur
teilweise durchgeführt wird, gebrauchte Teile
eingesetzt werden oder die Reparatur in einer
Hinterhof-Werkstatt realisiert wird, kann im
Regelfall über die Hälfte der normalen Reparaturkosten eingespart werden, und das ist bei
einem tatsächlichen Unfall völlig legal.
In zahlreichen aufgedeckten Betrugsfällen habe ich anhand der Geständnisse von Serientätern die tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten zu den fiktiv abgerechneten in Beziehung gesetzt. Dabei ergab sich bei den zuvor nicht beschädigten und nach dem Unfall
äußerlich tadellos reparierten Fahrzeugen ein
Gewinn von durchschnittlich 80 %. Es wurden
also nur 20 % der ausgezahlten Summe für die
Reparaturausführungen aufgewendet. Zusätzliche Gewinnmöglichkeiten liegen vor, wenn
statt unbeschädigter Fahrzeuge bereits vorgeschädigte oder unzureichend reparierte Fahrzeuge eingesetzt werden.
Aufgrund dieser Möglichkeit der fiktiven Abrechnung werden von vielen Kriminellen Unfälle absichtlich herbeigeführt, in denen meist
hochwertige Fahrzeuge eingesetzt werden.
Solange die Versicherungsgesellschaft des
„schuldigen Fahrers“ jedes Mal gewechselt
wird, gibt es nur ein sehr geringes Risiko,
durch Betrugssoftware, Checklisten und
Warndateien aufgedeckt zu werden. Besonders in Großstädten gehen viele organisierte
Betrügerbanden deshalb diesem erträglichen
Erwerbszweig nach. Die vielen, jedes Jahr aufgedeckten Betrugsringe mit bis zu 100 Personen stellen noch einmal die Spitze des Eisbergs dar.
Aber auch Otto-Normalverbraucher profitieren ohne jegliches Schuldbewusstsein von
Versicherungsbetrügereien. Um Geld nach einem selbstverschuldeten Schaden zu erlangen, ist es weit verbreitet, den Unfallbericht so
anzupassen, dass eine Anspruchsgrundlage
entsteht. Hier leisten die in direktem Kontakt
mit dem Geschädigten stehenden Versicherungsvertreter und –makler den Anspruchstellern oftmals noch Schützenhilfe. Sie fassen eine Beratung in Sachen Versicherungsbetrug
als Kundenservice auf.
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es bei den meisten modernen Kraftfahrzeugen, die Zündung direkt vor der Bremsung durch eine rasche Schlüsseldrehung
auszuschalten und dann direkt nach dem
Crash wieder einzuschalten.
Die wichtigsten vier Betrugsarten:
1. Der verabredete Unfall
Nach diesem ersten modus operandi findet
der Crash tatsächlich statt. Er wird von allen
Beteiligten geplant und zu einer verabredeten
Zeit ausgeführt. Häufig wird dem Schadenereignis ein offizieller Anstrich gegeben, in dem
die Polizei gerufen wird, damit sie einen Unfallbericht schreibt. In diesen Fällen wird der
Unfall an Ort und Stelle aufgeführt. In anderen Fällen, in denen kein offizieller Polizeibericht vorliegt, wird der Unfall oft auf einem
privaten Gelände gestellt, auf dem die Betrüger arbeiten können. Für die Schadenmeldung
an die Versicherung wird er auf eine für Unfallstory geeignete Straße verlagert.
2. Der provozierte Unfall
In diesen Fällen haben wir einen Täter und ein
Opfer. Der Täter plant den Unfall und führt
ihn alleine aus. Das Opfer ist bezüglich des
tatsächlichen Ablaufs ahnungslos. Das Szenario wird immer so gewählt, dass der Anscheinsbeweis für den Täter spricht. Hier die
gebräuchlichsten Vorgehensweisen:
• Provozierte Auffahrkollision
Das Opfer wird von einer plötzlichen und
starken Bremsung des vor ihm befindlichen
Fahrzeugs überrascht. Nach dem Unfall hat
der Täter eine plausible Entschuldigung für
dieses Bremsmanöver, beispielsweise ein
Fußgänger, der die Fahrbahn betreten hat
oder ein Ampelphasenwechsel von Grün
auf Gelb. Sogar wenn der Sicherheitsabstand des Nachfolgenden ausreicht, kann
ein Auffahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht werden, wenn der Täter dafür
sorgt, dass die Bremsleuchten seines Fahrzeugs nicht in Betrieb sind. Hierzu genügt
Eine erst kürzlich aufgedeckte Variante ist
das Auflauern von Fahrzeugen, die vor einem Abbiegestreifen den „Standstreifen“
in unzulässiger Weise zur Vorbeifahrt an
einer stehenden Fahrzeugschlange ausnutzen. Der Täter befindet sich innerhalb der
Schlange in Höhe des Abbiegestreifens.
Dort richtet er seinen Spurwechsel zum
Abbiegen so knapp ein, dass das vom
Standstreifen kommende Fahrzeug auf das
Täterfahrzeug auffahren muss. Für die hinzugerufene Polizei ist die Schuldfrage sofort eindeutig geklärt: Auffahrunfall nach
unzulässiger Standstreifennutzung.
• Vorfahrtsfalle
In einer alltäglichen Situation, bei der der
Täter die Vorfahrt besitzt, verzichtet er gegenüber einem diesem Vorfahrtsrecht untergeordnetem Fahrzeug bewusst auf Abwehrmaßnahmen. Oft ermuntert er den
untergeordneten Fahrzeugführer durch
langsame, defensive Fahrweise noch zum
Einscheren oder Einbiegen. Anstatt zu
bremsen oder auszuweichen, beschleunigt
er anschließend und steuert auf das Fahrzeug des Opfers zu.
Abbildung 2 zeigt das Beispiel eines Unfalls,
der ganz offensichtlich in dieser Form provoziert wurde.
• Spurwechselmethode
Der Täter wählt hierzu eine Örtlichkeit, in
der nicht ortskundige Fahrer häufig gezwungen werden, einen plötzlichen Spur-
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wechsel durchzuführen. Der Täter versteckt
sich im „toten Winkel“ der Seitenspiegel
des Opfers und beschleunigt, sobald der
Spurwechsel eingeleitet wird. Nachdem die
SichtSight
hindernis
Obstruction
Abb. 2: Vorfahrtsfalle
Der Täter nutzt bei seiner Annäherung das
Sichthindernis geschickt aus. Die dennoch überraschend schnell erfolgende Ausweichreaktion seines Opfers nach links verleitet ihn dazu, ihm in die Gegenfahrbahn zu folgen. Diese
Verhalten kann nur durch eine vorsätzliche
Handlung plausibel erklärt werden
Streifkollision mit dem Opfer beendet ist,
stoppt der Täter sofort mit einer spurzeichnenden Abbremsung, um damit seine
Querposition innerhalb des eigenen Fahrstreifens und den Spurwechselvorgang des
Opfers gegenüber der Polizei nachzuweisen.
3. Der ausgenutzte Unfall
Nach einem zufälligen Unfallereignis versucht
der Geschädigte, eine höhere Schadensumme,
als gerechtfertigt, zu erlangen. Entweder verschweigt er bereits bestehende Unfallschäden
oder Mängel an seinem Fahrzeug oder vergrößert die tatsächlichen Unfallschäden. Die
zweite Möglichkeit macht allerdings nur Sinn,
wenn eine fiktive Abrechnung erfolgt.
Das Verschweigen von Vorschäden und unrichtige Angaben zum Wert eines Fahrzeugs
sind auch in der Normalbevölkerung sehr weit
verbreitet. Diese Verhalten ließe sich seitens
der Versicherung nur durch einen kritischen
Umgang mit jedem einzelnen Schadenfall
eindämmen. Die vorsätzliche Schadenausweitung erfreut sich insbesondere bei Reparaturwerkstätten größter Beliebtheit. Stellt der Geschädigte bei einem unverschuldeten Unfall
der Werkstatt eine Abtretungserklärung aus,
werden häufig vor dem Eintreffen des Schadensachverständigen geschickt platzierte Einbeulungen an zuvor unbeschädigten Teilen
vorgenommen oder korrekt passende Bauteile
werden verstellt, um einen Verzug vorzutäuschen. Die Verdienstmöglichkeiten bei diesen
Maßnahmen sind enorm. Mit wenigen Handgriffen lassen sich in Minuten einige Tausender zusätzlich verdienen. Das Entdeckungsrisiko des Betrügers geht hier gegen Null, da fast
nie festzustellen ist, wer für die Schadenausweitung (Halter, Werkstatt oder der großen
Unbekannte) verantwortlich ist.
Die von verschiedenen Versicherungen auch
bei sog. Vertrauenswerkstätten durchgeführten Stichproben haben ergeben, dass fast in
jedem Schadenfall erheblich höhere Werkstattkosen geltend gemacht werden, als tatsächlich erforderlich. Nach Versicherungsangaben liegt mittlerweile fast jeder Bagatellschaden ohne Besichtigung knapp unterhalb
der Grenze für eine Reparaturfreigabe.
Aufgrund dieses Verhalten werden die erzielten Einsparung eines Schadengutachtens
durch die in diesem Abschnitt genannten Betrugsvarianten zum ausgenutzten Unfall und
überhöhte Werkstattkosten mehr als aufgezehrt.
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4. Der Papier-Unfall
Der gegenüber der Versicherungsgesellschaft
gemeldete Unfall hat nie stattgefunden. Die in
den Unfall verwickelten Fahrzeuge waren nie
in Kontakt. Die Schäden sind entweder manuell erzeugt oder kommen aus einem Vorunfall.
Häufig werden schwer beschädigte Unfallwagen preiswert angekauft und wieder zugelassen. Sie erleiden dann –angeblich vollständig
repariert- nach kurzer Zeit einen weiteren
schweren Unfall, für den die Versicherung
aufkommen soll.
Frühzeitige Beweissicherung
Bei verdächtigen Schadenfällen muss eine
möglichst rasche Reaktion durch die Versicherung erfolgen. Die an dem verdächtigen Schadenfall beteiligten Fahrzeuge sind unbedingt
–auch repariert- zu besichtigen. Die Recherchen nach dem Verbleib werden meist von
den Beteiligten mit der lapidaren Auskunft:
„ins Ausland verkauft“ oder „schon verschrottet“ beantwortet. In diesen Fällen lohnt sich
immer eine Nachprüfung beim SVA und anderen Stellen, da diese Angaben häufig falsch
sind.
Weiterhin ist eine zeitnahe Besichtigung der
Unfallstelle sehr aufschlussreich. In der unter
Punkt 4 genannten Gruppe der Papierunfälle
sind dort überhaupt keine unfalltypischen
Spuren wie Glassplitter, Brems- und Schleuderspuren vorhanden. In der Regel fehlt bei
einem behaupteten Hindernisanprall ein für
die Verursachung der Schäden in Frage kommender Kontaktpartner, wie z. B. eine passende Leitplanke oder Straßengraben.
Eine frühzeitige, möglichst getrennte Befragung der Beteiligten nach dem genauen Unfallablauf, die in allen Einzelheiten nachvollziehbar protokolliert sein muss, verhindert ei-
ne nachträgliche Anpassung der Unfallschilderung.
Für diese frühere Beweissicherung kann mittlerweile auch auf hierauf spezialisierte Schadenermittler zurückgegriffen werden, wenn
im eigenen Haus keine freie Kapazitäten vorhanden sind.
Digitale Fotografie
In den kommenden Jahren ist davon auszugehen, dass die digitale Fotografie die konventionelle Kleinbildfotografie mit Negativen
weitgehend verdrängen wird. Für die normale
Schadenaufnahme und die Dokumentation
der Sicht- und Fahrbahnverhältnisse an der
Unfallstelle ist die Verwendung digitaler Fotografie unbedenklich. Bei der Dokumentation
von Spurenbilder sollte jedoch auch in Zukunft
eine konventionelle Kamera eingesetzt werden.
Im direkten Vergleich zwischen einer 3.3 Megapixel Bilddatei, die mit einer Digitalkamera
der neusten Generation aufgenommen wurde, und einem normalen Kleinbildnegativ
24*36mm zeigt sich die chemische Fotografie
haushoch überlegen. Obwohl man bei einem
postkartengroßen Ausschnitt bei flüchtiger
Betrachtung keinen Unterschied bemerkt, hat
das Negativ etwa zehnmal so viele Informationen gespeichert wie das Digitalfoto. Diese
versteckten Informationen sind in der Regel
für den Nachweis der Betrugshandlung entscheidend.
Die Praxis der letzten Jahre zeigt eine katastrophale Entwicklung: Viele Schadensachverständige fotografieren mit wesentlich zu geringen Auflösungen. Selbst Versicherungssachverständige und große SachverständigenOrganisationen arbeiten mit Auflösungen von
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1,1 Megapixel und teilweise sogar noch darunter. Diese Gutachten sind - auch wenn nur
eine Schadenbewertung in Auftrag gegeben
wurde - nicht sach- und fachgerecht erstellt.
Es bestehen durchaus Möglichkeiten, den
Sachverständigen für den hierdurch entstandenen Schaden (z.B. fehlende Aufklärungsmöglichkeiten in einem Betrugsprozess) in
Regress zu nehmen. Derartige Gutachten sollten auch grundsätzlich nicht bezahlt und
Nachbesserung verlangt werden. Stand der
Technik sind heute mindestens Auflösungen
von 3 Megapixel oder analoge Fotos mit Negativen.
Wenn schon eine digitale Schadenaufnahme
durchgeführt wird, sollte zumindest auf eine
geeignete Fotodokumentation der Spuren geachtet werden. Sie besteht aus Übersichtsfotos, Verbindungsfotos zu den Ausschnittfotografien und viele Ausschnittsfotos der Spurendetails. Nur so lässt sich beweiskräftig dokumentieren, ob z.B. Farbauftrag oder Farbabrieb vorhanden war, welche Kraftrichtung tatsächlich vorlag, welche Tiefe die Einbeulung
hatte u.s.w. Auf diese Details kommt es später an, Zweifel gehen häufig im Betrugsprozess zulasten der Versicherung!
Als Faustregel gilt: Zehnmal mehr, sorgfältig
ausgesuchte Fotoaufnahmen sind zur digitalen Schadendokumentation notwendig.
Bei Betrugsverdacht sollte man sich nicht mit
den meist schlechten Tintenstrahl- oder Laserausdrucken in den Akte zufrieden geben,
sondern in jedem Fall die digitalen Daten aller
Fotos (auch der nicht gedruckten) über E-Mail
oder auf CD gespeichert anfordern.
sich ohne nachweisbare Spuren im Datenmaterial beliebig Veränderungen vornehmen.
Ein Beispiel verdeutlicht die Möglichkeiten:
Wer käme schon bei einem roten Fahrzeug
mit Frontschaden auf der rechten Seite darauf, dass er den gleichen Schaden an einem
schwarzen Fahrzeug an der linken Seite zwei
Tage zuvor schon einmal reguliert hat? Mit einem Computerprogramm zur Fotobearbeitung realisiert diese Manipulation jeder
Grundschüler.
Technische Nachweismöglichkeiten
Im allgemeinen soll die Untersuchung durch
den technischen Sachverständigen in zwei
Schritten durchgeführt werden. Zunächst wird
die Kompatibilität untersucht. Nach einer vorgegebenen Systematik wird dabei analysiert,
ob die Beschädigungsmuster der beteiligten
Fahrzeuge zueinander passen.
Ist dies der Fall, dann kann die Plausibilität der
Unfallentwicklung nach den Schilderungen
der Beteiligten und Zeugen geprüft werden.
Bei diesem zweiten Schritt wird auf die Ergebnisse der Kompatibilitätsanalyse z. B. Anstoßkonfiguration, Bremszustand und Anstoßgeschwindigkeiten zurückgegriffen.
In den meisten Fällen stehen die Fahrzeuge für
eine Untersuchung nicht mehr zur Verfügung
und der Sachverständige muss mit den in den
Akten enthaltenen Schadenfotografien auskommen.
Weiterhin sind digitale Fotos nicht „dokumentenecht“. Bei geschicktem Vorgehen lassen sie
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Diese Anstoßkonfiguration besteht aus
Überdeckung, Anstoßwinkel und Höhenzuordnung. Z. B. passt der in Abb. 3 markierte
runde Abdruck am Heckstoßfänger des gestoßenen Fahrzeugs zu dem Scheinwerfer
des stoßenden Fahrzeugs. Dies führt auf
die Anstoßkonfiguration in diesem Beispiel,
die in Abb. 4 dargestellt ist: 80 % Überdeckung, kein nennenswerter Längsachsenwinkel und bremsbedingt vor dem Stoß
eingetauchte Fahrzeugfront des stoßenden
Fahrzeugs.
Kompatibilität
Die allgemeine Vorgehensweise besteht aus
vier aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten:
• Morphologie
Es werden dreidimensionale Abbildungen
der Größe und Ausbildung der Deformationen angefertigt, hierzu werden die Fotografien ausgewertet und auf maßstäbliche
Zeichnungen übertragen, wie aus Abb. 3
ersichtlich. Oder es werden direkt Maße
von einem Fahrzeug aus der gleichen Bauserie genommen und ausgewertet.
• Anstoßkonfiguration
Die Fotografien müssen nach eindeutigen
Deformationsmustern abgesucht werden,
um die Anstoßkonfiguration festzulegen.
Heck des gestoßenen Fahrzeugs. Der Pfeil weist
auf den Abdruck des Scheinwerfers hin.
Beschreibung der Deformationslinie auf einer
maßstäblichen Grundrissdarstellung.
Front des auffahrenden Fahrzeugs. Der rechte
Scheinwerfer ist zerbrochen
Deformationslinie an der Front
Abb. 3: Ableiten der Verformungslinien aus den Fotografien
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Abb. 4: Aus dem Scheinwerferabdruck abgeleitete
Anstoßposition der Fahrzeuge
Abb. 5: Die übereinstimmenden Verformungslinien
zum Zeitpunkt der maximalen Eindringung
• Detaillierte Schadenanalyse
Basierend auf die Anstoßkonfiguration, die
in dem letzten Arbeitsschritt erarbeitet
wurde, kann jedes Detail der Deformationsmuster genau untersucht werden. Für
jeden Abdruck muss es ein Gegenstück in
der gefundenen Anstoßposition geben. Die
Deformationslinien der Kontaktzonen müssen übereinstimmen, wie in Abb. 5 dargelegt.
genau Analyse der Struktursteifigkeit der
Kontaktzonen der Rückschluss gezogen,
dass die Schäden nicht kompatibel seien.
Ein anschauliches Beispiel hierfür zeigt
Abb. 6. Oftmals hängt die Steifigkeit der
Karosserieteile auch stark von der Krafteinwirkungsrichtung ab oder es kommt zu
einem Kontakt einer sehr weichen Zone,
(wie z.B. der Frontmaske oberhalb des
Stoßfängers) mit einer sehr harten, wie z.B.
einem Heckstoßfänger mit integriertem
Stahlprofil. Diese Konstellation ist sogar typisch für eine normale Auffahrkollision mit
einem abwehrgebremsten Fahrzeug (vgl.
Abb. 7).
• Vergleich der Schadenintensitäten
Insbesondere dann, wenn ein Intensitätsvergleich nicht als letzter Schritt durchgeführt wird, kann es zu einer Fehlbeurteilung kommen. Da die Steifigkeitsverteilung
an den Karosseriestrukturen oftmals stark
unterschiedlich ausfallen, wird häufig ohne
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Abwehrreaktionen vorhanden war, lassen
sich keine Anzeichen für Bremsen oder
Ausweichen innerhalb der Unfallentwicklung finden. Der einleuchtendste Indikator
ist sicher das Fehlen von Bremsspuren an
der Unfallstelle (gilt nur für Kraftfahrzeuge
ohne ABS). Um auch bei fehlenden Spuren
auf der Fahrbahn ein Bremsmanöver festzustellen, können die Anstoßhöhen an beiden Fahrzeugen verglichen werden. Bei einem bremsbedingten Eintauchen kommt
es zu einer deutlichen Abweichung zu den
statisch vorliegenden Höhen, die bei ungefähr 8 cm liegen. Ein Beispiel für ein
bremsbedingtes Eintauchen zeigt Abb. 7.
Plausibilität
Obwohl die Verformungen an den beteiligten
Fahrzeugen passen, kann ein Schadenereignis
durchaus fingiert sein. Wie schon bei den Erläuterungen zur fiktiven Abrechnung ausgeführt, ist es durchaus möglich, auch Gewinn
zu erzielen, wenn ein unbeschädigtes Fahrzeug verwendet wird. Bei der absichtlichen
Beschädigung relativ neuer Fahrzeuge achten
die Betrüger darauf, nur oberflächliche Beschädigungen zu produzieren. Es werden dann
zwar neue Teile in der Kalkulation berücksichtigt, tatsächlich erfolgt die Reparatur jedoch
durch ausbeulen. Jeder Unfall ist – per Definition – das Ergebnis eines unfreiwilligen Ereignisses. Der Anspruchsteller muss deshalb beweisen, dass die ihm entstandenen Schäden
unfreiwillig eingetreten sind. Wie die Erfahrung zeigt, ist es jedoch nicht so einfach, ein
Unfallereignis mit absichtlichen Fahrmanövern zu simulieren. Die in technischen Gutachten häufig beobachteten Fehler sind:
• Fehlen von Abwehrreaktionen
Obwohl sich aus der Unfallentwicklung
nachweisen lässt, dass genügend Zeit für
• Ungewöhnliche Unfallentwicklungen
Bei der Auswertung normaler Verkehrsunfälle stellt man fest, dass in den meisten Situationen beide Fahrzeuge bis zum Anstoß
in Bewegung sind. Wird das Unfallereignis
verabredet, dann kann dies nur bei gleichgerichtetem Verkehr, wie z. B. Auffahrkollision, Streifkollisionen und Anstoßvorgängen gegen Leitplanken erreicht werden. Je
mehr die Anstoßrichtungen der Fahrzeuge
Abb. 6: Beispiel für abweichende Schadensintensitäten.
Obwohl das Heck des Audi mehr als 20 cm eingedrückt ist, liegen in der Front des BMW bis auf eine
Deformation der Stoßfängerelemente keine Deformationen vor
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Abb. 8 zeigt den Unterschied einer unfreiwilligen und einer absichtlichen Seitenkollision im
Bereich einer Kreuzung. In einem tatsächlichen Unfall hat der bevorrechtigte Fahrer
keine Zeit, seine Geschwindigkeit noch vor der
Kollision herabzusetzen. Die noch verbleibende Geschwindigkeit nach dem Stoß führt in
eine ausgedehnte Auslaufbewegung. Im Unterschied dazu führt ein stehendes Fahrzeug
bei einem verabredeten Unfall nur eine seitliche Auslaufbewegung durch. Auch hier lässt
sich der eindeutige Nachweis durch eine kombinierte Betrachtung (Kompatibilität und
Plausibilität) führen.
sich der Senkrechten nähern, desto schwieriger wird es, die Fahrmanöver zu koordinieren. Es ist so gut wie unmöglich, eine
Seitenkollision mit einem aus der untergeordneten Straße herauskommenden Fahrzeug realistisch nachzustellen. Ein wesentliches Merkmal von fingierten Unfällen
nach diesem modus operandi ist, dass das
bevorrechtigte Fahrzeug zum Kollisionszeitpunkt steht. Dies kann sehr leicht aus
den Fahrzeugbewegungen nach der Kollision und den Deformationsmustern an den
Fahrzeugen nachgewiesen werden.
Nachweis der absichtlichen Herbeiführung
Wie meine praktischen Erfahrungen in den
letzten 17 Jahre gezeigt haben, werden auch
heute noch unzählige Betrügereien nach dieser Spielart ausgeführt, aber leider nur in wenigen Fällen als Betrug entlarvt.
Wird ein parkendes Fahrzeug absichtlich angefahren, dann ergibt sich oft aus den Fahrzeugbeschädigungen ein außerordentlich
großer Winkel. Mit Hilfe einer Kompatibilitätsanalyse lässt sich die Winkelgröße ermitteln und durch eine Plausibilitätsprüfung der
Vorsatz nachweisen. Bei provozierten Unfällen
verfolgt der Täter häufig sein Opfer in eine
ungewöhnlichen Anstoßposition (vgl. Abb. 2).
Normalhöhe
der Front
Infolge Bremsens eingetauchte Front
Normalhöhe
des Hecks
Abb. 7: Ein Bremsvorgang vor dem Anstoß führt zu einer stark höhenversetzten Aufprallposition
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STOP
STOP
Verabredetes Schadenereignis
Normaler Verkehrsunfall
Abb. 8: Vergleich der Auslaufbewegungen des bevorrechtigten Fahrzeugs
Simulierte Verletzungen
Um nach einem Unfall Schadenersatz und
Schmerzensgeld zu erhalten, geben Betrüger
oftmals Verletzungen an. Dabei müssen sie
sich auf Verletzungen beschränken, die nicht
durch eine medizinische Untersuchung objektiviert werden können. Im allgemeinen handelt es sich dabei um Weichteilverletzungen.
Sehr weit verbreitet sind Halswirbeltraumata
nach Auffahrkollisionen, aber auch nach unverschuldeten Frontalkollisionen und Seitenanstößen.
Ein Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle kann die biomechanische Belastung ermitteln, die bei einem Anstoß auf die Insassen
in dem Fahrzeug gewirkt hat. Aufbauend auf
dieses Material kann dann ein medizinischer
Experte beurteilen, ob diese Belastung ausreichend war, um zu der behaupteten Verletzung
zu führen.
Es ist bemerkenswert, dass die meisten HWSVerletzungen in einem Bereich der kollisions-
bedingten Geschwindigkeitsänderung unterhalb von 15 km/h anzusiedeln ist. Eine noch
nicht abgeschlossene Studie, die Prof. Dr.
Castro vom Orthopädischen Forschungsinstitut in Zusammenarbeit mit mir durchgeführt
hat, zeigt, dass in diesem Geschwindigkeitsbereich nur Belastungen der Halswirbelsäule
vorliegen, die auch bei im Alltag und bei sportlichen Betätigungen auftreten und dort nicht
zu Verletzungen führen.
In Deutschland werden jährlich mehr als
1 Mrd. für Schmerzensgelder nach etwa
400.000 angegebener Halswirbelsäulenverletzungen gezahlt. Hier gibt es noch ein enormes
Einsparungspotential, wenn die ungerechtfertigt erhobenen Ansprüche abgewehrt werden.
Wie auf dem 34. Verkehrsgerichtstag in Goslar
richtungsweisend beschlossen, sollten die
hierdurch eingesparten Beträge den in ihrer
Gesundheit schwer geschädigten Unfallopfern
zugute kommen.
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Weitere Betrugsmethoden
Von privaten Haftpflichtversicherungen werden in Deutschland etwa 50 % für Schäden
bezahlt, die an Kraftfahrzeugen entstehen. Die
Betrugsrate ist in diesem Bereich besonders
hoch. Das hauptsächliche Ziel dabei ist es, ein
Ersatz für Schäden zu erhalten, die tatsächlich
nicht durch eine Versicherung gedeckt sind.
Im Bekanntenkreis findet sich nahezu immer
ein Freund, der bereit ist, einen derartigen
Schaden über seine Haftpflichtversicherung
abzuwickeln. Die Hauptgruppen dabei sind:
• Vandalismusschäden
Kratzer an den Seiten von Fahrzeugen, die
auf absichtliche Beschädigung durch Unbekannte zurückzuführen sind, werden auf
Streifkollisionen mit Fahrrädern zurückgeführt.
• Umkippende Motorräder
Schäden, die auf ein selbstverschuldetes
Umkippen oder Stürzen eines Motorrades
zurückzuführen sind, werden als ein Fußgängeranstoß deklariert.
• Eigen verschuldete Unfälle
Das selbstverschuldete Abkommen von der
Fahrbahn, Leitplankenkontakte und Parkplatzkarambolagen werden durch ein erfundenes Szenario erklärt, z. B. eine Ausweichreaktion, die erforderlich war, um einem die Fahrbahn überquerenden Fußgänger auszuweichen.
In dieser Betrugsart widersprechen die Unfallberichte oft physikalischen Gesetzen und die
Schadenausbildung stimmt nicht mit dem
verursachenden Objekt überein. Die als Erklärung für die Beschädigungen behaupteten Unfallabläufe weichen meist stark von den nor-
malen Verhaltensmustern innerhalb der Unfallentwicklung ab.
Technische Verfahren
Zur geometrischen Kompatibilitätsanalyse
stehen folgende grundsätzliche Techniken zur
Verfügung:
•
Überlagerung von maßstäblichen Zeichnungen der Unfallfahrzeuge entweder
durch Verwendung von Folien oder durch
Einsatz eines CAD-Programms
•
Überlagerung von Fotografien der Deformationsmuster in Bildverarbeitungsprogrammen wie Corel PhotoPaint oder Adobe Photoshop , wie in Abb. 9 gezeigt.
•
Rekonstruktion der Anstoßsituation durch
Einsatz von baugleichen Fahrzeugen,
•
Anwenden des Maskenverfahren (Erstellen
und Überlagern von Folien im Maßstab
1:1).
Um komplexere Deformationsmuster auszuwerten, wie beispielsweise die Krafteinwirkungsrichtung aus Anstoßspuren zu bestimmen, ist es erforderlich, auf Unfallversuche zurückzugreifen. Die oftmals vorkommenden
Anstoßkonstellationen sind in der Literatur
gut dokumentiert. Oft jedoch liegt die Lösung
eines Falles jenseits einer rein wissenschaftlichen Argumentation. Hier kann nur ein
Nachstellen der Unfallsituation mit Fahrzeugen weiterhelfen.
Aber auch normale Verkehrsunfälle sind eine
sehr wertvolle Wissensbasis. Für den technischen Sachverständigen zahlt es sich aus,
eine Datenbank mit Deformationsmustern
von alltäglichen Unfällen aufzubauen. Hieraus
lassen sich oftmals Fragen durch Auswertung
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dieses Datenmaterials beantworten, die anders nur mit kostenintensiven Crashversuchen
geklärt werden könnten.
Schlussfolgerungen
Die statistische Entwicklung in den deutschsprachigen Ländern zeigt, dass Versicherungsbetrug aufgrund der Regulierungspraxis und
des geringeren Entdeckungsrisikos nach wie
vor stark zunimmt. Um dieser Entwicklung
entgegenzuwirken, muss auf Seiten der Versicherung eine individuelle Schadenprüfung
durchgeführt werden. Die dabei gefundenen
verdächtigen Fälle sind aus der normalen
Schadenbearbeitung auszugliedern und durch
spezialisierte Fachabteilungen zu prüfen.
In vielen Fällen versagen hierbei die bekannten kriminalistischen Methoden (Aufdecken
von Bekanntschaften, Widersprüche in den
Aussagen u.s.w.), so dass der technische
Nachweis in Form eines Sachverständigengutachtens oftmals die einzige Lösungsmöglichkeit darstellt.
Aufgrund der ständigen Konfrontation mit
zweifelhaften Verkehrsunfällen in Gerichtsverfahren haben die Sachverständigen in
Deutschland in den letzten Jahrzehnten ihre
Untersuchungsmethoden stark weiterentwickelt und verbessert.
Zur Zeit existieren zu diesem Thema weltweit
nur Veröffentlichungen in deutscher Sprache,
die auch eine Vielzahl von Crashtests zur Betrugsproblematik einschließen.
Abb. 9: maßstäblich exakte Überlagerung der Fahrzeugkonturen – die Seite
des Mercedes wurde zuvor mit Hilfe eines Messlattenbildes entzerrt.
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LITERATUR
Veröffentlichungen
Bücher:
•
Die Aufklärung des Kfz - Versicherungsbetrugs - Pkw – Streifkollision Weber, M.
Verkehrsunfall u. Fahrzeugtechnik 33
•
•
Die Aufklärung des Kfz-Versicherungsbetrugs / Entwicklung einer Systematik
zur Kompatibilitätsanalyse. Weber, M.:
Schimmelpfennig, K.-H.: Verkehrsunfall
und Fahrzeugtechnik 28 (1990)
Die Aufklärung des Kfz-Versicherungsbetruges - Grundlagen der Kompatibilitätsanalyse und Plausibilitätsprüfung.
Weber, M. u.a. : 1. Auflage, Schriftenreihe
Unfallrekonstruktion, Münster 1995 –zu
bestellen über IFU-Hamburg, ISBN 39804383-0-9 (leider vergriffen)
•
Handbuch des Straßenverkehrsrechts,
Herausgeber: Berz/Burmann, zu bestellen
über Fachbuchhandel ISBN 3406413854
•
Whiplash injuries - Current concepts in
prevention, diagnosis, and treatment of
the cervical whisplash syndrome [edited
by] Robert Gunzburg, Marck Szpalski, Lippincott-Raven Publishers
•
•
•
Die Zuordnung von Beschädigungszonen
bei Berücksichtigung von Beladung, Verzögerung und Querbeschleunigung. Weber, M.: Dieling, W.: Verkehrsunfall und
Fahrzeugtechnik 28 (1990)
Die Aufklärung des Versicherungsbetruges
bei zweidimensionalen Kollisionen. Weber,
M.: Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik
30 (1992)
Pkw-Serienkollisionen Weber, M.: Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik Jahrgang
34 (1996)
•
Zur Belastung der Halswirbelsäule durch
Auffahrunfälle Meyer, Hugemann, Weber:
Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 32
(1994)
•
Freiwilligenversuche zum Halswirbelschleudertrauma bei Auffahrkollisionen,
Meyer, Weber, Kalthoff, Castro, Schilgen:
Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik Jahrgang 37 (1999)
•
Do whiplash injuries occur in low speed
rear impacts? - European Spine Society The AcroMed Price for Spinal Research.
Castro, Schilgen, Meyer, Weber, Peuker,
Wörtler: Spine Number 6 1997
Zeichnungen:
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Alle Skizzen auf Basis der VENUS DRAWING DATABASE.
Internet:
•
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Die frei zugängliche und kostenlose Internet-Site www.unfallforensik.de enthält ein
etwa 200 Seiten starkes Lexikon zur Unfallrekonstruktion für Juristen. In diesem
Glossar finden sie die wichtigsten Fachbegriffe aller Themen der Unfallrekonstruktion einschließlich des Versicherungsbetruges mit ausführlichen Erklärungen. Die Sammlung wird ständig aktualisiert.