Interview with Winrich Behr

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Interview with Winrich Behr
Interview with
Winrich Behr
Interview by
F. Duchêne
Hubbelrath bei Düsseldorf 29/04/1987
Jean Monnet, Statesman of Interdependence
collection
W Behr/29.4.87/1
WINRICH BERR
mit F. Duchene
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Hubbelrath bei Dusseldorf
29 April 1987
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Band 1 Seite 1
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FlJ Comment etes-vous venu a VOliS mteresser aur problemes europeens, et
comment etes-vous arrive par la suite a Luxembourg?
WB Francois, bei der Antwort auf diese Fruge versuche ich mien zu
konzentrieren damit die Geschichte nicht zu lang wird. Es ist naturlich eine
lange Geschichte und eigentlich beginnt sie damit, daB ich in Berlin geboren
bin, daB meine Eltern im Zentrum Berlins in dcr Nahe von der bekanntcn
Strasse "Unter den Linden" lebten und daB urn die Ecke Unter den Linden
und der Dorotheenstrasse sich das vom grossen Kurfursten fur die
Iranzosischen Huchutnge, die retormterten Hugenotten, gegrundete
franzosische Gymnasium befand. Eine Schute. die ubrigens auch wahrend
der ganzen Nazizeit in franzosischer Sprache samtliche Unterrichtsfacher
unterrichtete. Mit Ausnahme von Turnen. Das war in deutsch. Ubrigens
gibt es diese Schule heute noch, sie spielt eine grosse Rolle weil auch die
Kinder der Iranzosischcn Beamten und Off izicre. die in Berlin sind, dort zur
Schule gehen. Das ist heute eine Schule mit acht- neunhundert jungen und
Madchen und es gibt einen grossen Verein von ehemaligen colh~giens, die
sich noch tretten. Diese tr anzostsche Schute hat mir naturticn einmal einen
sehr guten background in der Humanlsuk. wei! es griechisch und Iateinisch
gab, gegeben. Das hat mir spater bei meinem juristischen Studium geholfen
und zurn anderen er leichtert. dafi ich franzosisch sprach. Wir wollen ja
nachher uber Jean Monnet sprechen und sicherlich ist die Tatsache daB man
mich sowohl bei dcr internationalcn Ruhrbehorde in Dusseldorf in die
deutsche Delegation genommen hat und daB mich Jean Monnet in Luxemburg
eigentlich sofort nach einer kurzen Vorstellung eingestellt hat. auch damit
verbunden, daB alle Franzosen nun mal ein Penchant haben Iur Auslander.
die auch gut Iranzosiscn konnen. Das gehort dazu. Insofern also ist meine
Schule in Berlin, mein Abitur eine wichtige Voraussetzung. Ich bin jahrgang
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1918, ieh habe 1935 mein Abitur gemaeht, bin dann gleich Soldat geworden,
habe erst Arbeitsdienst und dann die ganzen Kriegsjahre mitgemacht an
versehiedenen Fronten.
FD Das war Ihr BeruP
WB Das war mein Beruf. leh stamme aus einer preussischen Familie. Mein
Vater war aktiver Offizier. Mein Grossvater. meine ganze Familie stammt
vom Lande, also eine gewisse Tradition, die von Ostpreussen und Posen
ausging. Also eigentlich dem neuugen Polen sollte man sagen, abel' das war
ja damals kein nationaler Unterschied. Insofern war es vollig
selbstverstandlieh, daf mein Vater mil' sagte "Du wirst doch nicht etwa
Kaufmann werden". Er sagte wortlich: "Du wirst doeh nieht etwa
'Heringsbandiger worden!" Heringsbandiger war fur meinen Vater, ein sehr
weiter Begriff. Ieh bin mal als Junge ein halbes jahr auf eine franzosisehe
Schule nach Boulogne-sur-Mer in das College Mariette geschickt worden. Als
ich da meinen franzosischen Mitschulern sagte, ich wollte Offizter werden.
hat man mien sanz komisch anaesuckt und sesasr. "wie kommt man auf
einen solchen Gedanken?", abel' so war es nun einmal. Und urn nun etwas
konkreter zu werden, ich habe hier in Dusseldorf meine sogenannte zweite
grosse juristische Staatsprufung gemaeht.
FD Wann war das?
WB Das ist 1952 gewesen. Im Anschluss an die Zeit, in del' man als
Referandar sich auf die sogenannte Assessor-Prufung vorbereitet, ..
FTJ Urn in den orrentucnen Dienst zu gehen?
WB ja um das zweite Staatsexamen zu bestehen und dann Richter oder
Rechtsanwalt oder hoher Beamter werden zu konnen. In Deutschland ist das
die Vor aussetzung, daB man den Assessor gemacht hat als jurist. Fruher war
es auch beim Auswartigen Amt so: Eigentlich wurde kaum ein Nichtvolljurist
genommen. Das hat sich hcute geandcrt. Das "juristcnmonopol'', wie man
fruher sagte, ist beseitigt. In diesel' Vorbereitungszeit zu dem Examen muss
man bei verschiedenen Gerichten fur Iunf oder sechs Monate Dienst machen.
Dazu gehort eine Verwaltungsstation, die man sich aussuchen kann. Und ich
suchte mil' aus, fur diese sechs Monate eine Tatigkeit in del' deutschen
Delegation der in Dusseldorf arbeitenden internationalen Ruhrbehorde. Das
gelang durch Zufall. Diese Ruhrbehorde - ich sage das jetzt vielleicht etwas
aus nationaler Einseitigkeit- war im Grunde genommen eine Fortsetzung der
alton Morgenthauplanc und sic harte zum Ziel zunachst eine Fcstsetzung dcr
deutschen Stahlquote und del' Kohlequote auf einem sehr niedrigen Level: elf
Millionen Tannen Kahle und sechs Millionen Tannen Stahl. also unglaublich
niedrig. Das war naturtich etwas sanz Anderes ats spater die Montanuruon.
auf die wir noch zu sprechen kommen. Abel' so wie die Zeit sich nach dem
Kriege entwickelte und ich brauche ja gar nicht mehr auf dem ost-west
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Gegensatz, del' damals aufkam, einzugehen, waren doch schon die leitenden
Personlichkeiten - ZUlU Beispiel, Poher, den [etzigen Prasidenten des
Iranzosischen Senates und auf deutscher Seite del' damalige Vizekanzler
Blucher, ein Herr Wilson bei den Amerikanern -, alle diese Herren waren
doch schon sehr nachdenklich, ob dieses Ziel del' internationalen
Ruhrbehorde auf die Dauer fur Europa eine gute Sache sein sol1te. Als nun
Jean Monnet, Schumann, Adenauer usw. zur Grundung del' ersten
Europaischen Gemeinschaft vorwartsscnriuen und damit ein sanz anderes
Ziel ins Auge kam als es die Ruhrbehorde haue, wurde auf das internationale
Personal aus dem Stab diesel' internationalen Ruhrbehorde zurukgegriffen.
lch hatte lIerrn Max Kohnstamm, del' dann in Luxemburg als erster
Gcneralsekretar (damals hiess es Sekretar l, das Sekretariat del' hohen
Behorde leitete, kennengelernt. Andere aueh. Eine ganze Reihe. Zum Beispiel,
Herr Potthoff. del' Mitglied del' Hohen Behorde wurde. Er war hinter Herrn
Blucher number 2 in del' deutschen Delegation del' internationalen
Ruhrbehorde, als Gewerkschaftler und SPD Mitglied. Herr Etzel, del' seater
das erste deutsche Mitglied und Vizekanzler wurde. kam von del' eDU und
Herr Potthoff von del' SPD. So war bei den beiden ersten Mitgliedern einer
europaischen Behorde im Sinne del' ich sage jetzt einmal "supranationalen
Behorde ein eDU Mann, und Herr Potthoff als SPD Mann. Well, ich kam also
als funftes Rad am Wagen in diese Delegation. leh blieb dann langer als die
seehs Monate, arbeitete im wunderbaren suro des Prasidenten, weil mil'
Herr mueller gesagt hatte. "arbeiten sie doch hier, ich bin ja nul' ein paar
Stunden in del' Woche da". A11e Putztrauen hielten mien immer fur den
deutsehen Vizekanzler wenn sie ins Buro kamen. Abel' ieh habe dart eine
Menge gelernt, abgesehen von wirtschaftlichen Dingen. Ich habe die
Protokolle fur die deutsche Delegation gemacht und Mensehen kennengelernt
und naturtich aueh dabei die fur uns aus del' Verdammnis kommende
Deutsche besonders faszinierenden europaisehen Ideen kennengelernt. Ich
habe dann naeh meinem bestandenen Eramen, noch ein halbes jahr als
"Anwattsassessor' gearbeitet. Seitdem bin ich als Anwalt am Oberlandes­
gericht in Dusseldorf zugelassen. Ieh habe mich dann umgesehen, um einen
Beruf zu haben. Denn ieh hatte inzwisehen drei Kinder. Ich hatte ja im Jahre
1943 geheiratet. Das war a11es nicht ganz so einfach. Mein Einkommen
bestand in einer monatliehen Unterstutzung als Referendal' in Ilohe von 282
Mark und SO Pfennig Iur einen Familienvater mit drei Kindem. Wir haben
uns a11e doch damals sehr dureharbeiten mussen. Und ieh hatte dann von
verschiedenen Angeboten die Wah!. Da so viele unserer [ahrgange gefallen
waren, haben wir, die wir lebend durchgekommen sind, naturlich
ungtaubliche cnancen gehabt um im Wiederaufbau Deutscnlands und
Europas eine gute Position zu bekommen. Insofern, haue icn ja einen relativ
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guten Choix. Es hat sich dann sehr merkwurdig entschieden als ich einen
Besuch bei Herrn Kohnstamm machte ihm sagte, ich hatte mein Examen
bestanden ...
FD Wann war das?
WB 52. Spat. Und zu diesel' Zeit war die Behorde in Luxemburg im Aufbau.
Es gab noch gar keine Vorlaufer. Zum ersten Mal entstand eine solche
I'.usammenarheit mit einem nicht national getrennten Ziel del' ver schiedenen
Nationen. sondern mit einem supranationalen Ziel. leh nehme extra dieses
Wort wei! wir es auch damals auch benutzt haben, wenn auch daruber viel
Streit entstanden ist. Abel' Monnet und Kohnstamm, auch die anderen, die
mit meiner Einstellung zu tun hatten, haben gerne auch solche Manner
cingostcllt, die nicht bereits dureh ein nationales Ministcrium in ciner schr
starken nationalen Form profiliert waren.
FD Das ist ein Unterschied mit del' Kom mission in Brussel?
WB Das hat sich voltig geandert. Darnats konnte noch kurzfristig entschieden
werden. Monnet war ein Mann del' Intuition. Er brauehte sieh nieht lange
grosse Fragebogen ansehen und Lebenslaufe usw. Sondern er sah sich den
Kerl an, del' kommen wollte, und sagte, den konnen wir hier gebrauchen.
Sichel' war es ein Punkt, daB ich ihm mein Leben in seiner Sprache erklaren
konnte, or mich dadureh vielleicht etwas bessel' kennenlerncn konnte.
Kohnstam m kannte mich etwas. Wenn man das Sehieksal von Kohnstam m
kennt - er ist von den Deutschen in ein Konzentrationslager in Holland
gesperrt worden - dan so war es fur die damalige Zeit nicht "normal", dal3 er
einen ehemaligen deutschen Generalstabsoffizier vorschlug, del' bei Rommel,
bei Kluge, bei Model, bei Paulus gewesen war, erst als Frontoffizier. dann als
Generalstabsoffizier auch in Frankreich bei del' Invasion. Monnet entschied
sich dann eigentlich nach einem Gesprach von 20 Minuten. Sichel' hatte er
vorher sich mit Kohnstamm darubor unterhalten, und sich schon ein Bild und
eine eigene Meinung gemacht, und es sollte nul' noch eine Bestatigung sein.
Abel' dann ging er von heute auf morgen und "Wann konnen Sie anfangen7"
Hod als ich sagte "in zwei Monaten, dann sagte er "heber morgen als in zwei
Monaten". So waren ja damals die Zeiten. Wir wurden ja gebraueht.
Manchmal ist das Leben ja auch merkwurdig. Francois, Sie kennen ja
Monnet noch viel bessel' als ich; sein Sinn fur Humor zeigte sich bei diesel'
Besprechung. Damals war gerade eine Tochter oder ein Sohn del'
Grosshcrzogm geborcn, und das wurde wie ublich mit ciner Salve von
Kanonenschussen gefeiert. Und als ich herausging steckte Monnet nochmal
den Kopf heraus in das Vorzimmer wo Kohnstamm dann sass und sagte. "Sie
scheinen ja nach wie VOl' gut.e Beziehungen zum Militar zu unrerhatten!" Also
das war meine mit Kanonenschussen begonnene Karriere. Wenn Sie mien
Iragten, wie die Dinge VOl' sich gingen, dann war es damals so, daB
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Kohnstamm dann sagte, "Herr Behr, ieh mochte Sie am liebsten erst einmal in
meinem Sekretariat einstellen. Wir bauen das auf. Wir haben naturlich
tausend Sehwierigkeiten das zu organisieren. Wir haben unter Anderem
Problemc mit den journalisten, die sieh alle nieht uber einen gemeinsamen
Leisten schlagen lassen wollen, das sind alles verwaltungsmassig "Untiere",
das sind naturlich kluge Leute. die haben ihre eigenen Vorstellungen, abel'
die haben keine Ahnung von Verwaltung. Und konnen Sie sieh nicht unter
Anderem diesen sektor etwas annehmen und mal senen, daB Sie da
irgentwie eine Art von Verwaltung hereinbringen ohne daB Sie dem Herrn
nun die Lust zum Sehreiben und zum geistvollen Arbeiten nehmen". Und
insofern war es fur mieh sehr nett, daf ich bei Max Kohnstamm eine erste
Tatigkeit hatto, bei del' ieh zcntral das ganze Haus kennenlerncn konnte. Ich
kannte, wie ieh Ihnen schon sagte, Herrn Potthoff personlieh aus del'
deutschen Ruhrbehorde. Ieh habe dann Herrn Etzel kennengelernt, den
damaligen Vizeprasidenten del' Holien Behorde.
FD Haben Sie eng mit ihm gearbeitet?
WB Ja also am Anfang eigentlich nieht eng. Am Anfang habe ieh mehr mit
einigen deutschen Herren zu tun gehabt. die Sie auch noch kennen, z.B. mit
Herrn Ernst, dem Stellvertreter von Kohnstamm. Er besehaftigte sich im
Sokrctariat schr mit handelspolitisehcn Fragen. leh weiss, daB wir uns
damals den Kopf zerbrochen haben. was z.B. "Kontingente" sind und welche
versehiedenen Arten von Kontingenten es gibt. Wir verstanden alle nicht
vie] von Handelspoliuk. Wolfgang Ernst ist seater ein grosser Spezialist und
Kenner in del' lIandelspolitik geworden. Engen Kontakt hatte ich zu dem
Kabinctsehef von Herrn Etzel, Herrn Von der Heide, Sie besinnen sich ja auf
ihn. Er wurde dann Leiter des Donner Bures del' Hohen Behorde, kam also
von Luxemburg weg. Dann schlugen wohl Kohnstamm und Monnet lIerrn
Etzel VOl', mich zum Kabinetschef bei sieh zu machen. Ich bin dann etwa nach
einjahriger Tatigkeit bei Max Kohnstamm im Sekretariat del' Hohen Behorde,
Kabinetsehef von Herrn Etzel geworden. Das war fur mich naturlich eine sehr
gute Pruchtrotge. weil die Hauptarbert des Kabinetschef naturlich in del'
Zusammenarbeit mit dem Sekretariat und mit den einzelnen Kabinetten del'
Mitglieder der Hohen Behorde bestand. Also mit dem Kabinet des
Prasidenten, darnals Kabinetchef Fernand Spaak oder Berthoin, das waren
glaube ich die beiden, die dart eine Rolle spielten. mit dem anderen
dcutschcn Mitglicd, mit Herrn Spiercnburg, dern Hollander, und seinem
Kabinetschef Stijkel: mit den Italienern; mit dem zweiten so besonders
netten Ir anzosischen Mitglied. dem alten Herrn Daum. del' aus del'
Stahlindustrte kam. Ich glaube schon. daB man als Kabinetscher dort auch
nieht nul' in den relations humaines, sondern auch in del' Sache erne Rolle im
Vorfeld del' Vorbereitung von Entscheidungen del' Beseitigung von
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Schwierigkeiten spielen konnte. Aber dabei kommen wir vielleicht mehr
zum Fragenkomplex Monnet, denn das ist ja gerade Monnets grosser
Verdienst, diese Schwierigkeiten Zusam menarbeit menschlich und sachlich
organisiert zu habcn und das ist cin Thoma, in dem Sic auch gcrnc ctwas von
mir horen wollen. Naturlich spielte in den ersten jahren uberhaupt der
Aufbau der Organisation eine grosse Rolle. Das war vielleicht ein Punkt, der
rur jean Monnet nicht so im Miuelpunkt stand. Fur Monnet war das
Erretcnen des Ziels wichtig. Mit welchen Mitteln der Organisation war ihm
eigentlich egal. Die Hauptsache, er erreichte das Ziel lind wenn ich es einmal
militarisch etwas vergleiche, dann war er vielleicht fur die nationalen
Verwaltungen. die ja in Bonn und in Paris bestanden. ein echter Schreck; so
cine Art von Stosstruppfuhror odor Kampfgruppenfuhrcr, bei dencn sich
heraustellte, daB er Iastiger oder nichtlastigerweise fur den Betroffenen
erstaunliche Erfolge erzlelte. weil er direkt mit den verantwortlichen
Mannern, die an der Spitze standen. ins Geprach karn, und nicht nur ins
Geprach kam sondern sie auch zum Handeln veranlasste - oft ohne iede
Einschaltung des Dienstweges, wie man in Deutschland sagt. Und das ist
sicherlich del' Kern der Schwierigkeiten mit dem Ministerrat geworden, daB
Jean Monnet seine sicher von ihm gut ausgesuchten Mitarbeiter
unkonvontionoll ansctzte, um mit ihnen zusammcn zu planen. in nachtlichen
oder taglichen Sitzungen, und zu sagen, 'Du gehst dort hin, du machst das
und in einer action concertee setzen wir das einfach durch, coOte que coute.
FD Sans faire attention aUI convenances administratlves.
WB ja! Ich habe manchmal nicht nur mit deutschen Freunden. sondern auch
z.B. ZlI Michel Gaudet gesagt, "eigentlich sind wir hier nationale Verrater.
Denn wir handeln hier als Deutscher, Franzese usw. gegen das momentane
Interesse des bestehenden Ministeriums. Also theoretisch konnte man uns
nach alten Richtlinien vor oin Gericht stollen odor uns jedenfalls eino
Diziplinarstrafe geben. Aber es war doch alles sehr getr agen und auch
anerkannt von Leuten wie Bech, und Adenauer und auch in Frankreich. Es
gab eine Menge von verantwortlichen Leuten, die doch sagten. "wenn wir
Europa schaffen wotten. dann mussen wir das ausserhalb des normalen
Dienstweges machen".
FD Adenauer pensait ca?
WB Adenauer war ein ganz routinierter Verwaltungsmann aber er war auch
dcr Mann, der mit Ubcrrumplungcn os schaffte. seine Idcen durchzusotzen
Dafur war er bekannt. Aile sagten immer, "der alte Fuchs". Und es gab viele
Leute, die sich uber ihn argerten. weil er sie uberrumpelte und wei! er den
Dienstweg Oberging. Nur vtetteicht. cas by t.he way, war Adenauer noch
darin ein erfahrener Verwaltungsmann als Jean Monnet, der ja immer in
scinern Leben eigentlich Troubleshooter war. Im Weltkrieg. uberal1, hal er ja
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in verfahrenen Situationen gesagt "len muss versuchen, eine Sache zu
organisieren und zum Erfolg zu bringen." Adenauer nutzte dafur die
Verwaltung, ein Spiel das er ja hundertprozentig beherrschte, und machte
das mit dem normalen Dienstweg, abel' er war auch bereit, sich mit Monnet
auch ausserhalb von Zustandigkeiten und ohne den deutschen
Aussenminister zu einigen. Den Aussenminister setzte er hinterher in
Kenntnis. aber er traf Entscheidungen. weil er i m Gesprach mit Monnet
zusammen sagle, "so machen wir das."
FD Est-ce que le fait que Monnet ne Iaisait pas partie dune structure claire
lui nuisait au pres d'Adenauer? Bst-ce qu'Adenauer se disait, "ce n'est pas
vraiment un homme d'etat, parce qu'il ne represente pas un pays"? Il
roprosonte uno idee, mais on pourr ait aussi dire line idee seulement.
WB Was ieh sage kann naturlich falseh sein, wie naturlich uberall was man
sagt: ich ~daube, dafi es eine tiefe Enttauschung bei Adenauer gegeben hat,
als die europaische Verteidigungsgemeinscllaft am Widerstand des
franzosischen Parlaments scheiterte. Bis dahin war man in Bonn bei
Adenauer, Ophuls ...
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WB ... uberzeugt, daB Monnet recht haben wur de. daf so oder so, die
Europ~ische
verteidigungsgememschalt,
im
tranzosichen
Parlament
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passieren wurde. Ieh besinne mrch an ein Abendessen bei Max Kohnstamrn,
in seinern "Maison Rouge in Luxemburg, bei dem auch der darnalige
deutsche Vertreter. Prof. Ophuts, da war. Kohnstamm schatzte ihn auch sehr.
Es war ein sehr musischer und politischer Kopf', mit einer grossen
curopaischen Uberzeugung. Wir waren zum Abcndessen eingeladen, mit
einigen Freunden, und dann kam plotzlich die Nachricht, daB unter Mendes­
France, die erste grosse europaische Verteidigungsidee nicht geklappt hatte.
uas war sicner Iur Adenauer eine grosse Enttauschung. tur Monnet ganz
genau so. Ich glaube, daB Adenauer sehr enttauscht war, daB er sich darin
doch in Monnet getauscnt hatte, und Monnet war unglaublich enttauscht, daB
er sich in Paris geirrt hatte. Ieh glaube mich nieht falsch zu erinnern, daB
diese Seheitern del' europaischen Verteidigungsgerneinschalt auch del' Grund
gowescn 1St, wcswcgcn Monnet seine Prasidentschaft in Luxemburg nicht
verlangert hat und nach Paris gegangen ist. Weil er sich sagte: "ich kann von
Luxemburg aus doch nicht das erreichen, was ieh bewirken wollte in diesel'
Position. lch muss [etzt nach Paris gehen und muss versucnen. von dort aus
die weiteren Scnritte vorzubereiten.
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FD Et pour Adenauer - je demande la question - Monnet avait perdu pour
toujours une certaine credibilite?
WB Ich glaube. daB das der Fall ist, Aber wahrscheinlich wissen da andere
Mcnschcn viol besscr boscheid. Aber aus meiner Erinnerung heraus, der
ganzen Entwicktung, so wie ich sie sehe, ist das doch ein grosser Bruch
gewesen. Adenauer hat sich dann gesagt, "ich muss eben jetzt auch mit den
Ieitenuen. in der Verantwortung stehenden, Persontichkeiten weiterkommen.
Ieh unterstutze Monnet naturllcn. ...
FD ... die die wirklicher Staats manner sind?
WB .la.
FD Das ist ein grosser Unterschied zwischen vor der EVG und nach der EVG?
WB ja.
FD Glauben Sie das, oder fast wissen Sie das?
WB Wirklich wissen, das kann ich nicht sagen, aber ich wurde schon sagen
so war es, lind es hat sich ia auch so entwiekelt. Es war seitdem so, mit dem
Weggehen von Monnet - und weshalb Monnet wegging haben wir ja gerade
crwahnt - daB der Prasident der Hohen Behorde nicht mehr ein Gesprachs­
partner fur die Politiker in dem Sinn gewesen ist wie es vorher Monnet
darstellte. Rene Mayer war eine reizende, grossartige Personlichkeit, er war
aber nicht "Mr. Europe" wie Monnet es war. Nur untcr Hallstein spater in
Brussel ist diese Entwicklung noch einmal fur eine gewisse Zeit unterbrochen
worden. Hallstein war ein europaischer Prasident, der auch fur die
Regterungchets erne fur die weitere Entwtcklung Europas ganz wtchtige
Personlichkeit war. Was ja heute leider nicht mehr der Fall ist.
FD C'cst apres l'echec de la CED que je crois que vous avez joue, aux cotes
d Etzel, un role assez central dans Ia relance de Messine? avant Messine et
avant Ia grande negociation Adenauer-Mollet du 6 novembre 56?
WE Schon. Aber naturlich muss man das in der Relation sehcn. Sicher ist, daB
man als Gehilfe einer Personlichkeit eine Rolle spielen kann, auch soll, und
daB man da, wie wir kritisch sagen, als "Hillsbremser" oder als
"Hilrssctueber" auch mit hantieren kann. Und das ergab sich naturtich auch
durch die Situauon, daB ja die ubrigen Beamten der europaischen Benorde
Iur Kohle und Stahl in ihren speziellen Gewerben waren. Herr Dehnen war
Direktor fur Kohle, Herr Roll mann fur Stahl, Herr Glisenti fur die Sozialpolitik
usw., aber aUe diese Herren haten, mit Ausnahme des Sekretariats Max
Kohnstamm nat urlich, kcinen Zugang zu den zcntralen europaischcn
Problemen - der grossen Sorge: "was passiert jetzt mit Europa? Geht es
vorwarts oder wird es gehemmt? ist der erste Schwung vorbei und damit
uberhaupt vorbei?" Und da glaube ich. daB wieder die Initiative von Jean
Monnet eine grosse Rolle spielte. in Verbindung mit anderen wichtigen
Personlichkeiten wie Spaak und auch Bech und andere grosse Europaen ­
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Adenauer war ja auch noch da - die sich sagten: "Es darf mit dem Scheitern
del' Verteidigungsgemeinschaft nicht Schluss sein". Wir haben vielleicht auf
diesem Gebiet zu vie I erhofft, so kurz naeh dem Kriege. Da sind manehe
"sentiments" auch noch nicht beseitigt. Aber wir mussen anfangen mit
eaaeceti Geoieteo: lea gla.ube, es wa.r rielltig, da.B sieh. da. eme gelllisse
unterschiedliche Idee uber den neuen point de depart abzeichnete. Jean
Monnet, schatzte, auf Grund seiner Erfahrungen, die Kraft des Atoms und die
Moghchkeiten der dureh Atomkraft erzeugten Bneraie besonders hoeh ein. Er
sah in der Zusammenfassung der europaischen Atomkraft die Zukunft, die er
sicher hoher einschatzte, als es einmal bei del' Kohle war. Wir haben ja uber
die Ruhrbehorde gesprochen. und wir haben den Wandel der Meinung
angcdeutet, dafi man nun nicht mehr Deutschland mit Hochstmengen fur
Kohle und Stahl kontrollieren wollte. Die neue Idee war, Kohle und Stahl als
grossen Reichtum Europas allen sechs Landern ohne Diskrimination
zuganglich zu machen, also glerchmassige Lieferung, gJeiche Preise, usw.
Monnet naue schon damals den Eindruck, die Atomkraft wurde die Kohle
uberholen. Sie besinnen sich an den "Dreiweisenberictu". lind Monnet war so
sehr davon uberzeugt, daB er, anders als zu m Beispiel mein Chef Etzel und
auch als Adenauer, die Kraft des Gemeinsamen Marktes, also einer
ouropaischcn Wirtschaftsgemeinschart, wcnigor hoch einschatzte als die
Atomkraft.
FD Pour Etzel, le Marche Commun a toujours ete plus important?
WH ja.
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rD Parce que jai I'imptesslon que Monnet arrivait it Ie eonvaincre de temps
en temps quil fallait meure I'accent sur Euratom. et puis it retournait voir
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Von del' Groeben, ou autres, qui lui disaient, "mais c'est impossible. Ca ne se
passera pas comme ca." Et je crois qu'au moins a deux reprises il y a eu entre
Monnet ct Etzel ct pas sculemcnt - Von del' Grocben, unc sortc de chasse
croise
WB Ich glaube, daf das richtig ist., selbst wenn ieh nicht an all diesen
Gesprachen teilgenommen harte. Ais Kabinetschef harte man aueh die
Aufgabe, Zuhause fur Ordnung zu sorgen in den Verwaltungsfragen wenn
der Chef nicht da war und naturlich war Herr Etzel oft in Paris und Bonn.
Ieh glaube, Francois, daB Sie vollig reeht haben. Etzel war jedenfalles kein
Mann, der eine so starke Uberzeugungskrafte hatte, wie Monnet es hatte.
Auf del' andcren Seite hatte Monnet personlich eine unglaublich
eindrucksvolle Uberzeugungskratt. Mir ist das oft aufgefallen, aueh in seiner
ganzen Methodik. Wenn ich dann mal eine Kleine Abschweifung mache. Ich
bin etnmat eingetaden gewesen, kurz nach dem Krtege. von einer christticnen
Bewegung die hiess und neisst glaube ieh noeh "Moral Rearmament", die
moralische Aufrustung. Del' Sitz war am Genfer See, in einem grossem
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Chateau. Der Leiter war damals Frank Buchman. Er schloss sich an die alten
Gedanken del' Oxford group und gewisser christlich religioser Stromungen
an. Man hatte dort eine sehr positive Grundanstellung indem sie jedem
sagton, kritisiero nicht die Fehler del' Andcren, sondern fange bei Deinen
eigenen Fehlern an. Gib Deine eigenen Fehler zu und dann wirst Du Deinen
Partner eher uberzeugen, daf er aueh Fehler maeht und welche hat. Diese
Methode hat Monnet, sichertich in einer anderen Form, abel' im Prinzrp
unglaublieh uberzeugend angewand. Ieh habe doeh manche Gespr ache von
Monnet mit Etzel miterlebt, gedolmetscht von Fraulein Wennmarkers, dieser
hervorragenden Dolmetscherin. Das konnte sich wie folgt abspielen: Etzel
trug seine Ansicht VOl'. Herr Monnet sagte ihm, daB sei sicher vollig richtig.
Herr Etzel hatto cigentlich gcdacht, er mussto erst einmal Herrn Monnet mit
einem grossen Ausholer von del' Richtigkeit seiner Idee uberzeugen. Abel' er
rand er sich zunachst bestatigt, fand das ausgezeichnet, war "stolz" darauf.
nann ring Herr Monnet an und sagte ihm "Cher Ami, wenn das Alles richtig
Ist, dann muss man doch aueh das und das und das senen und olotzlich
merkte Etzel erstaunt, das er auf der Bank del' Ideen von Monnet sass, die
ganz anders waren als die Ideen, die Etzel vorher vertreten harte. Vielleieht
uberzeichne ieh das jetzt so ein bisschen, abel' ich glaube aueh mein alter
vorchrtor Vorgesetzer und Freund, Etzel, wird mil' das nicht ubelnehmen.
wenn ieh das so schildere, denn es war oft del' Fall. Das bewirkte naturlich
aueh daf wenn er nun zuruekkam naeh Bonn. er nun plotzlieh "umgedreht"
war und sagte, "nein nein, abel' Ich habe mit Monnet das so besprochen usw.
usw." Etzel hat sieh dann doeh von Adenauer. von Rust, Groeben (etwas aueh
von Erhard, del' ja abel' auf einer anderen Linie ging) davon uberzeugen
lassen, daf zumindest auch fur die Deutschen, die Hollander. die Belgier. die
Idee des geoffneten Marktes in Europa eine noch entscheidendere Rolle
spiolon wur dc als Euratom. Dabei muss man politisch bei del' Durchsctzung
des Gemeinsamen Marktes auch das uberwiegende Interesse eines
exporuerenden Landes. wie del' Bundesrepublik sehen. Und damit hat er.
Etzel, bei Mannern wie Spaak und anderen, letzten Endes doch eine grosse
Unterstutzung gefunden. Darin wissen Sie sicher bessel' beseheid und
Groeben und aIle anderen haben hierzu sicher mehr sagen konnen. Denn ich
war zu diesem Zeitpunkt in Luxemburg und ich habe nicht an den
Verhandlungen in Brussel teilgenommen, nul' gelegentlich, so an "kleinen
Gcfechtcn". wenn ich es mal militariseh sage ...
FD Vous avez eel'it beaucoup de notes pour Etzel qui devaient les presenter
a Adenauer. La personne qui tient la plume nest pas indifferente. Etzel a
com mence a s'interesser a des questions plus larges apres lechec de I'armee
europeenne. nest-ce pas? Mais aussi vous avez fait pas mal de notes,
ensemble avec Kohnstamm, pour des demarches aupres du Chaneelier. II y a
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eu, si je comprends bien. des discussions sur ce quon devait faire a Messine,
toute une serie de choses dans lesquelles vous vous etes rapproche de la
grande politique.
WB ja. Sichcrlich durch die Position, ohne daB ich das besonders hoeh
anhangen kann in der Bedeutung. Aber sicher, bei jedem Funktionieren einer
Masehine spielt ein kleines Radehen, wenn es funktioniert eine grosse Rolle.
oder wenn es nicht Iunkttoruert, kann es entscheidend sein. Ich glaube also
schon. daB auch beim Beobachten des Durcheinanders es wichtig ist, im
richtigen Moment zu sagen: "Hall hier passiert eine Riesenpanne!" Dann den
eigenen Chef darauf zu "hetzen und zu sagen: "Herr Etzel hier ist eine Sache
im Gange, da mussen Sie unbedingt eingreif'en". Das ist sicher eine Rolle, die
jeder Gchilf'c, icdcr Kabinetschef oder Referent hat. Ich glaube, daf in der
damaligen Situation Etzel eine grosse Rolle gespielt hat unter dem sehr
einseitigen Blickwinkel, den Herr Erhard hatte. Ich besinne mich noch genau:
Erhard harte immer die Uoerzeugung. daB Deutschland ein Etporttand ist und
bleiben muss und das dieses "Erportland" fur Deutschland nur dadurch
gesichert ist, daB wir auch ein Importland sind, daB wir Getreide einf'uhren:
ich glaube wir fuhrten damals elf Millionen Tannen Getreide ein, es konnen
auch 12 oder 13 sein, aber das war eine grosse Menge, und ich habe Herrn
Erhard oft personlich crlcbt, wie er immcr wieder das Argument brachte
und sagte, "wenn wir uns nach Aussen abschliessen, und wir konnen nicht
mehr dieses Getreide einfuhren, dann konnen wir auch nichts mehr
austuhren lind dann tst diese Parallelitat nicht vorhanden, also urn Gottes
Willen keine gelenkte Wirtschaft, keine gemeinsamen Aussenzotle". Erhard
war einer der grossen Gegner des Gemeinsamen Marktes der sechs Lander.
Das muss man 50 sehen. Selbst wenn er es oft anders formulierte, in der
Praxis wollte er Deutschland heraushalten. In diesem Kontext, hat Etzel eine
grosse Rolle gcspiolt. LInd da hat cine Anzahl von Personlichkcitcn, auch aus
dem Wirtschaftsministerium, wie Herr Rust und wie besonders Herr Von der
Groeben, der auch mit den Verhandlungen in Brussel beauftragt wurde, eine
grosse l<.olle gespielt. lJenn darnals spiette das Wirtschaftministerium unter
Erhard zunachst eine retardierende Rolle. Daraus ergab sicher auch dann der
Widerstand und der Gegensatz zwischen Adenauer und Erhard. Dort Iiegt
auch das "Pf'lanzlein begraben, daB leider bei Herrn Etzel aueh der Gedanke
aufkam, nicht auf die Dauer in Luxemburg zu bleiben, sondern sondern naeh
Bonn zu gehcn, ahnlich wie Monnet sagte, "ich muss naeh Paris gehen". Es
sind Andeutungen von Adenauer - aber das sind sicher nur Andeutungen
gewesen - daB er in Etzel seinen Nachfoiger als Bundeskanzler sah. Der erste
Schrilt war zunachst Bunoes-Hnanzmmister. und damit einer der wichtigen
Leute. Das ist auch gescnehen. Das war eine Gegen-Posilion zu Erhard. Und
das hat leider der ganzen europaischen Initiative damals zunachst einen
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gewissen Ruckschlag gegeben, Auf der anderen Seite kam durch Hallstein
und durch den Abschluss del' Taormina Konferenz des Gemeinsamen
Marktes ja eine Wiederbelebung, die Etzel dann von Bonn aus erlebt hat.
FD lJnd wann sind Sie von Luxemburg weggegangen?
WB Praktisch ging das parallel mit dem Ausscheiden von EtzeL Als
Nachfolger von Etzel kam del' sehr erfahrene und auch wirtschaftserfahrene
Bundestagsabgeordneter Herr Hellwig nach Luxemburg. Abel' das ganze
spielte sich schon etwas in Luxemburg als ein Schatten von dem grossen, im
Aufbau befindlichen Gemeinsamen Markt abo Ein grosser Teil der leitenden
Leute, z.B. Michel Gaudet, war eigentlich die ganze Woche in Brussel um
entweder die Verhandlungen zu Ende zu fuhren oder um dort eine neue
Aufgabc zu ubernchmcn. Und in diescm Zusammenhang ist dann uber die
Herren Rust und von del' Groeben, Herr Hallstein an mich herangetreten, um
mich zu Iragen. ub ich als Vertreter von Emil Noel im Generalsekretariat del'
EW(j Kommission eine Aulgabe uberneh men wollte. Das hat dann sehr
schnell funktioniert. Fur mich war es in Luxemburg nicht mehr so spannend,
denn in Berlin wurde man sagen.Ida war die Luft raus", und in Brussel
begann es, unerhort interessant zu werden. Dann habe ich schon irn Jahre
1957 mit Emil Noel in einern kleinen Buro in der Rue Berlaymont
angefangcn, die Organisation des Gcneralsckretariats und del' Behorde del'
EWG aufzuziehen mit kleinen und grossen Arbeiten, mit den ersten grunen
Papieren, die Geheimpapiere waren, und rosa, die Strenggeheim waren, und
mit den Nummern und vielen Dingen. 7.U elner Verwaltung gehoren. Wir
beide hatten Verwaltungserfahrungen und da wir beide menschlich
miteinander besonders gut konnten, war das zwar eine Tag und
Nachtfullende Arbeit abel' eine doeh sehr begluekende Zusam menarbeit.
Abel' das war dann del' Sprung. Ich habe meine Familie noeh eine zeitlang in
Luxemburg gehabt und ieh bin dann im Jahre 1959 nach Brussel gezogen.
FD Combien de temps vous etes reste a la Commission?
WB Ich bin bei del' Kommission nul' drei Jahre geblieben wobei naturlich.
muss ich sagen, gewisse Illusionen. oder desiJlusions, auch erne Rolle
spielten. Ieh bin damals von del' Kommission bestimmt worden, urn in dem
bckannten Ausschuss del' standigen Vertreter des Minister-Rates del' sechs
Lander del' Wirtschaftsgemeinschaft, der standige Vertreter del' Kommission
zu sein. Ieh war also del' Gesprachspartner del' sechs Botsehafter oder
standigcn Vertreter. die praktisch als Aufgabe hatton, die Sitzungen des
Ministerrates mit del' Kom mission vorzubereiten. Das waren damals grosse
Persunlichkeiten. Sie kennen Herrn De Carbonnel, Herr Ophuls, der
grossaruge Italiener Herr Cattani, und von hollandtscner Sette war es
Linthorst Homan, von belgischer Seite war es der Baron Snoy, del' spatere
belgische Finanzrninister. In diesem Ausschuss herrschte damals eine grosse
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europaische Grunceinstetlung. AHe diese Manner, Cattani, Carbonnel, Ophuls,
waren grosse Europaer, wollten mit Hallstein in del' Kommission
zusammenarbeiten. WoHten dies eigentlich mehr als ihre yon Ihnen
vortrotendcn Lander bereit waren. Es hat sich ja oft herausgestellt hat, daB
Personlichkeiten, die nach Brussel kamen als Vertreter ihres nationalen
Ministeriu ms, dann doch einen grossen Wandel durchge macht haben und
wirklicb auch "Europaer", irn Sinne auch eines zusam mengefassten
europaischen Staates oder einer Staatsgemeinscnart wurden. Ich besinne
mich sehr, auf einen besonderen Vorgang: Damals wurde von Herrn Hallstein
del' Gedanke verfolgt, daB die Wirtschaftsgemeinschaft nun "Botschaf'ter"
oder man druckte sich so etwas uber den Begriff Ambassadeur, abel' "Chefs
de Delegation", in den wichtigsten Driulander, Z. B. in USA haben musse.
Hallstein hatte vielleicht diese Dinge etwas zu sehr uberzogen. jedenfalls im
damaligen Kontext Europas, denn De Gaulle war ja in Frankreich inzwischen
del' Staatsprasident. Abel' Hallstein vertrat nach wie VOl' die Idee und ich
sene noch, wie im Ausschuss vorbereitet werden sollte. daB Herr Gaudet als
Botschafter del' europaischen Wirtschaftsgemeinschaft nach Washington
gehen sollte.
129'20" Unterbrechung]
Fl). Vous parlicz de votre "dcsillusion".
WB Diesel' Punkt lief so, daB del' Nachfolger von Herrn De Carbonnel, del'
Botschafter Herr Gorce, plutzlich ganz anders als in den vorbereitenden
Gesprachen es gewesen war, autgrund einer Weisung, die er bel<ommen
haue. zu diesem Punkt eine ganz riaide Ilaltung einnehmen musste. Dem
Iranzosischen Staatsprasidenten war del' Gedanke, daB diesel' Funktionars­
laden in Brussel wirklich eine staatliche Souveranitat ausuben konnte in
Gestalt eines Botschafters oder wie man ihn nannte, doch in keiner Weise
Uand 2 Sette 1
WB .., Die Sitzung musste unterbrochen werden. Ieh fuhr zum Sitz del'
Dehorde in del' joyeuse Entree und berichtete Herrn Hallstein und es war
naturlich auch bei del' Kommission eine grosse Enttauschung und eine grosse
Frage: Was gent in Paris vor?
FD Das war wann?
WB Das ist im Jahre 1960 gewesen.
FD lJnd cas geht zusammen mit dem Pouchetntan?
WB Del' Poucher plan ist sparer. Der Fouchet plan Ist. wenn ten es ricnua
bosinne, erst eine Antwort auf die Frage, wie konnen wir denn Europa nun,
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nachdem De Gaulle es gestoppt hat, wie ich es einmal so nenne, politisch
weiterbringen. Und del' Fouchet plan ist ja auch nicht in erster Linie ein Plan
wie die Kommission es weiterbringen kann sondern Fouchet ist ja eigentlich
von den Nationen eingesetzt worden, urn zu sehen, wie man mit del' neuen
franzosische Einstellung weiterkommen Kanno
FD Abel' das erste zeigt sich von diesel' Tendenz?
Wli nas war rur mien del' Punkt, in dem ich mit Deutllchkelt an einem
konkreten Beispiel gesehen habe. daB die Reise nicht so weitergeht, wie es
bis dahin gedacht war. Zu diesem Zeitpunkt. das muss man sagen, hatten die
einzelnen Lander im Ministerrat ja schon eine weitaus grossere Kompetenz
und auch de facto Machtausubung als es ursprunglich in den Ideen del'
Supranationalen Europaer war. Das hatte Monnet stets befurchtet. Naturtich
war, das muss man aueh sehen, in dem Vertrag fur den Gemeinsamen Marla
rein institutionell nicht Alles so gelaulen, wie Monnet es sich gewunscht
naue. na waren doch schon manche Kompromisse gemacht worden. Abel'
immerhin war mit dem Vorschlagsrecht del' Kommission, die ja dieienige ist.
die die Vorschlage zu verbreiten hat, in verschiedenen Dingen del'
Handelspolitik, Artikeln 111, 112, 113 usw. doeh noch Dinge del'
Supranationalitat erhalten. Alle damaligen supranationalen Europaer - ieh
nonne nul' dioscn Ausdruek, um die Unterseheidung zwischen den beiden
Lagern damit noeh einmal in Erinnerung zu rufen - aile diese "Supra­
nationalen'' konnten also das GefLJhl behalten. wir haben weiterhin eine
Chance zu einem supranationalen Europa zu Rom men. Abel' diesel' erwahnte
Punkt war fur mich personlich und sicher fur viele Andere, fur Michel
Gaudet, zum Beispiel. besorgnis erregend. Wir alle die miterlebten welche
Haltung Herr Gorse nun einnehmen musste, wei1 er ja gezwungen war als
Diplomat das zu tun, was seine Regierung ihm sagte. waren schockiert. Und
wenn Sic mich nun naeh meinern weiteren personliehen Lebens1auf fragen,
so flatterte plotzlieh auf mieh das Angebot zu, bei einem grossen deutschen
Mineralolkonzern, Aral, in leitender Position II' das europaische Geschaft
tatig zu werden. Diesel' Konzern san die Stunde del' Zeit, glaubte an den
Gemeinsamen Markt und saste. wir brauchen [emanden, del' in Europa fur
uns Aral nun vorbereiten kann, daf3 auch wir in diesem Gemeinsamen Markt
mit unseren Produkten, mit unseren Tankstellen usw. hereingehen. Man
machte mil' damals ein Angebot uber das ieh doch sehr lange nachgedacht
habe. leh war damals 12 -13 Jahre alt. Del' Gedanke, noch weitere 20 Jahre
als hoher Beamter in Brussel zu bleiben, war zumindest unter den
Vorstellungen, daf man in absehbarer Zeit nicht als Botschafter nach - ich
weiss nicht was in die Welt gehen konne oder eine besondere Rolle spielen
konne - war nicht so verruhrerisch wie del' Gedanke, bei einem grossen
Aulgabe
deutschen Unternehmen diese europaische,
praktische
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durchzufuhren. Es bedeutete rein personlich Iur mich sowohl geldlich wie
mit Wohlsitz, zunachst einen Abstieg. Ich musste von Brussel nach Bochum
und bei aller Schonheit des Ruhrgebietes war das fur meine ganze Farnilie
nicht cin Tausch, den sie besonders gerne machte. Aber ich habe es dann
doch auch mit manchen Freunden, auch europaischen Freunden. auch mit
Herrn Etzel usw. besprochen und bin dann im Jahre 1961 als
Vor standsmttglied zu dreser grossen deutschen Gesellschatt gegangen. feh
bin von don aus dann in noch andere Ieitende Positionen in der deutscnen
Wirtsehaft hereingekornmen. wo ich immer versucht habe den europaischen
Weg und Gedanken usw. auch in del' Praxis weiterzufuhren. Das ist nicht
immer einfach.
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FD C'est tres interessant. II y a trop peu d'''Europeens'' qui connaissent
I'industtie. les attitudes et Ies problemes dans I'industrie, et la mesure dans
laquelle ces attitudes et ces possibilites se concordent avec Ies notions plus
larges dune Communaute qui devient une union economique et dune union
economique qui jette les bases dune union politique. Ca aussi est tres
intcressant com me temoignage, en tant que tel. Ce nest pas Ie temoignage
Monnet, mais c'est un te moignage essential. Done, nous pourrions
maintenant, a la Iumiere de cette autobiographie. entrer dans une ou deux
matieres ici, et puis, par Ia suite. si VOliS le voulez bien. completer la
conversation. La premiere chose dont on pourrait parler serait I'erperience
de la Haute Autorite. Vous en avez deja parte en partie - Ie manque dordre
administratif, les attitudes de Monnet envers l'administration, et la
credibilite et la confiance mutuelles qu'il ait pu y avoir ou ne pas y avoir. Par
cxcrnplc, il y a eu la grande crisc du Steuerstreit. j'ai l'impression qua un
certain moment, il y avait beaucoup de mefiance du cote allemand vis-a-vis
de Monnet lui-meme. Ce sont les crises qui sont interessantes. Ce serait
mteressant de vous entendre sur ce sujet-Ia pour voir dans quelle mesure
c'est un revelateur dattitudes de fond.
WB ja, Francois, vielleicht sollte man einen Punkt dabei ganz offen
ansprechen. Es hat naturlich auch in der Zusammenarbeit mit den Menschen
aus den sechs Nationen positive und nichtpositive Seiten gegeben. Vielleicht
liegt cs ctwas, zum Beispiel im untcrschiedlichen deutsch franzosischen
Charakter, daB die Deutschen bekannt sind, auch bei den Franzosen, als bons
lravailleurs, als gute Arbeiter. und daB bei manchen Deutschen nur der
Eindruck entstand, die Franzosen sind grosse Ubetf'lieger. wie man das nennt,
und sie wollen Immer grand chelem machen, moglichst wenig arbeiten,
eigentlich verachten sie die Arbeiten und sagen, "wenn man ein Ziel erreicht
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ohne zu arbeiten ist es viel kluger als wenn man es mit Arbeiten erreicht".
Ieh sage das nul' einmal im Zusammenhang mit einer Anzahl von
hervorragenden Fachleuten, und die Deutschen hatten auch nicht die
Schlochteston gcschickt nach Luxemburg. Wir Deutsehen kamen ja auch aus
einem Land, fur das jahrzehnte lang die Welt verschlossen war. Schon in del'
Weimarer Republik aufgrund del' ganzen Devisensituation konnten die Leute
ja nicht so in die Welt reisen, wie es eigentnch seln musste. Dann kam die
ganze Nazizeit. Nun kamen manche Leute, zum ersten Mal ins Ausland mit
einem gewissen Mif3trauen und sagten, "wir sollen hier arbeiten und die
Anderen nicht". Das ist die eine Seite. Abel' das ist uberhaupt nicht komplett
wenn man sagt, das ware ganz so gewesen. Im Gegenteil, in del'
Zusam menarbcit hat man sich doch dann sehr gut kennengelernt und man
hat dann aueh plotzlich Iestgestellt, dal3 die Franzosen auch arbeiten mussen
und wollen und ihre geistvollen Essays auch nicht so aus dem Handgelenk
geschuttelt wer den. sondern c1ar3 auch das eine geistige Vorbereitung und
Disztplin ist, und es hat dann doch wenn ieh gerade so einen Namen genannt
habe wie Herr Dehnen und Herr Salewski, alles etwas sehr schwerblutige
deutsche Menschen, die haben doch dann mit ihren Iranzosischen,
italienischen und sonstigen Partnern in der Arbeit sich erstaunlich gut
konnongolornt. Und wenn sic heute soweit sie noch leben. mit diesen selben
mifnrauischen Menschen von damals sprechen, dann sagen sie, was war das
doch fur eine tulle Zeit und wie haben wir uns kennengelernt, Sie kennen die
Namen Krawteucki. Much. mit Gaudet unci anderen juristen. die sich
unglaublich gut verstanden haben, obwohl sie aus unterschiedlichen Scnulen.
will ich mal sagen, kamen. Uri, del' grosse geistige Uberf'lieger, der hat sich
mit dem fur seinen Geschmack schwerfalligen oder in del' Umgangsfor m
schwerf'alligen Groeben fabelhaft verstanden.
FD LJnd mit Regul auch.
WB Und mit Regul auch. Ein doch sehr schwerer Mann zunachst, bei dam
man abel' dann festgestellt hat, das ist ja gar nicht so unterschiedlich.
lnsotern hat Monnet darin eine sehr positive Rolle gesptelt. Monnet kannte
die Prebleme auch aus fruheren Erfahrungen. Er hat naturlich auch die
Schwierigkeiten zwischen Englandern und Amerikanern und die
Schwierigkeiten zwischen Franzosen und Englandern und Amerikanern
kennengelernt, und hat gesehen, dal3 man mit menschlichen unmittelbaren
Beziehungen versuchen muss, diese Schwicrigkcitcn zu uberwinden und
plotzlich klappt die ganze Geschichte. Das war doch eine grosse experience in
Luxemburg. Mil' ist es leichter gef'allen, vielleicht weil ich durch mein
tranzosiscnes Gymnasium und durch meine Erziehung auch mal im Austand
an einer anderen Schule gewesen und vielleicht auch durch mein
Temperament von verne herein anders vorbereitet bin. Sie wissen, daB ich
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mich zum Beispiel mit Max Kohnstamm dann und seiner Familie sehr
befreundet habe, und mit vielen Anderen. z.B. mit Christian Calmes, der uns
als wir in sein Haus kamen als erstes einen schmiede-eisernen Garderoben
Stander zoigte, den or im Konzcntrationslager geschmiedet hatte. Das waren
auch Prufungen. Christian hatte uns das nicht nur nebenbei sondern bewul3t
gezeigt, urn uns kennenzulernen, zu pruf'en, wie man zu einer solehen Frage
steht Aber rur mich und meine ganze Parnilie ist auch auf diesem Gebiet
Luxemburg und Brussel, eine menschlich bealuckende Atmosphare gewesen
ohne zu leugnen, daB es da auch seine Schwierigkeiten gab.
FD II Ya eu une unite desprit dans la Communaute. jen suis intimemement
convaincu, parce que je l'ai vecue aussi. Toujours dans cette optique de
lunito fonciere qui a ete creec, quelles etaicnt los diff'icultes? S'agissait-il de
temperaments individuels, ou dune organisation qui sur le plan purement
mecanique ne marchait pas tres bien, ou de differences proprement
nationales?
WB Ieh glaube es gab Alles. In der Gewichtung ist es etwas schwieriger.
Aber wenn sie meine Funklion nehmen, fing es naturlich mit den sachlichen
Schwierigkeiten an, mit einem gewissen nationalen Hintergrund. Also wenn ­
als Beispiel - hoUandische Schiffstransportfragen besprochen wurden,
hestand naturlich, das lasst sich nicht Ieugnen, im dcutschcn Kabinet dcr
Eindruck, sollen da nicht sehr stark hollandische Spezialinteressen im
europaischen Markt jetzt in den Vordergrund geschoben werden. Und wenn
man das harte lauren lassen, dann ware die Sitzung so verlaufen. daB Herr
Stijkel in das Ohr von Ilerrn Spierenburg etwas Ilusterte, und ich in das Ohr
von Herrn Etzel etwas Ilusterte. und dann harte man die Chefs auch in
Gegensatze hineinbringen konnen, dafJ es nur so rauschte. Das war alles
naturtich moglich. Und sicherlich sind da auch solehe Interessen gewesen.
weil wir Menschen allo nur Mcnschen sind. Und naturlich, wie lauft cs denn?
Herr Spierenburg fragte dann Herrn Fendtner van Vlissingen - ihn
wahr scheinlich nicht, weil das ein grosser Gegner war - Herr Etzel Cragle
Herrn Burckhardt von der Kahle, wie der dann das Problem sieht: und der
sieht naturlich seine deutsche Kohle und sagt, "Herr Etzel vertreten Sie ja
unseren Standpunkt". Oder nehmen Sie den Moselkanal. Die Einen
behaupteten das ware rein Iranzosisches Interesse. Nur mit der Autoritat
von Adenauer, der uber diesen wirtschaftlichen Dingen stand, ist es dann
gemacht worden und hcutc kraht kein Hahn nach dcm Mosclkanal. Damals
hatte es beinahe einen "Krieg" geben konnen, wenn die richtigen falschen
Leute da gewesen waren ...
1'D Die Lieferungen von Saarkohlel
WB Saarkohle! Uno da konnten die sacnverstanciaen naturlich dann mit
rotem Kopf in das Besprechungszimmer zu Herrn Etzel kommen und ihm
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sagen, "das ist ein rein Iranzosisches Interesse. das da vertreten wird und
Herr Etzel Sie werden doch nicht usw usw. Dann gab es naturlich auch
Schwierigkeiten. Naturlich kam dann Etzel nach einem vernunftigen
Gosprach mit Monnet, mit Finer. z.B., dem fabelhaften belgischen Gewerk
schaftsmann, aus del' Sitzung und sagte, "also Behr wir haben es so gemacht
wie Monnet es vorgeschlagen hat. mit eine m amende ment in del' und del'
Richtung. das halte Ich aucn fur richtig". Dann war naturJich auch bei
manchen deutschen Sachverstandigen erst ein Geraune bis man sich dann so
lange kannte, dal3 man wusste, dal3 doch stets versucht wurde, des Ganze auf
einen vernunftigen gemeinsamen Neuner zu bringen.
FD Und war da eben so mit del' Frage del' Steuerstreit?
WB ja ich glaube. daB bei del' Frage del' Mehrwertsteuer einfach die
Unkenntnis del' einen Seite von dem was Mehrwertsteuer ist, eine enorme
Rolle spielte. Und je weniger die Ieitenden Petscnlichkeiten. also die
Minister, selber etwas davon verstanden, urn so mehr horten sie auf
Spezfatargumente ihrer Sachver standigen. die das naturlich aus ihrem
Gesichtswinkel einer jahrhundertelangen Nationaltradition sahen, die sich
gar nicht vorstellen konnten, dal3 so etwas in Deutschland moglich war. LInd
ieh glaube. dal3 diesel' ganze Krach urn die Mehrwertsteuer wie oft ein
dialogue des sourds gewcsen ist.
FD Abel' das kann man heute sagen mit del' Rucksicht, abel' in diesel' Zeit,
est-ce que c'etait une question de confiance?
WB
Jell muss uberhaupt jetzt uberlegen. wann die Diskussion urn
Mehrwertsteuer gewesen ist.
FD Ich glaube 53.
WD Also doch schon am Anfang del' Montanunion, also del' Hohen Behorde.
Mein Erinnerungs-ver mogen. ist Ieider nicht so, daB ich zu dem Punkt noch
konkrct Stellung bczichen kann. Ich glaubc daB Etzel pcrsonlich immer fur
die einheitliche Mehrwertsteuer gewesen ist, pel'sonlich. Ob er es immer
vertreten konnte, weil er naturlich auch Rucksicht nehmen musste, auf die
deutschen Slimmen, weiss ich nicht mehr. Uas hat es naturlich auch gegeben.
Etzel konnte nicht Komissar. oder wie er hiess Mitglied del' Hohen Behorde.
sein und sich vollig loslosen von den nationalen lnteressen, oder auch von
den nationalen Stimmungen. Aber in del' ganzen Frage habe ich keine
konkrete Erinnerung.
FD je mintcrcssc beaucoup
a comprendre comment la confiance sost creee.
Ca ne sert a rien de considerer ca comme une affaire religieuse. It y a du y
avoir des moments quand la confiance devenait de la mefiance qu'il faHait
sur monter.
WB Ieh glaube mit Sicherheit, und ieh will gerne aueh Frau Etzel noeh
cinmal Iragen, abel' in dem Vertruuensverhaltnis zwischen Etzel und Monnet
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hat es nie ein Bruch gegeben. lch glaube daB Etzel wusste, daB Monnet auch
mal Dinge machen muss. die im Interesse seiner franzosischen Wurzeln und
seiner Wirksamkeit in Frankreich gemacht werden mussten. Das erkannte er
an, und umgekehrt wusste das Monnet auch von Etzel, daB er da nicht
irgendwo in der Welt alleine stand, sondern daB er auch gewisse roots hatte,
die ihn zwingen, eine gewisse Linie einzuhalten. Aber das gehorte zum
vertrauensverbaltnts, clar3 man sich eben gegenseitig vertraute und wusste.
er wird nie etwas Unanstandiges macnen, sondern er wird sich in gewissen
Grenzen bewegen. Und ich glaube daB da auch zwischen den Familien
Monnet und Etzel ein ahnliches Vertrauens- Verhaltnis bestand wie zwischen
den belden Mannern. Selbst wenn Monnet auch gelegentlich gesagt hat.
"Etzel ist so oin bisschon ein grosser dcutscher Elephant."
FD Er hat das gesagtl?
WB ja, sicherlich. Etzel war ja auch von der Statur ein "grosser Elephant".
IJnd sicner war Etzel nicht in der Auttassungsgabe ein Mann wie lJri oder
wie Deniau oder wie diesel' Typ del' Iranzosischen aus der Ecole Normale
stammenden cartesiens. Aber was auch Monnet sehr schatzte: Etzel war ein
unglaublich zuverlassiger Mann, del' wenn er eine Sache akzeptiert harte.
dazu stand. Das war auch in der europaischen Zusammenarbeit etwas ganz
Entscheidendes. DaB die Lcute mitcinander standen und sich nicht
gegenseitig in den Rucken fielen. Und das hat sich doch auch zwischen den
Mitarbeitern der verschiedenen Nationalitaten Iortgesetzt. Ich glaube daf
Manner wie Paul Delouvrier und Michel Gaudet, Jean Guyot, das bestatigen
werden. Aus den Brrahrunzen, die sie mit inren Kollegen dart gemacht
habcn, sind Freundschaften auch durchs Leben geblieben. Das war und ist
fur Europa nutzJich. Denn oft sind diese damals jungen Mitarbeiter spater
bedeutende Personlichkeiten geworden. Delouvrier, Deniau, Michel Gaudet,
von Stadcn, Gliscnti, wic sic allc heissen, das sind doch alles Leutc, die spator
in der nationalen Verwaltung eine grosse Rolle gespielt haben und immer
Europaer geblieben sind.
Band 2 Seite 2
FD Wie haben Etzel und Monnet zusarnmen gesprochen? Monnet kannte
kcin dcutsch. Etzel kannte kcin franzosisch odor nur schr wenig Jranzosich.
Wie war es fur sie moglich, ein freundliches Verhaltnis herzustellen, da sie
nicht die Sprache des Anderen sprechen konnten?
WU Es ist riclttig. lch glaube sogar, daB auch das Englisch von Herrn Etzel
nicht sehr gut war. Aber die Dolmetscherei war ja in ausgezeichneten
Hannen, nicht nur bei Frl. Wennmakers. Es gab ja auch noch Andere wie
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Anita Doler und eine ganze Reihe, Fraulein Hen, usw_, die doch das
Dolmetschen so verstanden, daB sie wirklich die Nuancen, auch die
sympathischen und unsympathischen Nuancen, so vernunftig wiedergaben,
daU sic die Gesprachspartner nicht gegeneinander sondern im richtigen Sinne
zusammenbrachten. Das ist meist sehr gut gelungen, wobei Etzel doch im
Laufe del' Zeit manches franzosische verstand und Monnet auch das Eine
oder Andere Deutsche verstehen lernte. Man hat ja im mer wiederteststellt,
daB die Sprache nieht das Entscheidende ist zwischen grossen Per sonlich­
keiten sondern die grossen Personlichkeiten sind das Entscheidende. lind
Leute die viele Sprachen konnen, abel' keine Personlichkeit haben, schaffen
in del' Welt auch nichts.
FD So when the European Army failed, what did Etzel think - or did Etzel
have a personal view - and if so how was it formed and how did he try to act
on it?
WB Ich giaube es ware tatsch. wenn man nachtraglich ausloschen wollte.
dass diese Nacnricht eine unglaubliche Bnuauschung bedeutete und das
manche Leute. Freunde von mil', wirklich glaubten, daf das ganze Gebaude
nun zusammenfallt. Vielleicht war es bei uns Deutschen am leichtesten,
nachdem wir ohnedies dauernd eng del' Verliererseite waren, daB man in
del' Situation sich sagte, "das kann doch nicht del' Fall sein, deswegen braucht
doch nicht ganz Europa nun, die ganze europaische Zukunft kaputtzugehen".
Fur uns Deutsche. das muss man auch deutlich sagen, war die europaische
Karte ja auch eine viel logischere als eine nationale Karle. Was sollten wir
denn als "Nation" geteilt zwischen Ost und West anfangen? Keiner wollte.
wegen der "nationalen Wieuerveremiaung' kommunistisch werden, und da
die Wiedervel'einigung nul' kommunistisch gehen konnte, war sich doch
jeder klar. daf man nicht auf diese Karte setzen konnte. Was sollte denn fur
diosos gcographisch doch sehr klcinc Deutschland noch ubrigbleibcn.
Francois, Sie haben Deutschland nach 45 auch kennengelernt. Fur die damals
jungen Leute. fur meine Generation - ieh war ja zu del' Zeit gar nicht mehr
ganz [ung, sondern ich war ja in del' Zeit aueh schon zwischen dreissig und
vierzig - war das doch eine Ioaische, vernunftige Karte. Man san, daB diesel'
Krieg zwischen diesen Nationen nicht so tiefe Wunden menschlicn
hinterlassen hatte, daB sie nicht zu uberbrucken waren sondern daB man
etwas gemeinsames machen konnte. Ich habe es ja schon gesagt: DaB ein
deutschcr Gcncralstabsoffizier immerhin erst 6 Jahre nach dem Kriege bei
IIerrn Monnet eingestellt wurde als Mitarbeiter, das war doch eine
unglaubliche Leistung, Hoffnung zugleich. Das schliesst nicht aus daf [after
the rejection of the EDC] der sehr viel attere Ophuts wirkltcn total
niedergeschlagen war; auch Max Kohnstamm war an dem Abend naturlich
unglaublich enttauscht, weil er sah, daf sein Werk mit Monnet damit einen
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unglaublichen Ruckschlag erlinen haue. Auch er hess den Kopf nicht total
haugen, das will ich nicht sagen - aber es war eine ganz grosse Enttauschung
fur die Beiden. Und fur Etzel mogen damals, ahnlich wie bei Monnet, wir
sprachen ja daruber, doch auch Zweifel entstanden sein. ob er auf die Dauer
als Vize-prasident der Montanunion dort, an der richtigen Stelle sitzt. Wir
alle, viele "europaischen" Freunde haben dann mit Herrn Etzel gesprochen
uber der Frage, ob er als Finanzminister nach Bonn geht oder ob er fur die
Kommtssion als Prasident nach Brussel geht, denn das zeicnnete sicn damals
schon abo Aber er is! dann doch den nationalen Weg gegangen, weil er
vielleicht im Zusammenhang mit Adenauer auch fur sich dort die Aufgabe
sah moglicherweise als Nachfolger von Adenauer eine Rolle zu spielen. LInd
das konnte man ja damals auch nicht fur ausgeschlossen halten.
FD On the political level. after the failure of the European Army, is it right to
say that there was quite a strong school of thought to which Etzel belonged,
or which he may have lead, which believed that the next step should be that
the attributions of the Coal and Steel Community should be extended to new
areas, energy, transport, and so on?
WB [a.
FD Mais vous avez avec Kohnstamm a la fin novembre 54 une conversation
au VOllS lui ditcs qucn Allemagne it y a deux points de vue: l'un qui disait
que la CECA n 'etait pas dans 1'interet de I' Ailemagne et en soi etait une
extension de la politique de Versailles; l'autre disant que l'essentiel etait de
taire des pas supplementaires vers une union poUtique en Europe. On
pourrait setonner que Ia resolution de ee conflit se trouve dans I'extension
de Ia CECA qui netait pas tres populaire en Allemagne, parce que c'etait
"dirigiste" etc.
WB Ich uberlege wie ich da am kurzesten eine klare Antwort geben kann.
Zunachst ist cs sicher. daB in Deutschland ein Teil gerade der Bergassessorcn
an der Ruhr, wenn ieh diese einmal als "die Kohls" bezeichne, und der
Menschen vum Stahl, in der CECA irgendwie doch eine Verlangerung der
Kontrolle uber den damaligen Reicntums Deutschland sah. Es ist klar, ein
Zugang. ein niehtdiskriminierender Zugang. zu diesem Reiehtum ist anders
als wenn man national den Zugang differenzieren kann und unterschiedliche
Preise machen kann usw. Insofern glaubten manche Engstirnige (und es gibt
sieher in jedem Lande auch ordentliehe Leute, die engstirnig sind) glaubten
also manche: Na ja, die Ruhrbehorde ist bcendet, abcr irgendwic ist die CECA
auch eine Fortsetzung in einer besseren Form angesichts der politischen Ziele
dieser ehemaligen Morgenthauplane. Wenn Sie die Stahlseite nehmen. die
Stahlseite war naturlich durch die Begrenzung der Zusammenschlusse, die
man von tecnnischer Seite aus fur notwendig nien, behindert. Wir haben die
Thyssengruppe. Thyssenhutte angesprochen. die sich mit Phoenix-Rheinrohr
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W Behr/29A.87/22
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zusamrnenschliessen wollte, und die sich behindert Iuhlte durch
Kartellamtiche Kontrolle und Begrenzung. Das bekam dann das Schlagwort
del' "nationalen Fessel": Die Franzosen wollen nul' nicht, daB unsere Wel'ke
grosswcrden. weil sic ihre eigenen grossmaehen wollen, etc. Solche Dinge gab
es naturtich auch. Manehe sahen in del' CECA noch nicht richtig die Idee einer
europaischen Anfangszelle fur eine gesamte europaische Wirtschaft. Die Idee
Europa pouusch welter voranzubringen. ist glaube ich in Deutschland von
allen betrieben worden. Und da war von deutscher Seite auch kau m
Widerstand. Ich giaube auch, daB die Deutschen hier. auch die Engsurnigen.
fur einen europaischen Markt waren wenn diesel' Markt sich nicht auf Kahle
und Stahl begrenzte. Die Deutschen woHten auch naeh Frankreich waren
Iicfcrn konnen. was damals kaum moglich war. Man sagte: "die Franzosen
machen ihren Club ZU. dahin konnen wir nicht liefern, abel' unsere K.ohle
wollen sie haben'. So wurue doch gesprochen. Insofern. ist diese Idee del'
wirtsehartlichen und politischen Erweiterung sehr positiv gesehen worden.
leh erinnere an den Besuch von Herrn De Gaulle in Deutschland, als er hier
VOl' den Arbeitern del' Thyssenhutte gesprochen hat, und an die Begegnung
von Adenauer und De Gaulle in Reims. Damals war in Deutschland eine
Stimmung, dafi bei einer Volksabstimmung LIbel' die Frage: seit Ihr bereit fur
ein politisches Europa mit eincm Prasidenten De Gaulle? eine grosse
Majoritat "ja gestimmt hatte. So war die Stimmung damals. Ich glaube nul'.
zur Beantwortung Ihrer gehort Frage dazu, daf nach Scheitern del'
vertetdigungsgemeinschalt. eine poJitische Gememschalt zunachst einmal
vollig illusorisch erschien. Denn das war ja noch ein Schritt welter. Man
konnte ja nicht eine politische Gemeinschaft grunden ohne die Verteidigung
einzuschliessen. Also wie sollte man dar an glauben, daf man mit einer
politischen Gemeinschaft weiterkommt, nachdem die Verteidigungs­
gomcinschaf't gcschcitort war. Und ieh glaube da kam del' Gedanke. den ja
auch Monnet sehr gefordert hat, dass man sagte, jawohl ...
[14'45" Unterbrechungl
... lch glaube das msolern dann del' Gedanke auch kam. lass uns doch durch
die Kraft des Marktes del' Wirtschaftsgemeinschaft einen Schritt versuchen.
namlich den. dar1 uber die Wirtschaftsgemeinschaft wir gezwungen sind. III
gemeinsamen Politiken zu kommen.
FD. Ca je comprends entierement. Ce que je ne comprends pas. cest qua la
Haute Autorite. et je crois Etzel aussi, mais peut-etre que je me trompe. on
pensait que Ie seul moyen de faire quelque chose serait detendre la CECA.
Or, la CECA netait pas populaire en Allemagne.
W13 Erstensrual. war damals Monnet noch da. Unci ein Mann wie Etzel sah in
Monnet jemanden, del' Europa weiterbringen wurde. lnsolern, war es
naheliegend zu sagen, CECA Luxemburg macht es welter. Zum Ihren zweiten
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W Behr/29A.87/23
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ENDE
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Punk t, die CECA sei in Deutschland nicht popular gewesen. Del' trifft sicher.
auf die "Ruhr" ZU. Abel' bei den Politikeru, bei den entscheidenden Leuten.
Adenauer usw. war diesel' erste europaische Versuch ein ganz gross
angesetztes Design fur Europa. Also von diesel' Seite, her war die CECA in
Deutschland nicht unpopular, sondern sie wurde von der CDU, auch del' FDP.
etwas weniger kraftvoll. auch spater von del' SPD, als eine grosse
/ukunnsmcallchkelt gesehen. Und da glaubte man zunachst, die Einzigen, dte
das konnen, das sind Monnet und Etzel und die Leute die in Luxemburg sind.
"Etwas anderes haben wir ja nicht." DaB Monnet wegging und daB Etzel sich
auch anders interessierte war mit del' Ausloser daf'ur. daB man auch
umdachte und sagte wir brauchen etwas ganz Neues. einen grossen
Gomemsamon Markt usw. Spater entstand dann del' Gegensatz: Monnet
glaubte das Ziel uber Euratom zu erreichen und die Deutschen mit anderen
zusammen glaubten es mehr uber die allgemeine Wirtschaft zu erreichen,
die in Deutschland auch rnehr Popularitat harte
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WINRICU BliUK
Interview mit Duchene
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29 AprH 198"7
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© Historical Archives of the European Union
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Extracts
from letter by F. Duchene to Winrich Behr
of 5 May 1981
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I am concerned throughout with the light that can be cast, directly or
indirectly, upon Monnet as a person, as a political phenomenon and as a
practitioner or a "method". The indirect light is as important as the direct,
because it is truer to reality to see him in context than to limit the picture to
him.
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l l In the High Authority phase, I am interested mainly in the interplay
between national backgrounds and a budding European consciousness. and
how Monnet contributed (or not) to a new outlook. The concerns include:
- the evolving relationship between Monnet and Etzel and the nature,
the scope and limits, perhaps even the crises, of trust;
- Etzel's own political roots in Germany, with Adenauer at this time,
his relations with industry and how these evolved;
- was there a conscious Franco-German special relationship between
Monnet and Etzel and how did this affect the internal politics of
the High Authority (I believe there was some resistance led by
Spierenburg )?
- how much was Monnets Europeanism felt by Germans in the High
Authority, or dealing with it, to he tied to French roots or
interests?
how do the Mehrwertsteuer issue connected with the opening of the
com man market for steel, and other crises, illuminate these
problems? what effects did they have? - a certain dissatisfaction with
the dirigisme of the Montanunion seems to have played a role in the
German preference after 1954 for a general Common Market: how far
was this dissatisfaction evident from the High Authority (e.g. in
relations with the Council of Ministers)?
You have already touched on some of these questions, but we agreed that
the Mehrwertsteuer case in particular might benefit from preparation.
2) The Messina relance: the problems here concern the diplomacy of
launching Euratom and the Common Market, the German link between the
two. and Monnets efforts to give priority to Euratom, for fear (I presume)
that the French might reject the Common Market. I am interested in:
- Etzel's views in the first stage after the failure of the EVC about
the extension of the powers of the CECA and how closely he was
involved in, or aware of, Monnets detailed planning;
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the internal German diplomacy between Etzel and other Germans
prominent in the relance such as Von del' Groeben (e.g. the Bad
Bertrich meeting of spring 1955 at which you were present). Is
it true (1) that this swung Etzel behind the Common Market idea
and (iil as Uri believes, that some of his views about the
Common Market were reintroduced into the political process
through Regul at that meeting? (see enclosed Uri state menu
- to what extent was there a special relationship between Monnet
and Etzel in the efforts to influence German policies (il on the
Junktim when Monnet tried to force through early ratification of
Euratom in Bonn in September 1956 and (iil on the Three Wise
Men's operation for Euratom from autumn 1956 to the appearance
of the report in May 1957 (Etzel being one of the Three Wise
Men)?
You were involved with Max Kohnstamm in writing position papers for Etzel
to put to Hallstein and Adenauer in the autumn of 1956. I enclose some
extracts from Max's Journal, and from Uri's interview, which may nudge
your memory and give specific dates. I also have, from Max's archives,
copies of some notes you and he worked on for Etzel. I could bring (or send)
photostats it you need them.
Your time in the Commission in Brussels from 1958 to 1961(?). I am not
quite sure how much you saw of the politics of the main questions with
which Monnet was concerned:. Two matters 100m large in his diary: the ~
unique and, most important, the shift in the Com munitys policy from a
European to Atlantic focus, and from the OEEe to the OECD, in order to
prevent any revival of the Free Trade Area. Did you experience or observe
the political pressures that led up to the Community's first Memorandum on
trade policy of 27 February 1959? and do you know whether they came
from American or internal Community sources - or from Monnet?
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3)
4) German industry: I would like to know how much it did, or did not, shape
German policies in the formative period of the European Communities (up to
the Kennedy Round). I would also like to hear your views about the Common
Market from your later experience as a German industrialist: (il to what
extent has the Common Market broken down national frontiers within the
Community? and (iil from your practical experience, can the Common Market
influence the strategies of European firms facing international pressures
now';
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Interview mit P. Ducb4!ne
Hubbelratb bei Dusseldorf
22 Juni 1987
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WINKleR RHRK
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FD Teddy, I will follow the line of the questions in my letter to you of the 5th
May. The first group of questions that interest me boncern the High
Authority period, that is from 1952 to 1955 as far as Mon~et is concerned. I
am tntercstcd mainly in the interplay between national background and
budding European consciousness and how Monnet contributed, or did not
contribute, to a new outlook. The concerns include the eV~lving relationship
between Monnet and Etzel; Etzel's own political roots in ~ermany; whether
there was a conscious Franco-German special relationship between Monnet
and Etzel; how much was Monnel's Europeanism felt by Germans in the High
Authority, or dealing with it, to be tied to French root~, or· interests; and
general questions about the Schuman plan, the Mehrwertsteuer as a political
issue
I am not interested in the technical details
and how the
Montanunion was regarded politically.! Possibly you mig~t like to make a
general statement first and then we go through these ques,!ions individually.
WH tch habe, seit unserem letzten Interview, noch etwas n'achgedacht, wobei
man immer den Vorbehalt machen muss, ob das Nachdenken wirklich die
Richtigkeit wiedergibt, oder ob es auch so ein bisschen .wi~hfJJl th.tnjdng ist,
dal3 man nach dreissig, vierzig Jahren eben doch hat, und wir haben uns ja
auch daruber unterhalten. Aber wenn man die ganze P'rage national oder
curopaisch zunachst einmal angeht, so muss man cinfach sehen. dal3 fur viele
Deutsche naturlich die Montanunion. wenn ich es einmal so nenne. iroendwie
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I have a note of Max Kohnstamm's on a conversation with vou
. in which he
reports you saying that some Germans viewed the ECSC, if there were no
further political integration, simply as an extension of the old French
"Richelieu" policy of holding Germany down. There was a1s6 opposition in
(jermany to what was felt as the dirigisme of the Montanunion.
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doch eine Nachfolgeorganisation - unter ganz anderen vorleichen - aber eine
Nachfolgeorganisation der Internationalen Ruhrbehorde rar. fch habe, als
junger Mann bei Herrn Blucher mitgearbeitet in der de~Jtschen Delegation
und eine ganze Reihe von Beamten der Internationalen IRuhrbehorde sind
aueh mit naeh Luxemburg gegangen. Es war sieher klar, daS damals fOr viele
im Ruhrgebiet, auch Industrielle, diese Idee, den - heute muss man ja sagen
"angeblichen" Reichtum Deutschlands - namlieh die Grul'idstoffe Kahle und
Stahl, europaisch nicht zu diskriminieren, allen Europaern dieser sechs
Staaten, zuganglig zu machen, auch von Misstrauen begleith war.
FD It is our heritage that is being given to everybody else.1
WB Das war es, ja. Ieh habe seIber auch festgestellt, wenn ieh spater als
Kabinetschef von Herrn Etzel in die Ruhr kam, daB so manche Leute, sagten
"aha, da kommt so ein Quisling von der Montanunion". fchi Ubertreibe etwas,
aber in der Ubertreibung liegt ein richtiger Grundton. W~s Etzel das Leben
auch nicht erleichtert hat, war, daB viele Bestimmungen, die er durchsetzen
musste, z.B. Kartellbestimmungen, Kontrolle von ZusammenschlUsse von
Unternehmen, usw. fUr manche Deutsche, als eine Kontrollmassnahme im
Sinne des Morgcnthauplans, erschiencn. Das ist der eine IPunkt. Der zweite
Punkt - und das wird aueh weiter fortbestehen - ist. daB wenn ein Franzose
ganz normal daruber sprach daB man eine diriglstische Behorde haben
mUssle, daB man ein Commissariat au Plan haben musste. ciann war das rUr
die Franzosen gar nichts nalionalistisches sondern eine Vorstellung vom
Leben der Industrie und der Zusammenarbeit Staat und IIndustrie, wie sie
von Monnet und fur viele Franzosen, einfach angestamm~ normal war. Das
hatte gar nichts mit Nationalismus zu tun. FUr einen Deu'tschen, sagen wir
jetzt cinmal, cincn Exponcnten von Herrn Erhard, der n1un vollig fur den
freien Markt kampfte, war eine solche Behorde etwa~ nationalistisches
franzosisches auf Hernn Richelieu zurockgehendes! Und auch das hat
natUrlieh in den ersten Monaten, jahren, das Verhaltnis von Etzel und
Monnet etwas belastet. Jede Bilanz hat eine aktive und eine passive Seite.
Auf dieser Passivseite, auf der belastenden Seite, war nJlOrlieh daB wenn
Etzel nach Hause kam, oder mit dem Bundeskanzler spra~h, und sagte. "die
Franzosen steBen sich das so und so vor", daB man d~nn sagte "wieder
typisch franzosisch", und dann kam gleich wieder die Ge9anke, "aha, damit
wollen die Franzosen nur ein spezielles franzosisches Ziel apstreben", was im
Grunde genom men gar nicht der Fall war. Also diese Probleme mussten das
gegenseilige Verslandnis zunachst belasten.
FD Auch mit dem Bundeskanzler?
WB Auch mit dem Bundeskanzler. Obwah1 der Bundeskanzler in diesen
wirtschaftlichen Fragen viel weiter entfernt war. Fur ihA, war Erhard ein
reiner Wirtschaftsmann, der- wie sich spater ja in seinem ,rteil festigte und
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verhartete - von Politik Uberhaupt nichts verstand. Vnd fOr Adenauer stand
das Politische zu Vordergrund. Ich bin Oberzeugt, wenn A~enauer heute aus
dem Himmel heruntersieht und sich ansieht, wie anders Alles geworden ist
in der Ruhr. an der Mosel, and der Saar, als es die Wirtsehaftler ihm damals
geschworen haben. und daB dadurch die Frage von Existenz oder
Nichtexistenz von Deutschland nicht berOhrt wurde. danA, wOrde er sagen,
"ich rOhle mich bestatigt, daB ich diese Dinge nicht so ernst! genom men habe",
Denn Adenauer hat die wirtschaftlichen Fragen Moselkanal, Saar-Ruhrfragen.
etc. nie so ernst genom men, sondern er hat gesagt imm'er. "das ist etwas
vorObergehendes. Das wichtige ist, daB die politischen wesentlichcn Dinge
stimmen zwischen unseren Landern". Naturlich wusste er auch, daB zur
Politik die Wirtsehaft gehorte und daB man nicht beides vollig trennen kann
voneinander. Insofern hat er natUrlich auch die wirklichen Bedenken von
Erhard ernst nehmen mussen, wei! er wusste, hinter Erhird steht auch eine
ganze Menge von Wahlern, von industriellen Fragen.1 von Fragen des
Wohlergehens usw.
fD Aber Erhard war kein Porte-Parole fOr die Industrie?
WB Ieh glaube, daB cr sich auch als Porte-Parole der Industrie mitfOhlte,
aber er wusste ja auch, daB es nicht nur die Industrie, ~ondern auch den
Handel und das Handwerk gibt. Aber er wusste aueh daB, Kahle und Stahl
eine unglaublich ernst zu nehmende Angelegenh~it fUr ihn als
Wirtschaftsminister war. Dnd wenn man weiss. daB der BD! in Koln sass und
daB von dort 100 Km bis zum Ruhrgebiet sind, und daBa damals die grossen
"Bosse" dort sassen, die doch auch die entscheidenden Gesprache mit dem
Bundeskanzler fOhrten, dann weiss man daB Erhard dib Industrie ernst
nehmen musste. Vnd da die Industrie bei uns ja immer eine Exportindustrie
gewesen ist, nahm er mit seiner freiheitlichen Idee (erl woHte ja keinen
Gemeinsamen Markt sondern eine Freihandelszone haben).
nahm er nach
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seiner Vorstellung die Interessen der Industrie wahr. lch besinne mich. daB
fur Herrn Erhard einer der Hauptargumente gegen den Ge1meinsamen Markt
und insbesondere gegen. eine gemeinsame Agrarp?l~tik. :die Tatsache, ~ar
daB Deutschland damals lch glaube ungefahr 10 ml1110nen Tonnen Getretde
importierte, und Erhard in der Beseitigung einer so1chen Ilmportmoglichkeit.
cine Behinderung des deutschen Exportes sah. Er sagte, ":IWie sollen wir es
denn mit unseren Exponen handelspolitisch, wahrungspolitisch machen.
wenn wir nichts importieren? 10 millionen Tonnen Getreide sind eben vie!.
Wie sollen wir unsere veredelt.en Prodllkte exportierenT lnsofern war
Erhard von dieser Seite aus angeblich im Sinne der delltschen Industrie ein
Gegner des Gemeinsamen Marktes.
FD Dnd glauben Sie daB, fOr Adenauer, die Kenntnis daB Erhard zwar nichl
ein Porte-Parole aber sehr eng mit der Industrie verbllndeh war. und daB er
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selbst als Freunde zum Beispiel Pferdmenges hatte,l daB fOr ihn die
Industrieinteressen politisch sehr wichtig waren und d~13 er davon stark
beeinflusst wurde?
WB ja. ich glaube nur. daB man bei dieser Frage doch sehr Aussenpolitik und
lnnenpolilik unterscheiden muss. Adenauer wusste sieher .genau. daB Erhard
derjenige war, der mit in erster Linie dafur gesorgt hatte, daB die CDU die
Wahlen gewinnt. Denn Erhard hatte mit der unglaublich mutigen
Entscheidung, nach der Wahrungsreform, samtliche Bezugsscheine, samtliche
Genehmigungsverfahren abzuschaffen und grosszugig Izu sagen, "Leute
krcmpelt euch die Arme auf, der Staat wird euch nicht hindern", die grosse
Masse der Bevolkerung hinter sich, die nun anfangen konAte zu produzieren
und die merkten, "wir kriegen etwas fur unsere Arbeit bezahlt und wir
konnen auch an die Ware herankommen mit dem wir lIns ein Haus bauen
konnen". Ich glaube 7,~ mil1ionen Flochtlinge waren in Deutschland. Wenn
man denen Schwierigkeiten machte mit der Genehmigung eines Hausbaues,
mit der Genehmigung einer Firmengrundung, mit ta',usend staatlichen
Genehmigungen. hatte man die Leute nicht auf der Seite der CDU gehabt.
lnsofcrn war Erhard oin ganz wichtigcr Mann fOr '~denauer in der
Innenpolitik. DaB er mit den aussenpolitischen Oberlegungen Erhards wenig
ubereinstimmte, daB Erhard diese Vision, die Adenauer hatte. politisch zum
Beispiel mit Frankreich zunachst einmal in so gute Beziehung zu kommen.
daB man wirklich in Frankreich einen grossen politischen I Gefahrten fur die
Zukunft haben wOrde, das war nicht Erhards Angelegenheit. Und da fuhlte
sich Adenauer, meiner Meinung nach, so stark, daB er jede1n Widerstand von
Erhard auch beiseite drUcken konnte. Das hat sich ja ~uch gezeigt, daB
Adcnauer dann in den Gcspr::lchcn gegcn den Widerstanb von Erhard mit
dem Gemeinsamen Markt vorwarts gekommen ist und die Bedenken von
Erhard zur Seite geschoben hat.
FlJ Industrie war in Einigung mit dem Gemeinsamen Markt. Die Freihandels­
zone war ideologisch fOr Erhard sehr wichtig, aber nicht ISO wichtig fur die
Industrie. Ich meine, Adenauer konnte sich auf die Industrie stutzen in
dieser Gemeinsamen Markte Sache gegen Erhard uber de~ Freihandelslone.
WB ja. da bin ich einverstanden. In der Industrie und lauch im eigenen
Ministerium von Erhard, gab cs eine starke Gruppe, die anders als dcr
Minister fur den Gemeinsamen Markt arbeitete, und sich d~bei auch gedeckt
fuhlte von der deutschen exportierenden und expbrtierenwollenden
lndllstrie. Das haben Sie ja allch in Ihren Gespraehen rilit Hans von der
Groeben erfahren.
FD Aber die Unterlagen meiner Frage ist, war Adenauer sehr von der
Industrie beeinflusst? In dieser Mehrwertsteuerfrage lurh Beispiel oder in
den Widerslanden von 51 Ober des Eigentums von der I Kohle der Stahl-
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industrie usw? War der Druck uber Adenauer sehr gross ioder fOr ihn nicht
sehr gross? War er ganz unabhangig in seinem politischen Zustand oder
musste er viele Sorgen haben in dieser Industrie?
WE Ich weiss nicht, ob ich wirklich kompetent bin fOr die Frage, denn ich bin
naturlich nicht im Stabe von Adenauer gewesen. Ich kannl das also auch nur
aus den EindrOcken, die ich indirekt bekommen habe, z.B. aus Gespr3chen
mit Etzel wiedergeben. Ich glaube, daB er die Widerstande der Industrie
immer nur taktisch ernst genom men hat. Er hat also gesagt, da sind
Widerstande, die muss ich beseitigen um mein Ziel erreich~n zu kannen. Dnd
Adcnauer war auch ein grosser Taktiker. Urn sich nicht seine operative oder
strategische Idee durch solchen "kleinen Kram" kaputtfuachen zu lassen.
Adenauer war ja ein ganz grosser Verwaltungsbeamter ubd wusste mit wie
vielen kleinen, blOden Schwierigkeiten man rechnen muss, und wie letcht
man scheitern kann in der Durchfuhrung einer grosse1n Sache, wei! an
unteren Dienststellen Schwierigkeiten gemacht werden, ~eissmlgel auf die
Strasse geworfen werden. Insofern glaube ich, daB er in Herrn Pferdmenges
einen fOr Industriefragen sehr aufgeschlossenen Bankie"rfreund gefunden
hatte, mit dem cr besprechen konnte, wie schwer das GJwicht einer Frage
wirktich war. Aber daB er sich wirklich mit einer iridustriellen Sorge
identifizierte, daB er seine Potitik mit Frankreich oder gegkn Fankreich oder
mit oder gegen England von sotchen Erschwernissen beeihflussen Hess, c1as
glaube ich nicht. Er nahm sie ernst, er wusste, daB er die Leute brauchte,
Unterstlltzung fur die Partei, fOr die Wahlerschaft, fOr das Funktionieren
nach Innen seines Staates. Aber ich bin uberzeugt, daB er ~ie eine Frage wie
den Moselkanal, zum Beispiel, wo die Industriellen sich ja am liebsten
umgebracht hatten, wirklich ernst genom men hat. Und er hat recht gehabt,
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denn man siehl, wie in Wirktichkeit dieses beruhmte Problem in der Praxis
kein Geiwcht erhalten hat. Meine Kinder wOrden s~gen, "es ist ein
hochgejubelt.es Problem!" Und das Mehrwertsteuerproblem ist nach aHem,
was ich gehbrt habe, auch so ein hochgejubeltes Tagesproblem gewesen, das
man nur richtig verstehen musste. Adenauer sagte dann: "~un habt Ihr Eure
Kopfe zllsammen-geschlagen, wir sind uns einig, mld er ging zlir
Tagesordnung lJber.
FD What did that dOl Forgive me putting it in English, but I want to get it
right, not to give a wrong impression. What importanc~, if any, did the
Mehrwertsteuer isssue in 1953 have for relations either between the High
~.~uthority and the coal and steel industries in Germany. as yOU saw it, or for
ielations between Monnet and Etzel?
WB leh habe darOber nachgedacht und ich habe auch rersuchl mich in
Gesprachen mit Von der Groeben und einigen Anderen zu orientieren, wei!
ich wusste. daB Sie diese Frage stellen werden. lch bin zb keinem klarem
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geko~men.
~eiSs,
Erge?nis
Einer, der darOber sehr gut bescheid
ist Herr von
dcr Grocben. Er hat mlr gesagt, lch nehme dleses Wort wleder auf, .eln total
hochgejubeltes Problem" das keiner richtig verstanden h~tte. Und nachdem
dann das deutsche Finanzministerium alles durchgerechnet hatte und die
Sachverstandigen sahen, daB dieses franlosische System eigentlich ein ganl
vernunftiges System ist, und nachdem man es auch de~ Industrie erklart
hatte, daB dieses Steuersystem eigentJich vie1 besser war lals das Kaskaden­
system, bei dem ja grosse Diskriminierungen zwischen Iden Unternehmen
entstanden, die viele Kaskaden hatten und denen. die d urch
ZusammenschlOssc. weniger Kaskaden hatten. Nachdem das klar war, sagte
mir auch Groeben, und so war meine vage Erinnerung, daBI das Problem dann
bei der Gemeinsamen Markt Beratung uberhaupt kein wichtiges Problem
mehr gewesen ist. lJie Sachverstandigen akzeptierten und Idann machte man
es nach der besseren Methode. Und dann sind die Deutlschen elnes Tages
aufgewacht und dann hat es gehiessen, ab jetzt Mehrwertsteuer.
FD So, es war ein falsches Problem.
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WB Es war ein falsches Problem und ich glaube kein deutscher Finanz­
minister wurde jetzt wieder, wenn er die Freiheit hatte, da~s Kaskadensystem
zuruckbringen.
FD Aber das kann ein falsches Problem sein und ebenso etwas politisches
bedeuten. Aber Sie glauben nicht es hat was wichtiges gelassen?
WB Es schJiesst nichl aus, daB wichtigen Sachbearbeiler bbi den Ministerien
auf allen SeHen diese Probleme sehr ernst genom men ha~en und besonders
wenn man elwas andern muss, ist es ja schon sehr schwierig. Die
Umsatzsteuer ist eine alte eingesessene deutsche Steuer ge~esen. an die man
sich gewohnt hatte. Das zu andern ist natOrlich ein irrsinniges Verfahren und
wenn Sie Ministerialrat im Finanzministerium sind, sagen Sie sich zunachst
mal "um Gottes Willen, mit dieser europaischen Geschicht~ muss nun unser
ganzes Steuersystem geandert werden uncI nur weil 'die Franzosen es
wollen".
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FD Schon in 53 oder 54 war es ein geringeres Problem?
WB Es war ein abnehmendes Problem, also ein Problem, dessen Gewicht
abnahm.
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FD That of course is only one aspect of the Monnet-Etzel relationship_ Arc
you able from your observation of this relationship, frdm Etzel's end, to
characterize it, always in these terms of how it relates to the building up of a
new relationship, European, or in other ways, between French leaders and
German leaders?
WB Wenn man anknupft an diesem konkreten Beispiel, Umsatzsteuer und
Mehrwertsteuer dann lasst sich dabei das Verhaltnis det beiden Manner.
Monnet und Etzel gut charakterisieren. In der Praxis setztdn sich die Beiden.
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vom Dolmetscher belgeitet. zusammen. Nehmen Sie an, Herr Monnet sagte:
"Herr Etzel, unsere ganze curopaische Arbeit witd durch dieses
Mehrwertsteurproblem gestort'"o Und Etzel sagte. "Herr Monnet die ganze
deutsche Industrie spielt verruckt wegen dieser blodsim~igen Steuerfrage."
LInd dann sagte Monnet, "Etzel wie konnen wir dieses Prob1lem beseitigen?
Zunaehst einmallass uns einmal gemeinsam verstehen wo list der Gehalt und
wie tiel' ist der Gehalt dieses Problems. 1st es wirklich ein Problem. das
entscheidend fur die Zukunft unserer Volker ist oder wird es von unseren
Sachverstandigen vergrossert. wei! alle es nicht ver~tehen"? Zu der
besondcren Eigenschaft von Monnet gehort, daB e~ sich besonders
qualifizierte Mitarbeiter herausgesucht hatte, denen er dann meistens mit
einer sehr kurze Frist die Auggabe stel1te: "bitte sehreibt mir mal auf in
wenigen ZeBen, in klarer Spraehe, wo sitzt denn das proble11ffi wirklich". Nieht
yom franz()sisehen Standpunkt oder sons! was, schreibt mir auf wo sind die
franzosischen Interessen und wo die deutschen, in wie Iweit gibl es eine
Konkurrenz, und wenn es keine gibt, was konnte man tun um dieses Problem
aus der Welt zu 5chaffen". Das ist natorlich etwas ganz anderes als wenn die
Minister jeweils aus ihren Land zu ciner Sitzung komm~n. jeder ist dann
aufgeladen von den speziellen Problemen, die ihm v6n den speziellen
Sachbearbeitern geschildert sind, und er kommt nun an Ilund sagt es muss
gelh sein, sonst geht mein Land unter. und der andere sagt es muss rot seln
sons! geht mein Land unter. Diese seine Methode handhabte Monnet in so
uberzeugender Weise. daB Etzel in sehr kurzer Zeit einsa'h. daB es Monnet
wirklich darum ging, sein politisches Ziel Europa durchzusetzen und daB er
lediglich versuchen wollte. ohne irgend einen Partner iu diskriminieren.
sachlich die vcrschiedenen Steine, die auf diesem Wbge waren, weg­
zuraumen. Und das, in menschlich netter und in sachlich kl'arer Form.
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Band 1. Seite 2
WB Dieses Wort, wenn auch mal das Wort fiel, "Etzel kann lein miBtrauischer
Elephant sein". 50 ist nie in negativer Weise gemeint gewesen. Sondern, wenn
man die vcrschiedenen Mitglieder der Hohen Behorde ~it irgendwelchen
Vergleichen bezeichnen wird, wirkte Etzel, mit seiner grossen, schweren
Statur ehe wie ein Elephant gegenuber einen Mann wie'l Spierenburg. der
rnehr eln "kluger Fuchs" war, wenn ich das mal so nennen kann. Und Etzel
hatte sieher ein nieht Ubertriebenes aber gesundes MiBtrauen gegenuber
allen Dingen. Er war sehr genau. er ging sehr genau deh Dingen auf den
Grund. LInd er war nieht jemand der auch von seihen personlichen
Mitarbeitern lunaehstmal sagte der wird sieher alIes k6rrekt und sieher
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machen, sondern da er auch Notar und Rechtsanwalt gewesen war: war er
mchr jemand, der bis spat in die Nacht noch einmal Iinachrechnete und
nachsah, ob es auch stimmte. Insofern wird man als BehorClenchef auch allen
gegenuber ein gewisses "MiBtrauen" haben mussen. Werin man nun dieses
MiHtrauen in Richtung der Frage sucht. ob Monnel eirten Vorschlag ats
"franzosischer Nationalist" sucht, urn seinem Lande einen speziellen
ungerechtfertigten Nutzen zukommen zu lassen, dann weiss ich, daB Etzel in
kurze Zeit festgestel1t hatte, daB Monnet niemanden in I der Gemeinschaft
"ubers Ohr hauen" wollte. Allerdings, war er natUrlich auch ein Franzose wie
aIle anderen Franzosen; seine Erzichung in Frankreich ~ar anders als die
unsere und er war an franzosische Behorden gewohht. Monnet hatte
naturlich, ganz ahnlich wie aile seine Zeitgenossen hicht die gleiche
Vorstellung, wie wir sie als Deutsche von einem HundeSstaat haben. Dazu
muss man in einem Land grossgeworden sein, in dem das Foderative immer
eine Rolle gespielt hat. Das Zusammenspiel von Monarchien Bayern,
Wurttemberg, Preussen in einem "Deutschen Bund", oder v~on Bundeslandern,
wie in der Weimarer Republik. Deshalb ist ein europaischer Bundesstaat fur
uns schr vicl leichter vorstellbar, als rOr Monnet, der bisher mchr an cincn
europaischen Einheitsstaat in Paris gedacht hatte.
FD Uber der Zeit wurde dieses Verhaltnis zwischen Monnet und Etzel ein
besonderes Verhaltnis oder war es ein Verhaltnis wie brischen anderen
Kollegen. die zusammenarbeiten?
WB Nein, es war ein doch sehr viet engeres, auch menschlich engeres,
Verhaltnis als mit den Ubrigen. Dabei war die besondere Qualitat von
Monnet, durch die Art und Weise in der er sachlich arbeitete, auch
mcnschlich Frcunde zu crwcrben, grosser war als es beil andcren der Fall
war. Ich glaube zum Beispiel, daB das personliehe Verhaltnis von Etzel zu
Herrn Spierenburg auch ausgezeichnet war. Aber Spierenburg musste dafur
sorgen, daB sein kleineres Land. das durch den Handel grosSgeWorden ist.
und das eine ganz andere Situation im Konzert der grosse zu spielen hatte,
nicht lU kurz kam. Da gab es bei Etzel schon mal die Ubert~gung. "macht das
Spierenburg fur Holland zwar im europaischen Sinn, aber Izugleich auch um
eine besondere Rosine herauszuholen7"
FD Das war eine Sehwicrigkeit?
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WB Sieher. Es war naturlich aueh die Sorge der kleineren Lander, bei der
Bipolaritat Frankreich-Deutschland nicht den Anschlu ss zu verlieren,
!)enachleiligt zu werden. Spierenburg worde, wenn er das jetzt lesen wUrde.
was ieh sage, sieher nieht widersprechen. daB diesesl Grundverhaltnis
Monnet-Etzel oder Etzel zu Monnet doch eine besondere Qualifikation hatte.
FD Ich kannte Monnet und Sie kannten Monnet ganz gOt. Letzten Endes
waren die kleinen Lander fOr Monnet nicht so wichtig? Ieh meine nicht. daB
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er nicht das Gleichgewicht respektieren wollte, naturlich. Aber Deutschland
war die grosse Sache und er wolJte nicht diese grosse Sache komplizieren.
Dnd vielleicht gilt dasselbe fur Etzel. Did Etzel conscio~sly invest in the
relationship with Monnet as the essential relationship for making the High
Authority work. Was this a conscious, two-headed leadership? Perhaps I am
going too far but I think it was to some extent. One o~ the reasons why
Spierenburg complicated matters was because that is exactlr what he feared.
WB Ich glaube da ist viel Richtiges dran. Ich wurde doCh! immer sagen, daB
es "one-headed" bei Monnet war, denn Monnet war doch der fuhrende Kopf
in dor curopaischen Initiative. Dnd der konnte das ja auth sehr viel freier
machen, weil der deutsche Vertreter natOrlich von jedem Vorwurf der
hollandischen Seite oder der belgischen Seite noch grossere Sorge haben
musste, weil aus der ganzen Nachkriegszeit irgendwie docd andere Probleme
mit auftauchten, wenn der hollandische Vertreter mit ihm !sprach. Wir haben
ja alle in Deutschland das Wort "axe Deutschland-Frankreich" nie gerne
gehort, was dann so oft gebraucht wurde. Es gab mal die Naziaxe Rom-Berlin.
Also das war etwas eine neue" Axe", was Bonn nicht horJn woHte und was
Etzel auch nicht gerne hortc. Mit Rccht Kamen dann die Herren Coppe und
Spierenburg und Giacchero, in seinem Zimmer, und sagten: "1st das hier
eigentlich ein "two-headed authority" oder ist es eine Sechsergemeinschaft?"
Davon war Monnet etwas freier. Erkonnte etwas mehr JUCh einmal etwas
vergessen haben und sagen ich bitte um EntschUldigUngl daran haben wir
nicht gedacht. Wenn Etzel das tat war das schon etwas schwieriger.
FD Dnd haben Sie den Eindruck, daB Monnets besondetes Verhaltnis zu
Adenauer fOr Etzel eine Verstarkung, Unterstotzung oder Komplikation war?
WB feh glaube daB es Etzel, vielleicht auch durch die Entwicklung der Dinge.
gelungen ist, ein grosses Vertrauen bei Adenauer zu finde? und umgekehrt,
daB Etzel ein grosses Vertrauen zu Adenauer hatte. Das wurde sogar dadurch
gefordert, daB das Verhaltnis Monnet- Adenauer sehr en'g wurde, daf3 die
beiden sich in den Grundfragen der europaischen Gemeinschaft klar waren.
Beide wollten ja ein politisches Europa anstreben. Und das wirtschaftliche,
ob nun also nun Stahl oder Euratom oder spater Gemeinsanier Markt war ein
vehicle dazu. Vnd dadurch daB Adenauer merkte, daB Mohnet mit Etzel ein
gutes Verhaltnis hatte. stutztc Adenauer auch Etzel ubd
dieses DreierI
konsortium. Da hat es nie, auch in allen Aufzeichnungen, die Sie sehen
werden, Schwierigkeiten gegeben. Das ware leicht moglith gewesen. Denn
Monnet rief Adenauer, also dem Bundeskanzler direkt an auch ohne am
deutschen Vizeprasidenten vorher zu fragen. Oder Monnet fuhr allein, ohne
Etzel, nach Bonn. Da hat es nie Schwierigkeiten gegebeh, weil die Dinge
miteinander menschHch klargesprochen worden sind.
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fD Ich glaube, daB ich Ihnen einen Satz von Max Kohnstamms Agenda
gcgeben habe, worin er gesagt hat, daB Sie ihm im No{,ember 51 gesagt
haben, es gab in Deutschland eine besondere Unzufriledenheit mit der
Montanunion unter dem Motto, daB sie vie! zu dirigistisch sei. Sie haben
nicht gesagt oder hat Max nicht geschrieben, ob das einen Einfluss gehabt hat
auf die spateren deutscher Stellungnahme, zum Gemein~amen Markt und
Euratom. War der angebliche Dirigismus der Montanunioh ein Punkt gegen
Euratom? Hat Monnet von deutscher Ansicht Euratom vorgezogen? Erinnern
Sie sich an diese Meinung?
Wtl ja, nicht so speziell, daB ich schr klare Fakten noch iri Erlnncrung habe,
aber ich habe mir auch dieses Problem etwas uberlegt Ulid versucht in der
Vergangenheit nachzudenken. Ich horfe es ist richtig. Ich glaube einmal gab
es Schwierigkeiten deshalb mit der deutschen Montan-Inct'ustrie. Ein Tell der
deutschen Stahlindustrie war ja entweder demontiert wO~den oder er sollte
de montier t werden. Zumindestens, hatte eine "Dekonzentration" stattgefunden. Inzwischen erkannten alle Beteiligten - auch Mqnnet - 1m Prinzip,
daB man eigentlich in Europa zu grosseren Einheiten komtrien musse, ahnlich
wie in Amcrika, um mit Kosten und Modernitat besser zu tahren. Das war die
eine Seite. Auf der anderen Seite gab es ja den beruhmteh Artikel, 66 uber
ZusammenschlUsse. Da waren es mehr politische Machtfragen. die eine Rolle
spielten. Wenn Sie stcll auf Herrn Hamburger besinneti, den Leiter der
Kartellabteilung, bei ihm bestand - unterstutzt von berUhmten
amerikanisehen Wissenschaftlern, wie Kronstein - die Meinung, daB man
eine zu grosse Macht Zusammenballung verhindern mus~e; aueh um elnen
freien Wettbewerb zu gewahrleisten. Bei der alliierten S~ite, wenn ieh das
mal so nenne, aber auch bel den deutschen Sozialihen bestand die
forderung, daB man in Deutschland bei der Montan-InduStrie (Krupp!) eine
neue politisch-wirtschaftHche Machtzusam menb allung vierhindern mUsse.
Gut. Nel1men Sie nur Namen wie den Zusammenschluss yon den Phoenix­
Rheinrohrstahlwerken und Thyssen, der ja auch im europaischen Parlament
behandeH wurde: Wenn Sie da Herrn Erhard fragten, wa~ die Antwort von
der reinen Betriebswirtschaftlichen Seite, das sei das einzig Vernunftige, was
zu tun sel in Deutschland.' Und nun kommt die IIohe Behorde und sagt, "Aber
wir habcn den Artikel 66, der verbietct das". Herr Etzell musste als Vize·
Prasident aueh sagen. "Hebe Leute, Ihr Deutschen und Ihr Franzosen, Ihr
habt ja diesen Vertrag so unterschrieben. Dnd in dem Artikel steht eben
drinnen. daB wir prOfen mUssen, bei dem ZlIsammenschllss, ob bestimmte
Voraussetzungen gegeben oder nieht gegeben sind. Das w~r for Erhard und
manche Herren in der Stahlindustrie von ihrem Standpunkt aus niehl
akzeptabel. Das war fur sie eine dirigistische Eingriffsbehorde, ahnlich wie
spater auch das Bundeskartellamt, im Grunde genommen Jine "dirigistische'
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Kontrollbehorde war. DaB der ganz liberaldenkende Erharb in dieser ganzen
Aufbauphasc in jeder dcrartigen Bestimmung cigentlich Ileine SOnde wider
den heiligen Geist sah, das war klar. Da er im Prinzip gegen den
Gemeinsamen Markt. jedoch fOr eine Freihandelszone tnoglichst mit der
ganzen Welt war, henutzte er diese Malaise als Argument Om auch Adenauer
zu sagen, "Sehen Sie wieder, wir mOssten die Unternehmen
zusammenschliessen und der arme Herr Sohl kann es nicht, wei! diese Kerle
.
dart, Herr Hamburger, Herr Etzel usw. das nlcht
erlauben. Das war nun so.
und Etzel hat viele Reisen in die Ruhr unternehmen mussJn, urn den Herren
auch zu sagen, "Herrschaften, so gcht cs aber niche
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FD Und dann die Dirigismusfrage war nieht so viel eine Sache wirklich vom
Dirigismus? Zum Beispiel, in dieser Sache haben Sie nicht von geregelten
Preisen gesprochen. Sie llaben nul' von Diskrimination, das MiBtrauen von
politischen Diskriminationen, gesprochen. War das Dirigismusargument in
Wirklichkeit ein politisches Argument tiber Diskriminatioh, in der Meinung
der deutschen Industrie, gegen deutscher Industrie?
WB Wir haben vorhin schon einmal bei Tisch kurz darOber gesprochen, daB
cs naturlich auch vcrntinftigc dcutschc WirtschaftsfOhret Industrielle gab,
die folgendes sagten, z.B. in der Stahlindustrie: "Es hat dobh schon vor dem
ersten Weltkrieg und nach dem ersten Weltkrieg eine ge~isse Konzertation
der Stahlproduzenten in Europa gegeben und das hat behens funktioniert.
Unct das haben wir alleine gemacht, ohne den Staat, undl deswegen hat es
funktioniert. Und jetzt, wozu brauchen wir eine Stahl-Dehorde? Wir kennen
ja die ganzen Leute auch mit denen wir jetzt zusarhmenkommen im
"Beratenden AusschuB". Das sind ja alles dieselben Nameh. Die kennen wir
von den angeblich gesctzwidrigcn Kartcllabsprachen! die gar nicht
gesetzwidrig waren, sondern die vernunftig waren. WOZU brauchen wir da
noch eine Behorde von lauter Leuten, die gar nieht so vie1 davon verstehen
wie wir, lind die Beamte sind und die sich nul' mit Formalitat abgeben. Die
brauchen wir gar nicht."
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FD Aber der Widerspruch in der deutschen Industrie und bei Franz-Josef
Strauss usw. gegen Euratom war kein Widerspruch insbesondere in
industriellen Fragen, aber noch einmal in dieser Diskrimina'tion.
WB Ich glaubc, cs war fOr Strauss cine politische Frage. E~ geht ja auch aus
vielen Berichten hervor. daB dann die Tatsache der franzosischen
Atombombe der franzosische nationalen militarischen Atomverwendung,
eine grosse Unruhe ausgelOst hat. Mit vielem Halberk~nnen und halb­
Nichtrichligerkennen wurden plbtzlich Fronten geschaffert, die eine grosse
Unruhe vcrursachten, bei del' keiner wirklich genau das Prbb1em erkannte.
FD lind es gab naturlich auch die Hoffnung, daB es bei! den bilateralen
Verhaltnissen mit Amerika moglich ware, eine Entwicklung in der deutschen
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Industrie selbst herzustellen. Das war eine andere Ursache. Aber das erste
Mif3trauen war hinsichtlich der Diskrimination.
I 23'O~" Gap]
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FD Wir sind in Messina jetzt, nicht wahr?
Das sokenannte Junktim
~nteressiert mieh. Unter d.ies.em Begriff de~ Ju.nktims -. ~erl schein~ mir, ~us~
lch sagen, ganz vernunfttg 1St - gab es em mnenpoltttsches Glelchgewlcht ~
lch meine, wenn die Industrie den Gemeinsamcn Marki. gern hatte, aber
Euratom widersprach, war es eine solche Art von Kompromiss in der
Industrie selbst ein junktim zu haben? Wer hat das lunktim aufgebaut? Wer
hat diesen Begriff gehabt? lst es aus der Industrie gekOmmen oder ist er mit
der Industrie zu einer Einigung gekommen? Oder war es rein im Kopf von
Lcuten wie Von der Groeben entstanden?
WD Fur die Deutschen weiss ich gar nicht mehr, ob ein junktim bestand in
Richtung Euratom. Also man konnte sieher nieht sagen, daB die Deutschen
vcrlangcn den Gemeinsamcn Markt und der Junktim auch Euratom. Anders
ist es aber, daB die Deutschen gesagt haben, der Gemeinsa!me Markt ist eine
vernUnftige Angelegenheit die bringt uns - das hat sieher riieht die Industrie
gesagt - politisch weiler und wirtschaftlich ist sie fUr ein Exportland \Vie
Deutschland eine hervorragende Voraussetzung. Und manl hat gesagt, wenn
dunn die Franzosen auf jeden Fall Euratom haben wollen, dann nur Euratom
wenn auch der Gemeinsame Markt kommt. Das ist das junktim vielleieht.
Aber ieh glaube die deutsche Industrie hatte nicht geweint. wenn nur der
Gcmcinsame Markt und Euratom nieht gekommen ware.l Das ist naturlich
.klar. Fur die europaisch denkenden Deutschen war Euiatom ein viel zu
Kleiner Sektor. um politisch vorwarts zu kommen. Da~ ist ja auch fur
A.denauer einer der Gfllnde gewesen. Aber Euratom war auch noch nicht so
sehr im Mittelpunkt fur Deutschland, weil die ganze Frage! der Atomenergie.
noch ganz am Anfang stand. Man wusste gar nieht bescheid. Der Dreiweisen­
bericht von Etzel ist ja, wenn man ihn heute liest, gar nicht schlecht. Damals,
hat ihn ~einer wirklich ernst. genom men. In Deutschland i~urde ~esagt: "Es
wurde em Berg bewegt und eme Maus geborcn. Ich ubertr\clbe es Jetzt. Man
nahm die Sache nun sieher nieht so ernst. wie man den Gemeinsamen Markt
fur wichtig hielt.
1:'D The question I am asking myself is whether the Iunktim came purely out
of the process of negotiation, as you say- "we like the Common Market, the
French want Euratom, here is a deal. But it must be a deal because we do not
want Euratom by itself". Did it therefore come at an administrative and
political level? or was industry very influential in this? Thi reason I ask [hi,
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~OUld
is that if you look at the thing in structural terms you
say that the
Rome treaties are a quite coherent strategy for Germany to have. Germany
was beginning to have a political strategy. The Commqn Market, though
proposed by Holland, is ultimately a German proposal. T,he force behind it
was the German interest in it and the force behind the German interest in it
was, as you said, the need of an exporting country to promote its industry.
So, looking at the thing in hindsight today, you could say I~hat the key in all
this, of which everyone must have been conscious in the German political
system, was that the Common Market is very acceptable ~nd favourable for
German industry. I am asking myself the question whettier this judgement
of a general kind which one can make today, and one could even make then,
can be extended further into saying that German in8ustry was itself
sufficiently conscious of all this, for the advice that was cdming to Adenauer
to be directly influenced by German industry, or whether as far as you know
it did not happen at that level: whatever it may look like irt structural terms,
it happened at a straight political level, as your answer t6 my last question
suggested. In Shoft, how influential was industry over Ithe policy of the
Roman Treaties? At first sight, if you ask Von der Groeben ...
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FD At first sight it all happened at the administrative or political leveL And
it is completely believable that it should have done so. But II am trying to see
whether there were other influences at the time. I wonder how much
mflucnce industry had.
WB Ieh kann das nur aus meinen eigenen Erinnerungen Iwiedergeben, wie
ich das auch damals wirklich gesehen habe. Und man m'uss ja auch wenn
man das Tagebuch von Kohnslamm dann sich wieder d~rch1iest oder die
Auszoge, die ich gesehen habe, muss man bei der Antw6rt auf Ihre Frage
doch darauf zurOckgehen, daB in dem ersten grossen eutopaischen ImpuIs
durch das Scheitern der Verteidigungsgemeinschaft eih grosser Schock
eingetreten war. Das fing an bei I1errn Adenauer seIber in seiner deutsch­
franzosischen-europaischen Politik an und das endet~ auch bei den
Vorstellungen der breiten deutschen Bevblkerung, die ja {veit aus mehr als
die gesamte ubrige Bevolkerung Europas, weil sie eigentlich kein Vaterland
mehr lU verlieren halle, in einem neuen Vaterland EJropa eine grosse
Zukunft sah. Das war bei der jugend so, und das zutraf bis Izum Industriellen
als Person, seine Frau, und seine Kindern. Und ich weiss ~icht ob Sie dabei
gewesen sind oder sich besinnen, wie Herr De Gaull~ den Besuch in
Deutschland machte, bei der auch bei der August Thys~enhOtte? Ich bin
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wor~en
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uberzeugt, wenn damals in Deutschland abgestimmt
ware uber die
frage eines europaischen Bundesstaates mit einer frantosischen Fuhrung,
aber mit einer Bundesregierung, in der auch Deutsche w~ren. so ware eine
ganz breite Mehrheit dafOr eingetreten. Gut. Nun war 9ie Verteidigungs­
gemeinschaft gescheitert. Und die Skeptiker sahen, daB das Monnetsche
Rezept auf Teilsekto~en der .Wirtschaft, angefangen mitt KO~le und Stahl,
vorzugehen und moghcherwelse noch Atom dazuzunehmen, kem Rezept war,
um wirklich politisch durchzukommen. Dazu war es zu sthmal, zu sektoral,
zu dirigistisch, wirtschaftlich. Dnd nun wurde uberlegt,l was konnen wir
machen? Adenauer dachte darOber nach, daB ja die Fdnzosen behauptct
hatten. sie machten die Verteidigungsgemeinschaft mit Dehtschland und den
Kleinen nicht mit. wei! England nicht dabei war. So kam, z.B. die Ueberlegung,
wie konnen wir England mit hereinholen, damit die ~ranzosen bei der
europaischen Idee wieder mitmachen? Dnd nun kam pl6tZlich eine andere
Idee, die ja nicht nur deutsch war, sondern die ja auch von! Franzosen wie Uri
us~. im Ko~zept vorhanden w~r, die E~twicklung. wirtsphaftliCh auf eine
breltere BaSIS zu stellen, namllch auf elllen Gemelllsamen Markt. lJnd da
waren dic Lcutc hier in Deutschland Obcrzcugt, daB diescs Rezept in
Richtung auf ein grosseres poHtisches Europa doch wirklich eine Chance
hatte. Dnd Sie k6nnen ja nachlesen. daB auch Skeptiker wi~ Hallstein. OphOls
lISW., die 7.lInacllst nicht daran glallbten, daB man mit der Wirlschaft zu
Europa kommen wurde, plotzlich sagten, "Donnerwetter, wenn das so brei!
wird und so eine nicht nur industrielle Produktion s6ndern auch eine
europaische Handelspolitik entwickelt"' (Artikel Ill), "das ist wirklich eine
Chance. um breit a} die deutschen Interessen mit abzudeck'en und b) zu dem
poHt~schen Ziel Euro~a wi~klich cincn g.rossen Schri~t vor~arts zu kommen".
Dnd msofern glaube lch nlcht, daB speZlelle IndustrteOberiegungen dawaren,
so daB die Vertreter der Industrie zu Herrn Adenauer ~ingen und sagten
"wir bitten Sie, machen Sie den Gemeinsamen Markt." Das war nicht der Fall.
Das glaube ieh nicht. Es gibt naturlich auch IndustriellJ, die noch heute
sagen, "Wir exportieren nach China und Afrika oder nacti Arabien und da
haben wir auch keinen Gemeinsamen Marke. Aber es gibt heute Keinen
mehr, der sagen wOrde, daB die europaische Wirtschaftsgemeinschaft
ruckgangig zu machcn ist ohne daB das fOf Deutschland ~in Riesennachteil
bedeuten wurde, trolz aller K.ritik. die sie haben. Fur ein Ryckgangig-maChen,
wurden Sie in Deutschland keine irgendwelche qualifitierte Mehrheit
bekommen. EXlremisten gibl es. aber die grosse Me'hrheit isl dafnr.
Insofern, zu Ihrer Frage, glaube ieh. daB Adenauer in denl Planen fur einen
Gcmcinsamen Markt einen Weg sah. bei dem die Deutschen auch innen­
politisch sich hinter ihn stellten, und daB er auch deswegeri diesen Weg sehr
gerne gegangen ist. Und deshalb hat er auch die Bedehken von Erhard
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einfach beiseitige geschoben. Adenauer hatte eine kleine Truppe um sich,
Hallstein, OphOls, Rust, von der Groeben. die sagten, das ist der richtige Weg,
und den ziehen wir durch. Das hat erstaunlicherweise geklappt. weil ja auch
die Franzosen, man brauch ja nur an Uri denken, plotzlic~. doch sahen, daB
siell (Iamit au~h. eine eigene Mo~UChk~it ergab.
PD Glauben Sle daB der personl1che Emfluss von Monnet auf Adenauer emen
grossen Ruckschlag durch das Scheitern der Verteidigungsgemeinschaft
gehabt hat?
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WB Ich glaube nicht daB die personlichen Beziehungen darunter gelitten
habcn aber fraglos hat Adenauer doch gesehen, daB MonAet in dieser Fragc
gescheitert war, nicht personlich gescheitert, denn es ~ar ja nicht seine
Entscheidung, aber Adenauer steHte doch fest, daB polit'isch Monnet nicht
Fankreich representierte, was er eine lange Zeit glaubte. Und das ist ja auch
der Grund gewesen. weswegen Monnet dann nach Paris gegangen ist. wei! er
sagte von Luxemburg aus bin ich jetzt nur noch der IJeiter einer Stahl­
behorde und Kohlebehorde, hier habe ich keinen politischen Einfluss. Wenn
ich nicht in Paris sitze und Adenauer auch zeigen kann. daB ich hinter mir
die franzosische Regierung odcr die Vertreter der Pa~teien habe. dann
verliere ich meine aktivlegitimation und das ist, glaube ich, auch historisch
so gewesen.
FiJ 1ch glaube daf3 im September 56 Monnet pfobiert hat, Adenauer zu
uberzeugen Euratom schnell zu ratifizieren und den Gemeihsamen Markt fur
spater IU lassen. Sie waren im Zentrum dieser Verhandlongen. Kbnnen Sie
ein bisschen uber dieses sprechen. wie das geschehen ist? I
WB Ich muss leider wiederholen daB ich heute nicht mehr sagen konnte.
war es 1955, 56 oder 57? So wenig prezise sind mein~ Erinnerungen an
diese Zeit. Aber entscheidend ist, daB Adenauer durch Etzel uberzeugt
werden konnte, oder auch mit Anderen, daB for die Idee !Ides Gemeinsamen
Markles eine politische Chance hestand. Auch in Frankreich die Beziehung
mit GUy Mollet und mit anderen franzosischen Politikern der damaligen Zeit
war doch so, daB Adenauer, der vielleicht sich nicht Imehr so auf die
Zusicherungen von Monnet verliess, uberzeugt werden konnte. wenn wir das
machen, hat es eine Chance durchzukommen. Adenauer niusste vermeiden,
daB bei dicsen Verhandlungcn erneut eine Verteidigungsgemeinschaftpleitc
mit dem Gemeinsamen Markt passierte. Dnd insofern war die Messina­
konferenz doch eine grosse Revelation. daB man in Richtubg auf eine grosse
Losung vorging. Ieh lasse das Wort Junktim gerne ralleh. es hies immer
kleine Lbsung, grosse Losung, kleine Losung nur Euratom, ~as fOr Adenauer
zu wenig war, grosse Lbsung war der Gemeinsame Markt.1 Das war wirklich
eine politische Losung wie sie Adenauer vorschwebte, im Grunde genom men
sagar noch zu wenig. aber bei der seine vertrauten MitarbJiter wie lIallstein
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ihm sagten, "Herr Bundeskanzler. damit sind wir wirklic.H mit Europa einen
grossen Schritt vorwarts gekommen" und das wurde wied~rho1t wenn cr den
Prasidenten von der Bundesvereinigung der Industrie fragte. oder den
Vorsitsenden des Handwerkerverbandes, usw. Die Gegenstimmen spielten
eine geringe Rolle, weil eben Erhard eine Politik vertrat,1 die sich gar nicht
hinter die europaische Einigung von sechs oder sieben oder so etwas steHte.
Erhard wollte keine politische europaische Einheit sondet-n er wollte einen
freien Markt und Deutschland darin als ein prosperierendes Exportland und
Industrieland haben und da schieden sich einfach die Meinungen und das
hat sich ja im Verhaltnis Adenauer· Erhard bis zu demll rode der beiden
fortgesetzt. Deswegen woHte Adenauer auch nicht Erhard ia1s Bundeskanzler
haben, weil er sagte, das ist kein Mann. der diese Konzeption. sich mit dem
Westen zu integrieren wirklieh siehl.
F'D LInd wer hat von dieser grossen Losung Etzel bewusst Ilgemacht? War es
Von der Groeben?
WB lch glaube, daB Groeben dabei eine sehr grosse Rolle gespielt hat. Aber
auch Rust. Auch noch Manner wie Uri, Gaudet, Max Kohnstamm, die als high­
level Gehilfen von Monnet auch die Euratomidee mit in ~en Vorder-grund
stellten, die aber - wie Monnet - im Grunde ihres Herzeris nieht gegen den
Gemeinsamen Markt waren. Wir sind beide. das hab~ ich Ihnen schon
einmal erzahlt, Max Kohnstamm und ieh zur Messinakonferenz mit sehr
unterschiedlichen Weisungen gefahren.
fD Er hat mir das erzahlt. Dnd was fur ein Mandat hatten Sie in Messina?
Max hat lachend mir gesagt, daB Sie wusst;n u~d er ~usste. daB Sie da
waren, urn Max zu kontrollieren urn zu sehen. daB Monnet die Sachen nichl
zu schr kompJiziert.
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WB Wir sind ja so befreundet. daB wir so etwas uber uns sagen konnen,
wobei Max meine Rolle Obertreibt; aber sicherlich fuhr iChI mit der Weisung
von Herrn Etzel, alles zu unterstotzen. was in Richtung fOr einen
Gemeinsamen Markt sein konnte und klar zum Ausdruck zu bringen, daB
auch er, Etzel, gegen eine einseitige partielle Euratom16sung ware. Und
insofern entwickelte sich ja doch in Messina ein klar~s penchant eine
Vorentscheidung fOr den Gemeinsamen Markt und in soferb bin ich sehr viel
bcfriedigtcr von Messina nach Hause gefahren. als M1ax es getan hat.
jedenfalls im Verhaltnis zu den Ideen von Monnel. M~X sah auch den
grussen VorteiL daB eine positive Entscheidung war. aber rein taktisch
gesehen war seine, die Kleine U>sung. die er vertreten sbllt.e, musste, war
nicht zum Zuge gekommen. LInd die grosse Losung lag eig~nt1ich so da, daB
man sie auch realisieren konnte.
FD Und haben Sie viele Verhandlungen in Messina gehabt?
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© Archives historiques de l'Union européenne
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WB Nein. ich seIber habe Kontakte aber keine Verhandlu1ngen gefuhrt. Das
wa~ auch nicht meine Rolle. Ich war ntcht Tei] ciner Delegation, ich war ein
Beobachter.
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FD Sie haben nicht viel mit Hallstein geredet aber Taktik?
WB Nein. Dazu war meine Rolle auch zu gering. Sicher m~ldete ich mich bei
IIallstein. aber ich rannte bei Hallslein offene Turen ein.1 als ich ihm Elzels
Standpunkt noch einrnal vortrug.
FD Ein amerikanischer Historiket', der Willis heisst, hat gesagt, daB in Messina
die funf. ich meine die Nichtdeutschen. den Eindruck. hatten, daB die
})eutschen im ROckt.ritt waren. Das sie mehr eine grosser~ Sorge hatten, die
~erhalt~isse mit Frankreich zu beha!te~ als die Plane fur einen neuen
runschntt Europa zu fbrdern. 1st das nchtlg?
wn Jch glaube daf3 auch Hallstein in Messina eigentlich hoch nicht an den
Eifolg glaubte, sondern skeptisch war. und daB seine Sorge l, mit Frankreich in
eine Schwierigkeit zu geraten, sehr gross war. Ich kann, aus meiner
Erinnerung nicht mehr herauslocken, in wie weit diJ Deutschen doch
langsam auch merkten. daB Monnel's Stimme ntcht alleine die gesamte
franzosische Stimme war, zu dem Problem Euratom und G~meinsamer Markt.
Es muss auch so gewesen sein, daB Manner wie Uri zum IBeispiel, der doch
eine grosse Rolle in der Ausarbeitung der Vertrage gespielt hat. und andere
auch damaJs schon sich positiv zum Gemeinsamen Markt stellten.
FD Das war spater?
WE Das war spater. aber schon in der damaligen Zeit. Er ist ja nicht Hoppla
Hop geboren worden, sondern es entwickelte sich ja. daB man im Marche
Commun schon einen grossen Ausweg gegenOber einem deutschen Nein zu
r:uratom rand. Man woHte ja auch vorwarts kommen.1 Man darf nicht
vergessen im Hintergrund standen Suez und politische Schwierigkeiten,
denen sich Europa gegenObersah, die drangten ja damals noch deutlicher
nach einer solchen Vorwarts-Losung als in anderen Jahren.!
FD Waren die Verhaltnisse der Bundesregierung - ich weiss ncht ob es von
Hallstein. Adenauer oder OphOls sei - im ersten mit Pinay ~nd Edgar Faure in
55 und dann mit Guy Mollet, Maurice Faure, Marjolin udd Pineau in 56 ­
sehr eng? waren sie Verhaltnisse zwischen europaisch1en Kol1egen oder
waren sie nicht so eng? Waren dw Besprcchungen mit den Franzosen ein
bisschen wie die Verhandlung des Schumanplanes? IWaren sie eine
Zusammenarbeit oder eine normale internationale Verhandlung?
WB Also zu der ersten Frage der einzelnen Kontakte und Ider menschlichen
und sachlichen Beziehungen zu Pinay. Faure. die Sie gestellt haben. dazu
kann ich eigentlich gar nichts sagen, weil das doch seh~ Fragen in Bonn
gewesen sind. die ich nicht so verfolgen konnte. Den Eindruck, den ich
damals immer gehabt habe, glaube ich auch heute noch alt richtig zu sehen
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daB in den Verhandlungen nach der Montanunion uber <:iie Verteidigungs­
gcmeinschart nicht nur auf der Ebcne der Soldaten, kit den Partnern,
zwischen den Deutschen und Franzosen. die miteinander lU tun hatten, und
das sind sicher auch Leute wie Pinay gewesen, Mollet u~w. sich sehr enge
mensehlicl1e, sael11iehe tleziel1ungen entwiekelt hatten. leh glaube, daB niehl
nur in Deutschland sondern aueh in Frankreich bei viele'n dieser Europaer
eine ganz grosse Enltauschung entstand, daB es viele g~geben hat, die in
Frankreich bis zum letzten Ende doch noch gehofft Ihatten es wurde
durchgehen. Und die unglOcklich waren, uber den Aus~ang mit Mendes­
France, os hat ja praktisch gar keine Abstim mung stattgef,unden, sondarn as
war nur ein prozeduraler Vorgang. Sieher bestand in Frankreieh die Skepsis.
ob es richtig sei mit den deutschen, grossen Militars, ohne die Englander
vOfzugel1en. Aber ein gutes Klima rUr Verhandlungen lund tleziehungen
zwischen Mensehen, mit den Deutsehen war bereits gesehafft. Es lebten noch
eine ganze Anzahl von gemeinsamen Enttauschungen aus der Vergangenheit;
und sie waren bereit, nun sich wieder zusammenzufinden um etwas zu
machen, was aber funktionieren musste. Aber Keiner konn"te sich eine zweite
''Plcitc'' lcisten, Adenauer nicht und auch nieht Pinay und aueh nicht Mollet
usw. Das wirkte sieh auf die ganzen Verhandlungen aus, bei denen ja nicht
nur diese grossen Politiker. sondern die hohen Beamte 'sich kannten und
wussten. daB man miteinander vernOnftig reden kann'. DaB nieht klein
karierte Vorteile fur den einen oder anderen sondern wirklieh eine grosse
Lasung gesucht werden mussten. Insofern war das Klima s~hr viel besser.
FD Es gab in Wirklichkeit eine europaische Partei, die tusammenarbeiten
konnten. Das ist eine grosse Grundlage des Erfolgs der romischen Vertrage.
WlS Hallstein war doch Leiter der Verhandlung uber die Vcrteidigungs·
gemeinsehaft mit Herrn Ophuls und sah nun viele Bekannte wieder. Er
wusstc, wen man in Paris anrufen musste, der genauso dachte wie er. Dnd
llas galt ja auch fUr andere Freunde in Benelux und Italien.1
PD Das ist die unsehbare Grundlage des Erfolges
WB ja, ich glaube, daB das eine grosse Rolle gespielt hat.
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Ich glaube, daB vielleieht Sie haben meine wiehtigsten Fragen
geantwortet. Aber es gabe noch vielleicht interessante Sachen von Ihrer Zeit
lUll (ler Kommission, von 58 bis 61. Zum Beispiel, ieh bin sJhr interessiert zu
wissen, ob und wann es in dieser Saehe der Freihandelszone, eine AlHanz von
den Mitgliedern der europ:Hschen Partei gegen Erhard gab ~ Eine der grossen
Fragen von der Freihandelszone Verhandlungen wali, ob die Sechs
zusammenblieben oder nieht, und ich habe den Eindruck, daB es hier wieder
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sehr wichtig war, daB die "Europaer" zusammen hielten. um der
Frcihandclszonc zu widersprcchen; und daB spater die Amerikaner darauf
gekommen sind, um eine Allianz dagegen zu machen. 1st das richtig von der
deutschen Seite. haben Sie diesen Eindruck?
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WU Den Eindruck babe iell auch. Uabei hat sicherlich auch wieder die Rone
und die Person von Herrn Erhard mit eine grosse Rolle gespielt. Herr Erhard
hat sieher in seinem ganzen Leben seine innere Abn"eigung gegen die
Abschliessung, wie es nannte, Europas zu einer EiAheit, aus seinen
wirtschaftlichen Uberlegungen heraus abgelehnt. Und wenh er heute sich die
Sachc anschcn wUrde, wUrde cr cngstirnig sagen da scht Ihr es mit Eurer
Landwirtschafts-politik wo lhr hingekommen seid mit dJn Schwierigkeiten
mit Amerika usw. Auf der anderen Seite. war die "Europaische Partei'" doch
sellr stark insbesondere wei! Adenauer in Hallstein eine ~ehr starke Stut7.e
hatte und IIallstein in Adenauer und Hallstein doeh ein extremer, damals
sagte man supernationaler, Verfechter der Idee zunachst eines politischen
sechser Europas war. Herr Erhard hat, ich glaube ich tue i,hm nicht Unrecht,
die Aufnahme Englands angestrebt um die Sechsergemeinschaft m<>glichst
aufzul<>scn und die Tatsache, das cs heute dreizehn oder ~ierzehn sind. liegt
in diesem Fall, im Interesse von Herrn Erhard. der moglichst noch zehn
weitere am liebsten die ganze Welt dazuhaben mochte im Sinne eine
Adenauersehen,1 Schumanschen.
Freihandelszone, weil er diesem
Monnetschen Gedanken einer poJitischen europaischen Gefueinschaft einfach
innerlich nicht akzeptierte. Dnd damit ist, glaube ich, Ihre Frage beantwortet,
daB es eine grosse Zah! von einflussreichen Europaern in B6nn gab. die gegen
eine Freihandelszone waren; oder die sagten "gut. wir kbnnen es nicht
andcrn, wcnn sich Osterrcich, vielleicht die Schweiz, Spanlen und, und, und,
in einer Preihandelszone zusammenschliesst". die aber auth sagten, "wollen
wir es einmal abwarten. ob das wirklich so gefahrlich fUr Ons wird, denn da
sind so viet Antagonismus und Sehwierigkeiten drinneri. daB diese Frei­
handelszone es sieher sehwieriger haben wird, als wir es inl Brussel haben.
FD Und dann sind die Amerikaner dazugekommen. Sie haben in 59 gesagt.
wir sind bereit die Gemeinschaft zu unterstutzen, weil sie poJitisCh ist ...
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FlJ ... aber sind wir davon liberzeugt. dass eine Freihandelszone gegen unsere
Interessen, IIandelsinteressen ware und dann mUssen wir alle diese Dinge in
cinen neuen Bereich verhandeln. Und was 1ch mich frage list, ob Sie in der
Kom mission Einflusse der amerikanischen Seite auf diese Sache sehr fruh
gesehen haben. Die Kommission in ihrem ersten MJmorandum uber
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I1andlungspoJilik das war ihre ersle grosse Vorlage und !ch [rage mich wie
wei! diescs Memorandum mit den Amcrikanern mitgearbeitet war oder ob
es rein von der Kommision aufgebaut war. Waren die amerikanischen
Einflusse sehr wichtig auf dieses Memorandum?
WU Meine Antwort ist ntcht so, daO ich aus eigene~ Prasenz bet der
Ausarbeitung dieser Vorlage etwas sagen kann. Denn ich habe es miterlebt,
habe es aber niehl mit ausgearbeilet. Und Hallstein ~ar ja aueh eine
Personlichkeit, die die Kontakte sehr confidential hatte Ilund der niemand
war, der darOber sehr vie! erzahlte. Ich seIber war zwar ,schon von Anfang
an dcr Standige Vertreter der Kommission im AusschJss der Standigen
Vertreter des Ministerrates. Es gab das Kommitee der Representants
Permanents und dort hatte ich als Vertreter von Emile: Noel standig die
Wallrnehmung der Vertretung der Kommissionen. Insofern, bin teh als
Stellvertretender Generalsekrettlr auch in die fachlichen Fragen
cinigermassen mit hineingekommen, nieht in aIle. denn d~s war unmoglich.
von der Landwirtschaft uber Gemeinsamer Markt. Handelspolitik. aBe
Probleme wirklieh voll zu beherrsehen. Dazu bekam ich ~nweisung von der
Kommission. Eins ist sieher, das der alte Europaer, Georgie Ball, mit seinen
absolut Monnet identischen Ideen auch bei HaBstein offJne Tur und dann
offenes Gehor hatte. Ball war aueh bei Hallstein, spielte doi1t eine grosse Rolle
unl.1 das naturlich zugteicll auch bet Jean Monnet in Paris. Das ist die eine
Seile. Dann war doch eine sehr enge Beziehung zu walt\ Butterworth, den
Hallstein ja auch sehr lange kannte, der in Luxemburg mit eine grosse RoBe
gesoielt hatte. der aber natOrlieh aueh sehr stark d~r Vertreter der
Am'erikaner war, die noeh eigentlieh ohne Bedenkerl eine politisehe.
wirtschafWche Einigung der Sechs in Europa unterstutztbn. Rein aus den
ideen Marshallplan, Forderung Europas, starker Partner J nicht nur in der
Vertcidigung, sondern auch in Wirtschaftsfragen. In deri Frage, wann war
cler Wandel in Amerika eingetreten ist, und wie diese Din~e siell entwickelt
haben, kann ich wirklich nichts mehr sagen. lch weiss, daB lIallstein lange
noch als Public-Relation Mann einen amerikanischen General des Namens
den ich vergessen habe beschaftigte, weil die Kommission kchon Sorge hatte.
ob in Amerika durch eine neue Entwicklung im Zu~ammenhang mit
handelspolitischen Fragen Schwierigkciten entstehen konnten.
FD Nicht Donovan?
WB Nein. Klein.
FD War er Deutscher?
~B Ursprunglich. E~ sprach jede~falls deutsch. ~r spielte eine. gros~e Rolle
1m Lobby der Amenkaner, war eme wahl umstnttene Personhehkelt. Abel'
ich kann es sagen, ieh habe ihn mehl'faeh el'lebt, abel' mitleinem sehr gUlen
Vortrag, mit einer brillianten lntelligenz und doch auch mit grossem Einfluss.
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Aber es zeichnete sich doch ab, daB Amerika nieht nur mehr nach den
Vorstellungen von, sagen wir mal George Ball usw. ,die Dinge in Europa sehen
wurde, sondern auch andere Ideen ansteuerte. Das ging ja auch Hand in
Hand mit anderen Verteidigungs fragen, Kennedy usw.
[ 5'25" Unterbrechung]
FD Haben Sie Erinnerungen, zum Beispiel, von Bad Bertr:ich, wo Sie waren
und ich glaube Regul und Wolfgang Ernst mit Elzel in Betr~ffung mit Von der
G~oeben und MUller-~rmack z~sa~mengetret~n si~~-I. Haben Sie den
Emdruck. daB Bad-Bertrtch sehr Wlchtlg war fur dIe Deflflltton des deutschen
Zu~tands. War cs ein wichtige Moment?
WB ja, es war jedenfalls entscheidend dafur. daB Formulierung getroffen
wurden und gewisse Entscheidungen uber die Richtung Igetroffen wurden.
die dann aucl1 im Bundeskanzleramt durchgesetzt wurden! lind die mit Hilfe
von Hallstein und seinen Mitarbeitern realisiert wurden.
FD Und das war in Essenz. den Gemeinsamen Markt durchzufuhren. Hat Uri
in der Vorbereitung Bad Bertriehs eine Rolle gespielt?
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WB Das glaube ich schon. denn seine Kontakte mit Regul waren sehr eng.
Rcgul war in seiner Generaldirektion wie man es dainaJs sagte, Stel1­
vertreter, und Regul und Uri stimmten in vielen grundsetz!ichen Fragen sehr
weit uberein, bei mancher getrennter Betrachtung der Dinge. Insofern glaube
ich schon. was ja allcl1 aus den Dokumenlen etwas he~vorgeht, daB die
federfuhrung von Uri dann ubersetzt in deutsche I Dokumente mit
eingeflossen ist in die Papiere, die in Bad Bertrich entschieden worden. Das
hatte ja auch den VorteiL daB man wusste, nicht ganz in~ Leere zu stossen
sondern dahinter auch ein franzosischer Kopf zu haben. det auch etwas dafur
mitgarantiert daB die Franzosen mitmachen.
FD Hat Uri gute BeZiehungen mit Etzel gehabt?
WB Ja. Ich glaube, daB Uri. als Dialektiker, nicht so ganz ,harmonisierte mit
lIer Art lind Weise wie Etzel vorging. Etzel war ruhiger er war nichl so
sparkling wie Uri, er war niehl so schnell in der Auffassungsgabe, der
Formulierungskunsl. Aber wenn es hart ging und klare IPapiere vorlagen.
war Etzel immer wieder uber den Einfallsreichtum und die
Adaptationsfahigkeit von Uri uberzeugt und entzuckt, w~il Uri ja wirklich
einc geistige Rolle spieJte und auch eine Feder ruhrtc, die man ja auch
braucht. Es ist ja leider oft sehr schwierig, sehr schone Gedanken. die man
hat. konzentriert auf Papier zu bringen!
rU ja aber. das ist sehr interessant. daB Uri auch eine RoHe bei den
Deutschen spielte. Es war nicht nur bei Monnel.
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WE Ja. das glaube ich schon, uber seine Tdeen, die auch mit Regul auf­
genom men wurden. Es konnte ja keiner roehr sagen. das ist die Urische Idee
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aHeine sondernes bestand eine weihselseitige Erganzung I z.B. Uri - von der
grochcn und umgekchrt
FD 1m Gemeinsamen Markt hat er eine gewisse Rolle gespielt? In der Hohen
Behorde. Nicht in Deutschland selbst? Das war durch Edel und Regul und
! hrer Gruppe, daB Uri eine Holle in Deutschland gespielt halt?
WB Insbesondere, bei den Verhandlungen, nat orlich, in Zusammenspiel mit
von der Groeben.
FD .la, naturlich, im Spaakkommittee. Aber Uri hat mir gesagt, das er ldeen
fur einen Gemeinsamen Markt wieder ins Spiel geworfe1n hatte durch die
l)cutschen, ldeen die waren nicht in der Beyens Plan. Aber nach diescm
Gesprach, hatte ich das deutsche Memorandum und dJs niederlandische
Memorandum gelesen, und war sehr uberrascht zu selhen, dass Beyens
Begriffe viei mel1r prezise Ober einen Gemeinsamen Mark! waren. als die
deutschen ldeen. Die deutschen ldeen waren essenzie11 fur eine Zollunion.
Das war nicht ein Gemeinsamer Markt. Und das die nied~rlandischen ldeen
viel weiter gingen als die deutschen Begriffe in Messina. Und das geht nicht
sehr gut mit der Rolle Uri. Dann kann man natorlich sagJn, daB diese RoUe
von Uri nur in Bad Bertrich war. Dann gab es noch andere Einflusse in
Deut:chland, und vielleicht ~are~ sie M~ller-Armag und WIestrick vielleicht
und r.rhard und der Industne, dle aHe Emflusse uber den letzten deutschen
Zustand in Messina hatten. Uas ist ein bisschen ein Parado*.
WB Aber zu dieser speziellen Frage der Abwagung. welthe verschiedenen
Elnflosse haben dann bel dem Gesamten eine Rolle gespieit. kann ich nichts
mehr sagen, wobei ich glaube, daB die Deutschen insgesal,mt eben glucklich
darOber waren, wir "Europaer", daB eben nieht nur eine :Zol1union sondern
auch gewisse gcmcinsame Regain in der Politik der Lander vorgesehcn
waren.
FD Das war der Zustand von der Groeben insbesondere. Und dann gab es
a\)er nber diese Sachen eine Neutralit:H von Adenauer. Das interessierte ihn
nicht. Und er wartete auf die Erfolge von Messin. Und ler war noch ganz
skeptisch nach Messina, Adenauer?
WB Das glaube ich.
FD .la. er is nur langsam zurn Begriff gekommen, daB der Etfolg rnoglich war.
lind das ist Mollet gJaube ieh.
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WB Ieh glaube das ist Mollet. Fur Adenauer war wichtig, daB neben Monnet
auch Frankreich - ein Mann wie Mollet - einen gemeinsarnJn Weg ging. ohne
England. Er liatte ja erst doch sehr versucht, wie wir schon sagten, mit
England oder irgendwie einen Ausweg aus der Enge, aus dem Scheitern der
Verteidigungsgemeinschaft, denn fOr jeden Deutschen ~ar zunaehst die
Tatsache. daB die Franzosen damals nieht mitgemacht hatten, weil England
nicht dabei war, eine Warnung.
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FD la das ist sehr wichtig. Fur einen lahr glaubte Adenauer, daB England
notwcndig war. Und Mollet hat ihm klargemacht, daB England nieht
notwendig war.
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Interview mit Duchene
Juni 1987
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