Jagdverhalten von Wölfen und wild lebenden Hunden
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Jagdverhalten von Wölfen und wild lebenden Hunden
Jagdverhalten von Wölfen und wild lebenden Hunden eine Hausarbeit im Rahmen der Ausbildung zum Tierpsychologen bei AnimalVision von Thomas Pott Korrektur: Silke Matzen Abgabedatum: 02.12.2012 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2 2. Caniden im Allgemeinen 3 2.1. Die Futtersuche der Caniden 4 3. Wölfe 6 3.1. Lebensräume – geographische Einordnung 7 3.2. Beuteschema 10 3.3. Dokumentiertes Jagdverhalten 12 4. Wild lebende Hunde 17 4.1. Lebensräume – geographische Einordnung 19 4.2. Beuteschema 21 4.3. Dokumentiertes Jagdverhalten 22 5. Diskussion mit vergleichenden Aspekten 25 6. Fazit 27 7. Quellenverzeichnis 28 8. Abbildungsverzeichnis 29 -1- 1. Einleitung In dieser Arbeit soll untersucht werden ob es grundlegende Unterschiede im Jagdverhalten zwischen Wölfen und Hunden gibt. Da für die meisten Familienhunde keine Notwendigkeit zur Jagd besteht und sie auch nur selten dazu befugt sind, eigenständig Beute zu reißen, fällt die Betrachtung auf Wölfe und wild lebende Hunde. Des Weiteren soll ein Augenmerk darauf gelegt werden, wie eine Jagdsituation grundsätzlich aussieht. Gibt es ein bestimmtes Schema, das immer erfolgversprechend ist? Sind Caniden nur im Rudel fähig zu jagen, wie es die meisten typischen Bilder von Wölfen beschreiben, oder gibt es eine ganze Reihe von Verhaltensweisen, die einen Jäger erfolgreich werden lassen? Die Idee dieser Arbeit resultiert aus der Faszination über strategisch organisierte Jagden, wie sie Wölfen nachgesagt werden. Es stand die Frage im Raum, ob die Realität genau dem entspricht oder doch eher von der Theorie abweicht und ob Hunde sich genauso oder völlig anders verhalten. Dazu ist es wichtig, die Ethologie dieser Spezies zu ergründen und dokumentierte Beispiele über jagdliches Verhalten zu sammeln, aus welchen dann im Zusammenhang grundlegende Schlüsse gezogen werden können. Man könnte meinen, dass der Verwandtschaftsgrad zwischen Hunden und Wölfen noch so eng ist, dass es kaum Unterschiede geben könnte. Andererseits scheint die Kluft, die die Domestikation zwischen den Caniden gebildet hat, doch sehr groß zu sein. Aber wie genau dies alles zusammenhängt wird im Verlauf der Arbeit einzeln beleuchtet und anschließend vergleichend diskutiert werden. Eine letzte Angabe zur Zitierung: wird ein Autor am Ende eines Kapitels nach dem Satzende genannt, bezieht sich die Zitation auf den kompletten vorangehenden Absatz. -2- 2. Caniden im Allgemeinen Der Begriff „Canide“ bezeichnet alle hundeartigen Säugetiere. In der biologischen Taxonomie wird diese Familie als Canidae bezeichnet. Die Familie unterteilt sich in zwei Hauptlinien (Tribus), die Canini (bezogen auf die Wölfe) und die Vulpini (bezogen auf die Füchse) und diese wiederum in viele verschiedene Gattungen und bestimmte Arten und Unterarten (McKENNA, BELL, 1997). Abb. 1 zeigt eine vereinfachte Übersicht einiger verschiedener bekannter Vertreter dieser Familie. Somit gehören neben dem Wolf auch die Schakale, Kojoten, der eng mit dem Haushund verwandte Dingo und eben auch die Füchse dazu. Alle Arten sind Carnivore (Fleischfresser) und/oder Omnivore (Allesfresser) und weisen einige Gemeinsamkeiten im Körperbau auf. Sie sind Zehenspitzengänger mit je vier einzeln beweglichen Zehen und nicht einziehbaren Krallen pro Fuß. Die Vorderpfoten besitzen zudem (außer beim Afrikanischen Wildhund (Lycaon pictus)) eine teilweise unbewegliche und stark rudimentäre Daumenkralle. An den Hinterläufen existiert bei einigen domestizierten Hunderassen eine ähnliche Kralle, die Wolfskralle genannt wird. Caniden besitzen eine eher schmale und leichte Körperform und im Vergleich dazu recht lange Beine. Dieser Körperbau entspricht dem eines Raubtieres und ermöglicht, zusammen mit der Eigenschaft als Zehenspitzengänger, eine schnelle Verfolgung flinker Beute (diese Beschreibung schließt allerdings einige domestizierte Zuchtlinien aus). Wild lebende Caniden sind auf jedem Kontinent außer der Antarktis zu finden und auch nahezu in allen noch so verschiedenen Lebensräumen. Sie besiedeln Wüsten, Abb. 1: einzelne bekannte Vertreter Steppen, Wälder und auch Gebirgsregionen. der Familie der Hundeartigen Ihr Größenwachstum ist den entsprechenden Lebensräumen und Beutetieren angepasst. Der Fennek oder auch Wüstenfuchs (Vulpes zerda) ist mit ungefähr 20 cm Schulterhöhe das kleinste Exemplar. Der Grauwolf (Canis lupus) mit bis zu ca. 85 cm das größte. Fast alle Caniden sind sehr soziale Lebewesen und bilden Gruppen, sogenannte Rudel oder leben in kleinen Familienverbänden. Eng miteinander verwandt sind die einzelnen Vertreter der Art Canis lupus. Ihr gehören der Wolf (Canis lupus), der Dingo (Canis lupus dingo) und der Haushund (Canis lupus familiaris) an, auf welche in dieser Arbeit besonderes Augenmerk gelegt wird. Ein wichtiger grundlegender Aspekt, der unbedingt berücksichtigt werden muss, ist die Domestikation der Haushunde, worauf im Kapitel 4. näher eingegangen wird. -3- 2.1. Die Futtersuche der Caniden Wild lebende Caniden müssen sich in irgendeiner Form selbst ernähren. Dies kann durch Jagd oder durch Suchen und Zusammentragen von Aas oder anderen essbaren Resten geschehen. Spotte (2012) beschreibt, dass eine Gruppe wild lebender sozialer Caniden ein „kollektiver Magen“ in Bezug auf die Futtersuche sei. Alle wild lebenden Caniden ernähren sich entweder über die Jagd auf bestimmte Beutetiere oder über die Suche von tierischen oder anderen essbaren Überresten. Wird im Folgenden über Jagd gesprochen, beinhaltet das sowohl das Finden von Beute, als auch das Verfolgen, Fangen und Töten dieser. Im Gegensatz oder auch ergänzend dazu steht das Suchen, Sammeln und Fressen von Kadavern und/oder anderen mehr oder weniger genießbaren Überresten menschlicher oder natürlicher Herkunft. Bei dem Vorgang der Futtersuche handelt es sich normalerweise um eine selbst belohnende Handlungskette, die durch ein Appetenzverhalten, wie Hunger oder einen Schlüsselreiz, wie z.B. eine fliehende Beute, ausgelöst wird. Die grundlegende Bedeutung der Futtersuche ist, rein biologisch betrachtet, die notwendige Beschaffung von Energie, die das Überleben jedes Einzelnen oder sogar einer ganzen Population bedeuten kann. Säugetiere benötigen diese Energie für Wachstum, Atmung, Aufrechterhaltung der Körperwärme, Reproduktion und alle anderen physiologischen Prozesse, die man allgemein als „Leben“ zusammenfassen könnte (SPOTTE, 2012). Je nach Lebensumständen ist Nahrung dabei aber nicht gleich Nahrung. Tiere treffen nachweislich einige Entscheidungen beim Nahrungserwerb. In diesem Zusammenhang ist von einem Optimalitätsmodell (Abb. 2) die Rede. Tiere achten bei ihrem Nahrungserwerb darauf, dass sie möglichst schnell eine hohe Energierate aufnehmen. Der Abb. 2: Optimalitätsmodell; graphische sogenannte Nettogewinn (in Abb. 2 Darstellung der Höhe von Kosten und grün gefärbt) sollte die Kosten (in Nutzen (Y-Achse) bezogen auf eine Abb. 2 rot) nicht übersteigen. Der Gruppe von Individuen (X-Achse) Optimalfall beschreibt den Punkt mit dem größten Abstand zwischen den Kosten und dem Nutzen. Die Qualität der Nahrung spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Quantität. Des Weiteren ist der Energieverlust der Nahrungsbeschaffung zu berücksichtigen, welcher durch den Zeitaufwand und die dabei nötige körperliche Anstrengung entsteht. Die Auswahl der Beute und die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit des Jagderfolgs oder -misserfolgs ist ein weiteres Kriterium, über welches Tiere bei der Futtersuche entscheiden müssen, ebenso wie die Vermeidung von Giften und Übergriffen von Konkurrenten und Feinden. Es findet also eine Art „Kosten- Nutzen- Rechnung“ statt, über welche die Tiere ihre Entscheidung bei der Auswahl ihrer Nahrung treffen (SPOTTE, 2012). Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang angesprochen werden sollte, ist die Eingrenzung nach der Raubtiere ihr Beuteschema anpassen. Laut -4- Spotte (2012) ist das Körpergewicht der Prädatoren von entscheidender Bedeutung. In der Regel verlagert sich das Beuteschema von Groß- auf Kleinbeute bei einer Körpermasse von 21,5 kg. Diese Grenze sei laut Spotte (2012) sogar ziemlich abrupt. Raubtiere, die schwerer als 21,5 kg Körpergewicht sind, selektieren eher Beutetiere, die mehr als 45% ihrer eigenen Körpermasse betragen, und Raubtiere unter einem Körpergewicht von 21,5 kg wählen eher Beutetiere mit weniger als 45% ihrer eigenen Körpermasse aus. Zusammenfassend ist es also für jedes Raubtier wichtig, den Energiegewinn über den dafür notwendigen Kosten zu halten (Abb. 2), was allem voran die Befriedigung aller physiologischen Prozesse ist. Hierbei spielt natürlich auch der Lebensraum eine Rolle, denn Lebewesen in kalten Klimaten benötigen dementsprechend mehr Nahrung um eine konstante Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Wie nun diese Aspekte auf Wolf und Hund zutreffen, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit weiter berücksichtigt und analysiert. -5- 3. Wölfe Der Grauwolf (Canis lupus) ist ein weltweit sehr weit verbreiteter Vertreter der Caniden. Grundsätzlich ist er in Nordamerika, Europa, Asien und Nordafrika beheimatet. Wo aber genau sich seine Lebensräume befinden, wird in Kapitel 3.1. noch näher aufgeschlüsselt. Wie bereits erwähnt, ist er der größte seiner Familie. Seine Schulterhöhe reicht bis zu 85 cm und sein Gewicht durchschnittlich bis zu 45 kg. Fähen (die weiblichen Tiere) sind mit ca. 38 kg etwas leichter. Sein Körperbau entspricht, wie in Kapitel 2. beschrieben, dem eines Caniden. Zudem hat ein Wolf eine überaus funktionstüchtige Lunge und ein großes belastbares Herz. Mit diesen anatomischen Eigenschaften ist er fähig, große Strecken an einem Stück zurück zu legen und zudem kurze Sprints mit Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h zu erreichen (BEWICK, 2006). Der Wolf ist ein hoch sozialisiertes Tier, welches üblicherweise in kleinen Familienverbänden, bestehend aus einem Elternpaar, den heran-wachsenden Jungen und Welpen, lebt. Darüber hinaus gibt es nachweislich auch Zusammenschlüsse von wesentlich größeren Rudeln, zu 20 Tieren und in sehr seltenen Fällen sogar mehr (ZIMEN, 2003). Die Größe eines Rudels in einem Habitat ergibt sich in der Regel in Abhängigkeit der Hauptbeutetiere bestimmt. Im Gegensatz dazu gibt es ebenso Tiere, die ihr Leben lang allein umherziehen und weder Anschluss zu einem Rudel finden, noch die Möglichkeit erhalten, Abb. 3: trabender Grauwolf in selbst eine Familie gründen zu können. Steppenlandschaft Der Wolf ist ein sehr territoriales Lebewesen. Sein Territorium, welches er für sich beansprucht, teilt sich in Kernterritorium und Streifgebiet auf. Das Kernterritorium wird nur von einem zusammen gehörenden Rudel bewohnt und aufs Äußerste verteidigt. Es bietet in der Regel alle zum Überleben wichtigen Kriterien, wie Zugang zu Wasser, Verstecke, Ruheplätze, Erhebungen als Aussichtspunkt und Möglichkeiten zum Anlegen von Bauten für die Aufzucht der Jungen. Die Größe des Kernterritoriums ist abhängig von der Größe des Rudels und von den angrenzenden Konkurrenten. Das Streifgebiet wird überwiegend als Jagdgebiet benutzt und kann sich mit Streifgebieten anderer Wolfsrudel überschneiden. Innerhalb der einzelnen Rudel herrscht eine hierarchische Struktur, die nicht, wie ursprünglich angenommen, linear sein muss. Allen voran steht das Alpha- oder Leitpärchen, welches normalerweise die Eltern der Jungtiere sind. Ein Rudelführer sollte Charakterstärke und einen hohen Erfahrungswert haben, um das Rudel sicher durch jegliche alltägliche Situation zu führen. Nicht jeder Wolf hat diese Eigenschaften, weshalb im Familienverband häufig die Elterntiere diejenigen sind, die diese Eigenschaften mit sich bringen. Somit ordnen sich die Jungtiere unter ihnen ein und klären ihre Dominanzbeziehung jeweils untereinander. Diese Beziehungen sind allerdings dynamisch und können jederzeit verändert werden. Die Farbvariation innerhalb der Spezies Wolf ist sehr verschieden und hängt eng mit deren jeweiligem Lebensraum zusammen (vgl. 3.1.). -6- 3.1. Lebensräume – geographische Einordnung Wölfe besiedeln fast jeden Kontinent dieses Planeten und bevor der Mensch mit der gezielten Jagd auf diese Spezies begann, war sein Verbreitungsgebiet sogar noch viel weitläufiger (vgl. Abb. 4). Der Wolf ist, wie die Abbildung 4 darlegt, fast ausschließlich auf der nördlichen Halbkugel zu finden. Durch die Verdrängung durch den Menschen hat er sich in Gebiete zurückgezogen, die eine sehr geringe Besiedelungsdichte aufweisen. Somit sind heute vorwiegend Populationen in den großen Waldarealen von Kanada, Alaska und Sibirien zu finden. Außerdem besiedeln sie die Tundra in Nordgrönland und die Nordküste Sibiriens. Vertreter der südlichen Subspezies sind heute noch in den orientalischen Ländern, wie der Türkei, dem Iran und Abb. 4: Verbreitungsgebiet Grauwolf: grün: aktuell vereinzelt in Küstenregionen besiedelte Lebensräume, rot: früheres Vorkommen von Saudi Arabien sowie Afghanistan zu finden. Die Hochländer und Gebirgsregionen der Mongolei, das Himalaya-Gebirge und z.T. auch in den Alpen und Pyrenäen sind weitere Verbreitungsgebiete, in denen Wölfe leben. Für das Jagdverhalten sind die Fellfärbung sowie die Körperstatur von grundlegender Bedeutung, weshalb die prinzipiellen Unterschiede der verschiedenen Phänotypen kurz angesprochen werden. Wie oben erwähnt, hängt die Farbvariation mit dem Lebensraum zusammen und in dem Zusammenhang werden dem Grauwolf einige Subspezies untergeordnet. Des Weiteren ändern sich je nach Lebensraum nicht nur die Fellfarben, sondern auch die körperlichen Eigenschaften der Subspezies. So hat z.B. der Polarwolf (Canis lupus arctos) eine weiße Fellfarbe und ist durch seinen Körperbau mit langem, dichten Fell und kleinen Ohren an Temperaturen von bis zu -50 °C angepasst. In seinem Lebensraum liegt den Großteil des Jahres über Schnee, wodurch er zudem die perfekte Tarnung für ein Leben in dieser Klimazone hat. Im Gegensatz dazu ist der Arabische Wolf (Canis lupus arabs) zu erwähnen. In dieser heißen, sandigen und steinigen Wüste ist die arabische Subspezies mit kürzerem Fell, größeren Ohren und einer schlanken und kleineren Gestalt perfekt angepasst. Des Weiteren besitzt er eine eher bräunliche Fellfärbung, welche sich kaum von seinem steinigen, sandigen Umfeld abzeichnet. Die Verbreitungsgebiete der einzelnen Subspezies können der Abbildung 5 entnommen werden. -7- Abb. 5: weltweite Verbreitungsgebiete der einzelnen Subspezies von Canis lupus [verändert] -8- Die folgenden Beispiele (Tab. 1) sind Nachweise von Wolfspopulationen in verschiedenen Lebensräumen, die von verschiedenen Forschern beobachtet und überwacht werden und auf welche sich in der Analyse des Jagdverhaltens im weiteren Verlauf der Arbeit bezogen wird. Die Angaben basieren auf dem Buch „Societies of Wolves and Free-ranging Dogs“ von Stephen Spotte (2012). Tabelle 1: Wolfspopulationen Jagdverhalten mit wissenschaftlichen Nachweisen bzgl. USA: (nach SPOTTE, 2012) Isle- Royale- Nationalpark, Houghton, Michigan Beltrami Island State Forest, Minnesota (BISF) Superior National Forest, Minnesota (SNF) Brooks Range, Alaska Nelchina Basin, Alaska Gates of the Arctic National Park and Preserve, Alaska Kenai Peninsula, Alaska Denali Wilderness, Alaska Bristol Bay, Alaska Oneida County, Wisconsin Canadian Rockies, Yellowstone National Park, Montana Kanada: Algonquin Provincial Park, Ontario Finlayson Lake Region, Yukon Ellesmere Island, Nunavut Queen Elisabeth Islands, Nunavut British Columbia Russland: Voronezh, West-Russland Belgorod, West-Russland Kaukasus, Süd-West-Russland Polen: Karpaten, Süd-Polen Vereinzelt in: Grönland Lettland Finnland Schweden Italien Spanien Portugal Iran -9- 3.2. Beuteschema Wölfe haben in der Regel ein größeres Körpergewicht als 21,5 kg und sind damit in erster Linie Jäger von Großbeute (SPOTTE, 2012). Andererseits kann man sie aber, laut Spotte (2012), auch als Gelegenheitsjäger bezeichnen, die in bestimmten Situationen vom Schema der Jagd auf Großbeute abweichen. Grundsätzlich spielen auch das Alter und die physische Verfassung der Beutetiere eine große Rolle. Befinden sich die Beutetiere in einer guten körperlichen Verfassung, fällt die Auswahl eher auf Jung- und Alttiere, die prinzipiell leichter zu erlegen sind. So hat z.B. eine Untersuchung von erbeuteten Kadavern auf Isle Royal, geleitet von L. David Mech, ergeben, dass 36% der Beutetiere im Winterhalbjahr Elch-Kälber (Alces alces) waren, welche aber bloß 15% der gesamten Elchpopulation auf Isle Royal ausmachen. Es wurde dabei kein einziger Kadaver von einem gesunden Jungtier gefunden. Die meisten der gefundenen Tiere waren in einem Alter von 8 – 15 Jahren und 39% von diesen zeigten körperliche Schwächen, wie Knochenwucherungen, Hufkrankheiten oder starken Wurmbefall. Eine weitere Untersuchung in Yukon zeigte, dass hier dem größten Teil aller erbeuteten Elche und Karibus (Rangifer tarandus) der Hungertod bevor stand. In Brooks Range in Nord-West-Alaska teilte sich das Beuteverhältnis in 51% Karibu und 42% Elch im Sommerhalbjahr auf. Die Karibus zeigten keine deutlichen körperlichen Schwächen, die Elche jedoch waren in eher schlechter Verfassung. Ein ähnliches Bild ergab eine weitere Untersuchung auf der Kenai Halbinsel. Die bevorzugte Beute waren auch hier Elchkälber und die meisten erwachsenen Tiere waren unterernährt, altersschwach, hatten Arthritis und/oder Periodontitis. Ebenfalls im Nelchina Basin erlegten die Wölfe sechs mal so viele Elchkälber wie Alttiere. Ein etwas anderes Ergebnis lieferten Beobachtungen in Canadien Rockies im Yellowstone National Park. Hier bejagten die Wölfe Wapitihirsche (Cervus canadensis) zu gleichen Anteilen von Jung- und Alttieren. (SPOTTE, 2012). Die Diversität der Beutetiere ist aber weitaus größer als die bisherigen Untersuchungen dargelegt haben. In Denali, Alaska verbrachten die Wölfe im Spätsommer/Herbst einen beträchtlichen Anteil ihrer Zeit damit, Mäuse zu jagen, aber auch das Alaska Murmeltier (Marmota broweri) und Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) standen auf dem Speiseplan. Ein Vierer-Rudel in Oneida macht fast das ganze Jahr über Jagd auf Weißwedelhirsche (Odocoileus virginianus). Der Anteil betrug 93% (ob Jung- oder Alttier ist unbekannt). Den restlichen Teil machten Hasen, Kaninchen und kleine Nagetiere aus. (SPOTTE, 2012). Im Superior National Forest ist eine saisonale Verschiebung des Beuteschemas zu erkennen. Die dort lebenden Wölfe machen im Winter Jagd auf Weißwedelhirsche und Schneehasen (Lepus americanus) und im Sommer ernähren sie sich eher von kleineren Tieren, wie Moorhühnern, Mäusen, Murmeltieren, Schlangen und Insekten. Im Beltrami Island State Forest ist die Situation sehr ähnlich. Eigentlich besteht die Hauptbeute der ansässigen Wölfe aus Elchen und Weißwedelhirschen, doch im Sommer werden hier hauptsächlich Waldmurmeltiere (Marmota monax), Stinktiere (Mephitis mephitis), Vögel, Vogeleier und Insekten gejagt. Es wurden sogar geringe Anteile von Schwarzbären (Ursus americanus) und anderen Wölfen im Mageninhalt nachgewiesen. (SPOTTE, 2012). In den nördlichen Teilen Kanadas und Alaskas sind Bisons (Bison bison) und Moschusochsen (Ovibos moschatus) ebenfalls potenzielle Beutetiere (SPOTTE, 2012). - 10 - In Russland ist die Jagd auf Rothirsche (Cervus elaphus) nachgewiesen (SPOTTE, 2012). Wölfe in British Columbia, Kanada, machen das ganze Jahr über hauptsächlich Jagd auf Maultierhirsche (Odocoileus hemionus), doch im Herbst wechselt ihr Beuteschema auf Lachse, die sich saisonal bedingt im Spätherbst zur Laichablage dort aufhalten. (SPOTTE, 2012). Abgesehen von natürlichen, wild lebenden Beutetieren, gibt es ebenso Nachweise für die Jagd von Wölfen auf domestizierte Tiere in menschlicher Obhut. Die Spezies Hund wird in manchen Gebieten regelmäßig bejagt und auch gefressen. Aus Fairbanks, Alaska, Minnesota und Wisconsin gibt es Berichte von Wolfsattacken auf Hunde im Garten der Besitzer. Auch aus Spanien, Portugal und Italien ist bekannt, dass Wölfe gelegentlich Jagd auf Hunde machen. In Lettland machen Hunde sogar 22% der erlegten domestizierten Tiere aus und in den polnischen Karpaten sogar den Großteil dessen. In Russland ist ebenfalls bekannt, dass Wölfe regelmäßig Jagd auf Hunde machen. Des Weiteren gibt es ähnliche Beispiele aus Finnland, wo sogar auch von Rissfunden von Katzen berichtet wurde. (SPOTTE,2012). Neben den Hunden werden aber auch immer wieder Schaf-, Ziegen- und auch Rinderherden von Wolfsattacken heimgesucht. Grundsätzlich ist aber eine Tendenz zu erkennen, dass wild lebende Huftiere, den domestizierten Tieren vorgezogen werden, was auch dem oben genannten Beuteschema entspricht. Warum dies trotzdem geschieht, wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch grundlegender analysiert. (SPOTTE, 2012). Ein weiterer Aspekt, der in das Beuteschema mit aufgenommen werden muss, ist die Suche nach oder das Zusammentragen von Essbarem, was in Kapitel 2.1. schon kurz angesprochen wurde. Wölfe sind in Hinsicht auf ihr Beuteschema sehr anpassungsfähig und können situationsbedingt auch durchaus zum Aasfresser werden. In Minnesota wurde ein Wolf beobachtet, der von einem im Wasser treibenden Elchkadaver fraß. In Alaska in der Nähe von Bristol Bay suchen Wölfe regelmäßig die Küstengebiete nach gestrandeten Meeressäugern ab. Dabei handelt es sich meistens um das Walross (Odobenus rosmarus), den Beluga Wal (Delphinapterus leucas), den Seehund (Phoca vitulina), die LarghaRobbe (Phoca largha), den Seeotter (Enhydra lutris) und gelegentlich auch den Grauwal (Eschrichtius robustus). (SPOTTE, 2012). Ist Beute rar, kann ein Wolf sich über einen gewissen Zeitraum auch von vegetarischer Kost ernähren, wie Beispiele aus den Canadian Rockies dem Beltrami Island State Forest und dem Superior National Forest belegt haben. Unter vegetarische Kost fallen hier z.B. Früchte, wie Blaubeeren, Himbeeren und Erdbeeren, aber auch Gräser. Im Superior National Forest betrug der Anteil von vegetarischer Substanz in Kotproben sogar ein Drittel der Gesamtmasse. Laut Spotte (2012) beschrieb ein russischer Schreiber, dass er in Wolfsmägen oft Birnen gefunden habe. Ein Wolf hatte sogar seinen Magen komplett mit ganzen Birnen gefüllt. Er habe sich nicht einmal die Mühe gemacht, eine davon zu zerkauen (SPOTTE, 2012). Ein letztes Beispiel belegt ebenfalls, dass Wölfe nicht immer einem bestimmten Beuteschema nachgehen. In Gegenden, in denen die Zivilisation die Wolfspopulationen immer weiter zurück gedrängt hat, sind Wölfe sogar häufiger auf den etwas abgelegenen Müllkippen aufgetaucht, um dort nach verwertbaren Abfällen zu suchen. Dies geschah meistens nachts, wenn die menschliche Aktivität zurück ging (SPOTTE, 2012). In den Abruzzen wurden Wölfe beim Verzehr von Spaghetti mit Tomatensoße beobachtet (ZIMEN, 2003). - 11 - Zimen (2003) schreibt in seinem Buch „Der Wolf“: „Der Wolf scheint daher ein Allesfresser zu sein. Dennoch hat er nur in Gebieten überlebt, in denen ein genügendes Angebot größerer Beutetiere – von Biber, Reh oder Schaf aufwärts – zur Verfügung stand. Alle bis jetzt durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass Beutetiere dieser Größenordnung langfristig den weitaus größten Anteil der Wolfsnahrung ausmachen und dass Wühlmäuse oder häusliche Abfälle nur kurzfristig oder als Ergänzung der Ernährung des Wolfes dienen können.“ 3.3. Dokumentiertes Jagdverhalten Der Idealfall einer Jagd beschreibt ein Rudel Wölfe, das zu bestimmten Tageszeiten die Ruheplätze im Kernterritorium verlässt, für mehrere Stunden umherstreift, Beute entdeckt, sich heranschleicht, sie packt und tötet, sich vollfrisst und dann mit weiteren Beuteteilen zurückkehrt, um Mutter und Jungtiere zu füttern (Zimen, 1992), (SPOTTE, 2012). Dies mag auch häufig der Fall sein, jedoch gibt es viele Situationen, die eine spontane Änderung des Normalverhaltens erfordern. Individualität und strategischer Erfahrungsreichtum, gepaart mit Glück und entsprechendem Beuteverhalten kommt der Realität um einiges näher. Ebenfalls abweichend vom Idealfall ist, dass Wölfe immer im Rudel auf die Jagd gehen und auch nur auf diese Weise große Beutetiere erlegen können. Das Gegenteil ist, wie die folgenden Beispiele belegen werden, vielmehr die Regel und warum das so ist, wird in Kapitel 5. diskutiert werden. Ein gesunder Wolf ist als ein kräftiger, furchtloser Jäger zu betrachten, der dazu in der Lage ist große Huftiere problemlos zu fangen und zu töten. Häufiger sind einzelne Wölfe oder ein Paar sogar erfolgreicher als große Rudel (SPOTTE, 2012). Im Superior National Forest erlegten einzelne oder zu zweit jagende Wölfe mehr Wild als ein aus fünf Mitgliedern bestehendes Rudel. Als überlebenswichtiger Grundbedarf wird eine Fleischmenge von 1,63 kg pro Individuum angesehen. Der DurchschnittsWolf in SNF erbeutete ca. 2,9 kg Fleisch pro Tag. Im Gegensatz dazu hatte ein Paar der dort jagenden Wölfe einen Fleischkonsum von 4,45 kg pro Tag, was ungefähr 2,6 mal soviel ist. Das gleiche belegen Abb. 6: Wolfsrudel bei der Jagd auf Untersuchungen auf Isle- Royal. Dort jagen ein einzelnes Bison die Wölfe hauptsächlich Elche und der tägliche Futterkonsum von Rudeln, bestehend aus 6 – 12 Mitgliedern, beträgt nur 60 – 70% von dem, was einzelne oder in Paaren jagende Wölfe erbeutet haben. Weitere Beispiele aus Yukon belegen dies ebenfalls. Ein kleines, aus 2 – 3 Mitgliedern bestehendes Rudel, erbeutete fast die doppelte Anzahl an Elchen, wie ein mittelgroßes Rudel, das 4 – 9 Mitglieder zählte und dieses wiederum 40% mehr als große Rudel von 10 – 20 Tieren. Viele dieser und anderer Beispiele belegen, dass die optimale Rudelgröße zur Jagd auf große Huftiere aus zwei Wölfen besteht. (SPOTTE, 2012). Kurz vor dem Aufbruch zur Jagd findet unter Wölfen eine Art Gruppenzeremonie statt, die Spotte wie folgt beschreibt: Die Rudelmitglieder versammeln und begrüßen sich über Nasonasalkontakt (Nase an Nase). Dabei - 12 - wird aufgeregt mit dem Schwanz gewedelt. Die Jungtiere tummeln sich um den dominanten Rüden und zeigen abgeschwächte Gesten der sogenannten aktiven Unterwerfung. Die Zeremonie endet meistens mit einem Chorheulen, bevor die Jäger zur Jagd aufbrechen. (SPOTTE, 2012). Verhaltensweisen, die mit Sicherheit jeder Wolf anwendet, der zur Jagd aufbricht, sind umherstreifen, Fährten verfolgen und auf eine günstige Gelegenheit hoffen, um Beute zu machen. Wölfe sind in dieser Hinsicht wahre Langstreckenwanderer. Sie sind dazu in der Lage, 190 km bei einer Geschwindigkeit von 8 km/h im Tiefschnee durchgehend zurück zu legen (SPOTTE, 2012). Viele Beobachtungen zeigen jedoch, dass sich die meisten Rudel durchschnittlich 40 – 50 km am Tag bewegen. Das Territorium wird dabei systematisch durchforstet. Es gibt allerdings viele Faktoren, wie Wetter, Jahreszeit, Geländegegebenheiten oder das Verhalten von Beutetieren, die die tägliche Distanz variieren lassen und die genannten Werte demnach Extreme oder Durchschnittswerte sind. Ein anderer Faktor, der die Mobilität der Rudel stark einschränken kann, ist die Anwesenheit von Welpen. Große Gruppen im Nelchina Basin zeigten aber eine Verhaltensweise, die dem Abhilfe schaffen konnte. Sie teilten sich für eine gewisse Zeit des Tages auf und stießen später wieder zueinander. Wölfe in Gates of the Arctic und Nord-West-Alaska zeigten ein ähnliches Verhalten. Im Nelchina Basin wurde allerdings ein Großrudel von 20 Mitgliedern beobachtet, welches sich niemals zu jagdlichen Zwecken trennte. (SPOTTE, 2012). Konnte ein Wolf potenzielle Beute ausmachen, beginnt er, sich dieser vorsichtig zu nähern. Dabei bewegt er sich eher langsam und versucht seinen Körper nah am Boden zu halten. Er schleicht sich an. Wird er dabei entdeckt, täuscht er Ruheverhalten vor, welches das Beutetier normalerweise dazu veranlasst, weiter zu grasen. (SPOTTE, 2012). Während des Anschleichens werden die Beutetiere genauestens beobachtet. Es wird versucht möglichst das schwächste Tier der Herde auszumachen, welches die größte Chance auf einen erfolgreichen Beutezug bietet (SPOTTE, 2012). Je näher sich der Wolf nun heranpirscht, desto bedrohter fühlen sich die Beutetiere bis sie schließlich die Flucht ergreifen und im gestreckten Galopp versuchen, die Distanz zu den Räubern zu vergrößern. Mit diesem Signal beginnt ein weiterer Teil der Jagd. Das Rennen eines Beutetieres löst im Raubtier durch einen sogenannten angeborenen auslösenden Mechanismus (kurz AAM) ein bestimmtes Verhalten aus. Die Hetzjagd wird im gestreckten Galopp begonnen. Wölfe und auch die Beutetiere lernen in dieser Hinsicht sehr schnell, wer wann im Vorteil ist. Elche sind im Tiefschnee z.B. leichter verwundbar und Karibus sind in der offenen schneefreien Steppe von einem Wolf kaum einzuholen (SPOTTE, 2012). Ziel der Hatz, ist es die potenzielle Beute an die Grenzen ihrer Kräfte zu treiben. Laut Spotte (2012) wurde ein einzelner Wolf dabei beobachtet, wie er über eine Stunde lang einen ausgewachsenen, ca. 272 kg schweren Moschusochsen Bullen bis an die Grenzen seiner Kräfte hetzte und anschließend tötete (SPOTTE, 2012). Andererseits wurden in Russland Wölfe bei der Jagd auf Rotwild gesehen, die die Hatz nach 10 – 200 m abbrachen, da keine Aussicht auf Erfolg zu erkennen war (SPOTTE, 2012). Ebenso ist es möglich, dass die Verfolgung eines erwachsenen verletzten Elchbullen abgebrochen wird, nur um später zurückzukommen, wenn der Bulle durch seine Wunden so stark geschwächt ist, dass er leichte Beute wird oder vielleicht sogar vorher bereits seinen Verletzungen erliegt (SPOTTE, 2012). Konnte die Distanz während der Hetzjagd auf ein Minimum verringert werden, folgt der Absprung mit gezielten Bissen in die Halsgegend, die Beine, die - 13 - Schultern und die Schenkel des Beutetieres (SPOTTE, 2012) (BEWICK, 2006). Dies kann mehrfach wiederholt werden, je nach dem, wie wehrhaft die Beute ist und wie gezielt der Wolf seinen Biss setzen konnte, so dass die Verwundung das Tier weiter schwächt. Im Idealfall erwischt der Wolf die Kehle und fixiert seinen Biss. Dieses Verfahren erwirkt, dass das Tier schließlich zu Fall gebracht wird und getötet werden kann (BEWICK, 2006). Die zeitliche Aktivität jagender Rudel variiert stark und wird individuell an den Lebensraum und die Hauptbeutetiere angepasst. So entstehen Schwankungen und Änderungen im Tagesablauf je nach Jahreszeit, Witterungsbedingungen und der Aktivität der Beutetiere (SPOTTE, 2012). Eine saisonal bedingte Veränderung ist zum Beispiel die Existenz von Welpen. Säugende Muttertiere lassen die Welpen eher tagsüber für einen Beutezug allein als nachts. Andersherum sind Rudel ohne Anwesenheit von Jungen eher gleichmäßig zu Dämmerungszeiten aktiv (SPOTTE, 2012). Ein anderer Grund für die nächtliche Aktivität von Wölfen ist aus Gebieten nahe menschlicher Zivilisationen bekannt. In der Nähe von Rom in Italien wurde festgestellt, dass die dort lebenden Wölfe zu nachtaktiven Tieren wurden, da die Störungen in ihrem Lebensraum durch menschliche Aktivität nachts deutlich geringer waren (SPOTTE, 2012). In den nördlichen Polargebieten reisen die großen Huftierherden mit den jahreszeitlichen Veränderungen der Vegetation. Als Pflanzenfresser sind sie auf das Vorhandensein von Pflanzen angewiesen. Sie reisen im Winter weit nach Süden und kehren für die Sommermonate in die Polargebiete zurück. Dort lebende Wölfe haben sich die Reiserouten und -zeiten fest eingeprägt und wissen, wann und wo die Tiere ihr Revier erneut durchqueren (BEWICK, 2006). Temperaturen sind ebenfalls ein Grund für Veränderungen in der tageszeitlichen Aktivität. Von Wölfen aus Polen ist bekannt, dass sie viel mehr Ruhezeiten einlegen, sobald die Lufttemperatur die 20 °C-Marke überschreitet (SPOTTE, 2012). Ein weiteres Thema wölfischen Jagdverhaltens bezieht sich auf die Jagd auf Tiere menschlicher Viehhaltung, wie schon in Kapitel 3.2. angesprochen wurde. Zum Einen ist die Jagd auf Hunde und Katzen angesprochen aber ein anderer großer Teil bezieht sich auf Tötungen von Schafen, Ziegen oder auch Rindern. Es kam dabei, laut Spotte (2012), sogar zu regelrechten Massentötungen: In New Mexico sollen zwei Wölfe in einer Nacht 250 Schafe getötet, aber nicht einen einzigen Kadaver davon gefressen haben. In Montana hat 1997 ein einzelner Wolf in einer Nacht 28 Schafe getötet. Ein anderer tötete in einer Woche 41 Schafe. Aus Italien wurde von einer Massentötung von 200 – 300 Schafen berichtet. Spotte (2012) sagt in diesem Zusammenhang aber auch, dass viele dieser Berichte nicht ausreichend belegt seien, um den Hintergrund genauer untersuchen zu können. Was allerdings bekannt wurde ist, dass die Wölfe, die bei der Jagd auf Zuchtvieh geschossen wurden, eher alt oder durch Trittfallen stark verwundet wurden und nur schwer in der Lage waren ihrer natürlichen Beute nachzustellen. Zuchtvieh ist aus wölfischer Sicht sehr einfach zu erlegen und demnach in manchen Fällen unerlässlich wenn auf anderer Seite Beute fehlt. Die Massentötungen scheinen keine richtige Funktion zu haben. Eine mögliche Erklärung ist, dass das gruppierte Auftreten von relativ leicht verwundbaren Tieren den Tötungsdrang im Wolf weckt (SPOTTE, 2012). - 14 - In der BBC/ZDF – Dokumentation „TerraX – Eisige Welten: Von Pol zu Pol“ ist die Jagd von einem Rudel Wölfe auf eine Herde Bisons wie folgt dokumentiert. Ein 25-zähliges Rudel Grauwölfe bewegt sich mühsam durch den Tiefschnee in der Tundra. Alle folgen genau der gleichen Spur, die der vorangehende Wolf freigelegt hat. Sie treten aus einem Waldstück heraus auf ein zugefrorenes Flussbett. Sie können sich auf dem schneebedeckten Eis wieder leichter fortbewegen, schwärmen aus und folgen den Spuren einer großen Herde, die im Schnee zu sehen sind. Unterhalb der Wölfe, außerhalb des Flussbettes, hinter der Böschung des Flusses befindet sich eine Gruppe Bisons, die 28 Tiere zählt. Die Spuren der Bisons führen vom Flussbett her durch die Böschung hindurch. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Wölfe schon zu der Zeit die Spuren dieser Bisonherde verfolgt haben. Die Gruppe der verfolgenden Wölfe zählt neun Individuen. Die Wölfe schleichen sich heran und die Gruppe Bisons drängt sich eng zusammen und bildet einen Kreis, wie es auch laut Spotte (2012) für Bisons typisch ist. Das Rudel hat sich inzwischen auf 16 Tiere vergrößert. Sie bilden einen Halbkreis um die Herde und versuchen sie immer wieder aufzumischen, doch die Herde bleibt zusammen. Das Umkreisen der Wölfe schränkt die Bisons aber auch in ihrer Bewegungsrichtung ein und so wird die Herde immer wieder einige Meter von rechts nach links getrieben. Mehrere Male versucht ein Bulle die Wölfe wieder ein Stück zurück zu treiben und entfernt sich von der Gruppe. In der gleichen Zeit treiben die anderen Wölfe den Rest der Gruppe weiter. Der Bulle kehrt jedes Mal sofort wieder zur Gruppe zurück. Die Bisons werden zunehmend unruhiger. Für einen Moment befinden sich die Wölfe ebenfalls alle in einem Pulk und von der Bewegungsrichtung aus gesehen hinter den Bisons. In dem Moment drehen diese um und bewegen sich auf das Rudel zu, welches sofort wieder ausschwärmt und erneut die Gruppe umkreist. Die Unruhe in der Gruppe steigt weiter und die Bewegung wird schneller. Immer wieder wechseln sie die Richtung, werden dabei aber immer hektischer. Der Bulle startet immer noch ein paar Versuche die Wölfe zurück zu treiben. Diese weichen zwar aus, konzentrieren sich aber sofort wieder auf die restlichen Gruppenmitglieder. Plötzlich bricht die Gruppe nach rechts aus dem Kessel aus. Drei der Großrinder bleiben zurück und setzen sich zumindest einigen der Verfolger zur Wehr. Sechs der Wölfe verfolgen galoppierend die restliche Herde. Ein weiteres Tier dreht sich um und versucht die Verfolger abzuwehren. Ein einzelner Wolf weicht ihm aus und wechselt die Richtung, aber von hinten schießen sofort weitere nach. Die Hetzjagd ist in vollem Gange. Sieben Wölfe verfolgen galoppierend die panisch flüchtenden Bisons. Fünf weitere schließen von hinten auf. Wegen einer Schneeverwehung müssen die Bisons ihre Geschwindigkeit für eine Sekunde verringern und zwei der Wölfe schaffen es in diesem Moment dem letzten Glied der Gruppe in die Hinterläufe zu beißen. Einer verliert den Kontakt, fällt zurück, doch zwei weitere schließen auf und attackieren ebenfalls das Hinterteil des Bisons. Die restliche Herde schießt vorbei und ein einzelner Wolf treibt sie weiter. Nun haben sich fünf Wölfe in den Beinen des Bisons verbissen und drosseln damit deutlich dessen Geschwindigkeit. Vier weitere sind direkt dahinter. Einer von diesen dreien bleibt plötzlich stehen und dreht sich gegen die Laufrichtung, während das Bison immer langsamer wird und die letzten drei nun auch die Chance nutzen, um die Beine zu attackieren. Sie zwingen das Tier zum Stehen bleiben und einer der Wölfe verbeißt sich in der Kehle des Tieres. Im nächsten Moment schießen drei der zurück gebliebenen Rinder an dem Tumult vorbei. Einige der Wölfe verlieren immer wieder den Biss, lassen los, schauen zurück und starten aber in der nächsten Sekunde sofort wieder den nächsten Angriff. Plötzlich schießt ein großer Bulle von hinten heran und gibt seinem Artgenossen - 15 - einen kräftigen Stoß in sein Hinterteil. Dieser knickt dabei mit den Vorderläufen ein, fällt auf den Kopf und scheint sich dabei das Genick zu brechen. Einige der Wölfe verlieren den Kontakt und entfernen sich durch den Vorfall einige Meter. Vier jedoch lassen auch durch diesen Zwischenfall ihre Beute nicht los. Das Bison ist sofort tot und die Wölfe versammeln sich um den Kadaver und fressen. Von der BBC existiert eine weitere Video-Dokumentation, die hier berücksichtigt werden soll. Diese ist ein Ausschnitt aus „Wild Battlefields – Jäger der Wildnis – Wolfsrudel, Rivalen der Wildnis“. Hier wird eine Jagdsequenz zweier Wölfe auf eine Herde Wapitihirsche gezeigt. Die Dokumentation berichtet eigentlich von einem Rudel mit sieben Mitgliedern. Laut einer Kartenansicht, die immer wieder zur Übersicht gezeigt wird, wird die Herde Wapitis über den ganzen Zeitraum von dem kompletten Rudel verfolgt. Die gefilmten Bilder können dies allerdings nicht genau belegen. Es scheint, als seien es die beiden ältesten Wölfe, die hier diesen Beutezug nahezu allein machen. Die beiden verfolgenden Wölfe treiben die Herde einen leichten Hügel hinunter auf eine mit Schnee bedeckte Ebene. Die Herde ist mittlerweile sehr weit verstreut. Die Hirsche rennen und ändern dabei immer wieder die Richtung. Eine dunkle Wölfin hängt sich an die Fersen einer Kuh und lässt nicht mehr von ihr ab. Sie verfolgt in gestrecktem Galopp jede ihrer Richtungsänderungen. Die anderen Tiere drehen plötzlich die Richtung und die verfolgte Kuh schießt mitten durch die anderen hindurch, immer weiter gerade aus, mit der Wölfin dicht hinter ihr. In der darauf folgenden Zeitlupenansicht ist zu sehen, dass die Hirschkuh ihr rechtes Hinterbein nicht ganz strecken kann. Das Lahmen verschafft ihr einen Nachteil für ihre Geschwindigkeit und die Wölfin scheint dieses erkannt zu haben. Es taucht ein zweiter Wolf im Bildrand auf, der sich spontan dieser Hetzjagd anschließt. Nun jagen beide wenige Meter hinter der Hirschkuh her und versuchen ihre Geschwindigkeit noch einmal zu erhöhen. Sie schließen auf und sichern von rechts und von links die Flanken der Kuh. Mit leichten Sprüngen in Richtung ihrer Brust und Kehle versuchen sie sie zu bremsen und einen Biss zu setzen, doch die ersten fünf Versuche schlagen dabei fehl. Die Hirschkuh rennt weiter um ihr Leben, verliert aber langsam an Kraft. Der finale Sprung in Richtung Kehle ist durch einen Einschnitt einer Nahaufnahme leider nicht zu erkennen. In der nächsten Szene verbeißen sich beide Wölfe in der Kehle des Huftieres und reißen es damit zu Boden. Die Kuh bäumt sich noch einmal auf, doch keiner der beiden Wölfe lockert seinen Biss. Die Kuh steht für eine Sekunde nochmal kurz auf ihren Beinen und fällt danach regungslos auf die Seite. Im gleichen Moment lockert einer der beiden Wölfe seinen Biss und schaut sich um. Es ist die Fähe, die die Jagd initiiert hat und nun die Umgebung nach Rudelmitgliedern oder artfremden Konkurrenten abzusuchen scheint. - 16 - 4. Wild lebende Hunde Hunde sind, wie die lateinische Artbezeichnung Canis lupus familiaris vermuten lässt, eine Unterart des Wolfes. Lange war dieses ungeklärt, aber Doris Feddersen-Petersen brachte mit Versuchen von Kreuzungen zwischen Pudel und Wolf und Pudel und Schakal Klarheit bezüglich dieser Abstammungsfrage (RÄBER, 1999). Gestützt wurde diese Aussage ebenfalls durch den Vergleich der Hirngewichte. Das Hirngewicht des Hundes liegt zwischen dem des Wolfes und dem des Schakals (RÄBER, 1999). In dieser Hinsicht ist der Grauwolf als Urahn des Hundes anzusehen. Die Domestikation des Hundes begann vor ca. 14000 Jahren und damit ist der Hund das erste Tier, das an der Seite des Menschen lebte. Wie und warum Menschen begannen, Hunde zu halten, ist bislang ungeklärt. Es gibt viele Theorien und mögliche Gründe: Hunde als Helfer bei der Jagd, Wolfswelpen als Nahrungs- und Felllieferanten oder Spielkameraden für Kinder. Vielleicht hat der Wolf sich aber auch von selbst den ersten menschlichen Siedlungen angenähert um Essensreste zu ergattern. (RÄBER, 1999). Eine logische Schlussfolgerung der dort begonnenen von Menschenhand bestimmten biologischen Selektion (Domestikation) ist, dass die zahmeren und für bestimmte Zwecke besonders tauglichen Tiere eher auserwählt wurden und nur denen die Möglichkeit der Vermehrung gegeben wurde. Andere wurden aussortiert. So Abb. 7: Bulldogge mit eher nachteiligen entstanden die ersten Wölfe an der Selektionseigenschaften Seite des Menschen mit eigens ausgewählten Eigenschaften. Stellt man sich diese Entwicklung nun über die nächsten 14000 Jahre bis auf den heutigen Tag vor und ergänzt die gezielte Zucht, so kann man die Entstehung der Vielfalt der vielen hundert Hunderassen nachvollziehen. Dass dieses auch teilweise in eher unglückliche Missstände abrückte und die Selektionseigenschaften nur mehr oder weniger sinnvoll waren, soll hiermit nur kurz angesprochen werden. Der Wolfsforscher Erik Zimen (1992) beschreibt in seinem Buch „Der Hund“ einige Folgen der Domestikation und schafft in diesem Zusammenhang drei Fachbegriffe: Fetalisation (Verjugendlichung), Retardation (Verlangsamung der Ontogenese (Individualentwicklung)) und Akzeleration (Beschleunigung der Ontogenese). Diese Begriffe beschreiben einige grundlegende Unterschiede zwischen Wolf und Hund bzgl. Entwicklung und Verhalten. Des Weiteren sind andere Domestikationsfolgen wie Verlust oder Reduktion der Rudelbindungsfähigkeit, Einschränkung verschiedener Sinnesfunktionen, Verringerung des Hirngewichtes, Verlängerung des Darmes und äußerliche anatomische Veränderungen im Vergleich zwischen Hund und Wolf zu erkennen. Bisher war immer die Rede davon, wie der Mensch auf den Hund gekommen ist. In dieser Arbeit soll sich mit wild lebenden Hunden beschäftigt werden, was die Frage aufwirft, warum Menschen Hunde erst an sich binden und sie dann wieder entbinden. Hunde wurden durch den Menschen über den gesamten Globus verbreitet. Viele Hunde vermehren sich unkontrolliert und verlieren ihren - 17 - zugehörigen menschlichen Partner. Andere werden aus verschiedenen Gründen ausgesetzt oder abgeschoben. Kommunale Einrichtungen der Behörden oder hilfsbereite und gewissenhafte Privatpersonen kümmern sich um solche Tiere, was jedoch längst nicht in jedem Land dieser Erde der Fall und zudem in dem nötigen Ausmaß nahezu unmöglich ist. Aus diesen und wahrscheinlich vielen anderen Gründen entwickelten sich so Populationen von Hunden in Randbereichen verschiedenster Ballungsräume, die vollkommen für sich allein verantwortlich sein müssen. Ein bedeutendes Beispiel wild lebender Hunde sind die Dingos. Dingos entwickelten sich im südostasiatischen Raum als teil- domestizierte Hunde und gelangten vor ca. 7000 Jahren über die ostasiatischen Inseln nach Australien. Die Gründerpopulation war sehr klein und bestand vielleicht sogar nur aus einem einzigen trächtigen Weibchen – sie entwickelten sich also unabhängig aus einem sehr kleinen Genpool bis zur Ankunft der Europäer, welche weitere Hunde einführten. Inzwischen hat man durch genetische Untersuchungen herausgefunden, dass der Dingo aus Abb. 8: Australischer Dingo Neu Guinea nach Australien eingewandert ist, und nicht, wie immer angenommen, aus Indonesien. (SPOTTE, 2012). - 18 - 4.1. Lebensräume – geographische Einordnung Wild lebende Hunde gibt es eigentlich so gut wie überall und sie besiedeln wahrscheinlich die gleichen Orte wie andere Jäger und Aasfresser (SPOTTE, 2012). Vanak und Gompper (2009) teilen Hunde in verschiedene Gruppierungen bezüglich ihres Lebens- und Aktionsraumes ein (dies bezieht sich zunächst auf alle Hunde und schließt sowohl Hunde in menschlicher Obhut, als auch wild lebende Hunde mit ein): (1) Hunde in menschlicher Obhut – Hunde, die in einem bestimmten Territorium agieren können und wenig bis gar keinen Kontakt zu wild lebender Fauna haben. (2) Städtische Straßenhunde – Hunde ohne Besitzer, die in Städten in menschlicher Nähe von menschlichen Essensresten leben. Auch diese Hunde haben wenig bis gar keinen Kontakt zu wild lebender Fauna (ausgenommen Stadtparks) (3) ländlich wild lebende Hunde – hauptsächlich, aber nicht ausschließlich streunende Hunde, die zu bestimmten menschlichen Wohngebieten und Familien gehören, in ihrer Bewegungsfreiheit aber nicht eingeschränkt sind. Diese Hunde haben potenziell die Möglichkeit zum Jagen und interagieren mit anderen wild lebenden Tieren (4) Dorfhunde – Hunde, ähnlich der ländlich wild lebenden Hunde, die aber nur sehr selten die Grenzen des Dorfes verlassen und sich in ihrem Aktionsraum auf dieses Territorium beschränken (5) verwilderte Hunde – völlig wild lebende Hunde, die sich unabhängig von menschlicher Nahrung ernähren. (6) wilde Hunde – Dingos, verwilderte Hunde und deren Hybride, die schon seit einigen Generationen frei von menschlichen Kontakten leben Hunde der Klassen (1), (3) und (4) gibt es wahrscheinlich in jedem Land dieser Erde, ausgenommen der Antarktis. Die Straßenhunde der Klasse (2) sind vermutlich die bekanntesten. Gemeinsam haben alle Klassen, dass Hunde, die in der Nähe des Menschen wohnen, es nicht nötig haben, sich ernsthafte Sorgen um ihr Überleben zu machen und sich dadurch höchstwahrscheinlich eher mit anderen Dingen als mit der Jagd beschäftigen. Dies soll im Folgenden weiter untersucht werden. Die Vielfalt der Rassentypen innerhalb der Klassen (2), (3), (4) und (5) ist mit großer Wahrscheinlichkeit eher hoch, wogegen die Rassenreinheit vermutlich eher gering sein wird. Diese Tiere entscheiden in Sachen Fortpflanzung selbst und deshalb treten viele Hybriden vieler verschiedener Rassentypen auf. Es gibt also nicht eine mehr oder weniger einheitliche Fellfärbung, die dem Lebensraum angepasst ist, wie z. B. beim Wolf. In der Klasse (6) ist das schon eher gegeben, da natürliche Selektionsfaktoren wieder von Bedeutung sind, die z. B. besser angepasste Tiere auch zu besseren Jägern werden lassen, die damit überlebensfähiger sind. Dingos zeigen eine perfekt angepasste Fellfärbung für ihren Lebensraum, wie die Abbildung 8 zeigt. Abgesehen von dieser Klassifizierung können alle Hunde jagdliches Verhalten zeigen, sei es der Familienhund auf dem Spaziergang oder der Streuner, der ab und zu die Umgebung seines Hofes untersucht. Hier sollen jedoch nur jene betrachtet werden, die so gut wie ohne jeglichen menschlichen Kontakt aufwachsen und leben. Diese Hunde sind durchaus in der Lage, Beutetiere zu töten. In Tabelle 2 sind entsprechende Nachweise mit örtlichem Bezug aufgelistet, deren Jagdverhalten wird in Kapitel 4.2. und 4.3. weiter - 19 - erläutert. Tabelle 2: Hundepopulationen mit wissenschaftlichen Nachweisen bzgl. Jagdverhalten (nach BUTLER, 2004; BLOCH, 2007; VANAK, 2009; SPOTTE, 2012) Zimbabwe: Sengwa Wildlife Research Area (SWRA) Gokwe Communal Land (GCL) Italien: Toskana Abruzzen USA: Russland: Ural Gebirge Voronezh Belgorod Australien: New South Wales Victoria Central Australia Western Australia Nullarbor, Western Australia Nadgee, Süd-Ost-Australien Vereinzelt in: Hong Kong, China Brasilien Israel Griechenland, Grenzregion zu Albanien Couer d'Alene drainage, Idaho Kansas Alabama Arkansas Illinois Alaska - 20 - 4.2. Beuteschema Grundsätzlich ist bei der Betrachtung der Beuteschemata die Körpermasse des Räubers zu berücksichtigen. Wie weiter oben schon erwähnt liegt die Grenze bei 21,5 kg Körpergewicht, bei der Raubtiere von Klein- auf Großbeute wechseln. Hunde treten in allen Größen und Körpergewichten auf, doch in freier Wildbahn mittelt sich das Gewicht normalerweise. Die italienischen Hunde im „Tuscany Dog Project“ von Günther Bloch (2007) weisen Körpergewichte auf, die knapp über dieser Grenze liegen. Weibliche Tiere haben durchschnittlich ein Gewicht von 21 – 25 kg und männliche zwischen 24 und 32 kg. Demnach wären diese Hunde laut der Betrachtung von Stephen Spotte (2012) Jäger auf Großbeute. Die Vielfalt ist aber auch hier groß und je nach Lebensraum und Individuum verschieden. Die Hunde aus dem Forschungsprojekt in Zimbabwe von Butler et al. (2004) hatten im Vergleich nur ein Durchschnittsgewicht von 14,7 kg, was dem Schema Kleinbeute entspräche. Die typische Beute wild lebender Hunde scheint aus Kleinbeutetieren, Wildunfallopfern, anderen Kadavern, Essensresten und pflanzlichen Anteilen zu bestehen (SPOTTE, 2012). Städte sind übersät mit Abfällen und für Straßenhunde bietet dies ein reichliches Angebot an abwechslungsreicher Nahrung. Zusätzlich kann die Jagdlust an Ratten und streunenden Katzen ausgelassen werden (SPOTTE, 2012). Zudem tauchen in den Stadtparks häufig Eichhörnchen auf, die nur schwer zu erbeuten sind. In St. Louis wurden drei Hunde bei 61 versuchten Eichhörnchenjagden beobachtet – alle waren erfolglos (SPOTTE, 2012). Laut Spotte (2012) sammeln und fressen Hunde fast alles, was sie finden können und lassen auch selten Menschenkot, menschliche Körperteile und sogar andere Hundekadaver außer Acht. Nahezu jedes Material organischen Ursprungs scheint für Hunde fressbar zu sein. In Alabama wurden verschiedene Proben von Hundekot untersucht. Diese enthielten Anteile von Gräsern, Blättern, Dattelpflaumen, Florida-Waldkaninchen (Sylvilagus floridanus), Mäusen, Insekten, Abfällen und Georgia-Gopherschildkröte (Gopherus polyphemus) (SPOTTE, 2012). Aus Alaska ist bekannt, dass die dort wild lebenden Hunde Jagd auf Schneehasen machen. Zudem durchsuchen sie ebenso die angrenzenden Müllhalden nach Fressbarem (SPOTTE, 2012). Im Uralgebirge gab es in den 70er Jahren eine Gruppe, dort beschrieben als Wolfshunde, die Jagd auf Rehwild machte (SPOTTE, 2012). Weitere Fälle von Rissfunden belegen, dass wild lebende Hunde auch Jagd auf Zuchttiere machen. In Italien, Russland, Israel und Amerikas mittlerem Westen wurden Ziegen, Schafe und Fohlen Opfer von Hundeattacken (SPOTTE, 2012). Eine Untersuchung von Butler et al. (2004) in Zimbabwe kam zu dem Ergebnis, dass die dort lebenden verwilderten Hunde bei passender Gelegenheit kleinere Säugetiere, wie Buschhasen (Lepus saxitilis), Afrikanische Buschhörnchen (Paraxerus cepapi), Ducker (Sylvicapra grimmia) und Kudus (Tragelaphus strepsiceros) bejagten, wobei alle Versuche dieser protokollierten Fälle erfolglos waren. Außerdem gab es 20 andere Fälle bei denen 55% der erbeuteten Tiere Wildtiere waren und 45% domestizierte Zuchttiere. Von diesen Beutetieren waren 85% eher klein und besaßen ein Körpergewicht von weniger als 50 kg. Trotzdem gab es einen einzelnen Hund mit einem geschätzten Körpergewicht von 22,5 kg, der drei größere Huftiere, zwei Impalas (Aepyceros melamphus) und ein Kudu allein erlegte. - 21 - Im „Tuscany Dog Project“ von Günther Bloch (2007), wo den Hunden in der Regel Futter in Form von Essensresten durch Tierschützer bereit gestellt wird, machte die Hundegruppe gelegentlich Jagd auf Kaninchen. Des Weiteren gab es dort vereinzelt Fälle die Hunde bei der Hatz auf Damwild (Dama dama) zu beobachten, welche aber alle erfolglos ausgingen. Etwas anders im Vergleich zu den bisher beschriebenen Beuteschemata ist die Situation der Australischen Dingos. Ihre Hauptbeute besteht zu 96% aus Säugetieren, dabei ist deren Vielfalt sehr weitreichend. In Western Australia, sowohl im Nordwesten als auch im Westen, bejagen die Dingos hauptsächlich Euros (Macropus robustus) und das Rote Riesenkänguru (Macropus rufus). Die Körpermasse eines Roten Riesenkängurus, welches die größte Känguruart Australiens ist, kann bis zu 89 kg betragen. Im dichter besiedelten Südosten Australiens weicht das Beuteschema im Vergleich zu dem des Westens ab. Die bevorzugte Beute hat dort eher mittlere Größe. Typische Beutetiere sind der Europäische Hase (Oryctulagus cuniculus), das Rattenkänguru (Potorous tridactylus), zwei Arten von Nasenbeutlern (Isoodon obesulus und Perameles nasuta) und der Gewöhnliche Ringbeutler (Pseudocheirus peregrinus). Trotzdem sind aber auch größere Säugetiere als Beute von Dingos bekannt. Unter dieses Schema fallen das Östliche Graue Riesenkänguru (Macropus giganteus), das Rotnackenwallaby (Macropus rufogriseus), das Sumpfwallaby (Wallabia bicolor) und der Gewöhnliche Wombat (Vombatus ursinus). Von diesen größeren Beutlern sind die beiden letztgenannten die hauptsächliche Beute. Außerdem ist in diesem Zusammenhang zu nennen, dass auch ein Dingo vor gelegentlichen Aasmahlzeiten nicht zurückschreckt. Verdurstete Rinder, gestrandete Meeressäuger und überfahrene Kängurus sind ebenfalls gern genommene Leckerbissen. (SPOTTE, 2012). 4.3. Dokumentiertes Jagdverhalten Angesichts des breit gefächerten Beutespektrums wild lebender Hunde ist zu vermuten, dass auch die Jagdtechniken zwischen den einzelnen Lebensräumen in Bezug auf Jäger und Beute individuell stark variieren. Sicherlich mag der Großteil aller wild lebenden Hundepopulationen dieser Erde Sammler von Resten sein, aber nicht jedes Habitat bietet diese Voraussetzung und selbst, wenn dem so wäre, bietet sich auch dem wohlgenährtesten Hund ab und zu die Gelegenheit zu jagen. Und dabei haben sie durchaus die Fähigkeit, durch Lernerfahrungen ihre Strategien zu verfeinern und die Aussicht auf Erfolg zu erhöhen. Wie in Kapitel 4.2. angesprochen, gibt es in Alaska Hunde, die gelegentlich Jagd auf Schneehasen machen. Sie tun dies nachweislich sogar in der Gruppe. Dazu verteilen sie sich, scheuchen den Hasen aus ihrer Deckung, erlegen ihn und sammeln sich anschließend wieder zum Verzehren der Beute (leider ist dieser Vorgang nicht genauer beschrieben) (SPOTTE, 2012). Auch von den sogenannten Wolfshunden aus dem Uralgebirge ist bekannt, dass sie Beutetieren in Gruppen nachstanden. Auf dem Streifzug in recht großen Gruppen verfolgten sie Rehe bis zu 4 km und machten währenddessen sogar laute Geräusche (SPOTTE, 2012). Aus Griechenland, in der Grenzregion zu Albanien, hat man ebenfalls Kenntnis über ein Rudel Hunde, das einmal wöchentlich erfolgreich zur Rehjagd aufbricht und sich auch ausschließlich von diesen ernährt. Auch hier fehlt es leider an genaueren Informationen (BLOCH, 2007). - 22 - Laut Zimen (1992) verhalten sich Hunde bei der Jagd „biologisch unstimmig“. Er bezeichnet ihr Verhalten als fetalisiert, was bedeutet, dass ihr Verhalten vergleichsweise dem eines jugendlichen Wolfen entspricht. Sie jagen wie junge Wölfe einem zufällig aufgescheuchten Hasen hinterher, den sie mit viel Glück dann auch erwischen, aber im Endeffekt nicht wissen, was sie mit ihm anfangen sollen (ZIMEN, 1992). Andererseits zeigen Hunde intensives Jagdverhalten einzelner Jagdelemente je nach Rassentyp – es fehle laut Zimen (1992) das Appetenzverhalten. Auch Günther Bloch (2007) bestätigt, dass Hunde in der Regel nur bruchstückhafte Sequenzen des Funktionskreises Abb. 9: Zwei Dingos bei der Jagd auf einen Jagdverhalten zeigen. Zudem warnen Buntwaran (Varanus varius). sie größere Beutetiere meistens aufgrund großer Aufregung durch lautes Kläffen vor ihrer Intention. Des Weiteren sagt Bloch, dass Hunden die nötige Hartnäckigkeit fehle, ohne die eine Jagd auf Dauer nicht von regelmäßigem Erfolg gekrönt sein könne (BLOCH, 2007). Das Jagdverhalten der Australischen Dingos ist im Vergleich zu den dokumentierten Jagdsequenzen anderer wild lebender Hunde ein bisschen verfeinerter. Dingos passen sich in erster Linie dem Klima ihres Lebensraumes an. In den gemäßigten Klimaten Australiens sind die Tiere sowohl tagsüber als auch nachts aktiv, aber hauptsächlich zu den Dämmerungszeiten. Im heißen Zentrum Australiens haben sich die Dingos jedoch angewöhnt eher nachts auf die Jagd zu gehen. Ebenso verhalten sich die Beutetiere in den jeweiligen Lebensräumen, was das Verhalten der Caniden ebenfalls stark beeinflusst. Dingos jagen meistens in Gruppen. Als Einzeljäger sind sie nahezu erfolglos. Übersteigt die Anzahl der jagenden Mitglieder jedoch die Grenze von drei, so verringert sich die Wahrscheinlichkeit Abb. 10: (Fortsetzung Abb. 9) auf eine erfolgreiche Jagd beachtlich. Die effizienteste Formation, Kängurus zu jagen, erwies sich als Zweierteam. Dingos ziehen die Jagd auf Wildtiere vor, solang diese verfügbar sind. (SPOTTE, 2012). Günther Bloch beschreibt eine Jagdsequenz aus seinem „Tuscany Dog Project“ in dem Buch „Die Pizza-Hunde“ wie folgt: „[…] , sah ich Snoopy in fixierender Körperhaltung ein Wildkaninchen verfolgen. Zu meiner Verwunderung bellte Snoopy nicht ein einziges Mal. Diese Verfolgungsjagd beobachteten insbesondere Eurecia, Lilly, Picasso, Salvo und Bellino, die allesamt sofort losrannten und dabei ebenfalls keinen Ton von sich gaben. Nun war auch der Startschuss für den Rest der Truppe gefallen. Das Kaninchen versuchte sich in einen riesigen Holunderbusch zu retten, Snoopy hing ihm schon fast im Genick. Die Hundegruppe teilte sich blitzschnell auf: Eurecia, Lilly und Picasso umrundeten das Gebüsch von der linken Seite her, Slavo, Nerone, Junior und - 23 - Bello rannten rechtsherum. […] Bellino, der damals ungefähr sechs Monate alt war, bretterte jedenfalls wie ein Bulldozer mittenrein ins Geschehen und blieb – ganz im Stile eines „originalgetreuen“ Schnösels – unbeholfen im Gestrüpp hängen. Aber auch das ganze Taktieren der anderen Hunde nutzte nichts, denn Snoopy hatte das Opfer schon längst gepackt und schüttelte es in bekannter Canidenmanier tot. Ein Teilen der Beute stand für ihn abseits jeder Diskussion. Er robbte mit dem toten Kaninchen stattdessen noch tiefer in das Dickicht und fraß seine Beute mit Haut und Haaren allein auf. […]“ Eine weitere Jagdsequenz ist von Wolfsforscher Erik Zimen in seinem Buch „Der Hund“ wie folgt veröffentlicht: „[...] Auch ich mußte bei meinem Besuch gleich nach der Entdeckung der Hunde feststellen, daß diese wirklich erfolgreiche Jäger waren. An den Spuren im Gelände konnten wir einige Jagden rekonstruieren. Offensichtlich gelang es den Hunden, sich am Tage den Rindern zu nähern, ohne daß diese Verdacht schöpften. Hunde waren für sie eine alltägliche Erscheinung. Nahe genug heran gekommen, stürzten sich diese plötzlich auf ihr Opfer, das Hals über Kopf im steilen Gelände flüchtete, nicht selten mit fatalen Folgen. Mit gebrochenen oder auch nur verstauchten Beinen, gestürzt oder irgendwo hängen geblieben, war es dann eine leichte Beute für die nachhetzende Hundemeute. Ähnlich war es allem Anschein nach ein paar Pferden ergangen. Unter Nahrungsmangel jedenfalls hatten die Hunde nicht zu leiden. Hinzu kamen die vielen Essensreste und Schlachtabfälle auf der Müllhalde. [...]“ - 24 - 5. Diskussion mit vergleichenden Aspekten Der Grundsatz der Jagd aus biologischer Sicht ist, wie auch schon in Kapitel 2.1. angesprochen, den täglichen Energiehaushalt zu decken, der für das Leben und Überleben von essenzieller Bedeutung ist. Eine gute Möglichkeit für Raubtiere ist demnach auf möglichst einfache Weise große Beute zu machen, die auf einmal ausreichende Portionen von Nahrung zur Verfügung stellt. Um diesem Umstand gerecht zu werden, scheint es für die Tiere am sinnvollsten zu sein, in Gruppen zusammen zu leben. Spotte (2012) splittet diese Grundgedanken in zwei einfache Aussagen: (1) ein großes Rudel sei in der Lage, Großbeute effizienter zu jagen als kleine Rudel oder einzelne Jäger; (2) große Rudel hätten daher größere Anteile an Nahrung pro Tag als kleine Rudel oder einzeln lebende Individuen. Dies scheint zunächst sehr logisch, die Wahrheit daran ist jedoch um einiges komplexer und wie viele wissenschaftliche Beobachtungen belegen, ist genau das Gegenteil der Fall (vgl. Bsp. in Kap. 3.3.) (SPOTTE, 2012). Spotte (2012) erklärt, dass es in Wolfsgesellschaften immer einige gebe, die die Arbeit verrichten und andere, die davon profitieren. Dies ist in dem Punkt logisch, wenn man beachtet, dass die meisten Rudel aus einem Familienverband bestehen. Kein Wolf und auch kein anderes Raubtier wird als perfekter Jäger geboren. Die nötigen genetischen Veranlagungen dafür sind angeboren, doch die Technik muss jeder für sich erlernen. Wer sollte in einem Rudel, dass aus Mutter, Vater, Jährlingen und Welpen besteht, die fürs Überleben nötige Nahrung heran schaffen? Die einzigen, die in der Konstellation wirklich dazu in der Lage wären, sind nur die Elterntiere. Laut Bloch (2007) gibt es sogar viele Fälle, wo die Jungtiere, die bei der Jagd mitwirkten, diese deutlich vermasselt haben. Lernerfahrungen spielen im Jagdverhalten also eine große Rolle. Es gibt dieses Sprichwort „Gelegenheit macht Diebe.“ Ob dieses nun eins zu eins auf den Wolf zu übertragen ist, bleibt fraglich, soll aber auch nicht Thema sein. Für ein wild lebendes Raubtier ist es von Bedeutung, die Nutzen über den Kosten zu halten (vgl. Kap. 2.1.). Bietet sich einem Raubtier, egal ob Hund oder Wolf, die Möglichkeit, eine ordentliche Mahlzeit in Form von einem überfahrenen Hirsch abzustauben, ohne sich dabei auch noch groß anstrengen zu müssen, so wird diese sicherlich jedes Tier dankend annehmen. Kein noch so perfekter Jäger wird sagen, dass ihm diese Möglichkeit zu einfach sei und er sein Futter doch lieber selbst erlege (BLOCH, 2007). Hier kommen auch die Hunde ins Spiel. Es bleibt zu untersuchen, ob wild lebende Hunde die gleichen Fähigkeiten haben, Beute zu machen wie Wölfe. Vergleicht man ihre Lebensräume, kommt man dem Ganzen ein Stück näher. Die meisten aller wilden Hundepopulationen leben dort, wo sie her kommen: an der Seite des Menschen. So halten sich auch die meisten Hunde in der Nähe von menschlichen Ballungsgebieten auf (vgl. Kap. 4.1.). Wölfen, in der Regel, ist diese Bindung zu eng und sie weichen in andere Habitate aus (vgl. Kap. 3.1.) oder gehen wenigstens in andere Aktivitätszeiträume über (vgl. Kap. 3.3.). Zieht man auch hier wieder das Optimalitätsmodell hinzu, ist es nur logisch, dass Hunde als domestizierte Wölfe, die sich sowieso an der Seite des Menschen entwickelt haben, sich in der Nähe von Ballungszentren aufhalten, da dort auf einfache Weise immer genügend Nahrung abfällt. Außerdem fällt es ihnen durch ihren domestikationsbedingt verlängerten Darm leichter, diese Abfälle zu verdauen. Selbst die sonst so scheuen Rotfüchse durchstreifen regelmäßig die nächtlichen Straßen Berlins, um in den Parks nach verlassenen Currywurstenden oder Burgerresten zu suchen. Sie sehen es also nicht als notwendig an, kostbare Energie für anstrengende Jagden zu verschwenden. - 25 - Alle Caniden sind Meister der Anpassung, was sie im Laufe der Evolution zu Gewinnern gemacht hat. Junge Wölfe lernen, in ihrem Lebensraum zurecht zu kommen, und unter diesen gibt es sicherlich einige, die dabei zu einem perfekten Jäger werden und durchaus dazu in der Lage sind, einen ausgewachsenen Elchbullen allein zu erlegen (SPOTTE, 2012). Auf der anderen Seite gibt es mit Sicherheit andere Individuen, denen das Erlernen der perfekten Jagdtechnik besonders schwer fällt. Diese Exemplare suchen sich Rudel und ordnen sich unter oder bleiben allein. Individualität ist auch im Tierreich an der Tagesordnung und niemand kommt völlig gleich auf die Welt, auch wenn bestimmte Rasseklassifizierungen das manchmal behaupten. Warum sollte es unter diesen Voraussetzungen also keine Hunde geben, die ebenfalls zu perfekten Jägern werden können? Betrachtet man das Beispiel aus Zimens Werk „Der Hund“ (vgl. Kap. 4.3.), so scheinen die Hunde in den Abruzzen ihre Jagdtechnik für dieses Habitat perfektioniert zu haben. Dass Hunde grundsätzlich schlechte Jäger seien, ist damit ebenfalls widerlegt. Trotz dieser Beispiele behauptet der Wolfsforscher Günther Bloch weiterhin, dass der Hund zwar ein Jäger, aber kein Beutegreifer sei (BLOCH, 2007). Auch Erik Zimens Aussage „Hunde jagen, Wölfe gehen auf die Jagd“ (ZIMEN, 1992) besagt eben dieses. Was den meisten Hunden im Vergleich zu Wölfen sicherlich fehlt, ist die Entschlossenheit einer Beute nachzujagen. Hunde hetzen meistens aus viel zu großer Entfernung einem potenziellen Beutetier aufgrund eines genetischen Auslösers nach, manche machen dabei auch noch unglaublichen Lärm, bleiben dann nach einigen hundert Metern hechelnd stehen und trotten völlig ermüdet zurück. Die selbstbelohnende Handlungskette der Jagd wird also durch Nicht-Erfolg unterbrochen. Zum Einen zählt hier der fehlende Erfahrungswert. Zum Anderen sind die Domestikationsfolgen, die den Unterschied zwischen Wolf und Hund ausmachen, nicht außer Acht zu lassen (vgl. Kap. 4.). Die verringerte Gehirnkapazität unterstützt dies sicherlich nicht und die Fetalisation noch weniger. Somit bleibt es dabei, dass die meisten Hunde zwar leidenschaftlich gern jagen, aber dabei in der Regel eher selten zum Beutegreifer werden. Das schließt aber nicht aus, dass sie es trotzdem erlernen können. Ein weiteres lebendes Beispiel dafür, dass Hunde durchaus in der Lage dazu sind, erfolgreiche Jäger zu werden, liefern die Untersuchungen an den australischen Dingos. Diese Tiere sind zwar in der Domestikation nicht so weit fortgeschritten, wie die heutigen Hunde. Da sie aber vom Haushund abstammen, sind sie definitiv teil-domestiziert und als Hund und nicht als Wolf zu bezeichnen. Andererseits hatten sie in ihrer Entwicklung genügend Zeit und Möglichkeit, sich ohne „menschliche Hilfe“ ihrem Lebensraum anzupassen und selbst überlebensfähig zu werden. Diese Aufgabe haben die Tiere erfolgreich gemeistert (vgl. Kap. 4.1.-4.3.) und dabei ist nicht einmal auszuschließen, dass moderne Haushunde sich nicht mit Dingos kreuzen. Dingos sind also wilde Hunde, die ein ausgeprägtes Jagdverhalten an den Tag legen. Ein anderes Thema, welches zu diskutieren bleibt, ist der Punkt, warum das Hauptbeuteschema wild lebender Caniden, in diesem Fall Wölfe und Dingos betreffend, Wildtiere und nicht eher einfach zu tötende Zuchttiere sind. Laut dem Optimalitätsmodell wäre dies schließlich eine mögliche logische Schlussfolgerung. Man sollte dazu aber auch die Lebensräume der meisten Wolfspopulationen betrachten. Die Tiere wurden in die am wenigsten dicht besiedelten Areale dieser Erde zurück gedrängt. Zudem meiden die meisten Wölfe die Anwesenheit von Menschen. Laut der Kosten-Nutzen-Rechnung wäre es also eher unlogisch lange Reisen für leichte Beute auf sich zu nehmen, wenn die andere „vor der Haustür wohnt“. Es ist ja auch nicht völlig ausgeschlossen, dass - 26 - Wölfe und Dingos keine Zuchttiere reißen. Gute Gelegenheiten lassen den einen oder anderen mit großer Sicherheit mal von der Normalität abweichen, wie andere Beispiele zeigen. Des Weiteren ist es nicht verwunderlich, wenn alle Elche zum Abschuss freigegeben werden und danach die Wölfe vor Hunger die Schafspferche plündern. Australien ist nicht sehr dicht besiedelt, trotzdem gibt es große Viehweiden über das Land verteilt. Aber auch hier ziehen die Dingos eher Wildtiere als Hauptnahrung vor. Ein Rind wäre für den Großteil der australischen Caniden sicherlich eine zu wehrhafte Beute. Über gerissene Schafe sind keine Informationen bekannt. Die meisten Känguruarten sind eher klein und auch alle anderen Beutetiere des Beuteschemas des Dingos sind eher kleine Beuteltiere, Nager und Hasenartige (vgl. Kap. 4.2.). Der Tagesbedarf an Nahrung eines Dingos liegt durchschnittlich bei einem Kilogramm Fleisch pro Tag, was ungefähr der Masse eines Kaninchens entspricht (SPOTTE, 2012). Auch hier trifft die Gruppierung des Beuteschemas anhand der Körpermasse des Räubers weitestgehend zu. 6. Fazit Zusammenfassend ist also zu sagen, dass man zwar grundlegende Tendenzen im Jagdverhalten zwischen Wölfen und Hunden unterscheiden kann. Dies ist durch die grundlegenden Unterschiede zwischen Wolf und Hund, die hauptsächlich auf der Domestikation beruhen, bedingt. Die weniger domestizierten Dingos zeigen eher wolfsähnlicheres Verhalten, als streunende Haushunde. Jedoch gibt es viele Faktoren, wie Lebensraum, Erfahrungswert und vor allem auch Individualität, die Ausnahmen jeglicher Klassifizierungen bestätigen. Überhaupt ist eine gute Klassifizierung nur schwer möglich, da die wenigen dokumentierten Beispiele nur einen kleinen Teil der Realität widerspiegeln. Es ist zu berücksichtigen, dass Hunde ebenfalls dazu in der Lage sein können, sich über jagdliches Verhalten selbst zu ernähren, jedoch mag die Quote derer, die wirklich dazu fähig sind und es dann auch noch aktiv einsetzen, im Vergleich zu Wölfen geringer sein. Die Dingos nehmen dabei den Platz zwischen den beiden Extremen ein. Eine erfolgreiche Jagd kann also nur stattfinden, wenn ein talentierter Jäger mit genügend Lernerfahrung sich in einer geeigneten Situation befindet, die ihm potenziell die Möglichkeit bietet Beute zu reißen und diese kann sich sowohl einem Wolf, einem Dingo oder einem Hund bieten. - 27 - 7. Quellenverzeichnis Bloch, Günther. Die Pizza-Hunde. Kosmos Verlag. Stuttgart, 2007. S. 53, 166 – 178. Butler, J.R.A. et al. Free-ranging domestic dogs (Canis familiaris) as predators and prey in rural Zimbabwe: threats of competition an disease to large wild carnivores. Elsevier Verlag. Biological Conservation 115 (2004), S. 369 – 378. Räber, Hans (Dr.). Vom Wolf zum Rassehund. Kynos Verlag. Ostfildern, 1999. S. 15. Spotte, Stephen. Societies of Wolves and Free-ranging Dogs. Cambrigde University Press. New York, 2012. S. 30 – 32, 119 – 149. Vanak, A. T., Gompper, M. E.. Dogs Canis familiaris as carnivores: thier role and function in intraguild competition. Mammal Review, 39. Columbia, 2009. S. 265 – 283. Zimen, Erik. Der Hund, Abstammung – Verhalten – Mensch und Hund. Goldmann Verlag. München, 1992. S. 285 – 288, 320 – 325. Zimen, Erik. Der Wolf – Verhalten, Ökologie und Mythos. Kosmos Verlag. Suttgart, 2003. S. 65, 106 – 114, 404, 408 – 419. Filmmaterial: Berlowitz, Vanessa; Fothergill, Alastair (Prod.). TerraX – Eisige Welten: Von Pol zu Pol. BBC / ZDF – Dokumentation. 2011. Min. 19:14 – 23:15. Bewick, Lizzie; Bassett, Peter (Prod.). Wild Battlefields – Jäger der Wildnis – Wolfsrudel, Rivalen der Wildnis. BBC – Dokumentation. 2006. Min. 13:03 – 20:31. Bloch, Günther. Die Pizza-Hunde. Kosmos Verlag. Stuttgart, 2007. Min. 79:39 – 87:30. Internetquellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Hunde http://en.wikipedia.org/wiki/Subspecies_of_Canis_lupus http://en.wikipedia.org/wiki/Wolf#cite_note-s222-93 - 28 - 8. Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Amsel, Sherie; http://www.exploringnature.org Abb. 2: 111 Alleskönner; http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Optimalit Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. %C3%A4tsmodelle.png 3: WildThings; http://www.zazzle.de/grau_wolf_poster228375542758955405 4: Eribro; http://en.wikipedia.org/wiki/File:Gray_Wolf_Range.png 5: Kmusser; http://en.wikipedia.org/wiki/File:Present_distribution_of_wolf _subspecies.gif 6: unbekannt; http://grauewoelfin.heimat.eu/freunde/woelfebildertexte/ woelfejagenbison.jpg 7: unbekannt; http://blog.tagesanzeiger.ch/outdoor/wpcontent/uploads/ 2010/11/hund-640x426.jpg 8: unbekannt; http://resources2.news.com.au/images/2012/05/17/ 1226359/332066-dingo.jpg 9: Ferrero, Jean-Paul; http://cdn1.arkive.org/media/7B/7BC7D1B3-E68B4FA3-8764-5BEFA0E3558D/Presentation.Large/Dingos-chasing-lacemonitor.jpg 10: Ferrero, Jean-Paul; http://www.mediastorehouse.com/dingo-chasinglace-monitor-varanus-varius/print/1451183.html - 29 - Erklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen der Hausarbeit, die anderen Quellen im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, sind durch Angaben der Herkunft kenntlich gemacht. Dies gilt auch für Zeichnungen, Skizzen, bildliche Darstellungen sowie für Quellen aus dem Internet. Sonntag, den 02.12.2012 Thomas Pott - 30 -