Es gibt keine passende Schublade. Miguel Herz

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Es gibt keine passende Schublade. Miguel Herz
Es gibt keine passende Schublade.
Miguel Herz-Kestranek, der Vielfältige
Marie-Theres Arnbom
Schriftsteller, Schauspieler, oder Entertainer? Theater oder Film? Regisseur oder
Arrangeur? Politischer Kommentator oder Verfasser von Anekdoten? An diesem
Schubladen-Denken der Menschen kann der Vizepräsident des Österreichischen
PEN-Clubs verzweifeln. Und hat sich doch damit abgefunden, dass Vielfalt als
Manko empfunden wird. Wer auf mehreren Kirtagen tanzt, kann vieles wenig – dies
ist wohl die Meinung einer Mehrheit, die sich schon schwer damit tut, in einem
Bereich Begabung und Freude zu finden. Menschen mit vielen Interessen und
Talenten erwecken weniger Neid als Minderwertigkeitskomplexe, die wiederum allzu
oft in Ablehnung münden.
Spanischer Vorname – altösterreichischer Nachname
Miguel Herz-Kestranek, dessen Vorname konsequent falsch ausgesprochen wird, ist
bekannt „aus Funk und Fernsehen“, wie eine altmodische und doch noch so
gebräuchliche Formulierung besagt. Sein Name ist Programm: Herz ist der jüdische
Teil der Familie, Kestranek der böhmische und Miguel eine Erinnerung an das
südamerikanische Exil der Eltern. Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts
verpackt in drei Worten.
Der verstorbene Schriftsteller und Historiker Jörg Mauthe hat es einmal mit der
schönen Metapher formuliert, die sich an der Bezeichnung des Reiches Karls des
Großen orientiert: „Miguel Herz-Kestranek – ein Name, in welchem die Sonne nicht
untergeht“.
Das Phantom
Begeistertes Publikum spricht ihn auf der Straße in Wien an und bedankt sich für die
fabelhaften Theaterstunden, die sie mit ihm im Theater in der Josefstadt oder dem
Burgtheater erlebt haben. Allein, Herz-Kestranek spielt seit Jahrzehnten nicht mehr
an diesen Bühnen, als Phantom dürfte er jedoch nach wie vor dort herumspuken –
welcher Lebende kann das sonst noch von sich behaupten?
Die Tradition der Tante Jolesch
Anekdoten, Geschichten, „Lozzelachs“ liegen Herz-Kestranek im Blut, schon sein
Großvater und Vater waren Meister im Erzählen, im Formulieren, im Fabulieren. Die
jüdischen Wurzeln der Familie wurden gepflegt – nicht bewusst, aber im Tradieren
von Lebens- und Denkformen, die zu einem selbstverständlichen Bestandteil des
Lebens geworden sind. Als Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für
Exilforschung beschäftigt sich Herz-Kestranek als Folge der Ereignisse der Jahre
nach 1938 bewusst und intensiv mit jüdischer Kultur, die er etwa auch in seinem
Buch Mit Éjzzes bin ich versehen in Geschichten verpackt hat. Geschichten, die für
sich selbst sprechen und in pointierter Form das Wesentliche zwischen den Zeilen
transportieren.
Polemiken
In seinem Buch und Programm Polemiken – Pointen – Poesien geht Herz-Kestranek
einer weiteren Passion nach: Nicht den Mund zu halten, Stellung zu beziehen, und
dies möglichst polemisch und pointiert. Dass er sich damit nicht nur Freunde macht,
ist klar. Doch will er aufrütteln, provozieren, aufmerksam machen, um den Menschen
Missstände aller Arten – von Tagespolitik bis zu Kultur- und Gesellschaftspolitik –
fast schon brutal vor Augen zu führen. Er eckt an – und lässt das Publikum im
Brucknerhaus an einigen seiner Ausführungen teilhaben. Aufrütteln, Nachdenken,
Schmunzeln und Lachen erwünscht und erlaubt!