„Personaldienstleister“ – das Branchenmagazin des BAP 03/2015

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„Personaldienstleister“ – das Branchenmagazin des BAP 03/2015
Personaldienstleister
03 15
Branchenmagazin des BAP – Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister
THEMENSCHWERPUNKT
DER REFERENTEN­
ENTWURF ZUR
­ZEITARBEIT
Positionen aus Wirtschaft und Rechtswissenschaft
BAP Akademie
Das Seminarprogramm
für das erste Halbjahr 2016
VDMA-Hauptgeschäftsführer
Thilo Brodtmann
Bewertung aus Sicht der Kunden
Prof. Dr. Martin Henssler
Juristische Bewertung
der ­BMAS-Vorschläge
3 Seite 11
3 Seite 9
3 Seiten 6–7
98,4%
Zufriedenheit
für unseren
Service + Support
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Zufriedenheit für
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Editorial
3
Referentenentwurf schießt weit über
Ziel und Koalitionsvertrag hinaus
J
etzt liegt er also vor, der Referentenentwurf aus dem Bun­
desministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zu Ände­
rungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Dass etwas
für die Zeitarbeit kommen würde, war klar. Immerhin
hatten sich CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag
bereits vor knapp zwei Jahren darauf verständigt, die Zeit­
arbeit »auf ihre Kernfunktionen hin« zu orientieren. Darin
war auch schon festgehalten, dass es eine Höchstüberlassungs­
dauer von 18 Monaten und ein gesetzliches Equal Pay nach
spätestens neun Monaten geben soll. Gegen beides hat der BAP
mit aller Kraft gekämpft. Dass dieser Kampf vergeblich sein
würde, hat sich schnell gezeigt, denn selbst die besten Gründe
wurden mit dem Verweis auf den Koalitionsvertrag, der umge­
setzt werden müsse, abgeschmettert. Der BMAS-Entwurf über­
trifft allerdings die schlimmsten Erwartungen. Darin werden
eben nicht nur Höchstüberlassungsdauer und Equal Pay fest­
geschrieben und damit unverhältnismäßig in die Tarifautono­
mie der Zeitarbeit eingegriffen sowie ihre Einsatzbedingungen
massiv verschlechtert. Nein, dieser Entwurf darf so nicht
umgesetzt werden!
Ich will das nur an zwei Beispielen deutlich machen. Bei­
spiel Höchstüberlassungsdauer: Ausnahmen soll es – neben
der öffentlichen Hand – nur für tarifgebundene Unternehmen
der Einsatzbranchen geben, wenn ein einschlägiger Tarifver­
trag das festschreibt. Damit wäre die deutsche Wirtschaft
nicht nur auf den Goodwill der Gewerkschaften angewiesen,
sondern stünde zusätzlich vor einem Flickenteppich höchst
unterschiedlicher tariflicher Regelungen zur Höchstüberlas­
sungsdauer. Denn der Wirtschaftszweig, der eine branchen­
übergreifende Lösung herbeiführen könnte und im Übrigen
auch von der Einschränkung am stärksten betroffen wird, soll
raus sein – die Zeitarbeitsbranche darf laut Referentenentwurf
keine eigenen tarifvertraglichen Regelungen für eine längere
Überlassungsdauer vereinbaren. Das Ergebnis wäre, dass in man­
chen Branchen sehr wohl noch Elternzeitvertretungen über
36 Monate oder Pflegezeitüberbrückungen bis zu 24 Monate
durch Zeitarbeit möglich wären, in anderen Wirtschaftszwei­
gen nicht. Und vielleicht dürfte der Informatiker, der für ein
zeitlich begrenztes Projekt über die Zeitarbeit kommt, in
einem tarifgebundenen Unternehmen der Chemischen Indus­
trie drei oder vier Jahre arbeiten, woanders jedoch nicht. Noch
schlimmer kommt es aber mit Blick auf die Sanktionen, die es
bei Verstößen gegen die Höchstüberlassungsdauer nach Vor­
stellungen des BMAS geben soll: Den Zeitarbeitsunternehmen
droht der Entzug der zwingend erforderlichen Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung und damit quasi ein Berufsverbot.
Und den Kundenbetrieben droht die »Zwangsübernahme« der
Zeitarbeitskräfte, die länger als 18 Monate bei ihnen eingesetzt
wurden – eine Sanktion, die bei den Koalitionsverhandlungen
von der Union abgelehnt wurde. Gegen diesen unverhältnis­
VOLKER ENKERTS
Präsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Personal­
dienstleister (BAP), Geschäftsführer der FLEX-TIME GmbH
Personaldienstleistungen
mäßigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit ist das
zusätzlich vorgesehene Bußgeld von bis zu 30.000 Euro eine
Petitesse.
Beispiel Equal Pay: Hier will das BMAS allen Ernstes, dass
»sämtliche auf den Lohnabrechnungen vergleichbarer (…)
Stammarbeitnehmer des Entleihers ausgewiesenen Bruttover­
gütungsbestandteile« berücksichtigt werden. Dazu sollen
explizit auch vermögenswirksame Leistungen und sogar
»Sachbezüge, die der Entleiher seinen (…) Stammarbeitneh­
mern gewährt«, gehören. Wie das in der Praxis, in der Zulagen
und Gratifikationen häufig an bestimmte Bedingungen wie
dem Verbleib im Betrieb oder das Erreichen von Unterneh­
menszielen gebunden sind, gehen soll, ist ein Rätsel. Und wie
die Finanzkontrolle Schwarzarbeit so die Einhaltung von
Equal Pay kontrollieren soll, auch. Das i-Tüpfelchen ist, dass
es – im Gegensatz zur Höchstüberlassungsdauer – keine Über­
gangsvorschrift geben soll. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zum
1. Januar 2017 hätten somit auf einen Schlag alle Zeitarbeits­
kräfte, die bereits neun bzw. bei Zahlung von Branchenzu­
schlägen zwölf Monate beim selben Kunden eingesetzt waren,
Anspruch auf Equal Pay.
Der vorliegende Entwurf aus dem BMAS – das ist eindeu­
tig – zielt darauf ab, mit nicht handhabbaren Regelungen und
unverhältnismäßigen Sanktionen die Zeitarbeit so unattraktiv
zu machen, dass die deutsche Wirtschaft dieses Instrument
nicht mehr nutzt. Das ist nicht im Sinne des Koalitionsver­
trags und muss auch deswegen dringend korrigiert werden! t
4
Ausblicke
Zeitarbeit in neuem Rechtsrahmen
BAP-Rechtssymposium analysiert am 27. Januar 2016 den Referentenentwurf
aus dem ­B undesarbeitsministerium.
D
ie Bundesregierung will die
Zeitarbeit »auf ihre Kern­
funktionen hin orientieren«,
wie es im Koalitionsvertrag
von CDU/CSU und SPD heißt. Dazu sol­
len – wie hinlänglich bekannt – unter
anderem eine Höchstüberlassungsdauer
von 18 Monaten und ein Equal Pay-An­
spruch für Zeitarbeitnehmer nach neun
Monaten im Arbeitnehmerüberlassungs­
gesetz (AÜG) verankert werden. Obwohl
das Gesetzgebungsverfahren noch nicht
abgeschlossen ist, Änderungen also mög­
lich sind, ist davon auszugehen, dass die
beiden genannten Regulierungen umge­
setzt werden.
Der neue Rechtsrahmen für die Zeit­
arbeit wird viele Rechtsfragen aufwerfen,
die für die tägliche Praxis der Branche
und ihrer Kundenunternehmen erheb­
liche Bedeutung haben: ­Welche Gestal­
tungsmöglichkeiten haben die Personal­
dienstleister noch nach gesetzlichen
Eingriffen in die Tarifautonomie? Wel­
che Risiken für Zeitarbeitsunternehmen
und ihre Kunden entstehen daraus? Das
sind nur zwei von vielen Fragen, mit
denen sich das BAP-Rechtssymposium
am 27. Januar 2016 in Berlin beschäfti­
gen wird.
Für diese Veranstaltung hat der BAP
führende Rechtswissenschaftler gewon­
nen. So wird sich unter anderem Prof.
Dr. Richard Giesen, Ludwig-Maximili­
ans-Universität München, mit der Ver­
einbarkeit von gesetzlichem Equal Pay
und Tarifautonomie auseinandersetzen.
Prof. Dr. Frank Bayreuther, Universität
Passau, wird sich mit der künftigen
Lohngestaltung in der Zeitarbeit befas­
sen. Prof. Dr. Martin Franzen, LudwigMaximilians-Universität München, wird
der Frage nachgehen, ob eine Höchst­
überlassungsdauer von 18 Monaten mit
Europarecht und deutschem Verfassungs­
recht vereinbar ist. Prof. Dr. JobstHubertus Bauer, Of Counsel und Rechts­
anwalt in der Kanzlei Gleiss Lutz, wird
die AÜG-Reform aus Sicht der Arbeitge­
ber, Arbeitnehmer und Kunden darstel­
len. Und Rainer Funke, Parlamenta­
rischer Staatssekre­tär a.D. und Mitglied
des Nationalen Normenkontrollrates,
wird sich mit dem Bürokratieabbau als
Mittel zur Entlastung der (Zeitarbeits-)
Unternehmen beschäftigen.
Für BAP-Mitglieder sowie Bundes­
tagsabgeordnete und deren Mitarbeiter
ist die Teilnahme am BAP-Rechtssympo­
sium kostenlos. Nichtmitglieder können
bis zum 18. Dezember 2015 den Früh­
bucherrabatt von 129 Euro (inkl. MwSt.)
nutzen oder sich danach für 159 Euro
(inkl. MwSt.) anmelden. t
33 Interessiert? Weiterführende Infor­
mationen zum BAP-Rechtssymposium
sowie das Online-Anmeldeformular
­finden Sie auf der Verbandswebsite
­unter: www.personaldienstleister.de/
bap_rechtssymposium.
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Schwerpunktthema
Referentenentwurf zum Arbeitnehmer­
überlassungsgesetz (AÜG)
Zentrale Änderungsvorschläge aus dem Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
EQUAL PAY NACH 9 BZW. 12 MONATEN
HÖCHSTÜBERLASSUNGSDAUER VON 18 MONATEN
Wesentliche Regelungsvorschläge:
Bei der Ermittlung von Equal Pay sollen »sämtliche auf
qq
den Lohnabrechnungen vergleichbarer Stammarbeit­
nehmerinnen und Stammarbeitnehmer des Entleihers
ausgewiesene Bruttovergütungsbestandteile« zugrunde
gelegt werden. Dazu sollen auch Sachbezüge in Geld
und sogar vermögenswirksame Leistungen zählen.
Zeitarbeitnehmer sollen nach 9 Monaten ununter­
qq
brochener Überlassung einen gesetzlichen Equal PayAnspruch haben.
Sofern Branchenzuschlagstarife Anwendung finden,
qq
soll das gesetzliche Equal Pay erst nach 12 Monaten
ununterbrochener Überlassung gelten. Ab diesem
Zeitpunkt ist ein Abweichen vom gesetzlichen Equal
Pay durch Zuschlagstarifverträge nicht mehr möglich.
Einsatzzeiten bei demselben Kunden werden zusam­
qq
mengerechnet, wenn die Einsätze jeweils nicht länger
als 6 Monate unterbrochen waren.
Einsatzzeiten vor dem 1. Januar 2017 werden bei
qq
­Inkrafttreten des Gesetzes mitgezählt.
Vorgesehene Sanktionen:
Es soll ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro geben.
qq
Zusätzlich drohen erlaubnisrechtliche Folgen (Entzug
qq
der AÜ-Erlaubnis).
Wesentliche Regelungsvorschläge:
Derselbe Zeitarbeitnehmer darf ab dem 1. Januar 2017
qq
nur noch für die Dauer von 18 Monaten an denselben
Kunden überlassen werden.
Vorhergehende Einsatzzeiten bei dem jeweiligen Kun­
qq
den sind anzurechnen, gleichgültig ob der jeweilige
Zeitarbeitnehmer über dasselbe Zeitarbeitsunterneh­
men oder einen anderen Arbeitgeber an diesen Kun­
den überlassen worden war.
Keine Anrechnung erfolgt, wenn der letzte Einsatz bei
qq
demselben Kunden mehr als 6 Monate zurückliegt.
Vor Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 2017
qq
­angefallene Überlassungszeiten werden nicht auf die
18 Monate Höchstüberlassungsdauer angerechnet.
Abweichende (längere) Höchstüberlassungsdauern kön­
qq
nen nur in Tarifverträgen der Einsatzbranche oder in
­einer auf Grund eines solchen Tarifvertrags getroffenen
Betriebs- oder Dienstvereinbarung vereinbart werden.
Nicht tarifgebundene Kundenbetriebe sollen weder
qq
durch Bezugnahmeklauseln noch durch eine
­Betriebsvereinbarung von der gesetzlichen Höchst­
überlassungsdauer abweichen können.
Eine abweichende Regelung durch einen Tarifvertrag
qq
der Zeitarbeitsbranche ist ausgeschlossen.
Vorgesehene Sanktionen:
Es ist ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro vorgesehen.
qq
Es drohen außerdem erlaubnisrechtliche Konsequenzen
qq
(Entzug der AÜ-Erlaubnis).
Darüber hinaus wird der Arbeitsvertrag zwischen dem
qq
Zeitarbeitsunternehmen und dem Zeitarbeitnehmer
unwirksam – mit der Folge, dass ab dem ersten Tag
der Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer ein
Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer
und dem Kundenbetrieb entsteht.
EINFÜHRUNG EINER PFLICHT ZUR KENNZEICHNUNG DER ARBEITNEHMERÜBERLASSUNG
Wesentliche Regelungsvorschläge:
Der Vertrag zwischen Zeitarbeitsunternehmen und
qq
Kundenbetrieb muss ausdrücklich als Arbeitnehmer­
überlassungsvertrag bezeichnet werden.
Vor der Überlassung ist der zu überlassende Zeitarbeit­
qq
nehmer namentlich zu konkretisieren.
Vor jedem Einsatz muss das Zeitarbeitsunternehmen
qq
dem Zeitarbeitnehmer mitteilen, dass er als »Leih­
arbeitnehmer« tätig wird (Mitteilungspflicht).
Vorgesehene Sanktionen:
Es ist ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro vorgesehen.
qq
Die Überlassung eines Arbeitnehmers ohne ausdrück­
qq
liche Bezeichnung als Arbeitnehmerüberlassung und
die fehlende namentliche Bezeichnung des einzelnen
Arbeitnehmers führen zu einem Arbeitsverhältnis des
Zeitarbeitnehmers mit dem Kundenbetrieb, nicht aber
ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht.
STREIKKLAUSEL
An den Kunden ist ein Verbot gerichtet, wonach
qq
­d ieser Zeitarbeitnehmer nicht tätig werden lassen
darf, soweit sein Betrieb unmittelbar durch einen
­A rbeitskampf betroffen ist.
33 Hinweis: Das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung
des AÜG hat mit dem ersten Referentenentwurf aus dem
­Bundesarbeitsministerium noch nicht begonnen.
5
6
Schwerpunktthema
Überregulierung statt Rechtssicherheit – d
­ er
Diskussionsentwurf des BMAS zur Reglemen­
tierung von Leiharbeit und Werkverträgen
Prof. Dr. Martin Henssler, Köln
W
ährend die OECD seit
Jahren mehr Flexibili­
tät für den deutschen
Arbeitsmarkt fordert, um
den Herausforderungen der Zukunft
gerecht zu werden, setzt das Bundes­
ministerium für Arbeit und Soziales
(BMAS) unverändert auf eine weiter
anwachsende Reglementierung unseres
schon stark regulierten Arbeitsmarktes.
Statt des versprochenen Bürokratie­
abbaus soll es nun ein neues Maßnah­
menpaket zur Einschränkung unterneh­
merischer Handlungsspielräume geben.
Der jüngst vorgestellte Diskussions­
entwurf des BMAS möchte die »Beschäf­
tigung in den Stammbelegschaften stär­
ken« und dabei en passant die Jahrhun­
dertaufgabe der gesetzlichen Definition
des Arbeitnehmerbegriffs meistern.
UNTERNEHMERFEINDLICHE
­E INSEITIGKEIT
Anzuerkennen ist, dass der Entwurf
einige der gravierendsten Fehler der in
die rechtspolitische Diskussion einge­
brachten Reformvorschläge vermeidet,
etwa den Vorschlag, den schon 1999
katastrophal gescheiterten Versuch eines
starren Kriterienkatalogs (§ 7 Abs. 4 SGB
IV a.F.) wieder aufzugreifen. Gleich­
wohl bedarf er dringend der Überar­
beitung. Auffällig ist zunächst seine
Einseitigkeit: Unternehmer werden
recht pauschal als diejenigen abgestem­
pelt, die massenweise Werkverträge
und Zeitarbeit missbräuchlich einset­
zen. Dass die Unternehmen ihrerseits
unter erheblicher Rechtsunsicherheit
leiden, dass aktuell viele IT-Beratungs­
unternehmen und Ingenieurdienstleis­
ter als Folge dieser Unsicherheit in die
für sie völlig unpassende Leiharbeit
gedrängt werden, verschweigt der Ent­
wurf. Ja, mehr noch, er nimmt sich der
berechtigten Interessen dieser Bran­
chen nicht an, sondern belastet die
Tätigkeit der mittelständischen Wirt­
schaft durch eine regulato­
r ische Fehl­
steuerung.
AKTIONISMUS OHNE AUFARBEITUNG DER RECHTSTATSACHEN
Ein zweiter Schwachpunkt betrifft die
unzureichende Aufarbeitung der Rechts­
tatsachen. Die Entwurfsbegründung
bleibt in der Schilderung der angeblichen
Missstände, welche es zu bekämpfen
gelte, erstaunlich vage (es seien »in der
Vergangenheit Fälle aufgetreten«) und
begnügt sich mit bloßen Behauptungen.
Dass die Quote der Arbeitnehmerüberlas­
sung konstant bei 2 Prozent liegt, bleibt
unerwähnt. Geht das BMAS wirklich
ernsthaft davon aus, dass Werkverträge
und Arbeitnehmerüberlassung wichtige
Instrumente in einer arbeitsteiligen
Wirtschaft sind, dann muss es einer ein­
schränkenden Regulierung dieses wichti­
gen Instruments zwingend eine seriöse
empirische Untersuchung angeblicher
Fehlentwicklungen vorschalten.
Tatsächlich gibt es aktuell keine
Missstände, die einer gesetzlichen Rege­
lung bedürfen. Es ist im Gegenteil kein
einziger Fall bekannt geworden, in dem
die Rechtsprechung auf der Grundlage
des geltenden Rechts zu nur unbefriedi­
genden Ergebnissen gelangen konnte.
Nicht das gesetzliche Schutzsystem ist
also lückenhaft, es gibt vielmehr aus­
schließlich ein Rechtsdurchsetzungs­
problem, das aber durch die Regelungen
des Entwurfs nicht einmal ansatzweise
beseitigt wird. Benötigt wird eine bes­
sere Beratung der ausländischen, der
deutschen Sprache häufig nur unzurei­
chend mächtigen Arbeitnehmer über
ihre weitreichenden Rechte nach dem
deutschen Arbeitsrecht.
DOGMATISCH MISSGLÜCKTER UND
PRAXISFREMDER KRITERIENKATALOG
Der dritte Schwachpunkt betrifft den
missglückten Kriterienkatalog des § 611a
Abs. 2 BGB-E, mit dem der Entwurf die
vermisste Rechtsklarheit für den Arbeit­
nehmerbegriff erreichen möchte. Nimmt
der Gesetzgeber diese anspruchsvolle
Aufgabe in Angriff, dann sollte dies mit
der gebotenen Sorgfalt und unter Ein­
bettung in die Dogmatik des BGB erfol­
gen. Insoweit erweist sich der Katalog
des § 611a Abs. 2 BGB, der im Rahmen
dieser Stellungnahme nur gestreift wer­
den kann, als vollkommen ungeeignet.
Der Regelungsvorschlag leidet darunter,
dass insgesamt acht Kriterien, die nach
der Rechtsprechung ganz unterschied­
liche Funktionen erfüllen und von völ­
lig unterschiedlicher Relevanz sind,
ohne Sachzusammenhang und unge­
wichtet in einen Topf geworfen werden.
MISSACHTUNG DES BERECHTIGTEN
INTERESSES DER WIRTSCHAFT AN
RECHTSSICHERHEIT
An den Problemen der Praxis vorbei
geht die These, es gäbe – massenhaft
und damit eine gesetzliche Regelung
erzwingend – verdeckte Formen der
Leiharbeit, bei denen ein Werkvertrag
als »Scheingeschäft« nur vorgeschoben
werde. Der Entwurf will diesem Miss­
stand durch die Pflicht zur eindeutigen
Denomination des Vertragstyps entge­
genwirken und eine Überlassungser­
laubnis als Auffanglösung nicht mehr
zulassen. Dabei bleibt außer Acht, dass
die Praxis bei v
­ ielen aktuellen Dienst­
leistungen mit erheblicher Rechtsunsi­
cherheit zu kämpfen hat. Auftraggeber
und Berater wollen übereinstimmend
die Vertragsbeziehung als Dienst- oder
Werkvertrag ausgestalten, die auf diese
Konstellationen nicht zugeschnittene
Rechtsprechung weist ihnen aber kei­
nen verlässlichen Weg. Gerade weil es
sich um Unternehmen handelt, denen
Rechtstreue wichtig ist, wappnen sie
sich für den Fall einer abweichenden
Beurteilung durch die Gerichte mit
einer »Vorratserlaubnis«. Der Entwurf
geht mit einer gewissen Naivität und
Praxisferne davon aus, dass es eine mes­
serscharfe Grenzlinie zwischen Werk­
verträgen und Leiharbeit gäbe. Richtig
ist im Gegenteil, dass der einer sicheren
Beurteilung nicht zugängliche »Grenz­
bereich« durch die modernen Formen
der agilen Projektzusammenarbeit wächst,
Schwerpunktthema
es daher verfehlt ist, den hier aktiven
Unternehmen eine arglistige Verschleie­
rungstaktik vorzuwerfen.
PRAXISFREMDE UND INTER­
NATIONAL UNÜBLICHE OBER­
GRENZEN FÜR DIE ­Z EITARBEIT
Nicht nur die Rechtstatsachen sind
unzureichend aufgearbeitet, auch einen
Blick über die Grenze hat man im BMAS
offensichtlich gescheut. Die Folge ist
der im internationalen Vergleich ein­
malige rechtspolitische Fehlgriff der
Einführung einer starren Obergrenze
von 18 Monaten für die Zeitarbeit (§ 1
Abs. 1b AÜG-E). Sie lässt u.a. unberück­
sichtigt, dass ein wichtiger Anwen­
dungsbereich der Zeitarbeit auch der
Vertretungsfall ist. Das Ausland kennt
überwiegend keine festen Obergrenzen
und auch das EU-Recht sieht solche
Grenzen nicht vor. Selbst diejenigen
Länder, die sachgrundbezogene Gren­
zen vorschreiben, knüpfen den maxi­
malen Einsatz in Vertretungsfällen an
den
jeweiligen
Vertretungsbedarf.
Deutschland wäre das einzige Land
weltweit, das auch in Vertretungskon­
stellationen den kontraproduktiven
Zwang ausübt, den Arbeitnehmer von
einem Arbeitseinsatz abzuberufen, nur
weil eine abstrakt vorgegebene und
unpassende Maximalfrist abgelaufen ist.
Der Entwurf fällt außerdem von
einem Extrem in das andere, wenn er
anstelle des bislang sanktionslosen Ver­
stoßes gegen das Gebot eines nur vorü­
bergehenden Einsatzes nunmehr gleich
drei Sanktionen anordnet: Nämlich den
Entzug der Überlassungserlaubnis, ein
Bußgeld von bis zu 30.000 Euro und die
Fiktion eines Arbeitsverhältnisses beim
Entleiher. Das ist eine im Koalitionsver­
trag so nicht vorgesehene und auch
sachlich nicht gebotene Überreaktion.
UNZUREICHENDE ÖFFNUNG FÜR
TARIFAUTONOME GESTALTUNGEN
Die Öffnung der Obergrenze für tarif­
liche Regelungen bietet keine hinrei­
PROF. DR. MARTIN HENSSLER
Geschäftsführender Direktor des Instituts für
Arbeits- und Wirtschaftsrecht und des Insti­
tuts für Anwaltsrecht an der Universität zu
Köln, Direktor des Instituts für Gesellschafts­
recht und des Europäischen Zentrums für
Freie Berufe sowie Leiter des Dokumentations­
zentrums für Europäisches Anwalts- und
7
VON EQUAL PAY ZU EQUAL
­T REATMENT
Über den Koalitionsvertrag hinausge­
hende Maximallösungen strebt der Ent­
wurf auch bei der Ausgestaltung von
Equal Pay an. Vorgeschlagen wird, dass
nach neun Monaten ein Anspruch auf
»sämtliche auf den Lohnabrechnungen
vergleichbarer Stammarbeitnehmerinnen
und Stammarbeitnehmer des E
­ ntleihers
ausgewiesene Bruttovergütungsbestand­
teile« entstehen soll. Vermögenswirk­
same Leistungen und Sachbezüge müs­
sen damit neben dem Grundentgelt
gewährt werden. Die Berechnung wird
erheblich erschwert und Rechtsstreitig­
keiten über die Günstigkeit des jewei­li­
gen Vergütungssystems werden provoziert.
Den Belangen der Zeitarbeitsbranche
wird nur dem Schein nach Rechnung
getragen, da selbst für Branchenzu­
schlagstarifverträge, die Zeitarbeitneh­
mer in Stufen an Equal Pay heranführen,
lediglich ein um drei Monate verlänger­
ter Zeitraum konzediert wird. Das ist
nicht mehr als ein Lippenbekenntnis zur
Tarifautonomie.
Notarrecht und Prorektor für Planung und
wissenschaftliches Personal der Universität
zu Köln
chende Abhilfe, da sie nur eine abwei­
chende Höchstdauer, aber keine variable,
auf den Vertretungsbedarf abstellende
Regelung erlaubt und zudem ausgerech­
net der Zeitarbeitsbranche den Abschluss
entsprechender Tarifverträge verwehrt.
Eine Rechtfertigung für diesen Eingriff
in Art. 9 Abs. 3 GG bleibt die Begrün­
dung schuldig. Bedenklich ist auch, dass
die Möglichkeit für tarifungebundene
Arbeitgeber im Geltungsbereich eines
solchen Tarifvertrages über eine Bezug­
nahmeklausel an entsprechenden Öff­
nungen zu partizipieren, nicht vorgese­
hen ist. Ersichtlich geht es dem BMAS
insoweit nicht um den Schutz der
Arbeitnehmer, sondern um einen verfas­
sungswidrigen mittelbaren Zwang in
den Arbeitgeberverband.
FAZIT: UNNÖTIGE BELASTUNG
DES ARBEITSMARKTS STATT
­M ISSBRAUCHSBEKÄMPFUNG
Der Gesetzesentwurf ist zur Bekämp­
fung missbräuchlicher Formen des Dritt­
personaleinsatzes ungeeignet. Das mit
ihm verfolgte Ziel, einer schleichenden
Ersetzung der Stammbelegschaften entge­
genzuwirken, ist die originäre Aufgabe
sachgerechter Tarifpolitik, damit den
Tarifpartnern überantwortet. Der Ent­
wurf wird in den zukunftsträchtigen
Branchen zu Lasten seriöser Dienstleis­
ter und Zulieferer neue Rechtsunsicher­
heit bringen, erfolgreiche Geschäftsmo­
delle beschädigen, die positiven Effekte
der Arbeitnehmerüberlassung für den
Arbeitsmarkt beschränken und insbe­
sondere im Bereich der Digitalisierung
die Beratungstätigkeit massiv erschwe­
ren. Er darf in dieser Form nicht Gesetz
werden. t
8
Schwerpunktthema
»In der Praxis einfach nicht umsetzbar«
Interview mit BAP-Vizepräsident Sebastian Lazay zum AÜG-Referentenentwurf.
Personaldienstleister (PD): Warum läuft
eigentlich die Zeitarbeitsbranche Sturm
gegen den Referentenentwurf des Bundes­
arbeitsministeriums zum Arbeitnehmer­
überlassungsgesetz?
Lazay: Weil die darin vorgesehenen
Regelungen vollständig an der betrieb­
lichen Praxis unserer Branche und unse­
rer Kunden vorbeigehen. Sie gehen aber
auch über das hinaus, was zwischen
Union und SPD im Koalitionsvertrag
vereinbart wurde – auch wenn die Kanz­
lerin das kürzlich auf dem Arbeitgeber­
tag nicht so sehen wollte. Da müssen wir
offenbar weiter »Aufklärungsarbeit« leis­
ten, unsere Hauptaufgabe in der nächs­
ten Zeit.
PD: In manchen Medienberichten wird
aber eher der Eindruck erweckt, als ob
die Personaldienstleister ihren Mitarbei­
tern keine besseren Arbeitsbedingungen
gönnen würden. Was ist dran an diesem
Vorwurf?
Lazay: Das ist doch Unsinn! Ansonsten
hätte es in unserer Branche in den letz­
ten Jahren kaum überdurchschnittliche
Lohnerhöhungen von mehr als 30 Pro­
zent gegeben. Und wir hätten bestimmt
auch nicht 11 Branchenzuschlagstarif­
verträge für 12 Wirtschaftszweige abge­
schlossen, mit denen Zeitarbeitnehmer
in Stufen an die Bezahlung der Stamm­
arbeitskräfte herangeführt werden. Nein,
was das Bundesarbeitsministerium sich
bei Equal Pay vorstellt, ist in der Praxis
einfach nicht umsetzbar. Wie sollen wir
denn solche Sachbezüge wie den ver­
günstigten Erwerb eines Neuwagens für
einen Mitarbeiter der Automobilindus­
trie auf Zeitarbeitskräfte umlegen? Soll
die Differenz zwischen Listenpreis und
dem, was der Stammmitarbeiter zahlen
musste, ausschlaggebend sein? Und soll
dann diese Differenz auf einen Schlag
an den Zeitarbeitnehmer ausgezahlt
werden, obwohl der Stammmitarbeiter
von der Anschaffung des Wagens jahre­
lang etwas hat? Wenn dann auch noch
Verstöße gegen dieses nicht handhab­
bare Equal Pay mit bis zu einer halben
SEBASTIAN LAZAY
Vizepräsident des BAP und des Bundes­
verbandes Großhandel, Außenhandel,
Dienstleistungen (BGA), Geschäftsführer
der Extra-Personalservice GmbH
Million Euro und dem Entzug der
Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung
geahndet werden sollen, steht die Exis­
tenz der halben Branche auf dem Spiel.
Denn der Wegfall der zwingend erforder­
lichen Erlaubnis kommt einem Berufs­
verbot gleich, und ein Bußgeld von
500.000 Euro würden gerade kleine und
mittelständische Personaldienstleister
kaum überstehen. Die machen aber mehr
als 90 Prozent unserer Branche aus.
Unter diesen Umständen ist es wirklich
kein Wunder, dass wir mit den vorge­
sehenen Regelungen und Sanktionen
für Equal Pay nicht einverstanden sein
können, um es mal vorsichtig zu formu­
lieren. Zumal wir mit den Branchen­
zuschlagstarifverträgen ein praktikables
System für die Lohnangleichung gefun­
den haben, das nun ohne Not auch nach
zwölf Monaten außer Kraft gesetzt wer­
den soll.
PD: Und was ist mit der Höchstüber­
lassungsdauer?
Lazay: Die ist doch noch nicht einmal
im Sinne unserer Mitarbeiter. Deswegen
sind sogar die Betriebsräte der großen
Zeitarbeitsunternehmen bei Bundesar­
beitsministerin Nahles vorstellig gewor­
den und haben sich gegen die
Höchstüberlassungsgrenze
ausgespro­
chen. Leider vergeblich! Dabei profitie­
ren die Zeitarbeitnehmer von längeren
Einsätzen – durch Branchenzuschläge,
aber auch durch eine von vielen ge­
wünschte Kontinuität beim Einsatzort,
wo dann Kollegen und Arbeitsabläufe
vertraut sind, und durch das vorgese­
hene gesetzliche Equal Pay natürlich
auch. Also, dem Schutz der Zeitarbeit­
nehmer dient eine Höchstüberlassungs­
dauer auf jeden Fall nicht, zumal jahre­
lange Überlassungen ohnehin die Aus­
nahme sind. Solche längerfristigen Ein­
sätze finden im Übrigen hauptsächlich
im hochqualifizierten Bereich statt, zum
Beispiel im Projektgeschäft bei IT- und
Ingenieurdienstleistungen. Diese hoch­
qualifizierten Zeitarbeitnehmer werden
sehr, sehr gut bezahlt und sind in unse­
rer Branche bestens abgesichert. Durch
die Höchstüberlassungsdauer von 18
Mo­naten werden diese Mitarbeiter gera­
dezu in unsicherere Beschäftigungsfor­
men – Stichwort Crowdworker – ge­
drängt. Das kann es doch nicht sein!
Außerdem sendet die Politik an dieser
Stelle widersprüchliche Signale: Einer­
seits soll es mehr Flexibilität für Arbeit­
nehmer im Bereich der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf geben, was ja
auch richtig ist. Andererseits soll den
A rbeitgebern aber mit der Höchstüber­
­
lassungsdauer das Instrument aus der
Hand geschlagen werden, um beispiels­
weise mit Eltern- und Pflegezeiten ihrer
eigenen Mitarbeiter vernünftig umge­
hen zu können. Das ist nicht nur wider­
sprüchlich, sondern eben auch praxis­
fern und – ehrlich gesagt – nicht gerade
wirtschaftsfreundlich. Vor allem, wenn
als Sanktion beim Verstoß gegen die
Höchstüberlassungsdauer ein Arbeitsver­
hältnis zwischen Kunden und Zeitar­
beitnehmer zustande kommen soll.
PD: Herr Lazay, herzlichen Dank für
­dieses Gespräch. t
Schwerpunktthema
9
So nicht, bitte!
Thilo Brodtmann, VDMA-Hauptgeschäftsführer, erklärt, warum der Referentenentwurf
aus dem Bundesarbeitsministerium nicht Gesetz werden darf.
W
enn es die Zeitarbeit
nicht gäbe, müsste sie
erfunden werden. Denn
gerade zyklische Indus­
trien wie der deutsche Maschinen- und
Anlagenbau sind auf Instrumente ange­
wiesen, mit denen sie schnell und pass­
genau auf Konjunkturschwankungen
und Auftragsspitzen reagieren können.
In guten Zeiten halten sich die meisten
Unternehmen zunächst mit Neueinstel­
lungen zurück, bis sich der Aufschwung
stabilisiert. Im Abschwung dagegen ver­
suchen Unternehmen, an ihrer Stamm­
belegschaft möglichst lange festzuhalten.
Welche guten Dienste die Zeitarbeit
dem Maschinenbau, ja der Volkswirt­
schaft insgesamt, leistet, wird vor allem
in Krisenzeiten deutlich. Erinnern wir
uns an die Jahre 2008/2009! Im Gegen­
satz zu vielen anderen Ländern gelang es
Deutschland damals, ohne große Blessu­
ren für den Arbeitsmarkt den rasanten
Konjunktureinbruch zu überstehen. Mit
Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten allein
hätten wir das sicherlich nicht geschafft.
Nun haben wir keine Krise, auch
wenn das Wachstum recht flau ist. Doch
die immer noch relativ stabile Wirt­
schaftslage verleitet die große Koalition
offenbar zum Übermut. Nach Mütter­
rente, Rente mit 63 und gesetzlichem
Mindestlohn schickt sie sich an, Zeit­
arbeit sowie Werk- und Dienstverträge
weiter zu regulieren. Das ist nicht nur
überflüssig, sondern auch schädlich.
Überflüssig, weil die Zeitarbeitsbranche
bereits durch Tarifverträge weitgehend
reguliert ist. Das gilt nicht zuletzt für
den wohl wichtigsten Kunden der Zeit­
arbeit, die Metall- und Elektroindustrie.
Schädlich, weil die vorgesehenen gesetz­
lichen Regelungen viele Zeitarbeitneh­
mer schlechter stellen würden als im
Tarifvertrag, und sich die Kundenunter­
nehmen mit einem neuen Wust an
Bürokratie auseinandersetzen m
­ üssten.
Doch schauen wir uns das Vorhaben
aus dem Hause Nahles genauer an: Die
beiden Begriffe, um die sich die vorgese­
© Uwe Nölke
THILO BRODTMANN
Hauptgeschäftsführer des Verbandes
Deutscher Maschinen- und Anlagenbau
(VDMA)
henen Regulierungen der Zeitarbeit dre­
hen, lauten »Equal Pay« und »Höchst­
überlassungsdauer«. Fangen wir beim
letzteren an! Eine Höchstüberlassungs­
dauer ist schon nach der Logik des Refe­
rentenentwurfs ziemlicher Unsinn. Denn
kurz nachdem ein Zeitarbeitnehmer
durch eine gesetzliche Equal Pay-Rege­
lung die Gleichstellung mit einem
Stammbeschäftigten erreicht hat, soll er
wegen der Höchstüberlassungsdauer das
Unternehmen wieder verlassen müssen.
Das Ziel der Höchstüberlassungsdauer,
nämlich den Zeitarbeit­nehmer vor einer
dauerhaften Schlechterstellung zu schüt­
zen, wird somit ad absurdum geführt.
Bei der Equal Pay-Regelung sieht es
keineswegs besser aus. Nach ihr sollen
Zeitarbeitnehmer nach neun Monaten
den gleichen Lohn wie Stammbeschäf­
tigte erhalten. Laut Tarifvertrag erhält
aber schon heute ein Zeitarbeitnehmer
Branchenzuschläge auf sein Entgelt, die
peu à peu für eine Gleichstellung mit
den Stammbeschäftigten sorgen sollen.
Der erste Zuschlag setzt übrigens bereits
nach sechs Wochen Beschäftigung ein.
Wenn der Gesetzgeber erst nach neun
Monaten die Gleichstellung vorsieht,
dürften die Branchenzuschläge mit Aus­
laufen der bestehenden Tarifverträge
obsolet werden. Denn warum sollte sich
ein Arbeitnehmer noch auf Branchen­
zuschläge einlassen, wenn er mit der rei­
nen Gesetzesregelung besser fährt? Den
Nachteil hätten dann die Zeitarbeitneh­
mer, die weniger als neun Monate beim
Kunden eingesetzt werden. Und das
sind die allermeisten. In der Metall- und
Elektroindustrie – daran sei in diesem
Zusammenhang erinnert – beträgt die
durchschnittliche
Überlassungsdauer
ganze drei Monate.
Von Seiten der Politik wird die er­
neute Regulierung der Zeitarbeit mit
mehr Gerechtigkeit für die angeblich
geplagten Zeitarbeitnehmer begründet.
­
Den ökonomischen Vorteil der Zeitar­
beit, nämlich die Flexibilität, wolle man
natürlich erhalten. Soweit das Bekennt­
nis. Wenn man sich ansieht, was mit
Equal Pay gemeint sein könnte, kom­
men ernste Zweifel an den hehren Ab­
sichten auf. Denn Equal Pay wird eben
nicht nur als gleiches Entgelt definiert,
sondern als die gleichen »geltenden
A rbeitsbedingungen einschließlich des
­
Arbeitsentgelts«. Weiter heißt es, werden
im Betrieb des Entleihers »Sachbezüge«
gewährt, könne »ein Wertausgleich in
Euro« erfolgen. Kurz gesagt: Equal Pay
heißt nicht nur Lohn, sondern Lohn
und noch viel mehr: Dienstwagen,
Diensthandy, betriebliche Altersversor­
gung, Prämien, Essenszuschüsse, betrieb­
liche Kita-Plätze – das, was unter »Sach­
bezüge« oder »geltende Arbeitsbedingun­
gen« zu verstehen ist, kann eben sehr
vieles bedeuten. Fest steht dagegen nur:
die praktische Umsetzung von Equal
Pay wäre in einem mittelständischen
Maschinenbauunternehmen mit einem
immensen bürokratischen Aufwand ver­
bunden. Die Folge: der Einsatz von Zeit­
arbeitnehmern, der über neun Monate
hinausgeht, wird faktisch unmöglich
gemacht. Man kann deshalb nur hoffen,
dass der Entwurf des Arbeitsministe­
riums nie Gesetz wird. t
10
Einblicke
BAP-Auftritt auf den Personalmessen:
Im Dialog mit der Branche
Über 7.000 Besucher waren auf den Messen PERSONAL 2015 Nord und Süd
sowie auf der Zukunft Personal 2015 am BAP-Stand.
D
ie Personalmessen in Hamburg, Stuttgart und
Köln haben 2015 etwa 23.000 Besucher mit ihrem
Themenmix rund um Personalfragen, Recruiting
und Arbeiten 4.0 angezogen. Auch der BAP ver­
zeichnete in diesem Jahr einen starken Andrang am Stand –
mehr als 7.000 Besucher informierten sich über den Verband,
die Zeitarbeit und allgemein über Personaldienstleistungen.
Besonders gefragt waren die Themen Einstieg in den Job, Aus­
bildung, rechtliche und politische Fragen sowie die Vorteile
einer Verbandsmitgliedschaft. Ansprechpartner aus Ehrenamt
und Hauptgeschäftsführung beantworteten die zahlreichen
Fragen am Stand. Gerade die nicht-organisierten Personal­
dienstleister erkundigten sich beim BAP und wurden von den
Juristen der BAP-Rechtsabteilung umfassend informiert. Dabei
nutzten viele Besucher die BAP-Kaffeebar, um neue Energien
zu schöpfen.
Interessante Vorträge rundeten die Messeauftritte des BAP
ab. So sprach Sebastian Lazay, Vizepräsident des BAP, in Ham­
burg über das Thema »Lösungsstrategien gegen den Fachkräf­
temangel«. Zahlreiche Vorträge erwarteten auch die Besucher
der Zukunft Personal. Eine Besonderheit war in diesem Jahr
der »Themenpark Personaldienstleistungen«, den der BAP
zusammen mit dem Messeveranstalter entwickelt hat. Besu­
cher konnten sich in diesem Bereich bei den Ausstellern aus
der Branche direkt informieren. Der »Themenpark Personal­
dienstleistungen« konnte sich auch über starken Zuspruch bei
den Vorträgen freuen: Dr. Oliver Stettes, Leiter des Kompe­
tenzfeldes »Arbeitsmarkt und Arbeitswelt« beim Institut der
deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln), erläuterte »Die Bedeu­
tung der Zeitarbeit für Wirtschaft und Arbeitsmarkt«. Und die
führende Arbeitsrechtlerin Dr. Anja Mengel, LL.M., Partnerin
und Standortleiterin der Kanzlei ALTENBURG Fachanwälte
für Arbeitsrecht, sprach über »Rechtliche Hürden bei der
Umsetzung der von der großen Koalition geplanten Regulie­
rungen für die Zeitarbeit«.
Auch im nächsten Jahr wird der BAP auf den Messen PER­
SONAL2016 Süd und Zukunft Personal vertreten sein und
lädt die Personaldienstleister wieder ein, im Mai bzw. im Okto­
ber mit dem Verband ins Gespräch zu kommen. t
Bildung
11
BAP Akademie: Das Programm
für das erste Halbjahr 2016
Im Fokus der Veranstaltungen stehen Themen, mit denen Personaldienstleister
täglich konfrontiert werden.
S
eit rund vier Jahren plant und führt die BAP Akade­
mie in enger Kooperation mit dem Bundesarbeit­
geberverband der Personaldienstleister Veranstaltun­
gen durch. So gewährleistet sie Praxistauglichkeit
und Aktualität. Deswegen wird die BAP Akademie auch 2016
auf die möglicherweise kommenden gesetzlichen Änderungen
reagieren und (Online-)Seminare zu dieser Thematik anbieten.
Als Vorreiter auf dem Gebiet der Online-Seminare hat die
BAP Akademie ihr Angebot weiter ausgebaut und bietet spe­
ziell zu dem rechtlichen Thema »Datenschutz« und dem Ver­
triebsthema »Erfolgreich durch Menschenkenntnis« Kombi­
nationsseminare an. Das heißt, es besteht die Möglichkeit,
zunächst in einem einstündigen Online-Seminar Überblicks­
wissen zu erhalten und in einer Präsenzveranstaltung dieses
Wissen zu vertiefen.
Zahlreiche Seminare, die seit 2014 in exklusiver Koopera­
tion mit der Akademie der Zeitarbeit von Edgar Schröder ®
durchgeführt werden, runden das Seminarangebot ab. Unter
www.bap-akademie.com sind alle aktuellen Termine, ausführ­
liche Veranstaltungsbeschreibungen und Informationen zu
den Dozentinnen und Dozenten hinterlegt. Selbstverständ­
lich können dort auch online Anmeldungen für jedes Seminar
vorgenommen werden. t
RECHT UND TARIF
VERTRIEB
Ihnen ist der rechtssichere Umgang mit den ein­
schlägigen Gesetzen wichtig? Die Experten der BAP
­A kademie vermitteln Ihnen praxisnah Themen aus dem
Arbeitsnehmerüberlassungs-, Arbeits- und Tarifrecht
sowie Datenschutz. So können Sie die rechtlichen
Anforderungen, vor denen jeder Personaldienstleister
in der Praxis steht, meistern.
Sie möchten Vertriebsprozesse zielgerichtet planen
und nachhaltig steuern? Ob für Vertriebsprofis oder
Einsteiger, in den verschiedenen Vertriebsseminaren
steht der erfolgreiche Vertriebsprozess im Mittelpunkt.
Mit konkreten Beispielen aus der Praxis von Personal­
dienstleistern ist dafür gesorgt, dass Sie die Seminar­
inhalte auch in Ihrem Arbeitsalltag für Ihr Unternehmen
umsetzen können.
Arbeitsrechtliche Grundlagen:
qq
Basis für die tägliche Praxis
DGB-Tarifwerk und Branchenzuschläge:
qq
Tarifvertragliche Regelungen praxisgerecht umsetzen
Kooperationsseminar: Auslandsentsendung
qq
Online- und Präsenzseminar: Schluss mit
qq
­datenschutzrechtlichen Nöten im Unternehmen!
Mini-Jobs und Arbeitszeit: Online-Seminar
qq
Kooperationsseminar: Einstieg in den Vertrieb
qq
Kooperationsseminar: Vertriebstraining für Profis
qq
Online- und Präsenzseminar: Erfolgreich durch
qq
­Menschenkenntnis
Online-Seminar: Abschlussquote durch
qq
­Vertriebs­optimierung steigern
PERSONALWESEN
UND MEHR
Sie wollen wissen, wie Sie Ihr Unternehmen im Bereich
Personal weiterentwickeln können? Denn nur mit dem
richtigen Personal können Sie erfolgreich agieren. Von
diesem hängt ab, ob Sie langfristig Ihre Position auf
dem Personaldienstleistungsmarkt behaupten bzw.
erfolgreich ausbauen können. Mitarbeitergewinnung
und -bindung sind hierbei ebenso wichtige Themen
wie Personalentwicklung.
Sie wollen mehr? In der Rubrik »Und mehr« finden
Sie Veranstaltungen mit interessanten und aktuellen
­T hemen, die nicht explizit den drei vorangestellten
Themenbereichen zuzuordnen sind. Besuchen Sie diese
Veranstaltungen und erhalten Sie wichtige Impulse
für Ihre Arbeit sowie für die Weiterentwicklung Ihres
Unternehmens.
Kooperationsseminar: Recruiting-Strategien
qq
Kooperationsseminar:
Führungskräftetraining
qq
Kooperationsseminar:
Aktuelle
Techniken der Mitar­
qq
beiter- und Unternehmensführung
Personalvermittlung: Das wachsende Geschäftsfeld
qq
Rechnungswesen: Gewinnsteigerung mit
qq
­Kostenrechnung
Rechnungswesen: Bilanz und Buchhaltung
qq
für Führungskräfte
12
Einblicke
BA-Vorstand Detlef Scheele: »Viele Menschen
hätten keine Arbeit, gäbe es keine Zeitarbeit«
»Treffpunkt«-Veranstaltung des BAP-Ausschusses Zukunftsvertrag Zeitarbeit
zeigt Potenziale der Branche auf.
B
ei der Integration in den und der Orientierung am
Arbeitsmarkt leistet die Zeitarbeit seit Jahren einen
nicht zu unterschätzenden Beitrag. Das betonten
alle Redner auf der Veranstaltung »Treffpunkt« des
Zukunftsvertrags Zeitarbeit des BAP unter dem Titel »Wir
erschließen Potenziale – Aktuelle Herausforderungen für den
Arbeitsmarkt«. Doch welche Folgen werden die geplanten
Regulierungsvorhaben der Bundesregierung für die Branche
haben? Und welche Auswirkungen für den Arbeitsmarkt könn­
ten entstehen? Das waren einige Fragen, denen der »Treff­
punkt« nachging.
Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte die Ausschuss-Vor­
sitzende und BAP-Vizepräsidentin Heide Franken die Zuhörer
im Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin. Moderatorin Tanja
Samrotzki stellte die Referenten und ihre Themen vor und
führte durch die Veranstaltung.
Holger Schäfer, Senior Economist beim Institut der deut­
schen Wirtschaft Köln (IW Köln), erläuterte Entwicklungen
und Perspektiven in der Zeitarbeit. Der Arbeitsmarktexperte
ging dabei auch auf die anstehenden Regulierungen der Bran­
che ein. Für Schäfer sind die Absichten der Bundesregierung,
die Höchstüberlassungsdauer auf 18 Monate zu begrenzen
und parallel dazu Equal Pay flächendeckend einzuführen,
nicht nachvollziehbar. Das Schutzbedürfnis der Zeitarbeitneh­
mer in den vergangenen Jahren habe nicht zugenommen,
sodass die gleichzeitige Einführung von Höchstüberlassungs­
dauer und Equal Pay schlichtweg »unsinnig« sei. Dank der
bereits bestehenden Branchenzuschlagstarifverträge sei außer­
dem schon eine adäquatere Lösung gefunden, sodass keine
Notwendigkeit bestehe, eine »Fallbeilregelung« durch Equal
Pay nach neun Monaten herbeizuführen. Auch werde der
Wirtschaft mit den anstehenden Maßnahmen die Flexibilität
deutlich beschnitten, die jedoch wegen der bevorstehenden
Änderungen des Arbeitsmarktes aufgrund von Fachkräfteeng­
pässen und Digitalisierung immer wichtiger werde. In Hin­
blick auf den Flüchtlingszustrom müssten der Zeitarbeit
zudem »die gleichen Rechte eingeräumt werden wie anderen
Branchen auch«, betonte Schäfer.
Detlef Scheele, neuer Vorstand Arbeitsmarkt der Bundes­
agentur für Arbeit (BA), sprach im Anschluss über Zeitarbeit
als Chancengeber und Netzwerkinstrument. Dabei stand die
Integration von Benachteiligten am Arbeitsmarkt wie Lang­
zeitarbeitslosen und Flüchtlingen im Vordergrund. Die Zeitar­
beit leiste einen »Beitrag für Menschen, die es etwas schwerer
am Arbeitsmarkt haben«, so Scheele. Der BA-Vorstand verwies
darauf, dass die Branche diesen Gruppen »vielfältige Beschäf­
tigungsperspektiven« sowie meist auch die einzige Möglich­
keit auf Arbeit biete. Wörtlich sagte er: »Viele Menschen hät­
ten keine Arbeit, gäbe es keine Zeitarbeit«. Mitarbeiter könnten
dank einer Tätigkeit in der Zeitarbeit flexibler und anpassungs­
V.l.n.r.: Holger Schäfer (Senior Economist am IW Köln), Christina
Marx (Leiterin Aufklärung von Aktion Mensch e.V.), Moderatorin
Tanja Samrotzki, Detlef Scheele (Vorstand Arbeitsmarkt der
­Bundesagentur für Arbeit), BAP-Vizepräsidentin Heide Franken und
BAP-Geschäftsführerin Julia Große-Wilde. Foto: BAP/Thomas
Rosenthal
fähiger auf Herausforderungen am Arbeitsmarkt reagieren. Im
Gegensatz zu Schäfer sprach sich Scheele trotz der Weiterent­
wicklung der Branche, die sehr wohl zur Kenntnis genommen
worden sei, für »ein bisschen Regulierungen« aus, um »ein
Mindestmaß an Verlässlichkeit« im Erwerbsleben von Arbeit­
nehmern zu garantieren. Angesichts des Flüchtlingszustroms
könne die Zeitarbeit der Bundesagentur für Arbeit »sehr helfen,
die Integration in Arbeit zu befördern«, indem sie beispiels­
weise bei der »Kompetenzfeststellung« helfe.
Christina Marx, Leiterin Aufklärung von Aktion Mensch
e.V., stellte zum Abschluss der »Treffpunkt«-Veranstaltung die
Inklusion als Chance vor. Leider herrschten noch immer »viele
Barrieren in den Köpfen« der Menschen und Unkenntnis über
Fördermöglichkeiten der Unternehmen bei der Einstellung
­
be­einträchtigter Personen. Aus Gesprächen mit Arbeitgebern
berichtete Marx, dass gut drei Viertel keinerlei Unterschiede in
der Qualifikation Behinderter und nicht Behinderter feststell­
ten. Die Zeitarbeit könne dazu beitragen, beeinträchtigten
­Personen, die oftmals auch Langzeitarbeitslose seien, einen
Einstieg in den Arbeitsmarkt zu bieten. In diesem Zusammen­
hang verwies Marx auf den digitalen Ansatz des Drei-StufenQualifizierungsmodells des BAP, das Menschen ohne abge­
schlossene Berufsausbildung in Etappen an einen Abschluss
heranführt, und lobte diesen Ansatz als »tolles Instrument«,
um auch Menschen mit Behinderung »fit für den ersten
Arbeitsmarkt« zu machen. t
Ausblicke
13
»Eine vertane Chance«
Interview mit BAP-Hauptgeschäftsführer Thomas Hetz über die Neuregelungen
zur Beschäftigung von Flüchtlingen in der Zeitarbeit.
Personaldienstleister (PD:) Herr Hetz, wie sieht die neue Rechts­
lage nach dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz bei der
Beschäftigung von Flüchtlingen für die Zeitarbeit aus?
Hetz: Asylsuchende und Flüchtlinge dürfen in der Regel erst
nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland bei Zeitarbeits­
unternehmen arbeiten. Ausnahmen gibt es nur für Hochqua­
lifizierte und sogenannte Mangelberufe. In diesen beiden
Bereichen dürfen Flüchtlinge bereits nach drei Monaten eine
Beschäftigung in unserer Branche aufnehmen. Das ist auch
möglich, wenn im Rahmen des Anerkennungsverfahrens für
ausländische Berufsabschlüsse bestimmte praktische Fähigkei­
ten erworben werden müssen. Damit ist das Gesetz deutlich
hinter den ursprünglichen Vereinbarungen des Koalitionsaus­
schusses zurückgeblieben und die Zeitarbeit wird einmal mehr
diskriminiert.
PD: Wie meinen Sie das? Immerhin war vor der Neuregelung
eine Arbeitsaufnahme in der Zeitarbeit erst nach 48 Monaten
möglich.
Hetz: Das ist zwar richtig, aber der Koalitionsausschuss hatte
eigentlich die Zeitarbeit schon nach drei Monaten für alle
Flüchtlinge öffnen wollen. Stattdessen ist die Branche nun als
einzige von der Vorrangprüfung ausgenommen. Das heißt,
alle anderen Wirtschaftszweige können bei der Bundesagentur
für Arbeit um Prüfung bitten, ob es geeignete Kandidaten aus
der EU für einen Arbeitsplatz gibt. Ist das nicht der Fall, darf
die Stelle bereits nach drei Monaten Aufenthaltsdauer von
einem Flüchtling besetzt werden.
PD: Was fordert der BAP stattdessen?
Hetz: Die Vorrangprüfung – wenn sie denn in dieser Ausnah­
mesituation nicht generell für drei Jahre ausgesetzt wird –
muss auch für die Zeitarbeit geöffnet werden. Das ist machbar,
selbst wenn bei dieser Prüfung auf einen bestimmten Arbeits­
platz abgestellt wird. Den gibt es zwar so beim Zeitarbeitsun­
ternehmen nicht, aber im Kundenbetrieb. Personaldienstleis­
ter und Kunde könnten also gemeinsam die Vorrangprüfung
beantragen, damit Flüchtlinge auch in der Zeitarbeit nach drei
Monaten beschäftigt werden können.
PD: Wie sehen Sie die jetzige Regelung arbeitsmarktpolitisch?
Hetz: Das ist eine vertane Chance. Natürlich kann die Zeitar­
beit nicht allen Flüchtlingen Jobs anbieten. Hier wäre in vie­
len Diskussionen mehr Realismus angebracht. Es fehlt in erster
Linie an Sprachkenntnissen und entsprechenden Qualifikati­
onen. Außerdem ist unsere Branche dafür einfach zu klein.
2014 hatten wir im Jahresdurchschnitt etwas mehr als 850.000
Mitarbeiter. Für dieses Jahr wird aber mit bis zu 1,2 Millionen
Flüchtlingen gerechnet. Selbst wenn davon nicht alle im
erwerbsfähigen Alter sind, zeigen diese Zahlen doch deutlich
die Grenzen der Zeitarbeit. Allerdings könnte die Branche ein
wichtiger Mosaikstein sein für die Arbeitsmarktintegration der
Asylsuchenden. Schließlich stellen wir unsere Integrationsleis­
THOMAS HETZ
Hauptgeschäftsführer des BAP
tung für Gruppen, die es am Arbeitsmarkt schwerer haben,
schon seit Jahren unter Beweis. Fast jede zehnte Zeitarbeits­
kraft kommt aus der Langzeitarbeitslosigkeit, 11 Prozent hat
noch nie eine Beschäftigung ausgeübt und rund ein Viertel
hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Im Übrigen liegt
unser Ausländeranteil mit 23,4 Prozent mehr als doppelt so
hoch wie auf dem Gesamtarbeitsmarkt.
PD: An welchen Stellen könnte Ihre Branche denn u
­ nterstützen?
Hetz: Jedenfalls nicht bei Sprachkursen, denn darin liegt nun
wirklich nicht die Expertise der Personaldienstleister. Gerade
weil der Spracherwerb das A und O ist, muss die Vermittlung
von Sprachkenntnissen staatlich gesteuert werden, damit es
später nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Helfen
können wir dagegen in Bereichen, wo wir Experten sind. Zu
nennen wäre zum Beispiel das Profiling, also die Abfrage von
Kenntnissen und Fähigkeiten, die die Flüchtlinge mitbringen.
Einige unserer Mitgliedsunternehmen haben auch große
Erfahrungen mit dem Anerkennungsverfahren für auslän­
dische Berufsabschlüsse und könnten Asylsuchende bei diesem
Prozess unterstützen. Und die Zeitarbeit könnte Flüchtlingen
mit gewissen Sprachkenntnissen und Qualifikationen bei den
ersten Schritten auf dem deutschen Arbeitsmarkt helfen – mit
dem Ziel, diese Menschen auf adäquate Stellen bei unseren
Kunden zu vermitteln.
PD: Herr Hetz, vielen Dank für dieses Gespräch. t
14
Einblicke
Herausforderungen für die Branche –
­Strategische Chancen für Personalvermittler
»Thementag Personalvermittlung« des BAP-Verbandsbereichs Personalvermittlung (VBPV)
zeigte neue Perspektiven auf.
V.l.n.r.: Teresa Komeyer-Schmitt (Moderation), Volker Enkerts
(BAP-Präsident), Prof. Dr. Lutz Heuser (Urban Software Institute),
Jürgen Kluin (AZAV-Beiratsmitglied), Raymond Homo (VBPV-­
Vorsitzender), Heinz Ostermann (stv. VBPV-Vorsitzender),
Oliver Maassen (PAWLIK Consultants GmbH) und Julia Große-Wilde
(BAP-Geschäftsführerin). Foto: BAP/Thomas Rosenthal
»Die Vorträge auf dem diesjährigen Thementag Personalver­
mittlung haben die Herausfor­derungen und Chancen für die
Personalvermittlung aus unterschiedlichen Blickwinkeln be­
leuchtet. Ob demografischer Wandel, die Auswirkungen digi­
talisierter Dienstleistungen oder die veränderte Ansprache der
neuen Generationen Y und Z – unsere Branche steht vor großen
Herausforderungen. Die heute vorgestellten neuen Ansätze
und Impulse zeigen uns Wege, wie wir diese meistern werden«,
erklärte Julia Große-Wilde, BAP-Geschäftsführerin.
Den ersten Impuls nach der Begrüßung durch Raymond
Homo, VBPV-Vorsitzender, setzte Jürgen Kluin, Mitglied im
Anerkennungsbeirat der Bundesagen­t ur für Arbeit. Er ging in
seinem Vortrag auf die strategischen Chancen der Akkreditie­
rungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV)
ein. Kluin stellte drei Fachbereiche in der AZAV vor, die für Per­
sonaldienstleister relevant seien: Aktivierung und Eingliede­
rung, Private Arbeitsvermittlung und Berufliche Bildung. »Die
meisten Träger lassen sich nur für den Bereich Private Arbeits­
vermittlung zu«, sagte Kluin. Die aktuelle Diskussion zu AZAV
betone den Aufwand, nicht die Möglichkeiten. »Die Chancen
sind vielfältig, egal ob es um das indi­v iduelle Einzelcoaching
oder die Fach­arbeiterausbildung geht«, so der Beirats-Experte.
»Personaldienstleistung ist nicht nur das Vermitteln von geeig­
netem Personal, sie muss auch das geeignete Personal hervor­
bringen. Wie sie das macht, ist dem Kunden erst einmal egal.
Das Alleinstellungsmerkmal, einen Personalentwicklungspro­
zess zu beherrschen und die Instrumente dafür anbieten zu
können, ist nach meiner festen Überzeugung nachhaltiger als
das Alleinstellungsmerkmal günstiger Kostenverrechnungs­
sätze«, sagte Kluin. Personaldienstleister mit einer ganzheit­
lichen Lösung seien im Endeffekt weniger austauschbar als
andere.
Oliver Maassen, Geschäftsführer der PAWLIK Consultants
GmbH, gab mit seinem Vortrag einen spannenden Einblick in
das Thema »New Work«. Größten Einfluss auf die Neugestal­
tung der Arbeitswelt hätten die vier »D«-Trends: Digitalisie­
rung, Demokratisierung, Determinierung und Demografie.
»Ganze Berufsbilder werden digital«, erklärte Maassen. »Infor­
mation und Bewerbung erfolgen zunehmend über Smartpho­
nes und Tablets.« Damit ginge eine Entpersonalisierung der
Rekrutierung einher. Auch das Lernen verändere sich: Lernen
5.0 bedeute für Personaldienstleister neue Betätigungsfelder.
Die Transparenz der Märkte durch neue Portale wie »Tripad­
visor« erfordere neue Strategien. Internetportale wie »kununu«
hätten vermehrt Einfluss auf die Arbeitgeberattrak­t ivität und
damit den Wettbewerb um die Talente. Emotionale Bindung
der Mitarbeiter werde immer wichtiger. Neue Generationen
wie Generation Y oder Z seien nachgewachsen: »Sicherheit
wird für die jüngeren Arbeitnehmer deutlich weniger eine
Rolle spielen« als für ältere Generationen, prognostizierte
Maassen. Für die jüngeren Zielgruppen stünde die Sinnerfül­
lung durch die Tätigkeit im Vordergrund. Personaldienstleis­
ter, die zwischen den Generationen Brücken schlagen könnten,
würden einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil haben.
Prof. Dr. Lutz Heuser, Geschäftsführer des Urban Software
Institute, schilderte die Veränderungen der Arbeitswelt durch
die Digitalisierung von Dienstleistungen. »Die Digitalisierung
bringt neue und hochwertige Berufsbilder hervor, die weltweit
nachgefragt sind, das ist die gute Nachricht«, sagte Heuser.
»Wir sehen Veränderungen in den Berufsbildern. Eigentlich
jeder wird zu einem ›Information Worker‹, dies sind wir auch
bereits zuhause.« Das Weltwissen sei auf Knopfdruck verfüg­
bar. »Das heißt, wenn ich Maschinenführer bin, und meine
Maschine scheint etwas anders zu machen als sonst, dann
muss ich jetzt und sofort das beste Wissen vom besten Exper­
ten – egal wo in der Welt – bekommen, der mir in dieser
Sekunde weiterhilft«, erläuterte Heuser. Bezogen auf die Arbeit
rege die Globalisierung den virtuellen Arbeitsmarkt an. Die
Arbeitskräfte seien weltweit verfügbar, aber es gelte kein glo­
baler Standard. Unternehmensstrukturen und folglich die
Beschäftigungsverhältnisse würden dynamischer werden und
sich stetig verändern.
Der »Thementag Personalvermittlung« des Verbandsbereichs
Personalvermittlung (VBPV) des BAP findet jährlich statt und
stellt aktuelle Themen und Trends in den Mittelpunkt. Mit dem
VBPV existiert ein Netzwerk zur Bündelung der Interessen der
Personalvermittler unter dem Dach des BAP. t
Einblicke
Fakten, Fakten, Fakten –
über die Zeitarbeit
WUSSTEN SIE SCHON , …
dass rund zwei Drittel der Zeitarbeitnehmer vorher keinen Job hatten?
Das belegen Zahlen der Bundesagentur
für Arbeit, die halbjährlich umfangrei­
che Statistiken zur Arbeitnehmerüber­
lassung – wie die Branche im Amts­
deutsch heißt – veröffentlicht. Nach
der neuesten Statistik der Bundesagen­
tur für Arbeit kamen im zweiten Halb­
jahr 2014 sage und schreibe 64 Prozent
der Zeitarbeitnehmer und Zeitarbeit­
nehmerinnen, die einen neuen Arbeits­
vertrag mit einem Personaldienstleister
abgeschlossen hatten, aus der Beschäf­
tigungslosigkeit: 44 Prozent von ihnen
waren vor ihrer Beschäftigung in der
Zeitarbeit bis zu einem Jahr arbeitslos.
Und neun Prozent gehörten zu den so­
genannten Langzeitarbeitslosen, also
Menschen, die ein Jahr und länger
keine Arbeit mehr hatten.
Zu den Gruppen der Arbeitsuchen­
den und der Langzeitarbeitslosen
kommen dann noch die Personen
hinzu, die vor ihrer Beschäftigung in
der Zeitarbeit noch nie gearbeitet
haben. Das waren laut Bundesagentur
für Arbeit noch einmal elf Prozent der
Zeitarbeitnehmer und Zeitarbeitneh­
merinnen, die im zweiten Halbjahr
2014 bei einem Personaldienstleister
angefangen haben. Damit rekrutiert
die Branche ihre Mitarbeiter und Mit­
arbeiterinnen zu fast zwei Dritteln aus
den Personengruppen, die in anderen
Wirtschaftszweigen keine Chance auf
Arbeit erhalten haben. Die Zeitarbeit
übernimmt somit eine wichtige Inte­
grationsfunktion am Arbeitsmarkt.
Übrigens: Diese Integrationsquote
von rund zwei Dritteln erreicht die Zeit­
arbeitsbranche schon seit Jahren – auch
das lässt sich in den Statistiken der Bun­
desagentur für Arbeit nachlesen. t
33 Interessiert? Weitere Beiträge aus
der Rubrik »Wussten Sie schon …?«
gibt es auf der BAP-Website
­(personaldienstleister.de/­ueber-diebranche/wussten-sie-schon.html)
oder im Twitter-Kanal des Verbandes
(@bap_berlin).
Fröhliche Weihnachten...
...und ein erfolgreiches Jahr 2016
wünscht Ihnen Ihr Softwarepartner für Personaldienstleister.
Wir bedanken uns bei all unseren Kunden
für ihr Vertrauen und die partnerschaftliche Zusammenarbeit!
www.L1-LANDWEHR.de
15
16
Urteile
Arbeitsrecht:
Wie haben die Gerichte entschieden?
Zugangsvereitelung einer Kündigung im Personalgespräch
D
as Bundesarbeitsgericht (BAG)
beschäftigte sich eingehend
mit der Frage, unter welchen
Umständen ein Kündigungs­
schreiben des Arbeitgebers dem Arbeit­
nehmer zugeht und wann eine treuwid­
rige Zugangsvereitelung des Arbeitneh­
mers vorliegt.
Das BAG hat entschieden, dass ein
Kündigungsschreiben dem Arbeitneh­
mer im Personalgespräch in zwei Varian­
ten wirksam zugehen kann: Erstens
durch Übergabe des Schreibens an den
Empfänger, wobei es auf die tatsächliche
Kenntnisnahme durch den Gekündig­
ten nicht ankommt. Zweitens, wenn das
Schriftstück dem Empfänger mit der für
ihn erkennbaren Absicht, es ihm zu über­
geben, hingereicht und, falls er die Ent­
gegennahme ablehnt, so in seiner unmit­
telbaren Nähe abgelegt wird, dass er es
ohne Weiteres an sich nehmen und von
seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann.
Kein wirksamer Zugang liegt dage­
gen vor, wenn das Schreiben dem Emp­
fänger zum Zwecke der Übergabe zwar
hingereicht, aber von dem Erklärenden
oder Überbringer wieder an sich genom­
men wird, weil der Empfänger die
Annahme verweigert hat. In diesem Fall
ist das Schriftstück zu keinem Zeitpunkt
in dessen tatsächliche Verfügungsgewalt
gelangt. Nach Treu und Glauben ist es
ihm aber verwehrt, sich auf den späte­
ren tatsächlichen Zugang zu berufen,
wenn er selbst für die Verspätung die
alleinige Ursache gesetzt hat. Lehnt der
Empfänger die Entgegennahme eines
Schreibens somit grundlos ab, muss er
sich nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB) so behandeln lassen, als sei ihm
die Erklärung (Kündigung) bereits zum
Zeitpunkt des Übermittlungsversuchs
zugegangen. t
33 BAG, Urteil vom 26. März 2015,
Az.: 2 AZR 483/14
Umkleide- und Waschzeiten als Arbeitszeit?
I
n einem vor dem Landesarbeits­
gericht (LAG) Düsseldorf ver­
handelten Fall stritten die Par­
teien über die Verpflichtung zur
Vergütung von Umkleide- und Wasch­
zeiten eines Werkstattmitarbeiters.
Die 9. Kammer des LAG hielt es für
notwendig, zwischen den Umkleide­
zeiten und den Zeiten zum Duschen
zu unterscheiden. Zur Vergütungs­
pflicht von Umkleidezeiten liege ge­
sicherte Rechtsprechung des Bundes­
arbeitsgerichts (BAG) vor. Danach
seien diese zu vergüten, wenn das
Umziehen im Interesse des Arbeitge­
bers ­erfolge. Voraussetzung dafür sei,
dass die Arbeitskleidung während der
A rbeitszeit aufgrund einer Weisung
­
des Arbeitgebers zu tragen und eine
private Nutzung ausgeschlossen sei.
Beide Vor­
aussetzungen könnten hier
kumulativ vorliegen, denn die Mitar­
beiter wurden angewiesen, die Dienst­
kleidung bestehend aus Bund- oder
Latzhose, Jacke und/oder Weste sowie
T-Shirt oder Poloshirt – alle mit dem
Logo der Beklagten – im Betrieb zu
tragen. Darüber hinaus sei durch eine
Betriebsvereinbarung jede private
Nutzung ausgeschlossen worden.
Zur Vergütungspflicht von Wasch­
zeiten liege – so das LAG – keine gesi­
cherte höchstrichterliche Rechtspre­
chung vor. Entscheidend könne wiede­
rum sein, ob das Duschen im Interesse
des Arbeitgebers erfolge. Waschzeiten
seien gegebenenfalls dann zu vergü­
ten, wenn sie hygienisch zwingend
notwendig seien. Dies sei in dem vor­
liegenden Fall nicht einschlägig, denn
die Mitarbeiter würden in der von der
Beklagten gestellten Dienstkleidung
arbeiten, die zudem von dieser gewa­
schen werde und im Betrieb verbleibe.
Zudem stand zur Diskussion, ob zehn
Minuten Duschzeit nicht zu lang
bemessen seien.
Folglich einigten sich die Parteien,
die Umkleidezeiten (je fünf Minuten
zu Arbeitsbeginn und Arbeitsende) zu
vergüten, aber nicht die Duschzeit
(zehn Minuten am Arbeitsende).
Das Verfahren wurde durch Ver­
gleich am 3. August 2015 beendet. t
33 LAG Düsseldorf, Vergleich vom
­3. ­August 2015, Az.: 9 Sa 425/15
Urteile
17
Voraussetzung für die Zahlung von Branchenzuschlägen beim Einsatz
in einem zum Fertigungsbetrieb gehörenden Nebenbetrieb
D
er Kläger ist IT-Fachmann
und war seit Jahren
gemeinsam mit Mitarbei­
tern des Kundenunter­
nehmens der IT-Branche als Zeitar­
beitnehmer in einem Chemiepark
eingesetzt. Das Kundenunternehmen
war seinerseits vom Betreiber des Che­
mieparks mit der Erbringung von ITDienstleistungen beauftragt. Zu den
Aufgaben des Klägers gehörten dabei
u.a. die Wartung, Pflege und Umstel­
lung der Rechnersysteme auf die
jeweils benötigte Software und Betriebs­
programme. Für die Durchführung
der Arbeiten standen den insgesamt
circa 30 Mitarbeitern eigene Räum­
lichkeiten zur Verfügung.
Der Kläger ist der Ansicht, es han­
dele sich um eine in das Chemiewerk
integrierte betriebliche Einheit des
­I T-Unternehmens, die zumindest
einen zum Wirtschafts­
zweig der Chemi­
schen Industrie
gehörenden ergänzenden Betrieb im
Sinne des § 1 Ziffer 2 TV BZ Chemie
darstelle. Im Ergebnis fordert er die
Zahlung von Branchenzuschlägen auf
der Grundlage des TV BZ Chemie.
Das Arbeitsgericht Herne ist dieser
Argumentation nicht gefolgt und hat
die Klage abgewiesen. Der Betrieb, bei
dem der Kläger eingesetzt war, stelle
keinen Kundenbetrieb im Sinne des
tariflichen Geltungsbereichs dar. Dies
folge aus der Auslegung des § 1 Ziffer
2 TV BZ Chemie. Danach sei der fach­
liche Geltungsbereich des TV BZ Che­
mie für den Kläger nicht eröffnet.
Zum einen seien die im Katalog des
§ 2 TV BZ Chemie aufgeführten Ferti­
gungsbetriebe dadurch gekennzeich­
net, dass Produkte hergestellt oder
wenigstens (weiter-)bearbeitet werden.
Dies lasse sich dem Vorbringen des
Klägers, der ausschließlich Dienstleis­
tungen in dem betrieblichen Bereich
erbringe, nicht entnehmen. Zum
anderen zähle der Einsatzbetrieb auch
nicht »zu den erwähnten Wirtschafts­
zweigen
gehörenden
Reparatur-,
Zubehör- und Montagebetrieben und
Zweigniederlassungen«. Denn die
Zuordnung zu einem solchen Betrieb
im Sinne von § 1 Ziffer 2 Satz 3, 2. Hs
TV BZ Chemie setze eine Führung
bzw. rechtliche Verbundenheit dieser
Betriebe mit den Fertigungsbetrieben
voraus. Hierfür spreche auch, so das
Arbeitsgericht, die ausdrückliche Ein­
beziehung von Zweigniederlassungen,
die nur von dem Unternehmen der
Hauptniederlassung geführt werden
können.
Das Urteil ist noch nicht rechts­
kräftig, die Anrufung der nächsthöhe­
ren Instanz (LAG Hamm) somit mög­
lich. t
33 Arbeitsgericht Herne, Urteil vom
1. Oktober 2015, Az.: 4 Ca 1198/15
Zeitarbeitnehmer zählen bei der Art des Wahlverfahrens
für den Aufsichtsrat mit
A
b einem Schwellenwert von
8.000 Arbeitnehmern ist die
Wahl der Arbeitnehmervertre­
ter in den Aufsichtsrat nach
dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG)
nicht als unmittelbare, sondern als
Delegiertenwahl durchzuführen. Das
Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte über
einen Fall zu entscheiden, in dem die
Art der Wahl strittig war.
Im Kundenbetrieb fanden im Jahr
2011 Wahlen zum Aufsichtsrat statt. Der
Hauptwahlvorstand hatte unter Ein­
beziehung von 444 auf Stammarbeits­
plätzen eingesetzten wahlberechtigten
Zeitarbeitnehmern eine Gesamtbeschäf­
tigtenzahl in dem Unternehmen von
8.341 Personen festgestellt. 14 im Kun­
denbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer
klagten mit dem Antrag, den Haupt­
wahlvorstand zu verpflichten, die Wahl
als unmittelbare Wahl durchzuführen.
Sie sind der Auffassung, es habe eine
unmittelbare Wahl stattzufinden, weil
Zeitarbeitnehmer bei der Berechnung
der Beschäftigtenzahl nach § 9 Absatz 1
und Absatz 2 MitbestG nicht mitzählten.
Sie trugen vor, die Zeitarbeitnehmer
seien zum größten Teil als »Konjunktur­
puffer« eingesetzt und folglich nicht der
Stammbelegschaft zuzurechnen.
Das MitbestG definiert den Begriff
»Arbeitnehmer« nicht selbst, sondern
verweist auf den betriebsverfassungs­
rechtlichen Arbeitnehmerbegriff des
§ 5 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz
(BetrVG). Nach der Rechtsprechung des
BAG sind Zeitarbeitnehmer bei betriebs­
verfassungsrechtlichen Schwellenwerten,
wie etwa bei der Ermittlung der Zahl der
Arbeitnehmer für die Betriebsratsgröße
nach § 9 BetrVG oder für die Zahl der
Beschäftigten nach § 111 BetrVG mitzu­
zählen (BAG, Beschluss vom 13. März
2013, Az.: 7 ABR 69/11). Mit Blick auf
das Wahlverfahren des Aufsichtsrats
sind daher jedenfalls wahlberechtigte
Zeit­arbeitnehmer auf Stammarbeitsplät­
zen ebenfalls mitzuzählen.
Wie in den Vorinstanzen blieb somit
der Antrag der 14 Arbeitnehmer erfolg­
los. Der Beschluss, die Aufsichtsratswahl
als Delegiertenwahl durchzuführen, ent­
spricht daher der vom Gesetz in § 9
Absatz 1 MitbestG vorgesehenen Regel­
wahlart. t
33 BAG, Urteil vom 4. November 2015,
Az.: 7 ABR 42/13
18
Ausblicke
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che einen starken und ver­
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Bundesarbeitgeberverband der Personal­
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Ausblicke
19
Arbeitgebertag Zeitarbeit 2016
Der BAP lädt die Branche zum runden »Geburtstag« nach Berlin ein.
A
m 23. Juni 2016 ist es wieder
so weit: Der BAP lädt die Per­
sonaldienstleister zum großen
Branchentreffen nach Berlin
ein. Im Mittelpunkt des Arbeitgeber­
tages Zeitarbeit werden die neuen gesetz­
lichen Regulierungen stehen. Führende
Vertreter aus Politik und Wirtschaft wie
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer wer­
den Fragen nachgehen wie: Welche Aus­
wirkungen werden die Einschränkun­
gen für die Zeitarbeit auf Arbeitsmarkt
und Wirtschaft haben? Wie vertragen
sich die neuen Regelungen mit der EUZeitarbeitsrichtlinie, die Einschränkun­
gen für die Branche nur in sehr engen
Grenzen zulässt? Und wie passt die
Regulierung der Zeitarbeit, deren Inte­
gra­
t ionsleistung für Personengruppen,
die es auf dem Arbeitsmarkt schwer
haben, unbestritten ist, zu dem Ziel,
Flüchtlinge so schnell wie möglich in
Arbeit zu bringen? Die Personaldienst­
leister erwartet also ab 15:00 Uhr eine
spannungsreiche Vortragsveranstaltung
im Hotel Maritim proArte.
Doch es gibt noch einen zweiten
guten Grund, am 23. Juni 2016 in die
Hauptstadt zu kommen, denn der BAP
begeht einen runden Geburtstag: Bereits
fünf Jahre ist es her, dass der Arbeit­
geberverband Mittelständischer Perso­
naldienstleister und der Bundesverband
Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen zur
führenden Interessenvertretung der Bran­
che verschmolzen sind. Dieses Ereignis
wird der BAP ab 18:00 Uhr im Kron­
prinzenpalais mit seinem traditionellen
Sommerfest feiern. Dabei werden sich
Spitzen aus den Bereichen Wirtschaft,
Politik und Medien in gewohnt ent­
spannter Atmosphäre nicht nur über die
Themen des Tages austauschen. t
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q Berufseinsteiger, denn 11%* unserer Mitarbeiter
haben vorher noch nie gearbeitet.
q Geringqualifizierte, denn mindestens
22,4%* der Zeitarbeitskräfte haben keinen
Berufsabschluss.
* Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, 2015 / 2013
Universitätsstraße 2–3a
10117 Berlin
Telefon 030 206098 - 0
Fax
030 206098 - 70
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