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Januar 2013 (Nr. 36)
Die deutschsprachige Zeitung zum Leben in Piter
Kommentar S. 2 >>>
Weg mit dem Propiska”Teufelsstempel”
Stadtnachrichten S.3 >>>
Chodorkowski-Verteidiger Schmidt gestorben
Schwerpunkt S. 4 >>>
Galerie “Borey” zeigt
“Parasiten” Igor Panin
www.spzeitung.ru
Kultur S. 6>>>
Malewitsch und zeitgenössische Künstler
Kultur S. 8 >>>
Fahrt im “Sapsan” mit
Anna Karenina
Tausende protestieren gegen “Waisenkinder-Gesetz”
Etwa tausend Personen
demonstrierten auf dem
Marsfeld gegen das so
genannte
“Dima-Jakowlew-Gesetz“. Polizei
und Kundgebungsteilnehmer verhielten sich
zurückhaltend.
Von Eugen von Arb
Es war zu sehen und zu spüren, dass an das Meeting
nicht in erster Linie Vertreter
der politischen Opposition
gekommen waren, sondern
einfach besorgte und empörte Bürgerinnen und Bürger,
die gegen das Gesetz sind,
das Amerikanern verbietet,
russische Kinder zu adoptieren. Entsprechend gemischt
war das Publikum, das aus
vielen älteren Menschen und
Eltern mit Kindern bestand,
die mit ihren Kindern gekommen waren.
Es fehlten die bunten Fahnen
der verschiedenen Oppositionsparteien, dafür wehte eine
Flagge mit der Aufschrift “die
“Die Kinder warten!” - Frauen fordern dazu auf, Kinder zu adoptierten.
Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
Eltern Petersburgs”. Zudem
wurden zahlreiche Transparente hochgehalten. “Für
die Zukunft der Kinder!”,
“Schafft Voraussetzungen
zur Adoption in Russland!”,
“Zieht die Kinder nicht die
Politik hinein!”, “Lasst den
Waisen ihr Recht auf eine
Familie, wenn ihr selbst nicht
handlungsfähig seid!” – diese
Botschaften konnte man in
der Menschenmenge lesen.
Während der rund einstündigen Kundgebung traten
Politiker, Menschenrechtsaktivisten und Eltern adoptierter Kinder ans Mikrophon.
Maxim Reznik, der frühere
Vorsitzende der Petersburger
“Jabloko”-Partei und Stadtabgeordneter sagte, nach
der Verabschiedung dieses
niederträchtigen Gesetzes
durch die Staatsduma sei es
peinlich geworden, sich Abgeordneter zu nennen.
Seiner Kritik schloss sich
ein Vertreter der “Jungen
Demokraten” an. Aber keiner von ihnen erhielt soviel
Applaus wie der Vater eines
adoptierten Mädchen, der
schilderte, wie sich das Kind
während eines halben Jahres veränderte. “Wir dürfen
Vandalen beschmieren Nabokov – Museum
Vandalen haben das
Wort „Kinderschänder“ auf eine Außenwand des Museums
des berühmten russischen Schriftstellers
Vladimir
Nabokov
(1899-1977) in Sankt
Petersburggeschmiert,
wie die „Gazeta.Ru”
schreibt.
rian.- Vladimir Nabokov,
der fast sein ganzes Leben
im Exil verbrachte, hat
sich als einer der bedeutendsten Literaten des 20.
Jahrhunderts einen Namen gemacht. Er schrieb
auf Russisch und Englisch
und ist unter anderem für
seine Romane „Lolita“ und
Das Geburtshaus Nabokovs, an der Bolschaja Morskaja.
Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
„Die Gabe“ bekannt.
Die Museumsleitung hat
nach dem Vorfall Anzeige
bei der Polizei erstattet. Laut der „Fontanka.
Ru“ soll die beleidigende
Inschrift, die mit einer
Spraydose auf die Hauswand gesprüht wurde, von
der „Kosakenorganisation“ stammen, deren Aktivisten bereits in der Nacht
zum 9. Januar ein Fenster im Museumsgebäude
demoliert und Nabokov
Pädophilie vorgeworfen
und mit „Gottes Zorn“ gedroht hatten. Zu dem Zwischenfall wurde eine polizeiliche Voruntersuchung
eingeleitet. Seit mehreren
Monaten gehen beim Nabokov-Museum Briefe mit
Anschuldigungen wegen
„Pädophilie-Propaganda“
ein. „Es handelt sich dabei
um wahnsinnige Auslassungen zum Thema Moral.
Hierbei werden erfundene
Ereignisse aus dem Leben
Nabokovs beschrieben, die
mit der Wirklichkeit gar
nichts zu tun haben“, so
Museumsleiterin Tatjana
Ponomarjowa.
nicht aufhören, gegen dieses
Gesetz zu protestieren, aber
nachher gehen wir ins Waisenhaus und lernen unsere
Kinder kennen!”
Er sprach damit jene an, denen es weniger um die Politik als allein um die Kinder
geht. So wie es auf einem
Plakat stand: “Jede liebende
Familie ist besser als das Kinderheim!” oder “Die Kinder
warten!”. Sie riefen dazu auf,
sich nicht nur um Politik zu
kümmern, sondern selber
elternlose Kinder bei sich
aufzunehmen.
Die Menge verhielt sich bis
zum Schluss sehr diszipliniert und löste sich auf, sobald die Organisatoren das
Ende der Demo bekanntgegeben hatten. Auch die Polizei – für einmal bloss durch
eine Handvoll Beamten
vertreten – hielt sich betont
zurück. Entlang des Newski-Prospekts standen rund
40 Einzelpiketts - niemand
wurde festgenommen.
Gergiev wird
Münchner Philharmoniker dirigieren
rian.- Der russische StarDirigent Valery Gergiev
wird 2015 den Posten
des Chefdirigenten der
Münchner Philarmoniker
übernehmen. Der knapp
60-jährige Gergiev, der in
Nordossetien aufwuchs,
absolvierte das RimskiKorsakow-Konservatorium in Leningrad. Noch
vor dem Studienabschluss gewann er 1976
den Karajan-Dirigentenwettbewerb in Berlin. Seit
1988 ist er der Chefdirigent des Kirow-Theaters
Leningrad (heute das
Mariinski Opern- und
Balletttheater St. Petersburg).
Januar 2013 (Nr. 36)
Westerwelle beschwert sich über Gesetz gegen „Schwulenpropaganda“
rian.Das
Vorhaben
Moskaus,
„Propaganda
für Homosexualität“ unter Strafe zu stellen, ruft
Außenminister
Westerwelle auf den Plan, schreibt
der „Spiegel Online“. In
einem Gespräch mit dem
russischen
Botschafter
Wladimir Grinin habe er
vor einer Belastung für
die europäisch-russischen
Beziehungen gewarnt, so
die Online-Zeitschrift.
Der FDP-Politiker, selbst
bekennender
Schwuler,
hatte den Botschafter ins
Auswärtige Amt geladen.
Dabei kam das umstrittene Gesetzesvorhaben zur
Sprache, das am 25. Januar
in erster Lesung die Duma
passiert hatte.
Stadtnachrichten
Seite 2
Sowjet- und Weihnachtsnostalgie im GUM
eva.- Über und über geschmückt feierte Russland sein Neuejahrsfest, das hier an Wichtigkeit der Weihnacht ihn
Westeuropa gleichkommen. Diese beiden Damen probieren das Eis-Sortiment im Moskauer GUM-Kaufhaus
und unterhalten sich wohl darüber, dass das “Plombir” von heute nicht an das Eis der guten alten Sowjetzeit
herankommt. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
Kommentar: Der “Propiska”-Teufelsstempel, gehört abgeschafft
Von Eugen von Arb
“Ohne Anmeldung keene Arbeet und ohne Arbeet keene
Anmeldung!” – der Kernsatz
aus Zuckmayers “Hauptmann von Köpenick” spiegelt
die im willhelminischen Berlin die Situation des arbeitslosen Schusters Willhelm Voigt
im Teufelskreis der Bürokratie. Immerhin ist seither in
vielen Ländern die Verwaltung menschenfreundlicher
geworden. Aber in Russland
ist trotz vieler Anstrengungen
und Reformen noch vieles
beim Alten geblieben. Zum
Beispiel gibt es noch immer
die so genannte “Propiska”,
jener Stempel im Pass eines
jeden russischen Bürgers,
der seine Registrierung an
irgendeinem Flecken dieses
Riesenlandes nachweist und
der das halbe Leben seines
Trägers vorbestimmt: wo er
in den Kindergarten und zur
Schule geht, welche Polyklinik
ihn behandelt, wo er Steuern
zahlt usw.
Die “Propiska” ist ein richtiger Teufelsstempel, der viel
böses Blut schafft. Kaum eine
russische Familie, in der es
nicht schon Streitigkeiten gegeben hat, weil in der Wohnung die Schwiegertochter
oder der Schwiegersohn registriert wurde, bzw. weil ihnen
das verweigert wurde. Das
hat seine Gründe: So lässt
sich eine Wohnung, in der
jemand registriert ist, praktisch nicht verkaufen, und
wer einmal registriert wurde,
lässt sich nicht so einfach auf
die Strasse setzen. Denn wer
keine “Propiska” hat, kriegt
keinen Pass und existiert
nicht auf dem Papier.
Ausserdem ist die “Propiska”
eine Prestigsache – Leute,
die eine Petersburger oder
Moskauer Propiska im Ausweis tragen, gehören einer
höheren Kaste an als jemand
aus der Provinz. Noch heute
verlangen viele Arbeitgeber
in den Grossstädten eine
Registrierung in der Stadt,
wenn sie eine Stelle vergeben,
weil sie sich bürokratischen
Aufwand ersparen wollen.
Der untersten Kaste gehören natürlich die Fremdarbeiter aus den ehemaligen
Sowjetrepubliken an, die zu
hunderttausenden von russischen Bauunternehmen an-
Instrument gegen die Landflucht in der Sowjetunion,
gehört abgeschafft. Dieser
Gesetzesmechanismus
ist
nicht nur in menschlicher
und juristischer Hinsicht
fragwürdig, sondern trägt
auch die Mitschuld am
bürokratischen Wasserkopf
Russlands und einer seiner
übelsten Folgen – der Korruption.
Arbeiten oft ohne gültige Papiere – ausländische Bauarbeiter
auf russischen Baustellen. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
geheuert werden. Neben der
Skrupellosigkeit der Firman
führt auch der bürokratische
Dschungel dazu, dass sie
grösstenteils illegal wohnen
und arbeiten. Verfügen sie
über Papiere, so sind sie oft
“gekauft”, bzw. gefälscht.
Ein Trick der illegalen Anmeldung besteht darin, die
Menschen allesamt in einer
einzigen Wohnung zu registrieren, in die sie physisch
nicht einmal gestappelt hineinpassen würden – diese
Wohnungen werden im
Volksmund “Gummiwohnungen” genannt. In Wirklichkeit wohnen die Arbeiter
in einer Baracke unter teilweise menschenunwürdigen
Umständen.
Ein neuer Gesetzesentwurf
von Präsident Putin soll
die Strafen für solche missbräuchliche Registrierungen
stark verschärfen und sieht
hohe Bussen oder gar jahrelange Zuchthausstrafen für
Gesetzesbrecher vor. Zwar
gibt es in der Staatsduma
immer noch Leute, die solche Methoden befürworten
und Repressionen gegenüber
Migranten sind auch hier populär. Wie die Praxis jedoch
beweist, führen solche restriktiven Methoden nur zum
endgültigen Abtauchen der
Betroffenen in die Illegalität.
Das Gegenteil wäre nötig:
Die Propiska, einst wichtiges
Diese Regelung lähmt die
Entwicklung des Landes und
isoliert Menschen und Regionen. Sie behindert die Mobilität, die zu einer modernen Gesellschaft gehört, und
macht das Land für Investoren unattraktiv, vor allem in
den Provinzregionen. Kurz:
Die “Propiska” ist im Prinzip wirtschaftsschädigend.
Parallel zur Umstellung auf
eine flexiblere WohnsitzLösung – bewährte Modelle
gibt es genug – sollte das
Mietrecht verbessert werden. Wären die Mieter nicht
länger rechtlos, würde sich
auch die Lage auf dem Wohnungsmarkt
entspannen
und die letzten Kommunalwohnungen würden sich von
selbst auflösen.
Januar 2013 (Nr. 36)
Stadtnachrichten
Chodorkowski-Verteidiger Juri Schmidt gestorben
In der Nacht auf den
12. Januar starb der Petersburger Advokat und
Menschenrechtsaktivist
Juri Schmidt mit 76 Jahren an Krebs. Er wurde
vor allem als Verteidiger des Ex-Yukos-Chefs
Michail Chodorkowski
international bekannt,
erhielt aber auch für sein
gesellschaftliches Engagement hohe Auszeichnungen.
Der 1937 geborene Schmidt
schloss 1960 sein Rechtsstudium an der Leningrader Universität ab und
sammelte in vielen Strafrechtsprozessen Erfahrung
als Rechtsanwalt. Er stand
der Dissidentenszene nahe
und war unter anderem
mit dem Dichter Jossip
Brodsky befreundet.
Ausserdem beteiligte er
sich an der Herausgabe
illegaler Bücher und Zeitschriften (Samisdat). Auf-
Juri Schmidt an einer Protestkundgebung von Studenten.
Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
grund falscher Beschuldigungen wurde er 1986 aus
dem Advokatenkollegium
ausgeschlossen, ein Jahr
später jedoch rehabilitiert.
Ende der Achtzigerjahre
und anfang Neunzigerjahre setzte er sich in einer Reihe schwieriger
Gerichtsfälle ein. Unter
anderem verteidigte er den
usbekischen Journalisten
und
Menschenrechtler
Abdumannob
Pulatow,
der wegen Beleidigung des
Präsidenten der Ex-Sow-
jetrepublik Islam Karimow
angeklagt war.
Nach der Ermordung der
Petersburger Stadtpolitikerin Galina Starowoitowa
1998 übernahm er die juristische Vertretung von
deren Familie während des
Verfahrens. 1999 gelang es
dank seiner Verteidigung
für den wegen Spionage
verurteilten Ex-Marineoffizier und Umweltaktivisten Alexander Nikitin, der
über die Entsorgung von
Atommüll berichtet hatte,
einen Freispruch zu erlangen.
2003 geriet Schmidt als
Verteidiger des einst reichsten russischen Oligarchen
und Chef des Yukos-Konzerns Michail Chodorkowski und seines Geschäftspartners Platon Lebedew
von Menatep ins internationale Rampenlicht.
Beide wurden in umstrittenen international kritisierten Prozessen zu langen Haftstrafen verurteilt.
Auch im zweiten Chodorkowski-Prozess von 2009
gelang es Schmidt nicht,
seinen Mandanten freizubekommen. Neben seinen
Aufgaben als Jurist setzte
er sich für die Menschenrechte in Russland ein
und war Mitbegründer
der Organisation “Bürgerkontrolle” (Graschdanski
Kontroll). Er organisierte
Vorträge und Kongresse
und publizierte zahlreiche
Artikel. Auch für weniger
Petersburger Jabloko-Partei vom Spaltpilz befallen
Wegen eines Streits um
die Sitze zweier Abgeordneter, die angeblich
ihre Mandate dank
Wahlfälschung erhalten haben sollen, hat
sich die Petersburger
Jabloko-Partei gespalten.
eva.- Der Streit begann
bereits nach den Wahlen
und eskalierte im Dezember als ein Teil der Parteimitglieder die beiden Abgeordneten Olga Galkina
und Wjatscheslaw Notjag
beschuldigten, ihre Parlamemtssitze dank Wahlmanipulationen erhalten
zu haben und die Abgabe
ihrer Mandate forderten.
den traten darauf aus der
Partei aus. Weitere 22 Partei-Mitglieder,
darunter
der frühere Petersburger
Vorsitzende Maxim Resnik wurden kurz darauf
ausgeschlossen, weil sie
die Massnahmen gegen
Galkina und Notjag nicht
Zentrale Figur der Petersburger Jabloko-Partei: Maxim Reznik
wurde ausgeschlossn. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
unterstützt hatten.
Nun sind den Ausgeschlossenen weitere 21, zum Teil
langgediente
Mitglieder
gefolgt. Zwar liess der
Jabloko-Parteichef Sergei
Mitrochin verlauten, er
befürworte ihren Rücktritt, denn mit Menschen,
die
Wahlfälschungen
unterstützten, habe man
nichts gemeinsam.
Aber die Austritte bedeuten für die Petersburger Sektion eine starken
Aderlass, denn sie verliert
viele bewährte alte Kämpferinnen und Kämpfer, die
teilweise seit den Neunzigerjahren dabei waren.
Es gibt Stimmen, die behaupten, die Intrige sei von
Parteigegnern inszeniert
worden, um die Opposition auszuschalten.
Die
Jabloko-Partei
war nach einer Pause
wâhrend der Wahlperiode 2007/2011 erst im vergangenen Jahr wieder ins
Petersburger Parlamemt
eingezogen. Auch der
Parteigründer und langjährige Jabloko-Vorsitzende
Grigori Jawlinski wird
beschuldigt, zu wenig zur
Schlichtung des Konflikts
getan zu haben.
Oxana Dmitrjewa, DumaAbgeordnete und Chefin
der Petersburger Sektion
von “Gerechtes Russland”
gab in einer inoffiziellen Erklärung bekannt,
ihre Partei sei bereit, jene
ausgeschlossene JablokoMitglieder aufzunehmen,
die sich mit der Ideologie
ihrer Partei identifizieren
könnten. Dmitrjewa kennt
Maxim Resnik seit vielen
Jahren und war selbst Jabloko-Mitglied bis 1998.
Seite 3
prominente Veranstaltungen nahm er sich Zeit –
zum Beispiel trat er 2005
an einer Protestveranstaltung der “Ohne-Putin-Gehenden” unter der Leitung
des Studenten Michail
Obosow in Petersburg auf
(siehe Bild). Im selben Jahr
wurde von der russischen
Anwaltsvereinigung der
Antrag auf Ausschluss
Schmidts gestellt, der jedoch von einer Fachkommission der Petersburger
Anwaltskammer zurückgewiesen wurde.
Schmidts Engagement und
sein Mut wurden im Inund Ausland anerkannt.
Schmidt erhielt zahlreiche
Auszeichnungen, so von
der Menschenrechtsorganisation Human Right Watch
und von der internationalen Menschenrechtsliga. Er
erhielt die höchste russische
Auszeichnung für Juristen
“Femida” und das deutsche
Bundesverdienstkreuz.
Pressefreiheit:
Russland auf Platz
148 herabgestuft
rian.- Die Lage der Pressefreiheit in Russland hat sich
verschlechtert, schreibt der
„Kommersant“. Das geht
aus einem Bericht der Organisation Reporter ohne
Grenzen hervor. Russland wurde von Platz 142
auf Platz 148 herabgestuft.
Die Experten verknüpfen
den negativen Trend mit
der Rückkehr Wladimir
Putins ins Präsidentenamt.
„Die jüngste Verschärfung
der Repressalien war die
Antwort auf eine beispiellose Welle von Oppositionsprotesten“, so die Verfasser
des Berichts. „Inakzeptabel
ist auch, dass Drahtzieher
von Morden und Überfällen auf Journalisten immer
noch ungestraft davonkommen.“ Die Organisation Reporter ohne Grenzen
mit Sitz in Paris engagiert
sich für die Pressefreiheit
und die Bekämpfung der
Zensur.
Januar 2013 (Nr. 36)
Kultur
Seite 4
Igor Panin: Geschichte als Scherbenhaufen
Der Künstler, Designer und Kurator Igor
Panin hat mit seiner
Werkgruppe “Alles aufgegessen” eine Ausstellungsreihe der Galerie
“Parasit” in der Galerie
“Borey” eröffnet. Die
“Galerie in der Galerie”
gibt den Künstlerinnen
und Künstlern die Möglichkeit, sich von einer
ganz anderen Seite zu
zeigen.
Von Eugen von Arb
So chaotisch und destruktiv
die Neunzigerjahre heute
vielen Russen erscheinen, so
kreativ und produktiv waren
sie in der Kultur. In Petersburg und anderen russischen
Städten bildeten sich damals
Künstlervereinigungen, die
teilweise bis heute bestehen.
Ihre Namen zeugen oft von
Auflehnung, Protest und
Suche nach etwas Neuem –
typisch für die Zeit der “Postperestroika”:
“Prothese”,
“Schwere Kunst” oder “Die
neuen Dummen”, ein verwegener Haufen, zum dem der
Ukrainer Igor Panin gehörte,
der nach seiner Ausbildung
als Maschineningenieur eine
Kunstausbildung an der Petersburger Muchina-Akademie absolviert hatte.
Sie versuchen neue Wege
in der Kunst zu finden und
Antworten auf das aktuelle
Geschehen.
So servierten sie ihrem Publikum als eine Reaktion
auf den Krieg in Jugoslawien
eine “Blutmahlzeit”, indem
sie die tiefrote Borsch-Suppe
direkt auf das blütenweisse
Tischtuch statt auf in die Teller leerten.
Trotz dieser Erneuerungsversuche war die russische
Kunst damals noch stark
akademisch geprägt, und
auch
Ausstellungsfläche
für alternative Kunst fehlte.
Die Galerie “Borey” gehörte
zusammen mit dem Kul-
Alles aufgegessen: Manchmal ist das Leben wie ein grosses Bankett - die einen fressen und saufen, die anderen müssten
den Tisch abräumen und sich mit den Resten begnügen. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
turzentrum “Puschkinskaja
10” die ersten Podien für
Andersschaffende. Mit Unterstützung der “Borey”-Leiterin Tatiana Ponamorenko
wurde damals die Galerie
“Parasit” – ein Nutzniesser
im Korridor der grossen Galerie gegründet.
Alle zwei Wochen ein
neuer “Kunst-Vektor”
Alle zwei Wochen treffen
sich die Künstler in der Galerie und geben ein neues Thema heraus. Innerhalb einer
Stunde ist der neue Vektor
vorgegeben. “Die wichtigsten
Unterschiede zu einer üblichen Galerie sind das Fehlen
eines Künstler-Rats und
die Tatsache, dass hier jeder
seinen ganz persönlichen
Standpunkt zeigen kann”,
erklärt Panin.
“Viele der Ausstellenden sind
als akademische Künstler
bekannt geworden und können hier etwas völlig anderes
machen, so zum Beispiel der
Theaterkünstler Alexander
Schischkin. Jeder hat die
Möglichkeit etwas gegen den
Strom zu schwimmen, was
Genre, Stil und Technik anbelangt”, so Panin.
Nun feiert die “Untermieter-Galerie” ihr 10-JahreJubiläum, Grund genug für
eine Ausstellungsreihe im
kleinen Ausstellungssaal der
Galerie. Panin, der in den
letzten Jahren mehr hinter
der Kulisse als Designer oder
Kurator von Ausstellungen
gearbeitet hat, ist wieder
einmal in den Vordergrund
getreten.
Ständiges Zerbrechen
Sein Objekt “Alles aufgegessen” ist so einfach wie
gehaltvoll. Ein Tisch, beleuchtet von einer mickrigen Glühbirne, in deren
Schein dutzende zerbrochener Bierflaschen liegen.
Braun und grün leuchten
die schartigen Splitter der
“Baltika”-, “Newskoe”- und
“Stepan Rasin”-Flaschen –
scharf und bedrohlich auf
der einen Seite, filigran und
schmuckvoll auf der anderen Seite.
“Für mich ist das der russische
Existenzialismus”,
kommentiert Panin. “Ein
Bild Russlands, ein ständiges Zerbrechen, ein Scherbenhaufen.” Beim Anblick
der messerscharfen Flaschenhälse kommen einem
Gedanken an Aggression,
Schlägereien und Tod am
Säufertisch.
Eigentlich lässt sich dieses
Trümmermodell aber auch
auf die ganze Weltgeschichte
anwenden: Die Menschheit,
die alles leerfrisst und -säuft
und die Reste einfach liegen
lässt,
verantwortungslos
und ohne Rücksicht auf die
Folgen, Generation für Generation. Alles aufgefressen.
Der nächste “Parasit”:
Iwan Tusow
Als nächstes betrat schon
der nächste “Parasit” Iwan
Tusow mit seiner Werkreihe “Lenin ist der Nikolaus”
die Szene. Mit seiner Computergrafik nimmt er Lenin
und seine Verklärung als
Menschenfreund in der
Sowjetzeit mit einem Satire-Märchen aufs Korn.
“Lenin hatte Kinder sehr
gern. Als er noch kein
Grossvater war, sondern
jung war, das war noch vor
der Revolution, verdiente
er sich als Nikolaus etwas
dazu. Aber nachher hatte
Lenin sehr viel zu tun. Es
vergingen viele Jahre. Aber
der Wunsch, Nikolaus zu
sein, verliess ihn nicht…”
So schreibt der Künstler zu
seinen kleinen Bildern, auf
denen Lenin-Nikolaus als
eine Art Lego-Männchen
abgebildet wird. “Deshalb
ist Lenin im Gedächtnis
von Millionen von Bürgern
der Nikolaus, der uns jedes
Jahr besucht und unsere
Welt in ein Märchen verwandelt.”
Galerie Borey, Liteiny Prospekt
58, Tel. 275-38-37, Dienstag bis
Samstag von 12.00 bis 20.00 geöffnet, Eintritt frei. www.borey.ru
Januar 2013 (Nr. 36)
Deutsch-Russisches
Begegnungszentrums
Kultur
Seite 5
Die Inhaberin der «Türengalerie» hat ein Zuhause
5. Februar 18.30. Moderne
Kunst. Berliner Squats. Referentin Anastassia Pazei,
«Puschkinskaja 10». Auf
Russisch. Eintrittsgebühr.
7. Februar 18.30. Vortragsreihe «Kunstdenkmäler».
Linienkunst : Deutsche
Gravüre des XV.-XVI. Jh.
Beginn und Blütezeit. Referentin Swetlana Muraschkina, wiss. Mitarbeiterin der
Eremitage. Auf Russisch.
14. Februar 18.30. Vortragsreihe «Mit Goethe
durch Italien». Napoli. Die
Sonne von Süden. Referent
Alexei Leporck, wiss. Mitarbeiter der Eremitage. Auf
Russisch. Eintrittsgebühr.
21. Februar 18.30. Vortrag
«Die Deutschen in der Geschichte der russischen Flotte: Biographien und Schicksale». Littke. Referent Dmitri
Kopelew. Auf Russisch.
22. Februar 18.30. Die Petersburger Deutschen. Internationaler Tag der Muttersprache. Moderation: Dr.
Hist. Irina Tscherkasjanowa.
Auf Russisch und Deutsch.
23. Februar 18.00. Theater zum 150. Geburtsjahr
von Gerhardt Hauptmann.
Theatertruppe «Petersburger Deutsche». Leiter Iwan
Preis. Auf Russisch.
28. Februar 18.30. Eine Podium «250 Jahre Deutsche
Kolonien in Petersburg.
Historische Authentizität:
Sammeln und Interpretation von Information». Leiterin Irina Tscherkasjanowa.
Auf Russisch.
Deutsch-russisches
Begegnungszentrum, Newski Pr. 22-24.
Tel. 570-40-96. Eintritt frei.
www.drb.ru
eva.- Ewgenia Konowalowa, die Inhaberin der beiden kleinen Galerien “Tür” und “Gewächshaus” im Kulturzentrum Puschkinskaja 10 hat ein Atelier erhalten. Somit hat sie nach vielen Jahren als “obdachlose” Künstlerin wieder einen festen Arbeitsplatz. Konowalowa gehörte zu jenen Künstlerinnen und Künstlern, die ab 1994
die Liegenschaft an der Puschkinskaja 10 friedlich besetzt hielten und als Arbeits- und Ausstellungsfläche
benutzten. Die Künstlerin weiht ihr Atelier zusammen mit einer neuen Ausstellung in der “Tür” ein, die den
Titel “Die alte Schlangenhaut” trägt. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
9. Februar, 17.00. Galerie “Dver”, Kulturzentrum “Puschkinskaja 10″, Puschkinskaja ul. 10, Eingang: Ligovski Prospekt 53.. Eintritt frei.
Schwarzweisser Chronist der Leningrader Blockade
Am 27. Januar jährte
sich die wiederum die
Aufhebung des Belagerungszustandes von Leningrad 1944. Diesem
glücklichen und zugleich traurigen Datum
widmet das städtische
Skulpturenmuseum
eine Ausstellung mit
Litografien von Anatoli
Kaplan (1903-1980).
eva.- Dem schrecklichen
Ereignis der Leningrader
Blockade (1941-44) – einem Trauma, das bis heute
wirkt – sind immer wieder
Veranstaltungen gewidmet. Dem Ende des grossen
Hungers, dem hunderttausende von Menschen zum
Opfer fielen, widmet das
städtische Skulpturenmuseum eine Ausstellung mit
Bildern Anatoli Kaplans
aus den Jahren 1944 bis
1956.
Kaplan erlebte den An-
Stellte 70 Drucke zur Verfügung: der Sammler Isaal
Kuschnir (zweiter von rechts). Bild: Eugen von Arb
fang dieser Tragödie und
überlebte die ersten und
schwersten Monate in der
abgeschnittenen und beschossenen Stadt bevor er
1942 in den Ural evakuiert
wurde. Ebenso sah er das
Ende als er 1944 in die freie
Stadt zurückkehrte und
langsam wieder zum Le-
ben erwachte.
Seine in feinen Grautönen gehaltenen Grafiken
entsprechen nicht dem
heroisch-pathetischen Ton
der offiziellen Kriegskunst.
Es sind viel eher stille Ansichten eines scheuen Spaziergängers. Doch die festgehaltenen Momente sind
wichtig, lebenswichtig für
einen echten Leningrader
wie Kaplan, der seine Stadt
liebte. Unspektakulär, aber
ergreifend ist der Moment
als die Strassenbeleuchtung wieder eingeschaltet
wurde. Für die ausgehungerten Menschen, die
jahrelang in verdunkelten
Wohnungen sassen ein
Freudenfest. Ebenso festlich der Augenblick als das
zum Schutz vor Bomben
verpackte Standbild Peters
I. wieder hergestellt wurde.
Das Besondere an der Ausstellung ist, dass sie nicht
nur die Düsternis der Blokade, sondern ebenso ihr
Ende und die Zeit danach
erzählt, die von Hoffnung
und Freude über den Wiederaufbau geprägt sind.
Bis 3. März. Ausstellungssaal des
städtischen Skulpturenmuseums,
Newski Prospekt 179/2. Eintritt
50-100 Rubel. Тel. 314-12-14.
www.gmgs.ru
Januar 2013 (Nr. 36)
Kultur
Stelldichein am Nullpunkt der Form
Die Zürcher „Galerie
Nadja Brykina“ präsentiert in der Ausstellung
„Metageo
– Aura Malewitschs
und
zeitgenössische
russische Kunst“ Werke von 28 russischen
Künstlern mehrerer
Generationen, die die
ganze Bandbreite der
Inspirationen von Malewitschs suprematistischem Werk zeigen.
tk.Die
Ausstellung
wurde vom Direktor des
Staatlichen Zentrums für
zeitgenössische Kunst in
Moskau Leonid Bazhanov
kuratiert. Er äusserte sich
zu den ausgestellten Arbeiten: „…Alle diese Werke in
unserer Wahrnehmung auf
verschiedene Weise in dem
von Malewitsch gezeugten
Raum eingeschlossen. Dieser Raum ist wie aus dem
Urknall entstanden – nachdem Malewitsch die Geometrie befreit hat. Deshalb
heisst auch die Ausstellung
„Metageo“.
Malewitsch und
seine Nachfolger
Kasimir Malewitsch hat als
Künstler, Kunsttheoretiker
und Begründer des Suprematismus die russische
Avantgarde zwischen 1915
bis 1925 wesentlich mitgeprägt. In seinem Aufsatz
„Vom Kubismus und Futurismus zum Suprematismus“ schrieb Malewitsch
1916
programmatisch:
„Ich habe in der Null der
Formen eine neue Gestalt
gefunden und bin über die
Null hinaus zum Schöpferischen gelangt, d. h. zum
Suprematismus, zum neuen
Realismus in der Malerei
– zum gegenstandslosen
Schaffen“.
Sein berühmtes „Schwarze
Quadrat“ (1913) als Inbegriff der gegenstandlosen
Kunst war revolutionär. Die
Künstler der Avantgarde
wie Rosanowa, Tatlin, Lebedew, Rodtschenko waren
einadersetzung mehrerer
farbigen Vierecke ebenfalls
die Wechselbeziehung von
Farben und Formen und
den dadurch entstehenden
Rhythmus aus.
„Faktura“ als neues
Gestaltungsprinzip
Marlen Spindler: Collage, Tempera auf Papier. Bild: PD
von der suprematistischen
Malerei Malewitschs stark
beeinflusst. Die westlichen
Künstlergenerationen liessen sich ebenfalls vom Malewitsch Schaffen inspirieren: Man denke an Minimal
Art, Konzeptkunst oder
Konkrete Kunst. Russische
Museen haben jedoch zum
Malewitschs Werk und seiner Nachfolger lange Zeit
ein eher diffiziles Verhältnis
gezeigt: Von den 30ern bis
in die 90er fristeten diese
ein Schattendasein in den
Museumsdepots.
die
Auseinandersetzung
der Künstler mit dem Verhältnis der geometrischen
Formen zum Bildraum. Sie
setzen Flächen und Linien
nebeneinander, woraus ein
komplexes Gewebe entsteht.
In der „Komposition“ (1980)
von Eduard Steinberg werden die Geschwindigkeit
und Richtung thematisiert.
Diese Bilder evozieren das
Gemälde von Malewitschs
„Suprematismus“ (1916), in
dem die Farbflächen und
Linien schwerelos im Bildraum schweben.
Komplexes Gewebe
Russische Ikone und Suprematismus
Noch im Ausstellungskatalog „Sowjetische Kunst der
20er und 30er Jahre“ des
Russischen Museums in
Leningrad von 1988 finden
sich lediglich zwei suprematistische Porzellanstücke
von Malewitsch (eine Tasse
und Teekanne), aber keines seiner Gemälde. Daher
können bis heute „Neuentdeckungen“ verkündet werden. Umso spannender erscheint die sehr heterogene
Ausstellung „Metageo“ aus
den 28 Künstlern, die sich
auf die suprematistische
Ästhetik Malewitschs beziehen.
In „Ananas in Champagner“ (1978) von Marlen
Spindler oder in der „Grossen Konstruktion“ (1998)
von Vladimir Andreenkov
findet sich beispielsweise
Der Suprematismus gründet unter anderem auf der
Bildtradition der Ikone, in
der das Kultbild als geistiges Konzept aufgefasst
wird. Malewitsch sah stets
in seinen suprematistischen
Bildern eine metaphysische
Dimension. Ihn inspirierte
ebenfalls die Malweise der
Ikone in der Verwendung
der reinen Farbe, flächig
nebeneinander aufgetragen, in der grafischen Darstellung der Figuren und
des Raums.
Die horizontalen Farbstreifen der „Komposition“ von
Andrey Krasulin in ihrem
dynamischen Rhythmus
erinnern stark an „Das rote
Haus“ von Malewitsch.
Mikhail Krunov in „Zyklus“
(1995) lotet in seiner Neben-
Mit dem Ausdruck „faktura“ entwickelt die russische Avantgarde ein neues
Gestaltungsprinzip,
bei
dem Raum, Bildoberfläche
und Material zentral sind.
“Weisses Quadrat“ (2007)
von Alexander Julikov repräsentiert eine raue „faktura“ – das Quadrat aus
den zusammengesetzten
vier Vierecken, deren Maloberflächen dicht weiss
bemalt und geritzt sind.
Gleichzeitig spielt der Titel
“Weisses Quadrat“ subversiv an das „Schwarze Quadrat“ von Malewitsch an.
Mit den Gestaltungsmitteln
der „faktura“ arbeiten auch
Vladimir Andreenkov in
seinem Bild-Objekt „Weisses Relief“ (2000), das aus
den weiss und dunkelblau
gefärbten Holzflächen besteht, oder Igor Vulokh im
Bild „Kubus“ (1970), in dem
er mit dem pastosen Malauftrag voluminöse Trennlinien bildet, die die Bildtiefe erzeugen.
Keine Erstarrung
vor Malewitsch
Einige Künstler in ihrer Anlehnung an Suprematismus
scheinen auf der dekorativen Ebene zu bleiben. Die
Mehrheit der ausgestellten
Arbeiten zeugt jedoch nicht
vom Zustand der ehrfurchtsvollen Erstarrung vor
Malewitschs Werk, sondern
balanciert leichtfüssig zwischen der Bewunderung
und Hinterfragung, was
diese Werkgruppe so spannend macht.
Bis am 26. Februar. Galerie Nadja
Brykina Zürich: „Metageo – Aura
Malewitschs und zeitgenössische
russische Kunst“. Sihlstrasse 91,
Zurich, Tel. +41 44 222 05 05.
www.brykina.ch
Seite 6
Im Gebiet der Stille
pd.- Ausstellung mit Bildern des russlanddeutschen
Künstlers Piotr Dyk. Die
Retrospektive zeigt das
Spätwerk des bekannten
Malers. Rund 80 Bilder aus
der Sammlung des Staatlichen Russischen Museums
und aus Familienbesitz sind
im Stroganowpalast ausgestellt. Die mit Kohle- und
Pastellkreide gezeichneten
Werke Piotr Dyks sind von
lakonischer Einfachheit,
was Komposition und Farbgebung anbelangt. Gleichzeitig sind sie von einem
stark individuellen Stil
geprägt. Einsamkeit und
Abgeschiedenheit, welche
in den meisten Bildern zu
spüren sind, spiegeln das
schwere Schicksal der Russlanddeutschen.
Bis 11. Februar Eintritt: 150- 350
Rubel. Stroganow-Palast, Newski Pr. 17, Tel. 312-91-96. www.
rusmuseum.ru
Overbeck restauriert
Ausstellung mit restaurierten Werken von Friedrich
Overbeck (1789-1869) und
Vigilius Eriksen (1722-82).
«Das Sakrament der Beichte» von Friedrich Overbeck
entstand 1864. Overbeck
fertigte 1862 in Rom Vorlagen zu den sieben Sakramenten für Teppiche an,
die jedoch nicht ausgeführt
wurden. Damals bestellte
Graf Wladimir OrlowDavidow beim Künstler ein
monochromes Gemälde
nach der dritten Vorlage,
das 1864 nach Moskau geliefert wurde. 1865 schenkte es der Graf dem Rumjanzewski-Museum, von
wo es nach 1917 ins Museum der schönen Künste
und von dort aus 1933 in
die Eremitage kam.
Bis 6. Mai. Eintritt: 100-400 Rubel.
Eremitage, Nikolajewski-Saal,
Dvorzowaja nab. 34. Tel. 710-9079. www.hermitage.ru
Januar 2013 (Nr. 36)
Bücherausstellung
“Deutsche
Kultur(en)”
pd.Kulturen
in
Deutschland sind nicht
gleichbedeutend
mit
deutscher Kultur. Neben dem Klischee von
Weißwürsten und Lederhosen, kennt man in
Deutschland auch Döner
und original italienische Pizza. Doch auch
über das Essen hinaus ist
Deutschland „multikulti“.
Passend dazu präsentiert
die Bibliothek des GoetheInstituts im Februar Literatur über die Vielfalt der
Kulturen in Deutschland.
Die ausgewählten Texte
sind zum Teil von Autoren
mit Migrationshintergrund geschrieben, behandeln das Leben der Migranten in Deutschland,
beschäftigen sich mit
verschiedenen Kulturen
in Deutschland oder erforschen einfach fremde
Länder und ihre Kulturen
aus deutscher Sicht.
Neu in der Bibliothek ist
unter anderem der Debüt-Roman «Der Russe
ist einer der Birken liebt»
der
deutsch-russischen
Autorin Olga Grjasnowa.
Sie wurde 1984 in Baku
geboren und kam 1996
zusammen mit ihren
Eltern nach Deutschland,
wo sie Deutsch lernte und
in Frankfurt am Main die
Schule besuchte. Nach
einem Kunstgeschichtsund Slawistik-Studium in
Göttingen wechselte sie an
das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig. Sie erhielt
unter anderem Stipendien
der
Rosa-LuxemburgStiftung und der BoschStiftung. 2012 erschien
ihr Erstlingswerk, und im
selben Jahr erhielt sie den
Anna Seghers-Preis, den
Klaus-Michael-KühnePreis sowie das HermannLenz-Stipendium.
Bis 28.Februar. Bibliothek des
Goethe-Instituts St. Petersburg,
Nab. reki Mojki 58, 1. Etage. Eintritt frei. Tel. 363-11-25.
www.goethe.de/stpetersburg
Kultur
Heute Museumsbesucher - morgen Künstler
Seite 7
eva.- An der Finissage der Ausstellung “Zeitgenössisches Kreativ” im städtischen Skulpturenmuseum griffen
Besucher und Künstler selbst zum Pinsel und bemalten Kartons auf der Rückseite der Ausstellungsvitrinen. Mit
dem Motto “Heute bist Du Museumsbesucher - morgen selbst ein Künstler!” sollte das Publikum angespornt
werden, selbst kreativ zu werden. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
«KURZ & GUT III»
pd.- Deutsche Animationsfilme mit Begleitprogramm.
Zum ersten Mal präsentieren
das Goethe-Institut St. Petersburg und das Deutsche
Kulturzentrum in Petrosawodsk zeitgenössische deutsche Animationsfilme. Alle
Film-Liebhaber sind dazu
eingeladen, sich die farbenfrohsten und frechsten Animationsfilme der letzen Jahre anzusehen, welche in der
Tradition von Lotte Reiniger
und Oskar Fischinger stehen
und von den vielversprechendsten jungen deutschen
Animateuren
produziert
wurden. Alle Filme wurden
mit Preisen internationaler
Filmfestivals ausgezeichnet,
unterscheiden sich aber in
Technik und in den Themen stark voneinander: Von
Zeichnungen, über Knete,
Kollagen bis hin zur Computeranimation ist alles vertreten. Am 1. Februar ab 18 Uhr
lädt der Kurator des Projekts
Ilja Maksimow ein zu einem
Gespräch über Animation.
Dabei wird Maksimow über
die Geheimnisse der Entstehung eines Animationsfilms
sprechen – von der Idee bis
zur Finanzierung – enthüllen und zu guter Letzt nützliche Tipps an diejenigen
geben, die sich auch mal in
diesem Genre ausprobieren
möchten. Für Zuschauer ab
18 Jahren geeignet.
1./2. Februar 18.00
Mediazentrum „VYHOD“, Prospekt Karla Marxa 14, Petrosawodsk. Eintritt frei.
www.goethe.de/stpetersburg
«Licht und Schatten»
pd.- Ausstellung im Rahmen des Deutschlandjahres
in Russland. Die Ausstellung mit Skizzen und Fotografien aus dem Museum
der Stadt Tübingen ist dem
Schaffen der berühmten
deutschen Regisseurin und
Künstlerin, Lotte Reiniger,
gewidmet.
Sie erfand die Silhouettenanimation, bei der man
Silhouetten ausschneidet
und sie dann auf eine Glasoberfläche legt, die von
unten angeleuchtet wird.
Danach fotografiert man
Bild für Bild, indem er vorher die Silhouetten bewegt
und damit die Details auf
dem Bild verändert. Lotte
Reiniger hat diese Technik perfektioniert – ihre
Arbeit ist filigran, elegant
und aussagekräftig. Bis
zum heutigen Tag üben
ihre Filme mithilfe ihrer
unübertroffenen Ästhetik
auf die Zuschauer einen
betörenden Effekt aus. Die
Grundlage aller Filme von
Reiniger bilden märchenhafte Erzählungen.
Auf der Ausstellung werden die folgenden Filme
gezeigt: Das Ornament des
verliebten Herzens (1919),
Die Abenteuer des Prinzen
Ahmed (1926), Papageno
(1935), Der Froschkönig
(1952).
15. Februar bis 10. März
Mediazentrum „VYHOD“, Prospekt Karla Marxa 14, Petrosawodsk. Eintritt frei.
www.goethe.de/stpetersburg
Januar 2013 (Nr. 36)
Schwerpunkt
Im Sapsan mit Anna Karenina – eine Silvesterfahrt
Von Eugen von Arb
Sapsan, vorderster Wagen,
Business-class – ich bin eingeladen, einmal ganz vorne
zu fahren. Für mich ist es die
erste Fahrt überhaupt im
Sapsan. Dieser Schienenjet
von Siemens hat Russland ein
halbes Jahrhundert vorwärtskatapultiert. Schon einmal
gab es das – im 19. Jahrhundert war es auch die Bahn,
die Russland den verspäteten
Fortschritt brachte. Auf derselben Strecke zwischen den
beiden eifersüchtigen Schwestern Petersburg und Moskau
– nur war die erstere damals
Hauptstadt. Noch im Sitzen
schüttle ich den Kopf – der
Zug gehört eindeutig ins 21.
Jahrhundert, aber das Ritual
mit der Billetkontrolle vor
der Tür auf dem Perron ist
zweifelsfrei 19. Jahrhundert.
Unweigerlich kommt mir Tolstois Roman “Anna Karenina” in den Sinn – die Szenen
in der Eisenbahn und an den
Bahnhöfen der Hauptstädte.
Die Eisenbahn mag zwar
bloss Kolorit sein in diesem
Buch, aber ein wichtiger –
und er ist das einzige, was mir
in Erinnerung geblieben ist.
Richtig: Am Moskauer Bahnhof begegnen sich Karenina
und Vronski zum ersten Mal.
Anna Kareninas Sprung vor
den Zug in den Tod ist das
Final ihrer Beziehung.
Mit leisem Rucken und Knarren fährt der Zug los – drei
Stunden Geisterbahn liegen
vor mir. Im Innern bietet der
Zug für Westler nichts Neues
- wer schon im ICE oder TGV
gesessen ist, findet sich problemlos zurecht. Grossraumkabine, harte Ledersessel – in
der Businessclass mit Bedienungspersonal, Gratis-Wifi
und warmer Mahlzeit, in der
Holzklasse ohne Klimbim.
Die meisten Fahrgäste verkriechen sich in ihr Ipad oder
Am Ziel - über dem Sapsan-Zug am Leninggrader Bahnhof leuchtet Moskaus ZuckerbäckerArchitektur . Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
den Laptop. Rausschauen
macht wenig Sinn, der Zug ist
in eine Schneewolke gehült –
wie ein Schleier, der versteckt,
was man nicht sehen soll.
einen Nachgeschmack von
russischem Salat “Olivier”,
Siebzigerjahren und halbsüssem “Sowjetskoje Champanskoje”.
Nur während der Minutenhalte, wie zum Beispiel in
Twer bricht dann die russiche
Rückständigkeit mit ganzer
Wucht in den Wagen. Kulis
mit zum Platzen gefüllten
Plastiktaschen ziehen über
den notdürftig vom Schnee
geräumten Perron. Frauen in
Kopftüchern und struppigen
Pelzmänteln verstellen mit
ihren riesigen verschnürten
Ballen oder Schachteln die
schmalen Gänge im Wagen.
Dahinter die Kulisse der russischen Provinz – ein Supermarkt im Billigbau, windschiefe Bauernhäuser und
Strommasten.
Einerseits langweilt der Film,
weil viele seiner Textstellen
mittlerweile zum Standardwortschatz gehören und zitiert werden. Andererseits zieht
einen die Lehnsessel-Gemütlichkeit, die er verströmt, magisch an. Gesungene Gedichte
von Jewtuschenko, Pasternak,
Aibadulina und Zwetajewa
mit Gitarrenbegleitung. Die
Handlung des fast dreistündigen Streifens: Im Silvestersuff,
besteigt ein Moskauer Arzt
anstelle seines ebenso besoffenen Freundes aus der Banja
den Flieger nach Leningrad.
Nach der Landung erinnert
er sich an nichts und lässt sich
im Taxi “nach Hause” fahren.
Und weil der Strassenname in
Leningrad ebenso identisch
wie sein Moskauer Domizil,
der Wohnblock, die Etage,
die Wohnung und sogar der
Wohnungsschlüssel und die
Möblierung, legt er sich in seiner vermeintlichen Wohnung
friedlich hin zum rausch-ausschlafen.
Weiter geht es durch die verschneite Pampa. Das leise
Klopfen und Vibrieren in
der Plastik-und Metallkonstruktion lässt einen die
Reisegeschwindigkeit um die
200 Stundenkilometern nur
erahnen. Anna Karenina,
diese unglückliche Liebe mit
Kurzschluss am Schluss. Im
Fernseher läuft der sowjetische Silvester-Klassiker “Ironie des Schicksals” von Eldar
Rjasanow und hinterlässt
Erst die erschrockene Bewohnerin rüttelt ihn wach, und
ist empört. Dann verlieben
sie sich ineinander, lassen
beide ihre Verlobten sitzen,
und am Ende der charmanten und geistreiche Liebesgeschichte heiratet das schlaue
Moskau das schöngeistige
Leningrad. Obwohl sie ihre
Partner verlassen, geht die
Geschichte ohne Irrsinn und
Tod aus – nicht wie bei der
Karenina. Sie wird durch den
Sittenzwang vor die Schienen
des einfahrenden Zuges getrieben – genauso wie sie es
zuvor beim Selbstmord eines
Mannes gesehen hat.
Der Zug als Mörder. Er ist es
auch heute noch – bis Ende
2012 gerieten nahezu 50
Menschen unter seine Räder.
Der Fortschritt rollt unbarmherzig, räumt Menschen und
andere Züge aus dem Weg.
An genügend Zugverbindungen, Fussgängerüberführungen und bewachte Bahnübergänge wird in Russland
erst jetzt gedacht. Deswegen
fliegen auch die Steine, statt
ihn zu feiern, hasst man den
“weissen Tod”.
Die Filmlänge ist ideal – schon
liegen sich Andrei Mjachkow
und Barbara Brylska in den
Armen, als der Sapsan in den
Leningrader Bahnhof einrollt.
In der Silvesternacht leuchtet
goldgelb ein Zuckerturm.
Seite 8
Sapsan-Dossier
Seit Dezember 2009 befinden sich acht Sapsan-Triebzüge im planmäßigen
Verkehr in Russland. Der
Hochgeschwindigkeitszug,
von Siemens bietet insgesamt 604 Passagieren Platz, in
der Businessklasse mit 104
und in der Touristenklasse
mit 500 Plätzen.
Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h
benötigt der Zug rund 3
Stunden und 40 Minuten
zwischen Moskau und
Sankt Petersburg ohne
Zwischenstopp bzw. bis
zu 4 Stunden und 10 Minuten bei Zwischenstopps
in Tschudowo, Okulowka,
Bologoje, W. Wolotschek
und Twer. Bislang betrug
die Fahrtzeit für diese Strecke zwischen 4,5 und 8
Stunden.
Seit dem 30. Juli 2010
verkehren die SapsanZüge auch zwischen St.
Petersburg und Nischni
Nowgorod (über Moskau).
Sie benötigen hierfür 8
Stunden und 5 Minuten.
Die
Mehrsystemzüge
verkehren auf der bestehenden 442 Kilometer
langen Strecke Moskau–
Nischni
Nowgorod
zunächst mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160
km/h in 3 Stunden und 55
Minuten.
Die Züge werden häufig
mit Steinen beworfen. Als
Ursache gilt der Umstand,
dass das Verkehrsangebot
und Fahrzeiten auf verschiedenen Vorortlinien
für den Betrieb des Hochgeschwindigkeitszugs
eingeschränkt wurden. Pro
Jahr werden infolgedessen
bis zu 150 Fensterscheiben
im Betriebswerk getauscht.
Da es bisher zu wenig
Bahnübergänge
gibt,
kommt es immer wieder
zu tödlichen Unfällen. Die
Bevölkerung ist es vielerorts gewohnt, die Bahnstrecke “wild” zu überqueren, wird aber von der
hohen Geschwindigkeit
des Sapsan überrascht.
(Wikipedia/eva)
Januar 2013 (Nr. 36)
Wirtschaft
“Schwalben-Zug” in St. Petersburg eingeweiht
Vom Moskauer Bahnhof aus startete am 23.
Januar zum ersten Mal
der moderne Vorortszug
“Lastotschka” (Schwalbe).
eva.- Der gemeinsam von
Siemens und der russischen
Bahn (RZD) entwickelte Zug
wird vorerst Petersburg mit
Nowgorod Veliki und Bologoe verbinden. 2014 wird
er ebenfalls an den Olympischen Spielen in Sotschi eingesetzt werden.
Die leuchtend rote Zugskomposition mit modernen
Grossraumwagen fährt täglich morgens um 07.11 Uhr
vom Moskauer Bahnhof aus
ab. Nach einer Stunde trifft
sie in Tschudowo ein, wo sie
geteilt wird – ein Teil fährt
Inflation in Russland
höher als in EU
Der Stolz der Russischen Bahn: der gemeinsam mit Siemens entwickelte “Schwalbenzug”.
Bild: Ria Novosti
in Richtung Bologoe weiter,
der andere nach Nowgorod
Veliki. Nach St. Petersburg
kehrt der Zug abends um
18.39 Uhr ab Nowgorod bzw.
17.45 Uhr ab Bologoe zurück.
Um 19.56 Uhr fährt die wiedervereinte
Komposition
ab Tschudowo weiter und
kommt 21.15 am Moskauer
Bahnhof an. Die Gesamtfahrzeit in eine Richtung be-
trägt drei Stunden bei einer
maximalen Geschwindigkeit
von 160 Stundenkilometern.
Der Fahrpreis beträgt nach
Nowgorod 400 Rubel, nach
Bologoe 500 Rubel.
WEF: Investoren haben Vorurteile gegenüber Russland
Ausländische Investoren hegen weiter großes
Misstrauen gegenüber
Russland, schreibt die
Zeitung “RBC Daily”.
Das haben russische
Teilnehmer des jüngsten Weltwirtschaftsforums
in
Davos
geäußert.
rian.- Bei einer Gesprächsrunde über Russland haben
westliche Experten und Investoren der russischen Regierung empfohlen, sich mit
der „Qualität der Arbeit der
staatlichen Institutionen“ zu
befassen. (Probleme in diesem
Bereich sehen 78 Prozent der
Gesprächsteilnehmer). Bei
einem Meinungsaustausch
unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurden ähnliche Urteile geäußert.
Der Präsident der Bank
VTB, Andrej Kostin, verriet,
dass Regierungschef Dmitri Medwedew „viele Fragen
zu den Gesetzinitiativen der
letzten Zeit beantworten“
musste. Die Investoren haben sich „für das Gesetz über
Aktivitäten
ausländischer
Agenten und den kürzlich
verabschiedeten Spionageartikel des Strafgesetzbuchs
Seite 9
Wichtiger Treffpunkt für potentielle Investoren: das Davoser Wirtschaftsforum WEF in Davos.
Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
interessiert“, so Kostin.
„Obwohl viele westliche Unternehmer bestätigen, dass
die Investitionen in Russland
ihnen mehr Geld als in China
bringen würden, zieht es sie
in das Reich der Mitte“, sagte
Ruben Wardanjan (Sberbank
CIB). „Dort sind die Arbeitsregeln für Ausländer aus der
Sicht des Eigentumsrechts
viel strikter geregelt. Es ist
klar, was man tun darf und
was nicht.“
Vizepremier Arkadi Dworkowitsch, der ebenfalls an dem
Treffen hinter verschlossenen
Türen teilnahm, will eine
positive Einstellung der aus-
ländischen Unternehmer gegenüber Russland gespürt haben. „Viele sagten, dass sie sich
in Russland sehr wohl fühlen,
mit ihrer Arbeit zufrieden
sind und damit rechnen, dass
wir unsere Verpflichtungen
erfüllen“, betonte er. 35 bis 37
Prozent der FIAC-Mitglieder
(Foreign Investment Advisory Council) (gegenüber sieben
bis acht Prozent im Jahr 2007)
bewerten ihm zufolge das Investitionsklima in Russland
positiv. Vizewirtschaftsminister Sergej Beljakow stellte
fest, dass viele ausländische
Investoren Vorurteile gegenüber Russland haben: „Bei in-
formellen Treffen können die
Unternehmer ihre Vorwürfe
gegen die russische Behörden
nicht formulieren. Wir sollten unsere Entscheidungen
erläutern, damit Russland
nicht unter solchen Klischees
leiden muss.“ Aber auch die
russischen Unternehmer sind
über das Investitionsklima im
Land beunruhigt. „Wir sind
ein Land mit guten Reserven
und unklaren Spielregeln. Solange wir das nicht verstehen,
werden wir uns immer wieder fragen müssen: Warum
sind wir so gut, aber niemand
will bei uns investieren?“, so
Ruben Wardanjan.
rian.- Russland hat seit
Jahresbeginn eine drei Mal
so hohe Inflation aufzuweisen wie die Europäische Union, schreibt die
„Nowyje Iswestija“ unter
Berufung auf das russische
statistische Amt Rosstat.
Die Verbraucherpreise in
den 27 EU-Ländern sind
Ende November 2012 im
Vergleich zum Oktober
um 0,1 Prozent gesunken.
Im Zeitraum von Januar
bis November dieses Jahres
wurde in der EU eine Inflationsrate von zwei Prozent
registriert. In Russland
hat die Verbraucherinflation im November bei 0,3
Prozent und in den ersten
elf Monaten dieses Jahres
bei insgesamt sechs Prozent
gelegen. Die Lebensmittelpreise im November in
Russland sind im Monatsvergleich um 0,4 Prozent
und seit Jahresanfang um
insgesamt 5,8 Prozent gestiegen. In den EU-Ländern
haben sich die Lebensmittel
im November durchschnittlich um 0,5 Prozent und in
den ersten elf Monaten des
Jahres um insgesamt 2,8
Prozent verteuert.
Power Machines
testet Mitarbeiter
auf Alkohol
rian.- Russlands größter
Turbinenbauer Power Machines hat seine Produktionsstätten mit Alkoholdetektoren ausgestattet. Seit
Jahresbeginn wurden 33
Mitarbeiter entlassen, weil
sie im angetrunkenen Zustand zur Arbeit gekommen
waren. Power Machines hat
am Eingang Alkoholtester
eingerichtet, die auf einen
Alkoholgehalt von 0,5
Promille reagieren. Seither
ist die Zahl Betrunkener
deutlich zurückgegangen.
Nach einem Betriebsunfall
geht die Firma hart gegen
Alkoholkonsum vor.
Januar 2013 (Nr. 36)
Vermischtes
Typisch Russland: Wegschauen, Entspannen, nicht Nachdenken
Von Eugen von Arb
sowjetisch-konstruktiv.
Das heisst – es darf ruhig
kritisiert, ja gegeisselt werden, aber dabei ja nicht die
Rechtmässigkeit von Behörden und Regierung anzweifeln! Stets werden die
Schuldigen klar benannt
– und sind sie noch nicht
benannt, so wird sie die
Justiz ganz bestimmt ermitteln und angemessen
bestrafen. Staatsgarantie.
Denken Sie vielleicht, wir
Journalisten suchten Tag
und Nacht nach Problemen,
Widersprüchen und Kritik?!
Ein grosser Irrtum - auch wir
haben es manchmal gründlich satt, uns für andere
das Hirn über den Lauf der
Dinge zu zermartern und
die Probleme der Politiker
zu lösen. Wir sind bisweilen
äusserst harmoniebedürftige
Geschöpfe, auch wenn wir
das gegenüber unseren Kollegen natürlich nicht gerne
eingestehen.
Für solche Momente – ich
habe diesen Koller zwei bis
drei Mal im Jahr - gibt es
in Russland eine herrliche
Möglichkeit: den Rückzug
in die sowjetische “Sessellektüre”. Dann stelle ich mir
vor, ich stände auf der «anderen Seite der Zeitung» und
sei ein biederer sowjetrussischer Bürger, der einfach
“seine Ruhe” haben möchte.
Es genügt, am Kiosk die andere Ecke zu wählen - mal
nicht den kremlkritischen
“Kommersant” oder die aufmüpfige “Nowaja Gazeta”,
Für einen Moment auf der “anderen Seite” der Zeitung sein und
seine “Ruhe” haben. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
sondern stattdessen die loyale “Isvestja” oder die stramme Regierungszeitung “Rossiiskaja Gaseta”. Sie kosten
erst noch viel weniger.
Zuhause wird vom Radio
«Echo Moskvy» - dem «Blitzableiter für unzufriedene
Bürger – auf das handzahme staatliche «Radio Rossii»
umgestellt. Zurücklehnen
und die rosarote Brille aufsetzen, bzw. den rosaroten
Kopfhörer. Fort mit den Milliarden, die im ganzen Land
von korrupten Beamten
unterschlagen werden! Fort
mit Alkoholismus, kaputten
Strassen und Wasserleitungen, Pussy Riot und Chodorkowski!
Wegschauen,
Entspannen und keinesfalls
Nachdenken. Weg vom
Abgrund – alles wird gut!
Die oben genannten Probleme verschwinden nicht
einfach, sondern sie werden lösbar. Auch wird die
Kritik nicht einfach ausgefiltert – sondern sie wird
Das Land funktioniert, ja
funktioniert allerbestens:
Riesige
Krankenhäuser
und Wohnsiedlungen für
Soldaten und Kriegsveteranen, Autobahnen und
Gaspipelines werden eingeweiht. Bestechliche Beamte werden überführt,
Fälscherwerkstätten ausgehoben, Rauschgiftringe
festgesetzt.
Mitten in einer Abhandlung über steigende Geburtszahlen und Renten
will ich schon wohlig einnicken. Wie ein Zelt wölbt
sich die grossformatige
«Rossiiskaja Gaseta» über
mir. Da juckt es mich
plötzlich gottssträflich am
Hintern! Aufwachen!
Der St. Petersburger Herold
mm.- Der St. Petersburger
Herold (Online) ist aus dem
Bedürfnis entstanden, ein
Internet- und Informationsportal für die deutschsprachige Gemeinde von St.
Petersburg zu betreiben.
Um nicht mit der altehrwürdigen St. Petersburgischen Zeitung verwechselt
zu werden, wurde unsere
Online Zeitung “St. Petersburger Herold” genannt.
Die gleichnamige politische Zeitung wurde 1871
als religiös und politisch
unabhängiges Medium von
St. Petersburger Bürgern
deutscher Sprache gegründet.
Der St. Petersburger Herold
wurde in Folge eine bedeutende überregionale Zeitung und wurde von den
Seite 10
Ausweis im Kreditkartenformat,
Standesamt im
Internet
eva.- Petersburger haben
ab Jahresbeginn die Möglichkeit, ihre Krankenversicherung, Führerschein,
Bankkarte, ÖV-Ticket und
später sogar den Personalausweis und ihre elektronische Unterschrift in
einer universellen Karte im
Kreditkartenformat zu vereinen. Federführend in dem
40 Milliarden schweren
Projekt sind die Stadtverwaltung und die Sberbank.
Sicher würde das viele Vorteile bringen. Ob man in der
Lage ist, den erheblichen
bürokratischen Aufwand
für die Realisierung des
Projekts zu bewältigen, wird
sich weisen müssen. Nicht
alle Stadtbewohner haben
die benötigten Ausweise
für den Antrag. Schon jetzt
hinkt man dem Zeitplan
um ein Jahr hinterher. Ein
Internetportal, das ab Jahresbeginn Heiratswilligen
ermöglichen sollte, Datum
und Standesamt für ihre
Trauung zu registrieren, trat
nicht in Funktion.
Impressum
Der St. Petersburger Herold
erscheint einmal monatlich.
Der Inhalt besteht aus Beiträgen der gleichnamigen
Internet-Zeitung
www.
spzeitung.ru.
Redaktion: Markus Müller (mm.), Eugen von Arb
(eva.). Anna Smoljarowa
(smol.), Luisa Schulz (ls.).
Redaktionsadresse:
[email protected]
www.spzeitung.ru
Telefon: 8-921-988-51-19
Der Petersburger Herold
wird unterstützt von:
So sah das Original des “St. Petersburger Herold” aus.
Bild: Ausstellung “Deutsche in St. Petersburg”.
damaligen Leitmedien im
Westeuropäischen Raum
stark beachtet und rege zitiert.
In der liberalen, kritischen
und politisch akzentuierten
Tradition des “alten St. Petersburger Herold” finden
wir unser Leitbild für unsere neue Zeitung.
Der St. Petersburger Herold
ist auch ein „MitmachPortal“ – sie können eigene
Beiträge online Veröffentlichen. Wir bitten Sie von
dieser Möglichkeit rege Ge-
braucht zu machen.
Empfehlen sie uns Ihren
Freunden und Bekannten
weiter, damit der “Herold”
zur besseren Vernetzung
und Information innerhalb der der Stadt beitragen
kann.

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