Bologna 2015/16 (Englisch/Deutsch)
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Bologna 2015/16 (Englisch/Deutsch)
Erfahrungsbericht „Ma come è bella la città, se non hai voglia di studiare” ~ Luca Carboni über Bologna (“Le Ragazze”) Die vergangenen zehn Monate habe ich in der wunderschönen Stadt Bologna in der italienischen Region Emilia-Romagna verbringen dürfen, und eine wahnsinnig tolle Zeit erlebt. Wohl auch aufgrund der Tatsache, dass dort die älteste Universität der Welt ist, ist Bologna ist die Studentenstadt schlechthin: Man mag als Deutscher noch nicht viel von Bologna gehört haben (außer man kennt das Lied „Bologna“ der österreichischen Band Wanda) – italienische Studenten aus allen Teilen des Landes ziehen jedoch für ihr Studium dorthin, und das nicht ohne Grund. Wer durch die historische Innenstadt Bolognas spaziert, merkt schnell, dass das Stadtzentrum wie ein riesiger Campus ist: über die ganze Stadt verteilt findet man Fakultäten, Bibliotheken und Studentencafès und –kneipen. Bologna ist bevölkert von erstaunlich vielen jungen Menschen: internationale Studenten und Italiener aus Neapel, Sizilien, Kalabrien, … Hier muss man sich als Student einfach wohlfühlen, nicht zuletzt aufgrund der offenen warmherzigen Art der Bologneser. Für einen Erasmus-Aufenthalt ist es die perfekte Stadt! Vor meinem Aufenthalt Nachdem ich mich für einen Erasmusplatz in Italien beworben und auch prompt einen Platz zugesichert bekommen hatte, gab es über die nächsten Monate einiges zu erledigen: von der Heimatuni beurlauben, laufende Verträge kündigen, Unterlagen einreichen. All dies war zwar einiges an (vor allem bürokratischer) Arbeit, aber kein Hexenwerk. Mithilfe der Liste vom International Office konnte man gar nichts falsch machen. Was mir am meisten Angst machte, war es, eine Wohnung in Bologna zu finden. Am liebsten wollte ich in eine Studenten-WG mit anderen Italienern, um die Sprache und Gewohnheiten der Italiener am besten kennenzulernen. Doch wer würde schon einen Ausländer mit mittelmäßigen „Schul-Italienisch“-Kenntnissen bei sich aufnehmen wollen? Ich beschloss, meine Wohnungsanzeige absichtlich auf Englisch und Deutsch zu schreiben und mich gezielt als Deutscher zu verkaufen, der gerne italienisch lernen wollte, und im Gegenzug beim Deutsch- oder Englischlernen behilflich ist. So hoffte ich, italienische Mitbewohner zu finden, die sich über meine Gesellschaft freuen oder sogar noch davon profitieren könnten. Mir wurde eine Facebook-Gruppe empfohlen „Affittasi!!!!!!!! Offro/cerco casa a BOLOGNA“. Aufgrund der Größe dieser Gruppe und der Flut an laufend neuer „Suche-/Biete“-Anzeigen, ging mein Post jedoch schnell unter. Meine Mitbewohner fand ich dann, indem ich in die Gruppen der Uni Bologna schrieb: „Tedesco Unibo Lingue“, „Bologna affitto camere studenti universitari“ usw. Der Personenkreis dort war zwar kleiner, aber eher meine „Zielgruppe“. Eine italienische Deutschstudentin und ihr Franz-Kafka-lesender und englisch-studierender Mitbewohner waren an meiner Anzeige interessiert und boten mir ein Zimmer in ihrer WG an. TIPP: Selbst Italiener haben in Bologna damit zu kämpfen, Wohnungen zu finden. Ich hatte womöglich auch viel Glück, relativ bald etwas zu finden. Allerdings machen bologneser Studenten oft selbst einen Erasmus-Aufenthalt und suchen dann für 6 Monate Zwischenmieter. Andere Studenten suchen gezielt nach internationalen Mitbewohnern, dann aber meistens für ein Jahr (weshalb sich ein ganzjähriger Aufenthalt dort lohnt!). Es ist also nicht unmöglich! Vor allem in den StudentenGruppen auf Facebook findet man oft etwas! Wer von Deutschland aus nichts findet, muss nicht verzweifeln. Viele nehmen sich in den ersten Tagen ein Bett in einem Hostel und finden, sobald sie erstmal in der Stadt sind, innerhalb weniger Tage eine WG! Check-In In den ersten Tagen brachte mich die Stadt zum Verzweifeln. Ich verlief mich ständig und fand niemals die Unigebäude, die ich suchte. Kommentiert wurde meine Verzweiflung spöttisch von meiner Mitbewohnerin, die mir sagte, in einem berühmten Lied von Lucio Dalla hieße es: „Nel centro di Bologna non si perde neanche un bambino“ („Im Zentrum von Bologna kann sich noch nicht einmal ein Kind verlaufen“) – was definitiv nicht wahr ist! So verpasste ich zu Beginn gleich eine wichtige Veranstaltung für Incomer. Dies stellte sich allerdings als nicht weiter schlimm heraus: Von diesen Veranstaltungen gab es mehrere und die Mitarbeiter des International Office und der Sprachenfakultät erwiesen sich als extrem entgegenkommend und hilfsbereit, und zeigten Verständnis, wenn es mal bürokratische oder interkulturelle Schwierigkeiten gab. Check-In, Stundenplan-Zusammenstellung und die ersten Vorlesungen klappten letztendlich ganz gut! TIPP: Zögert nicht, zu fragen, wenn ihr mal nicht weiterwisst. Auch auf Englisch, wenn ihr noch unsicher mit dem Italienischen seid! Auch wenn man sagt, dass Italiener kein Englisch können: am Campus stimmt das schon mal gar nicht (schließlich studieren viele selbst Englisch), und sogar die einheimischen Ladenbesitzer können oft ein bisschen Englisch. Meistens wurde mir von allen Seiten geduldig geholfen, wenn ich eine Frage hatte. Studium Zu Beginn besuchte ich ein Deutschseminar für Masterstudenten und einen Basiskurs für deutsche Sprachwissenschaft. Während die Erstis im SpraWi-Kurs relativ zurückhaltend waren, war es im Master-Kurs wahnsinnig einfach, mit den italienischen Studenten in Kontakt zu kommen. Wir deutschen Muttersprachler in dem Seminar waren natürlich Exoten und sehr begehrt, denn die meisten Studenten hatten bereits ein Erasmus-Semester in einem deutschsprachigen Land absolviert und waren nun heiß darauf, ihre Sprachkenntnisse im Gespräch mit uns zu verbessern oder zu vertiefen. Ich gewann schnell gute Freunde, mit denen ich mich bis zuletzt regelmäßig traf und auch heute, aus Deutschland, noch Kontakt habe. Es begann als Referatsgruppe oder „Tandem-Partnerschaft“ (man traf sich wöchentlich um abwechselnd ein bisschen italienisch und deutsch zu reden) und entwickelte sich zu guten Freundschaften. Wir konnten viel voneinander lernen, sowohl sprachlich als auch kulturell. Auch der Kontakt mit den Dozenten war ungezwungen und freundlich, sie zeigten in der Regel großes Interesse an uns Erasmus-Studenten, fragten woher wir kamen und wie es uns in Bologna gefalle. TIPP: Die meisten Prüfungen in der Uni Bologna sind mündliche Einzelprüfungen, die an bestimmten, vom Dozenten festgelegten Terminen (sogenannten Appelli) abgenommen werden. Sollten sich solche Appelli mit eurer Rückkehr nach Deutschland überschneiden, zeigen die Dozenten eigentlich immer Verständnis und finden mit euch eine Lösung oder Alternativtermine dafür. Freizeit Nicht nur die Uni, sondern auch alles andere spielt sich im historischen Zentrum der Stadt ab: Konzerte, Partyabende, Kneipentouren – man trifft sich immer im Centro. Besonders in der Via Zamboni und der Via del Pratello treffen sich die Studenten abends zum Biertrinken, quatschen und gestikulieren In den beiden Straßen reiht sich ein Pub nach dem anderen und die Preise sind einigermaßen auf den studentischen Geldbeutel zugeschnitten (Bier ist in Italien relativ teuer, dafür sind Pizza und Kaffee billig. ) Wer sich mit Italienern verabredet, wird schnell merken, dass er anfangs oft alleine dasteht, wenn er pünktlich zur verabredeten Zeit am Treffpunkt erscheint. Eine Zeitangabe wie „zwischen 10 und 11“ kann auch 11:30 bedeuten. Wer da meckert, weil er schon um 10 Uhr erschienen ist, ist in den Augen der Italiener erstens selbst schuld und zweitens „proprio tedesco!“. Daran wird man sich gewöhnen müssen! Man merkt aber auch schnell, wie offen man in einen neuen Personenkreis aufgenommen wird. Man wird sofort in Gespräche integriert, als würde man sich schon seit Jahren kennen. Ich hatte den Eindruck, dass diese Freundlichkeit und Offenheit der Italiener echt war und von Herzen kam – es wirkte nie aufgesetzt oder falsch. Neben der zwei Partymeilen werden immer wieder besondere Veranstaltungen angeboten: im Sommer gibt es ein zweimonatiges, kostenloses Openair-Kino auf dem Piazza Maggiore (dem Hauptplatz der Stadt), im Herbst ein Mortadella-Festival, überall gibt es kleinere Konzerte – es ist immer etwas los in Bologna. ERASMUS-Veranstaltungen Es werden von verschiedenen Organisationen ständig (aber besonders zu Semesterbeginn) Partys, Reisen und andere Veranstaltungen angeboten. Diese Events machen unglaublich Spaß und es gibt keine einfachere Möglichkeit, mit anderen ins Gespräch zu kommen: denn die anderen Teilnehmer sitzen alle im selben Boot wie man selbst, möchten also selbst Bekanntschaften machen, oder sind Italiener, die internationale Begegnungen machen wollen. Neben den Partys bekommt man die Möglichkeit für sehr wenig Geld in andere italienische Städte zu reisen inklusive Touren, Eintrittspreise usw. Schaut euch einfach um, im Internet oder auf Plakaten, nach Organisationen wie „ESN Bologna“ oder „ElBo“. TIPP: Gerade, wenn man an der italienischen Sprache am Verzweifeln ist, ist es sehr angenehm mal wieder mit Deutschen (oder auf Englisch) zu sprechen. Mit anderen in Kontakt zu kommen, ist auf Erasmus-Veranstaltungen wirklich einfach. Allerdings war es mir immer wichtig, mit Italienern und Italienerinnen ins Gespräch zu kommen!! Dazu gehört mehr Überwindung und es ist ein bisschen schwerer, aber man profitiert so viel mehr davon, als nur mit deutschen oder anderen Erasmuslern abzuhängen! Also nicht übertreiben mit Erasmus-Programm – es gibt auch so viele andere Veranstaltungen in Bologna für Einheimische und solche, die sie kennenlernen wollen. TIPP: Haltet außerdem Ausschau nach „Tandem-Treffen“, die meistens von Studentenvertretungen oder –organisationen ausgerichtet werden. Dort trefft ihr andere Deutsche sowie Italiener, die gerne Deutsch lernen wollen und könnt mit ihnen in beiden Sprachen ein bisschen plaudern. Eventuell entwickeln sich nette Bekanntschaften, und man trifft sich mit dem ein oder anderen auch außerhalb dieser Tandems. Fazit Alles in allem war es eine verdammt schöne Zeit in Bologna! Ich würde mich sofort wieder entscheiden, ein Erasmusstudium zu machen, und auch diese Stadt würde ich wieder wählen! Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt, meine Sprachkenntnisse erheblich verbessert und viele interessante Dinge über die Unterschiede unserer beiden Kulturen gelernt. Ich denke durch diese Erfahrung habe ich auch viel über mich selbst gelernt, und bin ein bisschen gereift. Wenn ihr noch am Zögern seid: fragt mich gerne, falls ihr noch etwas wissen wollt! Und dann: Bewerbt euch ;)