Menschenaffen-Kenntnisse von Bio
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Menschenaffen-Kenntnisse von Bio
Zur Allgemeinbildung von Biologie-Studenten: Enttäuschendes Vorwissen über Menschenaffen In unseren Kursen an der FU Berlin hatten wir eher zufällig festgestellt, dass etliche Studenten nicht wussten, auf welchem Kontinent Schimpansen leben. Daraufhin stellte ich (2008) Bachelor-Studenten eines Evolutionskurses, die mindestens im 3. Semester waren, in einem anonymen Eingangstest folgende Aufgabe: „Nennen Sie 4 Menschenaffen und jene Kontinente, auf denen sie vorkommen.“ Nur 25 % der Teilnehmer nannten 4 Arten. Schimpanse, Gorilla oder Orang-Utan wurden jeweils nur von etwa 80 % der Kursteilnehmer genannt, aber nur die Hälfte von ihnen wusste dann auch den richtigen Kontinent zuzuordnen. Alle drei Arten konnten 71 % benennen. Kaum einer nannte Bonobo oder Gibbon. Wir haben das dann im Kurs besprochen. Später haben die Studenten sich an zwei Kurstagen mehrere Stunden mit Primatenschädeln beschäftigt, um Schädelmerkmale zu rekrutieren und anhand dieser ein Cladogramm zu rekonstruieren. Letzteres war die Hausaufgabe, die dann im Seminarteil besprochen wurde. Als Material gab es Schädel und Schädelabbildungen von Mensch, Schimpanse, Orang-Utan, Pavian, Haubenlangur, Klammeraffe, Brüllaffe, Koboldmaki, Lori, Buschbaby und Tupaja. In der Abschlussklausur zu diesem Kurs fragten wir u.a.: „Nennen Sie mindestens 4 Menschenaffen-Arten und jeweils den Kontinent ihres Vorkommens.“ Die Aufgabe enthielt auch noch einen phylogenetischen Teil, der Inhalt des Kurses war und worauf hier nicht eingegangen werden soll. An dieser Klausur nahm auch der Parallelkurs teil, in dem der zuvor genannte Eingangstest nicht durchgeführt wurde. Das genaue Ergebnis zeigen zwei Tabellen. Nicht einmal die Hälfte (nur 42 %) der Teilnehmer konnten vier Menschenaffen-Arten benennen, 81 % immerhin mindestens drei (Schimpanse, Gorilla und Orang-Utan). Auch die anderen zuvor genannten und als Kursmaterial vorgelegenen Primaten wurden mehrfach angeführt, insbesondere der Pavian. Die Zuordnung des richtigen Kontinents für die Menschenaffen schwankte zwischen 42 (Orang-Utan) und 72 % (Gorilla). Bis auf die Antarktis wurden alle Kontinente irgendwo mal genannt (Tab. 1). Nur 56 % wussten, dass Schimpansen in Afrika leben. – In der Nachholklausur (für jene, die bei der ersten Klausur fehlten oder diese nicht bestanden) wurde ein Stammbaum mit den Artnamen der Menschenaffen vorgegeben und dazu u. a. gefragt: “Auf welchem Kontinent kommen die genannten Menschenaffen jeweils vor?“ Außer beim Schimpansen (85 %) wurde nur in weniger als 65 % der Fälle der richtige Kontinent zugeordnet. Schließlich wiederholte ich den Test noch einmal in einem entsprechenden Kurs 2010 erneut mit der Frage: „Nennen Sie 4 Menschenaffen-Arten und jeweils den Kontinent ihres Vorkommens.“ Hier konnten 83 % der Klausurteilnehmer mindestens drei Menschenaffen benennen, nur 21 % aber vier. Nur 72–74 % (Gorilla, Orang-Utan) bzw. 80 % (Schimpanse) wussten dazu jeweils den richtigen Kontinent des Vorkommens. Nach diesen Feststellungen fallen zwischen 71 und 81 % der Studierenden im Fach Biologie beim Stichwort „Menschenaffen“ Schimpanse, Gorilla und Orang-Utan ein, was anders formuliert heißt: mindestens ein Fünftel kann diese drei nicht benennen, die doch in jedem größeren Zoo nebeneinander zu beobachten sind. Ähnlich ist der Prozentsatz bei der Frage der geographischen Zuordnung (Tab. 1). Stichproben im Bekanntenkreis ergaben vergleichbare Werte unter Nicht-Biologen. – Nur am Rande sei hier noch auf die manchmal putzige Schreibweise von Orang-Utan hingewiesen. Angesichts vieler Filme und Berichte über Menschenaffen in den Medien auch im Zusammenhang mit einer Humanbiologie – von der Schule nicht zu reden –, finde ich dieses Ergebnis erschreckend, zumal es das Verständnis über die Evolution des Menschen fundamental berührt. Dabei geht es auch um jene Allgemeinbildung junger Menschen mit Abitur, die sich entschlossen haben, Biologie zu studieren, von denen man also eine besondere Aufmerksamkeit für solche Fragen erwarten darf. Das Vorkommensgebiet des Schimpansen nicht zu wissen kann ich auch bei einem unterstellten besonderen Interesse für nichtorganismische Biologie nur damit vergleichen, dass ein angehender Sportjournalist nicht weiß, wie lang die Strecke eines Marathonlaufs ist, und er sich damit entschuldigt, Sport sei eben ein so vielfältiges Gebiet und sein Schwerpunkt sei nun mal der Fußball. Prof. Walter Sudhaus Institut für Biologie/Zoologie Königin-Luise-Str. 1-3 14195 Berlin Tab. 1: Häufigkeiten der Nennung von Menschenaffen und ihres vermeintlichen Vorkommens auf bestimmten Kontinenten. Spalten: 1 = anonymer Test, 2 = Klausur, 3 = Nachholklausur (1–3 jeweils 2008), 4 = Klausur 2010. Teilnehmer-Zahl wie oft diese Art genannt?2 von wie viel % nicht genannt wie oft Kontinent zugeordnet? Afrika Asien (SE-Asien) Afrika + Asien Südamerika Amerika Australien Europa %-Satz richtiger Zuordnung3 1 Schimpanse Gorilla Bonobo 1 2 3 4 1 2 3 4 1 2 3 4 24 43 26 42 24 43 26 42 24 43 26 42 19 41 X 41 20 39 X 36 5 14 X 11 21 5 X 2 17 Orang-Utan Gibbon1 1 2 3 4 1 2 3 4 24 43 26 42 24 43 26 42 18 38 X 38 1 6 X 2 9 X 14 79 67 X 74 25 12 X 10 96 86 X 95 15 31 23 37 18 31 20 34 3 12 19 10 15 28 20 35 1 2 19 9 3 – 3 – – – 47 1 – – – 1 – – 0 23 4 2 – – 1 1 56 22 1 – – – – – 85 33 2 1 1 – – – 80 10 3 – 4 1 – – 50 28 2 1 – – – – 72 17 1 1 1 – – – 65 26 4 1 3 – – – 72 1 1 – 1 – – – 20 8 3 1 – – – – 57 15 3 – 1 – – – 58 9 – – 1 – – – 82 3 9 – 3 – – – 50 9 16 – 2 1 – – 42 3 14 – 2 1 – – 54 5 28 1 1 – – – 74 – – – 1 – – – 0 8 7 – 3 – 1 – 27 2 – 2 – – – – – 100 Einmal Siamang genannt. In Spalte 3 entfällt diese Frage, weil hier alle Arten in einem Stammbaum vorgegeben waren. 3 Mit Ausnahme von Spalte 3 bezieht sich der Prozentsatz der richtigen Kontinent-Zuordnung auf diejenigen, welche die Art benannt haben. In Spalte 3 bezieht er sich hingegen auf die Gesamtzahl der Teilnehmer. 2 Tab. 2: Kombination mehrerer Menschenaffen-Arten und die Häufigkeit ihrer Benennung. Zahl der Teilnehmer 4 Arten wurden genannt mindest 3 Arten genannt Schim Schim+Goril Schim+Orang Schim+Bono Goril+Orang Schim+Goril+Orang Schim+Orang+Bono Goril+Orang+Bono Schim+Goril+Orang+Bono Schim+Goril+Orang+Gib Schim+Goril+Orang+Bono+Gib fälschliche Nennung des Pavian Einganstest 2008 24 %Satz 6 25 17 71 0 0 2 8 0 0 0 0 1 4 11 46 0 0 0 0 5 21 1 4 0 0 0 0 Klausur 2008 43 %Satz 18 42 35 81 1 2 3 7 2 5 0 0 1 2 17 40 0 0 0 0 12 28 5 12 1 2 13 30 Klausur 2010 42 %Satz 9 21 35 83 0 0 3 7 3 7 1 2 0 0 23 55 2 5 1 2 7 17 2 5 0 0 10 24