über den Volkswagen Scirocco Serie I
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über den Volkswagen Scirocco Serie I
ZeitHaus Automobile Klassiker Der Wegbereiter des Golf – Volkswagen Scirocco I 1974-1981 Automobile Meilensteine sind das Thema des ZeitHauses in der Autostadt – dies ungeachtet ihrer Herkunft. ZeitHaus-Philosophie ist es, Trendsetter zu präsentieren: Automobile, die Maßstäbe definierten und anderen Herstellern als Vorbild dienten, sei es technologisch, konzeptionell, im Design oder in der Produktionsweise. Der Volkswagen Scirocco Serie 1 gehört zweifellos zu diesem elitären Kreis: Er war im Frühjahr 1974 der erste Volkswagen, den der Designer Giorgetto Giugiaro komplett in Form gebracht hatte. Und er war noch gut zwei Monate vor dem Golf der erste Wagen der neuen Quermotor-Generation von Volkswagen, somit die Nummer 1 der künftigen „Golf-Klasse“. Ehra-Lessien, das Versuchsgelände von Volkswagen, 20 Kilometer von Wolfsburg entfernt gelegen, sei schuld am Volkswagen Scirocco. So jedenfalls vermutete es im März 1974 Reinhard Seiffert, damals Redaktionsdirektor des Magazins „auto motor und sport“: „Offenbar wollten die VW-Techniker diesen Kurs einmal richtig in den Griff bekommen“, schrieb er augenzwinkernd im ersten Fahrbericht über das neue Coupé von Volkswagen (Ausgabe 6/1974), „und so entstand der Scirocco.“ Denn im Kurvengewirr des Testgeländes fühle man sich weder mit dem „lahmen alten Käfer“, noch mit dem „zivilen, in der Lenkung indirekten Passat“ zuhause – „mit dem Scirocco dagegen kann es zur Sache kommen“. In der Tat – nach dieser nicht ganz ernst gemeinten Einleitung kam der Stuttgarter Motor-Journalist mit wachsendem Vergnügen zur Sache. O-Ton: „Man klemmt sich in einen flachen, gut führenden Sitz, nimmt ein kleines dickrandiges Lenkrad fest in die Hand und begibt sich mit wachsendem Vergnügen auf die Kurvenpirsch.“ Dabei geriet der Fachmann geradezu ins Schwärmen. Man merke nur am Gegendruck der Lenkung in engen Kurven, aber kaum in den Fahreigenschaften, dass es sich um einen Frontantriebswagen handele. Die Fahreigenschaften würden sich stark dem neutralen Idealzustand annähern. Auch seien Fahrwerks-Reaktionen beim Gasgeben und Gaswegnehmen kaum zu spüren – durchaus erwähnenswerte Qualitäten in einer Ära, als Frontantriebswagen beim Gasgeben in Kurven stur untersteuernd geradeaus strebten, um beim Gaslupfen vehement mit dem Heck auszuscheren. Aus jeder Zeile des Scirocco-Berichtes von „auto motor und sport“ spricht die Begeisterung für ein Automobil, das sich so gänzlich unterschied von dem, was Wolfsburg bis dahin diesseits des Zweisitzers Volkswagen-Porsche 914 geboten hatte: Nicht länger zählten vor allem höchste Verarbeitungsqualität, absolute Zuverlässigkeit und niedrige Unterhaltskosten zur Synonym-Trilogie eines Volkswagens. Mit Einführung des Scirocco punktete ein Wolfsburger Großserienmodell erstmals genauso mit Agilität und Temperament – kurzum: mit allem, was das Fahren sportlich gestaltet. Dass selbst herzhaftes Betätigen des rechten Pedals nicht mit einem zügellosen Kraftstoffverbrauch bestraft wird – dafür sind einerseits der bemerkenswerte Leichbau des Scirocco, aber auch sein hochmoderner Vierzylinder-Motor verantwortlich. Diese 1,5 Liter großen Triebwerke hatten zuvor schon seit 1972 im Audi 80 und seit 1973 im Volkswagen Passat ihre Bewährungsproben bestanden. Statt wie im Audi und Passat längs eingebaut tun die alternativ 70 oder 85 PS starken Motoren im Scirocco allerdings quer zwischen den Vorderrädern montiert ihren Dienst. Später im Jahr 1974 wurden sie so auch in den Modellen VW Golf und Audi 50 präsentiert. 70 und 85 PS – das bedeutete gegenüber dem legitimen SciroccoVorgänger, dem Kar- mann-Ghia auf Käfer-Basis, ein Leistungs-Plus von 20 bzw. sogar 35 PS. Und da den Technikern von Volkswagen mit dem Scirocco zudem ein nur knapp über 800 Kilo- gramm schweres Fliegengewicht gelungen war, bot der Scirocco Mitte der 70er Jahre atemberaubende Fahrleistungen: Kaum mehr als elf Sekunden vergehen, bis ein aus dem Stand beschleunigender 85-PS-Scirocco TS bzw. Scirocco GT (Modellbezeichnung ab 8/1976) 100 km/h schnell ist. 176 km/h lautet die Werksangabe für dessen Höchstgeschwindigkeit. Mögen solche Werte angesichts heutiger Kräfteverhältnisse in der Golf-Klasse bescheiden erscheinen, so waren sie Mitte der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts geradezu sensationell: Hier scherte ein Volkswagen sehr selbstbewusst auf die Überholspur aus und lehrte die Besitzer der damaligen Sportfahrer-Ikone BMW 2002 das Fürchten. Denn in beiden an Stammtischen heftig diskutierten Disziplinen, Temperament und Vmax, hatte die 100-PSLimousine aus München gegenüber dem Wolfsburger Newcomer knapp, aber eindeutig das Nachsehen. 1976 sollte es noch toller kommen. Als für den von Volkswagen Motorsport ausgetragenen Nachwuchs-Pokal namens „VW Junior-Cup“ ein geeignetes Renngerät gesucht wurde, fiel die Wahl auf den Scirocco – und zwar auf einen ganz speziell motorisierten Scirocco. Statt des stärksten Vergaser-Motors wählten die Verantwortlichen der Hannoveraner Sportdependence von Volkswagen jenen 110 PS-1,6 Liter mit Bosch K-Jetronic, der zuvor bereits im Audi 80 GTE sein Debüt gegeben hatte. So kam es, dass der Scirocco ein zweites Mal eine Vorreiter-Rolle einnahm: Hatte er bereits 1974 den Wegbereiter für den Golf gespielt, als er im März gut zwei Monate vor der Limousine seine Premiere feierte, so gab er beim ersten Junior Cup-Rennen im April 1976 auf dem Hockenheimring einen Vorgeschmack auf den Golf GTI (und Scirocco GTI/GLi) mit Einspritzmotor, die erst Mitte 1976 in den regulären Verkauf gelangen sollten. Zwar blieb der 110-PS- Scirocco trotz seiner motorsportlichen Herkunft stets ein wenig im Schatten des gleich motorisierten und zunehmend populären Golf GTI. Doch Kenner sahen in ihm durchaus eine rund 7.000 DM preisgünstigere Alternative zum Porsche 924. Der war Ende 1975 vorgestellt worden und zeigte sich dem temperamentvollen Scirocco GLi dank seiner extrem strömungsgünstigen Form allenfalls im oberen Geschwindigkeitsbereich überlegen. 70, 85, 110 PS – mit diesen Leistungsvarianten war die Scirocco-Auswahl noch keineswegs erschöpft. Schon ab Mitte 1974 konnten eher bedächtige Naturen auch einen Scirocco mit dem 50-PS-Basismotor des Golf 1100 bestellen. Der 1,5-Liter fand im August 1975 Ablösung durch einen 1,6-Liter mit 75 PS und 85 PS. Und 1979 ersetzte ein 60 PS-1,3 Liter den ursprünglichen 50 PS-Motor, während der GLi – analog zum Golf GTI – mit einem Fünfganggetriebe aufgewertet wurde. Das Design des Scirocco der ersten Serie erfuhr in sechs Produktionsjahren hingegen nur geringfügige Retouchen. Am auffälligsten gerieten dabei die 1977 eingeführten kunststoffummantelten Stoßstangen, die vorn und hinten seitlich bis zu den Radausschnitten herum gezogen wurden. Weniger prägnant waren zeitgleich ausgeführte Gesichtskorrekturen – etwa der leicht modifizierte Kühlergrill und die etwas vergrößerten vorderen Blinkleuchten. Die prägnante Linienführung Giorgetto Giugiaros (siehe Skizze), dessen typische Keilform mit den ausgeprägten Kanten, blieb bei dieser maßvollen Aktualisierung jedoch unangetastet. Wie der gleichfalls von Italdesign-Chef Giugiaro gezeichnete Golf hatte sich auch der Scirocco in der zweiten Hälfte der 70er Jahre längst als Tech-nikund Design-Meilenstein profiliert, der Ästhetik, Funktionalität und Kompaktheit in beispielhafter Weise vereint. Im Italdesign-Bereich der aktuellen Ausstellung ZeitHaus„Design IKONEN“ nimmt er deshalb den ihm gebührenden Logenplatz ein. Der Scirocco steht damit gleichrangig neben Golf und Käfer, aber auch auf Augenhöhe mit beispielsweise einem Jaguar E-Type oder Lamborghini Miura, einem Porsche 356 oder 911. Noch heute bereitet dieses über 30 Jahre alte Automobil nicht nur beim bloßen Betrachten Freude, sondern dank seiner Handlichkeit, seines Temperaments und seiner herrlichen Übersichtlichkeit gleichermaßen beim Fahren – ganz unabhängig von der Motorvariante. Die Lenkung arbeitet sehr direkt, vermittelt besten Fahrbahnkontakt und ist auch ohne Servounterstützung ausreichend leichtgängig. Der Vierzylinder reagiert unerhört spontan auf Gaspedalbewegungen, dreht agil bis gut 6.000/min und tönt dabei sympathisch sonor, ohne zu dröhnen oder aufdringlich zu werden. Die tiefe Sitzposition auf den karierten Stoffbezügen, hinter dem steil stehenden Lenkrad passt maximal 1,80 Meter großen Menschen perfekt. Positionierungen von Pedalerie und Schalthebel zeugen von durchdachter Ergonomie. Kein Wunder, dass der Scirocco TS seine etablierten Konkurrenten aus Köln und Rüsselsheim schon im ersten Vergleichstest des Magazins „auto motor und sport“ (Ausgabe 17/ 1974) das Fürchten lehrte: Mit 402 Punkten deklassierte er sowohl den Ford Capri (386 Punkte), als auch den Opel Manta (378 Punkte). Dabei wartete der Volkswagen mit den meisten Superlativen auf: Er beschleunigte mit Abstand am besten, war am schnellsten, bot die beste Motorelastizität, verbrauchte fast ein Viertel (!) weniger Treibstoff, tönte im Innenraum am leisesten, durcheilte den Slalom-Parcours am flinksten, hatte die geringste SeitenwindAbweichung – und war trotzdem preisgünstiger als die Konkurrenz. Kein Wunder auch, dass sich der Scirocco bei solchen Qualitäten aus dem Stand als Verkaufsrenner erwies: Schon in seinem ersten Jahr, 1974, bestellten ihn 24.550 Coupé-Liebhaber. Bis Produktionseinstellung der ersten Scirocco-Generation im Februar 1981 sollten bei Karmann in Osnabrück exakt 504.153 Scirocco entstehen – Ehra-Lessien sei Dank. Hersteller: Volkswagen AG / Baujahr 1978 Meilenstein Scirocco I GT Warum Meilenstein? Als erstem offiziell vorgestelltem Vertreter der neuen Golf-Generation kommt dem Scirocco besondere Bedeutung zu. Er machte 1974 die Menschen bereits zwei Monate vor dem Golf mit der neuen Wolfsburger Frontantriebs-Technik und dem neuen kantigen Designstil von Giorgio Giugiaro vertraut. Wann entstanden? Der Scirocco wurde als designierter Nachfolger des Volks- wagen Karmann-Ghia bei Karmann ab Februar 1974 gebaut, im März 1974 der Öffentlichkeit vorgestellt und blieb in seiner Urform bis Februar 1981 in Produktion. Wie erfolgreich? 504.153 Mal entstand der Scirocco erster Serie in sieben Jahren – und damit rund zehn Prozent häufiger als der Karmann-Ghia in knapp zwei Jahrzehnten. Erfolge auch im Rundstrecken-Motorsport: Dort setzte sich der Scirocco in der 1,6-Liter-Klasse der damaligen Gruppe 2 führend in Szene. Welche Wirkung? Zusammen mit dem späteren Golf GTI kündete der Scirocco im Wortsinn von frischem Wind in Wolfsburg: Volkswagen waren künftig nicht nur robust und zuverlässig, sondern auch flink und leichtfüßig. Welche Daten*? Quer eingebauter Reihen-Vierzylinder mit Frontantrieb, 1.588 ccm, 63 kW/85 PS, Einzelradaufhängungen mit Schraubenfedern; Höchstgeschwindigkeit: 176 km/h; damaliger Neupreis: 15.520 DM*. * viperngrüner ZeitHaus-Scirocco GT, Neupreis 1978. Weitere Informationen finden Sie unter www.autostadt.de oder erhalten Sie direkt beim ZeitHaus-Team unter [email protected] Fotonachweis: Autostadt, bei einigen der abgebildeten Anzeigen- oder Prospekt-Motiven handelt es sich um zeitgenössische Dokumente