Karl-Heinz Steffens - Münchner Philharmoniker

Transcrição

Karl-Heinz Steffens - Münchner Philharmoniker
Karl-Heinz Steffens
Nemanja Radulović
Dienstag, 3. Februar 2015, 19:15 Uhr
Mittwoch, 4. Februar 2015, 20 Uhr
Samstag, 7. Februar 2015, 19 Uhr
Sonntag, 8. Februar 2015, 19 Uhr
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bewegende Konzertabende
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Edward Elgar
„Introduction and Allegro for Strings“ op. 47
Niccolò Paganini
Konzer t für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 6
1. Allegro maestoso
2. Adagio espressivo
3. Rondo: Allegro spirituoso – Un poco più presto
Edward Elgar
Symphonie Nr. 1 As-Dur op. 55
1. Andante: Nobilmente e semplice – Allegro
2. Allegro molto
3. Adagio
4. Lento – Allegro
Karl-Heinz Steffens, Dirigent
Nemanja Radulović, Violine
Dienstag, 3. Februar 2015, 19:15 Uhr
4. Öf fentliche Generalprobe
Mit t woch, 4. Februar 2015, 20 Uhr
4. Abonnementkonzer t a
Samstag, 7. Februar 2015, 19 Uhr
5. Abonnementkonzer t d
Sonntag, 8. Februar 2015, 19 Uhr
5. Abonnementkonzer t f
Eine Aufzeichnung der Konzer tserie durch den Bayerischen Rundfunk wird am
Donnerstag, dem 19. Februar 2015, ab 20.03 Uhr auf BR-Klassik gesendet.
Spielzeit 2014/2015
117. Spielzeit seit der Gründung 1893
Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)
Paul Müller, Intendant
2
Edward Elgar: Komponisten-Portrait
Musikalische Tagträume einer fernen Epoche
Wolfgang Stähr
Neues aus dem „Land ohne Musik“
Die Uraufführung der „Enigma Variations“ am
19. Juni 1899 wird in der englischen Musik­
geschichtsschreibung wie eine „Stunde Null“
oder ein Tag der Wiedergeburt gefeiert. Seit
über 200 Jahren, seit Purcells Tod, hatte England keinen wirklich bedeutenden Komponisten
von europäischem Rang hervorgebracht. Erst
Edward Elgar (1857–1934) vermochte den Bann
zu brechen, der auf dem „Land ohne Musik“ zu
lasten schien. Sein Leben und sein Werk verbinden sich im Bewusstsein der Landsleute
untrennbar mit der „English Musical Renaissance“. „Als ich die ‚Enigma-Variationen‘ hörte“, erinnerte sich George Bernard Shaw, „sprang
ich auf und rief: ,Whew !‘ Ich wusste, dass wir
es endlich geschafft hatten.“ England war mit
diesem Genie­s treich der Orchestermusik in
die Geschichte der Kompositionskunst zurückgekehrt.
Am 3. Dezember 1908 spielte das Hallé Orchestra unter seinem Chefdirigenten Hans Richter in
Manchester die Uraufführung der 1. Symphonie
Elgars – auch dies eine historische Premiere.
„Eine englische Symphonie existierte bis dahin
überhaupt nicht, jedenfalls keine von Format,
die den Vergleich mit den Symphonien Beet­
hovens oder Brahms’ auch nur im Entferntesten
gerechtfertigt hätte und in Konzerten neben
anerkannten Meisterwerken nicht sofort in Be-
deutungslosigkeit versunken wäre“, schreibt
der berühmte Musikkritiker Sir Neville Cardus,
Zeuge dieser bahnbrechenden Uraufführung.
„Es erscheint mir hoffnungslos, heute noch etwas von dem Stolz vermitteln zu wollen, mit
dem sich die jungen englischen Studenten in
jener fernen Epoche für Elgar begeisterten.“
Hans Richter, der Weggefährte Wagners und
Brahms’, studierte Elgars 1. Symphonie As-Dur
op. 55 auch in London ein, und bei dieser Gelegenheit sprach er zu den Musikern des London
Symphony Orchestra die denkwürdigen Worte:
„Gentlemen, lassen Sie uns nun die größte Symphonie unserer Zeit proben, geschrieben vom
größten lebenden Komponisten – und zwar nicht
nur dieses Landes.“
Späte Anerkennung eines Außenseiters
Diese mit höchster Autorität vorgetragene
Anerkennung bedeutete für den mittlerweile
51-jährigen Edward Elgar eine späte Genug­
tuung. Als katholischer Kleinbürgersohn und
Autodidakt aus der englischen Provinz hatte er
jahrelang gegen Widerstände ankämpfen müssen:
gegen religiöse Vorurteile der anglikanischen
Mehrheit, gegen den spätviktorianischen Standesdünkel, gegen den snobistischen Hochmut des
musikalischen Establishments in der Metropole
London. Das Gefühl der Außenseiterschaft hat
Elgar nie überwinden können, eine misanthro-
3
Edward Elgar in Uniform und mit dem britischen Verdienstorden „Order of Merit“ (1911)
4
Edward Elgar: Komponisten-Portrait
pische Neigung trübte sein Selbstbewusstsein
bis zuletzt, insbesondere aber ein argwöhnisches und irrationales Misstrauen gegenüber
der britischen Öffentlichkeit: „Sie wollen mich
nicht und haben mich nie gewollt.“ Das sagte
ein Komponist, der die Ehrendoktorwürde der
Universitäten Cambridge, Oxford, Durham, Leeds
und Birmingham erhalten, für den die Stadt London ein ausschließlich seinem Schaffen gewidmetes Festival ausgerichtet hatte und der von
König Edward VII. in den Adelsstand erhoben
worden war. Und mehr noch: ein Komponist, der
mit einem seiner Werke eine geradezu überwältigende Popularität errungen hatte. Die Rede
ist natürlich von dem „Pomp and Circumstance“Marsch Nr. 1, dessen melodisch unvergessliches
Trio mit den (nachträglich gedichteten) Worten
„Land of Hope and Glory“ in Großbritannien zu
einer zweiten Nationalhymne avancierte. Elgar
muss diesen Erfolg vorausgeahnt haben, als er
das Trio-Thema im Mai 1901 zu Papier brachte:
„Mir ist eine Melodie eingefallen, die wird sie
alle umwerfen“, verriet er einer Freundin. „Eine
Melodie wie diese findet man nur einmal im
Leben.“
Auf keines seiner Werke aber blickte Elgar mit
solchem Stolz wie auf das Oratorium „The Dream
of Gerontius“ (1900), nicht zuletzt weil ihm diese Komposition das überschwängliche Lob eines
Richard Strauss eingetragen hatte. „Es hat mich
für jahrelange Mühen entschädigt“, bekannte
Elgar, „zu hören, wie er mich ‚Meister‘ nannte.“
Tatsächlich zeigt sich im „Gerontius“ – der Vertonung eines visionären Gedichts des Kardinals
John Henry Newman, das den Weg der Seele
nach dem Tod umkreist – Elgars Meisterschaft
am reinsten ausgeprägt: der feierliche, weihe-
volle, melancholisch-sehnsüchtige Ton, die vollendet schöne und ergreifende Gesangsmelodik,
die kenntnisreiche, subtile, unerhört phantasie­
volle Instrumentationskunst, der natürliche Sinn
für Monumentalität und Emphase, das tiefste
Verständnis für die Geheimnisse der menschlichen Seele. Und in allem eine überaus persönliche Aussage- und Ausdruckskraft. Die Größe
dieses Werks hat Elgar mit seinen Oratorien
„The Apostles“ (1903) und „The Kingdom“ (1906)
auch später nicht mehr übertroffen.
Kulturpessimismus und Nostalgie
Elgars Schaffen ist reich an autobiographischen
Bezügen: Der langsame Satz seiner 2. Symphonie Es-Dur op. 63 etwa ist eine Trauermusik auf
den Tod des mit Elgar eng befreundeten Musik­
enthusiasten und Mäzens Alfred E. Rodewald.
Aber auch landschaftliche, historische und vor
allem literarische Eindrücke inspirierten den
englischen Komponisten. „Er erzählte mir einmal“, berichtete Vyvyan Holland, der Sohn Oscar Wildes, „er habe musikalische Tagträume,
in derselben Weise wie andere Menschen Tagträume von Heldentum und Abenteuer hätten,
und er könne nahezu jeden Gedanken, der ihm
durch den Kopf gehe, in Musik ausdrücken.“ Es
waren pessimistische Gedanken, die ihm durch
den Kopf gingen, als Elgar 1918 die Komposition seines elegischen Cellokonzerts e-Moll op.
85 begann. Er fühlte sich fremd in einer Zeit,
die er als laut, vulgär und materialistisch empfand: Alles „Reine“, „Gute“ und „Liebliche“
schien ihm unwiederbringlich verloren.
Das Cellokonzert, ein Werk der nostalgischen
Wehmut und des Abschieds, blieb Elgars letz-
Edward Elgar: Komponisten-Portrait
tes großes Opus. Nach dem Tod seiner Frau Alice am 7. April 1920 schuf er nur noch wenige
und kaum noch neue Werke. Erst gegen Ende
seines Lebens, 1932, wagte er sich wieder an
eine wirkliche Herausforderung. Elgar begann
– im Auftrag der BBC und auf Anregung George
Bernard Shaws – die Komposition einer 3. Symphonie. Aber es war ihm nicht mehr gegeben,
dieses letzte Werk zu vollenden. Das umfangreiche Skizzenmaterial, das Elgar hinterließ, hat
der englische Komponist Anthony Payne mit
hingebungsvoller Sorgfalt durchgesehen, geord-
Edward Elgar um 1913
5
net und auf dieser Basis eine Rekonstruktion
und Vervollständigung versucht. In dieser Fassung ist Elgars „Dritte“ am 15. Februar 1998 in
London uraufgeführt worden – das seither
meistdiskutierte Streitthema unter den Elgarianern in aller Welt. „Wenn ich die 3. Symphonie nicht vollenden kann“, hatte Elgar kurz vor
seinem Tod gesagt, „wird es ein anderer tun
– oder eine bessere schreiben – in 50 oder 500
Jahren. Aus meiner jetzigen Perspektive, am
Rande der Ewigkeit, erscheint dies nur wie ein
kurzer Moment.“
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Edward Elgar: „Introduction and Allegro“
„Old Handel“ und die Küste von Wales
Wolfgang Stähr
Edward Elgar
Entstehung
(1857–1934)
Edward Elgar komponierte sein Streicherstück
„Introduction and Allegro“ in den ersten Wochen des Jahres 1905 für den Streichkörper des
im Vorjahr gegründeten London Symphony Orchestra und unterteilte die Besetzung in Streichquartett und Streichorchester – nach dem Vorbild der in England traditionell äußerst beliebten
Concerti grossi oder „Grand Concertos“ mit
ihrem Wechselspiel zwischen Tutti und Concertino.
„Introduction and Allegro for Strings“ op. 47
Widmung
„To his friend Professor S[amuel]. S[imons].
Sanford, Yale University, U.S.A.“ Samuel Simons
Sanford (1849–1910) war ein amerikanischer
Pianist und Universitätslehrer, der sich zusammen mit den aus Deutschland stammenden
Dirigenten Walter Damrosch und Theodor Thomas
engagiert für Aufführungen der Werke Elgars
in den USA einsetzte. 1905 wurde dem Komponisten auf Sanfords Initiative der Ehrendoktor
der renommierten Yale University verliehen. Im
selben Jahr widmete Elgar seinem US-Förderer
zum Dank für diese hohe Ehre sein Streicherstück „Introduction and Allegro“.
Lebensdaten des Komponisten
Uraufführung
Geboren am 2. Juni 1857 in Broadheath, Worcestershire (West Midlands, England); gestorben
am 23. Februar 1934 in Worcester.
Am 8. März 1905 in London in der Londoner
Queen’s Hall (London Symphony Orchestra unter Leitung von Edward Elgar).
Edward Elgar: „Introduction and Allegro“
Der erste Eindruck
Edward Elgar war überzeugt: „Nichts Besseres
ist je für Streicher geschrieben worden.“ Doch
muss man sich dieses apodiktische Selbstlob
als einen Akt der Gegenwehr erklären – als
Trotzreaktion eines gekränkten Künstlers. Des
Meisters Werk, „Introduction and Allegro“ op.
47 für Streichquartett und Streichorchester,
war bei der Londoner Uraufführung am 8. März
1905, als Elgar einen Abend lang nichts als
Elgar dirigierte, noch wohlwollend bis überschwänglich kommentiert worden. Aber schon
bei der zweiten Wiedergabe, am selben Ort,
sank die Temperatur in den Bereich kühler Ignoranz. Daran änderten auch die beherzten Erziehungsmaßnahmen nichts, mit denen ein respektgebietender Maestro wie Hans Richter dem
Werk zu seinem Recht verhelfen wollte. In
Manchester, im Dezember 1905, musizierte er
es mit seinem Hallé Orchestra gleich zweimal
hintereinander. Der Musikkritiker Ernest Newman berichtete: „Der Applaus hielt sich in Grenzen und galt vornehmlich dem Orchester. Wie
auch immer, Dr. Richter nahm den Beifall zum
Anlass, die ganze Sache prompt noch einmal zu
spielen, von Anfang bis Ende. Und zum allgemeinen Erstaunen: Kaum einer hatte auf diese
Wiederholung gehofft.“
Aber das letzte Wort war noch nicht gesprochen.
Heute wird Elgars „Introduction and Allegro“
längst zum Besten gezählt, was je für Streicher
(im Ensemble) komponiert worden ist. Für Elgar
freilich kam der Erfolg Jahrzehnte zu spät. Der
Grund für diesen verschleppten Nachruhm war
zunächst rein praktischer Natur: Den englischen
7
Orchestermusikern fehlte es anfangs noch an
technischer Sicherheit und schlichtweg an Probenzeit, um das ebenso dankbare wie diffizile
Stück zu meistern. Bezeichnenderweise wählte Hans Richter für die Erstaufführung in Manchester ein durchweg gemächliches Tempo –
sicher ist sicher –, während Elgars Interpretation beweglich und geschmeidig die starren
Taktgrenzen überspielte. Und so empfingen die
zeitgenössischen Hörer nur einen schwachen,
falschen oder gar keinen Eindruck der Partitur,
die ihnen mehr bemüht als gekonnt vorgeführt
wurde. Was immer in den letzten hundert Jahren schlechter geworden sein mag – die Spielkultur der Orchester gewiss nicht !
Brillantes Streicher-Scherzo ?
Am Anfang stand eine verwegene Idee. Elgars
Freund, Förderer und Verlagslektor, der im
Rheinland geborene August Jaeger, hatte dem
Komponisten 1904 ein Bravourstück für das
frisch gegründete London Symphony Orches­t ra
nahegelegt, um nicht zu sagen schmackhaft
gemacht: „Warum nicht ein brillantes, flottes
Streicher-Scherzo oder irgendetwas nur für
diese fabelhaften Streicher ? So ein Stück, das
Beifallsstürme in Orkanstärke auslöst, ganz wie
Bach es geschrieben hätte. Du könntest auch
eine moderne Fuge für Streicher schreiben oder
für Streicher mit Orgel ! Das würde weggehen
wie warme Semmeln.“ Es sei dahingestellt, ob
der musikhistorische Hinweis auf Bach, der das
Publikum zum Toben gebracht habe, wirklich
ernst gemeint war. Elgars kreativer Appetit jedenfalls wurde von diesen leicht überdrehten
Zeilen alsbald geweckt. „E. versucht sich an
8
Edward Elgar: „Introduction and Allegro“
dem Stück für Streichorchester“, vermerkte seine Frau Alice noch vorsichtig am 22. Januar
1905 in ihrem Tagebuch. Der Meister selbst
klang da schon weitaus entschlossener, als er
nur vier Tage später dem Freund Jaeger ankündigte: „Ich mache diese Streicher-Geschichte
pünktlich für das Symphoniekonzert fertig. Intro:
& Allegro – ohne Durchführung, aber dafür mit
der Hölle von einer Fuge. G-Dur und derselbe
Höllenspaß in g-Moll mit allen Scherzen nebst
Kontrapunkt.“
Das sind nicht gerade die Einlassungen, die sich
ein deutscher Leser von einem seriösen Komponisten erwartet. Doch wenngleich „that string
thing“, wie Elgar das Werk salopp bezeichnete,
zwar ziemlich brillant ausfiel und virtuos – ein
schwereloses Scherzo wollte dem Elegiker Elgar
nicht gelingen. Humoristisch erscheint das Stück
allenfalls im ursprünglichen Wortsinne rasch
wechselnder Stimmungen und widerstreitender
Temperamente. Der keineswegs unernste, aber
spielerische Zug dieser Komposition, an der
Elgar erklärtermaßen sein Vergnügen hatte
(zumindest bis zur Uraufführung), zeigt sich
ohne­hin nicht an der Oberfläche, sondern subtiler, indirekt, sozusagen um die Ecke gedacht:
im intelligenten und bisweilen ironischen Umgang mit der Musikgeschichte. Dabei führt die
Spur nicht unbedingt zu Johann Sebastian Bach,
trotz der zweiteiligen Form und ihrer entfernten
Verwandtschaft mit dem Modell von Präludium
und Fuge. Ebenso vage und eher atmosphärisch
bleibt der Anklang an die barocke französische
Ouvertüre, Inbegriff des „genre pathétique“,
das Elgar mit dem majestätischen, vollgriffigen
Eröffnungsgestus heraufbeschwört, um es jedoch sogleich in leichter, luftiger Figuration
aufzulösen. Über diese Takte schrieb er im
Autograph ein Zitat aus Shakespeares Drama
„Cymbeline“, die Worte: „Smiling with a sigh“,
die man im Deutschen wohl am besten mit dem
fast sprichwörtlichen „Lächeln unter Tränen“
wiedergäbe.
Concerto grosso mit Meerblick
Als Elgar nach seinem Geheimnis befragt wurde, nach seinem untrüglichen Gespür für Klang
und Eigenart der Streichinstrumente, gab er
knapp und klar zur Antwort: „Study old Handel.“
Das Studium des englischen Nationalkomponisten George Frideric Handel – gemeint ist natürlich Georg Friedrich Händel aus Halle, ab 1727
britischer Staatsbürger – konnte er nur empfehlen. Dessen „Grand Concertos“ boten ohnehin den interessantesten Anknüpfungspunkt,
denn mit seinem geteilten Ensemble aus Streichquartett und Streichorchester steht Elgars „Introduction and Allegro“ unverkennbar in der
Tradition Händels und mittelbar in der Nachfolge des ursprünglich italienischen Concerto
grosso, das ganz aus dem dynamischen Kon­
trast, dem Wettstreit und Wechselspiel zwischen
dem Concertino, dem „kleinen Konzert“ der Solisten, und dem namensgebenden „großen Konzert“ des Orchesters lebte. Als die Italiener sich
längst von dieser Konzertform losgelöst hatten
und auf dem Festland unaufhaltsam der Siegeszug der Symphonie voranschritt, pflegten die
Briten noch immer eine mit der Zeit recht anachronistische Vorliebe für das Concerto grosso.
Gerade die in allen englischen Städten höchst
umtriebigen „amateur orchestral societies“
schätzten diese Kunstübung ungemein, und
zwar aus aufführungspraktischen Gründen:
9
Edward Elgar mit Tochter Carice (1900)
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Edward Elgar: „Introduction and Allegro“
Geladene Berufsmusiker konnten die virtuosen
Solopartien übernehmen, derweil sich die „gentlemen amateurs“ im Tutti bewährten.
Von einem solchen Niveaugefälle kann bei
Elgars „Introduction and Allegro“ freilich keine
Rede sein, und hätten sich die Zeitgenossen
seine Partitur in falscher Erwartung und aus
Gewohnheit als gefällige Hausmusik auf die
Pulte gelegt, wäre der Irrtum spätestens mit
der ersten Probe offenbar geworden. Selbst die
hauptamtlichen Streicher der professionellen
Orchester kamen ja anfangs arg ins Schwitzen
bei diesem Werk ! Elgar hatte die barocken und
bürgerlichen Traditionen in seiner Musik weniger „aufgehoben“ als vielmehr „gebrochen“, ohne deshalb schon ein frühes Beispiel des musikalischen Neoklassizismus zu kreieren. Stärker
als die „höllisch“ gewitzte und hintersinnige
Fuge, die sich am Ende selbst aus den Angeln
hebt und buchstäblich aus den Fugen gerät, bestimmt ein anderer Ton den Charakter dieser
Komposition: „the Welsh tune“, zuerst in der
Introduktion von der Soloviola intoniert, eine
walisische Melodie oder, besser gesagt, die
Essenz walisischer Volkslieder, wie sie Elgar
Jahre zuvor bei einem Urlaub an der Cardigan
Bay gehört hatte, „zwischen dem blauen Meer
und dem blauen Himmel“. Und wieder kreist alles um die Vergangenheit, doch mitnichten im
neoklassizistischen Sinne einer Stilkopie oder
Als-ob-Ästhetik. Eine romantische Sehnsucht
nach „uralter Zeit“ und versunkenen Paradiesen
spricht aus dieser Weise, „the Welsh tune“. Für
Elgar kam sie einem Bekenntnis nahe oder zumindest doch einem Geständnis, einer fortwäh-
renden Trauer oder Traurigkeit, die er in wunderbare Kantilenen zu bannen wusste: Schöneres ist selten für Streicher geschrieben worden.
Niccolò Paganini: 1. Violinkonzert D-Dur
11
„Der Unterwelt entstiegen“ ?
Marcus Imbsweiler
Niccolò Paganini
Entstehung
(1782–1840)
Wann genau und unter welchen Umständen das
Konzert entstand, ist nach wie vor ungeklärt.
Während sich in der älteren Literatur die Jahre
1811 bzw. 1817/18 als Kompositionszeitraum
finden, geht man heute von einer Entstehung
um 1816 aus. Paganini war zu jener Zeit als gefeierter Virtuose fast ununterbrochen auf Reisen, hauptsächlich im Norden Italiens, und benötigte immer wieder neue Stücke für seine
Tourneen.
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1
D-Dur op. 6
1. Allegro maestoso
2. Adagio espressivo
3. Rondo: Allegro spirituoso – Un poco più presto
Fassungen
Das Violinkonzert erschien erst elf Jahre nach
Paganinis Tod im Druck, und zwar in Paris und
Mainz (Schott-Verlag) gleichzeitig. Statt der
originalen Version in Es-Dur mit transponierender Geigenstimme setzte sich schon bald die
D-Dur-Fassung durch.
Uraufführung
Lebensdaten des Komponisten
Geboren am 27. Oktober 1782 in Genua; gestorben am 27. Mai 1840 im damals zum Königreich
Sardinien gehörenden Nizza.
Auch über die Uraufführung ist nichts bekannt.
Dass der Komponist selbst den Solopart spielte,
darf aber als sicher gelten. Aus Sorge vor Kopisten und Nachahmern gab Paganini die Noten
seiner Paradestücke prinzipiell nie aus der Hand.
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Niccolò Paganini: 1. Violinkonzert D-Dur
Niccolò Paganini gilt bis heute als Inkarnation
eines Virtuosentums, das keine natürlichen
Grenzen zu kennen scheint. Sein Beiname „Teufelsgeiger“ kommt nicht von ungefähr, verweist
er doch einerseits auf eine an Hexerei gemahnende Spieltechnik, andererseits auf deren
gekonnte Inszenierung. Wenn Paganini auftrat,
erfüllte er auch optisch alle Anforderungen des
Dämonischen. Einen „Mephisto“ an der Geige
nannte ihn der Kritiker Ludwig Rellstab, und
Heinrich Heine beschrieb ihn als „dunkle Gestalt, die der Unterwelt entstiegen zu sein
schien“. Wer aber steckte wirklich hinter der
Maske dieses Dunkelmanns ?
Gleichwohl drang sein Ruf unaufhaltsam über
die Alpen. 1813, nach einem Konzert in der Mailänder Scala, berichtete der Korrespondent der
Leipziger „Musikalischen Zeitung“ seinen Lesern, Paganini sei „ohne Zweifel in gewisser
Hinsicht der erste und größte Violinspieler der
Welt“ und seine Virtuosität schlichtweg „unbegreiflich“. Der Rezensent benannte auch die
speziellen Qualitäten von Paganinis Kunst: seine delikaten Sprünge und Doppelgriffe, das
mehrstimmige Spiel, die Nachahmung anderer
Instrumente, die vollkommene Intonation sowie
das Spiel auf nur einer Seite, wahlweise durch
Pizzicato ergänzt.
„Größter Violinspieler der Welt“
Der Superstar als kranker Mann
Beim nüchternen Blick ins Buch seines Lebens
fällt zunächst auf, dass Paganinis Weg zum
„Superstar“, zum unübertroffenen Geiger der
Musikgeschichte so geradlinig nicht war. Auch
wenn viele Details seiner musikalischen Ausbildung noch im Dunkeln liegen, scheint sie
doch deutlich weniger fundiert gewesen zu sein
als die eines Mozart oder Liszt. Zwei seiner
Geigenlehrer sind namentlich bekannt, das
meiste allerdings soll sich Paganini autodidaktisch angeeignet haben. Nur kurz genoss er
Kompositionsunterricht bei dem angesehenen
Fernando Paër. Gastspiele als reisender Virtuose, der Kontakt mit dem Publikum: All dies blieb
über Jahre hinweg auf das nördliche Italien beschränkt, vor allem auf Parma, Lucca und seine
Heimatstadt Genua. In Lucca hatte er zudem bis
1809 eine Anstellung als Orchesterleiter inne.
Mit 30 Jahren war Paganini eine Berühmtheit
– aber nur im eigenen Land.
Die folgenden Jahre waren durch intensive Konzerttätigkeit gekennzeichnet. Aber auch jetzt
scheute Paganini den Weg ins nördliche Europa, um sich dafür zwischen Turin und Palermo
von seinen Landsleuten feiern zu lassen. Erst
1828, im Alter von 45 Jahren also, entschloss
er sich zu einer Reise nach Wien. Mit ihr begann die eigentliche Paganini-Hysterie, der Medienrummel um seine Person, der die anschließenden fünf Tournee-Jahre prägen sollte: in
Deutschland und Polen, in Frankreich, Belgien
und England. Nun erst war der Geiger zum internationalen Ereignis geworden.
An jedem Ort eilten Paganini wilde Gerüchte
über seinen Lebenswandel und seine zahllosen
Affären voraus, die zum Teil einen wahren Kern
besaßen, zum weitaus größeren Teil aber erfunden waren. So hatte er angeblich eine Geliebte erstochen und dafür vier Jahre im Ge-
13
Niccolò Paganini 1828, im Jahr seiner ersten Auslandsreise (Anonymus, nach einer Lithographie von
Josef Kriehuber)
14
Niccolò Paganini: 1. Violinkonzert D-Dur
fängnis gesessen, wo er aus Not das Spiel auf
seiner letzten verbliebenen Violinsaite perfektioniert habe. Dass das Publikum vor seinem
Äußeren erschauerte, hatte allerdings einen
profanen Grund: Paganini war ein von vielen
Krankheiten gezeichneter Mann. Seine Verdauungsbeschwerden und sein Husten waren bereits chronisch, er litt an den Symptomen einer
Syphiliserkrankung sowie an den Folgen der
Behandlung mit Quecksilber, hatte Probleme
mit Prostata und Blase und eine empfindliche
Haut. Über Jahre nahm er große Mengen Abführmittel zu sich. Häufige Zahnfleischentzündungen führten zum völligen Verlust seiner Zähne. Gegen Ende seines Lebens konnte er nicht
mehr sprechen, sondern musste sich – wie Hector Berlioz berichtete – über handgeschriebene
Zettel verständlich machen. Todesursache war
letztlich eine fortschreitende Tuberkulose­
erkrankung.
Inszenierungen für das Publikum
Paganinis „dämonisches“ Aussehen, seine fahlhäutige Magerkeit und das eingefallene Gesicht
mit der spitzen Nase, resultierte also aus seiner
Krankheitsgeschichte. Verstärkt wurde es durch
seine tiefschwarze Kleidung und das lange Haar.
Lassen wir noch einmal Heinrich Heine zu Wort
kommen, der Paganini 1830 in Hamburg erlebte:
„Der schwarze Frack und die schwarze Weste
von einem entsetzlichen Zuschnitt, wie er vielleicht am Hofe Proserpinens von der höllischen
Etikette vorgeschrieben ist […] Ist das ein Lebender, der im Verscheiden begriffen ist ? Oder
ist es ein Toter, der aus dem Grabe gestiegen,
ein Vampir mit der Violine, der uns, wo nicht
das Blut aus dem Herzen, doch auf jeden Fall
das Geld aus den Taschen saugt ?“
Über solchen Äußerlichkeiten darf man nicht
vergessen, dass Paganini bei den meisten seiner Musikerkollegen große Achtung genoss.
Rossini, Schubert, Liszt, Berlioz, Schumann und
viele andere waren von seiner Virtuosität nachhaltig fasziniert, auch wenn es unter rein ästhetischen Gesichtspunkten etliches zu kritisieren galt. „Seine linke Hand“, schrieb Louis Spohr,
selbst ein exzellenter Geiger, „die immer reine
Intonation und seine G-Saite sind bewunderungswürdig. In seinen Kompositionen und seinem Vortrag ist aber eine so sonderbare Mischung von höchst Genialem und Kindischem
und Geschmacklosem, weshalb man sich abwechselnd angezogen und abgestoßen fühlt.“
Dessen war sich Paganini offenbar bewusst.
Im Gespräch mit Spohr gab er zu, „für das große Publikum“ zu spielen und zu komponieren
– den Kennern müsse er sich „auf eine andere
Art“ zeigen.
Virtuosität als ästhetisches
Konzept
Beides, Kennerschaft und sicheres Gespür für
Effekte nämlich, kann das 1. Violinkonzert für
sich in Anspruch nehmen. In der Wahl der Themen und der Gesamtanlage bewies Paginini hier
ein deutlich glücklicheres Händchen als in den
späteren Konzerten mit ihrem kräftigen BravourAnstrich. Lebt der erste Satz von seinem ständigen Wechsel zwischen gesanglichen Passagen und virtuosem Furor, ist der zweite eine
melodiös-dramatische Szene, fast eine Opern-
Niccolò Paganini: 1. Violinkonzert D-Dur
cavatine, bevor das Schlussrondo wieder ein
Panorama geistvoller Artistik bietet.
Auf musikalischer Ebene macht das Werk zweierlei deutlich: Paganinis Nähe zur italienischen
Belcanto-Oper sowie seine Begabung, eingängige Melodien zu erfinden. Dass die Demon­
stration geigerischer Virtuosität ein Hauptzweck
der Komposition ist, braucht nicht eigens betont
zu werden. Nur dient sie in diesem Fall nicht
dazu, den vorhandenen Melodienreichtum durch
brillanten Dekor zu trivialisieren. Vielmehr ist
sie integraler Bestandteil eines ästhetischen
Kontrasts: So, wie der Solist unablässig in neue
halsbrecherische Figurationen auszubrechen
droht, fällt er doch immer wieder zurück in eine
konzentrierte, fast demütige Haltung vor dem
schlichten Liedthema.
Hexenkünste und Belcanto
Gelungene Beispiele kennt dieses Konzert zuhauf: etwa die Passage nach dem zweiten Tutti
im Allegro maestoso, wenn die Solovioline
mehrfach zwischen innigem Gesang und harschen Triolenterzen wechselt. Oder der Mittelteil des Finales, in dem die G-Dur-Kantilene zweimal erklingt: einmal sonor auf der G-Saite gespielt und dann silbrig in höchster Lage, als
Flageolett-Melodie. Im zweiten Satz steht Virtuosität komplett im Dienst der Ausdrucksvielfalt, und hier gelingen Paganini auch packende,
harmonisch intensive Momente, die erahnen
lassen, was für ein exzellenter Opernkomponist
aus ihm hätte werden können – wäre er kein
so herausragender Geiger gewesen.
15
Aber bevor man sich in derartigen Spekulationen verliert, sei auf die Errungenschaften hingewiesen, die das moderne Geigenspiel dem
Italiener verdankt. Hier sind es die atemberaubenden Terz-, Sext- und schließlich Dezimengänge im ersten Satz, der blitzschnelle Wechsel
zwischen tiefster und höchster Lage, das Zupfen mit der linken Hand, der Einsatz des Springbogens und vor allem die zweistimmigen Flage­
oletts im letzten Satz, die als Erfindung Paganinis gelten und die das zeitgenössische Publikum schier zur Raserei brachten.
Eine Besonderheit gilt es noch zu erwähnen,
die ebenfalls den Aspekt des Darstellerischen
berührt. Solo- und Tuttistimmen des Konzerts
waren ursprünglich in unterschiedlichen Ton­
arten notiert, die des Solisten in D-, die des
Orchesters in Es-Dur. Paganini pflegte seine
Geige einen Halbton höher zu stimmen, so dass
sein Part ebenfalls in Es klang. Durch die etwas
hellere Intonation hob sich sein Instrument besser vom Orchester ab, zudem ließen sich in der
Geigentonart D-Dur spektakulärere Effekte realisieren. Die heute übliche D-Dur-Fassung stellt
also streng genommen eine Bearbeitung dar.
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Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur
Angst und Apotheose
Wolfgang Stähr
Edward Elgar
Entstehung
(1857–1934)
Der erste Einfall zum zyklischen „Motto“-Thema
der As-Dur-Symphonie ist Edward Elgar nach
eigener Aussage im Januar 1907 in Rom durch
den Kopf gegangen, und zwar beim Anblick der
Via Appia Antica. Doch nicht vor Juni 1907 begann er mit der mehr oder weniger planmäßigen
Komposition, in die er allerdings auch eine ältere Skizze von 1904 einbezog. Nach gut einem
Jahr, am 25. September 1908, konnte Elgar die
Partitur vollenden – und erlitt vor Erschöpfung
einen Nervenzusammenbruch.
Symphonie Nr. 1 As-Dur op. 55
1. Andante: Nobilmente e semplice – Allegro
2. Allegro molto
3. Adagio
4. Lento – Allegro
Widmung
„Hans Richter, Mus. Doc. True artist and true
friend.“ Der österreichisch-ungarische Dirigent
Hans Richter (1843–1916) erwarb sich größte
Verdienste um die Pflege der Werke von Wagner, Bruckner, Brahms, Dvořák und Elgar, von
denen er zahlreiche zur Uraufführung brachte.
Uraufführung
Lebensdaten des Komponisten
Geboren am 2. Juni 1857 in Broadheath, Wor­
cestershire (West Midlands, England); gestorben
am 23. Februar 1934 in Worcester.
Am 3. Dezember 1908 in Manchester / England
in der Free Trade Hall (Hallé Orchestra Manchester unter Leitung von Hans Richter); Elgars
Erstlingswerk auf dem Gebiet der Symphonie
wurde in Großbritannien von Anfang an als
eines der wenigen epochalen Ereignisse der
englischen Musikgeschichte gefeiert.
Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur
Endlich: eine englische Symphonie !
Wer einen flüchtigen Blick in das Werkverzeichnis Edward Elgars wirft, müsste zu dem Eindruck gelangen, die Symphonie habe in seinem
Schaffen kaum eine Rolle gespielt. Doch das
Gegenteil ist der Fall: Sie hat ihn verfolgt, er
hat sie gesucht, die Herausforderung der „großen Symphonie“. Über Jahrzehnte finden sich
Spuren symphonischer Projekte, Ideen, Skizzen,
Anfänge, programmatische Titel, Bemerkungen
und Andeutungen in Briefen und Tagebüchern.
Vollendet allerdings hat Elgar nur zwei Symphonien. Oder drei, wenn man ein ungewöhnliches
Studienexperiment aus dem Jahr 1878 mitzählt:
„Ich habe einmal eine Partitur mit denselben Instrumenten und derselben Anzahl von Takten
eingerichtet wie in Mozarts g-Moll-Symphonie“,
verriet Elgar, „und in diesem Rahmen schrieb
ich eine Symphonie, indem ich so genau wie
möglich den Konturen seiner Themen und seinen Modulationen folgte. Ich tat dies aus eigenem Antrieb, als ich nach Licht im Dunkeln
suchte, aber jetzt, im Rückblick nach 30 Jahren,
wüsste ich keine Übung, von der ich mehr profitiert hätte.“ 1898 kreisten seine Gedanken
um eine „heroische Symphonie“ über das Leben
des General Gordon, des britischen Gouverneurs
der ägyptischen Provinz Sudan, der 1885 im
Kampf gegen die Aufständischen gefallen war.
Aber verwirklicht hat Elgar diesen Plan nie.
Zehn Jahre später sah die Welt ganz anders aus,
als Elgar – seit 1904 Sir Edward – mit seiner
Ersten Symphonie in As-Dur op. 55 ungeahnte
Triumphe feiern durfte. Nach der Uraufführung
durch das Hallé Orchestra am 3. Dezember 1908
erklärte der „Manchester Guardian“ im Über-
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schwang des historischen Augenblicks: „Dass es
sich um das erhabenste Werk handelt, das je
ein englischer Komponist für Instrumente erdacht hat, daran gibt es keinen Zweifel.“ Dieser
Glaubenssatz spricht zwar nicht gerade für ein
tieferes musikgeschichtliches Gedächtnis – als
hätten William Byrd, John Dowland, Matthew
Locke und Henry Purcell nie existiert –, aber er
bezeugt und bewahrt die spannungsgeladene
Atmosphäre einer epochalen Premiere, die fast
schon hysterische Hochstimmung, mit der das
englische Publikum seinen symphonischen Landsmann bejubelte. Der Aspekt der nationalen Genugtuung sollte nicht unterschätzt werden –
endlich konnte man der erdrückenden Übermacht
der deutschen, französischen oder russischen
Musik ein eigenes Meisterwerk entgegensetzen: ein englisches Werk eines englischen Meisters. Eine englische Symphonie ! „Nach dem
außergewöhnlich schönen und ergreifend ausdrucksstarken langsamen Satz wurde der Komponist auf das Podium gerufen, um sich vielmals
zu verbeugen vor einer Menschenmenge, die
nahezu außer sich war in ihrer Begeisterung“,
berichtete der „Daily Telegraph“. „Diese Szene
wiederholte sich am Schluss, und niemand applaudierte herzlicher als die Musiker des Orchesters, die sich wie ein Mann erhoben und
Elgar hochleben ließen, dass die Wände erbebten.“
Aus großer Zeit
Vier Tage später griff der Ausnahmezustand auf
die Hauptstadt über. Hans Richter, der Dirigent
der Uraufführung und Widmungsträger der Symphonie, stellte Elgars „Erste“ mit dem London
Symphony Orchestra in der Queen’s Hall vor, in
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Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur
einem zum Bersten gefüllten Saal und vor einer
bis zur Raserei entzückten Hörerschaft, die den
Komponisten schon nach dem ersten Satz auf
die Bühne drängte, abermals nach dem „Adagio“, und die zuletzt mit Beifallsgebrüll sondergleichen und „standing ovations“ ihrer über­
kochenden Euphorie Luft verschaffte. Viele Leute kletterten sogar auf die Sitze, in einem klassischen britischen Konzert ! Und bald fing auch
das Festland Feuer: mit annähernd hundert
Aufführungen binnen weniger Monate, in Wien,
Berlin, Leipzig, Sankt Petersburg, schließlich
sogar in Sydney und den Vereinigten Staaten.
Selbst Arthur Nikisch ging mit dem Stück auf
Tournee. „Die Symphonie legt eine steile Karriere hin“, freute sich Elgar, „und ich erhalte bergeweise Briefe von bekannten und unbekannten
Absendern, die mir mitteilen, wie sehr meine
Musik sie erhebe: Ich wünschte, dass sie auch
mich erheben würde – ich habe gerade die Miete bezahlt, die Grundsteuer, die Einkommensteuer und was sonst noch alles fällig war.“
Aber so viel Erfolg ruft zwangsläufig auch die
Opposition auf den Plan. Die Rolle des Spielverderbers übernahm der in jeder Hinsicht, intellektuell wie finanziell, unabhängige Dirigent
Sir Thomas Beecham, der zwar ebenfalls Elgars
As-Dur-Symphonie auf die Programme seiner
Konzerte setzte, aber freilich in rabiat gekürzter
Werkgestalt. Seine Abneigung gegen diese Musik mochte er nicht verhehlen: Elgars Komposition erinnerte ihn an die neugotische Bahnhofsarchitektur der „St. Pancras Station“ in London.
Ein maliziöser Vergleich, der auf den Vorwurf
rückwärtsgewandter Größe und imperialer Attitüde hinausläuft und sich damit auf die Außenseite, sozusagen die Schauseite dieser
Symphonie einschießt – und auf die zeitgenössische Fassadenkultur, die ja keineswegs bloß
in Großbritannien den offiziellen Geschmack
beherrschte. Aber dieser selbstherrlichen Ästhetik ist Elgars Partitur allenfalls auf den letzten Seiten verschrieben, im großen Finale, in
der alles übertrumpfenden Apotheose, bei der
man tatsächlich jeden Moment damit rechnet,
dass gleich die Glocken von Westminster Abbey läuten und die Kanonen im Hyde Park gezündet werden. Dergleichen Assoziationen
drängen sich auf bei einer Symphonie „aus großer Zeit“, der „Edwardian Era“, der Goldenen
Ära König Edwards VII., als dessen Exponent
Elgar gemeinhin und etwas oberflächlich betrachtet wird. Doch sollte spätestens der zweite Satz der As-Dur-Symphonie die Zweifel nähren an vorschnellen Rückschlüssen, denn der
protzige Marsch, den Elgar hier in Gang setzt,
zeigt einen Hang zum Übertriebenen, zu Groteske und Grimasse, zur Selbstparodie, und
gerät ohnehin alsbald ins Schlingern, als wäre
„St. Pancras“ den Neubauplänen der Dekon­
struktivisten anheimgefallen.
Seine Musik brodelte und wallte
Natürlich, Elgars Symphonie beansprucht Größe: in der Besetzung des Orchesters, in der
zeitlichen Ausdehnung von fast einer Stunde
Spieldauer, in der extremen, das menschliche
Ohr im Leisen wie im Lautstarken strapazierenden Dynamik und vor allem – mit dem langen
Atem episch weiträumiger Entwicklungen. Andererseits umschließt der prunkvolle Rahmen
der Symphonie ein wahres Wimmelbild an musikalischen Details, eine zuweilen fast undurchdringliche Fülle an flirrenden, flüchtigen, ver-
Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur
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Edward Elgar leitet die erste Einspielung seiner Werke (1914)
schlungenen, verwirrenden Linien, Stimmen und
Figuren. Aber dieser grundlegende musikalische
Widerspruch zwischen dem majestätischen Großen und Ganzen und dem schwirrenden, schwankenden Innenleben der Musik entsprach genau
dem Willen des Komponisten. Und auch seinem
„Wesen“, so scheint es, zumindest bei der Schilderung des Dirigenten Elgar, also des Komponisten als öffentlicher Figur. „Er hielt sich aufrecht, hatte ein beinah militärisches Gehabe
und unterschied sich überhaupt stark von dem
landläufigen Bild eines Musikgenies“, erzählte
der Geiger William Henry Reed. „Durch die Bewegungen seiner feingliedrigen, wohlgeformten
Hände konnte er alles aus den Orchestermitgliedern herausholen, was er sich nur wünschte, aber auch durch seinen Blick, der die ganze
Skala des Empfindens widerspiegelte, durch
den Ausdruck seines Gesichts, das sich wunderbar aufhellte, wenn ihm die ersehnte Antwort entgegenklang und seine Musik so brodelte und wallte, wie es ihm innerlich vorschwebte.“
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Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur
Ein anderer Zeitgenosse, der legendäre britische Musikkritiker Ernest Newman, lernte Elgar
als einen „außergewöhnlich nervösen, in sich
gespaltenen und insgeheim unglücklichen Menschen“ kennen, der in Furcht gelebt habe vor
den dunklen Seiten und Unwägbarkeiten des
nationalen Renommees: „Während er zweifellos befriedigt war über seinen Ruhm, hatte er
tief im Innersten seines Herzens Angst vor der
Zukunft.“ Nun muss deshalb Elgars erste Symphonie nicht glattweg zu einem Selbstportrait
oder Psychogramm des Komponisten umgedeutet werden, auch wenn die Unruhe und Nervosität der Musik unverkennbar ihren Schöpfer
verrät, allem „militärischen Gehabe“ zum Trotz.
Die Symphonie eines „English Gentleman“, der
hinter der Noblesse seines formvollendeten
Auftretens das Chaos seiner Seele verbarg, das
Brodeln und Wallen einer ungeklärten, „gespaltenen“ Existenz ? Elgars erste Symphonie als
tönende Autobiographie eines „unglücklichen
Menschen“ ?
„Fahr wohl, Pracht, Pomp und
Rüstung“
doch in tausend Einzelereignisse aufzulösen,
die Auge und Ohr des Betrachters kaum noch
zu unterscheiden, geschweige denn zu entschlüsseln vermögen. Nichts bleibt, wie es ist;
nichts versteht sich mehr von selbst. Ein „nervöser“ Komponist und Außenseiter wie Edward
Elgar erkannte dieses Dilemma der Moderne
gewiss eher (und ängstlicher !) als die unbeirrbaren Repräsentanten des British Empire, der
europäischen „Welt von Gestern“, die von der
zeitlosen Überlegenheit ihrer gottgegebenen
Herrschaft überzeugt waren. Die wehrhafte,
burgähnliche und festungsartige Architektur der
Jahrhundertwende schloss jeden Wandel aus.
Elgars erste Symphonie schloss jeden Wechsel
ein, bis alles brodelte und wallte und ewige
Größe sich als Trug erwies. „O, now, for ever
Farewell the tranquil mind“, klagt Othello in
Shakespeares Tragödie. „Fahr wohl, des Herzens Ruh’ ! … Pracht, Pomp und Rüstung des
glorreichen Kriegs !“ An diese Worte hatte Elgar sich erinnert, als er Militärmärsche für Orchester geschrieben und einen passenden –
zwiespältigen – Titel gesucht hatte: „Farewell
pride, pomp, and circumstance of glorious war !“
Mindestens so plausibel wie solche „Mutmaßungen über Edward“ erscheint es, den inneren
Widerspruch der Musik als Zeitdiagnose zu verstehen: als das Gleichnis einer Epoche im Paradox. Der behaupteten Größe, dem zur Schau
getragenen Selbstbewusstsein stünde demnach
die fiebrige Geschäftigkeit, der ziellose Aktionismus einer Gesellschaft im Auf-, Um- oder
Zusammenbruch gegenüber. Die „große Symphonie“ bewahrt zwar noch die Form, den Anschein der verbürgten Ordnung, um sich zugleich
Denn Heldentum war nur noch eine Illusion. Elgars As-Dur-Symphonie beginnt nachgerade wie
eine „Anti-Eroica“. Zwei Schläge des Orchesters
eröffnen hier wie dort den ersten Satz, noch
vor dem eigentlichen Thema, aber anders als in
Beethovens Dritter sind es nur Tiefschläge,
nicht schneidend und stark wie ein Signal zur
Attacke, sondern dumpf und mürbe: ein Anfang
wie ein Abbruch. Dann hebt, „nobilmente e
semplice“, das zyklische Hauptthema des ersten Satzes und der gesamten Symphonie an,
Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur
eine Art feierlicher, wenn nicht gar sakraler
Marsch über dem „walking bass“ der Celli und
Kontrabässe, eine zeremonielle Musik wie bei
einer Prozession oder dem Einzug der Priester,
obendrein mit unüberhörbaren Anklängen an
das „Abendmahlsmotiv“ aus Richard Wagners
„Parsifal“. Edward Elgar war gläubiger Katholik, aber auch Pilger gen Bayreuth, wenngleich
seine skeptische Natur alle hochfliegenden Bekenntnisse auf ein menschliches Maß reduzierte. Der Marsch, das „Motto“ der As-Dur-Symphonie, kehrt wieder und wieder, er mischt sich
ein, er schleicht sich buchstäblich von hinten
heran, wenn er (gegen Ende des ersten und am
Anfang des letzten Satzes) zuerst von den hintersten Pulten der Streicher intoniert wird: „Last
desk only“, schreibt Elgar in die Partitur. Sofern
ihm bei dieser ungewöhnlichen Anweisung nicht
bloß am klanglichen Effekt gelegen war, könnte man über eine christlich inspirierte Symbolik
nachsinnen: „Die Letzten werden die Ersten
sein.“ Nicht zu vergessen, dass Elgar selbst
seine langwierige Laufbahn als Orchestergeiger in der Provinz begonnen und erklärtermaßen
unter der sozialen Missachtung gelitten hatte,
die dem Musikerstand traditionell in England
begegnete. Noch Colin Davis wusste, wie sehr
die Musik in Großbritannien „mit dem Ruch gesellschaftlicher und intellektueller Minderwertigkeit behaftet“ war. Elgar jedenfalls fühlte
sich wie gebrandmarkt, wenn er sich mit dem
Geigenkasten auf offener Straße durch die feind­
selige Menge bewegen musste. „Last desk only“: daraus spricht der Stolz und Trotz des Deklassierten.
21
Die Weisheit des Letzten
Was aber soll es bedeuten, dass zu guter Letzt,
am Ende der Symphonie, das „Motto“ wie ein
Sieger gefeiert wird, mit Pracht, Pomp und Rüstung ? Dramaturgisch ähnelt diese Schlusspointe der Fünften Symphonie Tschaikowskys, in
der sich das finstere, fatale Leitmotiv des Anfangs schließlich in lauter Jubel, Glanz und Gloria verwandelt: „per aspera ad astra“. Doch
während Tschaikowsky das Thema seiner Symphonie eindeutig mit der Macht des Schicksals
identifizierte, ließ Edward Elgar den tieferen
Sinn, den gedanklichen Grund seines „Mottos“
im Dunkeln. „Die Symphonie ohne ein Programm
ist die höchste Errungenschaft der Kunst“, hatte Elgar gesagt – und gelehrt: in einer Vorlesung
an der Universität von Birmingham. Und über
seine „Erste“ schrieb er es noch einmal: „Sie
hat kein Programm außer einer reichen Lebenserfahrung und einer großen Barmherzigkeit (Liebe) und einer gewaltigen Hoffnung auf die Zukunft.“ Aber dieses Programm ist tatsächlich
„kein Programm“ – oder allenfalls ein Passepartout, das mehr oder minder auf jede Symphonie
zuträfe. Eine Hoffnung auf die Zukunft ? Die erste Idee zu seinem „Motto“-Thema war Elgar auf
einer Romreise in den Sinn gekommen, an der
Via Appia Antica: im Angesicht der Vergangenheit. „Farewell pride, pomp, and circumstance
of glorious war !“ Elgars Leben glich einem langen Lebewohl. Er stand mit dem Rücken zum
neuen Jahrhundert. Elgar wäre der Letzte gewesen, der sich als Erster verstanden hätte,
und war doch der Erste, der die Würde und
Weisheit des Letzten verteidigte.
22
Die Künstler
Karl-Heinz Steffens
Dirigent
Dresden, die Rundfunkorchester in Köln, Frankfurt, Leipzig, Stuttgart und Hamburg. Er war Gast
des Orchestre Philharmonique de Radio France,
des Amsterdam Philharmonic Orchestra, der Orchester in Helsinki, Kopenhagen, Birmingham,
des Hallé Orchestra, des NHK Symphony Orchestra Tokyo, der beiden Orchester in Zürich und der
Wiener Symphoniker.
Der 1961 in Trier geborene Dirigent Karl-Heinz
Steffens studierte Klarinette in Stuttgart und
war bis 2007 Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker. Nachdem er seine Tätigkeit dort beendet hatte, leitete er von 2008 bis 2013 als Generalmusikdirektor die Staatskapelle Halle sowie
als künstlerischer Direktor das dortige Opernhaus. Seit 2009 ist er Chefdirigent der Deutschen
Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz.
Karl-Heinz Steffens dirigierte renommierte Orchester: die Berliner Philharmoniker, das Bayerische Staatsorchester München, die Bamberger
Symphoniker, die Sächsische Staatskapelle
Mit „Fidelio“ gab Karl-Heinz Steffens 2008 sein
Debüt an der Staatsoper Unter den Linden, was
unmittelbar zu Wiedereinladungen führte. So
leitete er dort bereits „Tosca“, „La Traviata“ und
„Die verkaufte Braut“. Im Januar 2012 gab KarlHeinz Steffens mit „Don Giovanni“ sein gefeiertes Debüt an der Mailänder Scala und dirigierte
diese Produktion im Herbst des Jahres auch am
Bolschoi-Theater in Moskau. Im Mai 2013 übernahm er für den erkrankten Daniel Barenboim
die Premiere der Neuproduktion von Wagners
„Götterdämmerung“ und kehrte im Juli 2014 mit
„Cosí fan tutte“ erneut an das bedeutende Mailänder Opernhaus zurück.
Internationales Aufsehen erregte die von KarlHeinz Steffens mit Hansgünther Heyme realisierte Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“ in Halle und Ludwigshafen. Während die
Sängerbesetzung übergreifend für beide Spielstätten ausgewählt wurde, blieben beide Orchester in ihrer jeweiligen Spielstätte. 2013
mündete das Großprojekt in einer Gesamtaufführung des Rings beider Orchester in beiden
Städten.
Die Künstler
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Nemanja Radulović
Violine
de Radio France unter der Leitung von MyungWhun Chung. Seither tritt er mit den führenden
Orchestern Europas, Asiens und Amerikas auf,
darunter das Deutsche Symphonie-Orchester
Berlin, das Tonhalle Orchester Zürich, das Orchestre Philharmonique de Radio France, das
London Royal Philharmonic Orchestra, das Orchestre symphonique de Montréal und das
Tokyo Symphony Orchestra.
Das Spiel Nemanja Radulovićs wurde mit vielen
internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a.
beim internationalen Joseph-Joachim-Violinwettbewerb in Hannover, beim George-EnescuWettbewerb in Bukarest, beim Antonio-Stradivari-Wettbewerb in Cremona, beim YehudiMenuhin-Wettbewerb in Boulogne-sur-Mer und
beim Wieniawski-Lipinski-Wettbewerb in Polen.
Geboren 1985 in Serbien, studierte Nemanja
Radulović an der Fakultät für darstellende Künste in Belgrad bei Dejan Mihailović und an der
Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken bei
Joshua Epstein. Im Alter von 14 Jahren wurde
er am renommierten Pariser Konservatorium in
die Klasse von Patrice Fontanarosa aufgenommen. Außerdem nahm er an Meisterklassen von
Yehudi Menuhin, Joshua Epstein, Dejan Mihailović und Salvatore Accardo teil.
Als Einspringer für Maxim Vengerov gab er 2006
mit Beethovens Violinkonzert sein viel beachtetes Debüt mit dem Orchestre Philharmonique
Mit seinen beiden Ensembles „The Devil‘s Trill“
und „Double Sens“ ist er Gast bei führenden
Konzerthäusern und Festivals in Europa und
Asien. Zahlreiche Einspielungen, in denen sich
Nemanja Radulović sowohl als Solokünstler als
auch zusammen mit seinen beiden Ensembles
präsentiert, wurden von der internationalen
Presse gefeiert und mit Preisen ausgezeichnet.
2014 wurde er bei den Victoires de la Musique
in Cannes zum Instrumentalisten des Jahres
gekürt.
Nemanja Radulović spielt eine Violine von Jean
Baptiste Vuillaume aus dem Jahr 1843.
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Auftakt
Komponisten
Die Kolumne von Elke Heidenreich
Warum ergreift uns manche Musik im
Konzertsaal und andere lässt uns kalt?
Warum versinken einige selig beim Zuhören und andere kramen in der Tasche
und sind unkonzentriert, was sich dann
meist auch in störendem Husten zeigt?
Warum klatschen sich einige am Ende
die Hände heiß, während andere nach
dem letzten Ton sofort zur Garderobe hetzen? Es
mag mit dem Stück zu tun haben, mit der persönlichen Stimmung an diesem Tag, aber ich habe bei
vielen Auftritten, bei denen ich als Erzählerin mit
Musikern auf der Bühne saß, gemerkt, wie man
auch unkonzentrierte Zuhörer fesseln kann: indem
man mehr über die Komponisten erzählt. Man hört
anders, wenn man weiß, dass zum Beispiel Schubert einer der Sargträger von Beethoven war und
dass er nach der Beerdigung im Gasthaus sein Glas
hob auf den, der als nächster Beethoven folgen
würde – und dass er selbst es war, nicht einmal
zwei Jahre später, 1828; oder wenn man weiß, dass
der Großvater von Felix Mendelssohn-Bartholdy
jener berühmte jüdische Philosoph Moses Mendel
war, der Freund Lessings, das Vorbild für Nathan
den Weisen; oder wenn man darüber staunt, dass
Beethoven Kellnern das Essen, das ihm nicht
schmeckte, ins Gesicht warf – warum war er so
schlecht gelaunt? Weil er Musiker war und taub,
das Schlimmste, was passieren konnte. Oder dass
Mozart nicht so arm war wie man immer sagt – er
hat es halt mit vollen Händen rausgeworfen, und
er war auch nicht so prächtig, wie er da in Salzburg
vor der Residenz in Bronze steht – gerade mal einen
Meter fünfzig war er groß, pockennarbig, glubsch-
äugig, ein Doppelkinn. Oder wussten
Sie, dass Anton Bruckner einen Zählzwang hatte? Nicht nur bei den Takten seiner unglaublich langen Sinfonien – er zählte auch die Pflastersteine auf der Straße und die Perlen
der Frauen, und überhaupt, Bruckner
und die Frauen! Ein Leben lang hat er
versucht, eine für sich zu gewinnen, mit Briefen,
Blumensträußen, Anträgen – immer jünger wurden
die Angeschwärmten, immer geringer seine Chancen, bei einer landen zu können, denn er war ein
wenig unbeholfen, vielleicht naiv. Gustav Mahler
soll gesagt haben: „Halb ein Gott, halb ein Trottel“, und die Erotik strahlte wohl eher seine kraftvolle Musik aus als seine Gestalt …ach, wenn
man das alles weiß, hört es sich manchmal anders, was da ertönt, denn nicht Götter haben diese Musik geschrieben, sondern Menschen. Menschen mit Lieben, Leiden, Ticks und Schwächen
– denken Sie an Mahler, der seiner Alma das
Komponieren glatt verbot, an Puccini, der seine
Elvira betrog, indem er einen Studenten anmietete, der im Gartenhäuschen Klavier spielte, während er zur Jagd oder zur Geliebten ging, und abends
sagte Elvira: „Heute hast du aber schön gespielt,
Giacomo!“
Im Konzertsaal hören wir Musik von Menschen, die
sind, die waren wie wir – mit einem Unterschied:
ihnen war ein wunderbares, göttliches Talent gegeben. Lassen wir uns davon beglücken, ohne das
Menschliche zu vergessen.
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Unser derzeitiger Kontrabass-Akademist Thomas
Hille, der vor kurzem den Kulturförderpreis der
Stadt Deggendorf erhalten hat, wird nach erfolgreichem Probespiel Mitglied unserer KontrabassGruppe. Sein Akademisten-Stipendium läuft Ende
Februar aus, ab März wird er die Stelle als TuttiKontrabassist antreten. Wir gratulieren herzlich!
Abschied
Wir verabschieden uns von Manfred Hufnagel. Er
war seit 1975 Mitglied unserer 1. Geigen-Gruppe
und geht nun wohlverdient in Ruhestand.
Orchesterakademie
Folgende Orchesterakademie-Stipendien sind ausgeschrieben: Kontrabass, Flöte, Oboe, Klarinette,
Trompete und Posaune. Probespiel-Termine werden
noch bekannt gegeben, Bewerbungen bitte an
[email protected].
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Willkommen zurück
Willkommen zurück heißen wir unseren TubaAkademisten Michael Schwarzfischer. Er musste
nach einem Fahrrad-Unfall für mehrere Monate
pausieren und ist zum Glück wieder vollständig genesen. Herzlicher Dank nochmals an die Freunde
und Förderer der Münchner Philharmoniker, die
Fahrenkamp-Schäffler-Stiftung und die Musikerinnen und Musiker unseres Orchesters, die ihn alle
bei seiner kostenintensiven Zahnbehandlung finanziell unterstützt haben.
Seine volle Einsatz-Bereitschaft konnte er bereits
auf der Asientournee diesen Oktober unter Beweis
stellen.
Echo
Die Verleihung des diesjährigen ECHO Klassik fand
am 26.10. wieder einmal in der Philharmonie statt.
Unter anderem spielten die Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin
mit Anne-Sophie Mutter, Anna Netrebko und David
Garrett. Einen kleinen Vorgeschmack auf die Konzerte zu Silvester und Neujahr lieferten sie zusammen mit Diana Damrau, die ebenfalls mit einem
ECHO ausgezeichnet wurde.
Herzlichen Glückwunsch hier auch an Malte Arkona, der Moderator unserer Jugendkonzerte, der in
der Kategorie „Klassik für Kinder“ ausgezeichnet
wurde.
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Herzlich Willkommen
Sebastian Stevensson hat das Solo-FagottProbespiel gewonnen. Er tritt sein Probejahr im
Januar bei uns an. Quirin Willert hat das Wechselposaune-Probespiel für sich entschieden und
wird seine Stelle voraussichtlich im März antreten.
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Philharmonische Notizen
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Wir gratulieren...
… Florentine Lenz und Iason Keramidis,
die nach erfolgreichem Probejahr nun feste Mitglieder
der 1. Geigen der Münchner Philharmoniker sind.
Florentine Lenz erhielt ihren ersten Geigen unterricht
im Alter von vier Jahren an der Westfälischen
Schule für Musik Münster bei Tor Song Tan. Elfjährig wurde sie Schülerin von Martin Dehning, der
sie ein Jahr später als Jungstudentin in seine Klasse an der Münsteraner Musikhochschule aufnahm.
Nach dem Abitur 2006 begann sie ihr Studium an
der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin bei
Sophia Jaffé. Weitere Impulse erhielt sie bei Meisterkursen von Ana Chumachenco, Stephan Picard
und Elisabeth Weber. Florentine Lenz ist Preisträgerin zahlreicher nationaler und internationaler
Wettbewerbe als Solistin und Kammermusikerin.
Außerdem ist sie Stipendiatin des Vereins Yehudi
Menuhin Live Music Now.
Nach ihrem Diplom im Jahr 2011 spielte sie zunächst als Akademistin im Konzerthausorchester
Berlin, sowie regelmäßig als Gastmusikerin bei
der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und
dem Münchener Kammerorchester. Im Dezember
2012 wurde sie Akademistin der Münchner Philharmoniker und anschließend festes Mitglied des
Orchesters.
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Iason Keramidis wurde 1985 in Kavala (Griechenland) geboren. Schon sehr früh begann er seine
musikalische Ausbildung, die er mit 13 Jahren bei
Prof. Stelios Kafantaris fortsetzte. Ab 2003 studierte er an der Musikhochschule Stuttgart bei Prof.
Ingolf Turban und anschließend an der Musikhochschule Karlsruhe bei Prof. Ulf Hoelscher, wo er mit
Auszeichnung abschloss. Im gleichen Monat wurde
Iason Keramidis in die Solistenklasse der Musikhochschule Karlsruhe aufgenommen. Im Jahr 2013
schloss er sein Kammermusikstudium bei Prof. Michael Uhde ab.
Durch zahlreiche Konzerte in Europa, Asien und
Süd- und Nordamerika ist er in den letzten Jahren
zu einem international gefragten Künstler avanciert. Als Solist spielte er mit dem Sinfonieorchester Sofia, dem Staatlichen Sinfonieorchester Thessaloniki, der Baden-Badener Philharmonie, dem
Staatlichen Sinfonieorchester Athen, dem Sinfonieorchester Olomuc und der Deutschen Staatsphilharmonie. Seit 1998 wurde er mit zahlreichen
Preisen und Auszeichnungen geehrt: dem 1. Preis
beim Panhellenischen Wettbewerb in Athen, dem
1. Preis beim ART Wettbewerb für Geige in Thessaloniki, dem 1. Preis bei den Internationalen Musiktagen in Neustadt an der Weinstraße und dem
1. Preis beim Wettbewerb des Freundeskreises der
HfM Karlsruhe mit dem Astris Trio.
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Wir gratulieren...
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Über die Schulter geschaut
Im Dienste der Musik – die Notenarchivare
der Münchner Philharmoniker
Christian Beuke
Gefragt nach einem typigerne arbeiten die beiden
schen Arbeitstag, fällt ihre
Archivare für den EhrenAntwort kurz, prägnant und
dirigenten, Zubin Mehta.
mit einem Schmunzeln aus:
Denn pünktlicher als er ist
„Den gibt es nicht.“ Thomas
niemand. „Von ihm kommt
Lang und Georg Haider ardie Quinte mindestens drei
beiten seit zehn bzw. fünf
Monate vor der ersten ProJahren als Notenarchivare
be. Mehr als ausreichend
Zeit, damit wir die fertigen
bei den Münchner Philharmonikern. Vor allem sind sie
Stimmen pünktlich an die
dafür verantwortlich, dass Thomas Lang und Georg Haider (von links auf dem Foto) Orchestermusiker überdie Striche – die Auf- und arbeiten seit zehn bzw. fünf Jahren als Notenarchivare geben und sie die ProAbstriche der Streicher –
gramme vorbereiten könkorrekt in jede Stimme und nach den Wünschen des
nen. Unser Anspruch ist es, immer zwei bis drei
Dirigenten eingetragen sind. „Manche Maestri
Projekte voraus zu sein“, erläutert Georg Haider.
schicken uns eine sogenannte „Quinte“ – die ein„Treten Programmänderungen auf, hat die Aktualigerichteten Striche von je einer 1. und 2. Geige,
tät natürlich immer Vorrang.“
Bratsche, Cello und Bass“, erklärt Georg Haider.
Was sich auf den ersten Blick simpel anhört, ist
Durch ihre Hände wandern mitunter wahre Schätbei genauerem Hinsehen wesentlich komplexer.
ze. Gustavo Dudamel war sofort Feuer und Flamme
Jeder Maestro hat unterschiedliche Erwartungen:
als er hörte, dass es bei den Münchner Philharmoder eine bevorzugt das Notenmaterial eines benikern noch alte Noten gebe, die von Celibidache
stimmten Verlags, weil er mit diesen Noten schon
eingerichtet wurden und aus denen er dirigiert hat.
seit Jahren arbeitet. „Lorin Maazel hat dank seines
„Er fragte, ob er nach einer Probe kurz bei uns vorfotografischen Gedächtnisses sofort erkannt, ob es
bei kommen dürfe, um sich Partituren genauer an„sein“ Material war“, erinnert sich Thomas Lang.
zusehen“, berichtet Thomas Lang. „Fast eine Stun„Diese Stelle war doch bisher immer oben links auf
de war er da“ – eine Ausnahme, wie er gerne offen zugibt. „Mit offenem Mund hat er zugehört als
dieser Seite. Es ist ein wenig ungewohnt, wenn sie
auf einmal woanders auftaucht“, so der Kommentar
ich ihm sagte, dass die Münchner Philharmoniker
des Maestros. Andere Dirigenten sind dagegen
fast alle Orchesterwerke Richard Strauss’ vom
sehr an den neuesten Ausgaben interessiert, die
Komponisten selbst geschenkt bekommen haben.“
erst ganz frisch herausgekommen sind. Besonders
In der Tat eine absolute Besonderheit.
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Auch ein guter Draht zu den Musikern des Orchesters ist für Thomas Lang und Georg Haider selbstverständlich. Wünsche einzelner Kollegen werden
sofort erfüllt, sei es die Vergrößerung von Stimmen, das Übertragen kurzer Passagen in einen
anderen Notenschlüssel oder die Bereitstellung
von Stimmen auch mal früher als normalerweise
üblich. Wolfgang Berg, Bratscher und Erfinder des
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Odeonjugendorchesters, fragt regelmäßig für das
Patenorchester nach einer Quinte, damit die jungen Musiker die Striche in ihr gekauftes Material
übertragen können. Gleiches gilt für das Abonnentenorchester. Und unlesbare Stimmen, im letzten
Falle waren das zwei Soloviolinen, die in einem
Notensystem – „für das menschliche Auge kaum
mehr wahrnehmbar“ – zusammengefasst waren,
werden fein säuberlich getrennt neu notiert. Für
das beste künstlerische Ergebnis.
Georg Haider hat u.a. Komposition studiert. Bevor
er bei den Münchner Philharmonikern anfing, war
er als freischaffender Komponist tätig. Erst kürzlich
hat er mit einem außergewöhnlichen
Projekt von sich Reden gemacht: dem
Klangbuch „Der Dritte Mann“, nach
dem Roman von Orson Welles. Die
Musik für vier Zithern, Posaune und
Schlagzeug hat er ursprünglich für
ein Zitherfestival komponiert. Gemeinsam mit dem Sprecher Norbert
Gastell, mit verstellter Stimme als
Synchronstimme von Homer Simpson bekannt, ist ein Melodram entstanden, das der Mandelbaumverlag
herausgebracht hat. Deutschlandradio Kultur rezensiert: „Dieser „Dritte Mann“ ist kein
Futter für das Autoradio, kein Unterhaltungskrimi,
kein Auffrischen einer bereits bekannten Erzählung.
Georg Haiders „Der Dritte Mann – Orson Welles’
Schatten“ ist uneasy listening, faszinierend-verstörende Hörkunst, die bewusstes Hören erfordert.
Und nachdem man diesen Stoff mit anderen Ohren
gehört hat, wird man vermutlich auch den Film mit
anderen Augen sehen.“
Stets im Dienste der Musik eben.
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In der Regel aber wird das Notenmaterial eingekauft. Bedingung für den Erwerb ist, dass die Rechte der Komponisten an den Werken freigeworden
sind. In Deutschland ist das 70 Jahre nach dem Tod
des Komponisten der Fall. Richard Strauss zum
Beispiel ist also noch bis zum 1.1.2020 geschützt.
In Asien oder auch in Amerika gelten hingegen andere Regeln. So war in den USA bis vor kurzem
jedes Werk 50 Jahre nach dem Erscheinen des
jeweiligen Erstdrucks geschützt. Wann werden
welche Werke frei? Welche neuen Urtexte gibt es?
Fragen, die die beiden Archivare aus dem Stand beantworten können. Ein guter Draht zu den Musikverlagen ist dabei mehr als hilfreich, ja geradezu
Voraussetzung. Thomas Lang hat viele
Jahre in einem großen Notenverlag
gearbeitet, er kennt auch die andere
Seite bestens und hat schon die eine
oder andere kritische Situation still und
einvernehmlich gelöst. Vorher war er
als Dramaturg an verschiedenen Theatern in Deutschland tätig. Kein Wunder, dass seine große Liebe der Oper
gilt, genauer gesagt der unentdeckten
Oper. Mehr als 600 verschiedene Opern
hat er bereits gesehen, dafür reist er
durch ganz Deutschland, wann immer
es die Zeit zulässt. Besonders angetan ist er von
den zahlreichen Raritäten, die das Stadttheater Gießen schon seit Jahren ausgräbt.
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Über die Schulter geschaut
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Orchestergeschichte
Ein außergewöhnliches Konzert mit
Gustav Mahlers nachgelassenem Adagiosatz
Gabriele E. Meyer
Am 17. Dezember 1931 stellte der Konzertverein
in Verbindung mit der 1927 von Fritz Büchtger gegründeten „Vereinigung für zeitgenössische Musik“
vier für München ganz neue und „gegensätzliche“
Werke vor. Am Pult der Münchner Philharmoniker
stand Hermann Scherchen, zeit seines Lebens unbeirrbarer Förderer der neuen Musik und Freund
vieler Komponisten. Mit Feuereifer erarbeiteten die
Musiker Gustav Mahlers Adagio aus dessen unvollendet gebliebener zehnten Symphonie sowie Paul
Hindemiths 1930 für das Bostoner Symphonieorchester komponierte „Konzertmusik für Streichorchester und Bläser“ op. 50, Arthur Honeggers
Symphonie Nr. 1 (1930) und Wladimir Vogels „Zwei
Orchester-Etüden“, ebenfalls aus dem Jahre 1930.
Schon in der Ankündigung zu dem Konzert machten die „Münchner Neuesten Nachrichten“ auf die
schwierige musikgeschichtliche Stellung des damals noch kontrovers diskutierten österreichischen
Komponisten aufmerksam. „Mahler ist oft als einer
der Väter der sogenannten neuen Musik bezeichnet
worden, wenn auch diese Beziehung sehr problematisch ist und man eher ihn als den Ausklang der
Romantik bezeichnen kann.“ Das Echo auf diesen
Konzertabend aber war enorm, wobei gerade Mahlers Adagiosatz den größten Eindruck hinterließ.
So wurden die „innere Konzentration“ und die „ergreifende Ausdruckskraft des breit in schmerzlicher Schönheit hinströmenden Gesanges“ ebenso
vermerkt wie die „Spannung weiter Intervalle“.
Ein anderer Rezensent sah den Satz als „erschütternden Ausklang einer um die letzten Dinge wis-
senden Seele“. Interessant, notabene, ist hier
auch der Hinweis auf Brucknersche Gedankengänge. Es scheint, als ob die Logik des Zerfalls,
das musikalische Bild des Todes, das Mahler hier
komponiert hat, geradezu hervorragend getroffen
wurde.
Wie nun Hermann Scherchen die Werke des ganzen Abends „musikalisch und geistig, aber auch
dirigiertechnisch vermittelt hat, war“, nach übereinstimmender Meinung, „wieder im höchsten
Grade bewunderungswürdig. Aber auch die Münchner Philharmoniker zeigten sich an diesem Abend
auf der vollen Höhe ihrer Leistungsfähigkeit. Sie
spielten glänzend.“ Ein besonderes Lob erhielten
die Blechbläser, die wahrlich keinen leichten
Abend hatten. Der schönste Dank aber kam von
Scherchen selbst. In einem offenen Brief an die
Philharmoniker würdigte er deren großartigen
Einsatz. „Nicht nur, daß Sie ein exzeptionell
schwieriges Programm virtuos bewältigten, haben Sie auch vermocht, vier ganz gegensätzliche
Stile scharf profiliert darzustellen und dies auf
Grund von relativ knappster Probenarbeit. Ich
habe bewundert, mit welch persönlichem Interesse Sie sich schnell zu den Ihnen ganz fremden
Werken in Beziehung zu bringen vermocht haben
und ich war glücklich und Ihnen restlos dankbar,
daß Ihr künstlerisches Verantwortungsgefühl es
mir ermöglicht hat, noch am Abend unmittelbar
vorm Konzert zu probieren und so in hohem Maße
der Kunst dienen zu können.“
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31
Stefan Mayerhofer
Vorsitzender der Freunde und Förderer
der Münchner Philharmoniker e. V.
Mit großer Freude und Begeisterung habe ich die jüngsten Kritiken
über die Asienreise unserer Philharmoniker gelesen. Die Konzerte
waren ein voller Erfolg und haben
zum ausgezeichneten internationalen Ruf einen bedeutenden Beitrag für dieses Weltklasse-Orchester geleistet. Persönlich hatte ich
im letzten Jahr das Vergnügen in
New York bei zwei großartigen Auftritten der
Münchner Philharmoniker in der wunderbaren Carnegie Hall dabei zu sein. Die einzigartige Atmosphäre in diesem grandiosen Saal mit seiner eindrucksvollen Akustik trugen zu einem unvergesslichen Erlebnis bei. Wenn Sie auch den Wunsch
verspüren, Ihre Münchner Philharmoniker auf Auslandsreisen zu begleiten und andere interessante
Konzertsäle zu erleben, brauchen Sie nur Mitglied
bei den „Freunden und Förderern der Münchner
Philharmoniker“ zu werden. Wir haben uns unter
anderem zur Aufgabe gemacht, bei ausreichendem
Interesse die Reisen inklusive Rahmenprogramm
zu organisieren. Der nächste Termin steht schon
an – Paris am 09.03.2015!
Aber nicht nur das steht Ihnen als Mitglied offen.
Auch die wertvolle Arbeit unserer Orchesterakademie mit aktuell 13 Stipendiaten, die durch private Spenden und die Mitgliedsbeiträge finanziert
werden, stellen einen wichtigen Baustein unserer
Arbeit dar. Es ist immer wieder eine große Freude
zu sehen und zu hören, wenn
unsere Akademisten in der Allerheiligen-Hofkirche Kammerkonzerte vor ausverkauftem
Hause geben. Ein besonderer
Erfolg für uns bedeutet die Übernahme bei einem anderen renommierten Orchester oder gar die
Krönung: die Übernahme bei den
Münchner Philharmonikern selbst.
In den letzten Wochen kam endlich wieder Bewegung in die Diskussion um Renovierung bzw. Neugestaltung des Gasteigs. Im Sinne der Liebhaber
der klassischen Musik, allen Musikfreunden, den
Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und unseres
Landes begrüßen wir eine sinnvolle, nachhaltige
und akustisch ausgezeichnete Lösung für die zukünftige Philharmonie, nicht nur für die Münchner
Philharmoniker, sondern insbesondere auch für
das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Ein gemeinsames Ziel von Stadt und Land
unter Berücksichtigung aller Interessen bedeutet
eine Bündelung der Kräfte, nicht nur finanziell.
In der Hoffnung auf ein gutes Gelingen werden
wir als Freunde unser Möglichstes dafür beitragen. An dieser Stelle erlaube ich mir auch meinen
Dank an die Intendanz, das Orchester und den
Orchestervorstand für die gute Zusammenarbeit
auszusprechen. Herzlichen Dank!
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Das letzte Wort hat...
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Mi. 11.02.2015, 20:00
Uni-Konzert SPEZIAL
Hector Berlioz
„Le Carnaval romain“ op. 9,
Konzertouvertüre
Jörg Duda
Konzert für Tuba und Orchester
op. 67 Nr. 1
Hector Berlioz
„Symphonie fantastique“
op. 14
Pietari Inkinen, Dirigent
Andreas Martin Hofmeir, Tuba
Vorschau
So. 15.02.2015, 11:00 4. KaKo
„Trio plus“
Wolfgang Amadeus Mozart
Quartett für Oboe, Violine,
Viola und Violoncello F-Dur
KV 370 (383b)
Ernst Naumann
Streichtrio D-Dur op. 12
Benjamin Britten
„Phantasy Quartet“ f-Moll
op. 2
Ludwig van Beethoven
Steichtrio D-Dur op. 9 Nr. 2
Fr. 20.02.2015, 20:00 4. Abo c
Sa. 21.02.2015, 19: 00 4. Abo g5
So. 22.02.2015, 11:00 5. Abo m
Ludwig van Beethoven
Ouvertüre zu „Leonore“ Nr. 3
C-Dur op. 72
Jean Sibelius
Konzert für Violine und
Orchester d-Moll op. 47
Nikolaj Rimskij-Korsakow
„Scheherazade“ op. 35
Rafael Payare, Dirigent
Sergey Khachatryan, Violine
Marie-Luise Modersohn, Oboe
Katharina Triendl, Violine
Jano Lisboa, Viola
Elke Funk-Hoever, Violoncello
Impressum
Herausgeber
Direktion der Münchner
Philharmoniker
Paul Müller, Intendant
Kellerstraße 4,
81667 München
Lektorat: Christine Möller
Corporate Design:
Graphik: dm druckmedien
gmbh, München
Druck: Color Offset GmbH,
Geretsrieder Str. 10,
81379 München
Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix
zertifiziertem Papier der Sorte
LuxoArt Samt.
Textnachweise
Wolfgang Stähr, Marcus
Imbsweiler, Elke Heidenreich, Monika Laxgang,
Christian Beuke und Gabriele E. Meyer schrieben ihre
Texte als Originalbeiträge
für die Programmhefte der
Münchner Philharmoniker.
Lexikalische Angaben und
Kurzkommentare: Stephan
Kohler. Künstlerbiographien:
Christine Möller. Alle Rechte
bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig.
Bildnachweise
Abbildungen zu Edward Elgar:
Michael Messenger, Edward
Elgar – An illustraded life of Sir
Edward Elgar, Buckinghamshire
2005; Jerrold Northrop Moore,
Edward Elgar – Letters of a
Lifetime, Oxford 1990; Raymond Monk (Hrsg.), Elgar
Studies, Aldershot / Hants
1990. Abbildung zu Niccolò
Paganini: Danilo Prefumo,
Niccolò Paganini, Palermo
2006. Künstlerphotographien:
Frank Vinken (Steffens/Titel),
Gert Kiermeyer (Steffens/Bio),
Bayram Tarakci (Radulović),
Leonie von Kleist (Heidenreich);
privat (Lenz, Keramidis,
Mayerhofer).
Paavo Järvi
Dirigent
Joshua Bell
Violine
Carl Nielsen
Ouvertüre zu „Maskerade“
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35
Sonntag, 19.04.2015, 11 Uhr
Montag, 20.04.2015, 20 Uhr
Dienstag, 21.04.2015, 20 Uhr
Philharmonie im Gasteig
Igor Strawinsky
„Scherzo fantastique“ op. 3
Dmitrij Schostakowitsch
Symphonie Nr. 1 f-Moll op. 10
Karten € 61 / 51,50 / 45 / 36,90 / 31,20 / 18,10 / 12,30
Informationen und Karten über München Ticket
KlassikLine 089 / 54 81 81 400 und unter mphil.de
117. Spielzeit seit der Gründung 1893
Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)
Paul Müller, Intendant

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