Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft – Neues vom BGH?
Transcrição
Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft – Neues vom BGH?
Münsteraner Verwalterkonferenz Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft – Neues vom BGH? (BGH v. 28.09.2012 - V ZR 251/11) Prof. Dr. Florian Jacoby Münster, 19. Januar 2013 Sachverhalt • Auf der Eigentümerversammlung wurde mit 14 von 17 Stimmen beschlossen: - die Gesamtsanierung der Wohnanlage mit einem Aufwand von insgesamt 550.000 EUR sowie - dessen Finanzierung „über staatliche Zuschüsse und zinsbegünstigte KfwDarlehen“ mit einer Zinsbindung von 10 Jahren und einer Laufzeit von 20 Jahren. - Die Finanzierungskosten sollten regelmäßig in den Wirtschaftsplan eingestellt und in monatlichen Teilbeträgen von den Wohnungseigentümern „gemäß den vorliegenden Einzelauswertungen“ getragen werden. • Der Beschluss wurde nicht angefochten. • Kläger begehrt Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 2 Beschlusskompetenz BGH v. 20.9.2000 - V ZB 58/99 • Durch Beschlussfassung (= Mehrheitsmacht) können nur solche Angelegenheiten geordnet werden, über die nach dem WEG (= gesetzliche Beschlusskompetenz) oder nach einer Vereinbarung (= Öffnungsklausel) die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden dürfen, anderenfalls (= keine Beschlusskompetenz) bedarf es einer Vereinbarung. • Ein ohne Beschlusskompetenz gefasster Beschluss ist nichtig. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 3 BGH v. 28.09.2012 - V ZR 251/11 Entscheidung: Der Beschluss ist wirksam. Denn es besteht Beschlusskompetenz für die Entscheidung über die Aufnahme eines Kredites zur Deckung des Finanzbedarfs der Wohnungseigentümergemeinschaft. Begründung: • Die Wohnungseigentümer haben durch Beschluss darüber zu entscheiden, wie der Finanzbedarf der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft gedeckt wird. • Im Rahmen dieser Entscheidung haben die Eigentümer auch zu klären, ob der Bedarf - durch einen Rückgriff auf vorhandene Rücklagen, - durch die Erhebung von Sonderumlagen oder - durch die Aufnahme von Darlehen gedeckt werden soll (so bereits BGH v. 21.4.1988 – V ZB 10/87). Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 4 Sachverhalt Ergänzung 1 • Zusätzlich wurde auf der Eigentümerversammlung ebenfalls mit 14 von 17 Stimmen beschlossen: - der Verwalter wird ermächtigt, der finanzierenden Bank gegenüber die Eigentümer gesamtschuldnerisch in Höhe der Gesamtdarlehenssumme zu verpflichten, - die Eigentümer werden verpflichtet, an ihrem Wohnungseigentum eine Grundschuld zur Sicherung des Darlehens zu bestellen. • Der Beschluss wurde nicht angefochten. • Kläger begehrt Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 5 BGH v. 28.09.2012 - V ZR 251/11 Entscheidung: Der Beschluss ist nichtig. Denn es besteht keine Beschlusskompetenz für die gesamtschuldnerische Verpflichtung der Eigentümer. Begründung: • Die vom Gesetzgeber nachvollzogene Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft wurde ganz entscheidend mit der Ausschaltung einer gesamtschuldnerischen Haftung begründet. • Der Gesetzgeber hat in § 10 Abs. 8 WEG nur eine anteilsmäßige (teilschuldnerische) persönliche Außenhaftung der Wohnungseigentümer angeordnet. • Eine gesamtschuldnerische Haftung kommt nur noch in Betracht, wenn sich die einzelnen Wohnungseigentümer selbst neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichten. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 6 Sachverhalt Ergänzung 2 • Auf einer weiteren Versammlung – nach Bestandskraft des ersten Beschlusses über die Aufnahme des Darlehens – wurde über den Antrag des (späteren) Klägers beschlossen, - diesen von jeglicher Haftung aus der Finanzierung freizustellen. - Den Antrag hatte der Kläger damit begründet, dass er seinen Anteil aus eigenen Mitteln aufbringen und deshalb an der beschlossenen Finanzierung nicht teilnehmen wolle. • Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. • Gegen dieses Negativbeschluss wendet sich der Kläger binnen Monatsfrist mit der Anfechtungsklage. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 7 § 21 WEG (3) Soweit die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nicht durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist, können die Wohnungseigentümer eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechende ordnungsmäßige Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschließen. (4) Jeder Wohnungseigentümer kann eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 8 BGH v. 28.09.2012 - V ZR 251/11 Entscheidung: Der Negativbeschluss ist nicht aufzuheben, weil er ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Begründung: Der Kläger kann die von ihm begehrte Verwaltungsmaßnahme nicht verlangen, weil - die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums vorrangig den Beschlüssen der Wohnungseigentümer entsprechen muss (§ 21 Abs. 4 WEG); - der bestandskräftige Finanzierungsbeschluss auf eine Kreditaufnahme ohne Haftungsfreistellung einzelner Wohnungseigentümer im Innenverhältnis zielt; - ein bestandskräftiger Beschluss den Einwand ausschließt, die Beschlussfassung habe nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen (BGH v. 13.5.2011 – V ZR 202/10, v. 3.2.2012 – V ZR 83/11). Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 9 Stand nach BGH v. 28.09.2012 - V ZR 251/11 BGH hat geklärt: • Beschlüsse über eine Kreditaufnahme (die nur einfacher Stimmenmehrheit bedürfen) sind wirksam. • Bestandskräftige Kreditbeschlüsse sind für die weitere Verwaltung maßgeblich. • Beschlüsse mit dem Inhalt, die Eigentümer gesamtschuldnerisch oder zur Bestellung von Sicherheiten zu verpflichten, sind mangels Beschlusskompetenz nichtig. Offen bleibt: Welche Anforderungen sind an die Ordnungsmäßigkeit eines Beschlusses über die Kreditaufnahme zu stellen? Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 10 Diskussion der Ordnungsmäßigkeit These: Beschlüsse der Eigentümerversammlung über eine Kreditaufnahme können ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Begründungsweg: • Gründe für und gegen eine (gemeinsame) Kreditaufnahme • Anlässe für Kreditaufnahme • Argumente gegen die Ordnungsmäßigkeit • Entkräftung der Argumente Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 11 Gründe und Gefahren • Gründe für einen Kredit der Gemeinschaft - Gemeininteressen Sicherung nur gemeinsam zu erlangender Konditionen Sicherstellung der Liquidität Sicherstellung der schnellen Abwicklung der Maßnahme durch Organisation aus einer (Verwalter-) Hand - Individualinteressen Entlastung von - Gefahr, Kredit nicht zu erhalten - Aufwand, Kredit zu beantragen Partizipation an Gemeininteressen (Sicherung der Maßnahme) • Gefahren für den Einzelnen - Psyche - Zinsbelastung - Einstehenmüssen für Gesamtkredit wegen Binnenhaftung Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 12 Beispiel 1: Liquiditätshilfe • Die Eigentumsanlage wird mit Öl beheizt. • Die Anlage verfügt über einen Tank, dessen Fassungsvermögen den Ölbedarf mehrerer Jahre abdeckt. • Durch Beschluss wird der Verwalter ermächtigt, den Tank voll auffüllen zu lassen, wenn der Ölpreis die Marke von 75 EUR pro 100 Liter unterschreitet. • Durch weiteren Beschluss wird der Verwalter ermächtigt, den Finanzbedarf für den Ölkauf einstweilen durch ein Darlehen bei der D-Bank zu decken. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 13 Beispiel 2: Instandsetzung • Die auf dem Stand der Technik befindlichen Fenster der Anlage sind marode, • die Instandhaltungsrücklage genügt nicht, um die Fenstersanierung zu decken. • Die Eigentümer beschließen, - die Fenster zu sanieren, - in Höhe des Fehlbetrages ein Darlehen aufzunehmen. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 14 Beispiel 3: Modernisierung • Die Eigentümer beschließen, die Anlage energetisch zu modernisieren. • Sie beschließen weiter, die Maßnahme aus einem zinsgünstigen KfW-Darlehen zu finanzieren. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 15 Beispiel 4: Außerordentliche Investitionen • In der Anlage steht die Zwangsversteigerung einer Einheit an. • Die Eigentümer beschließen, bei der Zwangsversteigerung bis zu einem Gebot in Höhe von X EUR mitzubieten, um die Einheit dann als Hausmeisterwohnung nutzen zu können. • Sie beschließen weiter, den Kaufpreis zu 25% aus einer Sonderumlage und zu 75% aus einem Darlehen bei der X-Bank zu tilgen. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 16 Argumente gegen Ordnungsmäßigkeit • Spezielle Argumente - Verstoß gegen Finanzierungsmodell der WEG - Haftungsrisiken der einzelnen Eigentümer aus § 10 Abs. 8 WEG - Zusatzlasten durch Zinsen • Allgemeine Argumente : Bedingungen der Finanzierung Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 17 Finanzierungsmodell • Individuelle Mittelaufbringung - Wirtschaftsplan Planraten Sonderumlage - Entnahme aus Rücklage • Ordnungsmäßige Alternativen! Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 18 Erneut: BGH v. 28.09.2012 - V ZR 251/11 • Die Wohnungseigentümer haben durch Beschluss darüber zu entscheiden, wie der Finanzbedarf der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft gedeckt wird. • Im Rahmen dieser Entscheidung haben die Eigentümer auch zu klären, ob der Bedarf - durch einen Rückgriff auf vorhandene Rücklagen, - durch die Erhebung von Sonderumlagen oder - durch die Aufnahme von Darlehen gedeckt werden soll (so bereits BGH v. 21.4.1988 – V ZB 10/87). Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 19 BGH v. 21.04.1988 - V ZB 10/87 • Das Wohnungseigentumsgesetz bietet mit den Vorschriften über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung (§ 28 WEG) ein anpassungsfähiges Instrumentarium von Vorschuss- und Nachforderungen sowie sonstigen Maßnahmen an. • Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bleibt z.B. die Entscheidung überlassen, ob zur Tilgung bereits entstandener Verwaltungsschulden etwa Sonderumlagen erhoben, Darlehen aufgenommen oder auf vorhandene, wenngleich für andere Zwecke gebildete Rücklagen zurückgegriffen werden soll. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 20 BGH v. 9.3.2012 - V ZR 161/11 Ob Wohnungseigentümer für die Sanierung eines Altbaus einen mehrjährigen Sanierungsplan erstellen oder sich darauf beschränken, die unmittelbar erforderlichen Einzelmaßnahmen zu beschließen, steht grundsätzlich in ihrem Ermessen. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 21 Ordnungsmäßiges Abweichen vom typischen Finanzierungsmodell • Ordnungsmäßigkeit bei Scheitern des gesetzlichen Finanzierungsmodells, insbesondere - weil vormals bestandskräftig (!) keine hinreichende Rücklage angesammelt worden ist, - weil (einzelne) Eigentümer nicht in der Lage sind, durch Sonderumlagen Finanzierungsbedarf zu decken (Notverkäufe sind für die ganze Anlage nicht gut). • Ordnungsmäßigkeit darüber hinaus, wenn sonst keine (erheblichen) Nachteile mit Abweichung verbunden sind. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 22 Haftungsgefahren BGH v. 28.09.2012 - V ZR 251/11: Es ist umstritten und braucht für diese Entscheidung nicht entschieden zu werden, ob eine Kreditaufnahme unter Einbeziehung auch derjenigen Wohnungseigentümer, - die über ausreichende Liquidität verfügen und - diese zur Abwendung einer Kreditfinanzierung einsetzen wollen, ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 23 Scheinargument § 10 Abs. 8 WEG • Zwar haften alle Miteigentümer für den Kreditbetrag teilschuldnerisch im Umfange ihrer Miteigentumsanteile nach § 10 Abs. 8 WEG dem Darlehensgeber. • Aber: - Diese Schuld beruht im Endeffekt auf der Entscheidung der Eigentümer, entsprechende Verwaltungsschulden (Ölkauf, Fenstersanierung, energetische Modernisierung, Wohnungskauf) zu begründen, - Wäre die Entscheidung über notwendige Sanierungsmaßnahmen aufgeschoben worden, schlummerte die Schuld als künftige in der Immobilie. - Wären sonstige Investitionen nicht getätigt worden, könnten auch deren Chancen nicht genutzt werden. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 24 Alternative zum Kredit mit Haftung aller Beschlussfassung über • die Erhebung einer Sonderumlage • mit der Maßgabe, dass bei Nichtzahlung Liquiditätsbedarf gedeckt wird - durch WEG-Kredit, - von dessen Rückzahlung diejenigen freigestellt sind, die Sonderumlage erbracht haben. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 25 Ordnungsmäßigkeit der Zinsbelastung • Zinsen brauchen keine Zusatzlast zu bedeuten - Fördermittel (Gesamtlösung, KfW) - Kompensation durch sonst nicht zu erlangende Vorteile (etwa weil nur Kredit notwendige Mittel sicher und schnell bereit stellt) - Inflation (vgl. Ratenkredite etc.) - Freistellungsoption für Selbstfinanzierer • Zinslast kann als Sonderopfer hinzunehmen sein. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 26 Fazit • WEG-Kredite aufgrund bestandskräftigen Beschlusses sind rechtssicher. • Die Eigentümer können nicht zur gesamtschuldnerischen Haftung oder Bestellung von Sicherheiten durch Beschluss verpflichtet werden. • Über Ordnungsmäßigkeit/Anfechtbarkeit eines WEGKredits lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 27 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Jacoby Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld [email protected] www.jura.uni-bielefeld.de/fir/ Kreditnehmer Eigentümergemeinschaft Münster, 19. Januar 2013 Folie 28