Rundschreiben 2016/18

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Rundschreiben 2016/18
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und Autohäuser
Ausgabe 2016/KW 18
BVSK-Recht Aktuell
Keine Wartepflicht des Geschädigten auf Restwertangebot des Versicherers
OLG Hamm, Urteil vom 11.11.2015, AZ: I-11 U 13/15
Die Parteien streiten, welchen Restwert sich der Kläger bei der Abrechnung seines Fahrzeugschadens
anrechnen lassen muss. In dem vom Kläger nach dem Unfall eingeholten Schadengutachten wurde der
Restwert auf der Grundlage von vier auf dem regionalen Markt eingeholten Restwertangeboten mit
10.750,00 € beziffert. …
Zur Erstattungsfähigkeit von UPE-Aufschlägen, Entsorgungskosten, Stempelkosten und
Sachverständigenkosten
LG Nürnberg, Urteil vom 13.11.2014, AZ: 8 O 1426/14
Die Parteien streiten um Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall. Streitig ist insbesondere die Höhe der
Reparaturkosten sowie die Ersatzfähigkeit von Sachverständigenkosten in Höhe von 677,00 €. …
Nutzungsausfallersatz bei fehlender Vorfinanzierungsmöglichkeit der Ersatzbeschaffung
AG Frankenthal, Urteil vom 09.10.2015, AZ: 3a C 143/15
Der Kläger verlangt von der beklagten Haftpflichtversicherung Zahlung restlichen Schadenersatzes aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 09.01.2015. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer
Streit. Der Kläger hatte die Beklagte bereits frühzeitig auf die Unmöglichkeit der Vorfinanzierung der Ersatzbeschaffung durch den Kläger hingewiesen. Der Kläger begehrt Nutzungsausfall für die Dauer von 47
Tagen in Höhe von insgesamt 3.055,00 €, woraufhin die Beklagte lediglich 1.365,00 € regulierte. …
Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Ergänzungsgutachtens
AG Wetter, Urteil vom 18.12.2015, AZ: 9 C 132/15
Die Parteien streiten um die Erstattung der Kosten für ein erstelltes Zusatzgutachten in Höhe von 170,17
€ aus abgetretenem Recht. …
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Keine Wartepflicht des Geschädigten auf Restwertangebot des Versicherers
OLG Hamm, Urteil vom 11.11.2015, AZ: I-11 U 13/15
Hintergrund
Die Parteien streiten, welchen Restwert sich der Kläger bei der Abrechnung seines Fahrzeugschadens
anrechnen lassen muss. In dem vom Kläger nach dem Unfall eingeholten Schadengutachten wurde der
Restwert auf der Grundlage von vier auf dem regionalen Markt eingeholten Restwertangeboten mit
10.750,00 € beziffert.
Der Kläger veräußerte sein Fahrzeug sieben Tage nach dem Unfall zu einem Restwert von 11.000,00 €.
Zwei Tage danach unterbreitete der Beklagte dem Kläger u.a. ein verbindliches Restwertangebot von
20.090,00 €.
In erster Instanz wurde die auf Zahlung der Differenz der Restwerte gerichtete Klage abgewiesen. Das LG
Münster (AZ: 15 O 30/14) ging davon aus, der Kläger habe gegen die ihm obliegende Schadenminderungspflicht verstoßen, indem er sein Fahrzeug sieben Tage nach dem Unfall verkauft habe, ohne dem
Beklagten die Gelegenheit zu geben, ihm alternative Restwertangebote zu unterbreiten.
Die hiergegen eingelegte Berufung hatte Erfolg.
Aussage
Der Senat kam zu dem Ergebnis, dass dem Kläger weder ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot
noch eine schuldhafte Verletzung der ihm obliegenden Schadenminderungspflicht zur Last fällt.
Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Genüge, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Fahrzeuge zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger
in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2010, AZ: VI ZR 316/09).
Dabei kann der Geschädigte nach gefestigter Rechtsprechung des BGH regelmäßig dann von einer korrekten Wertermittlung durch den Sachverständigen ausgehen, wenn dieser entsprechend der Empfehlung
des 40. Deutschen Verkehrsgerichtstages für das Unfallfahrzeug drei Angebote auf dem maßgeblichen
regionalen Markt eingeholt hat (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2009, AZ: VI ZR 318/09).
Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen ein
(Auswahl-)Verschulden zur Last fällt oder für ihn aus sonstigen Gründen Anlass zu Misstrauen gegenüber
dem Gutachten besteht.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger mit dem von ihm vorgenommenen Verkauf des Fahrzeugs für 11.000,00 € nicht gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit verstoßen. Der tatsächlich erzielte
Kaufpreis lag sogar geringfügig über dem für den regionalen Markt ermittelten Restwert von 10.750,00 €.
Zwar hat der BGH in der Vergangenheit wiederholt entschieden, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, im Rahmen der Schadenminderungspflicht günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Einen entsprechenden Ausnahmefall hat der BGH für den Fall bejaht, dass
dem Geschädigten vor der Veräußerung eine erheblich günstigere Verwertungsmöglichkeit durch den
gegnerischen Haftpflichtversicherer unterbreitet wurde, die er ohne Weiteres hätte wahrnehmen können
und deren Wahrnehmung ihm zumutbar gewesen wäre.
Hieraus lässt sich jedoch keine generelle Verpflichtung des Geschädigten herleiten, vor dem Verkauf seines Fahrzeugs dem Haftpflichtversicherer einen gewissen Zeitraum zum Nachweis höherer Restwertangebote einzuräumen. Die überwiegende Anzahl der Oberlandesgerichte vertritt hier die Auffassung, dass
den Geschädigten keine solche Wartepflicht trifft.
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Der BGH hat bereits in seinem Urteil vom 06.04.1993 (AZ: VI ZR 181/92) entschieden, dass der Geschädigte – in einem ähnlich gelagerten Fall – nicht dazu verpflichtet war, das eingeholte Gutachten vor der
Veräußerung des Fahrzeugs dem beklagten Haftpflichtversicherer zur Kenntnis zu bringen.
Durch diese Rechtsprechung wird der Beklagte auch nicht unzumutbar benachteiligt, da ihm der Einwand
bleibt, der Kläger habe das Unfallfahrzeug zu einem zu niedrigen Preis veräußert. Davon war vorliegend
jedoch nicht auszugehen.
Der Kläger durfte im Übrigen auf die Feststellung des Restwertes durch den Sachverständigen in seinem
Gutachten vertrauen, weil es den vom BGH aufgestellten Anforderungen an ein Sachverständigengutachten entsprach (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2009; AZ: VI ZR 318/08: drei Angebote auf dem maßgeblichen
regionalen Markt, die konkret bezeichnet werden).
Im Ergebnis musste sich der Kläger daher als Restwert nur den von ihm tatsächlich erzielten Verkaufserlös von 11.000,00 € auf den Wiederbeschaffungsaufwand anrechnen lassen.
Praxis
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 30.11.1999 (AZ: VI ZR 219/98) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Fallgestaltungen, in denen sich der Geschädigte unter besonderen Umständen andere sich ihm
darbietende Möglichkeiten der Verwertung im Interesse der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des
Zumutbaren zu ergreifen hat, die Ausnahme darzustellen haben und in engen Grenzen gehalten werden
müssen.
Anderenfalls würde die dem Geschädigten zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadenbehebung in eigener Regie eröffnet und deshalb auf seine individuelle Situation und
die konkreten Gegebenheiten des Schadenfalls abstellt.
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Zur Erstattungsfähigkeit von UPE-Aufschlägen, Entsorgungskosten, Stempelkosten und Sachverständigenkosten
LG Nürnberg, Urteil vom 13.11.2014, AZ: 8 O 1426/14
Hintergrund
Die Parteien streiten um Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall. Streitig ist insbesondere die Höhe der
Reparaturkosten sowie die Ersatzfähigkeit von Sachverständigenkosten in Höhe von 677,00 €.
Aussage
Das Gericht führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass die vom Kläger begehrten Reparaturkosten
UPE-Aufschläge in Höhe von 15 % beinhalten. Ein vom Gericht hinzugezogener Sachverständiger gab an,
dass lediglich 8 % regional üblich seien, mithin seien auch nur 8 % ersatzfähig.
Weiter wurden im vom Kläger beauftragten Gutachten Entsorgungskosten für zu entsorgende Plastikteile
berücksichtigt. Laut Gericht seien diese regional marktunüblich und mithin keine ersatzfähigen Schadenpositionen. Das klägerisch beauftragte Gutachten über die Schadenhöhe sei um diese Positionen zu korrigieren.
Die geltend gemachten Stempelkosten hielt das Gericht für voll erstattungsfähig. Diese fallen an, da das
neu anzuschaffende Nummernschild noch mit einem entsprechenden amtlichen Stempel versehen werden muss.
Aus der dahingehend korrigierten Schadenhöhe seien nun die Sachverständigenkosten zu ermitteln, da
zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen keine bestimmte Vergütung vereinbart wurde und mithin eine Ermittlung der üblichen Vergütung vorgenommen werden müsse.
Nach Auffassung des Gerichts, sind die geforderten Gutachterkosten aus Sicht des Gerichts auf der
Grundlage eines arithmetischen Mittels des sogenannten „HB V Korridors“ der BVSK-Honorarbefragung
2013 zu bestimmen. Auf diesem Weg können die üblichen und damit erforderlichen Gutachterkosten
ermittelt werden.
Praxis
Für die Ermittlung des erforderlichen Sachverständigenhonorars ist grundsätzlich auf den durch den
Sachverständigen ermittelten Gesamtschaden inklusive Wertminderung abzustellen. Liegt dieser Betrag
jedoch über dem in einem Gerichtsverfahren ermittelten Schaden, so kann nur der geringere Betrag die
Berechnungsgrundlage für die Sachverständigenkosten bilden.
Das LG Nürnberg vertritt hier die Auffassung, dass der Gesamtschaden objektiv erforderlich sein muss,
denn Kosten die dadurch entstehen, dass ein unbegründeter Anspruch ermittelt wird, können dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden.
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Nutzungsausfallersatz bei fehlender Vorfinanzierungsmöglichkeit der Ersatzbeschaffung
AG Frankenthal, Urteil vom 09.10.2015, AZ: 3a C 143/15
Hintergrund
Der Kläger verlangt von der beklagten Haftpflichtversicherung Zahlung restlichen Schadenersatzes aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 09.01.2015. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer
Streit.
Der Kläger hatte die Beklagte bereits frühzeitig auf die Unmöglichkeit der Vorfinanzierung der Ersatzbeschaffung durch den Kläger hingewiesen. Der Kläger begehrt Nutzungsausfall für die Dauer von 47 Tagen
in Höhe von insgesamt 3.055,00 €, woraufhin die Beklagte lediglich 1.365,00 € regulierte.
Aussage
Die Dauer des zu entschädigenden Nutzungsausfalls könne unter Umständen beschränkt werden, wenn
und soweit sich der Nutzungsausfall verlängert, weil der Geschädigte seiner Schadenminderungspflicht
gemäß § 254 II BGB nicht nachkommt. Die Voraussetzungen einer solchen Beschränkung lägen im Streitfall jedoch nicht vor.
Ob ein Geschädigter die Schadenbehebung in angemessener Frist durchgeführt hat, hänge stets von den
Umständen des Einzelfalls ab, grundsätzlich sei ein Geschädigter aber nicht verpflichtet, den Schaden
zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder weitergehend einen Kredit zur Schadenbeseitigung aufzunehmen.
Vielmehr habe der Schädiger auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrührten, dass der Schaden
mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden sei und sich dadurch vergrößert habe.
Demgegenüber habe der Geschädigte aber auch in Ansehung seiner Schadenminderungspflicht die
Pflicht, den gegnerischen Haftpflichtversicherer frühzeitig darauf hinzuweisen, dass eine Erhöhung des
Schadens drohe, wenn ihm ausreichende Mittel zur Ersatzbeschaffung vor Ablauf der Überprüfungsfrist
des Versicherers nicht zu Verfügung stehen. Dieser Hinweispflicht sei der Kläger nachgekommen, er habe
Anspruch auf Zahlung des restlichen Schadenersatzes.
Praxis
Das Urteil des AG Frankenthal macht erneut deutlich, wie wichtig im Falle der fehlenden Möglichkeit der
Vorfinanzierung einzelner Schadenpositionen der Warnhinweis an die Versicherung gemäß § 254 II BGB
ist.
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Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Ergänzungsgutachtens
AG Wetter, Urteil vom 18.12.2015, AZ: 9 C 132/15
Hintergrund
Die Parteien streiten um die Erstattung der Kosten für ein erstelltes Zusatzgutachten in Höhe von 170,17
€ aus abgetretenem Recht.
Die Kosten für eine Beilackierung waren im Rahmen eines von der Beklagten beauftragten Prüfgutachtens
gekürzt worden. Um sich gegen diese Kürzungen zu verteidigen, beauftragte der Geschädigte bei seinem
Sachverständigen ein Zusatzgutachten, welches sich thematisch mit dem Prüfgutachten auseinandersetzte.
Die Klage hatte Erfolg.
Aussage
Das AG Wetter entschied, dass die Einholung der streitgegenständlichen ergänzenden Stellungnahme der
Klägerin durch den Geschädigten einen erstattungsfähigen Schaden darstellt.
Abzustellen sei hierbei, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen ex-ante für geboten erachten
durfte. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Partei bei Beauftragung des Sachverständigen aus
ihrer Sicht infolge fehlender Sachkenntnisse ohne Hilfe ihres Sachverständigen nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war.
Im vorliegenden Fall durfte der Geschädigte die Einholung eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen insoweit für erforderlich halten, da die gegnerische Haftpflichtversicherung im Rahmen eines Prüfberichts technische Einwendungen gegen die Schadenfeststellungen des Sachverständigen erhoben hatte. Der Geschädigte durfte nach der Auffassung des Gerichts auch davon ausgehen, dass die beklagte
Haftpflichtversicherung durch eine ergänzende sachverständige Stellungnahme ihre Position hinsichtlich
der Schadenhöhe überdenken würde.
Schließlich fand das Gericht den berechneten Betrag vor dem Hintergrund, dass im Zusammenhang mit
der Erstellung der ergänzenden Stellungnahme die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den erhobenen Einwendungen und eine erneute Besichtigung durch die Klägerin erfolgen mussten, auch nicht
übersetzt.
Praxis
Auch das AG Wetter vertritt die Auffassung, dass die Kosten eines Zusatzgutachtens aus Gründen der
Waffengleichheit zur Überprüfung von technischen Einwendungen im Prüfbericht vom Schädiger zu tragen sind.
Eine Information des:
Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e. V. – BVSK – Menzelstraße 5, 14467 Potsdam, Telefon: 0331/ 23 60 59 -0, Telefax: 0331/ 23 60 59 -10, email: [email protected]
erstellt: Mai 2016