Fit beim Fasten - Kurhaus St. Otmar

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Fit beim Fasten - Kurhaus St. Otmar
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Nr. 10, 4. März 2013 | migros-magazin |
Fit beim Fasten
Manche fasten, um den Körper zu entschlacken oder um abzunehmen, andere
aus spirituellen Gründen. Immer öfter wird der Verzicht auf feste Nahrung
mit Bewegung kombiniert, neuerdings sogar mit Sport. Die Ostschweizerin
Priska Ritter schwört auf die neue Kombination und fühlt sich topfit dabei.
P
«Ich war
erstaunt,
wie viel
Energie ich
trotz des
Verzichts
auf feste
Nahrung
hatte.»
riska Ritter (54) ist eine Powerfrau.
In ihrem Leben laufen die Motoren
stets auf Hochtouren. Das gehört
zu ihr. Vor vier Jahren aber hatte sie
plötzlich das Bedürfnis, ihr Tempo einmal herunterzufahren. So fand die
Erwachsenenbildnerin aus Widnau SG
zum Fasten.
Sie buchte eine professionell geleitete
Trink-Fasten-Woche in der Einsamkeit
der Rigi. Sechs Tage lang gab es Wasser,
Fruchtsäfte, Tees, Bouillons und Molke
und einen wunderbaren Blick auf den
Vierwaldstättersee. «Ich habe die Massagen, Wickel und Morgengymnastik
genossen. Auf die Dauer war mir das aber
zu langweilig.» So buchte Priska Ritter
beim nächsten Mal eine Sport-FastenWoche und hat damit die Methode gefunden, die ihr entspricht.
Der befristete Verzicht auf feste Nahrung ist in vielen Kulturen und Religionen seit Jahrtausenden verwurzelt. Heute wächst die Zahl derer, die damit den
Körper entschlacken, abnehmen, ein
neues Körperbewusstsein entwickeln
und — immer öfter — im hektischen Alltag Ruhe finden möchten. Manche fasten
für sich allein zu Hause, andere gehen in
Fastenkuren oder Fastenkliniken mit
ärztlicher Betreuung. Im Trend sind Varianten, die mit Wandern einhergehen.
Dass Fasten mit «richtigem» Sport
kombiniert wird, ist hingegen neu. Auf
den ersten Blick scheint sich dieser Mix
zu widersprechen. Denn viele fühlen sich
während des Fastens ziemlich schlapp.
Wer sich aber darauf einlässt, ist in der
Regel begeistert – so wie Priska Ritter.
Die Mutter einer erwachsenen Tochter
fastet zwei Mal jährlich im Kur- und
Ferienhaus St.Otmar in Weggis LU. Das
Programm der Sport-Fasten-Woche
sieht jeden Tag und je nach Jahreszeit eine
andere Aktivität vor: Rudern, Joggen,
Schneeschuhwandern, Pedalofahren,
Seilparkgänge, E-Bike- oder Velofahren.
Vier Stunden sind die Fastenden täglich in der Natur unterwegs. «Ein Sport-
programm hat den Vorteil, dass man sich
nicht lange überlegen muss, ob man sich
fit fühlt oder zu müde ist. Man rafft sich
auf, weil es so vorgesehen ist, und erlebt
dann eine Riesenüberraschung», erzählt
Priska Ritter. «Ich war anfangs sehr erstaunt, wie viel Energie ich trotz des Verzichts auf feste Nahrung hatte.»
Warum sich Menschen, die sich beim
Fasten körperlich bewegen, fitter fühlen
als solche, die dabei nur ruhen, hat seinen Grund. «Wenn die Kohlenhydrat-
speicher nach ein bis drei Fastentagen
leer sind, holt sich der Körper die Energie dort, wo er sie am leichtesten herbekommt: aus den Muskeln. Deshalb
fühlen sich Ruhefaster oft schlapp», erklärt Armin Bürgler, Leiter Medizin bei
«medbase» Winterthur. «Wer dagegen
beim Fasten körperlich aktiv ist, also
Sport treibt oder wandert, der schützt
die Muskeln vor dem Abbau. Statt aus
den Muskeln holt sich der Körper die
Energie aus den Fettreserven», erklärt
Schlappheit sieht anders aus: Priska Ritter hat sich den Zweier geschnappt und ist bereit für
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migros-magazin | Nr. 10, 4. März 2013 |
der Arzt. Höchstleistungen sind aber
nicht gefragt. «Intensives Training ist
weder möglich noch sinnvoll, weil die
Energiegewinnung aus Fett mehr Sauerstoff braucht als aus Kohlenhydraten.
Man ist automatisch langsamer.»
Das gefühl, energie getankt
zu haben, hält lange an
Weil der Körper beim Sport-Fasten
schneller auf die Fettreserven zurückgreift und erst noch mehr Kalorien verbraucht, verliert man dabei auch mehr an
Gewicht. Priska Ritter nimmt pro Fastenwoche, in der sie täglich vier Liter
Flüssigkeit trinkt, drei bis fünf Kilo ab.
Auch das Gefühl, die Energiereserven
aufgefüllt zu haben, daure jeweils lange
an, erzählt sie. «Es gibt Mitfastende die
genau diesen Effekt einplanen. Sie
buchen drei Wochen vor dem Wettkampf
eine Sportfastenwoche, um am Wettkampf leistungsfähiger zu sein.»
Mindestens so sehr wie den Gewichtsverlust schätzt die Rheintalerin aber andere Effekte des Sports. «Die Aktivitäten
fordern meine ganze Aufmerksamkeit
und lenken mich wunderbar ab, etwa
vom Gluscht zu essen und von Symptomen wie Kopf-, Gelenkschmerzen oder
Wadenkrämpfen, wie sie beim Fasten
auftreten können.» Wie viele andere
Teilnehmer fühlte sie sich energiegeladen und positiv gestimmt wie selten.
«Immer wieder wird beschrieben,
dass erst durch die sportliche Aktivität
das Fasten intensiv und bewusst wahrgenommen wird», bestätigt Sportmediziner Bürgler. «Wissenschaftliche
Erkenntnisse gibt es dazu keine. Möglicherweise ist der Hirnstoffwechsel im
Fastenzustand reger, und es werden mehr
Endorphine, sogenannte Glückshormone, ausgeschüttet.»
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Nur die Konzentration fällt Priska Ritter
beim Sportfasten genauso schwer wie
beim normalen Fasten. Aber das ist nebensächlich. Schliesslich will sie ja genau
das Gegenteil erreichen: abschalten,
runterfahren, loslassen und entspannen.
Texte: Caroline Doka
Bilder: René Ruis
www.migrosmagazin.ch
geWussT, Wie
Die Regeln des Sport-Fastens
Was ist das Minimum, das man beim
Fasten zu sich nehmen muss, damit man
vernünftig Sport treiben kann?
Der Sport lenkt
Priska Ritter
vom Gluscht ab
und gibt ihr viel
Energie – auch
ohne Essen im
Magen.
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«In den ersten zwei, drei Tagen können sich
Fastende etwas unwohl fühlen»
Armin Bürgler, was passiert beim Fasten im
Körper?
Armin Bürgler
ist Facharzt
für Allgemeine
Medizin und
Sportmedizin
bei «medbase»
in Winterthur.
Es kommt zu einer Stoffwechselveränderung, weil der Körper während des
Fastens fast keine Kalorien mehr zu sich
nimmt. Während der Körper Fett als Reserve für eine lange Hungerperiode speichern kann, ist diese Fähigkeit für die
Kohlenhydratspeicherung beschränkt
und reicht nur für ein bis drei Tage.
Mit welchen Konsequenzen?
Ist der Kohlenhydratspeicher leer, ist die
Leber gefordert. Sie beginnt den überlebenswichtigen Zucker für das Hirn aus
dem Speicherfett zu gewinnen. Gleichzeitig stellen die Muskelzellen zunehmend vom Kohlenhydratstoffwechsel
fast gänzlich auf Fettstoffwechsel um.
Das führt unter anderem zum typischen
Acetongeruch der Atemluft.
Welche Rolle spielt das Hirn dabei?
eine Ruderpartie.
In der Phase der Umstellung, also in den
ersten zwei, drei Tagen, können sich
Fastende etwas unwohl fühlen. Denn mit
der Entleerung der Kohlenhydratreserven fehlt dem Körper der Zucker, der vor
allem für das Hirn wichtig ist. Ist der
Kohlenhydratspeicher leer, dann sinken
der Serotoninspiegel und der Spiegel
anderer Botenstoffe des Hirns. Dadurch
kann es zu Verstimmungen, sogar zu
einem depressiven Zustandsbild kommen. Nach der vollständigen Stoffwechselumstellung geht es den meisten
wieder besser.
Welches sind die positiven Auswirkungen
des Fastens? Ist es eine geeignete Methode,
um abzunehmen?
Das Durchbrechen des alltäglichen Ernährungsverhaltens führt häufig dazu,
die bisherigen Ernährungs- und Trinkgewohnheiten zu überdenken. Immer
wieder gelingt es Menschen mit Übergewicht, dank des Fastens die Ernährungsmassnahmen zur Gewichtsregulierung
umzusetzen, nachdem sie bisher erfolglos waren.