Mascher: Yes, we can
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Mascher: Yes, we can
14 THEMA: MITEINANDER – GEGENEINANDER Yes, we can Obamas Wahlkampfvideo – Pop und Politik in Rondoform ekkehard mascher musik 15 .08 g2 n u bild & 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Arbeitsblätter ▲ ▲ ▲ Yes, we can – S. 18 Wer kennt wen? Mit Lösung – S. 19 Historische Daten in Obamas New-Hampshire-Rede – S. 20-21 Dateien – DVD ▲ Film: Yes, we can musikpaedagogik-online.de Seit einiger Zeit ist das Musik-Video Yes, we can zu haben, in dem der Musiker Will.I.am von The Black Eyed Peas gemeinsam mit zahlreichen KünstlerkollegInnen für den US-Präsidentschaftskandidaten des Wahlkampfs 2008, Barack Obama, auftritt. Will.I.am bezieht sich in seinem Musik-Video auf Obamas Rede, die der Demokrat am 8. Januar 2008 in New Hampshire gehalten hat. Der Erfolg kann sich inzwischen sehen lassen: Mehrere Millionen Zugriffe sind in der ersten Woche auf YouTube zu verzeichnen gewesen. Die Vielfalt und Dichte der Videobotschaft macht es nicht leicht, einen unterrichtlichen Zugang zu ermöglichen; andererseits spricht die Emotionalität des Ausdrucks für sich und könnte zu einem „Selbstläufer“1 werden. Abgesehen von der politischen Aktualität bietet dieses Video die Möglichkeit zu einer musikalischen Auseinandersetzung, die fachübergreifend im Politik-, Geschichts- und Englischunterricht ab Klasse 10 vertieft werden kann. zum video Das Lied Yes, we can steht in enger Verbindung zu der Rede, die Barack Obama nach der Vorwahl im Bundesstaat New Hampshire hielt. Sein Wahlkampfslogan, nach dem das Video benannt ist, erinnert an das Si se puede der Landarbeitergewerkschafter Chávez und Huerta, die die United Farm Workers (UFW) gründeten, aber auch an das von Martin Luther King propagierte We have a dream. So verwundert es nicht, dass mit Obamas Slogan eine Aufbruchsstimmung empfunden wird, die sich ansatzweise mit der Euphorie der Zeit um Kennedy vergleichen lässt. „Seit den großen Reden in der Zeit von Kennedy und Martin Luther King hat man ein solches Glory-Element in der Politik nicht mehr gesehen“, meint Mediendramaturg Mikunda.2 Wenige Wochen nach der Rede wurde das Lied durch den Sänger Will.I.am, Mitglied der HipHopGruppe The Black Eyed Peas, als Viral-Video veröffentlicht.3 Der politische Hintergrund Es ist nicht ungewöhnlich, dass KünstlerInnen – vor allem demokratische – Präsidentschaftskandidaten im Wahlkampf unterstützen. Die Botschaft in diesem Video lautet: Obama ist der Kandidat für jeden, denn das Video gestalten MusikerInnen und SchauspielerInnen unterschiedlicher Herkunft: Schwarze, Weiße, Hispanics und asiatische Amerikaner. Es erscheint wie eine Fortsetzung des Buchs Klang der Zeit von Richard Powers,4 in dem über eine Familie mit zwei Hautfarben erzählt wird, die zu einer Zeit lebte, als eine gemischte Ehe in vielen Staaten der USA noch als Verbrechen angesehen wurde. Besagte Familie jedoch vertraute ganz auf den amerikanischen Traum: Jeder hat die Möglichkeit, sich selbst zu erfinden – und das vor allen Dingen im Rahmen einer musikalischen Karriere. Will.I.ams Botschaft lässt die Hautfarbe im Hintergrund; er thematisiert insbesondere die Grundfrage nach der Menschlichkeit. Das absichtsvoll in Schwarz-Weiß gedrehte Werk ist schlicht und wenig aufwändig gestaltet. Dazu Mikunda:5 „Schwarz-Weiß suggeriert, dass es ums Prinzipielle geht. Und es sind die ,Farben der Ewigkeit’.“ Es verarbeitet eine Übertragung von Obamas ursprünglich 13 Minuten langer New-Hampshire-Rede zu einer Art Collage von vier Minuten und 30 Sekunden Länge: Die Dar- Kostenloser Download für AbonnentInnen ▲ Aktuell zum amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf wird ein Musikvideo über den demokratischen Kandidaten, Barack Obama, inhaltlich und musikalisch analysiert. Arbeitsblätter als PDF-Datei stellerInnen wiederholen Obamas Worte als Chor in Call-and-Response-Technik, während dessen Stimme im Hintergrund zu hören ist. Das Lied ist im Wesentlichen englischsprachig, mit Ausnahme der Übersetzungen für „Yes, we can“ auf hebräisch, „ken, an(ach)nu yecholim“, und spanisch, „si, podemos“ und „sí, se puede“, sowie in die Gehörlosensprache American Sign Language. Viral-Video Es handelt sich um ein Viral-Video. In der Neuschöpfung des Wortes „viral“, zusammengesetzt aus „virtuell“ und „oral“, geht es um die Verbreitungsform: Ein Video, das über das Internet verbreitet wird und durch Mund-zu- Mund-Propaganda bekannt gemacht wird. Es erinnert an Flugblätter, die in den Zeiten, als die Druckmaschine zu den innovativen Verbreitungsmöglichkeiten gehörte, wesentlich dazu beigetragen haben, neue Ideen publik zu machen und Massen in Bewegung zu setzen. den stil der rede erkennen Als erster Ansatzpunkt bietet es sich an, den Text (Arbeitsblatt „Yes, we can“), bzw. Abschnitte daraus, auf englisch oder deutsch laut zu lesen und dabei zu versuchen, unterschiedliche Ausdrucksformen zu finden. Die SchülerInnen sollen versuchen, so zu sprechen wie beispielsweise ein Gewerkschaftler am 1. Mai, ein Pastor von der Kanzel, ein Verteidiger beim Plädoyer seines Klienten oder auch in der Weise, wie Obama im Fernsehen erlebt wird. Dabei kann zum einen die religiöse Grundstimmung deutlich werden, zum anderen wird erfahren, dass die ständige Wiederholung des „Yes, we can“ die innere 16 Spannung der Rede erhöht, vor allen Dingen, wenn es nicht von dem Redner selbst, sondern von einer kleinen Gruppe rezitiert und eingeworfen wird. wer kennt wen? 2. Video: Wer kennt welche KünstlerInnen aus welchen Zusammenhängen? Und wie wirkt die Musik? Arbeitsblatt „Wer kennt wen?“ ▲ Ein zweiter Ansatz kann darin bestehen, die 37 KünstlerInnen genauer in Augenschein zu nehmen, die für das erreichte „Wir-Gefühl“ stehen (Video Yes, we can, Arbeitsblatt „Wer kennt wen?“): Bis auf die Basketball-Legende Kareem Abdul-Jabbar und den Jazz-Pianisten Herbie Hancock gehört der überwiegende Teil der DarstellerInnen der in den 70er-Jahren geborenen Generation an, die jüngste - neben dem Sohn von Amber Valletta – ist die 1984 geborene Scarlett Johansson. Will.I.am, Rapper und HipHop-Produzent, hat vor allen Dingen SchauspielerInnen für dieses Video engagiert, ferner Drehbuchautoren, Filmproduzenten und Models. Die beteiligten MusikerInnen, KomponistInnen und Songwriter arbeiten in den Bereichen Rock, HipHop, Soul, Funk, Rap, Jazz und R&B. Interessant sind ethnische und kulturelle Zusammenhänge: Beteiligt sind Afroamerikaner, Hispanics und asiatische Amerikaner sowie der bekennende Moslem Kareem Abdul-Jabbar. Jüdischen Hintergrund haben Maya Rubin, die ihren Teil hebräisch spricht, und Shoshanna Stern, die sich in der amerikanischen Gehörlosensprache ausdrückt, sowie die spanisch sprechenden Kubaner bzw. Puertoricaner Adam Rodriguez und Enrique Murciano. 3. Textarbeit: Schlüsselbegriffe werden wirkung erkennen unterstrichen und auf ihren historischen Gehalt hin untersucht. Arbeitsblätter „Yes, we can“ und „Historische Daten in Obamas New-HampshireRede“ Die Frage nach der Wirkung der Musik werden die SchülerInnen vermutlich schnell beantworten wollen, sie knüpft an die in der Textarbeit an, bei der die religiöse Komponente herausgearbeitet wurde. Nahe liegend sind Kommentare wie „mitreißend“, „Aufbruchstimmung“ und „Wir-Gefühl“. Vertiefend kann erfragt werden, wie diese Gefühle eigentlich erzeugt werden und welche Botschaften noch transportiert werden. Stundenverlauf ▲ 1. Teile des Texts werden in unterschiedlicher Form vorgetragen (z. B. als Predigt, Kundgebung, Plädoyer...). Welcher Stil passt am besten zum Inhalt? Arbeitsblatt „Yes, we can“ ▲ 4. Video: Kartenabfrage: Welche Besonderheiten fallen auf? Karten aufhängen und nach Themenschwerpunkten sortieren. 5. Vertiefung der verschiedenen Themen in Gruppen: Bilder und Symbole – Sprache – Musik 6. Präsentation der Gruppenarbeiten, verknüpft mit einer Pro- und ContraDiskussion. 1776, die vor allen Dingen auf das Gleichheitsprinzip der Menschen hinweist. Aber auch das Manifest „Destiny“ klingt an, das einen göttlichen Auftrag zur Expansion beinhaltet und in den Zeiten des Goldrausches um 1849 besondere Wichtigkeit erlangte. Die Frage nach Rassenunterschieden wird im Text nur angedeutet – in dem Hinweis darauf, dass die Sklaverei in den USA im Jahre 1865 abgeschafft wurde.6 Außerdem thematisiert werden die Arbeiterbewegung, besonders die von Chávez und Huerta 1962 gegründeten Landarbeitergewerkschaft, und das – gegen Präsident Wilsons anfänglichen Widerstand – errungene Frauenwahlrecht. Mit der geschickten Andeutung der biblischen Geschichte von Josua und Kaleb (die den Stammesvertretern des Volkes Israel von einem Berg aus das Land zeigten, in dem Milch und Honig fließen sollen) und dem Hinweis auf den erfolgreichen König David nimmt der Text eigentlich Bezug auf Martin Luther King, der 1963 in Washington seine berühmte Rede mit dem Titel I have a Dream hielt. Weiter geht es mit der erfolgreichen Apollo-11Mission 1969, die von Kennedy bereits 1961 angekündigt wurde. „Die Welt zu reparieren“ könnte verweisen auf die Problematik um das 1992 von den USA nicht unterzeichnete Kyoto-Protokoll und die notwendige Einsicht, sich als Nation an der Eindämmung einer Klimakatastrophe zu beteiligen. Neben diesen historischen Andeutungen, die zum Ziel haben, US-amerikanische Leistungen in Erinnerung zu rufen, sich dabei aber nicht nur auf materielle und wirtschaftliche Fragen zu reduzieren, sondern vor allen Dingen auch die der Gleichberechtigung und der Menschenwürde zu berücksichtigen, werden keine konkreten Ziele für die Zukunft genannt. Es gibt lediglich den Hinweis darauf, dass Ziele nur gemeinsam erreicht werden können, dass sie das ganze Land betreffen und dass die Benachteiligten davon profitieren werden – ganz im Sinne eines John F. Kennedy und Martin Luther King. Das Video transportiert urtypische liberale amerikanische Botschaften. historische zusammenhänge erforschen video beobachten Nun sollten Schlüsselbegriffe markiert werden, die auf besondere Stationen amerikanischer Geschichte hinweisen, ausführliche Informationen dazu gibt das Arbeitsblatt „Historische Daten in Obamas New-Hampshire-Rede“. Dazu gehören zunächst Daten zur Einwanderung sowie die von Jefferson verfasste Unabhängigkeitserklärung von Das Video kann zunächst ohne spezielle Arbeitsaufträge gesehen werden, aber Besonderheiten, die SchülerInnen auffällig erscheinen, sollten auf Karteikarten notiert werden (jeder erhält drei Karten, pro Karte ein Stichwort). Anschließend werden die Äußerungen an einen für alle sichtbaren Ort gehängt, kommentiert und nach musik .08 g2 n u bild & Schwerpunkten geordnet. Die Rubriken können sich auf die Bilder beziehen (Schnitt, Aufteilung, Kameraführung, besondere Stilmittel), auf Symbole (Zeichen, Kleidung, Hintergründe), auf die Sprache (Sprachrhythmus, Stil, Einblendungen, Texte im Bild) und auf die Musik (Instrumente, Gesang, Sprache, Rhythmus, O-Ton, Fremdton). Ein zweites Sehen des Videos sollte mit speziellen Gruppenaufträgen verbunden werden, die sich inhaltlich an den Schwerpunkten der Kartenabfrage orientieren können. Einige Punkte sollten auf jeden Fall gesehen und angesprochen werden: Bilder und Symbole Bis auf das rot eingefärbte Wortspiel am Ende des Videos „hope – vote“, bei dem die gleichen Buchstaben stehen bleiben und die unterschiedlichen ersetzt werden, ist der ganze Film in SchwarzWeiß gedreht. Die Bildaufteilung erinnert an ein Tryptichon, der Bildschnitt steht in keinem besonderen Zusammenhang zur Musik, offensichtlich sollen Schemata vermieden werden. Gezeigt werden Menschen in ihrem Alltags-Outfit, und es scheinen vor allem Multiplikatoren, Lifestylebetonte und jüngere Liberale angesprochen zu sein. Sprache Wie nah die Sprache selbst an der Musik ist, zeigt sich darin, dass die Grundidee für dieses Video im O-Ton der Obama-Rede begründet liegt, der die ganze Zeit unterlegt ist und häufig nur mitgesprochen wird. In das Bildgeschehen sind einzelne Worte eingeblendet, zu Beginn zweimal „Yes, we can“, später erscheinen die Wörter „change“, „hope“ und abschließend das oben erwähnte Wortspiel aus „hope“ und „vote“. Die Auswahl derjenigen Personen, die besondere Textbotschaften übermitteln, ist nicht zufällig getroffen worden: So sprechen Will.I.am und Obama über die Unabhängigkeitserklärung, Kareem AbdulJabbar und Common erwähnen gemeinsam mit Obama die Sklavenbefreiung, Tatyana Ali übernimmt das Frauenwahlrecht und John Legend berichtet von König David und Martin Luther King. Shoshannah Stern zeigt in Gebärdensprache den Textausschnitt „egal welche Hindernisse im Wege stehen“, und zu der „Macht von Millionen“ ist eine skandierende Menge als Fremdton eingeblendet. Humorvoll erscheint Fonzworth Benthleys kurzer Beitrag auf der Violine, der dem Textausschnitt „zunehmend laut und schrill“ zugeordnet ist. Auch die Einwürfe des „Yes, we can“ in hebräischer und spanischer Sprache scheinen bedeutungsvoll zu sein. THEMA: MITEINANDER – GEGENEINANDER 17 Musik Das Stück lässt sich als musikalische Collage mit einem Chor, der in Call-and-Response den musikalischen Refrain wiedergibt, beschreiben. Will.I.am hat die Musik sehr dezent zusammengestellt. Die Nähe zum Soul fällt auf und sorgt für eine religiöse Stimmung. Die sehr schlichte und instrumental reduzierte Begleitung beschränkt sich auf: G-Dur, H-Dur, e-Moll, C-Dur-Nonakkord; die Bridge im letzten Drittel (Einwurf der Violine) besteht aus den Akkorden a-Moll, C-Dur und GDur. Begleitet wird die Musik von einer Gitarre, später ergänzt eine weitere Gitarre einzelne Töne, es folgt ein kurzer Einwurf einer Violine, am Ende spielt ein Klavier. Alle Instrumente werden einoder zweimal eingeblendet, der Hörer empfindet deshalb das Instrumentarium für den gesamten Verlauf des Videos als O-Ton. Für einen kurzen Moment erscheint das „Yes, we can“ in einem gemeinsam gesprochenen Rhythmus (zwei punktierte Viertel, eine Viertel).7 ist musik als mittel des wahlkampfs legitim? Die Botschaft lautet: Neues und fast unerreichbar Erscheinendes wagen und sich gleichzeitig in der Sicherheit des Alten und Vertrauten wiegen, indem man sich auf die errungenen Erfolge besinnt. Dabei entsteht durch die ständigen Wiederholungen eine dramaturgische Überhöhung des Präsidentschaftskandidaten. Das passiert zum einen auf der linearen Ebene, indem sich von Anfang bis Ende „Yes, you can“ durch den Song zieht. Aber es passiert auch auf einer zweiten, horizontalen Ebene, wenn alle Stars in Obamas Rede mit einstimmen und diese auch kommentieren. Wünsche und Bedürfnisse aller Zielgruppen werden thematisiert, alle fühlen sich einbezogen und ernst genommen, nichts bleibt dem Zufall überlassen. Es entsteht ein emotionales Wir-Gefühl, eine Aufbruchstimmung – aber wohin eigentlich? Konkrete politische Ziele werden nicht genannt. Abschließend lohnt es sich, den Ausgangspunkt nach der Wirkung des Videos noch einmal zu thematisieren und zu fragen, ob Musik überhaupt so manipulativ in einen Wahlkampf eingreifen darf. Dafür böte sich eine Pro- und Kontradiskussion an: Auf der einen Seite ist zu würdigen, dass sich namhafte KünstlerInnen hinter ihren Favoriten stellen und mit ihren Mitteln eine hohe Emotionalität erzeugen, um eine neue Aufbruchstimmung zu initiieren. Auf der anderen Seite muss der leisen Frage Raum ge- geben werden, ob ein Verzicht auf klare politische Ziele zugunsten einer emotionalen Aussage, verknüpft mit der Stärkung eines Wir-Gefühls, als (musikalisches) Mittel eingesetzt werden darf – angesichts einer deutschen Geschichte, die sich mit politisch-musikalischer Manipulation während des Nationalsozialismus auseinandersetzen musste. coda: und wieso eigentlich rondoform? Formfragen spielen in der Praxis des Musikunterrichts eine große Rolle, denn sie scheinen unter anderem geeignet zu sein, messbare und halbwegs objektive Klausurleistungen von SchülerInnen einfordern zu können. Andererseits: Man verscherzt sich viel, wenn der Blick auf den Inhalt zweitrangig wird und das Rondo auf „A B A C A D A“ reduziert wird. Der eigentliche Reiz liegt doch im Wechselspiel zwischen einem innovativen Teil, der immer wieder nach neuen unbekannten Wegen sucht, und einem konservativen Teil, der nach Sicherheit und Rückhalt verlangt. Und genau diese beiden Ebenen sind in dem Obama-Video angesprochen: Auf der einen Seite zeigt es historische Beispiele für horizonterweiternde und rahmensprengende Situationen, auf der anderen Seite spiegelt es ein sich immer wiederholendes und beschwörendes Vergewissern. Wenn auch das formale Regelwerk relativ schlecht erkennbar ist; das innere Miteinander und Gegeneinander ist so stark, dass SchülerInnen die musikalische Form als notwendigen Ausdruck eines inneren Prozesses erleben und auf andere musikalische Beispiele übertragen können. 1 Annika Voss hat sich gemeinsam mit ihren MitschülerInnen des Leistungskurses 12 in der Schillerschule Hannover mit diesen Inhalten auseinander gesetzt. 2 Christian Mikunda in der österreichischen Tageszeitung Der Standard vom 10. Februar 2008. 3 www.Dipdive.com und www.youtube.com > Stichwort „obama will.i.am, can“, vergleiche auch die Rede Obamas unter www.youtube.com > Stichwort „barack obama new hampshire“. 4 Richard Powers: Der Klang der Zeit, Frankfurt/Main 2005. 5 Christian Mikunda, a.a.O. 6 Zum politischen Konzept gehört es, Fragen der Gleichberechtigung zu stellen, aber Rassendiskriminierung inhaltlich zu vermeiden: „Ein Schwarzer, der zornig ist, ist für die Weißen nicht wählbar“ (Der Spiegel Nr. 7/12.2.08: Der Messias-Faktor, S. 96). 7 siehe Notenbeispiel Seite 18. 18 ARBEITSBLATT Yes, we can Yes, ! we can. Yes, we can. Barack Obama, ein Ausschnitt aus dem Video Yes, we can und der Grundrhythmus des Songs (v. l. n. r.) Tragt Teile des Texts in unterschiedlicher Form vor (z. B. als Predigt, Kundgebung, Plädoyer...). Welcher Stil passt am besten zum Inhalt? Text: Barack Obama Übersetzung: Ekkehard Mascher It was a creed written into the founding documents that declared the destiny of a nation. Yes, we can. Es war ein Credo, das in der Unabhängigkeitserklärung stand und welches das Schicksal einer Nation bestimmte. Ja, wir können. It was whispered by slaves and abolitionists as they blazed a trail toward freedom. Yes, we can. Es wurde von Sklaven und Gegnern der Sklaverei geflüstert, als sie sich einen Weg zur Freiheit bahnten. Ja, wir können. It was sung by immigrants as they struck out from distant shores and pioneers who pushed westward against an unforgiving wilderness. Yes, we can. Es wurde von Einwanderern gesungen, die von entfernten Küsten kamen und von Pionieren, die nach Westen in eine undurchdringliche Wildnis stießen. Ja, wir können. It was the call of workers who organized; women who reached for the ballot; a President who chose the moon as our new frontier; and a King who took us to the mountaintop and pointed the way to the Promised Land. Yes, we can to justice and equality. Yes, we can to opportunity and prosperity. Yes, we can heal this nation. Yes, we can repair this world. Yes, we can. Es war der Aufruf von Arbeitern, die sich organisierten, von Frauen, die nach den Stimmzetteln griffen, einem Präsidenten, der den Mond als neue Grenze wählte und einem König,* der uns mit auf den Gipfel nahm, um uns den Weg zum verheißenen Land zu zeigen. Ja, wir können Gerechtigkeit und Gleichheit finden. Ja, wir können Chancen und Wohlstand erlangen. Ja, wir können diese Nation heilen. Ja, wir können diese Welt reparieren. Ja, wir können. We know the battle ahead will be long, but always remember that no matter what obstacles stand in our way, nothing can stand in the way of power of millions of voices calling for change. We have been told we cannot do this by a chorus of cynics who will only grow louder and more dissonant. We’ve been asked to pause for a reality check. We’ve been warned against offering the people of this nation false hope. But in the unlikely story that is America there has never been anything false about hope. The hopes of the little girl who goes to a crumbling school in Dillon are the same as the dreams of the boy who learns on the streets of LA; we will remember that there is something happening in America; that we are not as divided as our politics suggests; that we are one people; we are one nation; and together, we will begin the next great chapter in America’s story with three words that will ring from coast to coast; from sea to shining sea – Yes. We. Can. Wir wissen, dass der Kampf lang sein wird, aber bedenkt, dass, egal welche Hindernisse im Wege stehen, nichts der Macht von Millionen von Stimmen widerstehen kann, die Veränderung wollen. Uns ist gesagt worden, dass wir das nicht erreichen können, von einem Chor von Zynikern, die nur allmählich lauter und schriller werden. Wir sind gebeten worden, innezuhalten, um die Realität zu überprüfen. Wir sind davor gewarnt worden, den Menschen dieser Nation falsche Hoffnungen zu machen. Aber in der einzigartigen Geschichte Amerikas war es niemals falsch, Hoffnung zu geben. Die Hoffnungen des kleinen Mädchens, das in eine verkommene Schule in Dillon geht, sind dieselben wie die Träume des Jungen, der auf den Straßen von LA lernt; wir werden uns erinnern, dass etwas in Amerika geschieht; dass wir nicht so geteilt sind, wie es uns die Politik einredet; dass wir ein Volk sind; dass wir eine Nation sind; und gemeinsam werden wir das nächste große Kapitel in Amerikas Geschichte beginnen, mit drei Wörtern, die von Küste zu Küste klingen werden, von Ozean zu Ozean – Ja. Wir. Können. * Wortspiel: gemeint ist Martin Luther King, aber auch König David. 0:01 = Will.I.am, Rapper und Hip-Hop-Produzent, Mitglied der Hip-Hop-Band The Black Eyed Peas; 0:05 = Scarlett Johansson, Schauspielerin; 0:21 = Kareem Abdul-Jabbar, ehemaliger Basketballspieler; 0:23 = Common, Rapper; 0:32 = John Legend, R&B-Musiker und Songwriter; 0:37 = Bryan Greenberg (Gitarre), Schauspieler; 0:44 = Kate Walsh, Schauspielerin; 0:44 = Tatyana Ali, Schauspielerin und Sängerin; 0:49 = Harold Perrineau, Jr., Schauspieler; 1:01 = Aisha Tyler, Schauspielerin; 1:03 = Samuel Page, Schauspieler; 1:07 = Enrique Murciano, Schauspieler; 1:08 = Maya Rubin, Schauspielerin; 1:10 = Esthero (Jenny-Bea Englishman), Sängerin und Songwriterin; 1:23 = Eric Balfour, Schauspieler; 1:30 = Nicole Scherzinger, Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin; 1:41 = Taryn Mannning, Schauspielerin; 1:52 = Amber Valletta, Supermodel und Schauspielerin; 1:52 = mit Sohn Auden McCaw; 1:52 = Kelly Hu, Schauspielerin; 1:56 = Adam Rodriguez, Schauspieler; 2:02 = Eric Christian Olsen, Schauspieler; 2:02 = Sarah Wright, Schauspielerin und Model; 2:04 = Shoshannah Stern, Schauspielerin; 2:19 = Ed Kowalczyk (Gitarre), Rockmusiker; 2:38 = Fonzworth Benthley (Violine), Musiker; 3:24 = Amaury Nolasco, Schauspieler; 3:27 = Hill Harper, Schauspieler; 3:36 = Nick Cannon, Rapper; 3:41 = Herbie Hancock (Klavier), Jazzpianist und Komponist; 3:45 = Johnathon Schaech, Schauspieler, Drehbuchautor und Filmproduzent; 3:50 = Austin Nichols, Schauspieler; 4:00 = Tracee Ellis Ross, Schauspielerin; 4:03 = Fred Goldring (Gitarre), Musiker, Anson Mount, Schauspieler und Model, Alfonso Ribeiro, Schauspieler, Cliff Collins, Vera Farmiga, Schauspielerin Amaury Nolasco Hill Harper Herbie Hancock Eric Christian Olsen Aisha Tyler Kate Walsh Will.I.am Scarlett Johansson Cliff Collins Sarah Wright Common John Legend Bryan Greenberg Taryn Manning Tatyana Ali Harold Perrineau Samuel Page Enrique Murciano Johnathon Schaech Esthero Eric Balfour Nicole Scherzinger Adam Rodriguez Amber Valletta Kelly Hu Kareem Abdul-Jabbar Fred Goldring Vera Farmiga Maya Rubin Ed Kowalczyk Fonzworth Benthley Alfonso Ribeiro Shoshannah Stern Nick Cannon Austin Nichols Tracee Ellis Ross Anson Mount Minute 4 Minute 3 Minute 2 Minute 1 Minute 0 ! In dem Musikvideo Yes, we can treten 37 SchauspielerInnen und MusikerInnen auf. Welche Namen (oder Gesichter) sind dir bekannt? Aus welchem Zusammenhang kennst du die Personen (Fernsehen, CD, DVD, Internet o. Ä.)? Wann treten sie auf? Notiere in der Zeitleiste deine Ergebnisse. Wer kennt wen? ARBEITSBLATT 19 20 ARBEITSBLATT Historische Daten in Obamas New-Hampshire-Rede Einwanderung von 1628 bis 1775 Etwa 20000 englische Puritaner, 8000 Holländer, 45000 englische Royalisten und Quäker, 250000 schottische Iren siedelten sich in den USA an. (Bild: Karte von New Amsterdam – New York, 1685) Declaration of Independence Am 4. Juli 1776 erklärten die dreizehn britischen Kolonien ihre Unabhängigkeit von Großbritannien und ihr Recht, einen eigenen souveränen Staatenbund aufzubauen. In der von Thomas Jefferson verfassten Gründungsurkunde heißt es: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit sind.“ Damit wurden erstmalig allgemeine Menschenrechte formuliert, auch wenn sie in der späteren Praxis zunächst nur frei geborenen, weißen Männern in vollem Umfang zugestanden wurden, nicht aber Frauen, Sklaven und freien Schwarzen. (Bild: Deklaration) Einwanderung von 1776 bis 1849 500000 Deutsche und Millionen von Iren wanderten nach Amerika aus. Die Einwanderung wurde während der Zeit der westwärtigen Besiedelung („Frontier“) gefördert. Man sicherte den NeubürgerInnen Land aus Gemeinbesitz als Eigentum zu, wenn sie dieses für mindestens fünf Jahre nutzten. Manifest Destiny („offenkundige Bestimmung“) meint einen göttlichen Auftrag zur Expansion, insbesondere in Richtung Pazifik. Manifest Destiny war ein allgemeiner Begriff, der Elemente des amerikanischen Nationalismus mit Expansionismus und Rassismus vereinigte. (Bild: Deutsche EmigrantInnen schiffen sich in Hamburg ein) Sklaverei Sklaverei gab es vor allen Dingen in den Südstaaten der USA, die in großer Zahl Menschen aus Afrika als Arbeitskräfte für die Landwirtschaft importierten. Dabei sind hunderttausende von Schwarzen ums Leben gekommen. Mit der Sklaverei entwickelte sich auch der Rassismus der Weißen gegenüber der einheitlich schwarzen Sklavenbevölkerung. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Politiker zum Thema „Sklaverei“ führten unter anderem zur Sezession, dem Austritt einiger Staaten aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Durch die Sezession kam es zum Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkrieges, in dem sich die abolitionistischen, die Sklavenhaltung ablehnenden Nordstaaten durchsetzten. Verboten wurde die Sklaverei in den USA am 18. Dezember 1865, aber die ehemaligen Sklaven waren dennoch in vielen Bereichen der USA nicht gleichberechtigt. Der meist friedliche Kampf für Gleichberechtigung und gegen Rassentrennung setzte sich bis in die späten 60er-Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts fort. (Bild: Sklaven beim Musizieren) Industrial Workers Of The World Die „Industrial Workers Of The World“ wurde am 27. Juni 1905 in Chicago von Delegierten verschiedener Einzelgewerkschaften, Sozialisten und militanten Arbeiterführern gegründet. Sie organisierte insbesondere die von der traditionellen Arbeiterbewegung vernachlässigten gesellschaftlichen Gruppen: Frauen, ungelernte Arbeiter, Wanderarbeiter, asiatische Amerikaner und Afroamerikaner. Einen erneuten Aufschwung nahm sie durch die Bürgerrechtsbewegung sowie die Jugend- und Studentenrevolten der 1960er-Jahre. Eine nächste Welle folgte ab 1986, nachdem die Politik der Reagan-Regierung die arbeitende Bevölkerung benachteiligt hatte. (Bild: Logo IWW) ARBEITSBLATT 21 Frauenwahlrecht Die Verfassung bestimmte ursprünglich, dass bei Wahlen des Kongresses und des Präsidenten jeder das aktive Wahlrecht hat, der in seinem Bundesstaat für die größte Parlamentskammer aktiv wahlberechtigt ist. Damit stand es den Bundesstaaten frei, Bevölkerungsgruppen per Gesetz von der Wahl auszuschließen. Erst 1919 wurde trotz des anfänglichen Widerstands seitens des Präsidenten Woodrow Wilson das Frauenwahlrecht zugelassen. (Bild: Demonstration von Frauen, New York, 1912) Einwanderung von 1850 bis 1930 Fünf Millionen Deutsche, drei Millionen Menschen aus Österreich-Ungarn und zwei Millionen Italiener wanderten nach USA aus. (Bild: Österreichisch-Ungarische Auswanderer, Triest Anfang des 20. Jahrhunderts) United Farm Workers Die Landarbeitergewerkschaft „United Farm Workers“ wurde 1962 von César Chávez, Philip Vera Cruz, Dolores Huerta, and Larry Itliong gegründet. (Bild: Die UFW gibt es auch heute noch: die offizielle Homepage) I have a Dream I have a Dream ist der Titel einer berühmten Rede von Martin Luther King, die er anlässlich der großen Protestkundgebung „March on Washington for Jobs and Freedom“ am 28. August 1963 in Washington vor dem Lincoln Memorial hielt. Mehr als 250000 Menschen nahmen an der Kundgebung teil. I have a Dream war eine der wichtigsten Ansprachen während des Marsches der Bürgerrechtsbewegung nach Washington für Arbeitsplätze, Freiheit und Gleichheit speziell für die afroamerikanische Bevölkerung der USA. (Bild: Martin Luther King bei seiner berühmten Rede am Lincoln Memorial in Washington) Apollo 11 20. Juli 1969: Die Apollo-11-Mission war die erste bemannte Mission mit dem Ziel der weichen Landung auf dem Mond. Deren erfolgreiche Durchführung wurde weltweit von rund 500 Millionen Menschen am Fernseher verfolgt. Sie erfüllte die Ankündigung von US-Präsident John F. Kennedy aus dem Jahre 1961, noch vor dem Ende des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond und wieder sicher zurück zur Erde zu bringen. (Bild: Buzz Aldrin betritt den Mond) Kyoto-Protokoll Im Juni 1992 fand in Rio de Janeiro die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) statt. Zu der bis dahin weltgrößten internationalen Konferenz reisten Abgesandte fast aller Regierungen nach Brasilien. Die dort getroffene Klima-Rahmenkonvention, das so genannte KyotoProtokoll, verankerte völkerrechtlich verbindlich das Ziel, einen gefährlichen und menschlich verursachten Eingriff in das Klimasystem der Erde zu verhindern. Einige wenige Staaten wie die USA haben das Protokoll nicht unterzeichnet. (Bild: Wolkenwirbel vor der amerikanischen Küste)