Versäumnisse und Chancen bei Schrottimmobilien, VuR 2002

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Versäumnisse und Chancen bei Schrottimmobilien, VuR 2002
„Schrottimmobilien“: Widersprüche in der Rechtsprechung und aktuelle Möglichkeiten
aus der Sicht eines Anlegervertreters
von Eberhard Ahr, RA und Notar in Bremen
Wie erst kürzlich vom Vorsitzenden des XI. Zivilsenats des BGH (Bankensenat) selber
berichtet wurde1, sind Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Finanzierung von
Immobilienfondsanteilen und vermieteten Eigentumswohnungen seit sieben7 Jahren das
Haupttätigkeitsgebiet dieses Senats und werden den Senat in den nächsten Jahren noch weiter
beschäftigen.
Das Thema ist also keineswegs erledigt, weil sich immer wieder klärungsbedürftige Fragen
ergeben haben. Zum anderen zeigt dies, dass es auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung
in Deutschland bisher nicht gelungen ist, das Problem der dadurch verursachten insgesamt
milliardenschweren Schäden bei hunderttausenden von Betroffenen wenigstens in sozial
adäquater Weise zu lösen und damit dazu beizutragen, dass viele Opfer aus ihrer
wirtschaftlich prekären und psychologisch oft verzweifelten Situation heraus kommen.
Zudem ergeben sich aus der Rechtsprechung eine Anzahl von Widersprüchen und
Ungereimtheiten, von denen hier zunächst zwei der gravierendsten bei den
Eigentumswohnungen dargelegt werden sollen, um dann einige Tendenzen der neuesten
Entwicklungen aufzuzeigen, die sich aus der vom BGH selber neu geschaffenen Fallgruppe
der „Institutionalisierten Zusammenarbeit“ ergeben.
I. „Haustürfälle“:
Bis zur berühmten „Heininger-Entscheidung“ des EuGH2 wollte der Bankensenat den
Haustürschutz bei Immobilienfinanzierungen überhaupt nicht zulassen. Danach nahm der
Senat dem Schutz die Wirkung, weil nach einem Widerruf die gesamte Valuta zuzüglich
rückwirkender Verzinsung fällig sein sollte3. Erneut musste der EuGH entscheiden, ob dies
auch beim nicht ordnungsgemäß belehrten Verbraucher der Fall ist. In seinen Entscheidungen
vom 25.10.20054 hat der EuGH zwar diese Rechtsfolgen hinsichtlich des „Normalfalles“
gebilligt, aber verlangt, dass der nicht belehrte Darlehensnehmer durch Befreiung von den
Risiken des finanzierten Geschäfts zu schützen sei. Das machte der XI. BGH-Senat dann
allerdings von der Reihenfolge der Geschäfte (Kaufvertrag nach Kreditvertrag) und dem
Beweis abhängig, dass auch widerrufen worden wäre5.
Damit ist der Haustürschutz wieder ausgehebelt, denn die geforderte Reihenfolge ist der
absolute Ausnahmefall und der angesprochene Beweis praktisch nicht zu erbringen. Der BGH
hat damit die Forderung des EuGH aus dessen obigen Entscheidungen nicht umgesetzt.
Dies wäre vermieden worden, wenn gemäß den Forderungen von Anlegeranwälten und in der
früheren Rechtsprechung nicht im Darlehensvertrag selber die widerrufbare Erklärung
gesehen worden wäre, sondern in der ersten Erklärung des Verbrauchers in oder nach dem
1
WM-Tagung zum Kreditrecht am 07. Mai 2007, Gerd Nobbe: Seminarskript zum Thema „Fehlgeschlagene
Immobilienfinanzierungen“, S. 4
2
EuGH WM 2001, 3434ff.
3
BGH WM 2002, 2501ff.).
4
EuGH WM 2005, 2079ff. und 2086ff.
5
BGH WM 2006, 2343, 2347
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ersten Hausbesuch (Darlehensantrag oder Selbstauskunft). Der XI. Senat selber hat 1993 noch
so entschieden6. Dort heißt es dazu nämlich:
„Auch wenn (der Kreditvertrag) erst im Februar 1988 zustande gekommen sein sollte, wäre
auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen das Merkmal "bestimmt worden ist" in § 1
Abs. 1 HWiG erfüllt.( ...) Der Kreditantrag (ist) im unmittelbaren Zusammenhang mit den
Verhandlungen unterzeichnet worden. (...) Der Antrag enthielt alle wesentlichen
wirtschaftlichen Regelungen für den in Frage stehenden Kredit. Infolgedessen unterläge diese
Willenserklärung gemäß § 1 Abs. 1 HausTWG dem Widerrufsrecht, das sich auf den später
abgeschlossenen Kreditvertrag erstreckt.“
Bei Aufrechterhaltung dieser Rechtsprechung wäre die ohnehin schon restriktive Umsetzung
der obigen EuGH-Forderung allerdings möglicherweise zu verbraucherfreundlich ausgefallen.
Der BGH hat seine Meinung deshalb im Urteil vom 13.06.20067 „heimlich“ geändert: Dort
heißt es unter den Randnummern 16 und 17 nunmehr:
„Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht einen Widerruf des
Darlehensvertrages gemäß § 1 Abs. 1 HWiG verneint hat, weil die Verhandlungen in der
Haustürsituation am 26. April 1996 für die auf den Abschluss des Darlehensvertrages
gerichtete Willenserklärung vom 30. Mai 1996 nicht kausal geworden seien. (...)
Hingegen musste das Berufungsgericht dem Umstand, dass die Erklärung, die die Kläger am
26. April 1996 unterschrieben haben, im Wesentlichen dieselben Kreditkonditionen enthielt
wie der spätere Darlehensvertrag, keine entscheidende Bedeutung beimessen, weil die
Erklärung vom 26. April 1996 noch nicht die auf den Abschluss des Darlehensvertrages
gerichtete Willenserklärung darstellte(vgl. hierzu Senat BGHZ 123, 380, 392 f.).“
Dieser Wandel als solcher ist schon kaum nachvollziehbar, weil der Senat keine Begründung
für die Abkehr von der oben zitierten Rechtsprechung gibt. Schlimmer ist aber, dass er sich
aber auf genau die obige Entscheidung mit seiner BGHZ-Fundstelle bezieht. Darin steht
jedoch – wie oben zitiert - genau das Gegenteil.
Es muss darauf gedrungen werden, dass das Problem erneut dem EuGH vorgelegt wird und
etwa folgende Fragen gestellt werden:
1. Ist es mit dem in Artikel 4 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend
den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträgen sowie den Grundsätzen aus den Entscheidungen des EuGH vom 25.10.2005 in den
Sachen Schulte und Crailsheimer Volksbank (Rs C-350/03 und Rs C-229/04) zum Schutz des
Verbrauchers bei fehlenden bzw. fehlerhaften Widerrufsbelehrungen gemäß dieser Richtlinie
vereinbar, wenn in der Umsetzung der Schutz davon abhängig gemacht wird, ob das
Hauptgeschäft, das durch den Darlehensvertrag finanziert wurde, vor oder nach dem
Darlehensgeschäft geschlossen wurde oder eine Bindung daran aus anderen Gründen zum
Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages aus anderen Gründen nicht bestand?“
2. Ist es mit Artikel 4 der Richtlinie und den Entscheidungen des EuGH vom 25.10.2005
vereinbar, wenn der darin geforderte Schutz des Verbrauchers davon abhängig gemacht
wird, dass er nachweist, er hätte bei ordnungsgemäßer Belehrung auch widerrufen?
6
7
Urteil vom 26.10.1993, XI ZR 42/93 abgedruckt in NJW 1994, 262, 265
BGH WM 2006, 1995
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II. „Vollmachtsfälle“:
Der XI. BGH-Senat geht zwar seit der Entscheidung des IX. Senats vom 28.09.20008 davon
aus, dass die mit Treuhändern und Geschäftsbesorgern abgeschlossenen Treuhandverträge
wegen Verstoßes gegen das RBerG nichtig sind, gewährt aber den Banken, die mit diesen
Treuhändern Kredite abschlossen, gemäß .§§ 171, 172 BGB Vertrauensschutz, wenn sie
nachweisen, dass Ihnen die Vollmacht im Original oder Ausfertigung bei Abschluss der
Verträge vorgelegen hat. Die Begründung lautet, dass keine Bank in den 90er Jahren die
Unwirksamkeit der nichtigen Treuhändervollmachten hätte kennen können, weil das eine weit
verbreitete Vertragskonstruktion gewesen sei und es in Rechtsprechung und Literatur damals
keine rechtlichen Bedenken im Hinblick auf das RBerG gegeben habe9.
Dagegen wurde bei einigen OLGs10 und in Veröffentlichungen11 der Verbraucherseite früh
rebelliert. Der BGH ist jedoch bei seiner Linie geblieben. Es muss allerdings inzwischen
davon ausgegangen werden, dass diese Linie auf einer Legende beruht.
Eine Recherche in der dazu vorhandenen Literatur dieser Jahre ergibt nämlich, dass die zu den
damals beliebten Bauherrenmodellen verfassten Standardwerke die Nichtigkeit nach dem
Rechtsberatungsgesetz erkannt und z. B. Ratschläge zur Vermeidung dieses Dilemmas
gegeben haben.
Es handelt sich dabei um
- Goldbeck /Uhde: „Das Bauherrenmodell in der Praxis“, Luchterhand 1984 und
- Reithmann, Brych, Manhart: „Kauf vom Bauträger und Bauherrenmodelle“, Köln
1983.
So heißt es z.B. im Goldbeck/Uhde unter Randnr. 423:
„Es wird die Ansicht vertreten, dass die im Rahmen von Bauherrenmodellen
abzuschließenden Verträge im Hinblick auf die einheitliche Abwicklung der im Bündel
angebotenen Rechtsgeschäfte gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen und daher
unzulässig sind.“
Dabei wird sich auf das Werk von Reithmann etc. bezogen, wozu es dazu unter Randnr. 126
heißt:
“Auch kann beim Treuhänder ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz anzutreffen sein;
vergl. Randziffer 137 e. Was dort bezüglich des Betreuers ausgeführt wird, gilt gleichermaßen
für den Treuhänder, es sei denn, er ist Angehöriger der rechtsberatenden Berufe.“
Und unter 137 e heißt es:
„Sofern jedoch bei Bauherrenmodellen eine Vielzahl von Einzelleistungen im Bündel
angeboten werden, wird jedoch die Rechtsberatung durch den Betreuer problematisch und
stößt an die Grenzen der Unzulässigkeit, da der BGH feststellt, dass eine Sonderberatung in
Bausachen gegen das Rechtsberatungsgesetz verstößt“.
8
BGH WM 2000, 2433ff.
so z.B. in BGH WM 2005, 327 ff.
10
z.B. OLG Celle vom 05.02.2003, 3-U-1/01
11
Nittel, NJW 2002, 2599; Arnold/Gehrenbeck, VuR 2004, 41 ff.
9
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Der IX. Senat erwähnt diese Literatur schon in seiner Entscheidung vom 28.9.200012 und
macht nur eine Ausnahme für das schuldhafte Handeln von Notaren.
Dies ist schon angesichts der obigen Zitate sehr fragwürdig. Eindeutig ausgeschlossen ist es
aber, dies danach auf Banken zu übertragen und die fehlende Kenntnis von der Nichtigkeit der
Verträge und von dem Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz nicht einmal als fahrlässig
einzustufen, wie es der BGH tut. Das ergibt sich zwingend aus Folgendem.
Zum einen enthielt die einschlägige Fachliteratur zu dieser Zeit bereits seit langem diese
Bedenken. Zum anderen sind ausgerechnet die Verfasser des Titels „Kauf vom Bauträger und
Bauherrenmodelle“, aus dem die obigen Zitate stammen, Banker. Dr. Friedrich Brych, ist,
beziehungsweise war Justiziar der Bayerischen Landesbausparkasse und Hans Manhart sogar
stellvertretender Direktor der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, also genau der
Rechtsvorgängerin einer der am meisten betroffenen Bank in diesen Zusammenhängen.
Es kann also überhaupt nicht die Rede davon sein, dass die Banken in den neunziger Jahren,
als derartige Vollmachten und Treuhandverträge wieder verwendet wurden, das Problem nicht
kennen oder erkennen konnten. Diese Auffassung bedarf dringend der Revidierung. Die
darauf gründende Rechtsprechung muss dringend geändert werden. Es ist vollkommen
offensichtlich, dass der BGH von falschen Voraussetzungen ausgeht. Es schadet dem
Vertrauen in die Rechtsprechung, wenn er bei dieser Auffassung bleibt.
III. „Institutionalisierte Zusammenarbeit“:
Die „neue“ Möglichkeit aus dem Urteil des BGH vom 16.05.200613, konkretisiert im Urteil
vom 17.10.200614 hat schon beim XI. Senat selbst Konsequenzen. Er stützt eine mögliche
Schadensersatzpflicht der Badenia-Bausparkasse im dazu ergangenen und Aufsehen
erregenden Urteil vom 20.03.200715 darauf. Dem Verfasser liegen zudem inzwischen mehrere
Zulassungsbeschlüsse, z. B. in Fällen der „Crailsheimer Volksbank“, vor, in denen für die
nunmehrige Zulassung der Revision sich auf diese neuen Grundsätze auch bezogen wird.
Hier gibt es zudem eine erfreuliche Entwicklung bei verschiedenen Gerichten. Diese Gerichte
beziehen sich, was eine vermutete Haftung der beteiligten Banken für evidente Täuschungen
oder Falschangaben durch die Vermittler oder Verkäufer angeht, auf falsche Mietprognosen,
Kaufpreisüberhöhungen und verschwiegene, im Kaufpreis versteckte Innenprovisionen.
Bekannt geworden sind u.a. folgende Urteile und Beschlüsse (Gericht, betroffenes Objekt,
stichwortartige Begründung):16
- OLG Nürnberg vom 29.12.2006 -12 U 104/05-,
Objekt Fürth, Lange Str., HypoVereinsbank:
Rückabwicklung wegen Verletzung der Aufklärungspflicht, indem die Bank nicht über die
evident unrichtigen Angaben des Vermittlers zur erzielbaren Miete aufgeklärt hat.
- DM 630,00 in Beispielsrechnung und Selbstauskunft, dagegen nur ca. DM 430,00 laut
Mietspiegel der Stadt Fürth aus dem Kaufjahr erzielbar,
12
Sh. Fußnote 8
BGH WM 2006, 1194, 1200
14
BGH WM 2007, 114, 115)
15
BGH WM 2007, 876 ff.
16
Für die Zurverfügungstellung der Dokumente danke ich den RA-Kollegen Kratzer (Nürnberg), Dr. Fuellmich
(Göttingen) und Seelig (Heidelberg).
13
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Evident, weil der Bank zumindest die Selbstauskunft vorlag,
Institutionalisierte Zusammenarbeit (IZ), weil Filiale Kaufbeuren nicht nur
Finanzierungen für den Verkäufer, bzw. den Vertrieb übernommen hatte und der
Vertrieb die Selbstauskunftsformulare besaß,
Zur Widerlegung hinsichtlich Miete war von der Bank nichts vorgetragen.
- OLG Nürnberg vom 30,03,07 -12 U 2164/05Objekt Duisburg, HypoVereinsbank
Rückabwicklung wegen Verletzung der Aufklärungspflicht, indem die Bank nicht über
die Unangemessenheit des Kaufpreises, der nach Gutachten wegen Überhöhung von
87 % sittenwidrig war (DM 2.750 pro qm zu DM 1.470,00 pro qm),
Die IZ kann dahin stehen, weil nach BGH XI ZR 460/02 „klassischer“
Wissensvorsprung dann angenommen wird, wenn die Diskrepanz zwischen Preis und
tatsächlichem Wert ein besonders grobes Missverhältnis ab knapp 100 % darstellt. Die
Bank muss dann von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers ausgehen, eine
positiv erkannte Überhöhung wird nicht vorausgesetzt (entgegen OLG FfM und OLG
M).
- LG Frankfurt am Main, -2-2 O 292/04Objekt in Mannheim Neckarau, Steubenstr., 76-78, Dresdner Bank (Aquisa
GmbH, Süba, RT Regula Treuhand)
Rückabwicklung unter Anrechnung der Mieteinnahmen und Übereignung der
Wohnung wegen vermuteter Verletzung der Aufklärungspflicht, indem die Bank nicht
über die Falschangaben des Vermittlers zu den erzielbarem Mieten aufgeklärt hat.
Im Berechnungsbeispiel waren DM 458,00 Mieteinnahmen angegeben. Erzielbar
waren aber nur DM 350,00, weil der Vermittler die Lebensversicherungsbeiträge
vergessen hatte, sowie bei der Berechnung der monatlichen Zinsen das Disagio nicht
berücksichtigt worden ist.
IZ weil die Aquisa als Vermittlerin die Formulare der Bank hatte und Dresdner Bank
mindestens 14 weitere Appartements aus dem Objekt finanziert hatte. Die Evidenz
folge aus der Unrichtigkeit der Angaben im Berechnungsbeispiel selber.
- LG Hanau -7 O 806/06 vom 29.03.07
Objekt in Lüneburg, HypoVereinsbank (Vollmachtsfall mit SSB, Köln)
Rückabwicklung aus Schadensersatz wegen zwischen Hypo und SSB bestehender
Finanzierungsvermittlungsvereinbarung („Globalvertrag“), nach die SSB der Hypo die
Käufer als Darlehensnehmer vermittelt.
Dadurch besteht eine Institutionelle Zusammenarbeit und eine wechselseitige Pflege
jeweils eigener wirtschaftlicher Interessen. Die SSB vertrat als TH somit nicht die
Interessen ihres Treugebers, sondern die der Bank und eigene.
- LG Stuttgart vom 23.01.07 -12 O 693/04LBBW, Objekt Bad Kreuznach, Betreutes Wohnen Salinenstr./Cecilienhöhe,
(KT, Real Treuhand)
Rückabwicklung wegen Schadensersatz aus c.i.c. gem. BGH-Urteil vom 16.05.06
wegen Täuschung des Vermittlers über erzielbarer Miete:
- im Berechnungsbeispiel waren Mieten von gut DM 20,00 pro qm angegeben.
Durch den Sachverständigen wurden aber nur DM 8,50 pro qm festgestellt.
- dadurch bedingter Vorsatz
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- dies war angesichts des Unterschiedes evident und konnte von der Bank nicht
übersehen werden. Bank hat Prospekt prüfen lassen
- IZ, da Objekt im Paket mit der Finanzierung vom Verkäufer angeboten wurde.
LBBW überließ gesamte Vertragsanbahnung dem Vermittler. Die Bank hat fast
alle Wohnungen finanziert.
Ferner existieren diverse Hinweisbeschlüsse, wonach die Bank über versteckte
Innenprovisionen von meist 18,4 % aufklären muss, die neben einer Außenprovision von 3
% vom Käufer zu zahlen war.
Hier gibt es nach der Rechtsprechung des III. BGH-Senats eine originäre Aufklärungspflicht
für den Vermittler ab einer Provision von 15 % und mehr, bzw. unabhängig von dieser Grenze
bei Innenprovisionen, die zusätzlich zu offen ausgewiesenen Außenprovisionen genommenen
wurden17. Eine originäre Aufklärungspflicht der Banken gibt es aber nach der Rechtsprechung
des XI. Senats nur, wenn die Innenprovisionen den Kaufpreis über die
Sittenwidrigkeitsgrenze hinaus aufblähen. Wenn aber der Vermittler nun seiner oben wieder
gegebenen Pflicht nicht nachkommt18, trifft das die Banken indirekt, weil ihre Haftung bei
Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der Institutionelle Zusammenarbeit nunmehr in
Bezug auf die Versäumnisse der Vermittler oder der Verkäufer vermutet wird. Beweis- oder
Hinweisbeschlüsse liegen u. a. dazu vor von19:
-
OLG Oldenburg vom 23.04.07 -6 U 167/06- zum Objekt Oldenburg, Hans
Fleischer Str. (HypoVereinsbank):
"Die CBS GmbH hat unstreitig auch die Finanzierung vermittelt. Der Senat geht nach
Aktenlage davon aus, dass hier auch ein institutionalisiertes Zusammenwirken der Beklagten
mit der CBS vorlag und der Beklagten bekannt war, dass hier eine (verdeckte)
Innenprovision von 18,4% zu zahlen war. Darüber hinaus dürfte der Beklagten bekannt
gewesen sein, dass die CBS GmbH nach außen nur eine Provision von rund 3% verlangt hat,
obwohl sonst üblicherweise 6% verlangt werden. Streitig ist, ob der Vermittler gegenüber
den Klägern damit geworben hat, dass hier nur eine vermeintlich besonders günstige
Provision von 3% zu zahlen sei.
Der Senat verkennt nicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über eine
versteckte Innenprovision grundsätzlich nicht aufgeklärt werden muss (...). Etwas anders
könnte sich der Fall darstellen, wenn der Vermittler nicht nur über die (verdeckte)
Innenprovision nicht aufgeklärt, sondern darüber hinaus durch das Werben mit einer
vermeintlich günstigen Provision im Ergebnis falsche Angaben über die tatsächliche
Provisionshöhe macht und den Anleger dadurch arglistig täuscht. Eine solche
Vorgehensweise des Vermittlers musste sich der Beklagten möglicherweise aufdrängen, wenn
ihr sowohl die verdeckte Innenprovision von 18,4% als auch die vermeintlich günstige
Außenprovision von 3% bekannt waren. Für diesen Fall könnte die Beklagte verpflichtet
gewesen sein, über die tatsächliche Provisionshöhe aufzuklären."
- Landgericht Berlin vom 22.11.06 -4 O 546/05 (Deutsche Bank):
„Die Kläger haben in der Klageschrift behauptet, dass im kalkulierten Gesamtaufwand eine
Innenprovision von 18,24% bzw. 16% zuzüglich Mehrwertsteuer (18,56%), bezogen auf den
17
So zuletzt in BGH WM 2007, 873
III ZR 6/04, NJW 2006, 2099
19
Die Zitate stellen jeweils Ausschnitte dar.
18
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Gesamtaufwand, enthalten sei und dass die Beklagte davon gewusst habe. Das Bestreiten der
Beklagten ist unsubstanziiert geworden, nachdem der Mitarbeiter Eppler der Filiale AlbstadtEbingen der Beklagten bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht Schweinfurt am 25.
Oktober 2006 (Anlage K 45, Blatt 16) Folgendes ausgesagt hat:
"Wir wussten damals, dass Innenprovisionen gezahlt werden. Auf Vorhalt der Zahlung von
Innenprovisionen von 18,24% auf den Gesamtaufwand bzw. ca. 30% auf die reinen
Objektkosten durch das Gericht: Die Höhe dieser Zahlungen kann ich nicht bestätigen. Ich
halte diese aber nach den damaligen Erfahrungen für realistisch. Derartige Innenprovisionen
waren damals üblich, das wusste jeder."
Substanz erhielte das Bestreiten der Beklagten nur, wenn sie schlüssig vortragen könnte, dass
die Aussage - entgegen der Angabe auf Seite 3 des Schriftsatzes der Klägervertreter vom
14.November 2006 - nicht das streitgegenständliche Objekt in Mülheim betraf oder dass der
Zeuge falsch ausgesagt hat.
Auf die Innenprovision hätten die Kläger vor Vertragsschluss vom Treuhänder hingewiesen
werden müssen. Beim prospektgestützten Immobilienvertrieb muss der Anleger jedenfalls
dann unterrichtet werden, wenn die Innenprovision 15% überschreitet (BGH, Urteil vom 28.
Juli 2005 - III ZR 290104, WW 2005, 1998). Die Unterrichtung im Prospekt war ungenügend.
Auf Seite 11 des Prospekts wird zwar der Gesamtaufwand näher aufgeschlüsselt, in dem es u.
a. heißt:
"Grundstückskaufpreis 12,00%, Bau- u. Baunebenkosten inkl. Objektaufbereitung und
Marketing 62,17%"
Die Höhe der Bau- und Baunebenkosten einerseits sowie der Kosten für "Objektaufbereitung"
und "Marketing" andererseits war aber nicht weiter aufgeschlüsselt. Mit einer Innenprovision
an den Strukturvertrieb Spectrum der Gebrüder Schaul (Klageschrift, Seite 23) in der
genannten Größenordnung mussten die Kläger auf Grund der Prospektangaben deshalb nicht
rechnen.
Auch die Beklagte selbst war den Klägern nach Maßgabe des Urteils des Bundesgerichtshofs
vom 16. Mai 2006 (XI ZR 6/04 - NJW 2006, 2099) zur Aufklärung über die Innenprovision
verpflichtet.
Den Klägern ist die Innenprovision vom Treuhänder arglistig verschwiegen worden, während
die Beklagte, die mit dem Treuhänder im Rahmen des Vertriebs der Wohnungen arbeitsteilig
und planmäßig zusammenarbeitete, davon wusste.
Die Innenprovision ist nicht bloß fahrlässig verschwiegen worden, sondern erkennbar (§ 286
ZPO) in der Absicht, den Klägern einen für ihre Anlageentscheidung wesentlichen Umstand
vorzuenthalten. Im Prospekt sind diverse Kostenpositionen offen ausgewiesen, die den
Gesamtaufwand viel weniger erhöhen als die Innenprovision. Der reine Sachwertanteil am
schließlich abgerechneten Gesamtaufwand von rund 135.000 DM betrug nur rund 89.000
DM (Anlage K 14).
Zwischen der Beklagten und dem Treuhänder bestand im Rahmen des Vertriebs von
Eigentumswohnungen des streitgegenständlichen Objekts eine institutionalisierte
Zusammenarbeit. Die Vermittler haben der Beklagten nicht nur "wiederholt Finanzierungen
von Eigentumswohnungen desselben Objekts vermittelt" (vgl. BGH, NJW 2006, 2099, Rdnr.
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53), sondern sogar ,,alle Finanzierungen" (Klageschrift, Seite 18). Die Behauptung auf Seite
13 der Klagewiderung, es seien ,,nicht alle" Erwerber von der Beklagten finanziert worden,
ist substanzlos und daher unbeachtlich. Die Beklagte teilt nicht mit, wie viele Erwerber sie
finanziert hat. Geht man von einer planmäßigen Zusammenarbeit von Treuhänder und
Beklagten im Rahmen des Vertriebs aus, erklärt sich auch zwanglos der Umstand, dass die
Finanzierung von Wohnungskäufen in einem Objekt in Mülheim durch Erwerber in Berlin
über die Filiale der Beklagten in Albstadt-Ebingen erfolgte.
Die Beklagte hatte auch Kenntnis davon, dass die Innenprovision gezahlt wurde und dieser
Umstand den Klägern bei der Vertragsanbahnung verschwiegen wurde. Auf die vorstehend
zitierte Aussage des Zeugen Eppler wird verwiesen. Nach Aussage des Zeugen Scheck,
ebenfalls Mitarbeiter der Beklagten, vor dem Landgericht Schweinfurt (Anlage K 45, Blatt 4)
lag der Prospekt des Objekts im Hause der Beklagten vor. Einer Vernehmung der Zeugen im
hiesigen Verfahren bedarf es nicht, solange nicht die Beklagte schlüssig darlegt, dass die
Aussagen ein anderes Objekt betreffen oder inhaltlich unwahr sind.
Auf die Frage, ob die dem Treuhänder erteilte Vollmacht nichtig war oder ob der Treuhänder
die Vollmacht missbraucht hat, kommt es nach alledem nicht an.“
Bremen im Mai 2007
gez. Eberhard Ahr, RA
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