Was löst die Fed aus?

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Was löst die Fed aus?
Was löst die Fed aus?
Wellenreiter-Kolumne vom 02. Dezember 2015
Während die Europäische Zentralbank ihre lockere Geldpolitik verstärkt, zieht die USZentralbank die Zügel an. Voraussichtlich am 16. Dezember 2015 wird die Federal
Reserve Bank die Nullzinspolitik beenden und einen ersten Zinserhöhungsschritt
durchführen. Damit wird ein Zinserhöhungszyklus eingeleitet, dessen Pfad die Fed noch
genauer spezifizieren muss. Die US-Zentralbank dürfte an einer Kommunikationsstrategie
feilen. Schon unter Ben Bernanke war Janet Yellen die Spezialistin für diese Aufgabe.
Wie reagieren Aktien, Renditen und Währungen üblicherweise auf einen solchen Schritt?
Auf dem obigen Chart ist der Verlauf des Dow Jones Index zwölf Monate vor bis zwölf
Monate nach einem ersten Zinsschritt abgetragen. Die roten Linie stellt den Verlauf der
vergangenen zwölf Monate in der Simulation einer tatsächlich am 16. Dezember
erfolgenden Leitzinserhöhung dar.
Durchschnittlich bewegt sich der Dow in den zwölf Monaten nach einer ersten
Zinserhöhung kaum (schwarze Linie obiger Chart). Zusätzlich zum Durchschnittsverlauf
stellen wir einige ausgewählte Einzelverläufe dar. So sind der Boom-Bust-Verlauf des
Jahres 1987 (orange) sowie der Verlauf um den Termin der letzten ersten Zinserhöhung
(Juni 2004; blau) mit von der Partie. Insgesamt gilt: Nach zwölf Monaten würde der Dow
Jones Index in etwa dort stehen, wo er sich aktuell befindet. Also seitwärts bis zum
Dezember 2016?
Im Fall der Rendite sieht das Bild weniger homogen aus. Eigentlich müsste man
erwarten, dass ein Zinserhöhungszyklus nicht nur die Rendite am kurzen Ende, sondern
auch diejenige am langen Ende hebt. Durchschnittlich ist das auch so.
Im Jahr 2004 kam es zum sogenannten Konundrum. Damals stieg die Rendite am
langen Ende nicht mit (blaue Linie obiger Chart). Der Einfluss einer Zentralbank auf das
lange Ende ist dann gestört, wenn die Marktteilnehmer eine andere Erwartung hegen. Die
Rendite 10jähriger Anleihen folgt stärker dem Grundton des Inflations-DeflationsUniversums. Dennoch: Nach einer ersten Zinserhöhung stiegen die Zinsen auch am
langen Ende – jedenfalls in der Mehrheit der Fälle.
Steigende Leitzinsen erhöhen die Dollar-Attraktivität. Dies schadet dem Euro.
So jedenfalls besagt es die Logik. Der Durchschnittsverlauf – er setzt sich aus zwölf
Einzelverläufen zusammen - bestätigt grundsätzlich die Euro-Schwäche in den ersten fünf
Monaten nach einer ersten Zinserhöhung. Doch auch hier gelten Ausnahmen: 1987, 1994
und 2004 zeigte der Euro Stärke.
Eine andere Herangehensweise ist die Bestimmung des vorherrschenden Trends in
Verbindung mit der Frage, ob eine erste Zinserhöhung eher trendbestätigend wirkt oder
ob sie einen Trendwechsel einleiten kann.
Im Jahr 1987 wurde der Aufwärtstrend des Euro/Dollar durch die erste Zinserhöhung für
fünf Monate unterbrochen, bevor er sich fortsetzte. 1994 kam es zwei Monate vor der
ersten Zinserhöhung, nicht aber nahe der Zinserhöhung selbst zu einer echten
Trendwende. 1999 wurde der Abwärtstrend für zwei Monate unterbrochen, und 2004
setzte sich der Aufwärtstrend nach einer kleinen Pause fort.
Mit anderen Worten: Eine erste Zinserhöhung dreht den Trend in der Regel nicht. Aber
sie kann ihn vorübergehend stoppen und eine Bewegung gegen den vorherrschenden
Trend einleiten, der durchaus einige Monate andauern kann.
FED und EZB pflegen Zinsänderungen nicht synchron, sondern zu unterschiedlichen
Zeiten durchzuführen. Daraus sowie aus den unterschiedlichen Amplituden ergibt sich
eine Leitzinsdifferenz.
Eine Leitzinsdifferenz, die sich zugunsten der EZB entwickelt, stabilisiert in der Regel den
Euro. Umgekehrt begünstigt eine Bewegung der Leitzinsdifferenz zugunsten der FED für
einen fallenden Euro/Dollar-Kurs. Der EZB-Leitzins näherte sich in den vergangenen
Jahren stetig der Nullzinspolitik der Fed an.
Ab Mitte Dezember 2015 wird der Leitzins der EZB – der Hauptrefinanzierungssatz –
erstmals seit dem Jahr 2007 geringer sein als der Fed-Leitzins. Diese Konstellation dürfte
sich noch etwas ausweiten. Sie belastet den Euro. Doch erscheint es denn vorstellbar,
dass der neue Leitzinserhöhungszyklus der Fed zu einer Ausweitung der Differenz auf
sagen wir zwei Prozent führt? Meine Fantasie reicht dafür nicht aus. Die Fed dürfte
behutsam und vorsichtig vorgehen. Möglicherweise kommt sie an einen Punkt, an dem
der fehlende Stimulus sich in schwächeren Wirtschaftszahlen bemerkbar machen wird.
Dann würde eine Zinserhöhung nicht fortgesetzt werden. Die Stunde des Euro wäre
gekommen, weil sich die Ausweitung nicht fortsetzen würde.
Wie auch immer die Fed eine erste Zinserhöhung kommunizieren mag: Eine Straffung
der Geldpolitik bleibt eine gewollte Verknappung der Liquidität. Aktienmärkte reagieren
üblicherweise in Seitwärtsmustern. Renditen steigen meist, aber es gibt eine große
Ausnahme (2004). Der Euro/Dollar neigt zur Schwäche, ist aber zu Gegenbewegungen in
der Lage.
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werden. Frühere Ausblicke – auch derjenige des vergangenen Jahres - lassen sich
kostenlos abrufen.
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest