Jan Ullrich ist Hummelsbütteler
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Jan Ullrich ist Hummelsbütteler
Tour de France-Sieger Jan Ullrich hat seinen ersten Wohnsitz in Hummelsbüttel Unser Goldjunge aus dem Alstertal Jan Ullrich, „der Merdinger“, ist in Wirklichkeit „der Hummelsbüttler“. Im Susebekweg hat er immer noch seinen ersten Wohnsitz. „Ich krieg' immer noch seine ganze Post“, erklärt Robert Karrasch, ein alter Freund Jan Ullrichs. Der Tour de France-Sieger fühlt sich in Hummelsbüttel sehr wohl. Wann immer er es einrichten kann, kehrt er hierhin zurück. Das Haus im Susebekweg, in dem er von 1993 bis 1995 lebte, wird immer noch von Mitgliedern der Radsportgemeinschaft Hamburg (RGH) bewohnt. Es dient als Treffpunkt für das Training der RGH. Für diesen Verein fuhr Ullrich in der Bundesliga. Noch heute ist er mit ganzem Herz bei der RGH, in der er inzwischen Ehrenmitglied ist, und lässt nach Möglichkeit keine Jahreshauptversammlung des Vereins aus. Die zehn Mann umfasende Bundesligamannschaft der RGH wurde von „Ossis“ dominiert - auch der Trainer Peter Becker kam aus dem Osten. „Die Wessis hatten Schwierigkeiten, sich an die harten Trainingsbedingungen zu gewöhnen. Deswegen sind auch nur zwei übriggeblieben“, erklärt Robert Karrasch, der mit Ullrich im Susebekweg zusammen wohnte. „Wenn Jan Ullrich in Hamburg geboren worden wäre, hätte er garantiert die Tour die France nicht gewonnen“ „Das Besondere am Sport in der DDR war die Nachwuchsförderung. Wenn Jan Ullrich in Hamburg geboren wäre, hätte er garantiert die Tour de France nicht gewonnen.“ Karrasch beklagt die lange Zeit mangelnde Resonanz für den Radsport in Hamburg: „Die guten Bundesligamannschaften kommen aus dem Süden. In Hamburg interessieren sich alle nur für den bescheuerten Fußball.“ Von Ullrichs früherer Radsport-WG im Susebekweg sind nur noch Robert Karrasch und André Korff übriggeblieben. Nachdem es 1995 nicht gelungen war, einen Sponsor zu finden, mußte sich die Bundesligamannschaft auflösen. Als Folge zerstreute sich auch die Radler-WG. Für Jan Ullrich ist es eine Erholung, immer mal wieder in den Susebekweg zu seinen alten Freunden zurückzukehren. Besonders mit André Korff, den er schon seit zwölf Jahren kennt, verbindet ihn eine tiefe Freundschaft. Das letzte Mal wohnte er dort am Wochenende, an dem die Cyclassics ausgetragen wurden. Allerdings hatte er seine inzwischen kometenhaft angewachsene Medienbedeutung unterschätzt. Selbst zum kleinen Training am Sonnabend vor dem Rennen wurde er vor der Haustür von einem Aufgebot von Journalisten abgefangen. Dazu Robert Karrasch: „Der große Rummel störte ihn. Er wollte einfach mit uns Rad fahren. Er dachte, dass er in Hummelsbüttel ein wenig Ruhe hätte.“ Der ehemalige Weggefährte Jan Ullrichs erklärt: „Im Süden ist der Radsport die große Mode. Alle sind begeistert vom Fahrrdsport. Jan wunderte sich, dass die kühlen Hamburger inzwischen auch so radsportverrrückt geworden sind.“ „Der große Rummel störte ihn“ Robert Karrasch weiß, dass Jan Ullrich die viele Aufmerksamkeit für seine Person überhaupt nicht behagt: „Ich glaube, es kommt für ihn sehr darauf an, daß er sich auf öffentliche Termine einstellen kann. Er ist besonders genervt, wenn er damit überrascht wird wie am Sonnabend vor dem Rennen in Hamburg.“ Ullrich ist inzwischen zwar in einer ganz anderen Leistungsklasse als seine alten Radsport-Kameraden, beim Training halten sie aber immer noch mit, betont Robert Karrasch. „Beim Training fahren wir einen gemächlichen Schnitt von 30 Km/h. Nur gelegentlich fährt man einige Kilometer mit 40 bis 50 km/h.“ Wie üblich fuhren die alten Teamgefährten auf der Glashütter Landstraße nach Norderstedt, um dann in Richtung Segeberg weiterzuradeln. „Beim Training fahren wir meist eine Standardstrecke. Wir kümmern uns gar nicht genau darum, wohin es geht. Wir orientieren uns einfach an den Himmelsrichtungen. Bis jetzt sind wir noch jedes Mal nach Hause gekommen.“ „Wir haben uns nett unterhalten; so ein Training von bis zu 180 Kilometern ist normalerweise sehr langweilig und dauert lange.“ Jan sagte seinen Freunden schon vorher, daß er bei der Köhlbrandbrücke angreifen würde. Er wußte, daß diese Anhebung vielen schwer fallen würde. Nach Auskunft seines Freundes wird Jan Ullrich wahrscheinlich auch im nächsten Jahr bei den Cyclassics starten. Das hängt allerdings auch von seinen Terminen im nächsten Jahr und davon ab, ob die Cyclassics ein Welt-Cup Rennen werden. Robert Karrasch ist der Meinung, daß sich Jan Ullrich gegenüber der Zeit, als er noch nicht so berühmt war, kaum verändert hat. Allerdings: „Früher war er ein richtiges kleines Kind. Jetzt ist er erwachsen geworden, auch wenn er immer noch sehr viel für Albernheiten über hat.“ Die größten Veränderungen an Jan Ullrich hat Robert Karrasch bei seinen Eßgewohnheiten festgestellt. Früher habe Ullrich gegessen, was er wollte. „Jetzt paßt er sehr bei seiner Ernährung auf. Man merkt, daß er sich über solche Dinge viel Gedanken macht. Er trinkt viel Wasser und ißt viel Obst.“ Robert Karrasch erzählt, daß Jan Ullrich nach der Tour des vergangenen Jahres richtig dick wurde. Er hatte mit dem Abspecken über Winter große Schwierigkeiten. Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die Radsportler während der Tour haufenweise Kohlenhydrate zu sich nehmen. Im Winter fahren die Rennfahrer manchmal auch mit Moutainbikes an der Alster. „Allerdings sind dann immer die Omas ganz genervt, weil wir so schnell fahren“, erklärt Karrasch. Wenn einem im Winter an der Alster ein rasender Mountainbiker entgegenkommt, könnte es Jan Ullrich sein. Alstertal Magazin, 8/1997 (30.8.1997), S.43