Auslandspraktikum bei der Bosch Rexroth (Beijing) Hydraulics Co
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Auslandspraktikum bei der Bosch Rexroth (Beijing) Hydraulics Co
Erfahrungsbericht Auslandspraktikum bei der Bosch Rexroth (Beijing) Hydraulics Co., Ltd. in Peking, Volksrepublik China 01.November 2011 bis 30. April 2012 Bosch Rexroth China 6 South Yongchang Road Beijing Economic-Technological Development Area 100176 Beijing CHINA Robert Schulte Room 701, Block 1, Building 2, Yi pin yi zhuang, Yard 7, Tian hua Bei jie, Beijing Economic-Technological Development Area CHINA 1. Vorwort Mein Auslandspraktikum absolvierte ich als Bestandteil meines IME-Studiums im nicht deutschsprachigen Ausland. Bedingt durch die fortschreitende Globalisierung bieten sich heute interessante Mӧglichkeiten in nahezu allen Teilen der Welt. Für mich bot sich jedoch in China die beste Kombination aus fremder, faszinierender Kultur auf der einen und wirtschaftlichem Potential auf der anderen Seite. Daher entschloss ich mich für ein Auslandspraktikum in China. Die Bosch Rexroth AG war dabei von Beginn an das Unternehmen der Wahl. Schon während meines Studiums arbeitete ich als Werkstudent bei Bosch Rexroth in Witten, dem Leitwerk für Peking im Bereich Getriebetechnik. Das Unternehmen gehӧrt zu den führenden Herstellern von hydraulischen Antriebssystemen, die gestellten Aufgaben waren immer interessant und die Zusammenarbeit mit den Kollegen stets angenehm. So bewarb ich mich für ein sechsmonatiges Praktikum in der Qualitätsabteilung in Peking und bekam Mitte letzten Jahres die erhoffte Zusage. 2. Volksrepublik China Nach einer langen und bewegten Geschichte wurde die Volksrepublik China, wie auch die Bundesrepublik Deutschland, 1949 gegründet. Die Volksrepublik China ist mit etwa 1,34 Milliarden Menschen das bevӧlkerungsreichste Land der Erde und mit einer Fläche von 9,57 Millionen Quadratkilometern fast 27-mal so groß wie die Bundesrepublik. China ist, gemessen am BIP, aktuell die zweitgrӧßte Volkswirtschaft der Welt. Beim BIP pro Kopf belegt das Land allerdings nur Platz 90. Auch wenn eine Mittelschicht heranwächst, ist die Verteilung des Wohlstands demnach immer noch ein zentrales Problem. Die chinesische Wirtschaft gehӧrt 1 zu den wachstumsstärksten weltweit und wird, bedingt durch die Krisen in Europa und Amerika, 2012 schätzungsweise um „nur“ etwa acht Prozent zulegen. 3. Peking Peking ist die Hauptstadt der Volksrepublik China und blickt auf eine über dreitausendjährige Geschichte zurück. Heute ist Peking, die „nӧrdliche Hauptstadt“, eine regierungsunmittelbare Stadt und ist somit direkt der Zentralregierung unterstellt. Aufgeteilt ist Peking in 14 Stadtbezirke und zwei Kreise und ist mit über 16.800 km² so groß wie Thüringen. Geographische Lage Peking liegt im Nordosten des Landes (UTC +8), 110km nordwestlich des Golfs von Bohai. Geographische Lage Pekings in der VR China 2 Bevӧlkerung Seit 1920 stieg die Einwohnerzahl rapide an. Zwischen 1955 und 2007 verdoppelte sich die Einwohnerzahl der Kernstadt auf knapp 7,8 Millionen Menschen. Mit insgesamt mehr als 19 Millionen Einwohnern ist Peking heute, nach Shanghai, die zweitgrӧßte Stadt Chinas und eine der grӧßten Städte der Welt. Kultur und Sehenswürdigkeiten Peking verfügt über ein imposantes Kulturerbe. Der Kaiserpalast der Ming und Qing Dynastie war über 500 Jahre lang das Machtzentrum Chinas. Der Bevӧlkerung war der Zutritt nicht gestattet, daher auch der Name „Verbotene Stadt“. Der Komplex hat eine Grundfläche von 720.000m², davon sind 150.000 m² bebaut. Der Palast verfügt über 9.999,5 Zimmer, der Legende nach durfte nur der Himmel einen Palast mit 10.000 Zimmern haben. Tor des himmlischen Friedens vor dem Kaiserpalast 3 Im Süden der Verbotenen Stadt befindet sich der Platz des himmlischen Friedens, einer der grӧßten befestigten Plätze weltweit. Spätestens 1989 erlangte dieser traurige Berühmtheit, als das Militär Proteste der Demokratiebewegung blutig niederschlug. Auf dem Platz steht neben dem Denkmal für die Helden des Volkes auch das Mausoleum Mao Zedongs. Im Großstadtdschungel sorgen Tempel- und Parkanlagen immer wieder für willkommene Abwechslung. Zudem bietet Peking eine Vielzahl an Museen und Theatern. Eines der kreativen Zentren der Stadt befindet sich seit im Nordosten der Stadt, das Kunstviertel 798. Die Chinesische Mauer, eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Chinas, verläuft etwa hundert Kilometer nӧrdlich des Stadtzentrums. Die Mauer ist seit 1987 Weltkulturerbe und das wohl grӧßte Bauwerk der Welt. Wirtschaft Peking ist nicht nur das politische Zentrum Chinas, sondern auch einer der stärksten Wirtschaftsstandorte. Das Dienstleistungsgewerbe, die Industrie und das Baugewerbe haben dabei, bedingt durch Wachstum und Urbanisierung, in den letzten Jahren immer weiter an Bedeutung gewonnen. Der Handel, vor allem mit Luxusgütern, floriert in der chinesischen Hauptstadt. Aber auch Landwirtschaft und Handwerk spielen immer noch eine wichtige Rolle. Das BIP pro Kopf liegt in Peking mit 80.449 CNY deutlich über dem chinesischen Durchschnitt. Klima Peking liegt in einer Zone kontinentalen Klimas mit kalten, trockenen Wintern und feuchten, warmen Sommern. Im Winter liegen die Temperaturen meist unterhalb 4 des Gefrierpunktes, im Sommer liegt die Durchschnittstemperatur bei über 25°C. Frühling und Herbst sind in Peking eben so schӧn wie kurz. Es ist meist trocken bei angenehmen Temperaturen von tagsüber etwa 20°C. Umweltprobleme Peking leidet unter erheblicher Verschmutzung von Luft und Wasser. Kraftwerke, Industrie und das immense Verkehrsaufkommen in der Hauptstadt verursachen eine hohe Feinstaubbelastung und damit ein hohes gesundheitliches Risiko für die Einwohner der Metropole. Auch wenn die Regierung seit geraumer Zeit gegen die Verschmutzung vorgeht, zählt die Luftqualität auch heute noch zu den schlechtesten weltweit. 4. Bosch Rexroth (Beijing) Hydraulic Co., Ltd. Werk der Bosch Rexroth AG in Peking Die Bosch Rexroth AG verfügt über zwei Werke (PkP Site 1 und PkP Site 2) in der „Beijing Economic-Technological Development Area“, einem Industriegebiet 5 im Südosten der Stadt. Gefertigt werden dort Komponenten für hydraulische Antriebe und Getriebe für Windkraftanlagen. Ingesamt beschäftigt die Bosch Rexroth (Beijing) Co., Ltd. 1.300 direkte Mitarbeiter in Peking. 5. Ankunft Als ich Anfang November in Peking landete fand ich schade, dass ich beim Landeanflug aufgrund des vermeintlichen Nebels nichts von Peking sehen konnte. Dass die Luftverschmutzung dafür verantwortlich war und mir noch des Öfteren einen klaren Ausblick verwehren würde, ahnte ich damals noch nicht. Der Pekinger Flughafen ist gemessen an den Passagierzahlen der zweitgrӧßte Flughafen der Welt, man findet sich aber trotzdem ganz gut zurecht. Schwieriger wurde es dann schon beim Taxi fahren, hier hilft nur ein Zettel mit der chinesischen Adresse. Auch sollte man nur mit offiziell lizenzierten Taxis fahren, um nicht über den Tisch gezogen zu werden. Naja, nachher ist man immer schlauer. Immerhin bin ich zügig und ohne weitere Probleme ans Ziel gekommen. Vor dem von der Firma angemieteten Apartment wurde ich dann von einer Dame aus der Personalabteilung empfangen. Diese zeigte mir die Wohnung und übereichte mir den Schlüssel für mein neues „Zuhause“. Die Wohnung teilte ich mir während des Praktikums mit ein bis zwei anderen Rexroth-Praktikanten. Die Praktika überschneiden sich zeitlich, was gerade am Anfang sehr angenehm ist, da man sich als Neuankӧmmling bei Fragen direkt an seine Mitbewohner wenden kann. Und Fragen gab es viele. 6. Arbeiten in Peking Am Tag nach meiner Ankunft bin ich dann mit meinem Mitbewohner im ӧffentlichen Bus zur Firma gefahren. Obwohl der Bus immer ziemlich voll ist, 6 nutzen viele Chinesen die Fahrt, um noch etwas Schlaf nachzuholen. Geschlafen wir übrigens nicht nur im Bus, sondern auch in der Bahn, im Restaurant (Bedienung eingeschlossen), auf Bänken oder anderen Sitzgelegenheiten. Vor der Firma traf ich dann auch meinen Chef und Betreuer Herrn Dr. Szimmat, den Leiter der Qualitätsabteilung. Im Büro angekommen, stellte er mich den neuen Kollegen vor und zeigte mir meinen Arbeitsplatz. Meine Kernaufgabe bestand aus einem Projekt zur Fähigkeitsbestimmung bei kleinen Losgrӧßen und ich machte mich direkt an die Arbeit. Die Kollegen waren von Anfang an sehr offen, freundlich und hilfsbereit. Zudem sprachen fast alle Kollegen im Büro Englisch, manche sogar Deutsch. So fand ich mich schnell zurecht und kam gut voran. Der prozessorientierte Ansatz des Unternehmens trägt dazu bei, dass die Arbeitsweise im Werk nicht mit der in vielen chinesischen Unternehmen oder auf Baustellen rund um das Werk vergleichbar ist. Zum Glück! Sicherheitsausrüstung scheint vielen anderen Unternehmen fremd zu sein, von Ordnung und Sauberkeit ganz zu schweigen. Insbesondere auf Baustellen wird ohne Schutzschild geschweißt, ohne Gehӧrschutz mit dem Presslufthammer gearbeitet und ohne Sicherung in luftigen Hӧhen verputzt. Bei Rexroth hingegen waren Sicherheitsschuhe und Schutzbrille in der Fertigung Pflicht. Mein Chef gab mir, neben dem Projekt, auch die Mӧglichkeit andere Unternehmensbereiche kennenzulernen. So lernte ich auch die Bereiche Entwicklung, Fertigung und Logistik kennen und half unter Anderem bei der Montage eines Getriebes für Windkraftanlagen. Besonders diese Vielfalt der Mӧglichkeiten und Einblicke hat die Arbeit in Peking stets interessant gemacht. Hinzu kamen weitere tolle Erlebnisse wie Abteilungsessen oder die große Annual Party, eine Firmenfest mit 1.600 Gästen. Das gemeinschaftliche Essen und Trinken ist für Chinesen sehr wichtig und trägt maßgeblich zur Integration bei. Bald verband mich mit einigen Kollegen ein freundschaftliches Verhältnis und so trafen wir uns gelegentlich auch nach der Arbeit. 7 7. Leben in Peking Auch nach der Arbeit kam in Peking nie Langeweile auf. In der Woche ging ich nach der Arbeit meist noch zum Sport und anschließend zum Abendessen. Das Essen war wirklich genial und wird zu den Dingen gehӧren, die ich am meisten vermissen werde. Einige Restaurants bieten auch Speisekarten mit Bildern oder auf Englisch an, ansonsten hilft das Zeigen auf Gerichte anderer Gäste. So bekam ich dann meist auch das was ich wollte. Dabei war nicht nur der Geschmack, sondern auch der Preis überragend. Verschiedene, reichhaltige Nudel- und Reisgerichte bekommt man bereits ab etwa 1,50 €. Für den gleichen Betrag bekommt man dann auch noch sämtliche Spielfilme auf DVD. Zudem verfügten wir in unserer Wohnung über verschiedene Sportsender, dort wurden neben NBA, NHL und Formel1 auch Champions League- und Bundesligaspiele übertragen. Am Wochenende standen dann meist Ausflüge zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt auf dem Programm. Die Deutsche Auslandshandelskammer in China sorgte mit ihrem Netzwerk für gute Kontakte zu anderen deutschen Praktikanten in Peking. Das U-Bahn-Netz ist gut ausgebaut und die Haltestellen sowie andere wichtige Informationen sind in englischer Sprache verfügbar. Nach kurzer Zeit konnte ich somit auch ohne „Guide“ in die Stadt wagen. Allein die riesige Stadt an sich und das alltägliche Leben dort waren jeden Tag aufs Neue ein spannendes Erlebnis. Neben den anfangs beschriebenen Sehenswürdigkeiten, zählen der Sommerpalast, der Lama Tempel und das Olympiagelände sicher zu den absolut besuchenswerten Orten in Peking. Außerdem sollte man die große Einkaufstraße der Stadt, die „Wangfuxing“, gesehen haben. Neben luxuriӧsen Läden gibt es dort eine Gasse mit kleinen Garküchen, diese bieten von der Spinne bis zur Schlange fast alles an. Dies entspricht allerdings nicht der typischen Pekinger Küche und ist sowohl für Ausländer als auch für Chinesen 8 eine Attraktion. Das kulinarische Angebot der Stadt ist sehr vielfältig. So habe ich neben japanischem Teppanyaki, koreanischem Barbecue und thailändischer Küche auch Bratkartoffeln in einem deutschen Restaurant gegessen. Anschließend ging es dann meist noch in eine der vielen Bars oder einen Club. Besonders beeindruckend ist der nächtliche Blick über die Stadt aus der „Atmosphere Bar“ im 85. Stock. 8. Reisen durch China In meiner Freizeit hatte ich zudem die Mӧglichkeit auch andere Teile des Landes kennenzulernen. So war ich im Dezember mit ein paar chinesischen Freunden zum Skifahren im Wanlong Skiresort. Das Skigebiet liegt etwa 250km nӧrdlich von Peking in der Provinz Hebei. Mit immerhin 22 Pisten war das Skigebiet grӧßer und besser als erwartet und reichte aus, um uns zwei schӧne Skitage in China zu bescheren. Anfang Januar war ich dann mit ein paar anderen deutschen Praktikanten in Harbin, im Norden Chinas. Dort war es mit -20°C bis -25°C noch mal deutlich kälter als in Peking, uns wurde allerdings gesagt, dass wir mit den „milden“ Temperaturen Glück hatten. Tatsächlich wird es dort bis zu -40°C kalt. Durch die extreme Kälte kann Harbin jeden Winter das Eis- und Schneefestival ausrichten, bei dem Skulpturen und ganze Paläste aus Eis entstehen. Zu diesem Anlass reisen Künstler aus der ganzen Welt an und selbst in der Fußgängerzone stehen Eisskulpturen. In den Neujahrsferien, Ende Januar, reiste ich dann mit meiner Freundin und zwei Freunden nach Xian, um die berühmte Terrakotta-Armee zu sehen. Ebenfalls ein tolles Erlebnis, die über 2.000 Jahre alte Grabanlage wurde vermutlich von mehreren hunderttausend Arbeitern errichtet. Etwa 8.000 lebensgroße Terrakotta-Soldaten wachen über das kaiserliche Grab. Spannend 9 war aber auch die Stadt Xian, in der die Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie in Peking oder Shanghai. Dort sieht man zum Beispiel noch Zahnärzte auf offener Straße praktizieren. Anschließend war ich dann in Hong Kong, eine aufregende Stadt und ganz anders als Peking. Auch das Klima ist ein ganz anderes. So konnte ich, während es in Peking noch eiskalt war, in Hong Kong bereits im Meer schwimmen. Der britische Einfluss ist noch deutlich spürbar, das merkt man nicht zuletzt am Linksverkehr. Dass ein großer Teil der Menschen um einen herum Englisch spricht, war eine willkommene Abwechslung. Im Februar hatte ich die Mӧglichkeit meinen Vater in Chuzhou zu besuchen, da dieser geschäftlich in China war. Gereist bin ich mit dem über 300km/h schnellen Schnellzug, der zwischen Peking und Shanghai verkehrt. Zum Abschluss war ich dann noch mit meinem Mitbewohner in Shanghai. Auf der Hinfahrt haben wir den langsamen Zug gebucht und haben so fast 15 Stunden bis nach Shanghai gebraucht. 9. Ausblick Insgesamt war die Zeit in Peking sehr wertvoll für mich, da ich eine Menge mitnehmen konnte. Das gilt sowohl für meine persӧnliche Entwicklung, als auch für die Vertiefung meiner fachlichen Kenntnisse. Nach diesem halben Jahr im Reich der Mitte, kann ich diesen Schritt jedem nur wärmstens empfehlen. Das Land, die Leute und auch das Unternehmen haben mich begeistert und geprägt. Mein besonderer Dank gilt: Prof. Dr. Paul Gronau (FH-SWF), Dr. Frank Szimmat (Bosch Rexroth AG), Frau Winkler und Frau Mahlstedt (Akademisches Auslandsamt) 10