Ausgabe 1 / 2007 (PDF/2990kB)
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Paktue KKP KKPaktuell Ausgabe 01/2007 FÖRDERPROGRAMM FÖRDERVEREINE GEWALTPRÄVENTION KINDER- UND JUGENDKRIMINALITÄT FACHTAG KKP MEDIENKOMPETENZ SUCHTPRÄVENTION Inhalt 03 GASTKOMMENTAR IMPRESSUM 03 SUCHTPROPHYLAXE IN BADEN-WÜRTTEMBERG – KKPaktuell, Ausgabe 1/2007 EIN BEISPIEL FÜR VERNETZTES ARBEITEN HERAUSGEBER Landeskriminalamt Baden-Württemberg Taubenheimstraße 85 70372 Stuttgart Telefon 0711 5401-0 04 FÖRDERPROGRAMME 04 EINE MILLION EURO GEGEN GEWALT, SUCHT UND VERKEHRSUNFALLPRÄVENTION 06 FÖRDERVEREINE 06 PRÄVENTION BRAUCHT PARTNER 08 WER SICHER LEBT, HAT LÄNGER SPASS 10 GEWALTPRÄVENTION 10 „WARUM KÄMPFT MAX GEGEN IGOR UND IGOR GEGEN MUSTAFA“ 12 BÜCHER-TIPPS Harald Schaber (verantwortlich) Dr. Monika Toman-Banke Elisabeth Jacobi 14 KINDER- UND JUGENDKRIMINALITÄT GESCHÄFTSSTELLE 14 MIGRANTEN SIND AUF DER VERLIERERSEITE 17 FRANK´S LESETIPPS 18 KOMMUNALE KRIMINALPRÄVENTION Telefon Fax E-Mail Internet 18 VIER THESEN ZUR KKP UND VIELE ERKENNTNISSE REDAKTION 0711 5401-2496 0711 5401-3455 [email protected] www.polizei-bw.de LAYOUT UND GESTALTUNG Liane Köhnlein Diplom Designerin (FH) Landeskriminalamt Baden-Württemberg Telefon 0711 5401-2026 20 MEDIENKOMPETENZ 20 FACHTAG „GEWALTIGES MEDIENANGEBOT“ IN SCHWÄBISCH GMÜND 20 MEDIEN IM FADENKREUZ DER PRÄVENTION 22 SPIELER SIND LÄNGST KEINE RANDGRUPPEN MEHR 26 ALLES ÜBER KWICK.DE 28 AUFSPRINGEN AUF DEN ZUG DES FORTSCHRITTS 30 HANDY IST BESTANDTEIL DES ALLTAGS DRUCK 32 SUCHTPRÄVENTION Henkel GmbH Druckerei, Stuttgart 32 STATT ALKOHOLEXZESSEN BALLKULTUR 33 NEUER INTERNET-AUFTRITT WWW.BLEIB-KLAR.DE 34 „MAN BRAUCHT EIN GANZES DORF, UM EIN KIND ZU ERZIEHEN“ 36 VORBILDLICHE STRATEGIE ZUR SUCHTVORBEUGUNG 40 2 TIPPS November 2007 © Landeskriminalamt Baden-Württemberg BEAUFTRAGTER FÜR SUCHTPROPHY- DIPLOM-VERWALTUNGSWISSEN- LAXE IM OSTALBKREIS UND OBMANN SCHAFTLER DER ARBEITSGEMEINSCHAFT BEIM GASTKOMMENTAR BERTHOLD WEISS, LANDKREISTAG BADEN-WÜRTTEMBERG Suchtprophylaxe in Baden-Württemberg – ein Beispiel für vernetztes Arbeiten xe hat es nicht leicht. Baden-Württemberg. Was nichts zu tun hat mit einer vermeintlich „falschen“ Politik bei Land, Kommune oder auch den Verbänden. Oder dem Geld, welches - wie für alle wichtigen Aufgaben - natürlich auch für die Suchtprophylaxe nicht in der angemessenen Menge zur Verfügung steht. Es geht vielmehr um die Sache selbst: Die Sucht und ihre Stoffe. Während sich bei der Zahnprophylaxe die Erkenntnis durchgesetzt hat, mit dem Vorbeugen bereits dann zu beginnen, wenn noch gar kein Zahn vorhanden ist, sind bei der Suchtprophylaxe noch immer zu viele Akteure der festen Überzeugung, es genüge, erst dann zu reagieren, wenn „ein Vorfall“ in der Familie, dem Betrieb oder der Schule vorliegt. Dass es dann nicht mehr um Prävention geht, sondern schon um Intervention, ist hierbei den Wenigsten bewusst. und - zu allem Überfluss – hauptberufliche Miesmacher seien. Das Achtel Rotwein, das frisch gezapfte Pils oder – wenn es denn sein muss – sogar die „Kanzler“-Zigarre würde einem noch schlecht geredet, erfährt man immer wieder. Dies sind nur einige der Gründe, welche es der Suchtprophylaxe nach wie vor schwer machen, in allen notwendigen Arbeitsfeldern Fuß zu fassen. Dabei hat sich die Suchtprophylaxe in Baden-Württemberg bereits seit Anfang der 1990er-Jahre ziemlich schnell auf der Grundlage eines schriftlichen Konzeptes von diesen in der Tat „abschreckenden“ Beispielen distanziert und die Suchtprävention auf eine moderne, ursachenorientierte Basis gestellt. Welche im Übrigen nach wie vor Bestand hat, auch wenn immer wieder Schlagzeilen oder Veranstaltungstitel wie „Neue Wege in der Prävention“ das Gegenteil suggerieren wollen. Ziel dieser ganzheitlich orientierten Suchtprophylaxe in Baden-Württemberg war und ist es, dieses Thema als eine Aufgabe für alle zu definieren, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Eltern und Familien sind hier selbstverständlich die ersten und wichtigsten Adressaten. Aufgrund der hohen pädagogischen Kompetenz, des großen Erreichungsgrades und der relativ langen Verweildauer sind natürlich aber auch Kindertageseinrichtungen und Schulen von größter Bedeutung für die Umsetzung einer ursachenorientierten Prävention. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass viele der aktuell Handelnden durch „Drogenprävention“ in ihrer eigenen Schulzeit in den 1970-er oder 80er-Jahren zu der Auffassung gelangt sind, dass diese Abschreckungsoder Informationsveranstaltungen, die insbesondere zu illegalen Drogen, aber auch zu Nikotin und Alkohol durchgeführt wurden, nicht der Weisheit letzter Schluss sein können. Selbstverständlich herrscht auch immer noch das Vorurteil, dass die Akteure in der Suchtprophylaxe notorische 1 Kern der konzeptionellen Vorstellungen ist deshalb der Multiplikatorenansatz. Suchtprävention, welche das Ziel hat, „Kinder stark zu machen“, kann nicht von einigen wenigen Präventionsfachkräften bei der eigentlichen Zielgruppe umgesetzt werden, sondern muss im Alltag von Kindern und Jugendlichen in den Settings Familie, Kindergarten, Schule, Jugendarbeit und Weiteren umgesetzt werden. Demzufolge ist Hauptaufgabe der bei den Stadt- und Landkreisen angestellten Beauftragten für Suchtprophylaxe die Organisation eines „Kommunalen Netzwerkes zur Suchtprävention“, welches eben diese Settings in unterschiedlichen Arbeitsgruppen erreicht und fähig ist, die dortigen Akteure mit dem notwendigen Handwerkszeug zu versehen. Dass Pädagogik zwar viel, aber doch nicht alles ist, ist für die kommunale Suchtprävention Kern der konzeptionellen Vorgehensweise. Neben der verhaltensbezogenen Prävention wird der an Strukturen ansetzenden Verhältnisprävention seit vielen Jahren ein großes Augenmerk beigemessen. Wie richtig diese Schwerpunktsetzung war, wird immer wieder durch die Ergebnisse der Präventionsforschung bestätigt1. Und zu einem „Netzwerk Suchtprävention“ gehört natürlich auch, alle Akteure vor Ort in dieses so z. B. durch die „Expertise zur Prävention des Substanzmissbrauchs“ des IFT München, BZGA, 2006 INHALT GASTKOMMENTAR 3 NEUES LANDESPROGRAMM FÖRDERT 86 KRIMINALPRÄVENTIVE MODELLPROJEKTE Eine Million Euro gegen amtkonzept einzubinden. Späens hier wird deutlich, weshalb uftragte für Suchtprophylaxe ausgesprochen große Nähe zur mmunalen Kriminalprävention ha– und dies nicht erst, seit deren chäftsführung im Rahmen der waltungsreform des Landes Badenrttemberg auf die Stadt- und Landkreise übergegangen ist und in nicht wenigen Fällen von den Beauftragten ausgeübt wird. Als Beleg für den Erfolg des baden-württembergischen Modells mag die Tatsache dienen, dass bei den bislang drei durchgeführten Wettbewerben zur kommunalen Suchtprävention des Bundesministeriums für Gesundheit in der Kategorie „Landkreise“ Baden-Württemberg immer eine hervorragende Stelle eingenommen hat. Beim Wettbewerb 2006 „Kommunale Alkoholprävention“ etwa stellte Baden-Württemberg drei der vier Preisträger. Bleibt zu hoffen, dass sich die Suchtprophylaxe in BadenWürttemberg durch die angedachte Fortschreibung des Gesamtkonzepts oder eine noch engere Kooperation im Rahmen der Kommunalen Kriminalprävention nochmals eine Stufe weiterentwickelt und es dadurch vielleicht erreichen kann, die eingangs erwähnten Vorurteile am Ende doch noch zu überwinden. Die Landesstiftung Baden-Württemberg gGmbH stellt in den Jahren 2007 und 2008 eine Million Euro für das Förderprogramm Kriminalpräventive Modellprojekte (KPM) zur Verfügung. Schwerpunkte sind zum einen die brennpunktorientierte Gewaltprävention in Städten, Gemeinden und Landkreisen bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund, zum anderen die Förderung der Vernetzung von Verkehrssicherheit und Kriminalprävention. Mit dem neuen Förderprogramm setzen die Landesstiftung und das Innenministerium Baden-Württemberg ihre erfolgreiche Kooperation fort. „Wir dürfen nicht zusehen, wie junge Menschen in Kriminalität, Gewalt und Sucht abgleiten“, sagte BadenWürttembergs Innenminister, Heribert Rech, bei der Vorstellung des Förderprogramms im Juli. Dass hier Handlungsbedarf bestehe, zeige die Polizeiliche Kriminalstatistik, so Rech und nannte einige Erkenntnisse. Trotz eines leichten Rückgangs im Jahr 2006 bewege sich die Gewaltkriminalität auf hohem Niveau. Auffällig seien dabei junge Menschen mit Migrationshintergrund. Bezogen auf 100.000 Einwohner würden nichtdeutsche Jungtäter nahezu doppelt so häufig kriminell wie deutsche Jugendliche. Die Polizei gehe gegen diese Gewalt mit konsequenter Strafverfolgung und Präsenz vor. Das allein reiche aber nicht, sagte Rech weiter. Deswegen setze das Förderprogramm hier an, um gezielt und gemeinsam mit weiteren Akteuren alle Kräfte zu bündeln und auffälligen Jugendlichen Alternativen zu bieten. „Sinnvolle Freizeitbeschäftigungen, Einbindung in Vereine oder – noch besser – die Integration in den Arbeitsmarkt sind wesentliche Schutzfaktoren gegen Kriminalität“, so der Innenminister. Mit der Förderung von 50 der eingereichten 85 Projekte zur (Gruppen-) Gewaltprävention mit einem Gesamtvolumen von 550.000 Euro sollen junge Migranten zielgruppengerecht angesprochen werden. Maßnahmen seien dabei die Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen oder die Integration von Jugendlichen in die soziale Stadtteilarbeit. Vorrangig würden Projekte an Brennpunkten gefördert, die bei bereits auffälligen jungen Migranten ansetzen. Zweiter Schwerpunkt der Förderung sei die engmaschige Vernetzung von Verkehrssicherheitsarbeit und Kriminal- 4 GEMEINNÜTZIGE INNOVATIVE MODELL- KEHRS- UND KRIMINALPRÄVENTION PROJEKTE, ÜBERTRAGBAR AUF ANDERE FÖRDERPROGRAMM ENGMASCHIGE VERNETZUNG VON VER- ÖRTLICHE BRENNPUNKTE Gewalt, Sucht und Verkehrsunfallprävention prävention. 20,5 Prozent der 2006 im Straßenverkehr tödlich Verunglückten seien junge Fahrer gewesen. Jeder siebte Unfall der jungen Fahrer wäre auf Alkoholkonsum zurückzuführen. Rech: „Wer sich im Straßenverkehr über die Regeln hinwegsetzt, fällt oft auch mit anderen Straftaten auf.“ Deshalb gelte es, diese Zusammenhänge noch stärker zu berücksichtigen und entsprechende Präventionsprojekte aufzulegen. Auf der Suche nach Action und dem besonderen Kick seien junge Fahrer aufgrund ihres rücksichtslosen Verhaltens ein hohes Sicherheitsrisiko sowohl im Straßenverkehr, als auch in Bezug auf Gewalt und dem Missbrauch von Alkohol und Drogen, so Rech. Aus diesem Grund käme der vernetzten Präventionsarbeit eine besondere Bedeutung zu. Mit 450.000 Euro würden 36 von 72 eingereichten Projekten gefördert, die das Abgleiten von Kindern und Jugendlichen in die Alkohol- oder Drogenabhängigkeit verhindern und die Zahl der unter Alkoholeinfluss verursachten Verkehrsunfälle und Gewalttaten verringern sollen. mit Moscheevereinen, die Kooperation mit Handwerks- und Werkbetrieben, um den Einstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern, und mit Vereinen, um besser auf das Freizeitverhalten einwirken zu können. Vor allem erfolgte eine stärkere Fokussierung auf Rädelsführer und tatsächlich auffällige Jugendliche mit Migrationshintergrund. DIFFERENZIERTE AUSWAHLKRITERIEN NACHHALTIGKEIT UND QUALITÄTSSICHERUNG Aus 157 Projektanträgen hatte die Jury unter Vorsitz des Innenministeriums 86 gemeinnützige Projekte für die Förderung ausgewählt. Kriterien waren dabei, dass es sich um innovative Modellprojekte handelt, die neue Akzente setzen und die auch auf andere örtliche Brennpunkte übertragen werden können, wie bereits in der Ausschreibung Anfang des Jahres deutlich gemacht wurde.„Um den konkreten Bezug zur polizeilichen Prävention (Verkehrsunfall- und Kriminalprävention) zu gewährleisten – und auch eine Abgrenzung zu sonstigen Förderprogrammen im sozialen Bereich zu erreichen – sollen grundsätzlich nur solche Vorhaben gefördert werden, an denen die Polizei mitwirkt oder zumindest konzeptionell beteiligt ist“, hieß es in der Ausschreibung weiter. Wichtig waren auch die Anzahl und vor allem die Einbindung neuer Kooperationspartner. Besondere Fördervoraussetzungen mussten die Antragsteller für die einzelnen Schwerpunkte erfüllen. Für die Arbeit mit auffällig gewordenen Jugendlichen mit Migrationshintergrund wurden in den Projekten bestimmte Aspekte verfolgt wie zum Beispiel die stärkere Einbindung der Eltern und ihrer Erziehungsverantwortung, ein verstärktes Ansetzen im außerschulischen Bereich, eine intensivere Einbindung der Jugendmigrationsdienste, die Zusammenarbeit Da die Förderung durch die Landesstiftung als Anschubfinanzierung und Impulsgebung verstanden wird, und nicht zu hundert Prozent erfolgt, legte die Jury besonderen Wert auf die Nachhaltigkeit sowie auf Fortsetzungsperspektiven innerhalb der Vorhaben. Mit Blick auf die notwendige Qualitätssicherung kommt der Evaluation der Präventionsprojekte zudem eine zentrale Bedeutung zu. Das gilt insbesondere für den Einsatz von Ressourcen, der eng orientiert an der beabsichtigten Wirkung erfolgen muss. Förderfähig waren deshalb ausschließlich Projekte, die nach den wissenschaftlich anerkannten, systematisch-methodischen Standards der Arbeitshilfe „Qualitätssicherung polizeilicher Präventionsprojekte“ konzipiert und prozessevaluiert werden. Zudem sind die Projektträger verpflichtet, Halbjahres- sowie umfassende Abschlussberichte zu verfassen und Material zur Verfügung zu stellen. Aus dem Regierungsbezirk Stuttgart werden 33, aus dem Regierungsbezirk Karlsruhe 21 Projekte gefördert. Die Regierungsbezirke Freiburg und Tübingen erhalten Fördermittel für jeweils 15 Projekte. Zudem werden zwei landesweit übergreifende Initiativen unterstützt. KKPaktuell wird in den kommenden Ausgaben weiter berichten. Auch für Projekte innerhalb der Verkehrsunfallprävention legte das Innenministerium besondere Förderrichtlinien fest. Weil häufig eine Korrelation zwischen allgemeiner Delinquenz und verkehrsgefährdendem Verhalten besteht, sollten entsprechende Projekte ganzheitlich angelegt sein und der angestrebten Vernetzung der beiden Präventionsfelder Rechnung tragen. Die Zielgruppe selbst und Erziehungsberechtigte sollen innerhalb der Projekte aktiv werden können, um die Eigenverantwortung zu stärken. Als Kooperationspartner kamen vor allem Partnerorganisationen von „GIB ACHT im Verkehr“ in Betracht, dazu Vereine und Organisationen im außerschulischen Bereich. GASTKOMMENTAR EINE MILLION EURO GEGEN GEWALT, SUCHT UND VERKEHRSUNFALLPRÄVENTION 5 RÜCKBLICK: IM JULI 1996 WURDE DIE 1. FÖRDERVEREIN ZUR KRIMINALITÄTS- INITIATIVE SICHERER LANDKREIS REMS- VERHÜTUNG IN BADEN-WÜRTTEMBERG MURR E. V. GEGRÜNDET Prävention braucht Partner Markt der Möglichkeiten Festvortrag von Landespolizeipräsident Hetger SEIT 10 JAHREN GIBT ES DIE INITIATIVE SICHERER LANDKREIS IN WAIBLINGEN Im vergangenen November feierte die Initiative Sicherer Landkreis RemsMurr e. V. ihr 10jähriges Bestehen – mit einer Premiere: dem ersten Präventionsfachtag in Waiblingen. Zum Programm gehörten Fachforen, Filmvorführungen und ein Markt der Möglichkeiten mit 29 Anbietern. „Prävention braucht Partner – sie kann von niemandem allein geleistet werden“, betonte Landespolizeipräsident Hetger in seiner Festrede. „Nur wenn sich die Verantwortlichen aus Kommune, Wirtschaft, Schulen, Vereinen, Bevölkerung und Polizei zusammensetzen, um gemeinsam unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehender Ressourcen örtliche Probleme aufzugreifen und die Aktivitäten möglichst vieler Personen und Institutionen auf kommunaler Ebene dauerhaft und systematisch zu bündeln, entsteht mit Kommunaler Kommunalprävention ein lebendiges, funktionierendes Netzwerk für mehr Sicherheit, von dem alle etwas haben....“. Auf Initiative des ehemaligen Leiters der Polizeidirektion Waiblingen, Direktor der Bereitschaftspolizei a. D. 6 Alfred Götz, haben sich im Juli 1996 unter anderem Bürgermeister der Kommunen im Landkreis, Firmeninhaber, Richter, und Vertreter der Polizeidirektion Waiblingen zusammengesetzt und die Initiative Sicherer Landkreis Rems-Murr e.V. gegründet. Es war der erste bürgerschaftliche, gemeinnützige Förderverein zur Kriminalitätsverhütung in BadenWürttemberg. Seither ist die Anzahl der Mitglieder auf 115 angestiegen und jährlich werden Projekte mit dem Schwerpunkt häusliche Gewalt, Drogen- und Jugendprävention in Höhe von rund 45.000 Euro gefördert. Der Landespolizeipräsident würdigte in seiner Rede die Leistungen aller Beteiligten im Rems-Murr-Kreis. Er hob hervor, dass Prävention vor Ort ansetzen sollte und nicht schablonenartig vorgegeben werden kann. Kein Korsett, sondern eine maßgeschneiderte Prävention sollte das Ziel sein. Wie facettenreich Kriminalprävention sein kann, zeigten 29 Partner auf dem AUSBLICK: AUCH FÜR DIE ZUKUNFT FÖRDERVEREINE ZEICHNET SCH DEUTLICHER HAND- Vorstellung des Stalking-Films durch den Leiter der Polizeidirektion Ralf Michelfelder LUNGSBEDARF AB Stand der ISL im Markt der Möglichkeiten Markt der Möglichkeiten. Eine Vielzahl der geförderten Projekte konnte der Förderverein vorstellen. Zudem warben Schulen für ihr Engagement: „Schule ohne Rassismus“, „Soziales Lernen“, „Streitschlichter“ hießen hier die Projekttitel. Vertreten waren auch die Lokale Agenda, Caritas, Diakonie, der Weiße Ring, das Landratsamt, das Landeskriminalamt und die Polizeidirektion Waiblingen. Weitere Themenfelder waren Kinder und häusliche Gewalt, Suchtberatung, Drogen- und Gewaltprävention, sexueller Missbrauch und Opferhilfe. Foren, Fachvorträge und Filmvorführungen boten darüber hinaus die Möglichkeit, sich mit weiteren Aspekten der Kriminalprävention (zum Beispiel Opferberatung, aktuelle Situation und neue Wege in der Prävention, Prävention als fester Bestandteil des Unterrichts) auseinander zu setzen. Die ISL präsentierte ihren neuen Stalking-Film zum ersten Mal. Dieser Film wurde inzwischen landesweit an alle Polizeidienststellen verteilt. Externe Organisationen können ihn gegen eine Schutzgebühr von 10 Euro bei der ISL erwerben. Ihre Aufgabenstellung und Zielsetzung bleibt jedoch weiterhin bestehen, wie das Präsidium des Vereins in seinem Grußwort zum Präventionsfachtag schreibt: „Schwindendes Unrechtsbewusstsein, zunehmende Drogen- und Suchtprobleme, Beschaffungs- und Bandenkriminalität, steigende Aggressionsbereitschaft, Wegsehen statt Hinsehen, geringe Bereitschaft, als Zeuge zur Verfügung zu stehen, zeigen einen deutlichen Handlungsbedarf auf. Daraus resultieren unsere Ziele, wie zum Beispiel die Stärkung des Bürgersinns, Förderung der Hilfe zur Selbsthilfe/Nachbarschaftshilfe, Initiierung und Unterstützung von Aktionen zur Kriminalitätsverhütung, Betonung der Grundwerte des sozialen Zusammenlebens“. WEITERE INFORMATIONEN ZUM FÖRDERVEREIN Initiative Sicherer Landkreis Rems-Murr e.V. Geschäftstelle Telefon 07151 9816466 Fax 07151 9816602 E-Mail [email protected] Internet www.isl-rmk.de WEITERE INFORMATIONEN ZUM PRÄVENTIONSFACHTAG Polizeidirektion Waiblingen Leo Keidel Telefon 07151 9816292 Fax 07151 50285972 E-Mail praevention-wn@ polizei.bwl.de Internet www. haus-der-praevention.de Die Initiative Sicherer Landkreis hat innerhalb von zehn Jahren viel erreicht. PRÄVENTION BRAUCHT PARTNER 7 Wer sicher lebt, hat länger Spaß NEUER FÖRDERVEREIN KRIMINAL- UND VERKEHRSPRÄVENTION IM LANDKREIS REUTLINGEN Reutlingen. „Denk mit. Denk weiter!“ Der Daumen zeigt im neuen Vereins- 87 Mitglieder hat der Förderverein für Kriminal- und Verkehrsprävention im Landkreis schon, darunter einige Unternehmen. Auch alle Gemeinden im Landkreis und selbst die Industrie- und Handelskammer sowie die Handwerkskammer haben sich dem Förderverein angeschlossen, berichtet Kriminalhauptkommissar Horst Vöhringer nicht ohne Stolz. Der Leiter der Prävention bei der Polizeidirektion Reutlingen gehört zu den fünf Beisitzern des Vorstands. Er hatte zusammen mit Polizeidirektor Franz Lutz die Idee, im Landkreis ein Netzwerk aufzubauen, um Initiativen der Kriminal- und Verkehrsprävention zu bündeln. Beide fanden mit dem Landkreis Reutlingen einen wichtigen Partner und in Landrat Dr. Thomas Reumann einen Verbündeten. Zwar sei Reutlingen die sicherste Großstadt in Baden-Württemberg und auch der Landkreis sei im Hinblick auf Sicherheit im oberen Drittel zu finden, „aber auch der Landkreis Reutlingen sei keine Insel der Glückseligen“, wie 8 INTEGRATION logo nach oben. Wenn es nach den Gründungsmitgliedern geht, sollen möglichst viele Daumen im Förderverein Kriminal- und Verkehrsprävention im Landkreis Reutlingen nach oben zeigen. Seit der Gründung des Vereins im Dezember 2006 wurde schon kräftig die Werbetrommel gerührt, aber noch lange nicht genug. Öffentlichkeitsarbeit ist daher ein Schwerpunkt in der künftgen Arbeit. in der Pressemitteilung des Vereins zu lesen war. Bei 12 von 17 tödlichen Verkehrsunfällen waren 2006 Raserei und Alkohol die Ursache, 119 Mal wurden Jugendliche und junge Erwachsene mit Alkoholvergiftungen ins Krankenhaus gebracht. Außerdem sei ein leichter aber konstanter Anstieg bei der Gewaltkriminalität zu verzeichnen. Landkreis, die Förderung der Fort- und Weiterbildung von Personen, Organisationen und Institutionen, die im Bereich der Kriminal- und Verkehrsprävention arbeiten, Modellprojekte und Entwicklungen auf dem Gebiet der Kriminal- und Verkehrsprävention, Förderung des ehrenamtlichen Engagements in diesem Bereich und Auszeichnung von Bürgern, die sich bei der Aufklärung von Straftaten oder um die Einhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit besonders verdient gemacht haben. AUFKLÄRUNG, FÖRDERUNG, UNTERSTÜTZUNG „Vereinszweck ist die Förderung von Initiativen der Kriminal- und Verkehrsprävention...“, heißt es in der Vereinssatzung. Zu den dort aufgenommenen Zielen gehören die Aufklärung der Bevölkerung vor Kriminalität und Unfallgefahren im Straßenverkehr, die Förderung von Forschungsvorhaben im Bereich der Kriminal- und Verkehrsprävention im Landkreis, die Unterstützung entsprechender Initiativen vor allem zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und älteren Mitbürgern, die Unterstützung brennpunkt- und lageorientierter Präventionsprojekte im Finanziert werden die Projekte durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Bußgelder. Einzelpersonen bezahlen einen Jahresbeitrag von 25 Euro, die Mitgliedssumme für Gemeinden richtet sich nach ihrer Größe, und Firmen legen selbst fest, wie viel sie bezahlen möchten. Zwischen 50 und 500 Euro lauten die Richtgrößen. Auch Bußgelder, die von den Gerichten bisher an die Polizeistiftung Stuttgart geflossen sind, kommen jetzt dem Förderverein und Projekten in der Region zugute. „VEREINSZWECK IST DIE FÖRDERUNG REUTLINGEN SEIT DEZEMBER 2006 VON INITIATIVEN DER KRIMINAL- FÖRDERVEREINE NEUER FÖRDERVEREIN IM LANDKREIS UND VERKEHRSPRÄVENTION ...“ Auftaktveranstaltung im Bad Uracher Schloß „Allerdings,“ so stellt Vöhringer fest, „handelt es sich dabei nur um Verfahren, bei denen Polizisten zu Schaden gekommen sind. Wir wollen keiner anderen Organisation etwas wegnehmen.“ SCHNELLES UND UNBÜROKRATISCHES HANDELN Im Vorstand – Vorsitzender ist Landrat Dr. Thomas Reumann, sein Stellvertreter ist Polizeidirektor Franz Lutz – wird schnell und unbürokratisch über Anträge von Institutionen und Organisationen entschieden. Die Hälfte der eingenommen Mittel kommt Kleinprojekten zugute. Daneben ermöglicht der Verein auch Begleitförderungen oder Teilförderungen von Projekten. Die andere Hälfte der Einnahmen soll für die Förderung von finanziell größeren Projekten angespart werden. KINOSPECIALS UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Im Herbst ist die Unterstützung eines medienpädagogischen Projektes geplant. Für die Schulen in Bad Urach und Münsingen werden Kinospecials zu besonderen Präventionsthemen angeboten. Nach der Filmvorführung eines gängigen Kinofilms im Filmtheater Forum22 in Bad Urach, sollen die Inhalte zusammen mit einem Medienpädagogen und dem Jugendsachbearbeiter der Polizei aufbereitet werden. Welche Schwerpunkte dabei gesetzt werden und welche Klassenstufen davon profitieren sollen, erfolgt in Absprache mit den Schulen. Darüber hinaus soll im kommenden Jahr verstärkt der Kontakt mit Betrieben in der Region gesucht werden. Vöhringer stellt sich ein bezahltes Ferienpraktikum für Hauptschüler vor - als sinnvolle Freizeitbeschäftigung und Vorbereitung auf den Beruf zugleich. ein Flyer entworfen und von Polizeiobermeister Michael Vöhringer von der Polizeidirektion Reutlingen ein repräsentativer Internetauftritt entwickelt. Kriminal- und Verkehrsprävention werde von immer mehr Menschen als gesellschaftliche Aufgabe gesehen, das habe auch die Auftaktveranstaltung im Bad Uracher Schloss mit einer bunten Besetzung aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur gezeigt. Im Oktober war der Verein mit einem Stand beim Reutlinger Sicherheitstag präsent. Denn wie lautet die Fortführung des Vereinsslogans so schön: „Wer sicher lebt, hat länger Spaß“. WEITERE INFORMATIONEN Vom Wirken im Stillen hält der Verein nicht viel. Vorrangiges Ziel sei es daher, zunächst bekannter zu werden und möglichst viele Mitglieder zu werben, sagt der Präventionsbeamte. Hierzu wurde zwischenzeitlich mit professioneller Unterstützung einer renommierten Reutlinger Werbeagentur Polizeidirektion Reutlingen Prävention Horst Vöhringer Telefon 07121 942-1700 Fax 07121 942-1709 E-Mail [email protected] Internet www.polizei-reutlingen.de www.praeventionreutlingen.de WER SICHER LEBT, HAT LÄNGER SPASS 9 2. FACHTAGUNG GEWALTPRÄVENTION KOOPERATION: EVANGELISCHE LAN- IM INTERKULTURELLEN KONTEXT DESKIRCHE, LANDESKRIMINALAMT ... „Warum kämpft Max gegen Igor und Igor gegen Mustafa“ ZWEITE FACHTAGUNG ZUM THEMA GEWALT UND RELIGION IM PTZ STUTTGART Stuttgart. Gewaltprävention im interkulturellen Kontext lautete der Titel der zweiten Fachtagung zum Thema Gewaltprävention und Religion im pädagogisch-theologischen Zentrum (ptz) Haus Birkach in Stuttgart. Dazu eingeladen hatten die Evangelische Landeskirche in Württemberg sowie das Landeskriminalamt in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Bad Boll, dem Kontaktbüro Gewaltprävention im Kultusministerium, die Landeskirchliche Schüler- und Schülerinnenarbeit sowie die 5. Bereitschaftspolizei-Abteilung Böblingen. Die zentrale Frage der Tagung hatte Landeskriminaldirektor Hartmut Grasmück bereits in seinem Grußwort provokant formuliert: „Warum kämpft Max gegen Igor und Igor gegen Mustafa“. Eigentlich sollten die rund 50 Teilnehmer der Tagung, darunter Lehrer, Pfarrer und Polizeibeamte, dem ambivalenten Verhältnis von Religion und Gewalt nachgehen. „Einerseits können Religionen Menschen vereinen, sie auch gefühlsmäßig miteinander verbinden; sie bieten Anknüpfungspunkte auch für weltliche Normsysteme.... Andererseits trennen Religionen Menschen auch. Sie können Anlass der gegenseitigen Abgrenzung ... sein, die ihrerseits mit einer erhöhten Auftretenswahrscheinlichkeit von Konflikten und damit auch von Kriminalität bis hin zu physischer Gewalt verbunden sein können“, hatte es im Tagungsflyer geheißen. Wie ein roter Faden zog sich jedoch zunächst das Bild des gewalttätigen 10 Jugendlichen durch die Tagung. Bei Interviews mit jugendlichen Gewalttätern hatte Dr. Ferdinand Sutterlüty, Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung in Frankfurt festgestellt, dass die meisten Täter in der Kindheit, im Elternhaus, selbst Opfer von Gewalt, Misshandlung und Missachtung waren. Die Folge: ein negatives Selbstbild, das auch nicht durch positive Erlebnisse oder Anerkennung durch andere kompensiert worden ist; und die Wunschvorstellung, sich später zu rächen, später selbst zum Täter zu werden. Die eigene wiederholte Gewaltausübung empfänden Jugendliche dann selbst als berauschendes Moment, als Schlüssel zu einem neuen Selbstverständnis. Gewalt werde hier mythologisiert und zu einem erstrebenswerten, positiven Wert, so Sutterlüty, der damit einen Erklärungsansatz für die Identitätskonstruktion von Jugendlichen versuchte. Um Werte von Jugendlichen ging es auch in der Shell-Studie, die Prof. Dr. Dr. Michael Ebertz von der Katholischen Fachhochschule Freiburg vorstellte. Neben der Erkenntnis, dass sich die Grundwerte Jugendlicher zwischen 2002 und 2006 kaum verändert haben und Werte wie Freundschaft, Partnerschaft, Familienleben, Eigenverantwortung und viele Kontakte die vordersten Ränge einnahmen und dieses bei weiblichen und männlichen Jugendlichen fast ohne große Unterschiede, war vor allem die Typologisierung der Jugendlichen in der repräsentativen Studie interessant. Und hier vor allem der Typus der so genannten „robusten Materialisten“, die Macht, Lebensstandard, Durchsetzungsfähigkeit und Lebensgenuss besonders schätzten. Auffällig ist in dieser Gruppe, so die Untersuchungsergebnisse, dass vor allem junge Männer dort zu finden sind, zudem vermehrt Hauptschüler, dass Toleranz hier die niedrigste Wertschätzung erfährt, und die Zugehörigen dieser Kategorie am häufigsten in Schlägereien verwickelt waren. Die robusten Materialisten dürften am meisten gefährdet sein, zur Gewalt zu neigen, so das Fazit von Ebertz. Die Begründung dazu: Weil der Zugang zu Erlebnissen (als Ausdruck von Lebensgenuss) immer knapper werde, die Chancen immer weiter sänken, Erlebnisse zu haben und zu steigern, entstünde eine sogenannte „Erlebnisgewalt“, die kurzzeitige Zufriedenheit ermögliche. Sutterlütys gewaltbestimmte Jugendlichen tauchen auch in einem der Foren der Tagung wieder auf. Rüdiger Niemann vom Kinderbüro in Frankfurt charakterisiert in seinem Sozialtraining „Cool sein – Cool bleiben“ verschiedene stereotype Verhaltensweisen bei Jugendlichen: darunter den so genannten Erstschlag: jene Jugendliche, die biografisch belastet seien, die auf kleinste Impulse gewalttätig reagierten und dabei wie unter Zwang handelten. Hatten die Vorträge des ersten Tages so gut wie keine Erkenntnisse zur ambivalenten Rolle von Religion geliefert – selbst die Werteorientierung der Jugendlichen in der Shell-Studie war „ANDERERSEITS ... KÖNNEN SIE AN- ANKNÜPFUNGSPUNKTE AUCH FÜR LASS DER GEGENSEITIGEN ABGREN- WELTLICHE NORMSYSTEME ...“ ZUNG ... SEIN ...“ weitgehend ohne religiösen Einfluss – sollte der Vortragsblock am zweiten Tag das Verhältnis von Religion und Gewalt stärker erhellen. Doch ausgerechnet das zentrale Referat des Instituts für Kriminalwissenschaften in Hamburg war von dort kurzfristig abgesagt worden. Stattdessen referierte Dr. Kerstin Reich, Psychologin und Mitarbeiterin des Kriminologischen Instituts Tübingen, über die Straffälligkeit Jugendlicher mit Migrationshintergrund. Sie unterstrich noch einmal die statistischen Ergebnisse, wonach die Kriminalitätsrate unter den Jugendlichen in den vergangenen zehn Jahren drastisch gestiegen sei. Auffällig sei vor allem die Tatsache, dass die Delikte in der Schwere nicht nur zugenommen hätten, sondern auch die Täter immer jünger geworden seien. Eindeutig konnte ein Zusammenhang mit der Zuwanderung jugendlicher Spätaussiedler aus den ehemaligen GUS-Staaten hergestellt werden. Als gewaltfördernde Ursachen nannte Reich unter anderem die Migrationsbiografie, kulturell geprägte Normen und Einstellungen, Aufwachsen in Armut und sozialer Randständigkeit, aber vor allem einen belastenden familiären Hintergrund. Was Sutterlüty aufgrund seiner Intensivinterviews folgerte, machte Dr. Karin Reich anhand der Zahlen deutlich: 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind häufiger und schwerer Gewalt im Elternhaus ausgesetzt. Vor allem türkische Jugendliche erfahren Gewalt bei und durch ihre Eltern und werden später selbst durch gewalttätiges Verhalten auffällig. Aus islamwissenschaftlicher Sicht beleuchtete die Religionspädagogin Hilal Kurt aus Ravensburg die Fragestellung der Tagung. „Der Islam ist bestrebt, Gewalt und Unrecht zu minimieren“, war eine ihrer zentralen Aussagen und sie zeigte die Pole auf, in der sich der Islam gegenwärtig bewege: die Selbstmordattentäter auf der einen Seite, der Beginn des Islam-Unterrichts in Baden-Württemberg auf der anderen Seite. Zum einen bedeute der Islam Frieden, zum anderen bedienten sich Muslime der Gewalt und begründeten sie mit der Religion. Die Muslima verdeutlichte mit Beispielen aus dem Koran die Vieldeutigkeit des Wortes Gewalt. Der Tübinger Theologe Prof. Dr. Karl-Ernst Nipkow näherte sich aus christlicher Sicht dem Thema. Auch er zeigte die Ambivalenz der Religion hinsichtlich der Gewaltfrage auf: zum einen dualistische religiöse Denk- und Glaubensstrukturen (Gläubige versus Ungläubige) als mögliche Ursachen von Gewaltneigung, zum anderen aber die dominante Antwort der Versöhnung und die Chance der Vergebung im christlichen Glauben. GEWALTPRÄVENTION „EINERSEITS ... BIETEN RELIGIONEN Um straffällig gewordene und gewalttätige Jugendliche ging es auch am dritten und letzten Tag der Fachtagung. Wie Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen geholfen werden kann, machten zwei Beispiele in der Praxis deutlich. Während der Jugendhof Seehaus vor christlichem Hintergrund und als innovative freie Form des Jugendstrafvollzugs versucht, straffällig gewordene Jugendliche in ein normales Leben in der Gesellschaft zurück zu führen, kümmert sich die Jugendhilfe-Einrichtung „die Distel“ in Deckenpfronn um Mädchen und junge Frauen, die auch durch Gewalt gegen sich selbst auffällig geworden sind. Dass das Thema Gewaltprävention im interkulturellen Kontext und die Rolle von Religion in zweieinhalb Tagen erschöpfend und ausreichend erforscht und erörtert werden konnte, hatte wohl keiner der Teilnehmer erwartet. Zu vielschichtig und mehrdimensional, fast erschlagend, erwiesen sich die Fragestellungen, die sich aus den verschiedenen Aspekten der Auseinandersetzung mit dem Thema ergaben. Nach wie vor besteht bei vielen Sachverhalten Diskussions- und vor allem Informationsbedarf: zum Beispiel über die generellen Lebensumstände Jugendlicher, über psychologische Auswirkungen veränderter Lebensumstände, über kulturelle Hintergründe, über die Auseinandersetzung Jugendlicher mit ihrer Religion, über Gruppenkulturen und Gruppenverhalten. Aber hier liegen aber auch die Potenziale für eine gesamtgesellschaftliche Diskussion, weiterführende Gewalt- und Kriminalitätspräventionsprogramme sowie für die Fortsetzung der Fachtagungsreihe. Denn die Frage, warum Max gegen Igor und Igor gegen Mustafa kämpft, ist noch längst nicht beantwortet. WEITERE INFORMATIONEN Evangelischer Oberkirchenrat Dezernat 2 Kirche und Bildung Hans-Henning Averbeck Telefon 0711 2149-297 E-Mail hans-henning.averbeck@ elk-wue.de „WARUM KÄMPFT MAX GEGEN IGOR UND IGOR GEGEN MUSTAFA!“ 11 BücherTipps GEWALTPRÄVENTION FÜR 5- BIS EXPEDITION ZU DEN BESTEN FRIEDENS- 9-JÄHRIGE STIFTERN DER WELT BESTELLUNG DIE FRIEDENSMACHER Felix-Verlag GbR Telefon 08024 301693 Fax 08024 7572 E-Mail [email protected] Internet www.felix-verlag.de ISBN 978-3-927983-43-4 Preis 14,80 Euro von Petra Gerster mit Michael Gleich ICH BIN DOCH KEIN HEINI!? DIE FRIEDENSMACHER Hintergründe und Übungen zur Gewaltprävention bei Fünf- bis Neunjährigen. Ein Leitfaden für Eltern und andere Erzieher mit Multimedia-CD-Rom für Lehrer/innen, Jugendarbeiter/innen und Schüler/innen von Adolf Gallwitz/Rüdiger Schilling (Hrsg.) von Petra Gerster mit Michael Gleich Dieses Buch will den Bereich der Prävention sexualisierter Gewalt Kindern, Eltern und anderen „Erziehern“ (Erzieher/innen, Pädagog/innen, haupt- oder ehrenamtliche Freizeitbetreuer/innen) nahe bringen, ohne dabei peinlich oder verletzend zu sein oder gar Angst zu erzeugen. Durch einprägsame Rollenspiele, Wiederholungen und Fragen aus einer „Fragenstraße“ sollen Jungen und Mädchen für Grenzverletzungen und gefährdende Situationen im Alltag sensibilisiert werden, lernen Gefühle auszudrücken, ihre Angst wahrzunehmen und zuzulassen. Ihre Abgrenzungs- und Durchsetzungsfähigkeit soll bestärkt werden, vom einfachen Nein-Sagen bis zur Abwehr sexualisierter Gewalt. 12 Eingeübt wird das Verhalten gegenüber „Fremden“, wohl wissend, dass dieser „Fremde“ statistisch gesehen kaum in Erscheinung tritt, sondern sexuelle Übergriffe viel häufiger durch Verwandte oder Bekannte erfolgen. Der Bezug zum sozialen Nahraum wird durch die Fragenstraße hergestellt. AUS DEM INHALT Prof. Dr. Thomas Feltes: Warum ein Training zur Prävention sexualisierter Gewalt? – Prof. Adolf Gallwitz: Die Lust am Kind von Klischees, Vorurteilen, Risikokindern und Pädosexuellen – Rüdiger Schilling: Das Training für Kinder – Das Training für Eltern – Spiele – Das Kinderbuch Die Journalistin Petra Gerster und der Publizist und Kommunikationsberater Michael Gleich, beide mehrfach ausgezeichnet, präsentieren in diesem Buch eine Expedition zu den besten Friedensstiftern der Welt. Renommierte Autoren und Fotografen erzählen im 1. Teil des Buches von Ärztinnen, Künstlern, Gewerkschafterinnen, Exterroristen, Priestern, Sportlerinnen, Entwicklungshelfern und Geschäftsfrauen – viele von ihnen mit Preisen ausgezeichnet – die sich mutig, kreativ und erfolgreich für den Frieden engagieren. Von Visionen und praktischem Verstand, von Zweifeln und neuem Mut, von Rückschlägen und mühsamen Fortschritten im Friedensprozess. Diese faszinierenden Fotos und Reportagen sind aus der Arbeit des Netzwerks „Peace Counts“ entstanden, welches 2002 von deutschen Journalisten gegründet wurde, die BUCH, MULTIMEDIA-CD ROM POSTKARTENBUCH MIT 20 POST- BESTELLUNG Im Buchhandel oder über Carl Hanser Verlag Telefon 089 99830-313 Fax 089 99830-157 E-Mail [email protected] Internet www.hanser.de „Mazedonien: Die Moschee von Metejce wartet auf den Wiederaufbau“ zusammen mit Pädagogen und Forschern der Frage nachgingen „Wie macht man eigentlich Frieden?“ Gibt es Prinzipien der Konfliktlösung, die auf allen Stufen funktionieren? Lassen sich Streithähne auf dem Schulhof mit den gleichen Methoden besänftigen wie Rebellengruppen? Folgt eine Mediation zwischen Scheidungswilligen vielleicht Mustern, die sich auch zwischen Bürgerkriegsparteien bewähren? Im 2. Teil des Buches wird die Quintessenz dieser authentischen Erfahrungen aus mehr als 25 Konfliktregionen in 10 einfach und klar formulierten Thesen zusammengefasst. Die überraschende Bilanz: Peace is possible! Auf diesen kurzen Nenner lässt sich das Ergebnis der weltweiten Expedition Peace Counts bringen. Erfolgreiche Friedensmacher haben Ähnlichkeit mit Unternehmern, die ihre Vision einer ISBN: Preis: GEWALTPRÄVENTION KARTEN 3-446-40312-4 24,90 Euro, 1,50 Euro pro Buch fließt in Friedensprojekte in Kolumbien. Zum Buch gibt es ein exklusives Postkartenbuch mit 20 Postkarten zum Preis von 5 Euro, ISBN: 3-446-40424-4 „Nordirland: Ex-Terrorist Petr McGuire überzeugt Jugendliche von Gewaltlosigkeit“ friedlichen Gesellschaft vor allem mit effizientem Management, kreativen Lösungsstrategien, Empathie und Durchhaltevermögen verwirklichen. Die gesammelten Erfahrungen „Wie man Frieden macht“ können uns auch im eigenen Alltag helfen, denn Konflikte gibt es in jedem Bereich der Gesellschaft, in Familie, Schule und am Arbeitsplatz, und überall sind konstruktive Lösungen gefragt. fitiert der internationale Handel von stabilen Verhältnissen. Damit geben sie der internationalen Gemeinschaft Kriterien an die Hand, um absehen zu können, wie teuer und wie effektiv unterschiedliche Maßnahmen und Strategien sind. Neben den moralischen Argumenten, Gewalt zu vermeiden gibt es handfeste ökonomische Vorteile, die sich ausrechnen lassen: die Friedensdividende. Den wirtschaftlichen und sozialen Ursachen für Konflikte wird im 3. Teil des Buches Raum gegeben, allerdings in einer ungewöhnlichen Form. Wissenschaftler aus Oxford und Bonn haben Konflikte und ihre Lösungen systematisch durch die ökonomische Brille bewertet. Ihre Berechnungen machen deutlich: Frieden zahlt sich aus, denn in sicheren Regionen gedeiht die Wirtschaft besser und nachhaltiger als in unsicheren, in einer immer stärker vernetzten Welt pro- Für die Bildungsarbeit wurde die zum Buch gehörende CD-Rom konzipiert. Sie finden darauf ausgewählte Reportagen didaktisch aufgearbeitet, ergänzt durch Informationen über Friedensjournalismus und -fotografie sowie Ziele und Arbeitsweise von Peace Counts Project. Die multimediale CD-Rom ist eine Kombination aus leicht verständlichen Texten, faszinierenden Fotos, Musik, Videoaufnahmen und Hintergrundinformationen, die ausgedruckt werden können. Weitere Infos zu Peace Counts project: www.peacecounts.org BÜCHER-TIPPS „ICH BIN DOCH KEIN HEINI“ „DIE FRIEDENSMACHER“ 13 SCHÜLERBEFRAGUNGEN U. A. IN SCHWÄBISCH GMÜND DES KFN UND STUTTGART Migranten sind auf der Verliererseite KURZE ERGEBNISSE DER SCHÜLERBEFRAGUNGEN DES KFN Seit 1998 führt das Kriminologische Institut Niedersachsen (KFN) in ausgewählten Städten und Regionen Deutschlands repräsentative Schülerbefragungen durch, um – unabhängig von den polizeilichen Kriminalstatistiken – Informationen über das Ausmaß an Jugendgewalt zu erhalten. 2005 wurden die Schülerbefragungen unter Ausweitung der Zielgruppen und thematischen Schwerpunkte u. a. in Stuttgart und Schwäbisch Gmünd unternommen. Die Ergebnisse wurden 2006 vom Leiter des Instituts, Prof. Dr. Christian Pfeiffer, in der Öffentlichkeit präsentiert und können hier nur ansatzweise skizziert werden. Alle Ergebnisse und Einzelauswertungen der Forschungsstudie können unter „www.kfn.de/ForschungsbereicheundProjektberichte“ herunter geladen werden. AUSWAHL Die Auswahl der Städte und Landkreise erfolgte bei der Studie weniger nach theoretischen Gesichtspunkten sondern vielmehr nach praktischen Erwägungen, wie beispielsweise der Finanzierung des Forschungsvorhabens. Für die Schülerbefragung 2005 wurden insgesamt zehn Städte und Landkreise sowie das Bundesland Thüringen ausgewählt. Durch die Teilnahme der drei süddeutschen Städte München, Stuttgart und Schwäbisch Gmünd, die schon 1998 und 2000 an den Untersuchungen beteiligt waren, ist es möglich geworden, die Entwicklung der Jugendgewalt über die Jahre hinweg zu analysieren. 14 Befragt wurden diesmal nicht nur die neunte Jahrgangsstufe sondern auch Schüler der vierten Grundschulklasse. Insgesamt wurden rund 23.000 Schüler in das Vorhaben mit einbezogen. Aufgrund der Ergebnisse aus den vergangenen Untersuchungen von 1998 und 2000 sowie angesichts aktueller und kontroverser Diskussionen um den Medienkonsum von Kindern, wurden drei inhaltliche Schwerpunkte festgelegt: 1. Thema Gewalt: Jugendliche als Opfer und Täter 2. Thema Schuleschwänzen: Risikofaktor für soziale Devianz 3. Thema Medien: Medienverwahrlosung als Ursache von Schulversagen und Kriminalität. ERGEBNISSE Gewalt: Die KFN-Befragungen untersuchen die Gewalterfahrungen Kinder und Jugendlicher sowohl aus der Täter- wie auch aus der Opferperspektive. Erstes Ergebnis: „Nichtdeutsche Jugendliche erfahren häufiger Gewalt durch die Eltern, wobei türkische Familien am auffälligsten sind.“ Die problematische Auffälligkeit nichtdeutscher Jugendlicher zieht sich wie ein roter Faden durch diesen thematischen Schwerpunkt der Studie. Beim Gewaltverhalten Jugendlicher (Jugendliche als Täter) sind Hauptschüler fast dreimal so häufig als Gewalttäter in Erscheinung getreten wie Jugendliche in Gymnasien. Für die Höherbelastung der Hauptschule werden folgende Gründe angegeben: „Sie sind überproportional häufig nichtdeutscher Herkunft, sie haben häufiger Gewalt durch die Eltern erlebt und beschäftigen sich verstärkt mit altersgefährdenden Medieninhalten.“ Die Konzentration der Problemlagen schlägt sich im Verhalten dieser Befragtengruppe nieder. Eine der Ursachen dieser Höherbelastung der nichtdeutschen Jugendlichen konnte in den vergangenen Schülerbefragungen nicht hinreichend mit der sozialen Situation erklärt werden. Die jüngste Studie zeigt vielmehr die kulturelle Überzeugung als entscheidenden Faktor auf: Gewalt als legitimierte Männlichkeitsform (wie zum Beispiel in der Aussage „Ein Mann, der nicht bereit ist, sich gegen Beleidigungen mit Gewalt zu wehren, ist ein Schwächling“) bejahen nichtdeutsche Jugendliche – vor allem türkischer Herkunft – wesentlich häufiger als deutsche Gleichaltrige, abgesehen von manchen Migranten aus Osteuropa. Große Bedeutung hinsichtlich des Gewaltverhaltens von Jugendlichen und Kindern in der Schule spielt das sog. Schulklima, das sich auf das Verhalten auswirken kann. Je größer die Schulbindung, umso geringere Bereitschaft zur Gewalt. Dazu die Studie: „Wenn Kinder gern in die Schule gehen, dann akzeptieren sie auch die Vorschriften, die dort gelten. Sie fühlen sich in der Schule geborgen und werden evtl. Stresserfahrungen, BROSCHÜRE „GEWALT-ERFAHRUNGEN GEWALT, SCHULESCHWÄNZEN, VON KINDERN UND JUGEND- MEDIEN LICHEN“ (ARBEITSTITEL) ODER UNTER KINDER- UND JUGENDKRIMINALITÄT INHALTLICHE SCHWERPUNKTE: WWW.KFN.DE Enttäuschungen über Noten, o. ä. nicht gewalttätig ausleben. Dies eröffnet Präventionsmöglichkeiten, da die Verhinderung der Auseinandersetzungen bereits damit beginnt, dass sich die Kinder wohl in der Schule fühlen.“ Schulschwänzer: Dem häufigen Schulschwänzen wird seit einiger Zeit erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Schülerbefragungen haben gezeigt, so die Studie, „ dass Schwänzen kein Kavaliersdelikt ist, sondern mit weiteren Auffälligkeiten, wie der häufigeren Ausübung von Gewalt einhergeht.“ Auch die Schülerbefragung 2005 bestätigt, dass je mehr ein Schüler/eine Schülerin geschwänzt habe, desto häufiger habe er auch abweichendes Verhalten (zum Beispiel Ladendiebstahl) gezeigt. Bei Befragungen von Insassen des Jugendstrafvollzugs konnte nachgewiesen werden, dass 90 Prozent zu den massiven Schulschwänzern gehörten. Als Ursachen dafür wird ein problematischer Erziehungsstil der Eltern vermutet oder die Zugehörigkeit zu Freundesgruppen, in denen eine Kultur der Auflehnung gegen gesellschaftliche Vorgaben existiere. Eine Schlüsselrolle bei dieser Problematik komme den Lehrern zu. Wie Ergebnisse der Studie zeigen, dass Schulschwänzer viel seltener fehlen, wenn Lehrer ihren Schulbesuch konsequent kontrollieren und sich nach den Gründen des Fernbleibens erkundigen. Das damit verbundene Interesse motiviere die Schüler dazu, viel seltener der Schule fernzubleiben. „Allerdings“, so eine Schlussfolgerung der Untersuchung, „vermögen es die Lehrkräfte nicht im Alleingang, das Schulschwänzen zu verhindern.“ Medienverwahrlosung: „Die Auswertungen haben ergeben, dass weder bei den Kindern noch bei den Jugendlichen die reine Medienkonsumdauer oder die Ausstattung mit Geräten in einem direkten Verhältnis mit der ausgeübten Gewalt steht“, es komme vielmehr darauf an, wie die Medien genutzt werden, so die Ergebnisse zu diesem Schwerpunkt. So gebe es deutliche Zusammenhänge zwischen dem Konsum von Horrorfilmen und Kampfspielen und Gewalttätigkeit. „Nur 1,3 Prozent der Schüler/innen, die nie Kampfspiele spielen, gehören zu den Gewalt-Mehrfachtätern, aber 13,7 Prozent der Jugendlichen, die dieses sehr oft tun“. Die Zusammenhänge blieben auch dann bestehen, wenn das Geschlecht (Jungen spielen mehr) oder die Schulform (Hauptschüler spielen mehr) berücksichtigt werde. Jungen verfügen zudem über eine höhere Ausstattung an Bildschirmgeräten (Fernseher, Konsolenspiele, PCs) im eigenen Zimmer als Mädchen. Familien mit Wohlstandsniveau haben eine höhere Ausstattung (außer PC), Familien mit Migrationshintergrund weisen noch höhere Ausstattungszahlen auf. Die Studie kommt nach Auswertung der Ergebnisse zu folgenden Schlussfolgerungen: Die Verfügbarkeit von Geräten im Kinderzimmer erhöhe das Risiko, altersgefährdende Inhal- te zu konsumieren. Zweitens gebe es einen Zusammenhang zwischen längerer Nutzungsdauer und schlechten Schulleistungen. „Wer mehr Zeit mit Medien zubringt, hat weniger Zeit, sich schulbezogenen Tätigkeiten zu widmen, gelernte Inhalte werden nicht dauerhaft im Gedächtnis behalten, usw. Wenn aber die Schulleistungen schlecht sind, ist der Erfolg der eigenen schulischen Laufbahn gefährdet“. WEITERE AUFFÄLLIGKEITEN UND PRÄVENTIVE ANSÄTZE Bei einer öffentlichen Vorstellung im Mai 2006 kam Prof. Dr. Pfeiffer zu weiteren Schlüssen aus der Schülerbefragung und machte konkrete Vorschläge für präventive Ansätze. So zeigte er auf, dass Jungen mehrfach belastet seien: sie seien häufiger Täter und Opfer von Gewalt, der Anstieg der Gewalttaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik werde durch Jungen verursacht, Jungen seien häufiger Bildungsabsteiger (zum Beispiel beim Wechsel von der Realschule auf die Hauptschule), und häufiger Schulabbrecher. Ihr Abiturerfolg sei schlechter als bei Mädchen/Frauen, was dazu führe, dass Studiengänge mit hohem NC häufiger von Frauen gewählt werden. Er forderte damals geschlechtsspezifische Präventionsangebote. Die präventiven Ansätze, die Prof. Pfeiffer nannte, gingen zum Teil über die Möglichkeiten kommunaler Präventionsarbeit hinaus und umfassten schulpolitische und gesellschaftspolitische Änderungen. MIGRANTEN SIND AUF DER VERLIERERSEITE 15 PRÄVENTIVE ANSÄTZE: „GERECHTIGKEIT FÖRDERT INTEGRA- ... GESCHLECHTSSPEZIFISCHE AN- TION. ERFAHRENE UNGERECHTIGKEIT SÄTZE, ... FRÜHZEITIGE FÖRDERUNG, DAGEGEN UNTERGRÄBT SIE“. ... „KULTUR DER ANERKENNUNG“ ... Der Kriminologe plädierte für die Gesamtschule, die Kindern neben Unterricht sinnvolle Freizeitbeschäftigung böte und damit die Zeit für eine Mediennutzung verhindere. Da die Hauptschule als problematisch eingestuft werden müsse (Intensivtäter, Schulschwänzer), unterstrich Pfeiffer die Einführung einer Gesamtschule (die Gewinnerländer der PISA-Studie hätten ein Gesamtschulsystem) oder zumindest die Zusammenlegung von Real- und Hauptschule. Auch Kindertagesstätten sollten qualitativ ausgebaut werden, um Kinder frühzeitig zu fördern und Defizite zu schwächen. Darüber hinaus sollte eine aktive Freizeitgestaltung für Kinder und Jugendliche ermöglicht werden, um den Medienkonsum einzuschränken. Um dem Problem des Schulschwänzens Einhalt gebieten zu können, sei eine stärkere Kontrolle durch Lehrer und Eltern sowie die verstärkte Zusammenarbeit von Schule, Polizei und Jugendhilfe notwendig. JUNGE MIGRANTEN Besonders ausführlich sind die Präventionsvorschläge in der Schülerbefragung, die einen besonderen Fokus auf die Verbesserung der Lebenssituation junger Migranten legen. Dieses Präventionskonzept beginnt bereits mit der frühen Förderung von Kindern aus Hoch-Risiko-Familien nach dem Vorbild des amerikanischen „NurseFamily-Partnership-Programm“. Dazu gehört die Betreuung schwangerer Frauen aus sozial benachteiligten Verhältnissen durch besonders geschulte Hebammen. Später übernehmen diese 16 INTEGRATION Aufgaben Familienhelferinnen, die auf die sozial-emotionale, kognitive, sprachliche und motorische Entwicklung der Kinder achten und entsprechend fördern. Ein weiterer Ansatzpunkt zur Prävention von Gewalt sozial randständiger Kinder und Jugendlicher mit Migrationshintergrund sind Kindergärten. Um die Integration zu erleichtern, sollten Migrantenkinder nach kanadischem Beispiel gleichmäßig auf die Kindergärten des Ortes oder Stadtteils verteilt werden. Im Schulalter sollen – wie in Schwäbisch Gmünd erprobt wird – diese Kinder kostenlosen Nachhilfeunterricht erhalten. Gerade weil Kinder mit Migrationshintergrund sehr häufig Gewalt in der Familie erleben, benötigen sie eine Vertrauensperson außerhalb der Familie, der sie ihre Notlage anvertrauen können. Gedacht wird dabei an Lehrer der Schule. Als Konsequenz aus den Ergebnissen, schlägt das KFN „Kultur der Ehre“ als Unterrichtsstoff, z. B. in Religion oder Ethik, für 12- bis 14Jährige vor, um die Orientierung an Gewalt legitimierende Männlichkeitsnormen einzuschränken. Dabei sollte die Altersgruppe so gewählt werden, dass sich die Machoorientierung noch nicht verfestigt hat. Da Elternabende nicht mehr allein ausreichten, um auf die Gefahren eines Gewaltmedienkonsums hinzuweisen, könnte die Einführung der Gesamtschule ein Lösungsansatz sein, um die gefährdeten Kinder durch sportliche, musische oder kreative Freizeitgestaltung entsprechend zu fördern. Nicht minder wichtig sei es, die „Perlen“ der Integration zu suchen und öffentlich zu machen: gelungene Biografien von Migrantenkindern herauszustellen und diese anzuerkennen. Anerkannt werden sollten auch Städte und Stadtteile, die Migrantenfamlien am besten integriert haben. In der Studie wird dabei von einer „Kultur der Anerkennung“ gesprochen. Auch der Anteil von Migranten bei der Polizei, in der Schule und in der Sozialarbeit sollte deutlich erhöht werden. Den letzten Punkt der Vorschlagsliste widmet die Studie der Gerechtigkeit. Untersuchungen von Strafverfolgungsdaten und Aktenanalysen haben den Autoren der Studie Anlass zur Vermutung gegeben, dass nicht-deutsche Angeklagte im Untersuchungszeitraum zunehmend härter bestraft worden seien als Deutsche. Es sei daher notwendig, einer grundlegenden Untersuchung dieser Frage nachzugehen. Denn: „Gerechtigkeit fördert Integration. Erfahrene Ungerechtigkeit dagegen untergräbt sie“. Die wesentlichen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen der Studie für Kommunen, Schulen, Polizei u. ä. werden in der Broschüre „Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen“ (Arbeitstitel) von KFN und ProPk veröffentlicht. BESTELLUNG Landeskriminalamt Baden-Württemberg, Landesprävention Telefon 0711 5401-3458 Fax 0711 5401-3455 E-Mail [email protected] DAS GEHEIMNIS DES ERFOLGS IST, KINDER- UND JUGENDKRIMINALITÄT DEN STANDPUNKT DES ANDEREN ZU VERSTEHEN. (HENRY FORD) Frank ´ s Lesetipps Archiv der Jugendkulturen Projektgruppe Jugend und Religion: if god is a DJ ... Religiöse Vorstellungen von Jugendlichen Berlin, 2005 ISBN: 3-86546-030-5 15,- Euro Andreas Veiel Der Kick. Ein Lehrstück über Gewalt. München, 2007 ISBN: 978-3-421-04213-2 14,95 Euro Gesine Schmidt, Andreas Veiel: Der Kick. DVD, 82 Min. Freigegeben ab 12 Jahren Kurt Möller, Nils Schuhmacher Rechte Glatzen. Rechtsextreme Orientierungs- und Szenezusammenhänge – Einstiegs, Verbleibs- und Ausstiegsprozesse von Skinheads Wiesbaden, 2007 ISBN: 978-3-531-14709-3 39,90 Euro VON FRANK BUCHHEIT Ein sehr aufschlussreiches Buch kommt von der „Projektgruppe Jugend und Religion“ und heißt „if god is a DJ …“. Die Autoren lassen hier Jugendliche verschiedener Religionen (Judentum, Christentum, Islam) aber auch anderer „Weltanschauungen“ (Neuheidentum und Fußballfans) zu Wort kommen. Interessant ist das Ergebnis, weil man hier nicht nur einiges über die religiösen Gefühle erfährt, sondern auch einen tiefen Einblick in die Alltagswelt junger Menschen werfen kann. Über den gelebten Islam kann man zum Beispiel in dem Buch mehr erfahren, als in manchem Fachbuch. Andreas Veiel bearbeitete ein Thema, das nach ähnlichen Vorfällen immer wieder traurige Aktualität hat. Für den brutalen Mord zweier Jungerwachsener an einem 17-jährigen in Potzlow vor einigen Jahren liefert er dankenswerter Weise keine einfache Erklärung – sondern sieht ganz genau hin. Verstehen kann man die Ereignisse dadurch sicher nicht zur Gänze, aber wie die Frankfurter Rundschau über den mehrfach prämierten Film schrieb: „es muss einem erst schwarz vor Augen werden, bevor man die Welt wieder scharf sehen kann“. Beim Lesen von „Rechte Glatzen“ ergab sich mir ein ähnlicher Eindruck wie in einigen barocken Kirchen: faszinierend, aber etwas weniger wäre vielleicht mehr gewesen. Auf den 568 Seiten steht sicher (fast) alles Erwähnens- Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention beim Deutschen Jugendinstitut Strategien der Gewaltprävention im Kindes- und Jugendalter Eine Zwischenbilanz in sechs Handlungsfeldern München, 2007 ISBN: 978-3-935701-31-0 Gratis Wiebke Steffen Jugendkriminalität und ihre Verhinderung zwischen Wahrnehmung und empirischen Befunden Gutachten zum 12. Deutschen Präventionstag am 18. und 19. Juni 2007 in Wiesbaden Deutscher Präventionstag gGmbH (Hg.), Kongresskatalog 12. Deutscher Präventionstag Hannover, 2007 15,- Euro oder unter www.praeventionstag.de/ Dokumentation.cms/222 werte, um rechtsextreme Orientierungs- und Szenezusammenhänge von rechten Skinheads zu verstehen, alleine ist der Umfang etwas abschreckend. Wer die Abschreckung überwunden hat, findet gut recherchierte, sachdienliche und hilfreiche Informationen über eine (nicht nur strafrechtlich relevante) Jugendkultur. Den Bereich der Entwicklung der Gewaltprävention untersuchte wiederum ein Forscherteam unter Federführung des Deutschen Jugendinstituts. Neben vielen positiven Entwicklungen werden auch einige aktuelle Herausforderungen beschrieben (immer noch bestehende Kooperationshemmnisse, Vorverlagerung der Prävention bis in die Vorschule, Täter-Opfer-Statuswechsel, Elternarbeit, etc.) die derzeit an vielen Runden Tischen Tagesordnung sind. Wenn z.B. mehr körperorientierte, kultur- oder jungenspezifische Ansätze gefordert werden, gibt das Buch wertvolle Anregungen für die Praxis und hat daher das Zeug zur Basisliteratur. Fr. Dr. Steffen scheint gut im (Un-) Ruhestand angekommen zu sein: in Übereinstimmung mit dem oben beschriebenen Buch des DJI liefert ihr „Wiesbadener Gutachten“ einen sehr empfehlenswerten, knappen und gut lesbaren Beitrag zur Diskussion um Jugendkriminalität, der dazu geeignet ist die Debatte zu versachlichen: Pflichtlektüre. Wir freuen uns auf noch viele schaffensreiche Jahre und wünschen hierfür das Beste! MIGRANTEN SIND AUF DER VERLIERERSEITE FRANK´S LESETIPPS 17 F 44 ZUR KOMMUNALEN KRIMINALPRÄVENTION 4 Thes ... ZUGA ZUGANG ... DIALOG 1. PRÄVENTION GELINGT NUR, 2. PRÄVENTION KANN EINEN WICHTIGEN WENN WIR DEN ZUGANG ZUR BEITRAG ZUR INTEGRATION LEISTEN. ZIELGRUPPE SCHAFFEN. VORAUSSETZUNG HIERFÜR IST INTER- KULTURELLE KOMPETENZ UND DER DIA- Vier Thesen zur KKP und viele Erkenntnisse FACHTAG „MEHR SICHERHEIT DURCH KOMMUNALE KRIMINALPRÄVENTION“ IN STUTTGART 200 Führungskräfte aus Verwaltung und Polizei nahmen vergangenen November in Stuttgart-Vaihingen an der Fachtagung „Mehr Sicherheit durch Kommunale Kriminalprävention“ teil. Zielsetzung der Veranstaltung im Häussler-Forum waren vor allem Erfahrungsaustausch und Impulsgebung für die weitere Zusammenarbeit zwischen der Polizei und ihren Partnern. Zu den Rednern des Fachtags gehörten Innenminister Heribert Rech, Landespolizeipräsident Erwin Hetger, Bürgermeister Dr. Martin Schairer und Prof. Dr. Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen. Workshops und die Präsentation kriminalpräventiver Konzepte und Projekte vervollständigten das Programm. „Prävention gehört zum Kerngeschäft polizeilicher Arbeit. Und das bleibt auch so“, betonte Innenminister Rech in seinem Vortrag. Denn – davon zeigte sich Rech überzeugt – Prävention zahle sich auf Dauer aus. “Es ist allemal besser, Straftaten im Vorfeld zu verhindern, als diese anschließend mit hohem personellen und finanziellen Einsatz zu verfolgen“. Deshalb gelte der Leitsatz „Nicht an, sondern durch Prävention sparen“. In seinem Referat ging Rech auf die erfolgreiche Vernetzung von kommunaler und polizeilicher Arbeit in der Prävention ein. „Kriminalprävention ist fester Bestandteil der Kommunalpolitik“, so der Innenminister. Seit der landesweiten Umsetzungsempfehlung 18 von 1997 habe sich die Kommunale Kriminalprävention zu einer primären Ausgangsplattform von Präventionsinitiativen entwickelt. Inzwischen seien in über 300 Städten, Gemeinden und Landkreisen annähernd 600 vernetzte Präventionsprojekte initiiert worden. Dass die kriminalpräventive Arbeit von Polizei und Kommunen wirke, zeige der deutliche Rückgang der Straßenkriminalität und das gestärkte Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger. „Der enge Schulterschluss zwischen Polizei und dem Städte-, Gemeinde- und Landkreistag ist bundesweit einmalig und ein wesentlicher Erfolgsfaktor unserer Präventionsarbeit“. OPTIMALE VERNETZUNG DURCH KOORDINIERUNGSSTELLEN Ein weiterer Schritt zu einer optimalen Bündelung und Verzahnung und systematischen Vernetzung der Präventionsaktivitäten vor Ort sei die Übertragung der Koordinierungsaufgabe Kommunaler Kriminalprävention auf Landräte und Oberbürgermeister gewesen, wie sie die Verwaltungsreform im Jahr 2005 vorgesehen hatte. Für Rech stellt diese Veränderung als „das neue Fundament der Zusammenarbeit dar“. Zentrale Bausteine dieser Vereinbarung seien die Einrichtung von Koordinierungsstellen Kommunale Kriminalprävention in Kommunen und Landkreisen sowie gemeinsame Analysen der örtlichen Sicherheitslage von Polizei und Kommune. Als gelungenes Beispiel nannte der Innenminister die Berücksichtigung sicherheitsfördernder Aspekte im Städtebau. LOG AUF DER BASIS UNSERER RECHTSORDNUNG. Schwerpunkt der künftigen Aufgaben sieht der Innenminister in der Jugendund Gewaltkriminalität. Hier seien kriminalpräventive Konzepte gefragt, die ursachenorientiert und vernetzt ansetzten und das Engagement aller gesellschaftlichen Kräfte forderten. Vor allem die Gewaltprävention bei jungen Migranten sowie der integrierte Ansatz in der Sucht-, Gewalt- und Verkehrsunfallprävention können dank der Hilfe der Landesstiftung (siehe dazu S. 4) verstärkt in den kommenden Jahren verfolgt werden. STOPP-SIGNALE UND ZIELGRUPPENARBEIT Auch Landespolizeipräsident Erwin Hetger sieht die Jugend- und Gewaltkriminalität als zentrale Herausforderung in der künftigen Präventionsarbeit. In den vergangenen zehn Jahren habe die registrierte Gewaltkriminalität bei den unter 21-jährigen um knapp 70 Prozent zugenommen, nicht nur wegen einer höheren Gewaltbereitschaft sondern auch aufgrund eines sensibleren Anzeigeverhaltens. Wichtig bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität sei es, ein differenziertes Bild zu beachten. Viele Taten geschehen als Folge von Gruppenprozessen. „Hier geht es darum, frühzeitig und konsequent Grenzen aufzuzeigen und ein klares „Stopp-Signal“ zu setzen“, so Hetger. Allerdings gebe es neben den vielen episodenhaft auftretenden Delinquenten eine kleine Gruppe hochbelasteter Jugendlicher. Der Landespolizeipräsident sprach von landesweit aktuell 550 jungen Intensivtätern. Von einer Brutalisierung junger Menschen, könne allerdings – entgegen mancher Berichterstattung in den Medien – nicht ausgegangen wer- ... CHEFSACHE 3. PRÄVENTION ERFORDERT PERSÖNLI- 4. PRÄVENTION IST CHEFSACHE, CHES UND FINANZIELLES ENGAGEMENT. BRAUCHT PARTNER, LEBT VON DIE FINANZIERUNG VON PROJEKTEN KOOPERATION, VOM INTERDISZIPLI- DURCH PRÄVENTIONSVEREINE HAT NÄREN ERFAHRUNGSTAUSCH UND SICH BEWÄHRT. BÜRGERSCHAFTLICHEN ENGAGEMENT. den. Dennoch dürfe der Trend, Konflikte mit Gewalt auszutragen nicht verharmlost werden. Gerade junge Türken der zweiten oder dritten Generation oder heranwachsende Spätaussiedler lebten Konflikte in einem aggressiven Machoverhalten aus. Ihre Aggressivität sei deshalb so hoch, weil sie oft die Verlierer bei Bildungs-, Lehrstellen- und Zukunftschancen seien. Noch stärker als bislang, sagte Hetger, müsse die Polizei an die Rädelsführer und bereits auffällig gewordenen jungen Menschen herankommen. GEFÄHRDUNG DURCH INTERNET, RECHTSEXTREMISMUS UND ALKOHOL Gefährdungen junger Menschen sah Hetger zudem im Rechtsextremismus, im unkontrollierten Alkoholkonsum und im Internet als neuer Trend im Kriminalitätsgeschehen. Das Internet mit seiner scheinbaren Anonymität biete unzählige Gelegenheiten für kriminelle Machenschaften: beispielsweise der Austausch von Kinderpornografie, die Verbreitung rechtsextremistischer Propaganda, oder der Betrug in Auktionsbörsen. Vielfach öffneten Nachlässigkeit oder Unkenntnis Kriminellen Tür und Tor. Über diese Entwicklung müsse dringend aufgeklärt werden. Auch die Eltern seien hier in der Verantwortung. „Eltern müssen die Gefahren des Internets kennen, um ihre Kinder wirkungsvoll zu schützen.“ Zu weiteren zentralen Handlungsfeldern in der Prävention zählte der Landespolizeipräsident die Zusammenarbeit mit Moscheevereinen, um die Gefahr des islamischen Terrorismus zu vermindern. Integration und interkultureller Dialog seien wichtige Voraussetzungen, um Abschottung und Abgrenzung zu reduzieren. Maßstab und Grundlage der Integration sei das Grundgesetz. „Das ist nicht verhandelbar“, so Hetger. In seinem Vortrag griff er auch den „Kreislauf der Gewalt“ innerhalb der Familien auf. „Betrachten wir uns die Lebensgeschichte aggressiver Jugendlicher, so fällt auf, dass viele von ihnen in ihrer Kindheit Gewalterfahrungen in der Familie gemacht haben“. Diese Erziehungszusammenhänge müsse man im Blick haben, um den Kreislauf durchbrechen zu können. 4 Abschließend fasste der Landespolizeipräsident die zentralen Kernaussagen für eine gelingende Kommunale Kriminalprävention zusammen (siehe oben). FACHLICHER AUSTAUSCH UND IMPULSE 4 POLIZISTEN SIND KEINE „SOZIALINGENIEURE“ KOMMUNALE KRIMINALPRÄVENTION 4 ... ENGAGEMENT Mit der Präventionsaufgabe habe sich auch die Polizei selbst verändert. „Sie ist insgesamt offener, transparenter und kommunikativer geworden, arbeitet in Netzwerken und gilt als geschätzter Partner. „Wir verstehen uns heute als Bürgerpolizei“. Zu entsprechenden Vorwürfen, die Arbeit der Polizei lasse sich von der eines Sozialpädagogen nicht mehr unterscheiden, machte Hetger deutlich: „Polizeibeamtinnen und -beamte sind keine „Sozialingenieure“, welche die Aufgaben von Lehrern, Suchtberatern und Sozialarbeitern übernehmen wollen.... Erziehung ist nicht Aufgabe der Polizei“. Im weiteren Verlauf präsentierte Prof. Dr. Christian Pfeiffer seine Forschungsergebnisse aus einer bundesweiten repräsentativen Schülerbefragung zum Thema Gewalt und Medien (siehe dazu ausführlich S. 14) und forderte in seinem Referat einen besseren Schutz Jugendlicher vor Gewalt, zum Beispiel durch wirkungsvollere Kontrollen von gewaltverherrlichenden Computerspielen und Videos. Am Nachmittag boten Workshops zum Thema Gewaltprävention in Familie, Schule und im öffentlichen Raum Gelegenheit zum fachlichen Austausch und gegenseitigen Impuls. Zum Abschluss der Fachtagung wurden das Projektbüro KKP beim Innenministerium sowie die Konzeption der KKP im Ostalbkreis vorgestellt. VIER THESEN ZUR KKP UND VIELE ERKENNTNISSE 19 FÖRDERUNG DER MEDIENKOMPETENZ Medien im Fadenkreuz der Prävention FACHTAG „GEWALTIGES MEDIENANGEBOT“ IN SCHWÄBISCH GMÜND“ Schwäbisch Gmünd. Die Doppeldeutigkeit im Veranstaltungstitel machte es schon deutlich: Umfang und Inhalt des heutigen Medienangebotes sind gewaltig. Das Aufzeigen der pädagogischen Herausforderungen angesichts der schier grenzenlosen Medienwelt war eines der Ziele der Fachtagung im vergangenen April in der SchillerRealschule Schwäbisch Gmünd, die von der Kommunalen Kriminalprävention Schwäbisch Gmünd, dem Förderverein Aktion Sichere Stadt Schwäbisch Gmünd und dem Polizeirevier Schwäbisch Gmünd veranstaltet wurde. 85 Vertreter/innen aus Schulen, Kindergärten, Jugendarbeit und Polizei nahmen daran teil und setzten sich mit einem differenzierten, facettenreichen und komplexen Themenbereich auseinander. Einzelne Aspekte der Tagung stellt KKPaktuell in gesonderten Berichten auf den folgenden Seiten vor. In seinem Grußwort zeigte sich Bürgermeister Dr. Joachim Bläse, der zugleich der 1. Vorsitzende des Fördervereins ist, sehr erfreut, dass die Fachtagung zum aktuellen Thema „Mediennutzung/Medienverwahrlosung“ organisiert werden konnte. Sie entspräche den in den Statuten verankerten Zielsetzungen des Fördervereins, der im Mai 2005 gegründet worden war. Dieser hat sich u. a. auferlegt, „alle Maßnahmen zu fördern, 20 die geeignet sind, der Begehung von Straftaten vorzubeugen, ... kriminalpräventive Initiativen, Aktivitäten und Projekte finanziell zu unterstützen“ sowie „Kriminalitätsaufklärung zu betreiben ...“. Sechs Wochen vor der Veranstaltung habe das Tagungsthema einen aktuellen Bezug bekommen. In Schwäbisch Gmünd musste ein Wohnheim geräumt werden, weil bei einem Schüler ein hochexplosives Selbstlaborat gefunden worden war, das von Entschärfern des Landeskriminalamtes gezündet werden musste. Der Schüler hatte sich die Anleitung dazu aus dem Internet geholt. Das Beispiel zeige, dass neben den pädagogischen Herausforderungen in allen Teilen der Gesellschaft Handlungsbedarf bei der Nutzung von Medien besteht. „Gerade im Hinblick auf die negativen Auswüchse ist es ein gesellschaftliches Anliegen, die jungen Menschen vor den Gefahren menschenverachtender Gewalt und pornografischen Inhalten wirksam zu schützen“, wurde auf dem Tagungsflyer als Grundsatz aufgeführt. Gesetzliche Regelungen legten zudem Werte und Normen fest, um die jugendgefährdenden Medienangebote in gesellschaftlich verantwortende Bahnen zu lenken. Außerdem müsse die Medienkompetenz junger Menschen frühzeitig und nachhaltig gefördert und geschützt werden. Alle Aspekte wurden auf der Fachtagung aufgenommen und in Fachreferaten und Vorträgen im Plenum vorgestellt (siehe Programm). Dazu gehörten die „JIM&KIM-Studie 2006“, strafrechtliche Aspekte anhand von praktischen Beispielen aufgezeigt, Medienerziehung in der Schule, die Vorstellung der KWICK Community sowie die Auswirkungen des Handysektors. Den Abschluss der Fachtagung bildete ein öffentlicher Vortrag eines in Gmünd praktizierenden Kinderpsychologen über den Zusammenhang von Mediennutzung und kindlicher Entwicklung. Thematischer Bezugspunkt war zudem die repräsentative Schülerbefragung, von Prof. Dr. Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen im Jahr 2005 zum Thema Mediennutzung und Schulerfolg, dessen Ergebnisse er 2006 in Schwäbisch Gmünd präsentiert hatte (siehe dazu entsprechenden Artikel in dieser Ausgabe). Marcus Lehmann, Jugendsachbearbeiter beim Polizeirevier Schwäbisch Gmünd, organisierte die Tagung als Abrundung seiner Vortragsreihe von über 50 Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche, Eltern, Lehrer und Lehrerinnen im Schuljahr 2006/2007 in Gmünder Schulen. Den Pädagogen und Pädagoginnen sollte ermöglicht werden, durch Vorträge externer Referenten weitere Aspekte des umfassenden Themas Umgang mit Medien zu erfahren. Durch die Abendveranstaltung sollten die anderen Zielgruppen sowie bisher nicht erreichte Interessierte angesprochen und über die Gefahren falscher Mediennutzung aufgeklärt werden. Tagungsort war die Schiller-Realschule, die nicht nur wegen der räumlichen Nähe zum Polizeirevier als Gastgeber angefragt wurde. Zwischen der Schule, dem Polizeirevier und den Jugendsacharbeitern besteht schon länger eine gute Zusammenarbeit. WEITERE INFORMATIONEN Polizeirevier Schwäbisch Gmünd Marcus Lehmann Telefon 07171 358135 E-Mail marcus.lehmann@ polizei.bwl.de links: Staatsanwalt Karst oben: Bürgermeister Dr. Bläse Eröffnung und Fachreferate MEDIEN IM FADENKREUZ DER PRÄVENTION 21 PROGRAMM Kriminalpolizeiaußenstelle Schwäbisch Gmünd Herr Kriminalhauptkommissar Eisenbeiß Staatsanwaltschaft Ellwangen Herr Staatsanwalt Karst WAS SAGT DAS STRAFRECHT? Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest mpfs Herr Thomas Rathgeb JIM- & KIM-STUDIE 2006 Polizeirevier Schwäbisch Gmünd Herr Marcus Lehmann Bürgermeister & Vorsitzender des Fördervereins der Aktion Sichere Stadt Schwäbisch Gmünd Herr Dr. Joachim Bläse ERÖFFNUNG & ORGANISATORISCHES 20.00 UHR 19.30 UHR MEDIENKOMPETENZ Von mir aus nennt es Wahnsinn“ Fernsehen, PC, Videospiele und kindliche Entwicklung Herr Thomas Fuchs STADTGARTEN ABSCHLUSSVERANSTALTUNG KLEINER IMBISS SMALLTALK, INFOSTÄNDE & Handysektor.de Herr Thomas Rathgeb FACHREFERAT III Medienerziehung in/an einer Schule Frau Katja Schmidt/Herr Peter Betz FACHREFERAT II Kwick Community Frau Sandra Sokola FACHREFERAT I 17.00 - 18.30 UHR FACHREFERATE 15.15 - 16.45 UHR 14.30 UHR 14.00 UHR 13.30 UHR EIN EIGENER COMPUTER IST FÜR Spieler sind längst keine Randgruppen mehr VORSTELLUNG DER KIM UND JIM-STUDIE 2006 Um Orientierung in der dynamischen Medienentwicklung zu bieten, untersucht die Studienreihe KIM – Kinder und Medien – seit 1999 den Medienumgang von Kindern in Deutschland. Für die aktuellste Untersuchung aus dem Jahr 2006 wurden 1203 Kinder im Alter von sechs bis dreizehn Jahren sowie deren Haupterzieher direkt (face-to-face) gefragt. Die repräsentative Langzeitstudie KIM ist ein Forschungsprojekt des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs), dessen Leiter der Geschäftsstelle, Diplom-Sozialwirt Thomas Rathgeb, einige Ergebnisse der Studie auf der Tagung vorstellte. Der mpfs ist eine Kooperation der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) und der Landeszentrale für Medien und Kommunikation RheinlandPfalz (LMK). 22 INTEGRATION Thomas Rathgeb beschränkte sich in seinem Vortrag auf einige wichtige Aussagen und Erkenntnisse aus der Studie. Einige zentrale Aussagen sind hier aufgeführt: • Ein eigener Computer ist für Kinder allerdings noch nicht die Regel: Ein Sechstel der Kinder hat einen eigenen PC zur Verfügung, weniger als zehn Prozent haben einen eigenen Internetzugang. • Die Verbreitung von Computer und Internetzugang in den Haushalten ist weiter angestiegen. Stark zugelegt haben auch MP3-Player, Spielkonsolen und DVD-Player. • Trotz des breiten Medienangebots ist für Kinder weiterhin der Fernseher die erste Wahl: 70 Prozent könnten am wenigsten auf den Fernseher verzichten. • Besonders bei den Jungen und den älteren Kindern gewinnt der Computer an Bedeutung. THEMA MEDIENAUSSTATTUNG THEMA: KINDER UND COMPUTER • Kinder haben heute problemlos Zugang zu Computern und Internet: In neun von zehn Familien steht ein Computer, vier Fünftel der Haushalte sind online. • Der Anteil der Kinder, die Computer nutzen, nimmt stetig zu. • Auch jüngere Kinder nutzen zunehmend Computer. Bereits drei Viertel der Acht- und Neunjährigen nutzen zumindest selten einen Computer. Das Besondere der KIM-Studie ist die Berücksichtung der Eltern bei der Befragung, so könne das familiäre Umfeld des Kindes, zum Beispiel beim Medienumgang, stärker in die Untersuchung miteinbezogen werden. Schwerpunktthemen der KIM-Studie 2006 waren Themeninteressen, Medienausstattung, Freizeitaktivitäten, Medienbindung, Medienfunktionen, Fernsehen, Radio und MP3, Computer, Lernprogramme, Internet/Chat sowie Handynutzung. MEDIENKOMPETENZ Thomas Rathgeb vom mpfs • Am häufigsten verwenden Kinder den Computer zum Spielen • Der Computer wird oft für die Schule genutzt. Lernprogramme werden auch privat verwendet. • Zwei Fünftel der Computernutzer gehen wöchentlich ins Internet. THEMA: KINDER UND INTERNET • Der Anteil der Kinder, die das Internet nutzen, nimmt stetig zu. Über die Hälfte der Kinder haben bereits Erfahrungen im Internet gesammelt. • Das Internet wird vor allem zur Informationsbeschaffung genutzt. • Besonders häufig werden auch Onlinespiele und Seiten für Kinder aufgesucht. • Kinder nutzen gern Seiten im Internet, die sie von anderen Medien – vor allem dem Fernsehen – bereits kennen. • Über interessante Seiten informiert man sich im Freundeskreis • Über ein Drittel der Internetnutzer geht alleine ins Netz. • Mädchen nutzen häufiger die informativen und kommunikativen Elemente des Internets, Jungen bevorzugen die spielerische Ebene. • Die Kommunikation hat bei Kindern noch keine so zentrale Bedeutung wie bei den Jugendlichen: Aber ein Drittel der Internetnutzer kommuniziert regelmäßig per E-Mail, ein Fünftel sucht wöchentlich Chaträume auf. • Die Nutzung von Chats gewinnt für ältere Kinder stark an Bedeutung. • Der beliebteste Chat ist „Knuddels“. Mädchen nutzen verstärkt das Instant Messenger. THEMA: EINSTELLUNG DER ELTERN ZUR COMPUTERNUTZUNG • Nach Angaben der Eltern nutzen 12 Prozent der Kinder fast täglich das Internet alleine. • Aber: Über ein Viertel der Kinder geht ein- oder mehrmals pro Woche gemeinsam mit einem Elternteil ins Internet. • Knapp die Hälfte der Kinder nutzt zumindest einmal pro Woche den Computer für die Schule ohne fremde Hilfe. • Über drei Viertel der Eltern sind der Ansicht, Kinder sollten nur mit Filter im Internet surfen. • Dennoch haben nur zwei Fünftel einen Filter installiert. • Sechs von zehn befragten Eltern sehen sich in der Verantwortung, ihrem Kind Kenntnis zu Computer und Internet zu vermitteln. • Für ein Fünftel ist das Internet kein Begriff. Begleitend zu der KIM-Studie wurde eine weitere Befragung, die sogenannte JIM-Studie (Jugend, Information, (Multi-)Media) durchgeführt, die sich neben anderen Themenschwerpunkten (Handy, Interessen, Informationsquellen) verstärkt mit den neuen Leitmedien Computer und Internet und ihren Nutzern im Jugendalter befasste. Hierbei wurden 1205 Jugendliche SPIELER SIND LÄNGST KEINE RANDGRUPPEN MEHR 23 HÖHERE BILDUNG = zwischen 12 und 19 Jahren von Mai bis Juni 2006 per Telefon befragt. Die JIM-Studie gibt es seit 1998 und ist ebenfalls als Langzeitstudie konzipiert. Diplom-Sozialwirt Thomas Rathgeb fasste auch hier die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammen: • Die Medienausstattung von Jugendlichen ist breit gefächert und nimmt mit dem Alter zu. Geringere Bildung = mehr Fernseher und Spielkonsole, höhere Bildung = mehr Computer und Internet. Ihr Alltag ist stark von Medien dominiert, aber auch andere Freizeitaktivitäten haben große Bedeutung: Freunde, Partnerschaft, Sport, etc. • Der Zugang zu Computer und Internet ist für fast alle Jugendliche gegeben. • Bei Computer und Internetnutzung sind aufgrund der starken Verbreitung nur noch geringe Steigerungen möglich – zukünftig stärkere Aus- 24 INTEGRATION • • • • differenzierung der Anwendungen. Spieler sind keine Randgruppen, über die Hälfte der Jungen zählt zu den regelmäßigen Spielern. Computer- und Konsolenspiele faszinieren hauptsächlich Jungen und Jugendliche mit geringem Bildungshintergrund. Fast die Hälfte der Mädchen spielt nie Computerspiele. Nutzungsmotive bzw. Gratifikationen werden bei Jungen inzwischen stärker bei Computer und Internet befriedigt, bei Mädchen werden diese am besten durch Fernseher und MP3-Player erfüllt. Das Internet wird vor allem für Kommunikation verwendet. Die digitale Technik befriedigt das besondere Bedürfnis der Jugendlichen nach intensiver Kontaktpflege. Beide Studien aus dem Jahr 2006 und den Vorjahren können unter www.mpfs.de herunter geladen werden. KONTAKT KONTAKT Projektbüro klicksafe.de c/o Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK) Rheinland-Pfalz Internet-ABC e.V. Geschäftsstelle c/o Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen Telefon 0621 5202271 Fax 0621 5202279 Telefon 0211 77007-172 Fax 0211 77007-374 E-Mail [email protected] E-Mail internet-abc@ lfm-nrw.de Internet www.klicksafe.de Internet www.internet-abc.de MEDIENKOMPETENZ KONTAKT KONTAKT KONTAKT Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest c/o Landesanstalt für Kommunikation jugendschutz.net – Jugendschutz in Telemedien Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes Internet www.polizei-beratung.de Internet www.polizei-beratung.de Telefon 0711 6699131 Fax 0711 6699111 Internet www.jugendschutz. net www.chatten-ohnerisiko.net E-Mail [email protected] Internet www.mpfs.de SPIELER SIND LÄNGST KEINE RANDGRUPPEN MEHR 25 JUGENDSCHUTZMASSNAHMEN IM Alles über Kwick.de SICHERHEIT UND QUALITÄTSSICHERUNG IN DER ERLEBNIS-COMMUNITY Mehr als 1.000.000 Mitglieder, in Kernzeiten mehr als 40.000 Menschen gleichzeitig online, 500.000 Gästebucheinträge, 3 Millionen Bilder in Fotoalben, 40 Millionen Seitenzugriffe täglich – so lauten die Kennzahlen von „Kwick.de“, eine der größten Gemeinschaften in Deutschland, die mittlerweile nicht nur online, sondern auch offline und mobil zu erreichen ist. Sandra Sokola stellte die Plattform, die von der Firma KWICK! Community GmbH & Co. KG in Weinstadt betrieben wird, in einem der Fachreferate vor. Dabei ging die Mitarbeiterin des Unternehmens vor allem auf die Punkte Qualitätssicherung und Jugendschutz ein, die auch im Publikum lebhaft diskutiert wurden. Wer in der Community Mitglied ist, der möchte vor allem neue Leute kennen lernen, mit Freunden kommunizieren oder Events besuchen. Die Kontaktaufnahme ist schnell und einfach über Chat, Messages, Mail und Gästebuch. Außerdem gibt es zahlreiche Diskussionsforen. Der virtuelle Austausch ist für junge Menschen ab 16 Jahren gedacht, das Mindestalter beträgt 14 Jahre. Und hier beginnen bereits die Schwierigkeiten. Zwar würden die meisten Mitglieder ihr korrektes Alter angeben, vernünftig überprüft werden können die Altersangaben aber nicht. „Eine 26 INTEGRATION aktive Teilnahme an der Gemeinschaft mit falschen Angaben macht wenig Sinn“, erläuterte Sokola, denn die Mitglieder werden Altersklassen zugeordnet und bekommen automatisch entsprechend gefilterte Daten, zum Beispiel Mitgliederlisten, Foren, Themen, Beiträge, Profilinformationen, Fotogalerien. ... Weil es in der Community einen Generationenkonflikt gibt, sind die Foren strikt getrennt: für unter 18-Jährige einerseits und 18 Plus andererseits. Das ermöglicht auch den Kooperations- und Werbepartnern ganz gezielt nach Altersgruppe zu werben. KWICK! finanziert sich durch Werbung, da die Teilnahme für Mitglieder kostenlos ist und auch bleiben soll. Andererseits können mit der Alterstrennung Jugendschutzbestimmungen leichter eingehalten werden. Kontakte unterschiedlicher Alterskategorien seien nur über einen Freundschaftsantrag möglich, und die Kontaktaufnahme zu einem Erwachsenen dürfe nur vom Minderjährigen ausgehen. So könne ein 40-jähriges Mitglied kein 15-jähriges Mitglied anschreiben, ein 15-jähriges Mitglied kann aber ein 40-jähriges Mitglied kontaktieren, erläuterte Sandra Sokola. Zusätzlichen Schutz stellten die Privatsphäre-Optionen dar, die die Be- rechtigungen für andere einschränkten. Zum Beispiel: Mitglieder können andere Mitglieder sperren und somit eine Kontaktaufnahme unmöglich machen, einzelne Funktionen können jedem, nur den sog. Buddys (Freunde) oder auch niemandem zur Verfügung gestellt werden. Dabei können das Mindest- und das Höchstalter der User festgelegt werden. Verstöße gegen diese Regelungen sowie gegen das Jugendschutzgesetz, Urheberrecht (fremde Bilder, Texte etc. werden ohne Genehmigung weiter verwendet), Fälle von Rassismus/Nationalsozialismus, Verherrlichung von Gewalt, pornografische Darstellungen im öffentlich zugänglichen Bereich oder verbale Gewalt, die aufgrund der Anonymität sehr häufig vorkommt, können die Mitglieder dem OnlineTeam von KWICK! melden. Dieses besteht aus mehr als 250 freiwilligen, ehrenamtlichen Helfern, „die es sich zur Aufgabe gemacht haben, für ein angenehmes Miteinander auf KWICK! zu sorgen“, wie auf der PowerPointPräsentation zu lesen ist, und die meisten Bereiche der Community (Chats, Clans, Foren, Profile, Fotogalerien) betreuen. Verstoßmeldungen sollen so schnell wie möglich bearbeitet werden, entsprechende Textpassagen bzw. Bilder werden gelöscht, verantwortliche Mitglieder angeschrieben, verwarnt oder gesperrt. Es werden Personalakten über auffällige User und Log-Bücher geführt, um für MEDIENKOMPETENZ Sandra Sokola, Qualitätssicherung Kwick! Community alle Team-Mitarbeiter Transparenz zu schaffen. „Jeder Schritt des Teams wird dokumentiert und ist auch später nachvollziehbar“. Zur Qualitätssicherung innerhalb der Community gehört die Zusammenarbeit von KWICK! mit der Polizei. Zum einen wurden beispielsweise Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Jugendschutz bei der Polizeidirektion Waiblingen besucht, aber auch Multiplikatorenschulungen bei der Bereitschaftspolizei Böblingen wahrgenommen und zum anderen besteht eine enge Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden. KWICK! gibt auf polizeiliche Anfragen, denen eine Anzeige zu Grunde liegt, vorhandene Daten preis, auffällige User werden den Polizeidienststellen gemeldet, während der Sitzung werden IP-Adressen zur Identifizierung mitgeloggt und Missbrauchsfälle an Polizei und Staatsanwaltschaft herausgegeben, so Sandra Sokola. Trotz der Regelungen gebe es einige problematische Bereiche. Die User sind anonym, was die Hemmschwelle bei Beleidigungen sinken ließe, die Inhalte sind zudem so umfangreich, dass nicht alles immer auf seine Richtigkeit überprüft werden kann und noch nicht alle Bereiche von KWICK! sind ausreichend personell besetzt. Auch einer erneuten Anmeldung zu KWICK! kann nur bedingt entgegen gewirkt werden. Außerdem missbrauchten einige Mitglieder die Funktion „Verstoß melden“ und meldeten aus Spaß. Zum Abschluss ihres Vortrags gab die Mitarbeiterin von KWICK! einen Ausblick, wie die Community sich weiter entwickeln soll. Zum einen werde an einer Automatisierung gearbeitet, um das Auffinden von Fake- und Schmuddelprofilen zu erleichtern. Die Einführung eines Ranking-Systems könnte dabei helfen, Mitglieder nach ihrer „Vertrauenswürdigkeit“ einzuschätzen. Außerdem soll die Benutzerfreundlichkeit verbessert und eine leichtere Handhabung ermöglicht werden. Mitglieder sollen sich künftig leichter zurechtfinden und mehr Möglichkeiten haben, ihre Privatsphäre zu schützen. Jugendschutzmaßnahmen sollen weiter ausgebaut werden. ALLES ÜBER KWICK.DE 27 „VOM LEICHTMATROSEN ZUM Aufspringen auf den Zug des Fortschritts MEDIENERZIEHUNG IN DER SCHULE Um andere Schulen zu ermutigen, stärker als bisher Medienerziehung im Schulcurriculum zu berücksichtigen, haben Peter Betz und Katja Schmidt, beide Lehrer und Medienerzieher an der Mozartschule, einer Grund- und Hauptschule in Schwäbisch Gmünd, eine Vortragsreihe sowie Unterrichtsmaterialien entwickelt, die bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise ansetzen. Im Fachreferat III der Tagung stellten sie ihr Konzept vor. Eltern, Schüler und Lehrer müssen dabei – wenngleich in differenzierter Weise – angesprochen werden, lautet das Credo der Fachlehrer, die dieses Modell bislang erfolgreich umgesetzt haben, wohl wissend mit welchen Rahmenbedingungen Schulen konfrontiert werden. Mit der Einführung der neuen Bildungspläne in Baden-Württemberg bekamen die Schulen einen größeren Spielraum in der Gestaltung ihres eigenen Profils. Gleichzeitig sollte aber auch Medienerziehung im Schulcurriculum stärker berücksichtigt werden. Leitfach dafür sollte das Fach Deutsch sein, das in der Praxis – so die Erfahrungen der beiden Lehrer – ohnehin schon viel auffangen muss, um Schüler mit zunehmend sprachlichen Defiziten zu fördern. Medienerziehung werde da 28 INTEGRATION ganz schnell stiefmütterlich behandelt, beschreiben sie die Situation. Dass dieses nicht so sein muss, machen sie am Handy-Projekt in der 7. Klasse deutlich, das idealerweise alle Fächer mit einbezieht. Im Fach Mathematik werden rechnerisch die Kostenfallen der Handytarife aufgedeckt, Wirtschaftslehre/Informatik befasst sich mit den technischen Funktionen und den gängigen Abkürzungen, im Fach Deutsch können Gedichte im Handy-Format geschrieben werden, der Englisch-Unterricht geht auf die Fachbegriffe ein, in den Fächern Kunst und Musik bietet es sich an, Klingeltöne, Hintergrundbilder oder ganze Kurzfilmchen zu produzieren, selbst in Hauswirtschaft oder Technik lassen sich Accessoires für das Handy produzieren. Projekte in anderen Klassenstufen, zum Beispiel das Führen eines Medienlogbuchs können sich anschließen –vorausgesetzt, entsprechendes Unterrichtsmaterial liegt vor. Diese Voraussetzungen haben die Medienerzieher der Mozartschule geschaffen. So entstanden die Kopiervorlagen „Zappen, klicken, simsen – Schritte zur Medienkompetenz“. Vom Kriminologischen Institut Niedersachsen wurden das Projekt und dazugehöriges Unterrichts- und Informationsmaterial „Vom Leichtmatrosen zum Medienlotsen“ für dritte und vierte Klassen übernommen. Alles mit dem Ziel, das MEDIENKOMPETENZ Medienbewusstsein der Schüler zu wecken und zu schärfen, damit sie entsprechende Angebote auswählen, kritisch hinterfragen und beurteilen und sich so vor den Gefahren schützen lernen. Auch Lehrer sollten offen sein für neue Medien, ihre Vor- und Nachteile kennen, Fort- und Weiterbildungsangebote nutzen, Fachliteratur kennen, um sich mit der Medienerziehung auseinandersetzen zu können. Unverzichtbar im ganzen Modell ist die Zusammenarbeit mit den Eltern. Erschreckend oft wüssten nur wenige Eltern darüber Bescheid, welche Auswirkungen exzessiver Medienkonsum haben kann. Insofern werden an der Schule Informationsabende veranstaltet, ein Elternrundbrief eingerichtet, in dem über Neuerungen berichtet und Fortbildungsangebote empfohlen werden. Eigens wurde ein Elternratgeber „Was tun? So kommt mein Kind vom Bildschirm los“ erstellt. Eltern sollten immer Interesse daran haben, was ihre Kinder mit den Medien tun, über Neuerungen Bescheid wissen und sich im Dschungel der Medienlandschaft auskennen, um im „Zug des technischen Fortschritts“ Platz nehmen zu können, so das recht bildliche Fazit von Katja Schmidt und Peter Betz: Umgang mit den neuen Medien, sind jedoch meilenweit entfernt von einem verantwortungsbewussten Umgang damit. Wir Erwachsene sind im Moment diejenigen, die den Zug abfahren sehen. Manche von uns haben sich noch im letzten Moment einen Platz gesichert und fahren mit. Wieder andere laufen dem Zug hinterher und werden es bestimmt auch schaffen, rechtzeitig aufzuspringen. Doch leider stehen im Moment noch viel zu viele von uns Pädagogen und Erziehern da und sehen zu, wie der Zug ohne uns abfährt.“ Die Bücher von Katja Schmidt und Peter Betz gibt es beim AOL Verlag: WAS TUN? SO KOMMT MEIN KIND VOM BILDSCHIRM LOS! Preis 8,95 Euro Bestell-Nr. X748 ZAPPEN, KLICKEN, SMSEN – SCHRITTE ZUR MEDIENKOMPETENZ Preis 13,95 Euro Bestell-Nr. X449 AOL Verlag Telefon 07227 95880 Fax 07227 958895 Internet www.aol-verlag.de „Der Zug des technischen Fortschritts fährt mit rasanter Geschwindigkeit in die Zukunft. Unsere Kinder und Jugendlichen sitzen bereits in diesem Zug, sie kennen sich bestens aus im AUFSPRINGEN AUF DEN ZUG DES FORTSCHRITTS 29 WWW.HANDYSEKTOR.DE Handy ist Bestandteil des Alltags WWW.HANDYSEKTOR.DE BIETET INFORMATION UND AUFKLÄRUNG Handynutzung durch Jugendliche und das Onlineangebot www.handysektor.de waren die Themen des vierten Fachreferats. Diplom-Sozialwirt Thomas Rathgeb zeigte in einer Power-Point-Präsentation Auszüge aus der JIM- und KIM-Studie speziell zur Entwicklung der Handygewohnheiten der Jugendlichen. Rathgeb ist seit 1997 Referent bei der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, Abteilung Kommunikationswissenschaft mit dem Zuständigkeitsbereich Programmaufsicht, Programmbeobachtung, Programmforschung, sowie Prüfer bei der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Seit 2004 ist er Leiter der Geschäftsstelle des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs). Das Handy ist genauso wie Fernsehen, Computer und Internet Bestandteil des heutigen Alltags von Jugendlichen und Kindern und daraus nicht mehr wegzudenken. Seit 1998 sei die Verfügbarkeit von Handys deutlich gestiegen: in allen Altersklassen und in allen Schularten. So besaßen 92 Prozent der befragten Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 im Jahr 2006 ein Handy. „Die Marktdurchdringung ging schneller als oftmals erwartet“, so ein Fazit der Studie. Deutlich sei auch geworden, dass die Nutzung des Handys über das Telefonieren hinausgeht. Immer mehr werde das Handy zum mobilen PC mit Datenübertragung, 30 INTEGRATION Multimedia-Anwendungen (Foto, Video) und Internetnutzung. Dennoch: als wichtigste Handy-Funktion wurde von den meisten Befragten in der gegenwärtigen Studie das Versenden von SMS genannt. „Dies wird sich schnell ändern“, so die Prognose, und damit sind weitere Problemfelder vorprogrammiert. Schon jetzt entziehe sich die Handynutzung und ihre Kontrolle den Sozialisationsinstanzen Eltern und Schule. Sieben Prozent der Jugendlichen haben schon mal brutale Videos oder Pornofilme aufs Handy gespielt bekommen, 34 Prozent gaben an, dass ihnen dieses von Freunden bekannt sei. Dass eine Schlägerei mit einem Handy gefilmt wurde, haben 17 Prozent der befragten Jugendlichen mitbekommen. Hauptschüler öfter als Realschüler und Gymnasiasten. Und Probleme oder Schwierigkeiten bei der regelmäßigen Zahlung der Handykosten haben acht Prozent der jugendlichen Handybesitzer. Mit den Sicherheitsrisiken beim Handy-Gebrauch (Schuldenfalle, Risiken bei der Datensicherheit, Gesundheitsrisiken durch Strahlung und jugendgefährdende Inhalte) sind die meisten Jugendlichen überfordert und sollten gezielt darüber aufgeklärt werden, so die Meinung von Experten. Die Medienkompetenz im Umgang mit der Mobilkommunikation müsse gefördert werden, lautet eine Zielsetzung von MEDIENKOMPETENZ Thomas Rathgeb vom mpfs Infoblatt Gewaltvideos auf Schülerhandys www.handysektor.de, einem Onlineangebot zur Förderung von Medienkompetenz, das in Zusammenarbeit der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) und dem medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest entwickelt wurde. Die Internetseite ist ein werbefreies Angebot, das sich vor allem an die Zielgruppe der 12- bis 19-Jährigen richtet. Jugendaffine Gestaltung, Design und Sprache sollen Jugendliche direkt ansprechen. Geboten werden dort unter anderem alltagsnahe Beispiele, die über die Risiken bei der Handynutzung aufklären, aktuelle Hinweise auf neueste technische Entwicklungen, deren Potenziale und Gefahren sowie Tipps und Hilfestellungen für eine sichere Anwendung von Handy, Notebook, WLAN und Bluetooth. Fragen von Handynutzern werden auf der Plattform genauso beantwortet wie Hinweise und Links zu weiteren Informationen gegeben. Technische Begriffe werden zielgruppenspezifisch erklärt und in interaktiven Animationen können zum Beispiel Klingeltöne selbst entworfen werden. KONTAKT BESTELLUNG Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest c/o Landesanstalt für Kommunikation Gewalt auf Handys Telefon 0711 6699131 Fax 0711 6699111 E-Mail [email protected] Internet www.mpfs.de Drei-W-Verlag GmbH Telefon 02054 5119 Fax 02054 3740 Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes Internet www.polizeiberatung.de E-Mail [email protected] Internet www.drei-w-verlag.de Bestell-Nr. 1015 Preis 1 Euro + Versandkosten Auch Eltern und Pädagogen bietet handysektor eine Orientierungshilfe in der mobilen Welt. HANDY IST BESTANDTEIL DES ALLTAGS 31 „ABI-WARM-UP-PARTIES“ KEINE HAPPY-HOUR-ANGEBOTE UND FINDEN ADÄQUATEN ERSATZ FLATRATES Statt Alkoholexzessen Ballkultur Bei der Unterzeichnung der Regeln für die Bälle ERFOLGREICHE KONZERTIERTE AKTION IN SINGEN Noch bis vor einem Jahr gehörten die sogenannten „Abi-Warm-Up-Parties“ mit Happy-Hour und dem Verkauf von hochprozentigem Alkohol zu den schulischen Veranstaltungen in Singen – wie in anderen Städten auch. Aus dem Erlös dieser Parties sollten die Abi-Feiern und Abi-Streiche finanziert werden. Doch nach eskalierenden Alkoholexzessen, Ausschreitungen und Fällen von Körperverletzungen, gaben diese Veranstaltungen mehr Anlass zur Sorge als zur Freude. Ein Zustand, den die Singener Kriminalprävention (SKP), Polizei und die Schulleiter der vier Gymnasien so nicht akzeptieren wollten. An einem runden Tisch, an dem auch Elternvertreter/innen und Schüler/innen teilnahmen, wurde ein Konzept für eine neue Schulball-Kultur entworfen und vereinbart, das zum einen das Gelingen der Schulveranstaltung ermöglichen, gleichzeitig aber auch das Risiko minimieren sollte. Statt Abi-Warm-Up-Parties gibt es wieder traditionelle Frühlings- und Herbstbälle mit festen Veranstaltungsregeln. Dazu gehört zum Beispiel, dass der Kreis der Veranstaltungsgäste beschränkt wurde, dass HappyHour-Angebote, Flatrate-Aktionen und 32 INTEGRATION der Ausschank hochprozentigen Alkohols oder Alcopops gestrichen wurde. Stattdessen werden Bier, Wein, Sekt und mehrere alkoholfreie und günstigere Getränke verkauft. Jeder Gymnasiast darf für sich und einen weiteren Besucher eine Eintrittskarte erwerben, um den Kreis der Gäste überschaubar zu halten. Feste Regeln gibt es auch für die Dauer der Veranstaltungen und das Alter der Besucher. Jeder Gast muss sich ausweisen können, Armbänder unterscheiden die Besucher „über 18“ und „unter 18“, die um 24 Uhr die Veranstaltungen verlassen müssen. Schüler unter 16 Jahren haben gar keinen Zutritt und die Veranstaltungen enden um 2 Uhr. Auch der Veranstaltungsort wurde geändert. Damit die Schüler nicht teure Diskotheken anmieten müssen, wird die städtische Scheffelhalle gemietet. Um Störungen von außen und ungebetene Gäste zu vermeiden, ist die Polizei vor der Halle präsent. Im Mai dieses Jahres fanden die ersten Frühlingsbälle mit insgesamt knapp 1100 Besuchern nach den neuen Regeln statt. Die Resonanz war positiv. Es gab keinerlei Zwischenfälle, gewalttätige Auseinadersetzungen oder Sachbeschädigungen im Umfeld der Halle. Mit der neuen SchulballKultur haben die Singener Schulen einen neuen Weg beschritten, der im Landkreis Konstanz bisher einzigartig ist, aber bald Nachahmer finden wird. Und die Aktion in Singen hat noch etwas anderes gezeigt, wie Oberbürgermeister Oliver Ehret bei einem Pressetermin sagte: „Insgesamt gesehen dokumentiert sich mit dieser konzertierten Aktion das netzwerkorientierte Arbeiten der SKP, welche zu gewissen Problemstellungen die nötigen Akteure an den Tisch holt, um einen Problemlösungsvorschlag zu erarbeiten“. WEITERE INFORMATIONEN Stadt Singen Kriminalprävention Michael Gnädig Telefon 07731 85115 Fax 07731 85103 E-Mail [email protected] ANGEBOTE FÜR ELTERN, LEHRER, JU- JUGENDSCHUTZ GENDLICHE, VERANSTALTER, GEWER- SUCHTPRÄVENTION ALKOHOL- UND DROGENPRÄVENTION, BETREIBENDE ... Neuer Internet-Auftritt www.bleib-klar.de COCKTAIL BLEIB-KLAR! Die geachtelte Limette und den braunen Zucker mit einem Holzstößel quetschen, einen Schuss Lime Juice dazu und das Glas mit Crushed Ice auffüllen. www w w Zutaten 8/8 Limetten 2 TL braune Schuss Limes Juice Maracujasaft Chrushed Ice Caipiglas Maracujasaft bis oben einfüllen und mit einem langen Löffel alles kräftig durchshaken. Das Glas nochmals mit Crushed Ice auffüllen und eine Scheibe Limette mit einer Cocktailkirsche zur Dekoration anstecken. INFORMATIONEN AUS EINER HAND „BLEIB KLAR! Gegen Alkohol - und Drogenmissbrauch“ heißt die neue Internetpräsenz der gleichnamigen Partnergemeinschaft unter Beteiligung der Polizei Baden-Württemberg - eine zentrale Internetplattform mit einem umfangreichen und kompetenten Informations- und Serviceangebot zum Konsumverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Unter www.bleib-klar.de finden Interessierte vielschichtige Informationen zum Thema Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie zu Präventionsmaßnahmen und -angeboten. Gedacht ist die Seite für Eltern, Lehrer/innen und Erziehungsbeauftragte, die sich über Regeln des Jugendschutzgesetzes informieren wollen, genauso wie für verantwortungsvolle Veranstalter und Gewerbetreibende, die durch Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen helfen, junge Menschen vor Alkohol und Drogenmissbrauch zu schützen. Aber auch Jugendliche und junge Erwachsene haben hier Gelegenheit, sich mit dem Thema Alkohol, Nikotin und Drogen kritisch auseinander zu setzen. Die Themenpalette ist vielfältig: Alkohol- und Drogenprävention, legale, illegale Drogen, Jugendschutz werden behandelt und aktuelle News angeboten, so zum Beispiel, dass Se- bastian Freis, Spieler beim Karlsruher SC, aktueller Botschafter der Aktion „BLEIB KLAR!“ ist. Neben vielen Informationen gibt es ein ansprechendes Serviceangebot: Kompetente Referenten für Vorträge, zum Beispiel in Schulen, können über die örtliche Polizeidienststelle vermittelt werden, die Homepage ist mit fachlich versierten Ansprechpartnern und weiterführenden Informationsquellen verlinkt. CD-ROM’s zum Konsumverhalten Jugendlicher und zum Schwerpunkt „Alkohol im Straßenverkehr“ werden ebenso angeboten wie auch ganze Medienpakete zu bestimmten Themen oder Anlässen. Veranstalter erhalten hier Druckvorlagen beispielsweise für Ausweiskontrollen, Übersichten und Gesetzestexte zum Jugendschutzgesetz. Banner, Plakate, Broschüren oder Flyer können herunter geladen werden. Audiovisuelle Medien wie die Programmdatei „Die letzte Sekunde“ und die DVD „Du fehlst“ komplettieren das Serviceangebot. Nicht minder interessant ist die Möglichkeit, sein eigenes Präventionsprojekt ins Internet einzustellen, um zur Nachahmung zu ermuntern. des Internetauftrittes erfolgt durch die Koordinierungs- und Entwicklungsstelle Verkehrsprävention Baden Württemberg (KEV-BW) beim Regierungspräsidium Tübingen. Partner der Aktion „BLEIB KLAR! Gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch“ sind das Landesgesundheitsamt, der Landessportverband, der Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr, GIB ACHT IM VERKEHR, die Innungskrankenkasse Baden-Württemberg und Hessen, die Unfallkasse Baden-Württemberg und die kommunalen Suchtbeauftragten in BadenWürttemberg. Eine fachliche Mitarbeit erfolgt durch die Aktion Jugendschutz (AJS) Baden-Württemberg. WEITERE INFORMATIONEN Koordinierungs- und Entwicklungsstelle Verkehrsprävention Baden-Württemberg (KEV-BW) Dieter Speiser Telefon 07071 972-30902 E-Mail [email protected] oder Polizeidirektion Aalen Thomas Maile Telefon 07361 580-430 E-Mail thomas.maile@ gib-acht-im-verkehr.de drink nk Verantwortlich für den Internetauftritt ist das Projektteam „BLEIB KLAR!“, zu dem neben Kolleginnen und Kollegen verschiedener Polizeidirektionen und des Landeskriminalamtes Vertreterinnen und Vertreter der Partnerorganisationen gehören. Die Betreuung STATT ALKOHOLEXZESSEN BALLKULTUR You can drink and drive! NEUER INTERNETAUFTRITT WWW.BLEIB-KLAR.DE 33 „WAS BEI DIESEM PROJEKT RAUSKOMMT, „MIT UNSEREN VIELFÄLTIGEN AKTIONEN HÄNGT STARK VON DEN BETEILIGTEN AB“ UND VERANSTALTUNGEN HABEN WIR FAST JEDEN RIEDERICHER ERREICHT“ „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“ RIEDERICH WAR EIN SCHULJAHR LANG MODELLGEMEINDE IM SUCHTPRÄVENTIONSPROJEKT Riederich. Ein ganzes Schuljahr lang war Riederich im Landkreis Reutlingen Modellgemeinde in einem Suchtpräventionsprojekt des Landkreises, bei dem Vereine, Schule, Polizei, Jugendeinrichtungen, Volkshochschule und viele andere Institutionen an einem Strang zogen und mit rund 20 Aktionen und Veranstaltungen fast jeden Riedericher erreichten. Fazit zum Projektende: „Nachahmung durch andere ausdrücklich gewünscht“. Die Diskussionen um die Alcopops und den immer früher stattfindenden Einstieg in den Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen hatten den Ausschlag für das Projekt gegeben. Im Arbeitskreis Suchtprophylaxe im Landkreis Reutlingen hatte sich eine Arbeitsgruppe gegen Alkoholmissbrauch gegründet, um zielgerichteter dagegen vorgehen zu können, aber vor allem um umfassend über Suchtgefahren aufklären und informieren zu können. Für das Projekt „Gemeinwesenbezogene Suchtprävention“ hatte der Arbeitskreis eine Modellgemeinde gesucht und mit Riederich auch gefunden. „In Riederich gibt es keine offensichtlichen Drogenprobleme“, hatte Uwe Köppen, der Suchtbeauftragte des Landkreises Reutlingen, bei der Vorstellung des Projektes in der Öffentlichkeit unterstrichen. Vielmehr wurde die Gemeinde als Modellprojekt ausgewählt, weil die Vorgaben hier stimmten: mit 4.500 Einwohnern überschaubar, mit Grund- und Hauptschule und einem funktionierenden Vereins- und Sozialwesen. Ein Schuljahr lang (von September 2005 bis Mai 2006) wurde in unterschiedlichen Aktionen auf das Thema Sucht aufmerksam gemacht. Landrat Dr. Thomas Reumann betonte bei der offiziellen Eröffnungsveranstaltung im Oktober 2005 „wie außerordentlich wertvoll das Projekt ist, nicht nur für die Gemeinde, sondern für den gesamten Landkreis, denn man erhoffe sich Erkenntnisse, die auf andere Gemeinden übertragbar sind“. Mit dem Modell würden neue Wege in der Suchtprävention beschritten, die aus der Einsicht resultieren, „dass mit einem althergebrachten, eindimensionalen Verständnis von Suchtprävention die Probleme nicht zu bewältigen sind“, so Reumann. Nur in der Vernetzung der Hilfsangebote und einer Beteiligung möglichst vieler Bürger bestehe die Chance, Sucht zu verhindern. In der Projektphase war vor allem die Initiative der Riedericher Bürger gefragt. Und dies war besonders wichtig dabei. „Wir schütten jetzt nicht ein Jahr lang den Koffer mit Veranstaltungen über Riederich aus“, hatte der Suchtbeauftragte vorab gesagt. „Was bei diesem Projekt rauskommt, hängt stark von den Beteiligten ab“. Und rausgekommen ist einiges. Auch wenn die Abschlussdokumentation noch nicht in gedruckter Form vorliegt, die Bilanz des Projektjahres kann sich sehen lassen. „Mit unseren vielfältigen Aktionen und Veranstaltungen haben wir fast jeden Riedericher erreicht“, so das Fazit von Köppen. Nach einer erfolgreichen Auftaktveranstaltung der Aktion zum Ende der Sommerferien nahm das Modellprojekt nach und nach Gestalt an. Das Riedericher Jugendhaus hatte beispielsweise angeregt, Spielsucht zu einem möglichen Übegabe der Spende der DAK Bücherlesung „genug geschluckt“ 34 INTEGRATION FAZIT: „NACHAHMUNG DURCH ANDERE SUCHTPRÄVENTION AUSDRÜCKLICH GEWÜNSCHT“ Thema zu machen, die Volkshochschule bot an, einen Kurs über Ernährung und gesunde Esskultur anzubieten. Die Bibliothek lud nicht nur die achte Klasse zu einer Lesung mit Lindenhof-Darsteller Hardy Lutscher ein, der aus Inge Meyer-Dietrichs Buch „Genug geschluckt“ las, sondern stellte einen entsprechenden Büchertisch zum Vertiefen des Themas zusammen. In diesem Kontext konnte auch eine Spende der DAK zum Erwerb neuer Präventionsliteratur für die Bibliothek entgegengenommen werden. „Dunkle Tage“ hieß der Film, den der Freundeskreis Suchtkranker Mittelstadt Riederich zeigte und der intensiv diskutiert wurde. Auf den Weg gebracht wurde auch das totale Rauchverbot an der Gutenbergschule, das Schüler, Lehrer und Hausmeister mit einbezieht. Zeitgleich beschloss der Gemeinderat, dass künftig alle öffentlichen Einrichtungen rauchfrei bleiben. Es gab einen Ragga-Tanzkurs, Workshops für Eltern, Vorträge und Informationsveranstaltungen für Vereine zu einer „Festkonzeption“, spezielle Unterrichtseinheiten in unterschiedlichen Klassenstufen, ein Streetsoccer-Turnier und ein großes Rockkonzert – ohne Alkohol. Markus Lorenz, Präventionsbeamter in Reutlingen, war gleich mehrmals in der Riedericher Gutenbergschule, um sich gezielt und getrennt an Schüler, Eltern und Lehrer zu wenden. Was die Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Zukunft mit Sucht zu tun haben, kam in der Kooperation zwischen Riedericher Unternehmen und der Gutenbergschule zum Ausdruck, die einen Ausbildungspakt schlossen, um jun- gen Menschen eine Lebensperspektive nach dem Hauptschulabschluss geben zu können. Köppen hofft, dass das Beispiel in Riederich Schule macht und in den Kommunen gehandelt wird, „bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“. Nicht zu unterschätzen sei auch der Impuls der Aktion für das Gemeinwesen in Riederich selbst gewesen, sagte Bürgermeister Klaus Bender beim so genannten Dankeschön-Abend und lobte das vielfältige Engagement der Bürger, obwohl keine akute Problemsituation vorlag. Er hob die vielen Anstrengungen hervor und bewunderte die Motivation der Beteiligten, sich auch dann nicht verunsichern zu lassen, wenn eine Veranstaltung mal nicht so gut besucht war. Die Projektphase habe auch das gute Zusammenleben innerhalb der Gemeinde gezeigt. Wie hatte Landrat Dr. Reumann so schön in seinem Grußwort ein afrikanisches Sprichwort auf den suchtpräventiven Ansatz bezogen: „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen!“. Riederich scheint ein solches Dorf zu sein. WEITERE INFORMATIONEN Landratsamt Reutlingen Kreissozialamt – Sozialplanung Uwe Köppen Telefon 07121 4804012 Fax 07121 4801813 E-Mail uwe_koeppen@ kreis-reutlingen.de Internet www.kreis-reutlingen.de Jugendtag in Riederich „MAN BRAUCHT EIN GANZES DORF, UM EIN KIND ZU ERZIEHEN“ 35 LANDKREISWEITE AKTION „JUGEND- INFORMATION UND EINBINDUNG SCHUTZ UND ALKOHOLPRÄVENTION“ VERSCHIEDENSTER INSTITUTIONEN Vorbildliche Strategie zur Suchtvorbeugung LANDKREIS ESSLINGEN ARBEITET SEIT 15 JAHREN KONTINUIERLICH UND ERFOLGREICH Schon zum dritten Mal wurde der Landkreis Esslingen im bundesweiten Wettbewerb „Alkoholprävention vor Ort – vorbildliche Strategie kommunaler Suchtprävention“ für seine Arbeit in der Suchtprophylaxe ausgezeichnet. Im Juli vergangenen Jahres konnten die Vertreterinnen der Suchtprophylaxe des Landkreises und ein Vertreter der Polizeidirektion den mit 8.000 Euro dotierten 1. Preis in der Kategorie Landkreise in Berlin entgegen nehmen. Die wiederholte Auszeichnung ist nicht zuletzt Ergebnis einer kontinuierlichen und konsequenten Arbeit in der Suchtprävention seit 15 Jahren. Hier sollen einige erfolgreiche Projekte, Voraussetzungen und Grundlagen dieser Arbeit dargestellt werden. von der Jugend- und Drogenberatung und den Psychosozialen Beratungsstellen landkreisweit initiiert: Angebote für Schulklassen, Elternabende und Unterstützung bei Projekttagen und Präventionsprojekten. Die breite Angebotspalette erstreckt sich von Aktionen in den Bereichen Elternhaus, Kindergarten, Schule, Jugendarbeit, Jugendhilfe, Verein, Altenpflege, Betrieb und Verwaltung sowie Straßenverkehr. Dieser vielschichtige suchtpräventive Ansatz überzeugte auch die Jury in Berlin beim bundesweiten Wettbewerb. Sie würdigte besonders drei Schwerpunkte: die landkreisweite Aktion „Jugendschutz und Alkoholprävention“, das Peer-Projekt an Fahrschulen sowie die Angebote für Kinder in suchtbelasteten Familien. AKTIONSKONZEPT „JUGENDSCHUTZ UND Lang ist die Liste der Maßnahmen und Angebote zur Suchtprävention im Landkreis Esslingen. Unter der Federführung der Beauftragten für Suchtprophylaxe fanden allein im Jahr 2006 insgesamt 350 Veranstaltungen, Projekte, Arbeitskreis- und Planungssitzungen statt. Zusätzlich wurden mehr als 180 Veranstaltungen 36 INTEGRATION ALKOHOLPRÄVENTION“ Die erfolgreiche konzertierte Aktion von Polizeidirektion und Landratsamt Esslingen „Jugendschutz und Alcopops“ im Jahr 2004/2005 wurde von 2006 an auf Alkoholprävention insgesamt ausgeweitet. Im Vordergrund stehen dabei die Information und Einbindung vieler verschiedener Institutionen. Polizeibeamte und Jugendsach- FAHRLEHRER HABEN EINE WICHTIGE -TRAINER IN VEREINEN, FEUERWEHR ... SCHLÜSSEL-ROLLE INNE SUCHTPRÄVENTION FORTBILDUNG FÜR JUGENDLEITER/ bearbeiter der Polizei informierten Einzelhandelsgeschäfte, Verkaufsund Tankstellen über die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes, das den Verkauf von Alcopops erst ab 18 Jahren zulässt. Für Veranstaltungen von Kommunen und Vereinen wurden spezielle Veranstaltungshinweise und Informationen erarbeitet und zur Verfügung gestellt. Besonderer Schwerpunkt wurde auf Sportvereine gelegt und auch der Zugang zu den Feuerwehren konnte gelingen, zumal sich dort mehr als 1.000 Jugendliche in der Jugendarbeit engagieren. Geplant und realisiert wurden zudem Informationsveranstaltungen über die Folgen von Alkoholkonsum und Präventionsmöglichkeiten für Vereinsvorstände, Fortbildungen für Jugendtrainer und Jugendleiter zum Umgang mit konsumierenden Jugendlichen und ein Beratungsangebot zur Entwicklung eines Gesamtkonzeptes Suchtvorbeugung für den jeweiligen Verein. Die gesamte Aktion wurde mit Pressearbeit und Informationsständen begleitet. PEER-PROJEKT AN FAHRSCHULEN Besonderes Augenmerk wird im Landkreis Esslingen auf die Zusammenarbeit mit Fahrschulen gelegt. Nachdem Fahrlehrern eine wichtige Schlüssel-Rolle zwischen Schule und Beruf zukommt, um Jugendliche zu erreichen, ist das Peer-Projekt ein weiterer wichtiger Schritt in der Suchtprävention. Gemeinsam mit dem Landesgesundheitsamt, dem Sozial- und Innenministerium und dem Landesverband der Fahrlehrer wurde ein Projekt initiiert, wie Jugendliche über den zeitlich begrenzten Fahrschulunterricht hinaus zu einer persönlichen Auseinandersetzung über Suchtmittel im Straßenverkehr angeregt werden können. Dieses erfolgt in Zusammenarbeit mit Fahrschulen, an denen ausgebildete „Peers“, das heißt Gleichaltrige, als Referenten eingesetzt werden und ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Strategien an die jugendlichen Fahrschüler weitergeben. Als Peers werden Studenten, Schüler, Jugendtrainer, Jugendleiter und engagierte junge Menschen geworben, die nach einer Ausbildung als Tandem an den Fahrschulen ergänzend zum Fahrschulunterricht über die Folgen von Alkohol und Drogen im Straßenverkehr informieren und gemeinsam mit den Fahrschülern einen selbstverantwortlichen Umgang mit Suchtmitteln entwickeln. Die Peers erhalten für ihren Einsatz eine Aufwandentschädigung und in regelmäßigen Erfahrungsaustausch-Treffen mit Fachleuten Hilfestellungen für ihre Arbeit. Das Projekt konnte im Frühjahr 2004 starten, 2005 wurden weitere junge Leute geworben, 2007 lief – wegen der starken ausbildungs- oder berufsbedingten Fluktuation bei den Peers – die dritte große Ausbildungsrunde. Das Peer-Projekt an den Fahrschulen hat sich bislang als ein sehr guter Ansatz in der Arbeit mit Jugendlichen erwiesen. Die Peers, die in ähnlichem Alter, mit gleicher Sprache und vergleichbarem Lebenshintergrund auf die Fahrschüler zugehen, ihre Einstellungen und Erfahrungen einbringen, werden gut angenommen. Engagierte Auseinandersetzungen über den Umgang mit Suchtmitteln und Strategien für den Heimweg nach Feiern, Festen und Discobesuchen entstehen bei gegenseitiger Akzeptanz. VORBILDLICHE STRATEGIE ZUR SUCHTVORBEUGUNG 37 EIN WICHTIGER SCHWERPUNKT SIND SUCHTVORBEUGUNG MUSS IM KINDES- HILFSANGEBOTE FÜR KINDER SUCHT- ALTER BEGINNEN: IM ELTERNHAUS, IM KRANKER ELTERN KINDERGARTEN, IN DER GRUNDSCHULE ... ANGEBOTE FÜR KINDER SUCHTKRANKER Eltern und Kindern, Bewältigung des Alltags in der Familie) haben gezeigt, wie wichtig Hilfsangebote für die ganze Familie waren. ELTERN Empirische Studien zeigen, dass Kinder suchtkranker Eltern häufig selbst suchtkrank werden. Um diesen Kreis zu durchbrechen und dank finanzieller Unterstützung der Landesstiftung Baden-Württemberg konnten drei Jahre lang Projekte für Kinder suchtkranker Eltern entwickelt werden. Es wurden Kindergruppen für Kinder von sechs bis zehn Jahren, eine Gruppe für Jugendliche (12 bis 15 Jahre) und eine Gruppe für erwachsene Kinder (im Alter von 19 bis 26 Jahren) geschaffen, in denen verschiedene sozialtherapeutische Angebote (zum Beispiel Reit- und Freizeitpädagogik) gemacht wurden. Um die betroffenen Kinder und Jugendlichen zu erreichen, bedurfte es viel Vor- und Netzwerkarbeit in den Suchtberatungsstellen, Psychologischen Beratungsstellen, Sozialen Diensten und Selbsthilfegruppen. Vor allem die Eltern mussten dafür sensibilisiert werden, dass die häusliche Situation für die Kinder häufig belastend ist, damit sie die Erlaubnis zur Teilnahme an besonderen Angeboten gaben. Gerade die Familienwochenenden (Unterstützung in Erziehungsfragen, Förderung des Miteinanders von 38 INTEGRATION ECKDATEN UND VORAUSSETZUNGEN IM LANDKREIS ESSLINGEN Der Landkreis Esslingen ist mit 44 Gemeinden und Städten und fast 500.000 Einwohnern der zweitgrößte Landkreis in Baden-Württemberg. Neben sechs großen Kreisstädten mit städtischen Strukturen fällt ein großer ländlicher Raum mit vielen kleineren Kommunen auf. Trotz relativ geringer Arbeitslosigkeit und hohem Einkommensniveau, ist eine mittlere bis obere Sozialstrukturbelastung (Hilfe zum Lebensunterhalt, Alleinerziehende) im Vergleich zu anderen Landkreisen kennzeichnend. Im Landkreis Esslingen gibt es 400 Kindergärten, 200 Schulen sowie mehrere hundert Einrichtungen der Kinder-, Jugendund Altenhilfe. 1992 wurde die Stelle der Beauftragten für Suchtprophylaxe im Landkreis Esslingen eingerichtet, um Suchtvorbeugung wirkungsvoll entwickeln zu können. Finanziert wird die Stelle vom Sozialministerium, den Krankenkassen und dem Landratsamt. Im September 1992 wurde ein Aktionskreis AUCH STRUKTURELLE UND GESELL- PERSPEKTIVEN UND MODELLE FÜR IHRE SCHAFTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN LEBENSBEWÄLTIGUNG“ BEEINFLUSSEN SUCHTPRÄVENTION Suchtprophylaxe mit Kuratorium, Geschäftsführung, Fach- und Volunteersgruppen geschaffen, in denen über 150 Einrichtungen des Landkreises beteiligt sind, die die praktische Arbeit planen, unterstützen, realisieren und auswerten. Die Koordination und Federführung für Aktionskreis, Öffentlichkeitsarbeit und Sozialsponsoring liegen bei der Beauftragten für Suchtprophylaxe, die Anlauf- und Koordinationsstelle für Sucht und Suchtvorbeugung im Landkreis ist. Bericht der Suchtbeauftragten. „Unter einer ursachenorientierten Suchtvorbeugung versteht man, Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung früh zu stärken und auf ihre Entwicklungsund Lebensbedingungen Einfluss zu nehmen. Der Ansatz der Suchtvorbeugung wird durch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in der Hirnforschung bestätigt und bestärkt“. GRUNDLAGEN DER SUCHTVORBEUGUNG Die Grundlagen der Arbeit der Beauftragten für Suchtprophylaxe und des Aktionskreises Suchtprophylaxe im Landkreis Esslingen sind das „Gesamtkonzept Suchtprophylaxe Baden-Würrtemberg“, Expertisen und Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) und die Konzeption des Landkreises Esslingen. Inhaltlich wird eine ursachenorientierte Suchtvorbeugung betrieben. Expertisen der (BzgA) zeigen sehr deutlich, dass Suchtvorbeugung bereits im Kindesalter beginnen müsse: im Elternhaus, im Kindergarten, in der Grundschule, heißt es in einem SUCHTPRÄVENTION „KINDER UND JUGENDLICHE BRAUCHEN ... Als schützende Faktoren werden Selbstvertrauen, Selbstwert, Konfliktfähigkeit, Umgang mit Frustrationen und Gefühlen wie Wut, Angst, Trauer und Enttäuschung, Beziehungsfähigkeit, auch Lebensperspektive, Lebenssinn, die Fähigkeit zum Genießen und zur Lebensfreude genannt. „Kinder und Jugendliche brauchen wie Erwachsene Lebensperspektive und Modelle für ihre Lebensbewältigung. Sie brauchen soziale Kompetenz für die Anforderungen des Alltags“. Von einem Erfolg der suchtpräventiven Arbeit kann dann schon gesprochen werden, wenn der Konsumeinstieg verzögert wird, weil die Gefahr einer Suchtentwicklung mit zunehmender Lebenskompetenz und innerer Stabilität von Kindern und Jugendlichen geringer wird. Die präventiven Maßnahmen richten sich vor allem an Erwachsene, an Erziehungspersonen und Multiplikatoren, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und sich für sie engagieren. Die theoretischen Grundlagen für die Arbeit in der Suchtprävention zeigen auch die Bedingungen für die differenzierte Arbeit mit Jugendlichen auf, die eine konkrete Begleitung in der krisenhaften Zeit des Jugendalters aber auch die Kenntnis von Motiven, Konsummustern und Bedürfnissen der Jugendlichen notwendig machen. Zudem müssen für eine wirkungsvolle Suchtvorbeugung immer auch die strukturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Blick sein. WEITERE INFORMATIONEN Beauftragte für Suchtprophylaxe im Landkreis Esslingen Elke Klös/Christiane Heinze Telefon 0711 3902-2571 E-Mail Kloes.Elke@ Landkeis-Esslingen.de Polizeidirektion Esslingen Sachbereich Kriminalprävention Paul Mejzlik Telefon 0711 3990-130 E-Mail [email protected] VORBILDLICHE STRATEGIE ZUR SUCHTVORBEUGUNG 39 LESETIPPS BROSCHÜREN FLYER IMPULSE FÜR DAS KOMMUNALE FESTE FEIERN UND JUGENDSCHUTZ LANDESNETZWERK FÜR MEDIENPÄDAGO- PRÄVENTIONSMANAGEMENT GISCHE ELTERNARBEIT Praxisleitfaden Informationen für Veranstalter und Jugendschutzbehörden DOWNLOAD BESTELLUNG WEITERE INFOS ODER BESTELLUNG www.kriminalpraevention.de zu finden unter Arbeitsschwerpunkte/Städtenetzwerk Drei-W-Verlag GmbH Telefon 02054 5119 Fax 02054 3740 E-Mail [email protected] Internet www.drei-w-verlag.de Best.-Nr. 1015 Preis 1,00 Euro + Versandkosten (5 Euro bei Bestellwert bis 30 Euro, darüber frei), Mengenrabatt (ab 10 Exemplare) wird gewährt Aktion Jugendschutz Baden-Württemberg Telefon 0711 2373717 E-Mail [email protected] HERAUSGEBER HERAUSGEBER HERAUSGEBER Deutsches Forum Kriminalprävention und Europäisches Zentrum für Kriminalprävention e.V. Bundesarbeitsgemeinschaft Kinderund Jugendschutz e.V. Aktion Jugendschutz BadenWürttemberg Oft ist den Organisatoren von Brauchtumsfeiern, Discos, Faschingsveranstaltungen, Schul-, Straßen-, Vereinsund anderen Festen unklar, was im Einzelnen an jugendschutzrelevanten Themen zu beachten ist. Sebastian Gutknecht hat in leicht verständlicher Form die wichtigsten Punkte zusammengetragen und beschrieben, die für eine gelungene und jugendschutzkonforme Veranstaltung zu beachten sind. Erziehung zu Medienkompetenz ist eine Herausforderung für alle Eltern. Dafür brauchen sie Informationen, Anregungen und qualifizierte Unterstützung. Im Rahmen des Projekts „Gewalt in den Medien – Ein Thema für die Elternarbeit“ hat die ajs seit dem Jahr 2000 landesweit Fachkräfte fortgebildet. Diese Referentinnen und Referenten des „LandesNetzWerk für medienpädagogische Elternarbeit“ werden mit ihren regionalen und thematischen Schwerpunkten vorgestellt und können zu medienpädagogischen Angeboten für Eltern und Familien angefragt werden. Die jeweiligen Kontaktadressen und Modalitäten der Vermittlung finden Sie ebenfalls im Flyer. In der Broschüre werden Strukturelemente der kommunalen Kriminalitätsprävention aufgezeigt und erörtert, die sich entweder als notwendig und förderlich oder als behindernd für die Planung, Einrichtung und Arbeit kommunaler Präventionsgremien erwiesen haben. AUS DEM INHALT Was sagt das Jugendschutzgesetz – Altersgrenze bei Alkohol im Überblick – Rauchen – Zeitgrenzen bei Tanzveranstaltungen – Was ist eine erziehungsbeauftragte Person – Zeitgrenzen bei Gaststätten – Drogen – Empfehlungen für Veranstalter – Checkliste für Veranstalter Medienkompetenz für die Praxis DOWNLOAD DES FLYERS www.ajs-bw.de (01)6,5TSD.11.07 Tipps Tipps KKPAKTUELL INFORMATIONEN ZUR KOMMUNALEN KRIMINALPRÄVENTION WAS GIBT´S INTERESSANTES?