Der Aralsee - Ein See wird zur Wüste

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Der Aralsee - Ein See wird zur Wüste
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Der Aralsee - Ein See wird zur Wüste
Lernziele
Die wirtschaftliche, ökologische und soziale Situation der Menschen in der Aralsee-Region
kennen lernen; die Zusammenhänge zwischen der Bewässerungslandwirtschaft in der Wüste
Usbekistans und Kasachstans und dem Zustand des Aralsees erfahren; die Dimension sowie
die ökologischen, klimatischen und sozioökonomischen Konsequenzen dieses Eingriffs in die
Natur erfassen.
Vorkenntnisse
Vor der Betrachtung des Films sollte im Unterricht anhand topografischer Karten (Atlas) die
Lage des Aralsees erarbeitet werden. Die Hauptdrehorte sind auf einer Kopiervorlage verzeichnet.
Kurzbeschreibung
Die Zuflüsse des Aralsees werden zur Bewässerung der Baumwollmonokulturen in Usbekistan, Turkmenistan und Kasachstan angezapft. Der Film dokumentiert die Folgen der ehrgeizigen Landwirtschaftspolitik der ehemaligen UdSSR, die, mit dem Ziel von Baumwollimporten unabhängig zu werden, den Aralsee bewusst geopfert hat. So trocknet dieses einst
viertgrößte Binnengewässer der Erde heute aus. Die ökologischen Folgen für die Region sind
dramatisch. Die Fischerei liegt darnieder. Sand- und Salzverwehungen aus dem ehemaligen
Seeboden machen die Menschen krank. Pestizide und Entlaubungsmittel verseuchen das
Trinkwasser. Der gesamten Region wird die Lebensgrundlage geraubt.
Zum Inhalt
Das Tiefland von Turan in Zentralasien ist ein arides Gebiet mit einem durchschnittlichen
Niederschlag von unter 100 mm jährlich. Die Region ist charakterisiert durch Wüsten,
Halbwüsten und Steppen. Zwei große Ströme durchziehen das Land und entwässern in eine
Senke an der Ostseite des Ustjurt-Plateau. In dieser Senke liegt der Aralsee, ein abflussloser
Steppensee, der durch die Ustjurt-Platte vom Kaspischen Meer getrennt ist.
Die Ströme, der Amudarja und der Syrdarja, entspringen im Pamir, bzw. im Tian Shan Gebirge. Sie sind etwa 2700 km (Syrdarja) und 2200 km (Amudarja) lang und transportieren die
Niederschläge aus den Gebirgen durch die Wüstengebiete Zentralasiens bis zum Aralsee.
Die von diesen Strömen zum Aralsee beförderten Mengen an Wasser waren über Jahrzehnte
stabil und lagen bei etwa 50 km³ pro Jahr. Zusammen mit den etwa 9 km³ an jährlichen
Niederschlägen wurde damit die Verdunstungsrate des Aralsees ausgeglichen. Die Höhe des
Wasserspiegels des Aralsees schwankte in den Jahren vor 1960 nur um 0,25 - 0,35 m.
Seit mehreren tausend Jahren nutzten die Bewohner dieser ariden Gebiete das Wasser des
Amudarja und des Syrdarja zur Bewässerung. Dies hat das Gleichgewicht des Wasserhaushalts jedoch nicht beeinträchtigt.
Der Aralsee war bis in die Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts der viertgrößte Binnensee
der Erde und hatte eine Ausdehnung von 68.000 km² und ein Volumen von 1050 km³ bei
einer Tiefe bis zu 68 m. Innerhalb der letzten dreißig Jahre hat er zwei Drittel seines Volumens und die Hälfte seiner Oberfläche verloren. Der Wasserspiegel ist bis zu 15 m gesunken.
Allerdings ist dieser Niedergang des Sees nicht der einzige in seiner etwa 10.000 Jahre
währenden Geschichte. So ist z. B. überliefert, dass Dschingis Khan, um die Stadt KhunjaUrgentsch zu erobern, einen Damm bauen ließ, der die Wasser des Amudarja zum Kaspischen
Meer hin abfließen ließ und so die Stadt zur Aufgabe zwang. Die Städte Taschkent, Kokand
und Andischan im Gebiet des Syrdarja sowie Samarkand, Buchara, Chiwa und Urgentsch im
Gebiet des Amudarja sind bekannte Stätten der zentralasiatischen Hochkulturen, Orte der mittelalterlichen Seidenstraße.
Die Menschen lebten entweder sesshaft als Bauern und Handelsleute in Siedlungen nahe den
Flussläufen, oder sie zogen als Nomaden mit ihren Kamel- und Schafherden durch die Wüsten und Steppen.
Die Fischerei am Aral war für die Steppenvölker im Süden des Sees nicht üblich, sie wurde
mehr im Norden des Sees betrieben. Das änderte sich, als das Volk der Karakalpaken von der
Wolgamündung an den südlichen Aral zwangsweise umgesiedelt wurde. Eine Fischindustrie
am Südufer des Aral entstand. Eine große Fischereiflotte fing in den vierziger und fünfziger
Jahren desletzten Jahrhunderts bis zu 44.000 Tonnen im Jahr Fisch, der an Ort und Stelle verarbeitet und von hier aus in die damalige UdSSR versandt wurde.
Die gigantischen Bewässerungsprojekte der Sechziger- und Siebzigerjahre, die die Zuflüsse
des Aralsees anzapften und die Wüste urbar machen sollten, stellten jedoch den gravierendsten Eingriff in das fragile Gleichgewicht dieser Region dar. Insbesondere der Bau des
Karakum-Kanals entlang des Kopetdag-Gebirges in Turkmenistan kennzeichnet den Übergang von der bäuerlichen zur industriellen Landwirtschaft in Zentralasien. Mit der Vision
eines blühenden Garten Edens in diesen Wüstenregionen wurde in den Jahren 1950 bis 1980
die Anbaufläche von 4,5 Mio ha auf 7,5 Mio ha erhöht.
Baumwolle und Reis, seit altersher Produkte dieser Region, werden nun als Monokulturen
industriell angebaut. 95 % der Baumwoll- und 40 % der Reisproduktion der ehemaligen
UdSSR stammen von hier. Die ehemalige Sowjetunion wurde so zum drittgrößten Baumwollproduzenten der Erde. Die Vergrößerung der Produktionsfläche wurde durch eine Ausweitung
des Bewässerungsnetzes erreicht. Als markantester Eingriff muss der Bau des KarakumKanals gewertet werden, der 1960 begonnen wurde und eine Länge von 1400 km erreicht hat.
Er entzieht dem Amudarja jährlich etwa 12 km³ Wasser von insgesamt 35 km³ und leitet es in
die Wüsten Turkmenistans.
Der Wasserverbrauch und die Ausweitung der Anbauflächen hat in den letzten Jahren einen
solchen Umfang angenommen, dass praktisch kein Wasser dem Aralsee mehr zugeführt wird.
Der See ist auf ein Drittel seines Volumens und auf zwei Drittel seiner Oberfläche geschrumpft. Die ökologischen, klimatischen und auch die sozioökonomischen Konsequenzen
dieses Eingriffs in die Natur sind katastrophal. Der trockengelegte Seeboden wurde zur Sandund Salzwüste. Der feine Salzstaub wird nun leicht vom Wind verweht. Und immer mehr
starke Winde, Windhosen und Stürme fegen über die Wüsten am Aral – eine Folge davon,
dass der früher riesige Wasserkörper des Sees nicht mehr ausgleichend auf schnelle Temperaturveränderungen wirken kann. Die Auswirkungen der Salz- und Sandstürme, die vom
trockenen Aral ausgehen, sind noch in 800 km Entfernung zu spüren.
Viele Einwohner von Arals´k und Muinak haben ihre Heimat schon verlassen. Für die Menschen, die geblieben sind, wird Fisch von weit her antransportiert, um die Fischindustrie in
Gang zu halten - eine nicht nur ökonomisch unsinnige Methode.
Dass die Eingriffe in die Natur nicht ohne Folgen bleiben, das war den Planern in den
Moskauer Ministerien für Landwirtschaft und Wasserwirtschaft bewusst. Dass die Folgen
aber so katastrophal sein werden, das wurde nicht erwartet. Dabei sind die Auswirkungen der
Bewässerungslandwirtschaft fast überall auf der Erde ähnlich folgenreich.
Durch die Bewässerung mit Flusswasser, das etwa 0,01 % Salze enthält, werden gewaltige
Mengen an Salzen auf das Land gebracht. In ariden Gebieten ist die Verdunstung sehr hoch,
so dass auf einem Hektar Baumwollfeld, das mit 15.000 m³ Wasser bewässert wird. Allein
hierdurch ca. 1,5 t Salz pro Jahr abgelagert werden. Dieses Salz akkumuliert über mehrere
Jahre auf den bewässerten Feldern, sodass der Boden durch eine Waschbewässerung wieder
vom Salz befreit werden muss. Damit wird aber auch der Grundwasserspiegel erhöht. Dieses
Grundwasser ist in der Regel sehr viel salzhaltiger. Durch die Kapillarkräfte des Bodens wird
das Grundwasser bis in die obersten Bodenschichten gesogen und trägt beim Verdunsten
erneut zu einer hohen Versalzung der Böden bei. Mit den folgenden Waschwässern muss jetzt
eine noch höhere Salzfracht ausgespült werden, der Zyklus beginnt von neuem und wird
immer kürzer.
Die Waschwässer gelangen mit ihrer erhöhten Salzfracht ins Grundwasser und in die Flüsse
und erhöhen damit wieder den Salzeintrag auf den Feldern. Je weiter die Felder flussabwärts
liegen, um so mehr sind sie gefährdet. Daher versucht man die salzhaltigen Waschwässer in
Kanälen aufzufangen und in spezielle Auffangreservoire zu leiten, um so das Flusswasser zu
entlasten.
Das Grundwasser wird allerdings nur in geringem Maße dadurch entlastet, da die Kanäle
nicht abgedichtet sind. Es gibt nun ein Programm, das die Neukonstruktion oder Verbesserung der alten Kanäle zum Ziel hat.
Die Versalzung der Böden und des Grundwassers ist nur eine schlimme Folge der Baumwollund Reismonokulturen. Hinzu kommt, dass Monokulturen besonders schädlingsanfällig sind.
Nach dem Grundsatz „viel hilft viel“ werden Pestizide eingesetzt – ebenso Herbizide und
Mineraldünger.
Und vor der Ernte der Baumwolle werden Entlaubungsmittel gesprüht, früher Gifte wie
„Orange“ oder „Purpur“, heute ersetzt durch Magnesiumchlorate. Diese Mittel werden in gewaltigen Mengen eingesetzt – nach vorliegenden Informationen 1990 ca. 42.000 t. All diese
chemischen Verbindungen sammeln sich und akkumulieren im Grundwasser, den Flüssen und
den Wasserreservoiren, die als Trinkwasserquellen und als Fischgewässer genutzt werden. So
gelangen diese Gifte in die Nahrungskette und bedrohen die Menschen im Gebiet des
Amudarja und des Syrdarja, vor allem aber im Gebiet des Aral. Hepatitis, Tuberkulose und
Krebserkrankungen sind weit verbreitet, selbst Typhus bricht gelegentlich aus. Bluthochdruckerkrankungen und Nierenschäden sind eine Folge der hohen Salzmengen, die die
Menschen einatmen oder mit der Nahrung aufnehmen.
Und natürlich ist die Arbeit auf den pestizid- und herbizidbelasteten Feldern äußerst ungesund. Trotzdem wurde erst kürzlich in Turkmenistan die Kinderarbeit auf den Baumwollplantagen verboten.
Durch die vielen neu entstandenen Reservoire zum Ausgleich der im Jahresverlauf recht
unterschiedlichen Abflussmengen des Amudarja und des Syrdarja, ist dem Aralsee so viel
Wasser entzogen worden, dass die Schrumpfung des Sees in den letzten Jahren dramatisch
fortschritt. Zu Beginn der Siebzigerjahre wurden noch Kanäle von den Hafenstädten zum
Meer gegraben, aber Ende der Siebzigerjahre wurde dieses Unterfangen gestoppt, die Schiffe
wurden aufgegeben. Heute gibt es nur noch einzelne Schiffe der Marine im Aralsee, in der
Regel wird der See nicht mehr befahren.
Die Problematik des Aral und der Bewässerungslandwirtschaft wurde 1988 von der
damaligen KPDSU erkannt. Es gab mehrere Entschließungen zur Lösung der Probleme. Aber
die Menschen und vor allem die Politiker weit ab vom See sahen mehr den landwirtschaftlichen Profit als die Katastrophe am Aral.
Schon in den Jahren davor gab es eine Menge von ökologisch und ökonomisch unsinnigen
Vorschlägen, den Aral zu retten. Die einen wollten sibirische Flüsse umleiten, die anderen
wollten die Gletscher des Pamir künstlich abschmelzen, um Wasser für den Aral zu gewinnen.
Dass mit solchen „Reparaturmaßnahmen“ noch schlimmere ökologische Katastrophen in anderen Regionen herbeigeführt werden, haben unter der Regierung von Gorbatschow die maßgeblichen Politiker erkannt. Diese Lösungen des technischen Wahns konnten so verhindert
werden. Die einzige Lösung der katastrophalen Situation am Aral und im Baumwollanbaugebiet wäre eine Wasser sparende Bewässerung – geschlossene Kanäle, unterirdische Bewässerung der Felder, Tröpfchenbewässerung und Reduzierung der Monokulturen.
Für solche Maßnahmen fehlt vor allem das Geld, aber auch der politische Wille in den nun
selbstständigen Staaten im Gebiet des Amudarja und Syrdarja.
Produktion
Hilgert & Witsch Filmproduktion Sauerwies,
im Auftrag des FWU Institut für Film und Bild, 1992
Buch und Regie
Hansjürgen Hilgert
Kamera
Christel Fromm
Musik
KPM, UBM Records
Begleitkarte
Dr. Dietmar Keyser
Fachberatung
Prof. Dr. Roland Hahn
Dr. Dietmar Keyser
Bildnachweis
Hansjürgen Hilgert
Pädagogische Referentin im FWU
Dr. Gabriele Thielmann
Verleih durch Landes-, Kreis- und Stadtbildstellen
Verkauf durch FWU Institut für Film und Bild, Grünwald
Nur Bildstellen/Medienzentren:
ÖV zulässig
Für diese Filmproduktion ist ein FSK-Freigabevermerk
nicht erforderlich
© 1992
FWU Institut für Film und Bild
in Wissenschaft und Unterricht
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Bavariafilmplatz 3
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