fips code list

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fips code list
Adressierung von Gebietskörperschaften in der
Frühwarnung mit HASC – Unzulänglichkeiten in
existierenden Geocode-Standards
Matthias LENDHOLT, Matthias SCHROEDER,
Martin HAMMITZSCH und Joachim WÄCHTER
Zusammenfassung
Frühwarnsysteme müssen bei der Verbreitung von Warnnachrichten auf nationaler Ebene
die administrativen Gebiete – wie Bezirke und Kreise – der jeweiligen Nation berücksichtigen. Diese administrativen Einheiten sind mittels sogenannter Geocodes standardisiert
adressierbar. Im Projekt DEWS (Distant Early Warning Systems) wurde die Entwicklung
eines internationalen Tsunamifrühwarnzentrums für die Anrainerstaaten des Indischen
Ozeans prototypisch realisiert. Hierbei wurden Probleme mit den unterschiedlichen administrativen Gebietseinheiten in einem internationalen Kontext offensichtlich. Insbesondere
hat sich gezeigt, dass die internationalen Standards ISO-3166, SALB, NUTS und FIPS
nicht die aufgetretenen Anforderungen erfüllen konnten. Stattdessen wurde eine generische,
unterschiedliche Geocode-Standards berücksichtigende Lösung unter Verwendung von
CAP und EDXL-DE sowie dem de facto Standard HASC, für die Informationslogistik des
Frühwarnsystems implementiert.
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Problemstellung
Frühwarnsysteme bündeln eingehende Sensordaten, Lageinformationen und Simulationsergebnisse, um diese verifiziert und verdichtet als Warnnachricht passgenau an den jeweiligen Empfänger weiterzugeben. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Raumbezug –
sowohl um die Gefährdungsparameter einzelner Gebiete gegeneinander abzugrenzen, als
auch um spezifische Empfängergruppen zu ermitteln und die unnötige Alarmierung Unbetroffener zu vermeiden. Die Adressierung von betroffenen Gebieten wird unter Verwendung von Gebietskörperschaften vorgenommen. Diese sind einerseits lokalen Behörden und
Rettungskräften bekannt und entsprechen deshalb häufig den Strukturen und Zuständigkeiten in den Organisationen. Zum anderen sind sie auch für die Zivilbevölkerung eine wohlbekannte räumliche Einteilung ihrer Umwelt und im Allgemeinen die zweckdienlichste
Möglichkeit um einen Raumbezug herzustellen. Demgegenüber stellen anderweitige Unterteilungen wie z.B. Postleitzahlen nur auf abstrakter Ebene einen Raumbezug her, die dem
Empfänger von Warnnachrichten weniger geläufig und somit nicht unmittelbar nutzbar
sind.
Die eindeutige Adressierung von Gebietskörperschaften erfolgt mittels Geocodes, d.h. über
standardisierte Identifikatoren für die jeweiligen Gebiete. Bei der Schaffung von GeocodeStandards wurden häufig nur bestimmte Interessen oder Regionen berücksichtigt, so dass
diese die Anforderungen eines internationalen Frühwarnsystems nur unzulänglich erfüllen.
M. Lendholt, M. Schroeder, M. Hammitzsch und J. Wächter
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Anforderungen an Geocode-Standards
Die Verwaltungsgliederung von Staaten in Gebietskörperschaften folgt weltweit unterschiedlichen Kriterien und lässt sich deshalb nur bedingt vergleichen und in ein einheitliches Schema pressen:
Level 0: Country > Level 1: State > Level 2: District > Level 3: County
Während in Deutschland aufgrund existierender Regierungsbezirke in fünf der 16 Bundesländer Landkreise der dritten Ebene entsprechen, gehören in Österreich die vergleichbaren
Bezirke der zweiten Ebene an. Auch die Unterschiede in der Flächengröße von Territorien
gleicher Hierarchieebene veranschaulichen die Schwierigkeit einheitlich vorzugehen: Wien
mit 415km² gegenüber Western Australia mit 2.529.880 km². Trotz dieser Unstimmigkeiten
bieten Gebietskörperschaften häufig die einzige Möglichkeit, einen nutzbaren Raumbezug
in der Frühwarnung herzustellen.
Bei der Nutzung in internationalen (Frühwarn-)Systemen ergeben sich unter anderem folgende Anforderungen an Geocode-Standards:
1. Eindeutigkeit: Geocodes müssen weltweit eindeutig sein, um in internationalen Systemen eine Adressierung von Gebietskörperschaften zu ermöglichen (siehe Abbildung 1).
Abb. 1:
Tsunami-Frühwarnung im Indischen Ozean: Betroffene Bundesstaaten und deren
weltweit eindeutigen HASC_1 Codes
Adressierung von Gebietskörperschaften in der Frühwarnung mit HASC
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Hierarchie: Die Abbildung der zuvor gezeigten Gebietskörperschaftshierarchie im
Geocode ermöglicht sowohl eine vereinfachte automatische Prozessierung aber auch
eine direkte Zuordnung bei der Rezeption der Warnnachricht.
Globale Abdeckung: Eine vollständige Abdeckung großräumiger Gebiete der Erde
(z.B. Einzugsbereich des Indischen Ozeans) ist notwendig, um in internationalen Systemen genutzt zu werden.
Aktualität: Politische Umstrukturierungen wie die Abschaffung von Regierungsbezirken in Niedersachsen, die Fusion von Landkreisen in Brandenburg oder die staatliche
Unabhängigkeit von Ost-Timor führen zu Veränderungen in den Gebietskörperschaften. Derartige Veränderungen müssen möglichst zeitnah im Geocode nachvollzogen
werden.
Verfügbarkeit von Geodaten: Diese Anforderung richtet sich weniger an den GeocodeStandard selbst, sondern an die Verfügbarkeit von den Standard unterstützenden Geodaten. Nur wenn seitens kommerzieller oder nichtkommerzieller Anbieter Datensätze
zur Verfügung stehen, kann eine Nutzung erfolgen.
Geocode-Standards im Vergleich
Für die Nutzung in internationalen Systemen eigenen sich keine lokalen oder funktional
stark begrenzten Geocodes, sondern nur welche mit einem – zumindest von Prinzip her –
umfassenden Anspruch auf Vollständigkeit.
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ISO-3166: Beinhaltet Länderkürzel (ISO-3166-1) und Kennungen für Level 1 (ISO3166-2). Offizielle Code-Listen sind nicht frei verfügbar sondern unterliegen einer
kommerziellen Lizenz.
SALB: „Second Administrative Level Boundaries data set project“ ist ein von der UN
Geographic Information Working Group (UNGIWG) initiiertes Projekt, welches die
ersten beiden Ebenen (Level 1 und 2) in der Gebietskörperschaftshierarchie abdeckt.
NUTS: „Nomenclature of Territorial Units for Statistics“ ist ein Geocode-Standard der
EU für statistische Zwecke, dessen Abdeckung im Wesentlichen nur Europa umfasst.
NUTS beinhaltet alle Ebenen der Verwaltungsgliederung bis hin auf die Gemeindeebene (NUTS5 = Level 5).
FIPS: „Federal Information Processing Standards“ bietet mit FIPS-10-4 (Länder und
Regionen) und FIPS-6-4 (Countycodes) eine Geocode-Standardfamilie die jedoch nur
bis Level 1 (Bundesstaaten) eine weltweite Abdeckung bietet.
HASC: „Hierarchical Administrative Subdivision Codes“ wurde von keiner nationalen
oder internationalen Organisation entwickelt, sondern in (LAW, 1999) vorgestellt und
wird auf http://www.statoids.com/ fortgeschrieben. Aufgrund der weltweiten Abdeckung, der beliebig erweiterbaren und leicht verständlichen hierarchischen Abbildung
(z.B. DE.BY.UF für Unterfranken in Bayern in Deutschland), der Kompatibilität mit
ISO-3166-1 sowie der Unterstützung im GADM-Datensatz (siehe unten), hat HASC
inzwischen den Status eines de facto Standards erhalten.
M. Lendholt, M. Schroeder, M. Hammitzsch und J. Wächter
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Tabelle 1:
Geocode-Standards gegenüber den aufgestellten Anforderungen
ISO
SALB
NUTS
FIPS
HASC
Eindeutig
Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Hierarchie
Bis Level 1,
z.B. DE-BY
Bis Level 2, z.B. Ja, aber nicht immer
DEU002007
1:1 Gebietskörperschaften entsprechend, z.B. DE26
Bis Level 1,
z.B. GM02
Prinzipiell beliebig. Für die
meisten Staaten
bis Level 2, z.B.
DE.BY.UF
Weltweit aber
einige wenige
Länder fehlen
Nur Europa
Ab Level 2
nur USA
Weltweit aber
unterschiedliche
Vollständigkeit
ab Level 2
Unregelmäßig
aber sämtlich
nach 2002
Jährlich
Seit 2008
Regelmäßig auf
kein offiziel- statoids.com
ler Standard
mehr
Abdeckung Weltweit
Aktualität
Jährlich
Geodaten
Z.B. GADM- Nicht vollstän- (wurde nicht ermitDatensatz
dig (weder
telt)
Thailand noch
Indonesien)
(wurde nicht Z.B. GADMermittelt)
Datensatz
Von den offiziellen Standards (ISO, SALB, NUTS und FIPS) kann derzeit keiner den Anforderungen eines internationalen Frühwarnsystems genügen. ISO-3166 bietet lediglich
eine hierarchische Abdeckung bis Level 1, was keine hinreichend kleinräumliche Aufteilung ermöglicht. NUTS und FIPS disqualifizieren sich aufgrund ihrer Fokussierung auf die
EU bzw. die USA. Das SALB-Projekt (http://www.unsalb.org/) bietet derzeit weder Geodaten für Indonesien noch Thailand (UNGIWG 2010), so dass es z.B. für ein TsunamiFrühwarnsystem im Indischen Ozean nicht genutzt werden kann.
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Geocodes im DEWS-Projekt
Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts „Distant Early Warning System“
(DEWS) wurde ein Tsunamifrühwarnsystem entwickelt, welches Geocodes nutzt, um gefährdete Gebiete zu adressieren (siehe Abbildung 1) und die auf Gebietskörperschaften
gleichfalls mittels Geocodes registrierten Nutzer zu ermitteln und somit zurechtgeschnittene
Warnnachriten zu generieren (HAMMITZSCH 2009).
Um eine größtmögliche Verwendungsbreite zu ermöglichen, wurde ein generischer Ansatz
gewählt, um beliebige Geocode-Standards zu unterstützen: Die von einem Simulationssystem generierten Vorhersagen für Küstenpunkte werden von einem Web Processing Service
(WPS) mit Geodaten verschnitten, die durch eine Geodateninfrastruktur (GDI) bereitgestellten werden. Die betroffenen Gebietskörperschaften werden mit Ankunftszeit (ETA)
und Wellenhöhe (EWH) angereichert und an das zentrale „Command and Control User
Adressierung von Gebietskörperschaften in der Frühwarnung mit HASC
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Interface“ (CCUI) übertragen (LENDHOLT 2010). Hierbei bleiben die durch die GDI beigesteuerten Geocodes als Attribute der Polygon-Features unverändert.
Das „Common Alerting Protocol“ (CAP) und die „Emergency Data Exchange Language“
(EDXL) sind zwei für die Katastrophenvorsorge entwickelte XML-Schemas, welche für die
Adressierung von gefährdeten Gebieten neben Polygoninformationen (Vertex-Listen) auch
Geocodes unterstützen (OASIS, 2006 und 2009). Beide Standards werden in DEWS bei der
Dissemination von (Warn-)Nachrichten genutzt: EDXL-DE für die Adressierung der Nachrichten und CAP für die Spezifikation der betroffenen Gebiete. Ein solches wird dabei
durch ein cap:info-Element beschrieben, welches diverse Gefährdungsparameter (darunter
ETA und EWH) enthält sowie ein cap:area-Element mit Polygoneckpunkten und ein
cap:area-Element mit mehreren Geocodes (siehe Abbildung 2). Die Schlüssel-Wert-Paare
beinhalten Geocode-Typ und den entsprechenden Geocode für die Region.
Abb. 2:
CAP Info-Element inklusive Gefährdungsparameter und HASC-Codes für die
thailändische Level 3 Region Khok Kloi
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„Global Administrative Areas“ (GADM, http://gadm.org/) bietet für nicht kommerzielle
Zwecke einen umfassenden Datensatz im Shapefile-Format, welcher derzeit 226.439 Gebietskörperschaften aller Level aller Staaten umfasst. Umfangreiche Attribute beinhalten
verfügbare Geocodes und Namen für die erfassten Gebiete. Vollständigkeit und Aktualität
werden nicht gewährt. Während FIPS-Codes mit dem Versionswechsel von v0.9 auf v1.0
aus der GADM entfernt wurden, wird HASC als einziger Geocode für Level 1 bis Level 3
unterstützt. Es liegen jedoch nicht für alle Ebenen und Länder HASC-Codes vor, weswegen
im DEWS-Projekt für Level 3 Regionen von Thailand ein Pseudo-HASC-3-Code generiert
wurde, welcher HASC_2 mit NAME_3 (dem Regionsnamen der Verwaltungseinheit)
kombiniert (siehe Abbildung 2).
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Fazit
Die Notwendigkeit eines internationalen, vollständigen und regelmäßig aktualisierten Geocode-Standards, welcher nicht nur Bundesstaaten, sondern auch untergeordnete Gebietskörperschaften umfasst, ist zumindest für internationale Frühwarnsysteme, bei denen eine
generische Lösung ohne landesspezifische Anpassungen angestrebt werden soll, gegeben.
NUTS und FIPS zeigen, dass nationale Standards nicht ausreichen, sondern zu sehr auf
spezifische Interessen beschränkt sind. Folglich kommen nur internationale Standards infrage, doch haben sich weder der entsprechende ISO-Code noch SALB als geeignet erwiesen. Während ISO 3166 nicht hinreichend die Verwaltungsgliederung abbildet, ist es gerade die internationale Zusammenarbeit die bei SALB eine Vollständigkeit vermissen lässt:
Nicht partizipierende Staaten werden nicht erfasst. SALB bietet das Potenzial in Zukunft
einen Geocode-Standard zu schaffen, der immerhin bis Level 2 eine weltweite Abdeckung
erfährt, jedoch kann derzeit nur HASC, weder offizieller Standard noch durch eine Institution gepflegt, als pragmatische Lösung die Anforderungen erfüllen. Neben der Vollständigkeit ist auch die nicht durch kryptische Nummernblöcke, sondern ähnlich des „Fully Qualified Domain Name“ (FQDN) (IETF, 1994) realisierte Abbildung der Verwaltungsgliederung, welche den HASC-Code für automatische Datenverarbeitungssysteme und für die
Rezeption durch den Menschen als geeigneten Geocode-Standard für Frühwarnsysteme
qualifiziert.
Literatur
HAMMITZSCH, M. et al. (2009): Erweiterte Informationslogistik für Frühwarnsysteme anhand des Projekts DEWS. In: STROBL, J. et al. (Hrsg.): Angewandte Geoinformatik
2009. Wichmann, S. 722-727.
IETF (1994): RFC 1594.
LAW, G. (1999): Administrative Subdivisions of Countries: A Comprehensive World Reference, 1900 Through 1998. Mcfarland & Co Inc.
LENDHOLT, M. (2010): Geodaten prozessieren mit GeoTools und WPS. In: Java Magazin,
3/2010. Software & Support Verlag.
OASIS (2006): Emergency Data Exchange Language (EDXL) Distribution Element v 1.0.
OASIS (2009): Common Alerting Protocol Version 1.2.
UNGIWG (2010): State of progress for the Asian node in SALB Newsletter Vol. X No. 1.