Abschlussprojekt D3 - Staatliches Wiedtal

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Abschlussprojekt D3 - Staatliches Wiedtal
bschlussprojekt D3
Fr. Krämer
Thema: Kreatives SchreibenSchreiben nach Stimuli
Kunst
(Musik/ bildende Kunst)
„Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen.“
Johann Wolfgang von Goethe
1
nhaltsangabe
Seite Autor/in
Titel
zu:
3
männlich
The story of my love I
,,Everytime’’- Rooftop Kingdom
4
weiblich
The story of my love II
„Only Girl“- Rihanna
5
weiblich
Liebe.
“Back for good”-Take That
6
weiblich
Irgendwo in dieser
Bitterkeit
“how to save a life”- The Fray
7-8
männlich
Ruhe
Friedhof im Schnee- C.D. Friedrich
9-10
weiblich
Fußspuren im Sand
„Footprints in the Sand“- Leona Lewis
11
männlich
So perfekt Unperfekt
„XOXO“- Casper
12
weiblich
Frühlingserwachen
„Altes Kamuffel“- Paul Kalkbrenner
13-14
weiblich
Märchen
„Wishes“- Superchick
15
weiblich
It's too cold outside, too
cold for angels to fly
“The A –Team”- Ed Sheeran
16-18
männlich
Gefährliche Vergangenheit
„The Islander“- Nightwish
19
weiblich
Frühling.
„Raus mit der schlechten Luft, rein mit
der guten“- Mikroboy
20
männlich
Sommergefühl
“Iridescent”- Linkin Park
21
männlich
The Good Life
“Good Life”- One Republic
22-24
weiblich
Luft voller Goldstaub
& Abschiedsworte
“Brother Swing”- Caravan Palace
Schülerin zu „Misguided Ghosts“- Paramore & „Elektrisches Gefühl“- Juli
- auf eigenen Wunsch unveröffentlicht –
2
Autor zu ,,Everytime’’ von Rooftop Kingdom
(die Band wo der Bube singt, der USFB gewinnt)
The story of my love I
Die Geschichte ereignete sich an einem Dienstag im vergangen Jahr.
Wie jeden Dienstag besuchte ich den nahe liegenden Supermarkt, um Nahrungsmittel zu
erwerben.
Ich schlenderte durch die Gänge und erblickte plötzlich in der Nähe des Kühlregals eine
engelsgleiche Gestalt. An dieser Frau war einfach alles perfekt. Gesicht, Körper, Ausstrahlung
sogar ihre Stimme und so dachte ich mir: ,,Dich heirate ich!’’ Doch die Realität holte mich
zurück und mir wurde bewusst, dass so eine Frau niemals einen ,,Lurch’’ wie mich nehmen
würde.
Während ich vor mich hingrübelte, war die Frau auch schon verschwunden und ich begriff,
dass dies wohl die einzige Chance gewesen war, die Unbekannte anzusprechen. Tagelang
machte ich mir Vorwürfe und ärgerte mich über mein feiges Verhalten.
In der darauf folgenden Woche besuchte ich erneut den Supermarkt und erblickte wieder
meine Traumfrau. Ich dachte mir: ,,Wenn das kein Zufall ist?’’ Dieses Mal würde ich es nicht
vermasseln. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und sagte zu mir selbst: ,,Wer ist der
Geilste? Ich bin der Geilste!’’ und schritt mit vollem Elan auf die Frau zu.
Und was soll ich sagen…morgen wird geheiratet
3
Autorin zu „Only Girl“ von Rihanna
The story of my love II
Viele Dinge im Leben geschehen unerwartet. Jede Liebe hat eine Geschichte, so wie meine.
Ich stand im Supermarkt, um ein paar Erledigungen für das Wochenende zu machen.
Irgendwann bemerkte ich, dass mich jemand beobachtete, aber auf eine angenehme Art. Er
sah gut aus. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Nein, über sein Aussehen ließ sich
wirklich nichts Schlechtes sagen. Ob er wohl eine Freundin hatte? Einen Ehering konnte ich
zumindest nicht aus der Entfernung sehen. Ich drehte mich kurz weg und als ich wieder
hinsah, war er verschwunden. Ein Gefühl der Enttäuschung überkam mich. Gleichzeitig fragte
ich mich, wieso ich mich so in diese Situation hineinsteigerte. Es war immerhin nur eine
Supermarkt-Bekanntschaft, wir hatten ja nicht einmal miteinander gesprochen. Diese
Begegnung blieb mir im Gedächtnis. Die erste Zeit darauf, versuchte ich immer zu der Zeit
des besagten Abends in den Supermarkt zu gehen, aber den Unbekannten sah ich nicht.
Wochen später, ich hatte die Begegnung schon längst vergessen, stand er plötzlich vor mir
und lächelte mich bloß an.
Ein Gefühl überkam mich, das ich nie zuvor gespürt hatte. Was war das?
Ich hatte schon viele Beziehungen hinter mir, aber so etwas habe ich noch nie gespürt.
Wir tauschten unsere Nummern aus, trafen uns zum Kaffee oder Abendessen und wurden
schließlich zum Paar.
Dieses unbekannte Gefühl wurde sogar noch intensiver, nun weiß ich auch, was es ist: Liebe.
Morgen werden wir heiraten. Und ich weiß, dass er der Eine ist.
4
Autorin zu “Back for good” von Take That
Liebe.
Plötzlich ist sie da, um anschließend in dem Nichts, aus dem sie kam, zu verschwinden.
Der Zeitpunkt ihrer Ankunft ist stets ungewiss, erwartest du sie, lässt sie sich Zeit, bist du
gerade sehr beschäftigt und kannst sie eigentlich nicht gebrauchen, so drängt sie sich dir
anstandslos auf.
Vertrösten lässt sie sich nicht.
Ihre Anwesenheit lässt deine Konzentration schwinden, sie inspiriert oder blockiert dich, sie
verändert deine Prioritäten.
Mal schleicht sie sich auf leisen Pfoten an, mal trifft sie dich wie der Blitz, mal klopft sie nur
sehr leise an deine Türe und verschwindet spurlos, noch bevor du ihr öffnen konntest.
Ist sie erstmal bei dir, bleibt sie auf unbestimmte Zeit.
Hat sie entschieden fortzugehen, geht sie still und heimlich oder mit lautem Getöse und
Schmerz.
Jeder Versuch, sie zu halten, zu besitzen und zu kontrollieren wird kläglich scheitern.
Rücksichtnahme kennt sie nicht.
Sie macht mit dir, was ihr beliebt, deine Meinung interessiert sie herzlich wenig.
Sie lässt dich Fragen stellen und wird dir keine Antwort geben.
Sie versetzt dich in einen wundervollen Rausch, macht dich süchtig, führt dich langsam aber
sicher in eine totale Abhängigkeit hinein, um dich anschließend mit der Offenbahrung einer
knallharten Realität und mit ausgesprochener Grausamkeit nieder zu werfen.
Sie lässt dich ohne Vorwarnung ins offene Messer rennen.
Wenn dein Herz schmerzt, hast du es ihr allein zu verdanken.
Sie öffnet dir die Augen und lässt dich wahre Schönheit erkennen, ebenso lässt sie dich
erblinden und all das Schlechte verdrängen.
Deine Sinne zu vernebeln, hat sie meisterlich gelernt.
Sie nimmt dir die Freiheit, deine Entscheidungen mit klarem Verstand zu treffen, lässt
Grenzen zwischen "richtig" und "falsch" geschickt verschwimmen, sodass du nicht mehr im
Stande sein wirst, zu erkennen.
Sie beflügelt dich und entreißt dir die Flügel noch im selben Moment.
Sie lässt dich den gleichen Fehler zweimal machen und Dinge tun, für die du andere zuvor
verachtet hast.
Sie ist mächtig, ihr zu entsagen geschieht niemals kampflos.
Denn sie ist es, die den wilden Tiger zum zahmen Kätzchen, den Schlechten zum Guten und
den Reisenden zum Sesshaften macht.
In einem ewig währenden Zyklus macht sie den Traurigen glücklich und den Glücklichen
traurig.
Du wirst sanft, wehrlos und verletzlich und nicht selten macht dir das Angst.
Sie ist individuell, zeigt sich jedem von einer anderen Seite und passt sich dennoch niemals
an.
Sie ist unendlich schön und doch zeigt sie sich dir dann und wann schamlos von ihrer
hässlichsten Seite.
Sie ist des Einen Glück und bedeutet gleichzeitig des Anderen Leid.
Sie spielt mit dir und du wirst nie gewinnen.
Zeigt sie sich dir in ihrer vollkommenen Reinheit, knüpft sie nicht an Bedingungen.
Dein Verstand ist ihr Gegner, sie versteht sich auf Triebe und intensive Gefühle, solche
Gefühle, die deinen Alltag und dein Leben prägen.
Sie schreibt deine ganz eigene Geschichte, und wenn du in 40 Jahren vor einem Kaminofen in
deinem Wohnzimmer verweilst und auf dein Leben zurückblickst, wird sie es sein, an die du
dich am ehesten erinnerst.
5
Autorin zu “how to save a life” von The Fray
Irgendwo in dieser Bitterkeit
Während er so da saß, vom engsten Kreis seiner Familie umgeben und den Sarg seiner toten
Frau anstarrte, schweiften seine Gedanken in die Vergangenheit zurück. Die Blumenpracht
von weißen Rosen, die ihren Sarg bedeckte, erinnerte ihn an seinen Hochzeitstag. Solche
Blumen hatte es damals auch gegeben. Überall, in der Kirche, im Wohnzimmer und sogar das
Schlafzimmer hatte er heimlich damit dekoriert. Dieser Tag schien eine Ewigkeit her zu sein.
Damals hatte er das Gefühl gehabt, das Leben fest in den Händen zu halten und geglaubt, dass
sich nichts jemals zwischen ihn und seine Frau würde stellen können. Und am Ende war er es
selbst gewesen. Hätte er etwas ändern können? Hätte er ihren Tod verhindern können?
Und ihn beschlich die leise Gewissheit, dass er die Schuld trug an ihrem Tod. Natürlich hatte
er sie nicht umgebracht, denn für einen Herzinfarkt trug er nicht die Verantwortung. Für die
Zeit in ihrer Ehe davor jedoch schon. Er hätte sie besser behandeln sollen. Wie oft hatte er sie
mit den Kindern allein gelassen und an wie vielen Feiertagen hatte er gefehlt, weil ihm seine
Arbeit wichtiger gewesen war? Zu Anfang hatte sich seine Frau noch über seine häufige
Abwesenheit beschwert, es dann später jedoch unterlassen, als sie einsehen musste, dass sie
nichts daran ändern würde. Sie waren doch früher die besten Freunde gewesen…
Wie hatte es so weit kommen können, dass er sich von seiner besten Freundin auch emotional
immer mehr entfernt hatte? Am Tag ihrer Heirat hatten sie sich ihr Leben gewiss nicht so
vorgestellt. Sie hatten sich gegenseitige Liebe und Treue geschworen, bis an ihr Lebensende.
Wann hatten sie den Zeitpunkt übersprungen, an dem die Liebe verschwand? Wann war es zu
spät gewesen, zu einem glücklichen Leben zurückzukehren? Ihm wurde bewusst, dass die
letzten Jahre praktisch nur noch aus einem arrangierten Zusammenleben bestanden hatten, mit
einem höflichen Lächeln auf den Lippen, aus dem jegliche Zärtlichkeit verschwunden war.
Wo sie beide früher an einem Strang gezogen hatten, standen sie in den letzten Jahren oft auf
zwei verschiedenen Seiten. Ihre Auseinandersetzungen hatten zugenommen und an der Stelle,
an der sie sich früher lachend entschuldigt hätten, hatten nun gegenseitige Schuldzuweisungen
Platz genommen. Wie oft hatte sie ihm gepredigt, was er falsch machte und er hatte einfach
nicht zugehört. Wie an dem Abend ihres Todes, vor sieben Tagen.
Sie hatten einen heftigen Streit gehabt, über was, das wusste er schon gar nicht mehr. Wieder
einmal eine belanglose Kleinigkeit. Aber anstatt sich zu verständigen, hatte er gesagt, er sei
müde und müsse schlafen gehen. Also ging er hoch ins Schlafzimmer, früher als sonst und
schloss die Türe. So konnte er die Rufe seiner Frau, die ein paar Stunden später einen
Herzinfarkt erlitt, nicht hören, und fand sie früh am nächsten Morgen tot im Wohnzimmer
auf. Was hatte er falsch gemacht? Wie konnte er nur zu einem so verbitterten Menschen
werden?
Wenn er gewusst hätte, wie er ihr Leben hätte retten können, wäre er die ganze Nacht lang mit
ihr wach geblieben. Aber jetzt war es zu spät. Jetzt hatte er seine Freundin verloren, irgendwo
in dieser Bitterkeit.
6
Autor zu Friedhof im Schnee (C.D. Friedrich)
Ruhe
Verlassen lag der Friedhof da, schon seit
langem war niemand hier gewesen.
Jetzt im Winter war die Erde hart
gefroren und das kalte Weiß bedeckte
alles. Schon so lange war sie nicht mehr
hier gewesen. Der kalte Wind stach mit
spitzen Nadeln in ihre Haut und ihre
Füße versanken tief im Schnee und
hinterließen Fußspuren. Weit entfernt
vom Dorf lag der Friedhof, heute kaum
noch genutzt und fast vergessen, wie die
Toten, die man nicht hatte haben wollen.
Denn sie waren nicht so gestorben, wie
es in dem kleinen Dorf gewünscht war,
so wie ihr Bruder und auch ihre Mutter.
Tot lag die Begräbnisstätte da, so wie
jene, die auf ihr ruhten. Menschen waren
hier schon lange nicht mehr gewesen
und die Natur hatte begonnen,
sie sich wieder zu dem ihrigen Ort zu
machen. An den schwarzen Gräbern
hatten Regen, Wind und Schnee
erbarmungslos genagt.
Friedhof im Schnee- Caspar David Friedrich
„Die letzte Ruhe“, so hätte man es bezeichnen können, was sie sah.
Die Bäume am Rand der den Friedhof umgebenden, schulterhohen Mauer waren kahl und
schwarz, der Schnee konnte sie nur mäßig bedecken. Ein Paar Krähen suchten nach Futter
und flogen dann hinauf in die graue Weite, sie schienen nicht zu wissen, dass die violetten
Wolken am Horizont, die den nächsten Schneesturm ankündigten, schon den Himmel
einnahmen.
Der Wind war stärker geworden und kroch durch jede Lücke ihrer Kleidung, doch er konnte
ihr nichts anhaben. Er erinnerte sie an jenen Wind, der ihr entgegengeweht war, als sie es
erfuhr. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass jeder aus dem kleinen Dorf es vor ihr gewusst hatte.
Sie mochte die Erinnerung nicht, aber hier erinnerte sie alles an ihn.
Die Kirchturmuhr hatte sieben geschlagen, als der Bäcker den toten jungen Mann dort liegen
sah, vor der Haustür, unmittelbar unterhalb des Dachfensters, Gesicht und Kleidung schwarz
vom Schmutz der Straße. Sofort hatte er das ganze Dorf zusammengerufen.
Niemand stellte Fragen und auf das Drängen der Mutter wurde nicht die Polizei gerufen.
So bekam ihr Sohn nur eine schlichte Beisetzung auf diesem Friedhof, fern vom Dorf.
7
Bei der Beerdigung waren nur die Mutter und sie selbst gewesen, denn niemand aus dem so
konservativen Dorf wollte mit einem Selbstmörder in Verbindung gebracht werden, denn es
war eine Schande. Nicht einer war seitdem mehr hier gewesen, so schien es ihr. Selbst ihre
Mutter nahm Abstand zu ihm, keiner sollte sie hier sehen.
Als Kind hatte sie es nicht verstanden, was die Erwachsenen sagten, und keiner von ihnen
hatte sie darüber aufgeklärt.
Danach war nie wirklich Zeit gewesen und gekannt hatte sie ihn ohnehin nicht richtig.
Kurz darauf war ihre Mutter immer sonderbarer geworden. Sie hatte ihre Tochter vergessen
und an einem nebelverhangenen Mittwochabend hatte man sie abgeholt. Auch sie lag jetzt
hier, eine Frau, die irre war, wollte keiner der Dorfbewohner auf dem Kirchplatz haben, wo
doch all die braven und sittsamen Leute des Dorfes ihre letzte Ruhe fanden.
Eine Familie hatte sie aufgenommen und als sie alt genug war, war sie ausgewandert und
hatte ihre Vergangenheit hinter sich gelassen. Doch im Alter war sie zurückgekommen. Schon
seit einiger Zeit konnte sie sich an immer weniger erinnern, sie war alt und krank geworden.
Allein war sie auch, doch das hatte sie mehr genossen, als dass sie traurig darüber war.
Jetzt jedoch, hier auf dem Friedhof war ihr Bewusstsein ungetrübt und sie konnte sich an alles
erinnern, auch ihr Rücken schmerzte nicht mehr. Sie wollte weinen, doch die Tränen kamen
nicht. Sie hatte nie geweint, die ganze Zeit, vielleicht hatte sie es verlernt.
Sie stützte sich auf ihren Stock und lächelte.
Ihre Beine gaben schließlich nach, und die alte gebrechliche Frau sank zu Boden.
Der Himmel verdunkelte sich und es begann zu schneien.
Die Ruhe war vollkommen und der Wind hatte sich gelegt.
Gleichzeitig verschwand der Hauch vor ihrem Gesicht.
Die Krähen hatten sich wieder auf der Mauer niedergelassen und ihre Schreie durchbrachen
die Stille. Denn als Todesvögel wussten sie, wann ihre Zeit gekommen war.
Verlassen und erstarrt schien die weiße Welt, von der sich nur ihr schwarz absetzte.
Ruhe
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Autorin zu „Footprints in the Sand“ von Leona Lewis
Fußspuren im Sand
Der Wind heulte, blies mir ins Gesicht und wehte mir das klatschnasse, strohblonde Haar in
die Augen, als ich über den nassen, sandigen Untergrund stapfte. Das pechschwarze Meer
rauschte bedrohlich, während der bleigraue Himmel mich mit einem Regenschauer nach dem
anderen begoss. Es schien fast so, als wäre ich diesen Naturgewalten hier nicht willkommen,
als wollten sie mich zur Umkehr bewegen.
Ich setzte mich in einen der vielen Strandkörbe, die hier zu hunderten herumstanden.
Der Regen hatte auch ihn nicht verschont, und als ich mich hineinsetzte, durchweichte das
Wasser, das aus der gepolsterten Sitzfläche quoll, mein Hinterteil bis auf die Unterwäsche.
Ich sah über den nassen, matschigen Strand hinweg auf das Meer und den Sturm, der
darüber tobte. Ich war in meiner Kindheit oft an diesem Ort gewesen, und doch war er mir
noch nie so unheimlich und bedrohlich erschienen wie jetzt. Dies war der Ort, an den ich mit
meiner Familie jeden Sommer in den Urlaub gefahren war. Dies war der Strand, an dem ich
zusammen mit meiner Mutter Sandburgen gebaut hatte und auf den Schultern meines Vaters
über meterhohe Wellen gesprungen war. Eine Träne glitt leise über meine Wangen, als ich
daran dachte, wie glücklich wir hier gewesen waren.
Vor zwei Jahren war ich zum letzten Mal mit ihnen hier gewesen. Am letzten
Urlaubstag hatte ich ihnen gesagt, dass ich danach nicht mehr mit ihnen, sondern lieber mit
meinen Freunden in Urlaub fahren wollte. Inzwischen wünschte ich mir, dass ich im letzten
Jahr, anstatt mit meinen Freunden nach Mallorca zu fliegen, doch mit meinen Eltern an die
Ostsee gefahren wäre. Dann wäre ich jetzt nicht allein auf der Welt.
Dieser Gedanke war so unerträglich, dass ich nicht mehr stillsitzen konnte. Ich erhob
mich aus dem Strandkorb und ging ein paar Schritte durch den nassen Sand, während ich an
den 13. Dezember letzten Jahres dachte, den Tag, an dem mein Leben aus den Fugen geriet.
Meine Eltern hatten wie jedes Jahr ihren Sommerurlaub hier an der Ostsee verbracht.
Sie waren gerade auf dem Weg nach Hause, als es passierte. Der Lastwagenfahrer neben
ihnen übersah den schwarzen Golf, in dem sie saßen, scherte aus und erwischte sie seitlich,
sodass sie beide gegen die Leitplanke in der Autobahnmitte geschleudert wurden und
lebensgefährliche Verletzungen erlitten.
So zumindest hatte es mir die Ärztin geschildert, die mich morgens um halb sechs aus
dem Krankenhaus in Hamburg angerufen hatte, in das meine Eltern nach ihrem Unfall
eingeliefert worden waren. Heute, auf den Tag genau ein Jahr später, konnte ich mich noch an
jedes Detail dieses Gespräches erinnern. Dagegen war die darauffolgende vierstündige Jagd
über die Autobahn ins fünfhundert Kilometer entfernte Hamburg nur noch ein diffuses Gewirr
aus Hoffnung, Angst und Verzweiflung. Nur eine Handvoll klarer Erinnerungen stachen aus
diesem Gefühlschaos hervor. Die Zeit, die ich wartend und ins Leere starrend auf dem Flur
der Notaufnahme verbracht hatte, war fast vollständig aus meinem Gedächtnis verschwunden.
Das Nächste, an das ich mich erinnern konnte, war, dass die Tür zu den
Operationssälen aufging und ein junger Arzt heraustrat, der mich entdeckte und auf mich
zuschritt. Schon, als ich den ernsten Ausdruck auf seinem Gesicht sah, verlor ich alle
Hoffnung, und meine schlimmsten Ängste wurden zur Gewissheit. Mit Grabesstimme sprach
er mir sein Beileid aus und erklärte mir, dass er und seine Kollegen alles Mögliche getan
hätten und doch am Ende machtlos gewesen seien. Meine Eltern waren ihren Verletzungen
erlegen.
Die Gefühle, die mich überkamen, als er mir dies sagte, sind mit Worten nicht zu
beschreiben. Es war, als hätte mir jemand in die Brust geschossen. Mein Herz blutete und
pochte in dem verzweifelten Versuch, das Loch zu schließen. Es tat so weh, dass ich in
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diesem Moment am liebsten gestorben wäre, nur um diesen unendlichen Schmerz
nicht länger fühlen zu müssen.
Auch heute ging es mir noch häufig so. Da der Schmerz wieder einmal drohte, mich
zu überwältigen, blieb ich auf meinem Weg über den Strand stehen und blickte zurück. Ich
hatte in dem nassen, sandigen Untergrund eine tiefe Spur hinterlassen.
Sofort musste ich an den Song „Footprints in the Sand“ von Leona Lewis denken. Ich
hatte ihn nach dem Tod meiner Eltern oft gehört, denn Leona Lewis war die
Lieblingssängerin meiner Mutter gewesen. Besonders dieses Lied hatte sie sehr gemocht, und
indem ich es hörte, fühlte ich mich ihr sehr nahe.
Seit dem Tod meiner Eltern gab es einige Lieder, die ich nicht mehr hören konnte,
weil sie mich emotional zu sehr quälten. Da wäre zum Beispiel „Stille Nacht“, das liebste
Weihnachtslied meines Vaters, das die Christmette im letzten Jahr für mich zu einer Folter
gemacht hatte. Oder „Bridge of Light“ von Pink, das ich im Radio gehört hatte, als ich auf
dem Weg nach Hamburg wie eine Irre über die Autobahn gerast war, während dort die Ärzte
im Krankenhaus verzweifelt versucht hatten, die Leben meiner Eltern zu retten.
Mit „Footprints in the Sand“ verhielt es sich anders. Es handelte von Verlust und
sprach mir so direkt aus dem Herzen. Andererseits gab es mir aber auch immer wieder
Hoffnung:
I promise you I’m always there
When your heart is filled with sorrow and despair
I’ll carry you when you need a friend
You’ll find my footprints in the sand
Ohne diese Hoffnung, dass meine Eltern an irgendeinem Ort weiterleben und wie zwei
Schutzengel über mich wachen und mich beschützen, wäre ich wohl schon vor langer Zeit
wahnsinnig geworden. In dieser Vorstellung hatte ich die Kraft gefunden, irgendwie
weiterzumachen, weiterzuleben. Nur diese Vorstellung hielt mich davon ab, hier und jetzt ins
Meer zu gehen und mich der rohen Gewalt der Natur zu überlassen.
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Autor zu „XOXO“ von Casper
So perfekt Unperfekt
Wie soll man das erklären?
Es ist nicht unbedingt schön und richtig.
Vielleicht ist es auch nicht gut.
Aber das liegt bekanntlich immer im Auge des Betrachters.
Möglicherweise sucht er auch immer die Extreme, die er selbst nicht erfüllen kann.
Denn du bist, was du vermisst.
Vielleicht tanzen sie auch in den dreckigsten Läden der Stadt.
Freitags morgens. Alleine.
Oder sie zerbricht ihre letzte Zigarette für ihn.
Das letzte Abendmahl. Nur so erzählt, wie es sein sollte.
Und in Wahrheit geht es auch nicht um mehr.
Oder?
Es geht nicht um Ringe und Champagner.
Und auch nicht um Einfamilienhaus und Garten.
Auf jeden Fall nicht bei ihnen…
Denn er trägt sie nach Hause, wenn ihr Absatz abknickt.
Denn sie schlägt sich mit Frauen, die ihm einen Drink ausgeben.
Denn sie leben den Film, den andere nur sehen.
Ist das zu pathetisch? Ach, was.
Es geht nur darum, eine Geschichte zu erzählen.
Und das ist es auch.
Eine Geschichte.
Keine aus dem Laden. Mit schickem Einband und einem Foto des Autors im Umschlag.
Denn manche Geschichten schreibt nur das Leben.
Und wer könnte das nur fotografieren?
Ihr fragt:
Wird es halten?
Man wird auf jeden Fall nie sagen: „ Und wenn sie nicht gestorben sind…“
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Autorin zu „Altes Kamuffel“ von Paul Kalkbrenner
Frühlingserwachen
Eines Morgens erwachte ich und vernahm das vergnügte Zwitschern der Vögel und heitere,
blendende Sonnenstrahlen, die jeden Winkel meines Zimmers ausfüllten.
Aufgeregt erwachte ich, lief zum Fenster und vernahm die ersten Anzeichen des Frühlings.
Die Knospen an den Bäumen hatten sich bereits ausgebildet, die Sonnenstrahlen hatten diese
gewisse Farbe, wie sie sie nur im Frühling haben, die Vögel waren aus dem Süden
zurückgekehrt und verkündeten die frohe Botschaft.
Ich öffnete mein Fenster weit und atmete die wundervolle Frühlingsluft ein.
Kühl, klar und rein, wie ein Parfum, dessen Herznote aus Fröhlichkeit und Energie bestand.
Plötzlich kam mir ein Gedicht in den Kopf, dass ich vor langer Zeit in der Schule gelernt
habe, doch es gefiel mir so gut, dass ich es nie vergaß:
Eduard Mörike-Frühling lässt sein blaues Band
Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist'
s!
Dich hab ich vernommen
Dies war wirklich ein wundervolles Gedicht.
Um meine enthusiastische Freude zu verstehen, sollte man wissen, dass der Winter, der hinter
uns lag, ein wirklich harter, langer Winter war, der viele Opfer forderte.
Über drei Monate bewegten sich die Temperaturen zwischen -5 und -20°C. Viele Obdachlose
konnten der eisernen Kälte nicht standhalten und erfroren. Es war ein solch wildes
Schneetreiben, dass selbst die Nahrung aufgrund der Straßenverhältnisse oft nicht in unseres
Lädchen ankam. Außerdem die kurzen Tage. Die ständige Dunkelheit, die die Menschen
melancholisch werden lässt.
Doch etwas Gutes hatte es auch. Wir besitzen einen wundervollen Ofen. Er ist dunkelrot und
sein Erscheinungsbild ist rustikal und trotzdem hübsch.
Außerdem dient er nicht nur dazu, die Familie zu wärmen, denn wenn wegen des
Schneechaos mal wieder der Strom ausgefallen war, konnten wir auf ihm auch kochen und
backen. Dann setzten wir uns alle um den alten, massiven Tisch, der vor unserem warmen
Ofen steht und tranken Kakao, aßen Bratäpfel und zündeten Kerzen an.
Plötzlich wurde ich in meiner Tagträumerei unterbrochen.
Meine Mutter trat in mein Zimmer und begrüßte mich freundlich.
Dann erzählte sie mir, dass wir heute Abend den Frühlingsanfang feiern wollten und dass wir
nun eine Menge vorzubereiten hatten. Also backten wir zusammen Kuchen und mein Vater
machte alles für das große Feuer in unserem Garten bereit.
Abends kamen viele Freunde und Nachbarn und wir saßen mit kuschligen, wärmenden
Decken ums Feuer herum. Dann schaute ich in den klaren Sternenhimmel. Die Sterne
funkelten hell und klar und der Mond hatte seine volle Pacht erreicht.
Ich fühlte mich glücklich und frei.
12
Autorin zu „Wishes“ von Superchick
Märchen
Ich gucke mich um und sehe nur weiße Wände in allen Himmelsrichtungen. Der Raum, in
dem ich mich befinde scheint riesig zu sein. Fenster gibt es keine und doch ist es so hell, dass
ich meine Augen kaum offen halten kann, als würden tausend Sonnen auf einmal strahlen. Ich
muss immer wieder blinzeln und kann erst nach einigen Minuten die Augen weit öffnen, um
meine Umgebung wahrzunehmen. Wo bin ich nur gelandet? Als ich an mir runtergucke, um
festzustellen, ob ich tot bin und das hier der Himmel ist, muss ich feststellen, dass auch ich
völlig in weiß gekleidet bin. Ein einfaches weißes T-Shirt und eine lange weiße Hose
schlabbern um meinen Körper. Ich bin barfuss und obwohl ich mich noch an die Kälte
erinnern kann, die meinen Körper bei -18°C zum Schlottern gebracht haben, ist mir mollig
warm.
An dem Ort, an dem ich mich befinde scheint es keine Zeit zu geben. Ich habe keine Ahnung,
wie lange ich wohl schon hier bin und langsam schleichen sich Angst und Zweifel in meine
Gedanken. Dieser Ort ist so merkwürdig. Wieso bin ich nur hier gelandet? An einem Ort ohne
Zeit. Ich kann nicht mal erkennen welche Jahreszeit hier gerade ist. Es ist einfach nur alles
weiß und dieses Weiß scheint sich ins schier Unendliche hin zu ziehen. Und dieses helle
Licht, dass alles erleuchtet, obwohl ich seine Quelle nicht ausmachen kann. Es ist einfach da;
so wie alles einfach das ist an diesem Ort. Ohne Erklärung - ohne Sinn.
Was ich jetzt tun soll, weiß ich nicht. Also fange ich einfach an zu laufen. Setzte einen Fuß
vor den anderen, bevor ich weiß wie mir geschieht. Meine Füße haben ihren eigenen Willen
und wie benommen gehorche ich ihren Befehlen.
So laufe ich immer weiter und weiter und versuche, jede kleinste Veränderung meiner
Umgebung wahrzunehmen. Doch nichts passiert. Ich habe das Gefühl, dass ich schon seid
Stunden geradeaus laufe, doch ich bin einfach nicht weitergekommen. Alles um mich herum
sieht noch immer gleich aus. Weiß. Keine Veränderung. Es kommt mir vor, als hätte ich mich
keinen Zentimeter vom Fleck bewegt, denn der Raum liegt noch immer in seiner
Unendlichkeit vor mir. Ich sehe nur das Licht und bin eingetaucht in völlige Stille.
Also halte ich an. Bleibe abrupt stehen, als hätte mich etwas ausgebremst. Diese Situation
scheint aussichtslos. Ich bin hier gefangen in einem Raum voller Nichts!
Wut steigt in mir auf und für einen kurzen Moment kann ich nicht mehr klar denken und habe
das Gefühl durchzudrehen. Um mich zu beruhigen, lasse ich mich langsam auf den Boden
sinken und verharre dort im Schneidersitz, die Augen geschlossen, die Hände auf dem Schoß
gefaltet. Ich muss meine Gedanken wieder ordnen, und meine Wut bekämpfen, um einen
Ausweg aus diesem Nichts zu finden.
Nach einigen Sekunden der Entspannung, klaren sich die schwarzen Wolken in meinem Kopf
wieder auf und ich sehe mein altes Leben klar und deutlich vor meinem inneren Auge.
Meine kleine Tochter Marie, im Alter von 5 Jahren, spielt auf der kleinen Wiese vor unserem
alten Haus. Sie trägt ein hellblaues Sommerkleidchen, das mit unzähligen Blumen und
Schmetterlingen verziert ist. Die dunklen Haare hat sie im Nacken zu einem Zopf geflochten,
der in einer weißen Schleife endet.
Es ist ein herrlicher Sommertag, der Himmel ist strahlend blau und die Vögel zwitschern. Es
ist, wie ein Bild aus einem Märchen.
Marie dreht sich und tanzt gelassen durch den Garten. Das hat sie immer gemacht, als sie
noch klein war. Sie hat es geliebt, stundenlang zu tanzen und hat sich dabei wie eine kleine
Ballerina gefühlt. Sie war ein glückliches Kind, das stets ein Lachen im Gesichtchen trug.
Als Marie gerade einen bunten Schmetterling auf einer Lilie entdeckt, kommt Tom zur Türe
heraus. Sobald er Marie sieht, beginnt er zu lächeln. So war es immer, denn seine Tochter hat
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ihm alles bedeutet. Unsere kleine Familie war glücklich, obwohl wir nie viel hatten. Tom
musste hart für das Bisschen arbeiten, das wir hatten, aber es hat uns gereicht.
Doch anscheinend hat es ihm irgendwann nicht mehr ausgereicht und er hat mich und Marie
verlassen. Um seine Träume zu verwirklichen. Er hat gesagt, er wäre nicht mehr glücklich. Er
hat gesagt, was wir hätten, wäre nicht mehr genug. Er hat gesagt, er würde mich nicht mehr
lieben.
Also ist er gegangen.
Nach Italien, um dort als Künstler zu arbeiten. Hat mich und Marie hier im Stich gelassen.
Seit er nicht mehr da ist, ist Marie nicht mehr glücklich. Sie ist jetzt 14 Jahre alt. Lachen sehe
ich sie nur noch selten. Meistens will sie allein sein und verkriecht sich in ihrem Zimmer. Sie
lässt mich nicht mehr an sich ran.
Unser altes Kleinstadthaus mit dem Gärtchen davor mussten wir verkaufen, weil ich es mir
nicht mehr leisten konnte.
Obwohl es uns nicht schlecht geht und wir weder krank noch arm sind, bin ich nicht mehr
glücklich.
Mein Märchen hatte kein gutes Ende. Mein Traumprinz ist mir einfach weggelaufen.
Aber so ist das Leben nun einmal. Nichts läuft wie man es geplant hat.
Ich wünschte aber, es wäre alles anders gelaufen. Ich wünschte, Tom hätte uns nicht
verlassen. Ich wünschte, er hätte gewollt, dass wir ihn nach Italien begleiten. Ich wünschte,
dass er nie aufgehört hätte mich zu lieben.
Ich wünschte, dass ich endlich aufhören könnte mir all diese Dinge zu wünschen, um ihn zu
vergessen. Meine Vergangenheit endlich hinter mir zu lassen.
Plötzlich wird mir klar, warum ich hier bin. Ich muss endlich ein neues Leben beginnen.
Ein neues Leben aus dem Nichts heraus erschaffen, das mich endlich wieder erfüllt und mich
glücklich macht.
Langsam erhebe ich mich aus meinem tranceähnlichen Zustand und richte mich auf.
Meine Gliedmaßen sind von der der langen Zeit des Nichtstuns schwer. Die Arme hängen
schlaff an mir herab und ich kann mich kaum auf den zitternden Beinen halten.
Plötzlich jedoch fühle ich eine neue Kraft in mir aufsteigen. Ein warmes, bisher unbekanntes
Gefühl macht sich in meiner Brust breit. Erst kaum wahrnehmbar, dann immer stärker. Ich
scheine von innen heraus zu verglühen, doch durch diese Hitze kann ich eine neue Kraft in
mir spüren. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht und mein Herz beginnt wie wild
gegen meine Brust zu hämmern.
Langsam hebe ich die Arme; immer höher und höher, bis über meinen Kopf. Ich richte das
Gesicht nach oben und sehe in den weißen Himmel. So fange ich an, mich Kreis zu drehen.
Immer wieder und wieder. Lache dabei und kann meine Glücksgefühle kaum noch in mir
halten. Immer weiter drehe ich mich Kreis, wie ein kleines Kind. Meine Bewegungen werden
immer schneller und schneller, bis meine Umgebung vor meinen Augen verschwimmt.
Bis ich nur noch weiß sehe. Das unendliche Weiß. Und dann…wird alles schwarz.
Als ich die Augen öffne, stehe ich in meinem alten Haus. In meinem und Toms alten Haus.
Vor dem großen, goldenen Wandspiegel im Flur und sehe mir direkt ins Gesicht.
Ich sehe verändert aus. Obwohl ich nur für den Bruchteil einer Sekunde die Augen
geschlossen habe, um mich von dem Ort zu trennen, der so viele Erinnerungen hochkommen
lässt.
Vielleicht ist mein Märchen noch nicht wahr geworden. Vielleicht ist ein schöner Abschnitt
meines Lebens vorbei. Vielleicht war Tom einfach nicht mein Prinz.
Doch jedes Märchen hat die Chance auf ein Happy End.
Auch mein Märchen.
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Autorin zu „The A –Team“ von Ed Sheeran
It's too cold outside, too cold for angels to fly
Warme Luft streift über ihre Wangen, ein penetranter und drückender Geruch breitet sich aus.
Menschen laufen hektisch an ihr vorbei, um rechtzeitig einzusteigen.
Das Aneinanderquetschen ihrer Körper ermöglicht schließlich auch dem Letzten einen Platz.
Langsam schließen sich die Türen und die müden Gesichter der Menge verschwinden
gemeinsam mit der Bahn im Dunkeln des Tunnels. Ein wehmütiges Lächeln zeichnet nun ihr
Gesicht. Wäre für die letzte Person kein Platz mehr gewesen um einzusteigen, würde diese
Person nun neben der jungen Frau sitzen, die ihre Augen geschlossen hält und in sich hinein
zu lächeln scheint. Die Person würde auf die nächste Bahn warten. Sie würde bemerken, dass
die Frau nicht ganz bei sich ist, sie vielleicht ansprechen und danach einen Krankenwagen
anrufen. Vielleicht würde sie die Frau aber auch ignorieren und angespannt auf die nächste
Bahn warten.
Warmes Scheinwerferlicht streift über ihre Wangen, ein wohlriechender Duft breitet sich aus.
Parfümierte, elegante Frauen schauen sie gebannt an, um bloß keine Bewegung zu verpassen.
Mit einer graziösen Leichtigkeit bewegen sich ihre Füße zur Musik und sie genießt die
spannungsgeladenen Gesichter ihres Publikums vor dem Sprung. Ein Lichtkegel erleuchtet
ihre Silhouette, die Musik wird schneller und erreicht bald ihren Höhepunkt. Ihre Füße lösen
sich vom Boden und ihre Plastikflügel scheinen sie in die Luft zu heben. Die Menge tobt,
doch bald berühren ihre Füße wieder den kalten harten Boden.
Die Person, die keinen Platz mehr in der Bahn gefunden hat, würde nun bemerken wie die
Frau auf dem benachbarten Stuhl stark zusammenzuckt. Bald würde sie in schwarz umrandete
Augen schauen, die verwirrt die Gegend um sich herum wahrnehmen. Die Frau würde sich
beruhigen und die ankommende Bahn mit einem Seufzer betrachten. Sie ist wieder in der
harten Realität angekommen. Ihren Traum, eine berühmte Tänzerin zu werden, wird sie
niemals in die Tat umsetzen können. Es wird immer ein Traum bleiben, zu viel Geld kostet
eine professionelle Ausbildung, zu viel Geld geht für andere Sachen drauf. Und so schaut sie
in ihre Tasche, mit zitternden Händen zieht sie ein Päckchen heraus. Es ist leer. Alle Tabletten
sind aufgebraucht. Eine große Leere breitet sich über ihr Gesicht aus. Heute wird sie den
schönen Traum nicht weiter träumen können. Heute muss sie allein mit der kalten Realität
klarkommen, in der es nicht möglich ist, mit Plastikflügeln abzuheben.
Während die Person, die zunächst keinen Platz in der Bahn gefunden hat in die Bahn steigen
und sich auf sein trautes Heim freuen würde, wird die Frau niemals zu Hause ankommen. Sie
wird der Bahn sehnsüchtig nachschauen und den Mann beneiden, der in die Bahn steigt und
nach Hause fährt.
Manchmal fragt sie sich, ob diese Person sie irgendwann retten wird. Sie in den Arm nimmt
und freudestrahlend verkündet, sie mache aus ihr eine fabelhafte Tänzerin.
Doch das passiert nicht. Es gibt keine Person die auf den nächsten Zug warten muss.
Irgendwie schafft es jeder dieser Menschen, sich einen Platz in der überfüllten Bahn zu
erkämpfen, um nach Hause zu fahren. Sie schafft es nicht. Und so ist sie alleine, kein Mensch
ist da, der sie retten kann. Anstatt ebenfalls in die Bahn einzusteigen, wird sie weiterhin mit
ihrem Becher am Straßenrand sitzen, um kläglich Geld zusammenzukratzen, damit sie endlich
wieder Träumen kann.
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Autor zu „The Islander“ von Nightwish
Gefährliche Vergangenheit
Seit seinem sechsten Lebensjahr fuhr Piet zur See. Damals fuhr er noch auf dem Fischkutter
seines Vaters aufs offene Meer hinaus und half diesem beim Einholen der Körbe. Der Junge
wunderte sich immer, wie man mit solch eigenartigen Gebilden Lebewesen fangen kann.
Noch dazu waren es immer filigrane Krabben, die sich im Korbgeflecht der rätselhaften Netze
verfingen und hilflos mit ihren Beinchen und Scherchen zappelten. Eines Tages erklärte ihm
sein Vater, dass er hauptsächlich Krabbenfischer sei und dass er mit den kleinen Krebstieren
viel mehr Geld verdienen könne, als mit glitschigem Kabeljau. Fische gab es hier in der
kleinen Küstenstadt an jeder Straßenecke, und man bekam ihn hier fast überall für einen
lächerlichen Geldbetrag nachgeschmissen.
Nur die wenigsten Seeleute beherrschten die hohe Kunst des Krabbenfischens. Diese Arbeit
kostete dafür jedoch ihren Preis. Denn nur bei starkem Wellengang waren gute Fänge zu
machen, da die Krebse nur in aufgewühltem Meeresgrund nach Nahrung suchen.
Für viele Fischer ist diese Leidenschaft nun schon zum Verhängnis geworden, da sie den
Sturm überschätzten und mit ihren kleinen Schiffen kenterten.
Piets Vater hätte nicht bei dem Unwetter ablegen sollen. Das sagte sogar der wahnwitzige
Gunnar, den alle nur Seebär nannten und der schon mehrmals durch eine Leichtsinnigkeit ein
teures Fischernetz an das Meer verloren hatte.
Jedenfalls sah Piet nach diesem Unwetter seinen Vater nie wieder. Selbst der Kutter ist nicht
wieder gesichtet worden.
Während er über diese Dinge nachdachte, zog er die Ankerleine wie mechanisch, Stück für
Stück aus dem Wasser. Als hätten seine Arme ein Eigenleben entwickelt, griffen seine Hände
nach dem Tau und hievten Zoll für Zoll das schwere Eisen an Bord. Die Crew musste sich
beeilen, denn eigentlich hätten sie sich schon vor etwa einer Stunde auf dem offenen Meer
befinden sollen. Doch es hatte Schwierigkeiten mit den Hafenwächtern gegeben und so hatte
sich die Abfahrt sehr verzögert.
Jeder musste mit anpacken: Der dicke Marvin, Ignaz, der Besserwisser, und sogar der alte
Manfred, dem schon weniger Haare auf dem Kopf sprossen als einer polierten Honigmelone.
Piet war mit seinen fünfzehn Jahren der Jüngste der Mannschaft, die mit nach Kiel fahren
sollte.
Der Regen spritzte von der Takelage und dicker Nebel waberte über den Wellen, wie grauer
Rauch. Kalt und nass klebten die blonden Haarsträhnen an seiner Stirn. Piet mochte dieses
Wetter genauso wenig wie den unheimlichen Kapitän, der mit seinem eisgrauen Bart und
seiner Seemannsmütze genauso aussah wie Nemo, der geheimnisvolle Kapitän aus „20.000
Meilen unter dem Meer“. Seine Mutter hat Piet jeden Abend aus dem Abenteuerroman
vorgelesen. Der waghalsige Nemo in seinem Stahlschiff, das unter Wasser die Tiefsee
erforscht, hat ihn immer fasziniert.
„Was guckst du denn so grimmig“, rief Marvin fröhlich herüber.
„Wie? Findest du, ich gucke grimmig? Dann sieh doch mal in den Spiegel“, lachte Piet, und
ließ sich nicht anmerken, dass er nun viel lieber auf Vaters kleinem Kutter die Krabbennetzte
einholen würde.
Der dicke Marvin kam herangeschlurft und grinste. „Ich? Mir geht’s gut, aber… Ich dachte
nur gerade, dass du nicht bei der Sache bist. Irgendwie warst du weit weg. Nicht hier. In der
Ferne… obwohl du ja eigentlich hier vor mir stehst… na du verstehst schon…“
„Marvin, du kennst mich doch! Ich gucke doch nicht verträumt durch die Gegend. Ich mache
meine Arbeit gewissenhaft.“ Piet wickelte den Strick des Ankers zu einer großen Rolle
zusammen.
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„Pass auf dich auf, Piet. Es wäre schade, wenn du wegen einer Dummheit über Bord gehst“,
erwiderte der Dicke. Das freundliche Lächeln war plötzlich aus seinem runden Gesicht
verschwunden.
„Ach keine Sorge, ich stell schon nichts an…“, versprach Piet mit ruhiger Stimme.
Es braucht sich hier niemand zu kümmern, was ich mache, dachte der blonde Junge. Alle
Seeleute haben irgendwie einen Hang zu Fabeln und Geschichten. In der aufgeklärten Zeit des
neunzehnten Jahrhunderts war es erstaunlich schwer, irgendein Seemannsgarn den alten
Matrosen auszureden. Piet musste nur ein modernes Dampfschiff betreten, und schon kamen
einige Leute daher und behaupteten etwas von Klabautermann und schleimigem
Meerungeheuer.
Als der Vater für tot erklärt wurde, was jedoch niemand bestätigen konnte, erzählten sich die
Fischhändler auf dem Markt schon Geschichten über Piets Familie.
Seine Schwester Margot regte sich immer tierisch auf, wenn sie die Märchen hörte, die
meistens von riesigen Walfischen handelten, die Vater wie Jonas aus der Bibel, verschlungen
haben sollen. Bei lebendigem Leib!
Einige Menschen gingen sogar so weit, zu behaupten, der zehn Schritt lange Kutter wäre
mitsamt dem Vater von einem gigantischen Hai gefressen worden.
Was für ein Quatsch, schimpfte Piet in Gedanken. Wer den Leuten wohl solche Flausen in
den Kopf setzt…
„Was meinst du eigentlich mit ‚von Bord gehen’?“, fragte Piet argwöhnisch nach. „Willst du
mich etwa von Bord werfen?“
Marvin furchte erstaunt die Stirn. „Warum sollte ich dich über Bord werfen? Der Kapitän
würde das vielleicht machen… Ich wollte nur sagen, dass du aufpassen musst. Ich will nicht,
dass dir das gleiche zustößt, wie deinem Vater.“
„Es gibt keinen Wassermann, der ihn angeblich auf den Meeresgrund gezogen hat. Mein
Vater war ein guter Mann. Hat immer viele Krabben gefangen und ist auch einmal im Monat
in die Kirche gegangen.“ Piets Stimme schwoll bedrohlich an.
„Ist ja gut, Kleiner!“, beruhigte der dicke Marvin den blonden Jungen. „Brauchst keine Angst
zu haben. Ich glaube dir ja.“
Davon war Piet nicht überzeugt. Zu tief saß die Erinnerung an einen Donnerstag, an dem
Ignaz unabsichtlich verraten hatte, was die Mannschaft tatsächlich über den vaterlosen
Schiffsjungen dachte. Wie an jedem Donnerstag hatte Piet Putzdienst im Frachtraum gehabt.
In der stickigen, dunklen Kammer hatte er mit einem schweren Besen den Holzboden
geschrubbt, bis das Wasser sprudelte und hellen Schaum bildete. Als Ignaz vorbeigekommen
war, um seine Arbeit zu überprüfen, hatte Piet einen Witz über den Klabautermann gemacht,
um den Besserwisser ein wenig aufzuheitern. Ignaz hatte lauthals losgelacht und sich den
Bauch halten müssen. Zufrieden hatte der Schiffsjunge gegrinst, doch die Stimmung war so
schnell wieder abgekühlt, wie der Scherz sie aufgelockert hatte. Ignaz hatte Piet beiseite
genomen und todernst gemeint, dass man diesen Witz auf keinen Fall in Gegenwart des
Kapitäns erzählen sollte.
„Es ist sogar lebensgefährlich!“, hatte der Besserwisser den Jungen gewarnt. „Er ist sehr
abergläubisch und würde auch nicht zögern, wegen einem Witz über Seegeister das Schiff
anzuzünden, um die Dämonen milde zu stimmen.“
Piet konnte sich das gut vorstellen. Selbst Marvin hatte ein flüchtiges Stoßgebet an den
Himmel geschickt, als er Piets Lebensgeschichte erfahren hatte. Die Crew glaubte, auf seiner
Familie ruhe ein uralter Fluch des Teufels. Der Kapitän hatte Angst vor dem Teufel, und das
konnte sehr gefährlich werden.
Seine Hängematte knirschte und schaukelte hin und her. Das Wasser schlug gegen das Schiff
und hob es auf und ab, wie einen hilflosen Korken. Irgendwo in der Dunkelheit vernahm Piet
das pfeifende Schnarchen, das vermutlich dem alten Manfred zuzuordnen war. Der Junge
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konnte nicht einschlafen und wünschte sich bloß, in einer kleinen Hafenkneipe zu sitzen und
dem nächtlichen Gesang der heiteren Matrosen zu lauschen.
Doch stattdessen stand er auf und öffnete die Luke, um sich in der Schiffsküche etwas zu
trinken zu holen.
Im Speiseraum stand noch das Wasser, das Piet sich am Abend eingeschüttet hatte, für den
Fall, dass er in der Nacht Durst bekäme.
Gierig nahm er einen großen Schluck aus dem Glas und setzte sich müde auf eine Holzbank.
„So kann das nicht weitergehen. Er muss verschwinden, sonst werden wir noch alle
draufgehen“, kam eine Flüsterstimme aus der Kapitänskajüte. Piet leerte den Becher in einem
Zug und näherte sich neugierig und ängstlich zugleich der Tür.
„Wie willst du das anstellen? Ihn umbringen?“ fragte Marvin hinter der Tür.
„Psst! Nicht so laut!“, zischte der Kapitän. „Ich will, dass du den Schiffsjungen morgen früh
an eine versteckte Ecke lockst und ihn dann mit einem Messer von hinten beseitigst.“
„Aber weshalb denn? Auf ihm lastet kein Fluch vom Teufel“, wisperte der Dicke im
Schlafraum des Kapitäns.
„Hast du gesehen, was er angerichtet hat? Als wir ihn vor einem Monat an Bord geholt haben,
haben wir einen gewaltigen Fehler gemacht. Ab diesem Tag sind wir alle verflucht worden.
Die Unwetter, die ab da an folgten, sind kein Zufall gewesen!“ Die raue Stimme überschlug
sich und verriet, wie viel Angst der Kapitän wirklich hatte.
„Er ist verflucht! Sein Vater wurde von Satan persönlich ins Fegefeuer geholt“, flüsterte er
panisch weiter. „Er muss weg! Entweder du bringst ihn um, oder ich lasse euch beide ins
Meer werfen.“
Piets Herz klopfte und hämmerte, sodass er stocksteif dastand und nicht wusste, was er tun
sollte. Schweißüberströmt zwang er sich, von der Tür Abstand zu nehmen und wieder zurück
in den Schlafraum zu schleichen.
Was sollte er tun? Das Schiff befand sich nun viele Meilen auf dem offenen Meer und an
Schwimmen war bei diesem Wellengang nicht zu denken. Fliehen? Sich Verstecken?
Piet zitterte wie Espenlaub und versuchte krampfhaft seine Gedanken zu ordnen.
Klirr! Scherben verteilten sich über dem Holzboden: Er hatte versehendlich das leere Glas
von der Tischkante gestoßen, während er versuchte, den Speisesaal ohne einen Laut zu
durchqueren. Die Glassplitter klimperten auf dem Boden und tanzten in alle Richtungen.
„Wer ist da!“, rief der dicke Marvin zornig und öffnete die Tür.
Schweißgebadet wachte Piet in seiner Hängematte auf. Ein kurzes Umschauen, ein leiser
Seufzer, er war in Sicherheit. Das verhängnisvolle Gespräch war bloß ein böser Traum
gewesen.
„Immer nur Zwieback! Gibt es hier nicht Rührei und Speck zum Frühstück?“, lachte Manfred.
Die versammelte Mannschaft hatte sich zum gemeinsamen Frühstück versammelt und
diskutierte über Rührei und Speck.
Piet grinste. Über das Frühstück debattieren die Seeleute fast jeden Morgen.
Es herrschte eine fröhliche Atmosphäre, denn vergangene Nach waren sie schneller
vorangekommen, als sie sich ausgerechnet hatten. Die Stadt Kiel würde das Schiff wohl doch
noch pünktlich erreichen.
„Was ist los?“, fragte Marvin den Besserwisser, der sich mit Schmerzen den Fuß rieb.
„Ich habe mich verletzt“, erklärte Ignaz mit ärgerlicher Stimme. „Ich habe mir einen Splitter
in den Zeh gerammt.“
„Seltsam… einen Holzsplitter habe ich mir an diesem glatten Holzboden noch nie geholt“,
wunderte sich der Dicke.
„Nein“, verbesserte ihn der Besserwisser. „Es war kein Holzsplitter! Als ich bei
Sonnenaufgang in den Speisesaal kam, lagen hier überall Glasscherben auf dem Boden.“
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Autorin zu „Raus mit der schlechten Luft, rein mit der guten“ von Mikroboy
Frühling
Schluss jetzt. Neuanfang. Vergeudete Stunden, Tage, Momente. Zu wertvoll das Leben, um
ungenutzt zu bleiben. Zu wertvoll, um so weiter zu machen wie bisher. Es sind die kleinen
Dinge, die dir die Augen öffnen und dir zeigen, dass das nirgendwohin führt. Dass die
Veränderung zu einer Notwendigkeit wird.
Aber das ist nicht der Zwang, der in der Luft liegt, sondern die Erwartung auf das, was jetzt
möglich ist. Wie ein Schalter, der vom einen auf den anderen Moment umgelegt wird und
Licht ins Dunkel wirft. Ganz einfach auf einmal die Passivität abzulegen, das Leben zu leben.
Ganz leicht die Freude, das Lachen, du selbst. Was hat dich davon abgehalten die ganze Zeit,
wo war die Stärke, die dich jetzt so selbstverständlich durchströmt? Egal! Es ist nicht die
Vergangenheit, die zählt. Die Momente sind es, auf die man sich konzentrieren muss- die so
unglaublich flüchtig sind.
Aufstehen heißt es jetzt, weitergehen, weiterleben. Was interessieren die schlechten
Momente, wenn’s soviel mehr bessere geben kann? Raus! Raus mit der schlechten Luft, rein
mit der guten. Weg mit der Vorsicht, auf zu neuen Orten, Menschen, Erfahrungen. Bereut
wird später nur, wovor du gekniffen hast, wofür du nicht den Mut aufgebracht hast. Die
Sonne stärkt dir den Rücken, der frische Duft der wiederauflebenden Natur befreit dich von
deinen Lasten und du bist bereit für das Leben.
Los jetzt. Neuanfang.
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Autor zu „Iridescent“ von Linkin Park
Sommergefühl
Es ist spät am Morgen, als ich erwache. Der Blick durch die Roll-Laden lässt düsteres Wetter
erahnen, während ich mich mühsam aus dem Bett quäle.
Ich lasse die Roll-Laden hoch und öffne die Tür zum Balkon, ein kalter Hauch erfasst mich.
Ich greife die Fernbedienung und schalte das Radio an, Stau auf der A3, das übliche, und lasse
mich, immer noch müde, in den Stuhl fallen.
Ich starre nach draußen, als ich merke, dass die Meldungen vorbei sind, endlich kommt ein
Lied, hoffentlich kein Mist, dachte ich.
Linkin Park, das geht doch, irgendwoher kenne ich das Lied sogar, irgendwoher kenne ich das
Lied, war das nicht Filmmusik?
Egal, hört sich ja gut an, erst nach einiger Zeit bemerke ich, dass ich zum Takt wippe, ich
wollte die sturmfreie Bude nutzen und noch mal laut aufdrehen, so dass ich es im Keller noch
gut hören könnte.
Als ich mich umdrehte, um die Fernbedienung zu schnappen, erfasste eine plötzliche Wärme
meinen Rücken, die Sonne war wieder aufgetaucht, nachdem sie monatelang der sibirischen
Kälte zu unterliegen schien.
Der Frühling begann; als das Lied vorbei war, konnte ich auf einmal den Vögeln lauschen, die
ich vorher entweder nicht bemerkt hatte oder die ebenso wie ich erst die Sonne mit guter
Laune begrüßten.
Plötzlich erwachte ich, alles nur ein Traum, schade eigentlich.
Diesmal heißt es wohl wirklich aufstehen, Roll-Laden hoch! Sonne und grüne Wiesen? Für
einen Moment hatte ich vergessen, dass längst der Mai begonnen hatte und die Natur in
sattem Grün strahlt.
Die Sonne scheint, das allein lässt den Tag schon gut werden, Tür auf, raus auf den Balkon,
Radio an, es läuft, es läuft tatsächlich, Linkin Park, Iridescent; zwicke mich, ja, ich bin wach,
das Leben überrascht mich immer wieder aufs Neue.
Die Welt hat mir ein Lächeln geschenkt, Zeit ihr eins zurück zu geben
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Autor zu „Good Life“ von One Republic
The Good Life
Als ich heute Morgen aufwachte, wusste ich als erstes nicht, ob ich noch träumte oder schon wach
war, da über Nacht der Frühling ins Land gekommen und dieses Landschaftsbild mir völlig fremd war.
Ich stieg aus meinem Bett, zog mich an und erledigte alle morgendlichen Aktivitäten. Danach zog es
mich raus in die Natur.
Ich ging die Straße entlang und hörte überall verschiedene Arten von Vögeln den Frühling verkünden.
Außerdem erfreute ich mich auch an allen anderen Naturschönheiten, die dieser schöne
Frühlingsmorgen zu bieten hatte.
Der Bäcker begrüßte mich mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht und verkaufte mir ungewohnt
günstig meine täglichen Brötchen.
Auch in der Zeitung fand man nur gute Nachrichten und es gab keine einzige Meldung über einen
Krieg oder ein Unglück.
Im Radio lief dieses Lied, welches ich schon öfters gehört hatte, aber immer wieder vergessen hatte,
wie es denn heißt und welcher Interpret es geschrieben hatte und sang.
Ich kam einfach nie auf den Namen.
Ich verließ die Bäckerei und machte mich auf den Heimweg, aber nicht auf den direkten Heimweg,
sondern ich nahm einen Umweg, um noch einige Eigenschaften der Natur aufzuschnappen.
So ging ich an einer dicken Eiche vorbei und mir fiel eine Eichel auf den Kopf oder ich sah zwei Rehe
auf der Wiese herumspringen.
Einige Kilometer später erreichte ich wieder Zivilisation. Ich war zurück in der Realität. Dort hinten
stand der kleine Kiosk am Sportplatz. Da fiel mir ein, dass ich ja letzte Woche Lotto gespielt hatte,
was ich sonst eigentlich nie tat. Einer meiner Freunde hatte mir dazu geraten, da er schon sehr viele
kleine Gewinne durchs Lotto eingeheimst hatte. Da ich sonst selten in diesen Teil der Stadt kam,
nutzte ich die Gelegenheit und betrat den Kiosk.
Ich schaute mich zunächst kurze Zeit in dem Kiosk um und betrachtete die Regale. Man erfuhr, dass
der neue Spielberg-Film „Good Times“ 10 Oscars gewonnen hatte und Tom Hanks zum besten
Schauspieler gekürt wurde oder, dass es einen neuen Chartstürmer gab, dessen Titel aber nicht genannt
wurde, um die Spannung zu halten. Aber der Kioskbesitzer spielte das Lied in seinem Laden rauf und
runter. Und es war wieder das Lied, was ich schon in der Bäckerei gehört hatte, aber mir nicht
eingefallen war, wie es hieß. Ich erinnerte mich immer noch nicht dran.
Nach einiger Zeit, begann ich aber damit, meinen eigentlichen Grund des Besuches zu vollziehen. Ich
gab dem Kioskbesitzer meinen Lottoschein und dieser ließ ihn durch die Maschine laufen…
JACKPOT !! Ich konnte es kaum glauben! 8 Millionen Euro mit einem Mal Lottospielen und einem
Lottoschein gewonnen!
„Sie sind aber ein Glückspilz“, meinte der Kioskbesitzer, als ich ihm meine wunderbare Geschichte
erzählt hatte.
Überglücklich verließ ich den Kiosk und machte mich weiter auf den Heimweg.
Als ich daheim angekommen war, rief ich sofort meine Eltern an und meinen besten Freund.
Ich erzählte ihnen die tolle Neuigkeit und sie freuten sich riesig mit mir.
Als das Adrenalin wieder abgebaut war, musste ich mich erst einmal etwas ausruhen und in Stille
genießen… Und dabei dachte ich nach: „Ich war gesund, hatte Familie, die sich mit einem freute,
einen besten Freund, dem man alles erzählen konnte und 8 Millionen Euro!“
„Was konnte mir jetzt noch passieren?“
Ich schaltete den Fernseher ein und da lief er schon wieder… der Song aus der Bäckerei und dem
Kiosk. Und jetzt fiel mir auch der Name dieses wunderschönen Titels ein: „Good Life“ von One
Republic. Dieser Song passte jetzt natürlich wie Faust aufs Auge zu meiner derzeitigen Situation und
mein Glück was ich im Leben hatte.
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Autorin zu “Brother Swing” von Caravan Palace
Luft voller Goldstaub
Es gibt es keine Frauen – nur Damen; es gibt keine Männer – nur Herren. Es ist keine Party,
es ist ein rauschendes Fest, bei dem die Luft voller Goldstaub ist. Nichts wird inszeniert,
sondern alles in Vollendung zelebriert. Denn gefeiert werden die Helden vergangener Nächte,
an die die Helden der heutigen erinnern sollen. Man kennt kein Morgen und zelebriert die
Nacht, als wäre es die letzte. Denn weniger ist niemals mehr und zuviel ist lange nicht genug.
Wer den glitzernden Saal betritt, tauch ein in eine vergangene Welt. Der Geist der 20-er Jahre,
Inspiration der französischen Belle Epoque und die Melancholie des Fin de Siecle umweht die
Gäste. Während in anderen Lokalitäten blitzende Stroboskope die Sinne verwirren, flimmern
hier Kronleuchter und Kerzen mit samtenem Licht. Wo andernorts betonierte
Diskothekenwände Dekoration genug sein müssen, schimmern hier schlanke Säulen, die an
der Decke in verschnörkelten Blüten münden, im Jugendstil-Ambiente. Kellner in schwarzweißem Livré und mit streng zurückgekämmten Gel-Haaren servieren prickelnde Getränke.
Ein Saal, in dem die Damen Fächer und die Herren Monokel tragen, wo sonst nur Jeans und
Tshirt zu sehen sind. Die Theke mit Bierausschanke ist in dieser Nacht zu einer edlen Bar
geworden, an der Absinth kein Fremdwort ist und perlender Champagner in Kristallgläsern
geschenkt wird.
Die Gäste können heute Nacht gar nicht mondän und overdressed genug sein. Die
Wasserwelle erlebt in den Frisuren eine Renaissance. Hier eine Blüte im Haar, da eine
Federboa. Weiße Gamaschen und gezwirbelter Schnäuzer, Zylinder und Zigarettenspitzen.
Keine Robe ist zu schick, kein Anzug zu teuer. Edel, keck oder adrett kommen die Damen
und Herren daher. Heute Nacht verlassen Normalbürger ihre gewohnte Rolle, um in die eines
Bohèmians oder Dandies, einer eleganten Diva, eines galanten Gigolos oder dezenten
Gentlemans zu schlüpfen. Es herrscht ein Flairgemisch aus Glamour und Glitter, Casino und
Variéte. Ein Karneval der vergnüglichen Eitelkeiten, bei dem der Gast spielerischen Umgang
mit höflichen Umgangsformen und pikanten Galanterien erlebt.
Die Gäste parlieren, trinken und tanzen. Und wie getanzt wird - hauptsächlich wild und
ausgelassen. Aber auch, wer den Paartanz beherrscht, findet hier reichlich Möglichkeiten, sich
auszuleben - vom Charleston bis zum Swing, vom Tango bis zum Stepp. Walzer tanzen bis in
die frühen Morgenstunden.
Der Schallplattenunterhalter spielt Musik, die dieser Atmosphäre angepasst ist. So manch
verrückter Klang imitiert authentisch nah die Klänge von damals. Zwanziger Jahre Schlager
und Chansons, (Elektro-) Swing und Gipsy, untermalt von modernen Aufnahmen alter Musik,
die den passenden Beat mitbringt. Auch Hot Jazz, jiddische Klezmermusik, Balkanpop und
Latino Klänge werden gespielt. Erlaubt ist hier alles, was irgendwie zur Stimmung der Nacht
passt.
Während die edlen Damen und Herren der feinen Gesellschaft im großen Salon ihren
Vergnüglichkeiten nachgehen und einen gewissen Stil kultivieren, versammeln sich die
Größen der Unterwelt im Kasino, um ihre letzten Reichsmark zu verspielen, elegante Diven
kennen zu lernen oder im Hintergrund ihren dubiosen Geschäften nachzugehen. Man gesellt
sich zur Pokerrunde und an den Black Jack- oder Roulette-Tisch, um auch dort seine für diese
eine Nacht übernommene Rolle zu zelebrieren.
Und am Morgen, wenn die Sonne aufgeht, verlassen die phantasievollen Nachgestalten
erschöpft den Festsaal. Getroffen von den ersten Sonnenstrahlen werden sie wieder zu dem,
was sie eigentlich sind. Der galante Gentleman verwandelt sich in einen
verantwortungsbewussten Familienvater, die elegante Diva erlebt eine Metamorphose zur
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Bankangestellten. Aber für diese eine Nacht haben sie alle den Alltag verlassen, um in die
Luft voller Goldstaub einzutauchen.
(Text z. T. entlehnt)
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