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Januar 2013 (Nr. 36) Die deutschsprachige Zeitung zum Leben in Piter Kommentar S. 2 >>> Weg mit dem Propiska”Teufelsstempel” Stadtnachrichten S.3 >>> Chodorkowski-Verteidiger Schmidt gestorben Schwerpunkt S. 4 >>> Galerie “Borey” zeigt “Parasiten” Igor Panin www.spzeitung.ru Kultur S. 6>>> Malewitsch und zeitgenössische Künstler Kultur S. 8 >>> Fahrt im “Sapsan” mit Anna Karenina Tausende protestieren gegen “Waisenkinder-Gesetz” Etwa tausend Personen demonstrierten auf dem Marsfeld gegen das so genannte “Dima-Jakowlew-Gesetz“. Polizei und Kundgebungsteilnehmer verhielten sich zurückhaltend. Von Eugen von Arb Es war zu sehen und zu spüren, dass an das Meeting nicht in erster Linie Vertreter der politischen Opposition gekommen waren, sondern einfach besorgte und empörte Bürgerinnen und Bürger, die gegen das Gesetz sind, das Amerikanern verbietet, russische Kinder zu adoptieren. Entsprechend gemischt war das Publikum, das aus vielen älteren Menschen und Eltern mit Kindern bestand, die mit ihren Kindern gekommen waren. Es fehlten die bunten Fahnen der verschiedenen Oppositionsparteien, dafür wehte eine Flagge mit der Aufschrift “die “Die Kinder warten!” - Frauen fordern dazu auf, Kinder zu adoptierten. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold Eltern Petersburgs”. Zudem wurden zahlreiche Transparente hochgehalten. “Für die Zukunft der Kinder!”, “Schafft Voraussetzungen zur Adoption in Russland!”, “Zieht die Kinder nicht die Politik hinein!”, “Lasst den Waisen ihr Recht auf eine Familie, wenn ihr selbst nicht handlungsfähig seid!” – diese Botschaften konnte man in der Menschenmenge lesen. Während der rund einstündigen Kundgebung traten Politiker, Menschenrechtsaktivisten und Eltern adoptierter Kinder ans Mikrophon. Maxim Reznik, der frühere Vorsitzende der Petersburger “Jabloko”-Partei und Stadtabgeordneter sagte, nach der Verabschiedung dieses niederträchtigen Gesetzes durch die Staatsduma sei es peinlich geworden, sich Abgeordneter zu nennen. Seiner Kritik schloss sich ein Vertreter der “Jungen Demokraten” an. Aber keiner von ihnen erhielt soviel Applaus wie der Vater eines adoptierten Mädchen, der schilderte, wie sich das Kind während eines halben Jahres veränderte. “Wir dürfen Vandalen beschmieren Nabokov – Museum Vandalen haben das Wort „Kinderschänder“ auf eine Außenwand des Museums des berühmten russischen Schriftstellers Vladimir Nabokov (1899-1977) in Sankt Petersburggeschmiert, wie die „Gazeta.Ru” schreibt. rian.- Vladimir Nabokov, der fast sein ganzes Leben im Exil verbrachte, hat sich als einer der bedeutendsten Literaten des 20. Jahrhunderts einen Namen gemacht. Er schrieb auf Russisch und Englisch und ist unter anderem für seine Romane „Lolita“ und Das Geburtshaus Nabokovs, an der Bolschaja Morskaja. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold „Die Gabe“ bekannt. Die Museumsleitung hat nach dem Vorfall Anzeige bei der Polizei erstattet. Laut der „Fontanka. Ru“ soll die beleidigende Inschrift, die mit einer Spraydose auf die Hauswand gesprüht wurde, von der „Kosakenorganisation“ stammen, deren Aktivisten bereits in der Nacht zum 9. Januar ein Fenster im Museumsgebäude demoliert und Nabokov Pädophilie vorgeworfen und mit „Gottes Zorn“ gedroht hatten. Zu dem Zwischenfall wurde eine polizeiliche Voruntersuchung eingeleitet. Seit mehreren Monaten gehen beim Nabokov-Museum Briefe mit Anschuldigungen wegen „Pädophilie-Propaganda“ ein. „Es handelt sich dabei um wahnsinnige Auslassungen zum Thema Moral. Hierbei werden erfundene Ereignisse aus dem Leben Nabokovs beschrieben, die mit der Wirklichkeit gar nichts zu tun haben“, so Museumsleiterin Tatjana Ponomarjowa. nicht aufhören, gegen dieses Gesetz zu protestieren, aber nachher gehen wir ins Waisenhaus und lernen unsere Kinder kennen!” Er sprach damit jene an, denen es weniger um die Politik als allein um die Kinder geht. So wie es auf einem Plakat stand: “Jede liebende Familie ist besser als das Kinderheim!” oder “Die Kinder warten!”. Sie riefen dazu auf, sich nicht nur um Politik zu kümmern, sondern selber elternlose Kinder bei sich aufzunehmen. Die Menge verhielt sich bis zum Schluss sehr diszipliniert und löste sich auf, sobald die Organisatoren das Ende der Demo bekanntgegeben hatten. Auch die Polizei – für einmal bloss durch eine Handvoll Beamten vertreten – hielt sich betont zurück. Entlang des Newski-Prospekts standen rund 40 Einzelpiketts - niemand wurde festgenommen. Gergiev wird Münchner Philharmoniker dirigieren rian.- Der russische StarDirigent Valery Gergiev wird 2015 den Posten des Chefdirigenten der Münchner Philarmoniker übernehmen. Der knapp 60-jährige Gergiev, der in Nordossetien aufwuchs, absolvierte das RimskiKorsakow-Konservatorium in Leningrad. Noch vor dem Studienabschluss gewann er 1976 den Karajan-Dirigentenwettbewerb in Berlin. Seit 1988 ist er der Chefdirigent des Kirow-Theaters Leningrad (heute das Mariinski Opern- und Balletttheater St. Petersburg). Januar 2013 (Nr. 36) Westerwelle beschwert sich über Gesetz gegen „Schwulenpropaganda“ rian.Das Vorhaben Moskaus, „Propaganda für Homosexualität“ unter Strafe zu stellen, ruft Außenminister Westerwelle auf den Plan, schreibt der „Spiegel Online“. In einem Gespräch mit dem russischen Botschafter Wladimir Grinin habe er vor einer Belastung für die europäisch-russischen Beziehungen gewarnt, so die Online-Zeitschrift. Der FDP-Politiker, selbst bekennender Schwuler, hatte den Botschafter ins Auswärtige Amt geladen. Dabei kam das umstrittene Gesetzesvorhaben zur Sprache, das am 25. Januar in erster Lesung die Duma passiert hatte. Stadtnachrichten Seite 2 Sowjet- und Weihnachtsnostalgie im GUM eva.- Über und über geschmückt feierte Russland sein Neuejahrsfest, das hier an Wichtigkeit der Weihnacht ihn Westeuropa gleichkommen. Diese beiden Damen probieren das Eis-Sortiment im Moskauer GUM-Kaufhaus und unterhalten sich wohl darüber, dass das “Plombir” von heute nicht an das Eis der guten alten Sowjetzeit herankommt. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold Kommentar: Der “Propiska”-Teufelsstempel, gehört abgeschafft Von Eugen von Arb “Ohne Anmeldung keene Arbeet und ohne Arbeet keene Anmeldung!” – der Kernsatz aus Zuckmayers “Hauptmann von Köpenick” spiegelt die im willhelminischen Berlin die Situation des arbeitslosen Schusters Willhelm Voigt im Teufelskreis der Bürokratie. Immerhin ist seither in vielen Ländern die Verwaltung menschenfreundlicher geworden. Aber in Russland ist trotz vieler Anstrengungen und Reformen noch vieles beim Alten geblieben. Zum Beispiel gibt es noch immer die so genannte “Propiska”, jener Stempel im Pass eines jeden russischen Bürgers, der seine Registrierung an irgendeinem Flecken dieses Riesenlandes nachweist und der das halbe Leben seines Trägers vorbestimmt: wo er in den Kindergarten und zur Schule geht, welche Polyklinik ihn behandelt, wo er Steuern zahlt usw. Die “Propiska” ist ein richtiger Teufelsstempel, der viel böses Blut schafft. Kaum eine russische Familie, in der es nicht schon Streitigkeiten gegeben hat, weil in der Wohnung die Schwiegertochter oder der Schwiegersohn registriert wurde, bzw. weil ihnen das verweigert wurde. Das hat seine Gründe: So lässt sich eine Wohnung, in der jemand registriert ist, praktisch nicht verkaufen, und wer einmal registriert wurde, lässt sich nicht so einfach auf die Strasse setzen. Denn wer keine “Propiska” hat, kriegt keinen Pass und existiert nicht auf dem Papier. Ausserdem ist die “Propiska” eine Prestigsache – Leute, die eine Petersburger oder Moskauer Propiska im Ausweis tragen, gehören einer höheren Kaste an als jemand aus der Provinz. Noch heute verlangen viele Arbeitgeber in den Grossstädten eine Registrierung in der Stadt, wenn sie eine Stelle vergeben, weil sie sich bürokratischen Aufwand ersparen wollen. Der untersten Kaste gehören natürlich die Fremdarbeiter aus den ehemaligen Sowjetrepubliken an, die zu hunderttausenden von russischen Bauunternehmen an- Instrument gegen die Landflucht in der Sowjetunion, gehört abgeschafft. Dieser Gesetzesmechanismus ist nicht nur in menschlicher und juristischer Hinsicht fragwürdig, sondern trägt auch die Mitschuld am bürokratischen Wasserkopf Russlands und einer seiner übelsten Folgen – der Korruption. Arbeiten oft ohne gültige Papiere – ausländische Bauarbeiter auf russischen Baustellen. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold geheuert werden. Neben der Skrupellosigkeit der Firman führt auch der bürokratische Dschungel dazu, dass sie grösstenteils illegal wohnen und arbeiten. Verfügen sie über Papiere, so sind sie oft “gekauft”, bzw. gefälscht. Ein Trick der illegalen Anmeldung besteht darin, die Menschen allesamt in einer einzigen Wohnung zu registrieren, in die sie physisch nicht einmal gestappelt hineinpassen würden – diese Wohnungen werden im Volksmund “Gummiwohnungen” genannt. In Wirklichkeit wohnen die Arbeiter in einer Baracke unter teilweise menschenunwürdigen Umständen. Ein neuer Gesetzesentwurf von Präsident Putin soll die Strafen für solche missbräuchliche Registrierungen stark verschärfen und sieht hohe Bussen oder gar jahrelange Zuchthausstrafen für Gesetzesbrecher vor. Zwar gibt es in der Staatsduma immer noch Leute, die solche Methoden befürworten und Repressionen gegenüber Migranten sind auch hier populär. Wie die Praxis jedoch beweist, führen solche restriktiven Methoden nur zum endgültigen Abtauchen der Betroffenen in die Illegalität. Das Gegenteil wäre nötig: Die Propiska, einst wichtiges Diese Regelung lähmt die Entwicklung des Landes und isoliert Menschen und Regionen. Sie behindert die Mobilität, die zu einer modernen Gesellschaft gehört, und macht das Land für Investoren unattraktiv, vor allem in den Provinzregionen. Kurz: Die “Propiska” ist im Prinzip wirtschaftsschädigend. Parallel zur Umstellung auf eine flexiblere WohnsitzLösung – bewährte Modelle gibt es genug – sollte das Mietrecht verbessert werden. Wären die Mieter nicht länger rechtlos, würde sich auch die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannen und die letzten Kommunalwohnungen würden sich von selbst auflösen. Januar 2013 (Nr. 36) Stadtnachrichten Chodorkowski-Verteidiger Juri Schmidt gestorben In der Nacht auf den 12. Januar starb der Petersburger Advokat und Menschenrechtsaktivist Juri Schmidt mit 76 Jahren an Krebs. Er wurde vor allem als Verteidiger des Ex-Yukos-Chefs Michail Chodorkowski international bekannt, erhielt aber auch für sein gesellschaftliches Engagement hohe Auszeichnungen. Der 1937 geborene Schmidt schloss 1960 sein Rechtsstudium an der Leningrader Universität ab und sammelte in vielen Strafrechtsprozessen Erfahrung als Rechtsanwalt. Er stand der Dissidentenszene nahe und war unter anderem mit dem Dichter Jossip Brodsky befreundet. Ausserdem beteiligte er sich an der Herausgabe illegaler Bücher und Zeitschriften (Samisdat). Auf- Juri Schmidt an einer Protestkundgebung von Studenten. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold grund falscher Beschuldigungen wurde er 1986 aus dem Advokatenkollegium ausgeschlossen, ein Jahr später jedoch rehabilitiert. Ende der Achtzigerjahre und anfang Neunzigerjahre setzte er sich in einer Reihe schwieriger Gerichtsfälle ein. Unter anderem verteidigte er den usbekischen Journalisten und Menschenrechtler Abdumannob Pulatow, der wegen Beleidigung des Präsidenten der Ex-Sow- jetrepublik Islam Karimow angeklagt war. Nach der Ermordung der Petersburger Stadtpolitikerin Galina Starowoitowa 1998 übernahm er die juristische Vertretung von deren Familie während des Verfahrens. 1999 gelang es dank seiner Verteidigung für den wegen Spionage verurteilten Ex-Marineoffizier und Umweltaktivisten Alexander Nikitin, der über die Entsorgung von Atommüll berichtet hatte, einen Freispruch zu erlangen. 2003 geriet Schmidt als Verteidiger des einst reichsten russischen Oligarchen und Chef des Yukos-Konzerns Michail Chodorkowski und seines Geschäftspartners Platon Lebedew von Menatep ins internationale Rampenlicht. Beide wurden in umstrittenen international kritisierten Prozessen zu langen Haftstrafen verurteilt. Auch im zweiten Chodorkowski-Prozess von 2009 gelang es Schmidt nicht, seinen Mandanten freizubekommen. Neben seinen Aufgaben als Jurist setzte er sich für die Menschenrechte in Russland ein und war Mitbegründer der Organisation “Bürgerkontrolle” (Graschdanski Kontroll). Er organisierte Vorträge und Kongresse und publizierte zahlreiche Artikel. Auch für weniger Petersburger Jabloko-Partei vom Spaltpilz befallen Wegen eines Streits um die Sitze zweier Abgeordneter, die angeblich ihre Mandate dank Wahlfälschung erhalten haben sollen, hat sich die Petersburger Jabloko-Partei gespalten. eva.- Der Streit begann bereits nach den Wahlen und eskalierte im Dezember als ein Teil der Parteimitglieder die beiden Abgeordneten Olga Galkina und Wjatscheslaw Notjag beschuldigten, ihre Parlamemtssitze dank Wahlmanipulationen erhalten zu haben und die Abgabe ihrer Mandate forderten. den traten darauf aus der Partei aus. Weitere 22 Partei-Mitglieder, darunter der frühere Petersburger Vorsitzende Maxim Resnik wurden kurz darauf ausgeschlossen, weil sie die Massnahmen gegen Galkina und Notjag nicht Zentrale Figur der Petersburger Jabloko-Partei: Maxim Reznik wurde ausgeschlossn. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold unterstützt hatten. Nun sind den Ausgeschlossenen weitere 21, zum Teil langgediente Mitglieder gefolgt. Zwar liess der Jabloko-Parteichef Sergei Mitrochin verlauten, er befürworte ihren Rücktritt, denn mit Menschen, die Wahlfälschungen unterstützten, habe man nichts gemeinsam. Aber die Austritte bedeuten für die Petersburger Sektion eine starken Aderlass, denn sie verliert viele bewährte alte Kämpferinnen und Kämpfer, die teilweise seit den Neunzigerjahren dabei waren. Es gibt Stimmen, die behaupten, die Intrige sei von Parteigegnern inszeniert worden, um die Opposition auszuschalten. Die Jabloko-Partei war nach einer Pause wâhrend der Wahlperiode 2007/2011 erst im vergangenen Jahr wieder ins Petersburger Parlamemt eingezogen. Auch der Parteigründer und langjährige Jabloko-Vorsitzende Grigori Jawlinski wird beschuldigt, zu wenig zur Schlichtung des Konflikts getan zu haben. Oxana Dmitrjewa, DumaAbgeordnete und Chefin der Petersburger Sektion von “Gerechtes Russland” gab in einer inoffiziellen Erklärung bekannt, ihre Partei sei bereit, jene ausgeschlossene JablokoMitglieder aufzunehmen, die sich mit der Ideologie ihrer Partei identifizieren könnten. Dmitrjewa kennt Maxim Resnik seit vielen Jahren und war selbst Jabloko-Mitglied bis 1998. Seite 3 prominente Veranstaltungen nahm er sich Zeit – zum Beispiel trat er 2005 an einer Protestveranstaltung der “Ohne-Putin-Gehenden” unter der Leitung des Studenten Michail Obosow in Petersburg auf (siehe Bild). Im selben Jahr wurde von der russischen Anwaltsvereinigung der Antrag auf Ausschluss Schmidts gestellt, der jedoch von einer Fachkommission der Petersburger Anwaltskammer zurückgewiesen wurde. Schmidts Engagement und sein Mut wurden im Inund Ausland anerkannt. Schmidt erhielt zahlreiche Auszeichnungen, so von der Menschenrechtsorganisation Human Right Watch und von der internationalen Menschenrechtsliga. Er erhielt die höchste russische Auszeichnung für Juristen “Femida” und das deutsche Bundesverdienstkreuz. Pressefreiheit: Russland auf Platz 148 herabgestuft rian.- Die Lage der Pressefreiheit in Russland hat sich verschlechtert, schreibt der „Kommersant“. Das geht aus einem Bericht der Organisation Reporter ohne Grenzen hervor. Russland wurde von Platz 142 auf Platz 148 herabgestuft. Die Experten verknüpfen den negativen Trend mit der Rückkehr Wladimir Putins ins Präsidentenamt. „Die jüngste Verschärfung der Repressalien war die Antwort auf eine beispiellose Welle von Oppositionsprotesten“, so die Verfasser des Berichts. „Inakzeptabel ist auch, dass Drahtzieher von Morden und Überfällen auf Journalisten immer noch ungestraft davonkommen.“ Die Organisation Reporter ohne Grenzen mit Sitz in Paris engagiert sich für die Pressefreiheit und die Bekämpfung der Zensur. Januar 2013 (Nr. 36) Kultur Seite 4 Igor Panin: Geschichte als Scherbenhaufen Der Künstler, Designer und Kurator Igor Panin hat mit seiner Werkgruppe “Alles aufgegessen” eine Ausstellungsreihe der Galerie “Parasit” in der Galerie “Borey” eröffnet. Die “Galerie in der Galerie” gibt den Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit, sich von einer ganz anderen Seite zu zeigen. Von Eugen von Arb So chaotisch und destruktiv die Neunzigerjahre heute vielen Russen erscheinen, so kreativ und produktiv waren sie in der Kultur. In Petersburg und anderen russischen Städten bildeten sich damals Künstlervereinigungen, die teilweise bis heute bestehen. Ihre Namen zeugen oft von Auflehnung, Protest und Suche nach etwas Neuem – typisch für die Zeit der “Postperestroika”: “Prothese”, “Schwere Kunst” oder “Die neuen Dummen”, ein verwegener Haufen, zum dem der Ukrainer Igor Panin gehörte, der nach seiner Ausbildung als Maschineningenieur eine Kunstausbildung an der Petersburger Muchina-Akademie absolviert hatte. Sie versuchen neue Wege in der Kunst zu finden und Antworten auf das aktuelle Geschehen. So servierten sie ihrem Publikum als eine Reaktion auf den Krieg in Jugoslawien eine “Blutmahlzeit”, indem sie die tiefrote Borsch-Suppe direkt auf das blütenweisse Tischtuch statt auf in die Teller leerten. Trotz dieser Erneuerungsversuche war die russische Kunst damals noch stark akademisch geprägt, und auch Ausstellungsfläche für alternative Kunst fehlte. Die Galerie “Borey” gehörte zusammen mit dem Kul- Alles aufgegessen: Manchmal ist das Leben wie ein grosses Bankett - die einen fressen und saufen, die anderen müssten den Tisch abräumen und sich mit den Resten begnügen. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold turzentrum “Puschkinskaja 10” die ersten Podien für Andersschaffende. Mit Unterstützung der “Borey”-Leiterin Tatiana Ponamorenko wurde damals die Galerie “Parasit” – ein Nutzniesser im Korridor der grossen Galerie gegründet. Alle zwei Wochen ein neuer “Kunst-Vektor” Alle zwei Wochen treffen sich die Künstler in der Galerie und geben ein neues Thema heraus. Innerhalb einer Stunde ist der neue Vektor vorgegeben. “Die wichtigsten Unterschiede zu einer üblichen Galerie sind das Fehlen eines Künstler-Rats und die Tatsache, dass hier jeder seinen ganz persönlichen Standpunkt zeigen kann”, erklärt Panin. “Viele der Ausstellenden sind als akademische Künstler bekannt geworden und können hier etwas völlig anderes machen, so zum Beispiel der Theaterkünstler Alexander Schischkin. Jeder hat die Möglichkeit etwas gegen den Strom zu schwimmen, was Genre, Stil und Technik anbelangt”, so Panin. Nun feiert die “Untermieter-Galerie” ihr 10-JahreJubiläum, Grund genug für eine Ausstellungsreihe im kleinen Ausstellungssaal der Galerie. Panin, der in den letzten Jahren mehr hinter der Kulisse als Designer oder Kurator von Ausstellungen gearbeitet hat, ist wieder einmal in den Vordergrund getreten. Ständiges Zerbrechen Sein Objekt “Alles aufgegessen” ist so einfach wie gehaltvoll. Ein Tisch, beleuchtet von einer mickrigen Glühbirne, in deren Schein dutzende zerbrochener Bierflaschen liegen. Braun und grün leuchten die schartigen Splitter der “Baltika”-, “Newskoe”- und “Stepan Rasin”-Flaschen – scharf und bedrohlich auf der einen Seite, filigran und schmuckvoll auf der anderen Seite. “Für mich ist das der russische Existenzialismus”, kommentiert Panin. “Ein Bild Russlands, ein ständiges Zerbrechen, ein Scherbenhaufen.” Beim Anblick der messerscharfen Flaschenhälse kommen einem Gedanken an Aggression, Schlägereien und Tod am Säufertisch. Eigentlich lässt sich dieses Trümmermodell aber auch auf die ganze Weltgeschichte anwenden: Die Menschheit, die alles leerfrisst und -säuft und die Reste einfach liegen lässt, verantwortungslos und ohne Rücksicht auf die Folgen, Generation für Generation. Alles aufgefressen. Der nächste “Parasit”: Iwan Tusow Als nächstes betrat schon der nächste “Parasit” Iwan Tusow mit seiner Werkreihe “Lenin ist der Nikolaus” die Szene. Mit seiner Computergrafik nimmt er Lenin und seine Verklärung als Menschenfreund in der Sowjetzeit mit einem Satire-Märchen aufs Korn. “Lenin hatte Kinder sehr gern. Als er noch kein Grossvater war, sondern jung war, das war noch vor der Revolution, verdiente er sich als Nikolaus etwas dazu. Aber nachher hatte Lenin sehr viel zu tun. Es vergingen viele Jahre. Aber der Wunsch, Nikolaus zu sein, verliess ihn nicht…” So schreibt der Künstler zu seinen kleinen Bildern, auf denen Lenin-Nikolaus als eine Art Lego-Männchen abgebildet wird. “Deshalb ist Lenin im Gedächtnis von Millionen von Bürgern der Nikolaus, der uns jedes Jahr besucht und unsere Welt in ein Märchen verwandelt.” Galerie Borey, Liteiny Prospekt 58, Tel. 275-38-37, Dienstag bis Samstag von 12.00 bis 20.00 geöffnet, Eintritt frei. www.borey.ru Januar 2013 (Nr. 36) Deutsch-Russisches Begegnungszentrums Kultur Seite 5 Die Inhaberin der «Türengalerie» hat ein Zuhause 5. Februar 18.30. Moderne Kunst. Berliner Squats. Referentin Anastassia Pazei, «Puschkinskaja 10». Auf Russisch. Eintrittsgebühr. 7. Februar 18.30. Vortragsreihe «Kunstdenkmäler». Linienkunst : Deutsche Gravüre des XV.-XVI. Jh. Beginn und Blütezeit. Referentin Swetlana Muraschkina, wiss. Mitarbeiterin der Eremitage. Auf Russisch. 14. Februar 18.30. Vortragsreihe «Mit Goethe durch Italien». Napoli. Die Sonne von Süden. Referent Alexei Leporck, wiss. Mitarbeiter der Eremitage. Auf Russisch. Eintrittsgebühr. 21. Februar 18.30. Vortrag «Die Deutschen in der Geschichte der russischen Flotte: Biographien und Schicksale». Littke. Referent Dmitri Kopelew. Auf Russisch. 22. Februar 18.30. Die Petersburger Deutschen. Internationaler Tag der Muttersprache. Moderation: Dr. Hist. Irina Tscherkasjanowa. Auf Russisch und Deutsch. 23. Februar 18.00. Theater zum 150. Geburtsjahr von Gerhardt Hauptmann. Theatertruppe «Petersburger Deutsche». Leiter Iwan Preis. Auf Russisch. 28. Februar 18.30. Eine Podium «250 Jahre Deutsche Kolonien in Petersburg. Historische Authentizität: Sammeln und Interpretation von Information». Leiterin Irina Tscherkasjanowa. Auf Russisch. Deutsch-russisches Begegnungszentrum, Newski Pr. 22-24. Tel. 570-40-96. Eintritt frei. www.drb.ru eva.- Ewgenia Konowalowa, die Inhaberin der beiden kleinen Galerien “Tür” und “Gewächshaus” im Kulturzentrum Puschkinskaja 10 hat ein Atelier erhalten. Somit hat sie nach vielen Jahren als “obdachlose” Künstlerin wieder einen festen Arbeitsplatz. Konowalowa gehörte zu jenen Künstlerinnen und Künstlern, die ab 1994 die Liegenschaft an der Puschkinskaja 10 friedlich besetzt hielten und als Arbeits- und Ausstellungsfläche benutzten. Die Künstlerin weiht ihr Atelier zusammen mit einer neuen Ausstellung in der “Tür” ein, die den Titel “Die alte Schlangenhaut” trägt. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold 9. Februar, 17.00. Galerie “Dver”, Kulturzentrum “Puschkinskaja 10″, Puschkinskaja ul. 10, Eingang: Ligovski Prospekt 53.. Eintritt frei. Schwarzweisser Chronist der Leningrader Blockade Am 27. Januar jährte sich die wiederum die Aufhebung des Belagerungszustandes von Leningrad 1944. Diesem glücklichen und zugleich traurigen Datum widmet das städtische Skulpturenmuseum eine Ausstellung mit Litografien von Anatoli Kaplan (1903-1980). eva.- Dem schrecklichen Ereignis der Leningrader Blockade (1941-44) – einem Trauma, das bis heute wirkt – sind immer wieder Veranstaltungen gewidmet. Dem Ende des grossen Hungers, dem hunderttausende von Menschen zum Opfer fielen, widmet das städtische Skulpturenmuseum eine Ausstellung mit Bildern Anatoli Kaplans aus den Jahren 1944 bis 1956. Kaplan erlebte den An- Stellte 70 Drucke zur Verfügung: der Sammler Isaal Kuschnir (zweiter von rechts). Bild: Eugen von Arb fang dieser Tragödie und überlebte die ersten und schwersten Monate in der abgeschnittenen und beschossenen Stadt bevor er 1942 in den Ural evakuiert wurde. Ebenso sah er das Ende als er 1944 in die freie Stadt zurückkehrte und langsam wieder zum Le- ben erwachte. Seine in feinen Grautönen gehaltenen Grafiken entsprechen nicht dem heroisch-pathetischen Ton der offiziellen Kriegskunst. Es sind viel eher stille Ansichten eines scheuen Spaziergängers. Doch die festgehaltenen Momente sind wichtig, lebenswichtig für einen echten Leningrader wie Kaplan, der seine Stadt liebte. Unspektakulär, aber ergreifend ist der Moment als die Strassenbeleuchtung wieder eingeschaltet wurde. Für die ausgehungerten Menschen, die jahrelang in verdunkelten Wohnungen sassen ein Freudenfest. Ebenso festlich der Augenblick als das zum Schutz vor Bomben verpackte Standbild Peters I. wieder hergestellt wurde. Das Besondere an der Ausstellung ist, dass sie nicht nur die Düsternis der Blokade, sondern ebenso ihr Ende und die Zeit danach erzählt, die von Hoffnung und Freude über den Wiederaufbau geprägt sind. Bis 3. März. Ausstellungssaal des städtischen Skulpturenmuseums, Newski Prospekt 179/2. Eintritt 50-100 Rubel. Тel. 314-12-14. www.gmgs.ru Januar 2013 (Nr. 36) Kultur Stelldichein am Nullpunkt der Form Die Zürcher „Galerie Nadja Brykina“ präsentiert in der Ausstellung „Metageo – Aura Malewitschs und zeitgenössische russische Kunst“ Werke von 28 russischen Künstlern mehrerer Generationen, die die ganze Bandbreite der Inspirationen von Malewitschs suprematistischem Werk zeigen. tk.Die Ausstellung wurde vom Direktor des Staatlichen Zentrums für zeitgenössische Kunst in Moskau Leonid Bazhanov kuratiert. Er äusserte sich zu den ausgestellten Arbeiten: „…Alle diese Werke in unserer Wahrnehmung auf verschiedene Weise in dem von Malewitsch gezeugten Raum eingeschlossen. Dieser Raum ist wie aus dem Urknall entstanden – nachdem Malewitsch die Geometrie befreit hat. Deshalb heisst auch die Ausstellung „Metageo“. Malewitsch und seine Nachfolger Kasimir Malewitsch hat als Künstler, Kunsttheoretiker und Begründer des Suprematismus die russische Avantgarde zwischen 1915 bis 1925 wesentlich mitgeprägt. In seinem Aufsatz „Vom Kubismus und Futurismus zum Suprematismus“ schrieb Malewitsch 1916 programmatisch: „Ich habe in der Null der Formen eine neue Gestalt gefunden und bin über die Null hinaus zum Schöpferischen gelangt, d. h. zum Suprematismus, zum neuen Realismus in der Malerei – zum gegenstandslosen Schaffen“. Sein berühmtes „Schwarze Quadrat“ (1913) als Inbegriff der gegenstandlosen Kunst war revolutionär. Die Künstler der Avantgarde wie Rosanowa, Tatlin, Lebedew, Rodtschenko waren einadersetzung mehrerer farbigen Vierecke ebenfalls die Wechselbeziehung von Farben und Formen und den dadurch entstehenden Rhythmus aus. „Faktura“ als neues Gestaltungsprinzip Marlen Spindler: Collage, Tempera auf Papier. Bild: PD von der suprematistischen Malerei Malewitschs stark beeinflusst. Die westlichen Künstlergenerationen liessen sich ebenfalls vom Malewitsch Schaffen inspirieren: Man denke an Minimal Art, Konzeptkunst oder Konkrete Kunst. Russische Museen haben jedoch zum Malewitschs Werk und seiner Nachfolger lange Zeit ein eher diffiziles Verhältnis gezeigt: Von den 30ern bis in die 90er fristeten diese ein Schattendasein in den Museumsdepots. die Auseinandersetzung der Künstler mit dem Verhältnis der geometrischen Formen zum Bildraum. Sie setzen Flächen und Linien nebeneinander, woraus ein komplexes Gewebe entsteht. In der „Komposition“ (1980) von Eduard Steinberg werden die Geschwindigkeit und Richtung thematisiert. Diese Bilder evozieren das Gemälde von Malewitschs „Suprematismus“ (1916), in dem die Farbflächen und Linien schwerelos im Bildraum schweben. Komplexes Gewebe Russische Ikone und Suprematismus Noch im Ausstellungskatalog „Sowjetische Kunst der 20er und 30er Jahre“ des Russischen Museums in Leningrad von 1988 finden sich lediglich zwei suprematistische Porzellanstücke von Malewitsch (eine Tasse und Teekanne), aber keines seiner Gemälde. Daher können bis heute „Neuentdeckungen“ verkündet werden. Umso spannender erscheint die sehr heterogene Ausstellung „Metageo“ aus den 28 Künstlern, die sich auf die suprematistische Ästhetik Malewitschs beziehen. In „Ananas in Champagner“ (1978) von Marlen Spindler oder in der „Grossen Konstruktion“ (1998) von Vladimir Andreenkov findet sich beispielsweise Der Suprematismus gründet unter anderem auf der Bildtradition der Ikone, in der das Kultbild als geistiges Konzept aufgefasst wird. Malewitsch sah stets in seinen suprematistischen Bildern eine metaphysische Dimension. Ihn inspirierte ebenfalls die Malweise der Ikone in der Verwendung der reinen Farbe, flächig nebeneinander aufgetragen, in der grafischen Darstellung der Figuren und des Raums. Die horizontalen Farbstreifen der „Komposition“ von Andrey Krasulin in ihrem dynamischen Rhythmus erinnern stark an „Das rote Haus“ von Malewitsch. Mikhail Krunov in „Zyklus“ (1995) lotet in seiner Neben- Mit dem Ausdruck „faktura“ entwickelt die russische Avantgarde ein neues Gestaltungsprinzip, bei dem Raum, Bildoberfläche und Material zentral sind. “Weisses Quadrat“ (2007) von Alexander Julikov repräsentiert eine raue „faktura“ – das Quadrat aus den zusammengesetzten vier Vierecken, deren Maloberflächen dicht weiss bemalt und geritzt sind. Gleichzeitig spielt der Titel “Weisses Quadrat“ subversiv an das „Schwarze Quadrat“ von Malewitsch an. Mit den Gestaltungsmitteln der „faktura“ arbeiten auch Vladimir Andreenkov in seinem Bild-Objekt „Weisses Relief“ (2000), das aus den weiss und dunkelblau gefärbten Holzflächen besteht, oder Igor Vulokh im Bild „Kubus“ (1970), in dem er mit dem pastosen Malauftrag voluminöse Trennlinien bildet, die die Bildtiefe erzeugen. Keine Erstarrung vor Malewitsch Einige Künstler in ihrer Anlehnung an Suprematismus scheinen auf der dekorativen Ebene zu bleiben. Die Mehrheit der ausgestellten Arbeiten zeugt jedoch nicht vom Zustand der ehrfurchtsvollen Erstarrung vor Malewitschs Werk, sondern balanciert leichtfüssig zwischen der Bewunderung und Hinterfragung, was diese Werkgruppe so spannend macht. Bis am 26. Februar. Galerie Nadja Brykina Zürich: „Metageo – Aura Malewitschs und zeitgenössische russische Kunst“. Sihlstrasse 91, Zurich, Tel. +41 44 222 05 05. www.brykina.ch Seite 6 Im Gebiet der Stille pd.- Ausstellung mit Bildern des russlanddeutschen Künstlers Piotr Dyk. Die Retrospektive zeigt das Spätwerk des bekannten Malers. Rund 80 Bilder aus der Sammlung des Staatlichen Russischen Museums und aus Familienbesitz sind im Stroganowpalast ausgestellt. Die mit Kohle- und Pastellkreide gezeichneten Werke Piotr Dyks sind von lakonischer Einfachheit, was Komposition und Farbgebung anbelangt. Gleichzeitig sind sie von einem stark individuellen Stil geprägt. Einsamkeit und Abgeschiedenheit, welche in den meisten Bildern zu spüren sind, spiegeln das schwere Schicksal der Russlanddeutschen. Bis 11. Februar Eintritt: 150- 350 Rubel. Stroganow-Palast, Newski Pr. 17, Tel. 312-91-96. www. rusmuseum.ru Overbeck restauriert Ausstellung mit restaurierten Werken von Friedrich Overbeck (1789-1869) und Vigilius Eriksen (1722-82). «Das Sakrament der Beichte» von Friedrich Overbeck entstand 1864. Overbeck fertigte 1862 in Rom Vorlagen zu den sieben Sakramenten für Teppiche an, die jedoch nicht ausgeführt wurden. Damals bestellte Graf Wladimir OrlowDavidow beim Künstler ein monochromes Gemälde nach der dritten Vorlage, das 1864 nach Moskau geliefert wurde. 1865 schenkte es der Graf dem Rumjanzewski-Museum, von wo es nach 1917 ins Museum der schönen Künste und von dort aus 1933 in die Eremitage kam. Bis 6. Mai. Eintritt: 100-400 Rubel. Eremitage, Nikolajewski-Saal, Dvorzowaja nab. 34. Tel. 710-9079. www.hermitage.ru Januar 2013 (Nr. 36) Bücherausstellung “Deutsche Kultur(en)” pd.Kulturen in Deutschland sind nicht gleichbedeutend mit deutscher Kultur. Neben dem Klischee von Weißwürsten und Lederhosen, kennt man in Deutschland auch Döner und original italienische Pizza. Doch auch über das Essen hinaus ist Deutschland „multikulti“. Passend dazu präsentiert die Bibliothek des GoetheInstituts im Februar Literatur über die Vielfalt der Kulturen in Deutschland. Die ausgewählten Texte sind zum Teil von Autoren mit Migrationshintergrund geschrieben, behandeln das Leben der Migranten in Deutschland, beschäftigen sich mit verschiedenen Kulturen in Deutschland oder erforschen einfach fremde Länder und ihre Kulturen aus deutscher Sicht. Neu in der Bibliothek ist unter anderem der Debüt-Roman «Der Russe ist einer der Birken liebt» der deutsch-russischen Autorin Olga Grjasnowa. Sie wurde 1984 in Baku geboren und kam 1996 zusammen mit ihren Eltern nach Deutschland, wo sie Deutsch lernte und in Frankfurt am Main die Schule besuchte. Nach einem Kunstgeschichtsund Slawistik-Studium in Göttingen wechselte sie an das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig. Sie erhielt unter anderem Stipendien der Rosa-LuxemburgStiftung und der BoschStiftung. 2012 erschien ihr Erstlingswerk, und im selben Jahr erhielt sie den Anna Seghers-Preis, den Klaus-Michael-KühnePreis sowie das HermannLenz-Stipendium. Bis 28.Februar. Bibliothek des Goethe-Instituts St. Petersburg, Nab. reki Mojki 58, 1. Etage. Eintritt frei. Tel. 363-11-25. www.goethe.de/stpetersburg Kultur Heute Museumsbesucher - morgen Künstler Seite 7 eva.- An der Finissage der Ausstellung “Zeitgenössisches Kreativ” im städtischen Skulpturenmuseum griffen Besucher und Künstler selbst zum Pinsel und bemalten Kartons auf der Rückseite der Ausstellungsvitrinen. Mit dem Motto “Heute bist Du Museumsbesucher - morgen selbst ein Künstler!” sollte das Publikum angespornt werden, selbst kreativ zu werden. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold «KURZ & GUT III» pd.- Deutsche Animationsfilme mit Begleitprogramm. Zum ersten Mal präsentieren das Goethe-Institut St. Petersburg und das Deutsche Kulturzentrum in Petrosawodsk zeitgenössische deutsche Animationsfilme. Alle Film-Liebhaber sind dazu eingeladen, sich die farbenfrohsten und frechsten Animationsfilme der letzen Jahre anzusehen, welche in der Tradition von Lotte Reiniger und Oskar Fischinger stehen und von den vielversprechendsten jungen deutschen Animateuren produziert wurden. Alle Filme wurden mit Preisen internationaler Filmfestivals ausgezeichnet, unterscheiden sich aber in Technik und in den Themen stark voneinander: Von Zeichnungen, über Knete, Kollagen bis hin zur Computeranimation ist alles vertreten. Am 1. Februar ab 18 Uhr lädt der Kurator des Projekts Ilja Maksimow ein zu einem Gespräch über Animation. Dabei wird Maksimow über die Geheimnisse der Entstehung eines Animationsfilms sprechen – von der Idee bis zur Finanzierung – enthüllen und zu guter Letzt nützliche Tipps an diejenigen geben, die sich auch mal in diesem Genre ausprobieren möchten. Für Zuschauer ab 18 Jahren geeignet. 1./2. Februar 18.00 Mediazentrum „VYHOD“, Prospekt Karla Marxa 14, Petrosawodsk. Eintritt frei. www.goethe.de/stpetersburg «Licht und Schatten» pd.- Ausstellung im Rahmen des Deutschlandjahres in Russland. Die Ausstellung mit Skizzen und Fotografien aus dem Museum der Stadt Tübingen ist dem Schaffen der berühmten deutschen Regisseurin und Künstlerin, Lotte Reiniger, gewidmet. Sie erfand die Silhouettenanimation, bei der man Silhouetten ausschneidet und sie dann auf eine Glasoberfläche legt, die von unten angeleuchtet wird. Danach fotografiert man Bild für Bild, indem er vorher die Silhouetten bewegt und damit die Details auf dem Bild verändert. Lotte Reiniger hat diese Technik perfektioniert – ihre Arbeit ist filigran, elegant und aussagekräftig. Bis zum heutigen Tag üben ihre Filme mithilfe ihrer unübertroffenen Ästhetik auf die Zuschauer einen betörenden Effekt aus. Die Grundlage aller Filme von Reiniger bilden märchenhafte Erzählungen. Auf der Ausstellung werden die folgenden Filme gezeigt: Das Ornament des verliebten Herzens (1919), Die Abenteuer des Prinzen Ahmed (1926), Papageno (1935), Der Froschkönig (1952). 15. Februar bis 10. März Mediazentrum „VYHOD“, Prospekt Karla Marxa 14, Petrosawodsk. Eintritt frei. www.goethe.de/stpetersburg Januar 2013 (Nr. 36) Schwerpunkt Im Sapsan mit Anna Karenina – eine Silvesterfahrt Von Eugen von Arb Sapsan, vorderster Wagen, Business-class – ich bin eingeladen, einmal ganz vorne zu fahren. Für mich ist es die erste Fahrt überhaupt im Sapsan. Dieser Schienenjet von Siemens hat Russland ein halbes Jahrhundert vorwärtskatapultiert. Schon einmal gab es das – im 19. Jahrhundert war es auch die Bahn, die Russland den verspäteten Fortschritt brachte. Auf derselben Strecke zwischen den beiden eifersüchtigen Schwestern Petersburg und Moskau – nur war die erstere damals Hauptstadt. Noch im Sitzen schüttle ich den Kopf – der Zug gehört eindeutig ins 21. Jahrhundert, aber das Ritual mit der Billetkontrolle vor der Tür auf dem Perron ist zweifelsfrei 19. Jahrhundert. Unweigerlich kommt mir Tolstois Roman “Anna Karenina” in den Sinn – die Szenen in der Eisenbahn und an den Bahnhöfen der Hauptstädte. Die Eisenbahn mag zwar bloss Kolorit sein in diesem Buch, aber ein wichtiger – und er ist das einzige, was mir in Erinnerung geblieben ist. Richtig: Am Moskauer Bahnhof begegnen sich Karenina und Vronski zum ersten Mal. Anna Kareninas Sprung vor den Zug in den Tod ist das Final ihrer Beziehung. Mit leisem Rucken und Knarren fährt der Zug los – drei Stunden Geisterbahn liegen vor mir. Im Innern bietet der Zug für Westler nichts Neues - wer schon im ICE oder TGV gesessen ist, findet sich problemlos zurecht. Grossraumkabine, harte Ledersessel – in der Businessclass mit Bedienungspersonal, Gratis-Wifi und warmer Mahlzeit, in der Holzklasse ohne Klimbim. Die meisten Fahrgäste verkriechen sich in ihr Ipad oder Am Ziel - über dem Sapsan-Zug am Leninggrader Bahnhof leuchtet Moskaus ZuckerbäckerArchitektur . Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold den Laptop. Rausschauen macht wenig Sinn, der Zug ist in eine Schneewolke gehült – wie ein Schleier, der versteckt, was man nicht sehen soll. einen Nachgeschmack von russischem Salat “Olivier”, Siebzigerjahren und halbsüssem “Sowjetskoje Champanskoje”. Nur während der Minutenhalte, wie zum Beispiel in Twer bricht dann die russiche Rückständigkeit mit ganzer Wucht in den Wagen. Kulis mit zum Platzen gefüllten Plastiktaschen ziehen über den notdürftig vom Schnee geräumten Perron. Frauen in Kopftüchern und struppigen Pelzmänteln verstellen mit ihren riesigen verschnürten Ballen oder Schachteln die schmalen Gänge im Wagen. Dahinter die Kulisse der russischen Provinz – ein Supermarkt im Billigbau, windschiefe Bauernhäuser und Strommasten. Einerseits langweilt der Film, weil viele seiner Textstellen mittlerweile zum Standardwortschatz gehören und zitiert werden. Andererseits zieht einen die Lehnsessel-Gemütlichkeit, die er verströmt, magisch an. Gesungene Gedichte von Jewtuschenko, Pasternak, Aibadulina und Zwetajewa mit Gitarrenbegleitung. Die Handlung des fast dreistündigen Streifens: Im Silvestersuff, besteigt ein Moskauer Arzt anstelle seines ebenso besoffenen Freundes aus der Banja den Flieger nach Leningrad. Nach der Landung erinnert er sich an nichts und lässt sich im Taxi “nach Hause” fahren. Und weil der Strassenname in Leningrad ebenso identisch wie sein Moskauer Domizil, der Wohnblock, die Etage, die Wohnung und sogar der Wohnungsschlüssel und die Möblierung, legt er sich in seiner vermeintlichen Wohnung friedlich hin zum rausch-ausschlafen. Weiter geht es durch die verschneite Pampa. Das leise Klopfen und Vibrieren in der Plastik-und Metallkonstruktion lässt einen die Reisegeschwindigkeit um die 200 Stundenkilometern nur erahnen. Anna Karenina, diese unglückliche Liebe mit Kurzschluss am Schluss. Im Fernseher läuft der sowjetische Silvester-Klassiker “Ironie des Schicksals” von Eldar Rjasanow und hinterlässt Erst die erschrockene Bewohnerin rüttelt ihn wach, und ist empört. Dann verlieben sie sich ineinander, lassen beide ihre Verlobten sitzen, und am Ende der charmanten und geistreiche Liebesgeschichte heiratet das schlaue Moskau das schöngeistige Leningrad. Obwohl sie ihre Partner verlassen, geht die Geschichte ohne Irrsinn und Tod aus – nicht wie bei der Karenina. Sie wird durch den Sittenzwang vor die Schienen des einfahrenden Zuges getrieben – genauso wie sie es zuvor beim Selbstmord eines Mannes gesehen hat. Der Zug als Mörder. Er ist es auch heute noch – bis Ende 2012 gerieten nahezu 50 Menschen unter seine Räder. Der Fortschritt rollt unbarmherzig, räumt Menschen und andere Züge aus dem Weg. An genügend Zugverbindungen, Fussgängerüberführungen und bewachte Bahnübergänge wird in Russland erst jetzt gedacht. Deswegen fliegen auch die Steine, statt ihn zu feiern, hasst man den “weissen Tod”. Die Filmlänge ist ideal – schon liegen sich Andrei Mjachkow und Barbara Brylska in den Armen, als der Sapsan in den Leningrader Bahnhof einrollt. In der Silvesternacht leuchtet goldgelb ein Zuckerturm. Seite 8 Sapsan-Dossier Seit Dezember 2009 befinden sich acht Sapsan-Triebzüge im planmäßigen Verkehr in Russland. Der Hochgeschwindigkeitszug, von Siemens bietet insgesamt 604 Passagieren Platz, in der Businessklasse mit 104 und in der Touristenklasse mit 500 Plätzen. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h benötigt der Zug rund 3 Stunden und 40 Minuten zwischen Moskau und Sankt Petersburg ohne Zwischenstopp bzw. bis zu 4 Stunden und 10 Minuten bei Zwischenstopps in Tschudowo, Okulowka, Bologoje, W. Wolotschek und Twer. Bislang betrug die Fahrtzeit für diese Strecke zwischen 4,5 und 8 Stunden. Seit dem 30. Juli 2010 verkehren die SapsanZüge auch zwischen St. Petersburg und Nischni Nowgorod (über Moskau). Sie benötigen hierfür 8 Stunden und 5 Minuten. Die Mehrsystemzüge verkehren auf der bestehenden 442 Kilometer langen Strecke Moskau– Nischni Nowgorod zunächst mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h in 3 Stunden und 55 Minuten. Die Züge werden häufig mit Steinen beworfen. Als Ursache gilt der Umstand, dass das Verkehrsangebot und Fahrzeiten auf verschiedenen Vorortlinien für den Betrieb des Hochgeschwindigkeitszugs eingeschränkt wurden. Pro Jahr werden infolgedessen bis zu 150 Fensterscheiben im Betriebswerk getauscht. Da es bisher zu wenig Bahnübergänge gibt, kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen. Die Bevölkerung ist es vielerorts gewohnt, die Bahnstrecke “wild” zu überqueren, wird aber von der hohen Geschwindigkeit des Sapsan überrascht. (Wikipedia/eva) Januar 2013 (Nr. 36) Wirtschaft “Schwalben-Zug” in St. Petersburg eingeweiht Vom Moskauer Bahnhof aus startete am 23. Januar zum ersten Mal der moderne Vorortszug “Lastotschka” (Schwalbe). eva.- Der gemeinsam von Siemens und der russischen Bahn (RZD) entwickelte Zug wird vorerst Petersburg mit Nowgorod Veliki und Bologoe verbinden. 2014 wird er ebenfalls an den Olympischen Spielen in Sotschi eingesetzt werden. Die leuchtend rote Zugskomposition mit modernen Grossraumwagen fährt täglich morgens um 07.11 Uhr vom Moskauer Bahnhof aus ab. Nach einer Stunde trifft sie in Tschudowo ein, wo sie geteilt wird – ein Teil fährt Inflation in Russland höher als in EU Der Stolz der Russischen Bahn: der gemeinsam mit Siemens entwickelte “Schwalbenzug”. Bild: Ria Novosti in Richtung Bologoe weiter, der andere nach Nowgorod Veliki. Nach St. Petersburg kehrt der Zug abends um 18.39 Uhr ab Nowgorod bzw. 17.45 Uhr ab Bologoe zurück. Um 19.56 Uhr fährt die wiedervereinte Komposition ab Tschudowo weiter und kommt 21.15 am Moskauer Bahnhof an. Die Gesamtfahrzeit in eine Richtung be- trägt drei Stunden bei einer maximalen Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometern. Der Fahrpreis beträgt nach Nowgorod 400 Rubel, nach Bologoe 500 Rubel. WEF: Investoren haben Vorurteile gegenüber Russland Ausländische Investoren hegen weiter großes Misstrauen gegenüber Russland, schreibt die Zeitung “RBC Daily”. Das haben russische Teilnehmer des jüngsten Weltwirtschaftsforums in Davos geäußert. rian.- Bei einer Gesprächsrunde über Russland haben westliche Experten und Investoren der russischen Regierung empfohlen, sich mit der „Qualität der Arbeit der staatlichen Institutionen“ zu befassen. (Probleme in diesem Bereich sehen 78 Prozent der Gesprächsteilnehmer). Bei einem Meinungsaustausch unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurden ähnliche Urteile geäußert. Der Präsident der Bank VTB, Andrej Kostin, verriet, dass Regierungschef Dmitri Medwedew „viele Fragen zu den Gesetzinitiativen der letzten Zeit beantworten“ musste. Die Investoren haben sich „für das Gesetz über Aktivitäten ausländischer Agenten und den kürzlich verabschiedeten Spionageartikel des Strafgesetzbuchs Seite 9 Wichtiger Treffpunkt für potentielle Investoren: das Davoser Wirtschaftsforum WEF in Davos. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold interessiert“, so Kostin. „Obwohl viele westliche Unternehmer bestätigen, dass die Investitionen in Russland ihnen mehr Geld als in China bringen würden, zieht es sie in das Reich der Mitte“, sagte Ruben Wardanjan (Sberbank CIB). „Dort sind die Arbeitsregeln für Ausländer aus der Sicht des Eigentumsrechts viel strikter geregelt. Es ist klar, was man tun darf und was nicht.“ Vizepremier Arkadi Dworkowitsch, der ebenfalls an dem Treffen hinter verschlossenen Türen teilnahm, will eine positive Einstellung der aus- ländischen Unternehmer gegenüber Russland gespürt haben. „Viele sagten, dass sie sich in Russland sehr wohl fühlen, mit ihrer Arbeit zufrieden sind und damit rechnen, dass wir unsere Verpflichtungen erfüllen“, betonte er. 35 bis 37 Prozent der FIAC-Mitglieder (Foreign Investment Advisory Council) (gegenüber sieben bis acht Prozent im Jahr 2007) bewerten ihm zufolge das Investitionsklima in Russland positiv. Vizewirtschaftsminister Sergej Beljakow stellte fest, dass viele ausländische Investoren Vorurteile gegenüber Russland haben: „Bei in- formellen Treffen können die Unternehmer ihre Vorwürfe gegen die russische Behörden nicht formulieren. Wir sollten unsere Entscheidungen erläutern, damit Russland nicht unter solchen Klischees leiden muss.“ Aber auch die russischen Unternehmer sind über das Investitionsklima im Land beunruhigt. „Wir sind ein Land mit guten Reserven und unklaren Spielregeln. Solange wir das nicht verstehen, werden wir uns immer wieder fragen müssen: Warum sind wir so gut, aber niemand will bei uns investieren?“, so Ruben Wardanjan. rian.- Russland hat seit Jahresbeginn eine drei Mal so hohe Inflation aufzuweisen wie die Europäische Union, schreibt die „Nowyje Iswestija“ unter Berufung auf das russische statistische Amt Rosstat. Die Verbraucherpreise in den 27 EU-Ländern sind Ende November 2012 im Vergleich zum Oktober um 0,1 Prozent gesunken. Im Zeitraum von Januar bis November dieses Jahres wurde in der EU eine Inflationsrate von zwei Prozent registriert. In Russland hat die Verbraucherinflation im November bei 0,3 Prozent und in den ersten elf Monaten dieses Jahres bei insgesamt sechs Prozent gelegen. Die Lebensmittelpreise im November in Russland sind im Monatsvergleich um 0,4 Prozent und seit Jahresanfang um insgesamt 5,8 Prozent gestiegen. In den EU-Ländern haben sich die Lebensmittel im November durchschnittlich um 0,5 Prozent und in den ersten elf Monaten des Jahres um insgesamt 2,8 Prozent verteuert. Power Machines testet Mitarbeiter auf Alkohol rian.- Russlands größter Turbinenbauer Power Machines hat seine Produktionsstätten mit Alkoholdetektoren ausgestattet. Seit Jahresbeginn wurden 33 Mitarbeiter entlassen, weil sie im angetrunkenen Zustand zur Arbeit gekommen waren. Power Machines hat am Eingang Alkoholtester eingerichtet, die auf einen Alkoholgehalt von 0,5 Promille reagieren. Seither ist die Zahl Betrunkener deutlich zurückgegangen. Nach einem Betriebsunfall geht die Firma hart gegen Alkoholkonsum vor. Januar 2013 (Nr. 36) Vermischtes Typisch Russland: Wegschauen, Entspannen, nicht Nachdenken Von Eugen von Arb sowjetisch-konstruktiv. Das heisst – es darf ruhig kritisiert, ja gegeisselt werden, aber dabei ja nicht die Rechtmässigkeit von Behörden und Regierung anzweifeln! Stets werden die Schuldigen klar benannt – und sind sie noch nicht benannt, so wird sie die Justiz ganz bestimmt ermitteln und angemessen bestrafen. Staatsgarantie. Denken Sie vielleicht, wir Journalisten suchten Tag und Nacht nach Problemen, Widersprüchen und Kritik?! Ein grosser Irrtum - auch wir haben es manchmal gründlich satt, uns für andere das Hirn über den Lauf der Dinge zu zermartern und die Probleme der Politiker zu lösen. Wir sind bisweilen äusserst harmoniebedürftige Geschöpfe, auch wenn wir das gegenüber unseren Kollegen natürlich nicht gerne eingestehen. Für solche Momente – ich habe diesen Koller zwei bis drei Mal im Jahr - gibt es in Russland eine herrliche Möglichkeit: den Rückzug in die sowjetische “Sessellektüre”. Dann stelle ich mir vor, ich stände auf der «anderen Seite der Zeitung» und sei ein biederer sowjetrussischer Bürger, der einfach “seine Ruhe” haben möchte. Es genügt, am Kiosk die andere Ecke zu wählen - mal nicht den kremlkritischen “Kommersant” oder die aufmüpfige “Nowaja Gazeta”, Für einen Moment auf der “anderen Seite” der Zeitung sein und seine “Ruhe” haben. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold sondern stattdessen die loyale “Isvestja” oder die stramme Regierungszeitung “Rossiiskaja Gaseta”. Sie kosten erst noch viel weniger. Zuhause wird vom Radio «Echo Moskvy» - dem «Blitzableiter für unzufriedene Bürger – auf das handzahme staatliche «Radio Rossii» umgestellt. Zurücklehnen und die rosarote Brille aufsetzen, bzw. den rosaroten Kopfhörer. Fort mit den Milliarden, die im ganzen Land von korrupten Beamten unterschlagen werden! Fort mit Alkoholismus, kaputten Strassen und Wasserleitungen, Pussy Riot und Chodorkowski! Wegschauen, Entspannen und keinesfalls Nachdenken. Weg vom Abgrund – alles wird gut! Die oben genannten Probleme verschwinden nicht einfach, sondern sie werden lösbar. Auch wird die Kritik nicht einfach ausgefiltert – sondern sie wird Das Land funktioniert, ja funktioniert allerbestens: Riesige Krankenhäuser und Wohnsiedlungen für Soldaten und Kriegsveteranen, Autobahnen und Gaspipelines werden eingeweiht. Bestechliche Beamte werden überführt, Fälscherwerkstätten ausgehoben, Rauschgiftringe festgesetzt. Mitten in einer Abhandlung über steigende Geburtszahlen und Renten will ich schon wohlig einnicken. Wie ein Zelt wölbt sich die grossformatige «Rossiiskaja Gaseta» über mir. Da juckt es mich plötzlich gottssträflich am Hintern! Aufwachen! Der St. Petersburger Herold mm.- Der St. Petersburger Herold (Online) ist aus dem Bedürfnis entstanden, ein Internet- und Informationsportal für die deutschsprachige Gemeinde von St. Petersburg zu betreiben. Um nicht mit der altehrwürdigen St. Petersburgischen Zeitung verwechselt zu werden, wurde unsere Online Zeitung “St. Petersburger Herold” genannt. Die gleichnamige politische Zeitung wurde 1871 als religiös und politisch unabhängiges Medium von St. Petersburger Bürgern deutscher Sprache gegründet. Der St. Petersburger Herold wurde in Folge eine bedeutende überregionale Zeitung und wurde von den Seite 10 Ausweis im Kreditkartenformat, Standesamt im Internet eva.- Petersburger haben ab Jahresbeginn die Möglichkeit, ihre Krankenversicherung, Führerschein, Bankkarte, ÖV-Ticket und später sogar den Personalausweis und ihre elektronische Unterschrift in einer universellen Karte im Kreditkartenformat zu vereinen. Federführend in dem 40 Milliarden schweren Projekt sind die Stadtverwaltung und die Sberbank. Sicher würde das viele Vorteile bringen. Ob man in der Lage ist, den erheblichen bürokratischen Aufwand für die Realisierung des Projekts zu bewältigen, wird sich weisen müssen. Nicht alle Stadtbewohner haben die benötigten Ausweise für den Antrag. Schon jetzt hinkt man dem Zeitplan um ein Jahr hinterher. Ein Internetportal, das ab Jahresbeginn Heiratswilligen ermöglichen sollte, Datum und Standesamt für ihre Trauung zu registrieren, trat nicht in Funktion. Impressum Der St. Petersburger Herold erscheint einmal monatlich. Der Inhalt besteht aus Beiträgen der gleichnamigen Internet-Zeitung www. spzeitung.ru. Redaktion: Markus Müller (mm.), Eugen von Arb (eva.). Anna Smoljarowa (smol.), Luisa Schulz (ls.). Redaktionsadresse: [email protected] www.spzeitung.ru Telefon: 8-921-988-51-19 Der Petersburger Herold wird unterstützt von: So sah das Original des “St. Petersburger Herold” aus. Bild: Ausstellung “Deutsche in St. Petersburg”. damaligen Leitmedien im Westeuropäischen Raum stark beachtet und rege zitiert. In der liberalen, kritischen und politisch akzentuierten Tradition des “alten St. Petersburger Herold” finden wir unser Leitbild für unsere neue Zeitung. Der St. Petersburger Herold ist auch ein „MitmachPortal“ – sie können eigene Beiträge online Veröffentlichen. Wir bitten Sie von dieser Möglichkeit rege Ge- braucht zu machen. Empfehlen sie uns Ihren Freunden und Bekannten weiter, damit der “Herold” zur besseren Vernetzung und Information innerhalb der der Stadt beitragen kann.