auf bekannte risiken besser vorbereitet

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auf bekannte risiken besser vorbereitet
B r anche
Basel III
Auf bekannte Risiken besser vorbereitet
Die neuen Liquiditätskennzahlen nach Basel III
machen viele Veränderungen bei den Banken
und Sparkassen notwendig. Ob diese aber tat­
sächlich zu einer höheren Stabilität in Krisen
führen werden, ist nach Ansicht der Kredit­
institute noch fraglich.
Große Herausforderungen
Veränderungen in der IT durch die neuen Kennzahlen
„Gegen eine Krise, die nach demselben Muster abläuft wie
2008, ist der Bankensektor heute deutlich besser gewappnet. Die neuen statistischen Kennzahlen nach Basel III
erlauben es aber nicht, Szenarien für andere mögliche
Entwicklungen einzubeziehen.“ So lautet das Kernergebnis der Studie „Der Schwarze Schwan im Stresstest
– Liquiditätssteuerung in Banken“ von F.A.Z.-Institut und
Logica. Daher sind die neuen Kennziffern nach Meinung
von zwei Dritteln der Studienteilnehmer nicht als Frühindikatoren für Liquiditätsengpässe geeignet.
Bei den Liquiditätsanforderungen von Basel III stehen
für die Banken zwei Ziele im Fokus: die Ausstattung mit
erstklassigen hochliquiden Aktiva, um eine einmonatige
Stresssituation zu überstehen, und eine tragfähige Fristenstruktur aus Aktiva und Passiva für einen einjährigen
Zeithorizont. Zur Messung dieser Ziele dienen in erster Linie zwei Kennziffern: die Liquidity Coverage Ratio
(LCR) und die Net Stable Funding Ratio (NSFR) (siehe
Kasten rechts).
Angaben in %
Erhöhte Kosten
62
Anbindung mehrerer
neuer Datenquellen
45
Aufbau einer
konsolidierten
IT-Infrastruktur
40
Datengranularität
unzureichend
39
Änderung in
Prozessabläufen
38
Datenqualität
unzureichend
Andere Herausforderungen
22
34
11
Quelle: Studie: „Der schwarze Schwan im Stresstest –
Liquiditätssteuerung in Banken“
Skepsis gegenüber den neuen Kennzahlen
Zwar gehen 60 Prozent der befragten Entscheider in Banken davon aus, dass die neuen Vorgaben das Risikoverhalten der Kreditinstitute in Bezug auf ihre Liquidität
gravierend verändern werden, doch eine Mehrheit von
ihnen (61 Prozent) hält die neuen Kennziffern zur Liquiditätssteuerung sogar für weniger effektiv als vergleichbare bisherige Kennziffern. Dabei schätzen 24 Prozent der
Befragten LCR und NSFR als überhaupt nicht effektiver
und 37 Prozent als eher nicht effektiver ein. Lediglich 32
Prozent halten sie für eher effektiver und sieben Prozent
für viel effektiver.
Im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt bewerten die
Verantwortlichen in Sparkassen die neuen Kennziffern
häufiger als viel beziehungsweise eher effektiver (57 Prozent der Befragten dieser Gruppe) als die Entscheider der
übrigen Kreditinstitute. Am skeptischsten sind demgegenüber die Genossenschaftsbanken (31 Prozent). Außerdem
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Ungeeignete Kennzahlen
Bewertung von LCR und NSFR als Frühindikatoren
Noch viel zu tun
Stand der Umsetzung der neuen Liquiditätsvorgaben gemäß Basel III
Angaben in %
Überhaupt nicht geeignet
eher nicht
geeignet
Angaben in %
26
16
25
1
sehr gut geeignet
keine
Angaben
50
1
Umsetzung
abgeschlossen
(100%)
33
eher geeignet
Quelle: Studie „Der schwarze Schwan im Stresstest –
Liquiditätssteuerung in Banken“
halten große Banken die neuen Kennziffern häufiger für
effektiver (52 Prozent) als mittlere (29 Prozent) oder kleine Banken (19 Prozent).
Gleichfalls zurückhaltend fällt die Bewertung der neuen Kennziffern als Frühindikatoren für Liquiditätsengpässe aus. So geben 16 Prozent der Befragten an, LCR und
NSFR seien als Frühindikatoren überhaupt nicht geeignet,
und 50 Prozent, sie seien eher nicht geeignet. Nur 33 Prozent halten sie für eher geeignet. Auch in diesem Punkt
sind die Sparkassen optimistischer als andere Banken. 48
Prozent der Befragten dieser Gruppe schätzen die neuen
Kennziffern als sehr gut oder eher gut als Frühindikatoren
geeignet ein. Relativ pessimistisch sind die Kreditbanken
(21 Prozent).
Auf breite Kritik stoßen die neuen Vorgaben auch deshalb, weil sie den individuellen Erfordernissen der einzelnen Institute nicht gerecht werden – 82 Prozent der
Studienteilnehmer bemängeln dies. „Interne Modelle sind
flexibler als die standardisierten Vorgaben der Aufsicht.
Auch in Zukunft werden die Banken daher mit zwei Systemen arbeiten – eines für das Meldewesen und eines für
die interne Liquiditätssteuerung. So können Banken in
der Prognose unterschiedliche Szenarien berücksichtigen
– auch neue Risikophänomene im Finanzmarkt“, erläu-
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Projektentwurf liegt vor
(bis unter 10%)
in der Planung (0%)
4
2
Umsetzung weitgehend
abgeschlossen
(85% bis unter 100%)
20
22
Projekt
fortgeschritten
(50% bis unter 85%)
Projekt bereits
gestartet
(10% bis unter 50%)
Quelle: Studie „Der schwarze Schwan im Stresstest – Liquiditätssteuerung in Banken“
LCR und NSFR im Überblick
Die LCR misst, ob ein Kreditinstitut in einem definierten
Stressszenario über einen Zeitraum von mindestens 30
Tagen allen seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen
kann. Die Strukturkennziffer NSFR bewertet demgegenüber
die Stabilität der Refinanzierung der vorhandenen Akti­
va über einen Zeitraum von einem Jahr – ebenfalls unter
Stress. Damit soll sichergestellt sein, dass Banken ihre Ver­
mögenswerte in Abhängigkeit von deren Liquidierbarkeit
zumindest anteilig mit langfristig gesicherten, also stabilen
Mitteln refinanzieren und so weniger vom Interbankenmarkt
abhängig sind.
Zur Umsetzung der neuen Vorschriften in der Europäischen
Union erarbeitet die Kommission derzeit die „Richtlinie über
den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beauf­
sichtigung von Kreditinstituten“ (CRD IV). Ein erster Vor­
schlag dazu wurde im Juli 2011 veröffentlicht. Ab 1. Januar
2013 soll die Richtlinie in Kraft treten. Spätestens dann müs­
sen die europäischen Banken die neuen Kennzahlen LCR
und NSFR ermitteln und der Bankenaufsicht melden. Nach
einer zweijährigen Beobachtungsphase müssen die europä­
ischen Banken die LCR-Vorgaben ab 1. Januar 2015 erfüllen.
Demgegenüber wird die NSFR im EU-Raum zunächst nur als
Meldekennziffer eingeführt. Über ihre Verbindlichkeit soll
spätestens Ende 2016 entschieden werden.
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tert Marco Burk, Head of Financial Services bei Logica in
Deutschland.
Neue Prozesse notwendig
Bei der Umsetzung der neuen Kennziffern stoßen die Banken auf eine Reihe von Herausforderungen. In vielen Instituten gelten die Anbindung neuer Datenschnittstellen und
die Konsolidierung der IT-Infrastruktur als problematisch.
Zudem müssen viele Kreditinstitute ihre Prozessabläufe
ändern, da mehrere Bereiche wie Meldewesen, Risikocontrolling und Treasury involviert sind. Dies gilt vor allem
für die Kreditbanken sowie – in abgeschwächter Form
– für die Sparkassen. Eine knappe Mehrheit der Institute (57 Prozent) besitzt bereits die notwendigen Daten in
der erforderlichen Granularität zur Berechnung der neuen Kennziffern, und ebenfalls eine knappe Mehrheit (58
Prozent) hat einen gemeinsamen Datenpool für die Meldedaten und die interne Liquiditätssteuerung. Unter den
Banken, die noch nicht über einen gemeinsamen Datenpool verfügen, planen zwei Drittel, einen solchen bis 2014
einzurichten.
Auswirkungen haben die neuen Liquiditätsanforderungen auch auf die Portfolios der Kreditinstitute. Hier
wird es zu Umstrukturierungen und neuen Gewichtungen
kommen. Dabei bevorzugen die meisten Kreditinstitute
die Erhöhung der Liquiditätsreserven sowie die verstärkte
Hereinnahme von Spareinlagen und langfristigen Termin­
einlagen. So wollen 59 Prozent der Banken ihre Liquiditätsreserven durch Bargeld, Zentralbankreserven oder
Staatsanleihen (mit 0 Prozent Risikogewicht) aufstocken.
Darunter sind vor allem die Sparkassen (81 Prozent der
Befragten dieser Gruppe) und die Kreditbanken (64 Prozent). Knapp über die Hälfte der Banken plant, mehr Einlagen von Privat- und Geschäftskunden hereinzunehmen.
Jedes zweite Institut will verstärkt Termineinlagen mit
einer Laufzeit von mehr als einem Jahr akquirieren.
Veränderungen in den Portfolios
„Die neuen Vorgaben machen bestimmte Anlageklassen
für Banken besonders attraktiv, was neue Risiken mit
sich bringt. Das zeigt das Beispiel Privatkundeneinlagen:
Entbrennt ein Wettbewerb um Einlagen, wechseln Kun-
Negative Einschätzung
Kritikpunkte bei der Umsetzung von LCR und NSFR
Angaben in %
Bankspezifische Faktoren bleiben unberücksichtigt
82
Erhöhte Kosten aufgrund des Liquiditätsbedarfs
70
Kennziffern brücksichtigen keine systemischen Risiken
66
Zahlungsflüsse und Bestände, die nicht für die Kennziffern berücksichtigt
werden, können durch die Aufsicht nicht eingeschätzt werden
65
Berechnungen aus internen Risikomodellen dürfen
nicht (mehr) für die Meldung verwendet werden
Andere Aspekte
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Quelle: Studie „Der schwarze Schwan im Stresstest – Liquiditätssteuerung in Banken“
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den schneller ihre Bank, und die Anlageklasse verliert an
Stabilität“, befürchtet Logica-Experte Burk. Er empfiehlt:
„Um neue Risiken zu vermeiden, sollten Banken bei der
Restrukturierung ihrer Portfolios auf einen optimalen Mix
achten.“
44 Prozent der Institute beabsichtigen, ihren Bestand
an Schuldverschreibungen wie Pfandbriefen oder Unternehmensanleihen mit einem Rating schlechter als AA– zu
verringern. Knapp ein Drittel der Banken will den Bestand
an exotischen Anleihen verringern, um Risiken aus dem
Portfolio zu nehmen. Unter den seltener genannten Portfoliomaßnahmen finden sich eine restriktivere Vergabe kurzfristiger Kredite, die Erhöhung des Bestands an
Pensionsgeschäften und die verstärkte Hereinnahme von
Derivaten. Einzelne Banken wollen auch ihr langfristiges
Kreditgeschäft zurückfahren, und eine Bank gibt an, dass
sie Anleihen mit schlechtem Rating hereinnehmen wolle,
um die Renditeverluste durch hochwertige Staatsanleihen
auszugleichen.
Eine mögliche Stärkung des Liquiditätsrisikomanagements könnte durch Derivate erfolgen, die das Liquiditätsrisiko vollkommen abdecken, so die Studienautoren.
Solche Derivate gäbe es bislang zwar nicht. Denkbar
wäre jedoch eine Swap-Konstruktion, die den Tausch
von Gebühren- beziehungsweise Zinszahlungen gegen
eine Cash-Auszahlung zu einem festgelegten Zeitpunkt
vorsieht. 26 Prozent der befragten Banken schätzen dieses hypothetische Liquiditätsderivat als eine interessante
Option ein. 73 Prozent zeigen dagegen kein Interesse an
entsprechenden Wertpapieren.
Derivate für das Liquiditätsmanagement
Allerdings waren gerade Liquiditätsfazilitäten eine der
Ursachen der jüngsten Finanzkrise. So haben Banken
ihren langjährigen Partnern plötzlich nicht mehr vertraut
und in Aussicht gestellte Kreditlinien wieder zurückgezogen. Da Swaps im Interbankgeschäft wegen der schlechten Ratios in LCR und NSFR an Attraktivität verlieren,
stellt sich die Frage, wer alternativ als Geschäftspartner
in Frage käme. Banken sind wegen der Benachteiligung
bei den neuen Kennziffern nicht geeignet, Versicherungen
wegen Solvency II ebenfalls nicht. Es bleiben nur Privatunternehmen und Privatpersonen. Margaretha Hamm
Service:
Die Studie „Der schwarze Schwan im Stresstest − Liquiditäts­
steuerung in Banken“ kann auf www.logica.de. bestellt werden.
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Handlungsempfehlungen
Um die neuen Anforderungen zügig umzusetzen empfehlen die Auto­
ren der Studie „Der schwarze Schwan im Stresstest“, den Banken
einige Maßnahmen:
u Datenqualität prüfen: Der Datenhaushalt sollte frühzeitig darauf­
hin überprüft werden, ob die notwendigen Daten zur Berechnung
von LCR und NSFR vorhanden sind. Mangelt es an der notwen­
digen Granularität, können für die ersten Berechnungen auch
Näherungswerte eingesetzt werden.
u Projektplanung starten: Falls noch kein Projekt für die Umset­
zung der Kennziffern gestartet worden ist, müssen die fachlichen
Anforderungen für den Projektplan sobald wie möglich erhoben
werden. Eine Kosten-Nutzen-Funktion hilft dabei, den Aufwand zu
minimieren.
u Taktische und strategische Projektphase planen: Es empfiehlt
sich, die Projektumsetzung in eine taktische und eine strategische
Phase zu unterteilen. Die taktische Phase sollte erste manuelle
oder teilautomatisierte Berechnungen der Kennziffern, eine Ana­
lyse des Verhältnisses von Aktiva zu Passiva, erste Eingriffe in die
Liquiditätssteuerung und die Definition des neuen Liquiditätspuf­
fers umfassen. Diese Berechnungen und Analysen müssen dann
in die operativen Geschäftsprozesse integriert werden. Die daran
anschließende strategische Phase sollte dem Aufbau eines inte­
grierten Datenpools für das externe Meldewesen und die inter­
ne Liquiditätssteuerung sowie Anpassungen im Portfolio und im
Geschäftsmodell dienen.
u Prozesse optimieren: Langfristig sollten eine Vereinfachung der
Geschäftsprozesse sowie eine Konsolidierung der Datenhaus­
halte erwogen werden. Idealerweise existiert am Ende nur noch
eine Datenbasis für die Messung, Steuerung, Planung und für das
Reporting im Liquiditätsmanagement.
u Monitoring-Tools vorbereiten: Für die von der Aufsicht geforder­
ten Monitoring-Tools sind die finalen Anforderungen bezüglich
Meldeumfang, -format und -zyklus noch unbekannt. Dennoch soll­
te anhand der vom Baseler Ausschuss bereits veröffentlichten
Vorgaben geprüft werden, ob die notwendigen Daten vorhanden
sind. Zu entscheiden ist, ob die Daten dauerhaft manuell oder
automatisiert erstellt werden sollen beziehungsweise ob sie als
Nebenprodukt aus anderen Berechnungen anfallen.
u Zur Sicherheit Prognosen durchführen: Es empfiehlt sich, Pro­
gnosetools für LCR und NSFR einzusetzen, um die Entwicklung
der Kennziffern in unterschiedlichen Geschäftsbedingungen zu
testen. Hierfür bieten sich sowohl Stand-alone-Lösungen (ExcelTools) als auch integrierte Tools aus vorhandener Banksoftware
an. Bei der Prognose sollten auch extreme Szenarien berücksich­
tigt werden.
u Ganzheitlich denken: Die NSFR sollte bei der LCR-Optimierung
nicht aus dem Blick geraten, auch wenn die rechtliche Umsetzung
dieser Kennzahl noch ungewiss ist. Portfolioveränderung zuguns­
ten der LCR können sich negativ auf die NSFR auswirken. Die
Banken sollten bei ihren Umsetzungsprojekten Risikocontrolling,
Meldewesen, Treasury, Rechnungswesen und – als Schnittstelle
zum Kunden – den Vertrieb mit ins Boot holen.
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