Immobilienkaufrecht - schmidt

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Immobilienkaufrecht - schmidt
Universitätsrepetitorium der
HUMBOLDT UNIVERSITÄT ZU BERLIN
Vorlesung Immobilienrecht,
Immobilienkaufrecht
7. März 2016
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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A. Beurkundung
I. Beurkundungspflicht
1. Verpflichtung zur Veräußerung oder zum Erwerb von
Grundstücken
a)
Veräußerung
oder
Erwerb
eines
Grundstücks
oder
grundstücksgleichen Rechts, nicht von Rechte an Grundstücken
oder grundstücksgleichen Rechten, Ausnahme Erbbaurecht, §
11 ErbbauRG,
b)
rechtsgeschäftliche, keine gesetzliche Verpflichtung
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 18. 12. 1981 - V ZR 233/80, BGHZ 82, 398
Die Firma H-Bau ist mit dem Vertrieb von Fertighäusern befasst. In
einer privatschriftlichen Vereinbarung mit A verpflichtet sich diese, eine
Baufläche keiner anderen Firma oder Person anzubieten. Dafür
verpflichtete sich die Firma H-Bau für die Baufläche 9 Käufer bis zum
1. Juni zu finden. Die Firma H Bau verpflichtet sich, an A auf den
vorgesehenen Verkaufspreis von 45 € je Quadratmeter für die am 1.
Juni eventuell nicht verkaufte Teilflächen eine Konventionalstrafe in
Höhe von 2,5 % pro Monat bis zum Verkauf zu zahlen. Die H-Bau wies
der A Käufer erst im November nach, die mit der
A notariell
beurkundete
Kaufverträge
abschlossen.
A
verlangt
die
Konventionalstrafe. Zu Recht? BGH: Vertrag wirksam, aber § 341 Abs.
3 BGB neu zu prüfen.
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 9. 1. 2003 - IX ZR 422/99, DNotZ 2003, 426
Der Kläger schloss mit B privatschriftlich einen Pachtvertrag über
landwirtschaftliche
Grundstücke
für
12
Jahre
und
eine
Zusatzvereinbarung. Der Pachtvertrag sollte jedoch vorzeitig enden,
falls die Grundstücke veräußert wurden. Für diesen Fall wurde dem
Kläger in der Zusatzvereinbarung ein dingliches Vorkaufsrecht
eingeräumt. Bis zur Eintragung im Grundbuch - zu der es nicht
gekommen ist - sollte es als schuldrechtliches behandelt werden. B will
die Grundstücke verkaufen. An einer Vorbesprechung im Büro des
Urkundsnotars nahm mit Rücksicht auf das Vorkaufsrecht neben den
späteren Kaufvertragsparteien auch der Vater des Klägers als dessen
Vertreter teil.
Alle Beteiligten gingen von dem Bestand des
Vorkaufsrechts aus. Nach dem Verkauf der Grundstücke akzeptierten
die Käufer das Vorkaufsrecht nicht. Der Kläger verlangt Schadensersatz
von dem Urkundsnotar. Zu Recht? BGH: ja
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BGH, Urt. v. 18. 11. 1993 - IX ZR 256/92, NJW-RR 1994, 317
Die Klägerin pachtete eine etwa 1.800 qm große Teilfläche eines
großen Grundstücks und errichtete darauf ein Haus. Ihr und den
Pächtern der übrigen Teilflächen dieses Grundstücks war ein
Vorkaufsrecht für den jeweils von ihnen genutzten Grundstücksteil
eingeräumt. Nach dem Tode der Verpächterin kündigten deren Erben
die Pachtverträge. Der Beklagte sollte sich für die Pächter um die
Erhaltung der Grundstücke kümmern und vereinbarte mit den
Pächtern, das Gesamtgrundstück selbst als Treuhänder zu erwerben
und anschließend einen Treuhandvertrag mit erwerbsinteressierten und
finanzierungsbereiten Pächtern abzuschließen. Der Beklagte erwarb
das Grundstück zu einem Kaufpreis von 480.000 €. Die Klägerin zahlte
für die von ihr zu erwerbende Teilfläche an den Beklagten einen Betrag
von 180.000 €. Es kam zum Streit. Der Beklagte will jetzt keinen
Vertrag abschließen. Zu Recht? BGH: nein
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2. Umfang der Beurkundungspflicht
a) Veräußerungs- und Erwerbsverpflichtung
b) Alle sonstigen Vereinbarungen, Grenze § 139 BGB
BGH, Urt. v. 22. 9. 1992 - III ZR 100/91, NJW-RR 1993, 14
c) Maßgeblichkeit des Parteiwillens (Krüger, ZfIR 2007, 175)
d) Änderungen auch formbedürftig, Ausnahme:
aa)
Änderung
ohne
Erweiterung
Veräußerungspflicht
der
Erwerbs-
oder
Verlängerung der Frist für ein vertragliches Rücktrittsrecht
(BGH, Urt. v. 5. 5. 1976 - IV ZR 63/75, BGHZ 66, 270),
(c) Johanna Schmidt-Räntsch,
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bb) Behebung von Abwicklungsschwierigkeiten
nachträgliche Vereinbarung eines Termins für den
Baubeginn und Einräumung eines Rücktrittsrecht für dessen
Versäumung (BGH, Urt. v. 5. 4. 2001 - VII ZR 119/99, MDR
2001, 800)
cc) Änderung nach Auflassung, aber vor Eintragung
e) Aufhebung vor Eintragung
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BGH, Urt. v. 5. 3. 2010 - V ZR 60/09, ZfIR 2010, 587:
Die Bank der Kläger sann auf Zwangsvollstreckung in deren
Villengrundstück in München. Sie stellt ihnen das Absehen von dieser
in Aussicht, wenn sie 1, 2 Mio. € zahlten. Die Kläger sahen sich nach
einem Käufer um und fanden ihn in Gestalt der Beklagten, mit denen
sie schon früher Geschäfte gemacht hatten. Sie verkauften den
Beklagten mit notariellem Kaufvertrag ihr Villengrundstück für 1,2 Mio.
€. Mit privatschriftlich am selben Tag geschlossener "Vereinbarung
über die Modalitäten zur Vermietung und zum Verkauf" verpflichteten
sich die Beklagten gegenüber den Klägern unter anderem, das
Grundstück bis zum 1. September 2007 zum "maximal erzielbaren
Preis“ weiter zu verkaufen. Die Kläger fanden einen Käufer; die
Beklagten wollten aber nicht (mehr) verkaufen. Die Kläger verlangen
von den Beklagten Zustimmung zum Verkauf. Zu Recht?
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BGH, Urt. v. 30. 6. 2006 - V ZR 148/05, NJW-RR 2006, 1292
Der Kläger verkaufte der Beklagten, einer Maklerin, ein mit einem
Wochenendhaus bebautes Grundstück unter folgender Bedingung: "Der
Verkauf wird unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass
der Verkäufer über seine Grundstücke
a) …. b) …. wirksame
Kaufverträge abgeschlossen hat. Der Verkäufer verpflichtet sich, mit
Hilfe des Käufers seine beiden oben genannten Hausgrundstücke zu
den bekannten Bedingungen zu verkaufen….". Er räumte der Beklagten
ferner ein Wohnungsrecht an dem Wochenendhaus ein und gestattete
ihr, notwendige Sanierungsarbeiten daran vorzunehmen. Nach der
Inbesitznahme des Grundstücks durch die Beklagte kam es zwischen
den Parteien zu Unstimmigkeiten. Der Kläger verlangt von der
Beklagten die Herausgabe des Grundstücks und die Erteilung einer
Löschungsbewilligung für das zwischenzeitlich in das Grundbuch
eingetragene Wohnungsrecht. Zu Recht?
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3. Bindungsfrist für Vertragsangebot in AGB
BGH, Urt. v. 11. 6. 2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873
Am 4. 5. 2004 gab der Kläger gegenüber der Beklagten ein von dieser
vorbereitetes
notariell
beurkundetes
Angebot
zum
Kauf
einer
Eigentumswohnung ab. Diese sollte bis zum 30. 9. 2004 bindend sein. Mit
notarieller Urkunde vom 22. 6. 2004 nahm die Beklagte das Angebot
formgerecht an. Nach vollständiger Abwicklung des Kaufvertrags erklärte der
Kläger am 12. 10. 2006 die Anfechtung des Kaufvertrages und stützte diese
u.a. auf von der Beklagten angeblich arglistig verschwiegene Mängel. Davon
abgesehen ist es nach Auffassung des Klägers schon nicht zu einem
Vertragsschluss gekommen. Die in dem Angebot enthaltene Annahmefrist sei
als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren und als solche wegen zu
langer Bindungsfrist unwirksam. Zu Recht? Wie wäre es, wenn das Angebot nur
vier Wochen gültig sein, danach aber nicht erlöschen, sondern jederzeit
widerruflich sein sollte? Dazu: BGH, Urt. v. 7.6.2013 - V ZR 10/12, NJW 2013,
3434.
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Die Kläger machten Bauträger B am 29. 9. 2006 ein notarielles Angebot zum
Kauf einer Doppelhaushälfte. Dabei handelte es sich um eine von insgesamt 24
herzustellenden Wohneinheiten, welche B an die BImA als Soldatenwohnungen
vermietet hatte. Nach dem Kaufvertrag sollte der Käufer in die Mietverhältnisse
des Verkäufers mit der BImA eintreten. Ferner optierten sie darin zur
Umsatzsteuer, um eine Umsatzrückvergütung zu erlangen, die zur Finanzierung
eingesetzt werden sollte. Das Angebot sollte 3 Monate bindend sein und danach
jederzeit widerruflich fortbestehen. Ferner heißt es:
5. Das Angebot kann vom Verkäufer erst angenommen werden, wenn der Käufer dem Verkäufer schriftlich
mitteilt, dass die Finanzierung zu für ihn zu akzeptablen Bedingung(en) gesichert ist. Der Käufer
verpflichtet sich, sich innerhalb von zwei Monaten ab heute hinsichtlich seiner Finanzierung zu erklären.
Dem Grundbuchamt gegenüber ist der Eintritt dieser Bedingung nicht nachzuweisen.“
B nahm das Angebot am 10.11.2006, sechs Wochen nach Abgabe des
Angebots. Das Angebot der Kläger für einen Darlehensvertrag vom 9.11.2006
nahm die finanzierenden Bank 13.11.2006 an. Die Kläger verlangen von B
bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des Kaufvertrags. Zu Recht?
Dazu demnächst: BGH, Urt. v. 26. 2. 2016 – V ZR 208/14, z. Veröff. bBest.
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II. Beurkundungsverfahren
- Sachaufklärung
- § 17 Abs. 2a BeurkG
(2a) Der Notar soll das Beurkundungsverfahren so gestalten, dass die Einhaltung der Pflichten nach den
Absätzen 1 und 2 gewährleistet ist. Bei Verbraucherverträgen soll der Notar darauf hinwirken, dass
1. die rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Verbrauchers von diesem persönlich oder durch eine
Vertrauensperson vor dem Notar abgegeben werden und
2. der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung
auseinanderzusetzen; bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach § 311b Absatz 1
Satz 1 und Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unterliegen, soll dem Verbraucher der beabsichtigte
Text des Rechtsgeschäfts vom beurkundenden Notar oder einem Notar, mit dem sich der
beurkundende Notar zur gemeinsamen Berufsausübung verbunden hat, zur Verfügung gestellt werden.
Dies soll im Regelfall zwei Wochen vor der Beurkundung erfolgen. Wird diese Frist unterschritten,
sollen die Gründe hierfür in der Niederschrift angegeben werden.
Weitere Amtspflichten des Notars bleiben unberührt.
- Verlesen
- Änderung des Entwurfs
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BGH, Urt. 7. 2. 2013 – III ZR 121/12, BGHZ 196, 166
Die Kläger kauften von einer Immobilienfirma eine vermietete
Eigentumswohnung, die die Verkäuferin erst kurz zuvor erworben
hatte, und als deren Eigentümerin sie noch nicht eingetragen war. In
der Vertragsurkunde hieß es eingangs, die Käufer seien Verbraucher,
die Wartefrist nach § 17 Abs. 2a BeurkG noch nicht verstrichen.
Belehrt bestünden die Käufer auf Beurkundung. Der Vertrag wurde
beurkundet, aber wegen Streits der Parteien gegen Zahlung einer
Abstandssumme durch die Käufer einvernehmlich aufgelöst. Die
Kostenrechnung des Notars wurde wegen Verstoßes gegen § 17 Abs.
2a BeurkG aufgehoben. Die Kläger verlangen von dem Notar Ersatz der
Abstandssumme sowie Ersatz ihrer Rechtsanwaltskosten für die
außergerichtliche Vertretung gegenüber dem Verkäufer in Höhe von
weitern 5.000 €. Muss der Notar diese Beträge ersetzen? BGH: ja
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BGH, Urt. 19. 12.2014 – V ZR 194/13, WM 2015, 528
Die Klägerin suchte am 4. Mai 2007 die Geschäftsräume der Firma S
auf. Deren Mitarbeiter empfahl ihr den Kauf einer Eigentumswohnung
der – nicht namentlich genannten - beklagten Immobilienhändlerin in
Chemnitz zum Preis von 102.509 €. Es gibt eine handschriftliche
Berechnung der Kosten des Erwerbs der Wohnung. Am selben Tag
unterzeichnete die Klägerin ein notarielles Kaufangebot, das die
Beklagte zu 1 in der Folgezeit annahm. Finanziert wurde der Kauf
durch zwei Darlehensverträge mit gestaffelten Laufzeiten. Die Klägerin
verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Sie meint, mit der
Beklagten sei neben dem Kaufvertrag ein Beratungsvertrag zustande
gekommen, den diese (durch die Firma S) schlecht erfüllt habe, weil
sie sie überrumpelt habe.
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III. Folgen von Verstößen gegen die Beurkundungspflicht
§§ 125, 311b Abs. 1 Satz 2 BGB
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BGH, Urt. 8. 10. 2004 - V ZR 178/03, BGHZ 160, 368
Der
Beklagte
wollte
von
dem
Kläger
dessen
großes
Industriegrundstück kaufen und darauf unter Niederlegung der
vorhandenen Bebauung eines neues Gebäude errichten. Der Kläger
unterbreitete ihm Beklagten ein notariell beurkundetes Kaufangebot
Preis von 2,3 Mio. €, das bis zum 30. September 2005 befristet war.
Die Annahmefrist wurden zweimal, zuletzt bis zum 31. Dezember
2008, durch notariell beurkundete Erklärungen verlängert. Dazu kam
es, weil sich der Beklagte in zwei privatschriftlichen Verträgen
verpflichtet hatte, für die Verlängerung jeweils 30.000 € zu zahlen, die
auf den späteren Kaufpreis verrechnet werden sollten. Der Beklagte
nahm das Angebot nicht an, sondern vermittelte dem Kläger, was er
nach dem Angebot durfte, einen Dritten, der das Angebot annahm. Der
Kläger
verlangt
von
dem
Beklagten
die
Zahlung
der
Verlängerungs“gebühr“. Zu Recht? BGH: nein
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IV. Beurkundung durch vollmachtlosen Vertreter
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BGH, Urt. 9. 11. 2012 - V ZR 182/11, NJW 2013, 928
Die Beklagte wollte als Komplementärin einer Investorin von dem
Kläger Grundstücke für 75 Mio. € kaufen, auf denen sie
Truppenunterkünfte
errichten
lassen
wollte.
Nach
längeren
Verhandlungen, die der Geschäftsführer der Beklagten führte, stand
der Vertragstext. Danach stand der Vertrag aber unter anderem "unter
der aufschiebenden Bedingung [stehen sollte], dass die vom Käufer
hinsichtlich des Kaufgegenstands durchgeführte sog. due-diligencePrüfung und Bewertung zufrieden stellend verläuft". Bei der
Beurkundung des Kaufvertrags war die Projektgesellschaft durch einen
Vertreter ohne Vertretungsmacht vertreten. Der Vertrag wurde nicht
genehmigt. Der Kläger zahlte die Notarkosten von 60.637,84 €, erhielt
von der Beklagten die Hälfte davon ersetzt und verlangt von dieser
nunmehr auch die andere Hälfte ersetzt. BGH: nein
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B. Inhaltliche Wirksamkeitsdefizite
I. Sittenwidrigkeit
1. Wucherische Preise
Literatur: Schmidt-Räntsch, Sittenwidrige Grundstücksgeschäfte,
ZfIR 2015, 169
a) Verhältnis von § 138 Abs. 1 zu § 138 Abs. 2 BGB
BGH, Urteil vom 25. 2. 2011 – V ZR 208/09, NJW-RR 2011, 880
BGH, Beschluss vom 6. 12. 2012 – V ZR 34/12, GuT 2012, 487
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BGH, Urteil vom 25. 2. 2011 – V ZR 208/09, NJW-RR 2011, 880
E teilte 1995 sein bebautes Grundstück in zwei Eigentumswohnungen auf und
verkaufte dem I am gleichen Tag die Wohnung im Dachgeschoss für 80.000 DM
und übereignete sie ihm. Die Kosten der Dacherneuerung sollten hälftig geteilt
werden. Von dem Kaufpreis sollten 45.000 DM nach Eintragung der
Eigentumsvormerkung, der Restbetrag von 35.000 DM nach ganzer oder
teilweiser Fertigstellung der Erneuerungsmaßnahmen am Dach zu zahlen. Der
Beklagte zahlte an den Kläger 45.000 DM; eine Erneuerung des Daches und der
Heizung wurde nie in Angriff genommen. 1996 verkaufte E dem I auch die
andere Wohnung für 153.000 DM. 2005 verlangt E von I die Rückübereignung
der Wohnungen Zug um Zug gegen Rückzahlung der Kaufpreise. Das LG gab
der Klage in vollem Umfang statt. Das OLG sprach dem Kläger einen Anspruch
auf Herausgabe der erstverkauften Wohnung und auf Berichtigung des
Grundbuchs
insoweit
zu.
Der
BGH
sprach
ihm
insoweit
eine
Rückübereignungsanspruch zu. Warum?
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Lösung
Grundbuchberichtigung, Herausgabe?
1. Grundlagen §§ 894, 985 BGB
2. Nichtigkeit des Vertrags nach § 138 Abs. 2 BGB
OLG meint ja, weil auffälliges Missverhältnis und Vermutung für
subjektiven Tatbestand
BGH: Vermutung für Ausnutzungsabsicht gibt es nicht
Anspruch aus Bereicherung?
BGH ja, weil Vertrag nichtig nach § 138 Abs. 1 BGB
1. Auffälliges Missverhältnis
2. Vermutung für verwerfliche Gesinnung
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Niemand erbringt außergewöhnliche Leistungen ohne Not und nicht
ohne einen anderen den benachteiligenden hemmenden Umstand
und der Begünstigt teilt diese Erfahrung
____________
b) Wucherähnliches Geschäft
aa) Auffälliges Missverhältnis
(1) Zeitpunkt: Abschluss, Änderung?
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BGH, Urt. v. 19. 1. 2001 - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298
Die Beklagten kauften von der Mutter der Klägerin, die, wie sie
wussten an Krebs erkrankt war und einen Schlaganfall erlitten hatte,
drei zusammen 3.000 m² große Grundstück. Als Gegenleistung
vereinbarten sie mit dieser eine Zahlung von 50.000 €, eine
lebenslange, sich den Kaufkraftschwund anpassende, durch Reallast
gesicherte monatliche Rente in Höhe von 700 € und ein lebenslanges
dingliches Wohnungsrecht im ersten Obergeschoß des auf einem der
Grundstücke stehenden Hauses. Die Mutter der Klägerin hatte bis auf
den Stromkosten die Nebenkosten der Wohnung zu tragen. Nach dem
Tod ihrer Mutter verlangt die Klägerin als Alleinerbin ihrer Mutter
Rückauflassung der Grundstücke Zug um Zug gegen Erstattung der
Gegenleistung. Sie hält den Vertrag für nichtig. Im Prozess ergeben
sich folgende Werte: Grundstücke 430.000 €, Rentenpflicht 33.000 €
und Wohnungsrecht 18.000 €. Hat die Klage Erfolg? BGH: ja
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 10. 2. 2012 - V ZR 51/11, NJW 2012, 1570
Mit notariellem Vertrag vom 3. Juli 2004 verkaufte die Beklagte der
Schuldnerin eine vermietete Eigentumswohnung zum Preis von 54.000
€, die nur 25.000 € wert ist. Die Klägerin hat von der Beklagten die
Rückzahlung des Kaufpreises von 54.000 € verlangt. Im Prozess stellt
sich heraus, dass tatsächlich nur 43.000 € gezahlt wurden. Der
Kaufpreis war unmittelbar nach dem Notartermin mündlich auf diesen
Betrag reduziert, weil die Schuldnerin nicht zuvor - wie verabredet die Wohnung vor Ort hatte besichtigen können. Im August 2004 wurde
die Schuldnerin in das Grundbuch eingetragen. Das Landgericht hat
nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz
hat die Klägerin Rückzahlung der von der Schuldnerin tatsächlich
gezahlten 43.000 € verlangt. Das Oberlandesgericht hat der Klage in
diesem Umfang stattgeben. War das richtig? BGH: Ja.
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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(2) Darlegungslast des Benachteiligten
BGH, Urt. v. 9. 10. 2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363 Rn.
19
Umfang der Darlegungslast (Unterschiede zwischen V. und
XI. Zivilsenat, dazu BGH, Urt. v. 19. 12. 2014 – V ZR
194/13, WM 2015, 528
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urteil vom 20. 3. 2014 – V ZR 149/13, ZfIR 2014,
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Mit notariellem Kaufvertrag vom 19. 4. 2007 erwarb der Kläger zum
Zwecke
der
Steuerersparnis
von
der
Beklagten
eine
Eigentumswohnung für 154.100 €. Der Wohnungserwerb war durch
eine von der Beklagten mit der Kundenakquisition betraute
Wirtschaftsberatungsgesellschaft vermittelt worden, die hierfür der
Beklagten vereinbarungsgemäß eine Provision von 48.827,61 € in
Rechnung stellte. Der Kläger behauptet unter Antritt von
Sachverständigenbeweis, die Wohnung sei weniger als die Hälfte wert
gewesen. Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und weiteren
Schadensersatz gerichtete Klage ist vor dem Landgericht erfolgreich
gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die
Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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aa) Verwerflichkeitsmoment
(1) Verwerflichkeitsvermutung
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BGH, Urt. v. 8. 11. 1991 - V ZR 260/90, NJW 1992, 899
Die Kläger kauften von den Beklagten zwei je 72 m² große und gleich
gebaute Eigentumswohnungen, die eine für 25.000 € die andere für
55.000 €. Nach dem Kaufvertrag sind an den Wohnungen seien
erhebliche Reparaturen durchzuführen. Ein Jahr vor dem Verkauf hatte
ein Makler den Beklagten vorgeschlagen, die Wohnungen für je 50.000
€ zum Verkauf anbieten, wovon die Beklagten je 21.000 € erhalten
sollten. Für den Verkauf schalteten sie einen anderen Makler ein, der
ihnen die gleichen Bedingungen vorschlug und den Vertrag für sie so
abschloss. Die Kläger fordern von den Beklagten Rückzahlung der
Kaufpreise von zusammen 80.000 € Zug um Zug gegen lastenfreie
Rückauflassung der Wohnungen. Im Prozess stellt sich heraus, dass die
Wohnungen jeweils 15.000 € wert waren. Nicht aufzuklären ist, ob die
Beklagten das gewusst haben. Wie würden Sie entscheiden? BGH:
Zurechnung der Kenntnis des Maklers.
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BGH, Urt. v. 24. 1. 2014 – V ZR 249/12, NJW 2014, 1652: 90%Grenze
Der Kläger bot der Beklagten am 20. 10. 2006 den Ankauf von deren
Eigentumswohnung nebst Tiefgaragenstellplatz für 118.000 € an. Der
Beklagte, der die Wohnung zwei Monate zuvor für 53.000 € erworben
hatte, nahm das Angebot mit notarieller Urkunde vom 14. 11. 2006 an.
Unter Berufung auf eine sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises
nimmt der Kläger den Beklagten auf Rückabwicklung des Vertrages
und auf Schadenersatz in Anspruch. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG zurückgewiesen. Der
BGH hebt die Entscheidung des OLG auf und verweist die Sache an
dieses zurück. Warum?
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Lösung
Ansatz: § 138 Abs. 1, § 812 Abs. 1 BGB
Darlegung der verwerfliche Gesinnung
Nötig, keine hohen Anforderungen: BGH, Urt. v. 9. 10. 2009 – V ZR
178/08, NJW 2010, 363 Rn. 19
Vermutung
Bislang: etwa doppelt so viel
IX. Zivilsenat, Urt. v. 10.12.2013 – XI ZR 508/12, WM 2014, 124 Rn.
24 84% reichen nicht
V. Zivilsenat: 90% reichen
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aa) Verwerflichkeitsmoment
(2) Widerlegung
durch Darlegung
gerechten Preis
des
ehrlichen
Bemühens
um
einen
Positivbeispiel: BGH, Urt. v. 19. 7. 2002 - V ZR 240/01,NJW
2002, 3165
Negativbeispiel: BGH, Urteil vom 12. 7. 2013 – V ZR 4/12,
RNotZ 2014, 132
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 19. 7. 2002 - V ZR 240/01,NJW 2002, 3165
Der Kläger verkaufte mehrere Grundstücke an die Beklagten, und zwar
gegen eine Barzahlung von 70.000 €, eine wertgesicherte Leibrente
von monatlich 500 € und die Einräumung eines alleinigen und
ausschließlichen Wohnungsrecht an der Wohnung im Hauptgebäude.
Der Kläger verlangt von den Beklagten Grundbuchberichtigung Zug um
Zug gegen Rückzahlung der verauslagten Beträge und behauptet
wahrheitsgemäß, die Grundstücke seien tatsächlich 400.000 € wert. Im
Prozess ergibt sich, dass die Beklagten die Grundstücke zunächst
geschenkt bekommen sollten. Zu dem Kaufvertrag war es auf Grund
von deren Weigerung gekommen.
Den Text hatte der
Hausrechtsanwalt des Klägers entworfen und dabei den Nachlasswert
von 250.000 € nach der Erbauseinandersetzung des Klägers nach dem
Tod seine Frau zugrunde gelegt. Hat der Kläger Recht? BGH: nein
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urteil vom 12. 7. 2013 – V ZR 4/12, RNotZ 2014, 132
Im September 2007 bot die Klägerin der Beklagten zu Anlagezwecken
und auf Vermittlung einer Fa. C den Kauf einer Eigentumswohnung für
137.500 € an, die das Angebot im Oktober 2007 annahm. Die Klägerin
macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen einer
Falschberatung durch Mitarbeiter der CP geltend, die sich die Beklagte
zurechnen lassen müsse. Gestützt auf die Behauptung, der
Verkehrswert der Wohnung betrage allenfalls 62.000 €, hält die
Klägerin den Kaufvertrag überdies für unwirksam. Das LG hat der auf
Rückabwicklung des Kaufvertrags und Feststellung der Verpflichtung
zum Ersatz weitere Schäden gerichteten Klage stattgegeben. Das KG
hat sie abgewiesen, weil die Beklagte vor dem verkauf ein allerdings
mit groben Fehlern behaftetes Gutachten eingeholt hatte. Der BGH hat
das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das KG
zurückverwiesen. Warum?
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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Lösung
Beratungsvertrag
Bevollmächtigung (Innen-/Außenvollmacht und Umstände)
BGH: Es reicht, wen der Verkäufer dem Berater Verhandlungen und
Organisation des Abschlusses des Kaufvertrags überlässt.
§§ 138 Abs. 1, § 812 BGB
1. Auffälliges Missverhältnis, Vermutung
2. Widerlegung der Vermutung durch (Gefälligkeits-) Gutachten?
BGH: im Ansatz richtig, aber nur dann wenn sich begünstigter
ernsthaft auf Gutachten verlassen darf, nicht wenn der Begünstigte
vom Fach und das Gutachten grob falsch ist.
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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2. Lange Bindungsdauer
a) Ansatz: Städtebaulicher Vertrag, § 11 BauGB
b) Kontrollmaßstab? § 307 ff BGB oder § 11 BauGB
Bezug zum EU-Recht bei Zugang zu Vergünstigungen, aber nicht bei
der Frage der langen Bindungsdauer (Einzelheiten bei SchmidtRäntsch, ZfIR 2015, 169, 174 f.)
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 29. 11. 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93
Die Beklagten kauften von der klagenden Stadt ein Baugrundstück für
45.000 € zuzüglich 30.000 € anteiliger Erschließungskosten. Der Preis
war subventioniert und sollte die Ansiedlung von Neubürgern in einem
Neubaugebiet fördern. Der Vertrag entspricht einem Mustervertrag,
den das Rechtsamt der Stadt für solche Verkäufe entwickelt hat. Für
den Fall des Weiterverkaufs innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb
verpflichteten sich die Beklagten, der Klägerin den Mehrerlös
abzuführen. Dabei sollte der Bodenanteil maßgeblich sein. Die
Beklagten bebauten ihr Grundstück mit einem Einfamilienhaus und
verkauften es drei Jahre nach Erwerb für 450.000 €, davon 80.000 €
Bodenwert, weiter. Die Klägerin verlangt von den Beklagten die
Abführung des Mehrerlöses für den Bodenwert bei Abzug von 10% der
Differenz für jedes Jahr, in dem die Beklagten Eigentümer waren, also
24.500 €. Was meinen Sie? BGH: das geht
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 13. 10. 2006 - V ZR 33/06, NJW-RR 2007, 962
Die Beklagten kauften von der klagenden Stadt S im Rahmen eines
Förderprogramms (Einheimischenmodell) ein Grundstück zu einem
subventionierten Preis von 140.000 € (Marktpreis: 160.000 €). Sie
verpflichteten sich, der S 20.000 € nachzuzahlen, wenn sie das
Grundstück vor Ablauf von zehn Jahre ab Erwerb ohne Genehmigung
der S an einen Dritten weiterverkauften. Nach Ablauf von 8 Jahren seit
Erwerb verkauften die Beklagten das inzwischen im Preis gefallene
Grundstück €, ohne die Genehmigung der S einzuholen, für 130.000 an
ein Ehepaar mit zwei Kindern weiter, das nach S ziehen wollte. Das
Ehepaar übernahm die Nachzahlungspflicht der Beklagten nicht. Die S
verlangt Zahlung von 20.000 €. Die Beklagten wenden ein, die Klausel
sei unwirksam, das Zahlungsverlangen jedenfalls ermessenfehlerhaft.
Was halten Sie davon? BGH: nichts
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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II. Gesetzesverstoß
Verstoß gegen das Koppelungsverbot
BGH, Urt. v. 22. 11. 1979 - III ZR 186/77, BGHZ 76, 16
Die Klägerin kaufte von der beklagten Gemeinde ein Grundstück in
einem Teil der Gemeinde, für den noch kein Bebauungsplan bestand.
Die beklagte Gemeinde verpflichtete sich in dem Vertrag zur Beplanung
des Gebiets nach bestimmten Bebauungsvorgaben. Dazu kam es nicht,
weil die Genehmigung für die vorgelegten Pläne versagt wurde.
Daraufhin trat die Klägerin von dem Vertrag zurück und verlangt Ersatz
des ihr entstandenen Schadens. Die beklagte Gemeinde meint, sie sei
nicht schadensersatzpflichtig. Was meinen Sie? BGH: Die Gemeinde
hat Recht.
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Beschl. v. 29. 10. 2009 – V ZR 54/09, NJW 2010, 297
Die Klägerin kaufte am 15. Oktober 1996 ein großes Grundstück, das
nicht als Bauland ausgewiesen war, sich dafür aber nach ihrer
Einschätzung eignete. Eine Teilfläche von 2.275 m 2 verkaufte sie mit
notariellem Vertrag vom 16. Oktober 1996 für 361.250 DM an die
beklagte Gemeinde. Beide Parteien waren zum Rücktritt vom Vertrag
berechtigt, wenn bis 31. Oktober 1998 kein bestandskräftiger
Bebauungsplan zustande gekommen war, der das Grundstück als
Bauland auswies. Der Bebauungsplan kam zustande und wurde am 31.
August 1998 durch den Landkreis genehmigt. Am 9. September 1998
hoben die Parteien ihren Vertrag formgerecht wieder auf, wofür die
Klägerin der Beklagten 648.000 € zahlen sollte und auch zahlte. Mit
der im Dezember 2007 erhobenen Klage verlangt die Klägerin die
Zahlung zurück. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Hat
die Klage Erfolg?
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 2. 10. 2015 – V ZR 307/13, ZfIR 2016, 69
B kaufte von der Gemeinde G unter Ausschluss der Sachmängelhaftung
ein Grundstück zum Baulandpreis von 60.000 €. Eine Bauleitplanung
war seinerzeit angedacht, aber nicht verwirklicht. Der Kaufpreis sollte
erst fällig werden, sobald die von der Verkäuferin herzustellenden
bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben
sind. Nach dem Kaufvertrag sollten die G die bauplanerischen
Voraussetzungen für die Bebauung eines näher beschriebenen
„Bauteppichs“ mit Seniorenwohnungen schaffen und B darauf solche
Wohnungen errichten. Die Bauleitplanung wurde nicht geändert, ein
Baugenehmigungsantrag des B im Mai 2011 wegen fehlender
Übereinstimmung mit dem Bebauungsplan zurückgewiesen. Am
30.1.2012 setzt B der G vergebens eine Frist bis zum 2.3.2012 und
trat m 14.3.2012 zurück. Die G änderte daraufhin den Bebauungsplan
und verlangt nun Zahlung des Kaufpreises. Was meinen Sie?
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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III. Arglistige Täuschung
1. Aufklärungspflicht (Nachlesen: Schmidt-Räntsch, ZfIR 2004, 569)
BGH, Urt. v. 12. 4. 2002 - V ZR 302/00, IBR 2002, 383
Die Kläger kauften 1995 von den Beklagten für 950.000 DM ein
Hausgrundstück
unter
Ausschluss
der
Gewährleistung.
Im
Untergeschoss des Wohnhauses befand sich eine Schwimmhalle,
welche die Kläger im Jahr 1994 aus Kostengründen stillgelegt hatten.
Das Schwimmbad wurde über einen Warteraum entwässert, der über
einen Schacht von außen zugänglich war. Von dort drang nach starken
Regenfällen von außen Wasser ein, das abgepumpt werden musste.
Die Ursache und Häufigkeit des Wassereinbruchs sind zwischen den
Parteien streitig. Die Kläger verlangen 30.000 € für die Abdichtung des
Warteraums und des Kellers gegen Feuchtigkeit. Zu Recht? BGH: ja
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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2. Arglist
BGH, Urt. v. 7. 3. 2003 - V ZR 437/01, NJW-RR 2003, 989:
Der Kläger kaufte von dem Beklagten für 150.000 € eine
Eigentumswohnung unter Ausschluss der Gewährleistung
für
Sachmängel. Etwa ein Jahr später kam es in dem Haus zur Bildung von
Rissen im Mauerwerk, die von den Wurzeln eines Baumes herrührten,
die unter dieses und das Nachbarhaus gewachsen waren, dem Boden
Feuchtigkeit entzogen und Erdbewegungen auslösten. Eine ähnliche
Rissbildung war zuvor schon bei einem Nachbarhaus des Beklagten
aufgetreten. Vor dem Verkauf der Wohnung hatte ein Gutachten die
Wurzelbildung unter dem Gebäude festgestellt und den Kläger
unterrichtet. Dieser hatte den Brief aber nicht geöffnet, weil er Unheil
ahnte. Die Kläger verlangen Rückabwicklung des Kaufvertrages und
Ersatz weitergehender Schäden. Was meinen Sie? BGH: ja, für Arglist
reicht billigendes In-Kauf-nehmen
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 5.3.1993 - V ZR 140/91, NJW-RR 1993, 1703, 1704
K kauft von der V ein mit einem Altbau bebautes Grundstück. Das Haus
war vor einigen Jahren mit einer Wärmedämmung versehen worden.
Nach der Fertigstellung hatten sich die Wärmedämmung teilweise
gewölbt. V hatte die Fassade durch eine Fachfirma sanieren lassen.
Seitdem zeigten sich keine Wölbungen mehr. Nach dem Einzug stellt K
bei Umbauarbeiten fest, dass infolge einer unsachgemäßen Abdichtung
Wasser hinter die Fassade gelaufen und diese unbrauchbar geworden
ist. Er verlangt von V Ersatz der Kosten für eine neue
Wärmedämmung; er lässt sich einen Abzug neu für alt anrechnen. Zu
Recht?
Dazu demnächst BGH, Urt. v. 19.2.2016 – V ZR 216/14, z. Veröff.
best.
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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3. Wissenszurechnung
BGH, Urt. v. 2. 2. 1996 - V ZR 239/94, BGHZ 132, 30
Die Klägerin verkaufte dem Beklagten unter Ausschluss der
Gewährleistung für Sachmängel ein Grundstück für 60.000 €. Der
Beklagte wollte darauf eine Anlage zur Basaltwollefertigung errichten.
Im Genehmigungsverfahren stellte sich heraus, dass das Grundstück in
erheblichem Maße durch eine frühere Fabrik auf dem Grundstück
kontaminiert war. Das führte zu zahlreichen, sehr kostspieligen
Auflagen in der Genehmigung. Gegen die Kaufpreisforderung der
Klägerin rechnet der Beklagten mit Schadensersatzansprüche wegen
der Auflagen auf. Ob die Kontaminationen aus dem Betrieb der Fabrik
durch die Klägerin stammen, ist unklar. Die Klägerin hat Unterlagen
über die Kontaminationen. Ihre Mitarbeiter hatte den Beklagten aber
auf Anfrage nur allgemein auf mögliche Kontaminationen hingewiesen.
Was meinen Sie? BGH: Haftung der Klägerin
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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C. Inhalt von Immobilienkaufverträgen
I. Vollständigkeitsvermutung
BGH , Urt. v. 5. 2. 1999 - V ZR 353/97, NJW 1999, 1702
Die Beklagten inserierten ihre Eigentumswohnung als großzügige
Wohnung mit 200 m² Wohnfläche und 210 qm Dachgarten. Darauf
kaufte der Kläger die Wohnung formgerecht für 650.000 €. In dem
Kaufvertrag wird bei der Beschreibung der Kaufsache auf den
Dachgarten Bezug genommen. Nach Zahlung des Kaufpreises stellte
sich heraus, dass der Dachgarten zwar nur von der verkauften
Wohnung aus zugänglich, aber nicht Teil des Sondereigentums oder
Gegenstand eines Sondernutzungsrechts ist. Der Kläger forderte die
Beklagten unter Fristsetzung vergeblich auf, ihm Sondereigentum an
dem Dachgarten zu verschaffen, und verlangt von den Beklagten
Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises. Die wenden Aufklärung ein.
Zu Recht? BGH: ja, Vermutung der Vollständigkeit widerleglich
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 5. 7. 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164
Die Klägerin kaufte von dem Beklagten zwei bebaute Grundstücke zu
Preisen von 200.000 € und 315.000 € und beauftragte jeweils eine
Firma GWF, die Gebäude mit einem Sanierungsaufwand von 500.000 €
und 600.000 € zu sanieren. Später ergänzten die Beteiligten die
Verträge durch neue Urkunden und vereinbarten, dass die Klägerin
einseitig zurücktreten kann, wenn ihr die Finanzierung nicht gelingt.
Die Finanzierung gelang zunächst, weil sich die Verkäuferin und die die
GWF verbürgten. Nach Auslaufen der Bürgschaften misslang die
Finanzierung. Die Klägerin trat zurück. Die Beklagten vollstrecken aus
dem Kaufvertrag. Dagegen richtet sich die Vollstreckungsabwehrklage
der Klägerin. Hat diese Erfolg ? BGH: ja, die Vermutung der
Vollständigkeit gilt auch bei einem auslegungsbedürftigen Vertrag, ist
aber nicht widerlegt
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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II. Auslegung
1. Falsa Demonstratio
BGH, Urt. v. 7. 12. 2001 - V ZR 65/01, NJW 2002, 1038
Dem Kläger gehört eine Gaststätte mit einem Parkplatz, der sich auf
dem benachbarten Grundstück der Stadt befindet, die ihm die Fläche
überlassen hat. Die Fläche wirkt durch ihre Pflasterung so als gehöre
sie zur Gaststätte. Die Stadt verkauft das Nachbargrundstück an den
Beklagten, dem sie es vorher gezeigt hatte. In dem Text des
Kaufvertrags und bei seiner Durchführung bleibt unberücksichtigt, dass
der Beklagte die dem Kläger zugewiesene Fläche nicht erhalten sollte.
Der Vertrag wird vollzogen, was dem Beklagten gelegen kommt, weil
er im Nachhinein gerne mehr Parkplätze hätte. Die Stadt tritt ihre
Ansprüche an den Kläger ab, der nun von dem Beklagten
Grundbuchberichtigung verlangt. Zu Recht? BGH: ja
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 18. 1. 2008 - V ZR 174/06, NJW 2008, 1658
Die Beklagte kaufte von der Stadt S ein Grundstück und bebaute es
mit einem Bürogebäude, das sie mit einer parkähnlichen Gartenanlage
umgeben ließ. Für das benachbarte unbebaute Grundstück, das
ebenfalls der S gehörte, erhielt sie eine Kaufoption. Deshalb wurden
bei der Anlage des Gartens etwa 1.000 m² der Anlage auf dem
Nachbargrundstück angelegt, was aber nicht auffiel. Acht Jahre später
suchte die Beklagte einen Käufer für das Anwesen und fand in der
Klägerin eine Interessentin. Diese besichtigte das Anwesen und nahm
dabei vom Dach des Bürogebäudes aus das ganze Anwesen in
Augenschein, von wo aus das Grundstück hinter dem Park endete. Die
Klägerin kaufte daraufhin das Anwesen für 9 Mio. € von der Beklagten.
Als die „Überpflanzung“ später auffiel, war die Beklagte nicht zum
Zukauf bereit. Die Kläger kaufte den fehlende Teil selbst für 90.000 €
und verlangt Ersatz. Zu Recht? BGH: ja
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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2. ergänzende Vertragsauslegung
BGH, Urt. v. 11. 5. 2001 – V ZR 492/99, NJW 2001, 2464
Die Klägerin kaufte von der Beklagten das Bergwerkseigentum an zwei
Kiesbergfeldern für 1 Mio. €. Nach Vollzug des Vertrags forderte die Klägerin
von der Beklagten eine Rechnung mit gesondertem Ausweis der nach ihrer
Auffassung im vereinbarten Kaufpreis enthaltenen Umsatzsteuer. Die Beklagte
erteilte der Klägerin eine Rechnung über netto 1 Mio. € zuzüglich 19 %
Umsatzsteuer und forderte sie zur Zahlung weiterer 175.000 € auf. Ein
Angestellter der Klägerin überwies ohne Anweisung der Geschäftsführung diesen
Betrag an die Beklagte, die ihn an das zuständige Finanzamt weiterleitete. Mit
der Klage verlangt die Klägerin Rückzahlung der nach ihrer Auffassung zu
Unrecht von der Beklagten geforderten und von ihr gezahlten Umsatzsteuer von
175.000 € sowie die Erteilung einer Rechnung über einen Kaufpreis von 900.000
€ zuzüglich 175.000 € Mehrwertsteuer. Zu Recht? BGH: ja, Bruttopreisregel,
einseitiger Irrtum macht noch keine Vertragslücke.
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 2. 7. 2004 - V ZR 209/03, NJW-RR 2005, 205
Die Klägerin kaufte von der Beklagten ein vermietetes Grundstück für
17 Mio. € zuzüglich Mehrwertsteuer. Der Kaufpreis war am 19.
September fällig. Die Mieten sollten der Klägerin ab dem Monat der
Kaufpreiszahlung zustehen. Die Beklagte zog die Mieten wegen der
nicht gezahlten Umsatzsteuer selbst ein und entrichtete die
Umsatzsteuer im Dezember an das Finanzamt, das sie im Mai des
Folgejahres
wieder
zurückzahlte,
weil
das
Geschäft
nicht
umsatzsteuerpflichtig war. Die Klägerin verlangt Herausgabe der
eingezogenen Mieten in Höhe von 583.782 €. Die Beklagte verweist auf
die nicht gezahlte Umsatzsteuer und verlangt ihrerseits Ersatz von
85.567,30 € als Ersatz entgangener Zinsen aus der Anlage der
gezahlten Umsatzsteuer. Zu Recht? BGH: nein
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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III. Änderung
1. Grundsatz: Formbedürftigkeit
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 6. 11. 1981 - V ZR 138/80, NJW 1982, 434
Testamentsvollstrecker T verkaufte ein zum Nachlassgrundstück an
den Beklagten zu Preis 180.000 €, der in mehreren Raten zu zahlen
war. Das gelang dem Beklagten nicht. Die Parteien vereinbarten
daraufhin privatschriftlich eine Reduktion des Kaufpreises um 25.000
€. Der Beklagten zahlt 100.000 €. Auf Drängen der Erben setzt T dem
Beklagten eine Frist zur Zahlung des vollständigen Kaufpreises. Der
Beklagte zahlte nicht. Daraufhin tritt T zurück. Zu Recht? BGH: ja
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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2. Formfreie Änderungen
BGH, Urt. v. 28. 9. 1984 - V ZR 43/83, NJW 1985, 266
Die Klägerin verkaufte den Beklagten ein Grundstück und ließ es ihnen
auf. Der Notar war angewiesen, die Eigentumsumschreibung erst zu
beantragen, wenn die Zahlung des gesamten Kaufpreises bestätigt
oder nachgewiesen war. Zugunsten der Beklagten wurde eine
Auflassungsvormerkung eingetragen. Die Klägerin war nach dem
Vertrag zum Rücktritt berechtigt, wenn "der Käufer mit der Erfüllung
seiner finanziellen Verpflichtungen aus diesem Vertrag länger als 12
Monate in Verzug gerät". Weil die Beklagten den Kaufpreis nicht
aufbringen konnten, vereinbarten die Parteien privatschriftlich, die
Beklagten schuldeten der Klägerin „Schadensersatz“ in Höhe von
43.000 € und sollten diesen Betrag in monatlichen Raten zu 300 €
abtragen. Bei Nichteinhaltung der Ratenzahlungspflicht, sollte die
Rücktrittsregelung „in Kraft treten“. Ist das wirksam? BGH: ja
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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D. Leistungsstörungen
I. Vorfeld des Vertrags
1. Schutzpflichten im Vorfeld des Vertrags
2. Beratungsvertrag
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 13. 10. 2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874
Die Beklagte vertreibt Eigentumswohnungen und bedient sich dazu der
Vertriebsfirma I, die 18,74% Provision erhält und als Vertriebspartner
im Prospekt angegeben ist. Die Beklagte hat der I verboten, Aussagen
zur Wirtschaftlichkeit des Erwerbs der Wohnungen zu treffen. Die I
gewinnt die Klägerin zum Kauf einer Wohnung für 65.000 €. Grundlage
war eine Berechnung, mit welcher der Klägerin klargemacht wurde,
dass sie die Wohnung ohne eigenes Kapital mit Steuervorteilen würde
erwerben könne. Als Finanzierung waren Bausparverträge vorgesehen,
die nach einander angespart werden sollten, aber erst im Rentenalter
abbezahlt sein würden. Nach dem Kauf stellte sich heraus, dass die
Erwerber von Wohnungen in der Anlage einem Mietpool beitreten
mussten und dass hohe Reparaturrückstände vorlagen. Dazu verhielt
sich die Berechnung nicht. Die Klägerin verlangt Rückabwicklung des
Vertrags. Zu Recht? BGH: Ja
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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BGH, Urt. v. 19.12.2014 – V ZR 194/13, ZfIR 2015, 375
Die K suchte am 4.5.2007 die Geschäftsräume der S auf. Deren
Mitarbeiter empfahl ihr den Kauf einer Eigentumswohnung. Sie
unterzeichnete einen Vermittlungsauftrag für eine Wohnung der - in
dem Auftrag nicht namentlich genannten – V in Chemnitz zum Preis
von 102.509 €. Darin heißt es, S erhalte Honorar ausschließlich von
der Verkäuferin. Auf der Rückseite findet sich eine handschriftliche
Berechnung der Kosten des Erwerbs der Wohnung. Am selben Tag
unterzeichnete K ein notarielles Kaufangebot, das die V in der Folgezeit
annahm. Finanziert wurde der Kauf durch zwei Darlehensverträge mit
gestaffelten Laufzeiten. K verlangt die Rückabwicklung des
Kaufvertrags. Die V habe sie schlecht beraten, weil sie sie nicht auf die
Besonderheiten der steuerlichen Förderung nach § 7i EStG und auf die
sehr lange Gesamtlaufzeit der Darlehensverträge hingewiesen habe.
Außerdem sei der Kaufpreis sittenwidrig überhöht gewesen. Zu Recht?
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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II. Pflichtverletzung im Kaufvertrag
BGH, Urt. v. 19. 10. 2007 - V ZR 211/06, BGHZ 174, 61
Die Klägerin kaufte von der Beklagten eine Eigentumswohnung, zu der
ein Bodenraum gehören sollte. Dieser Bodenraum gehörte ursprünglich
zu einer anderen Wohnung und hatte der verkauften Wohnung
zugeschrieben werden sollen. Die Zuschreibung erfolgt zwar, die
Abschreibung war aber vergessen worden. Beim Vollzug des
Kaufvertrags fiel der Fehler auf. Die Kläger setzte der Beklagten eine
Frist zur Verschaffung des vollständigen Eigentums. Der Versuch der
Beklagten, den Fehler beim Grundbuchamt zu korrigieren, schlug fehl.
Sie versäumte es, die Eigentümerin der anderen Wohnung zur
Korrektur der Doppelbuchung zu bewegen. Die Klägerin erlitt einen
Verlust beim Weiterverkauf der Wohnung und verlangt Ersatz. Zu
Recht? BGH: ja
(c) Johanna Schmidt-Räntsch, Immobilienkaufrecht, 7. 3. 2016
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