Partner im Wandel - Genossenschaftsverband eV
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Partner im Wandel - Genossenschaftsverband eV
ISSN 1867-9935 12/09 Magazin für Kooperation & Management Genossenschaftsverband e.V. Partner im Wandel Genossenschaftsverband e.V. – Chronik der Vorgänger Heft 1 Schriftenreihe Pfandbriefbank seit 1877 Mit VR-BaufiRiester punkten Sie im Vertrieb. Ein Unternehmen der WGZ Bank-Gruppe als Spezialist für leistungsstarke Baufinanzierung und einzige Bank im genossenschaftlichen FinanzVerbund bieten wir ab sofort ein zertifiziertes annuitätendarlehen für die Riester-Eigenheimrente an: Unser VR-BaufiRiester ist in der Nutzung übersichtlich und 3-mal einfach: Einfach für Ihre kunden - sie sichern sich die Vorteile aus der staatlichen Riester-FörIm FinanzVerbund der Volksbanken Raiffeisenbanken derung, mit schnellerer Darlehenstilgung. Einfach für Sie als vermittelnde Bank bei vollem Provisionsanspruch. Einfach für die WL Bank - durch standardisierten TÜV-geprüften Bearbeitungsprozess. Fordern Sie den VR-BaufiRiester-Rechner an: [email protected]. 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WL BANK Münster I Berlin I Düsseldorf I München Hauptsitz: Sentmaringer Weg 1, 48151 Münster Tel. 0251 4905-0, Fax 0251 4905-555 Repräsentanz Düsseldorf: Ludwig-Erhard-Allee 20, 40227 Düsseldorf Tel. 0211 778-02, Fax 0211 778-1547 [email protected], www.wlbank.de www.vr-bankenportal.de I N H A LT S Ü B E R S I C H T 8 I N H ALT Vorwort 23 41 1 Genossenschaften – eine ewig junge Idee 6 2 Förderung der Mitglieder: die genossenschaftliche Bewegung und ihre Verbände 8 2.1 Hilfe zur Selbsthilfe: Grundsätze und Impulse der Gründergeneration 8 2.2 Vom Prüfungsverein zum Dienstleistungsunternehmen: Entwicklung der Verbände 13 3 Konzentration der Kräfte: Etappen der Verbandsentwicklung bis 1989 30 3.1 Genossenschaftsverband Niedersachsen 30 3.2 Norddeutscher Genossenschaftsverband 36 3.3 Genossenschaftsverband Hessen/Rheinland-Pfalz 40 4 Mobilisierung der Kräfte: verbandspolitische Antworten auf vielfältige „Entgrenzungen“ seit 1990 46 4.1 Auf gleicher Augenhöhe: die deutsche Vereinigung 46 4.1.1 Respekt vor dem Bestehenden: Praxis aus Hannover 46 4.1.2 Von der LPG zur Agrargenossenschaft: Unterstützung aus Kiel 51 4.1.3 Herstellen der Wettbewerbsfähigkeit: Know-how aus Frankfurt 56 4.2 Globalisierung und Informationsgesellschaft 59 4.2.1 Sinnvolle Fusionen und Organisationsentwicklung 59 4.2.2 Lokales Handeln bei globalem Denken 66 4.3 5 6 76 5 Vom Bildungsanbieter zum Personalentwickler 68 Neue Impulse für genossenschaftliches Engagement 74 Perspektiven der gemeinsamen Verbandsarbeit 80 Literaturhinweise 83 Genossenschaften als Wirtschaftsfaktor 86 Organe und Gremien 87 Impressum 90 Heftmitte: Faltblatt der Vorgängerverbände netzwerk 12/09 3 „ Die Genossenschaftsunternehmen erfüllen eine besonders wichtige Aufgabe und tragen zur Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ziele Europas bei. Sie sind auch der Beweis, dass der Geist der Solidarität, der den Geschäftszweck der Genossenschaftsunternehmen prägt, keineswegs im Widerspruch steht zum Unternehmergeist, sondern beide zusammen positive Wirkung zeigen. Romano Prodi Präsident der Europäischen Kommission, 2002 4 “ netzwerk 12/09 Vorwort C hroniken sind ein Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. Sie haben zeitlos Bestand. Darin liegt ihr eigentlicher Wert. Mit der vorliegenden Verbandschronik erfüllen wir uns im „Jahr 1“ der Verbändefusion Frankfurt–Hannover den Wunsch, Zeitgeschehen aktuell zu dokumentieren. Nichts ist aber bekanntlich älter als die Zeitung von gestern. Aus diesem Grunde haben wir noch im Verschmelzungsjahr so aktuell und zeitnah wie möglich die Meilensteine in der gesamten Verbandsgeschichte bis hin zu einzelnen regionalen „Verbandsgeschichten“ herausgearbeitet. Bereits im Rahmen der Konzeption sowie der ersten Gespräche mit genossenschaft lichen Zeitzeugen ergab sich, dass die Kunst der Chronistenpflicht besonders in der Beschränkung liegen würde. Insofern wirft die vorliegende Chronik Schlaglichter auf besonders wichtige Aspekte der Verbandsgeschichte. An dieser Stelle danken wir daher all denen, die sich die Zeit genommen haben, um wertvolle Inhalte in Wort und Bild oder in zeitkritischen Anmerkungen zu geben. Hier sind insbesondere aktive oder ehemalige Verbandsvorstände oder -präsidenten sowie Führungskräfte in Ost und West sowie Süd und Nord aus den Altverbänden Frankfurt, Hannover und Kiel zu nennen. Kompliment: Manch einer von Ihnen ist wie ein „wandelndes Lexikon“ voller genossenschaftsspezifischer Erinnerungen. Ohne Sie wäre das Werk sicher unvollkommen geblieben. Wir freuen uns sehr, allen genossenschaftlichen Lesern und all denen, die an unserer Organisation Interesse haben, mit dieser Sonderausgabe einen Überblick über die Verbandsgeschichte in den einzelnen Regionen geben zu können. Möge dies ein Nachschlagewerk für Interessierte und Orientierung für Suchende auch künft iger Generationen sein. Meilensteine in der Geschichte veranlassen uns stets, innezuhalten und zurückzublicken, netzwerk 12/09 aber auch besonders nach vorne zu schauen. Und hier sind wir sicher, dass sich die genossenschaft liche Idee weiter in einem kräftigen Aufwind befindet. „Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“, wusste bereits Johann Wolfgang von Goethe. Wir haben allen Grund, stolz zu sein auf das Erreichte. Wir dürfen uns aber niemals selbstgefällig oder selbstzufrieden zurücklehnen. Die vor uns liegenden Herausforderungen werden immer dynamischer Natur bleiben und erfordern stets all unsere konzentrierte Aufmerksamkeit. Mit dem bevorstehenden Jahr der Genossenschaften, das die UN für 2012 plant, finden wir damit erstmals auch in naher Zukunft die größtmögliche nationale und internationale Beachtung. Es gilt daher, den sich hieraus entwickelnden Elan in einer Gesamtkonzeption – nicht nur regional, sondern zumindest national – zu bündeln. Eine Herausforderung besonderer Art, der wir uns als Organisation gern stellen! Aber auch auf anderen Ebenen gilt es, nach vorne zu schauen. So macht die jüngste Sozial-Enzyklika von Papst Benedikt XVI. Mut, der die Verantwortung der Genossenschaften in aller Welt unterstreicht und ihren elementar wichtigen Beitrag zu solidarischem Wirtschaften würdigt. Oder der Friedensno- Walter Weinkauf belpreis, der vor wenigen Jahren Wirtschaftsprofessor Muhammad Yunus für seine genossenschaftsnahe Idee verliehen wurde – und damit sozusagen postum – den Genossenschaftspionieren Raiffeisen und Schulze-Delitzsch ein Denkmal setzte, hat unserer Form des Wirtschaftens in sozialer und wirtschaft licher Verantwortung ebenfalls zusätzliches weltweites Ansehen verliehen. Und schließlich sind unsere Genossenschaften aus der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise mit ihrer verantwortungsvollen und mitgliedsgebundenen Local-Hero-Mentalität nicht fortzudenken. Ganz im Gegensatz zu der in den vergangenen Jahren bis zum Finanz-Crash immer mehr um sich greifenden verantwortungsfreien Casinomentalität ist unsere Genossenschaftsorganisation aus dieser tiefen Real- und Imagekrise gestärkt hervorgegangen. In diesem Sinne werden wir auch die genossenschaft lichen Neugründungen, welche sich in jüngster Vergangenheit aller Orten in zahlreichen Kommunen als notwendige Antwort aus schwindenden Kommunalfinanzen ergeben, weiter fokussieren und die erfolgreiche Genossenschaftsidee in allen Sparten weiter fördern. Wir wünschen allen Lesern dieser Chronik stets gute Ideen bei der Umsetzung genossenschaft licher Ziele. Michael Bockelmann 5 G E N O S S E N S C H A F T L I C H E A N FÄ N G E 1 Genossenschaften – eine ewig junge Idee Rochdale Society of Equitable Pioneers – die erste Genossenschaft in England. D ie Idee ist uralt. Seit es Menschen gibt, versuchen sie, für ähnliche oder gleiche Problemlagen gemeinsame Lösungen zu finden. Bereits die Antike kannte Zusammenschlüsse mit genossenschaft lichen Zügen. Es waren Notbündnisse, die sich als Gemeinden, Religionsgemeinschaften und Stämme bildeten. Im Mittelalter schlossen sich meist sozial, wirtschaft lich und politisch Schwache zusammen und gründeten zweckgebundene Vereinigungen. Um Deiche zu erhalten, entstanden erste Deichgenossenschaften, und um Genossen ein angemessenes Begräbnis zu ermöglichen, Begräbnisgenossenschaften. Im Alpenraum begannen Siedler vor rund 500 Jahren, Weiden und Alpen gemeinschaft lich zu bewirtschaften. Die Alpengenossenschaften regelten die gemeinsame Nutzung und verhinderten die Veräußerung des Gemeineigentums. Der britische Textilfabrikant und Sozialreformer Robert Owen (1771–1858) gilt als einer der Begründer der modernen Genossenschaftsbewegung. Wieder war es eine Reaktion auf große Not, dieses Mal als Folge der einsetzenden Industrialisierung und grober sozialer Missstände. Aber nicht nur das Elend seiner Mitmenschen war es, das Owen trieb. Er versuchte vielmehr nachzuweisen, dass Lohnsklaverei und Unterdrückung der Arbeiter keine guten Voraussetzungen für eine effektive Produktion sind. In seiner Baumwollspinnerei im schottischen New Lanark 6 startete Owen 1799 ein Experiment für menschenwürdigere Arbeits- und Lebensbedingungen. Er besorgte Lebensmittel zu günstigen Preisen, verkürzte die tägliche Arbeitszeit auf 10,5 Stunden, verbot die Arbeit von Kindern unter zehn Jahren, ließ Wohnungen bauen und eine Schule errichten. Mit Erfolg: Die Produktivität in der Fabrik erhöhte sich drastisch, die Zahl der Diebstähle ging zurück, Bestrafungen innerhalb der Fabrik waren nicht mehr nötig. Dadurch angeregt, gründeten 28 Arbeiter aus nordenglischen Baumwollspinnereien 1844 die Rochdale Society of Equitable Pioneers. Sie war eine Einkaufsgenossenschaft, die durch ihre größere Marktmacht niedrigere Preise garantieren sollte. Zunächst gab es mit Mehl, Butter, Zucker und Haferflocken nur vier Nahrungsmittel. Das Geschäft war anfangs zwei Abende in der Woche geöffnet, Robert Owen (1771–1858). wuchs aber schnell. Schon nach drei Monaten wurden die Öffnungszeiten auf fünf Tage ausgedehnt und das Sortiment vergrößert. Aber nicht der rasche wirtschaft liche Erfolg machte die Rochdale Society zur Keimzelle moderner Genossenschaften, sondern ihre Leitgedanken: das demokratische Prinzip „eine Person – eine Stimme“, die offene Mitgliedschaft, die Überschussverteilung im Verhältnis zum Einkauf des Mitglieds, eine begrenzte Verzinsung der Geschäftsanteile, die politische und religiöse Neutralität sowie die Förderung von Bildung avancierten zu den Leitlinien der internationalen Genossenschaftsbewegung. Nur wenige Jahre später gründeten sich auch in Deutschland erste Genossenschaften. Ähnlich wie Owens Experiment zielten ihre Selbsthilfeinitiativen auf das Erlangen von Wettbewerbsfähigkeit. Sie sagten im Unterschied zur damals aufkommenden Arbeiterbewegung grundsätzlich Ja zur kapitalistischen Marktwirtschaft, sofern die soziale Komponente angemessen berücksichtigt blieb. Genossenschaften gehören seither zu den Trägern der Gedanken von gemeinschaft licher Selbsthilfe, Demokratie und Marktwirtschaft . Stets auch „Kinder“ ihrer Zeit, modifizierten sie immer wieder ihre Organisationsform und formulierten neue ökonomische Antworten auf aktuelle Herausforderungen eines sich ständig verändernden Umfelds. Am schwierigsten war dies unter den konträr zu eigenen netzwerk 12/09 G E N O S S E N S C H A F T L I C H E A N FÄ N G E Prinzipien stehenden Bedingungen der nationalsozialistischen Diktatur. Aber selbst damals verloren sie ihre Grundsätze nicht aus dem Blick. Nach 1945 knüpfte die genossenschaft liche Bewegung wieder entschlossen an ihre identitätsstiftenden Leitlinien und bewährten Traditionen an. Sie verkörperten bereits die soziale Marktwirtschaft, die Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard in den 1950er-Jahren zum allgemeinen Leitbild ausrief. Das Genossenschaftswesen entwickelte sich zunächst im westlichen, nach 1989 auch im östlichen Landesteil zu einem starken ökonomischen und sozialen Standbein der Bundesrepublik Deutschland. Mit seinen vielgestaltigen und zukunftsfähigen Strukturen trug und trägt es wesentlich zur ersten stabilen Demokratie auf deutschem Boden bei. übernahmen den gesetzlichen Prüfungsauftrag. Zudem entwickelten sie sich bald zu Impulsgebern der gesamten Bewegung. Heute überprüfen, begleiten und fördern in der Bundesrepublik Deutschland mehrere Spitzen-, Regional- und Fachverbände im Rahmen eines komplexen Netzwerkes – dem genossenschaft lichen Verbund – die wirtschaft liche und betriebliche Stabilität von Genossenschaften. Als moderne Dienstleistungsunternehmen beraten und unterstützen sie in einem partnerschaftlichen Verhältnis ihre Mitglieder dadurch auch in allen ökonomischen, betrieblichen und rechtlichen Fragen. Sie fördern das Genossenschaftswesen durch eine breite, ständig fortentwickelte Bildungs- und Informationstätigkeit und die Übernahme von Gemeinschaftsaufgaben in zentralen Institutionen. Außerdem bieten Verbände inzwischen vielfältige Dienstleis- Ein Meilenstein für eine solche Bündelung der Kräfte ist die rückwirkend zum 30. Juni 2008 vollzogene Fusion zum Genossenschaftsverband e.V. mit Sitz in Frankfurt am Main. Er ist heute der größte deutsche Regionalverband. Ihm gehören knapp 1.900 Genossenschaften mit mehr als vier Millionen Mitgliedern an. Sie stellen der deutschen Volkswirtschaft 88.000 Arbeitsplätze zur Verfügung. Die Mitgliedsbanken des Verbandes betreuen 317 Mrd. Euro Kundenvolumen und kommen auf eine Bilanzsumme von 169 Mrd. Euro. Die genossenschaftlichen Waren- und Dienstleistungsunternehmen erzielen über 19 Mrd. Euro Jahresumsatz. tungen für die Kunden ihrer Mitglieder an, um den Genossenschaften im verschärften Wettbewerb den Rücken zu stärken. fungsgesellschaften über eine überaus wettbewerbsfähige Kapazität. Die erfolgreiche Arbeit der genossenschaft lichen Alt-Verbände Frankfurt und Norddeutschland war im Rahmen einer langjährigen dynamischen Entwicklung die Basis dafür. Ein Blick auf die Geschichte belegt dies. Nun trägt der neue Genossenschaftsverband als Partner seiner in 13 Bundesländern ansässigen Mitglieder dazu bei, dass Genossenschaft eine Idee mit Zukunft bleibt – mehr noch: Er bildet im Verbund aller genossenschaftlichen Partner erst die Voraussetzung. Der Genossenschaftsverband mit seinen rund 1.200 Mitarbeitern und 136 Mio. Euro Honorarvolumen verfügt bereits jetzt als Nummer sechs unter den deutschen Prü- Das erste genossenschaftliche Ladengeschäft. Dabei sind die Genossenschaften von heute in ihrer äußeren Gestalt oft kaum mehr mit jenen der Gründergeneration vergleichbar. Viele sind große mittelständische Unternehmen mit internationalen Kooperationspartnern. Ein Erfolgsgeheimnis der modernen Genossenschaften ist gewiss ihre zuweilen enorme Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit auf der Grundlage dauerhafter Prinzipien. Heute gehören etwa 20 Millionen Bundesbürger, also fast jeder Vierte, einer der über 7.000 Genossenschaften in Deutschland an. Die 300.000 europäischen Genossenschaften zählen 140 Millionen Mitglieder, weltweit hat die Genossenschaftsbewegung inzwischen 800 Millionen Anhänger. Früh gründeten Genossenschaften zur Unterstützung ihrer Tätigkeit Verbände. Diese netzwerk 12/09 Unter den Vorzeichen der Globalisierung beinhaltet die zeitgemäße Lobbyarbeit der Genossenschaftsverbände, national und international faire Wettbewerbsbedingungen einzufordern. Besonders die regionalen Prüfungsverbände agieren im Spannungsfeld zwischen fortdauernder lokaler Verankerung ihrer Mitgliedsgenossenschaften und den Herausforderungen sich immer weiter öffnender Märkte. Um sich im Wettbewerb besser zu positionieren und ihre Mitglieder möglichst effektiv unterstützen zu können, haben sie nicht nur ihre unternehmerische Organisation kontinuierlich fortentwickelt, sondern auch wiederholt wegweisende Verschmelzungen vollzogen. 7 ÜBERBLICK 2 Förderung der Mitglieder Die genossenschaftliche Bewegung und ihre Verbände. Büsten von Hermann Schulze-Delitzsch, Wilhelm Haas und Friedrich Wilhelm Raiffeisen. 2.1 Hilfe zur Selbsthilfe: Grundsätze und Impulse der Gründergeneration Selbsthilfe und Bewahrung von Freiheit Unbekannte Freiheit und bittere Armut – vielen Menschen in Europa bescherten die tief greifenden wirtschaft lichen, sozialen und politischen Veränderungen im 19. Jahrhundert diesen bedrückenden Kontrast. In Deutschland, damals noch kein einheitliches Staatsgebilde, sondern in über 30 Fürstentümer unterteilt, bildeten grundlegende Reformen während der napoleonischen Besatzung 1807 bis 1814 den Anfang. Ausgehend von Preußen wurde die Leibeigenschaft der Bauern beendet, die Zünfte wurden aufgehoben und die Wirtschaft wurde liberalisiert. Es entstand eine deregulierte Markt- und Geldwirtschaft . 8 Doch auf sie waren weder Bauern noch städtischer Mittelstand vorbereitet. Menschen lebten am Rande des Existenzminimums. Parallel sah sich bald eine rasch wachsende Zahl an Menschen durch die Folgen der industriellen Revolution in ihrer Existenz bedroht. Handwerkern und Heimarbeitern etwa stand mit den neuen Fabrikbetrieben, die Waren billiger und oft auch besser herstellen konnten, eine übermächtige Konkurrenz gegenüber. Eine Dampfmaschine, einen automatischen Webstuhl oder andere mechanische Hilfsmittel zu erwerben, überstieg bei Weitem die finanziellen Möglichkeiten der traditionellen Handwerksbetriebe. Auch der zügige Ausbau der Eisenbahn ab den 1840er-Jahren begünstigte vor allem die Produktions- und Absatzmöglichkeiten kapitalkräftiger Unternehmer und Großgrundbesitzer. Es entstand ein Heer von Tagelöhnern. Zusätzlich minderte ein enormes Bevölkerungswachstum in ganz Europa die Chancen der Betroffenen, Arbeit und Auskommen zu finden. Immer mehr Die damit einhergehenden zunehmenden sozialen Spannungen fanden einen viel beachteten öffentlichen Ausdruck, als im Juni 1844 schlesische Weber vor die Tore lokaler Fabrikanten zogen, um gegen den Preisverfall ihrer Waren zu protestieren. Das preußische Militär griff ein. Elf Menschen kamen ums Leben. Die Missernten von 1846/47, welche die Lebensmittelpreise verdoppelten und verdreifachten, verschärften die Krise dramatisch. 1848/49 kam es zu bürgerlich-demokratischen Einheits- und Unabhängigkeitserhebungen. Überwiegend preußische und österreichische Truppen schlugen diesen ersten Versuch, einen demokratisch verfassten, einheitlichen deutschen Nationalstaat zu schaffen, gewaltsam nieder. Just in jenen Jahren entstanden die ersten genossenschaft lichen Zusammenschlüsse in netzwerk 12/09 ÜBERBLICK 1846/47, indem sie ihre Mitbürger aufforderten, die Ärmel hochzukrempeln und sich gemeinsam gegen die Misere zu stemmen. Schulze-Delitzsch wirkte in seinem sächsischen Heimatort Delitzsch bei der Gründung eines Hilfskomitees zur Beschaff ung von Getreide und zur Unterhaltung einer Mühle mit, Raiffeisen ließ in seiner damaligen Wirkungsstätte Weyerbusch im Westerwald Brot für die Armen backen und gründete einen Brotverein. Wenig später verlagerten beide die Akzente ihres Handelns deutlich von Wohlfahrt auf Selbsthilfe. Dabei kamen dann allerdings ihre unterschiedlichen regionalen und weltanschaulichen Wurzeln zum Ausdruck. Schulze-Delitzsch und Raiffeisen begründeten differenzierte genossenschaft liche Traditionen, deren Spuren bis heute zu erkennen sind. Deutschland. Wie ihre britischen Vorgänger wollten sie aber auch in der Not die gewonnene Freiheit nicht durch neue Abhängigkeit wieder infrage stellen. So leitete letztlich alle ihre zuweilen sehr unabhängig voneinander vorgehenden Pioniere ein Impuls: Materieller Not sollte fortan nicht durch Wohltätigkeit, sondern durch freiwilliges, gemeinsames und prinzipiell gleichberechtigtes Handeln auf der Basis von Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung die Stirn geboten werden. Genossenschaften sind „Kinder“ der Not und demokratischer Freiheitsbestrebungen. Unterschiedliche Traditionsbildungen Gemäß diesen Prinzipien nahmen vor allem der Jurist und liberale Politiker Hermann Schulze-Delitzsch (1808–1883) und der Bürgermeister Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818–1888) prägenden Einfluss auf die genossenschaft liche Bewegung in Deutschland. Beide reagierten auf die Hungersnot netzwerk 12/09 Der Freimaurer Schulze-Delitzsch hatte besonders die Verelendung der Handwerker in der Provinz Sachsen im Blick, deren Ein-Mann-Betriebe dort im Mittelpunkt der sozialen Frage standen. Er übernahm 1848 in der Preußischen Nationalversammlung den Vorsitz der Kommission zur Prüfung der Notlage dieses Berufsstandes. Ein Jahr später gründete er in Delitzsch eine Rohstoffassoziation für Tischler und Schuhmacher. Da er sah, dass den in Not geratenen Handwerkern Möglichkeiten fehlten, bei einer seriösen Institution Kredite zu erhalten, rief er 1850 den ersten Vorschussverein ins Leben. Parallel initiierte Schulze-Delitzsch weitere Selbsthilfeeinrichtungen, wie eine Krankenund Sterbekasse, und begleitete den Aufbau von Selbsthilfeorganisationen durch zahlreiche Publikationen. Er konzentrierte sein Tun auf gewerbliche Genossenschaften des Handwerks und auf die Kreditvereine, aus denen später die Volksbanken hervorgingen. Seine Konzepte richteten sich an den städtischen Mittelstand und betonten kaufmännische Grundsätze. Schriften wie „Vorschußvereine als Volksbanken“ (1855) fanden eine enorme Verbreitung und Resonanz. Anleihen endeten oft im Ruin. So gründete er 1849 den „Flammersfelder Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirthe“. Darin konnten die Bauern Geld ansparen, es aber auch zum Ankauf von Vieh und Gerät günstig leihen. In Heddersdorf bei Neuwied, wo er ab 1852 als Kommunalbeamter tätig war, gründete Raiffeisen 1864 den ersten Darlehnskassen-Verein. Wichtig war ihm die Solidarhaftung. Seine wenig später publizierte Schrift „Die Darlehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Not der ländlichen Bevölkerung“ wurde zum grundlegenden Programm der ländlichen Genossenschaft sbewegung. Das Konzept übertrug zentrale Überlegungen von Schulze-Delitzsch auf die Gegebenheiten im ländlichen Raum. Die Infrastruktur der damals noch als Vereine gegründeten Genossenschaften war zwar bescheiden, ihre soziale und ökonomische Wirkung aber mitunter erheblich. Besonders Spar- und Darlehnskassen avancierten rasch zu einem Mittelpunkt des dörfl ichen Geschehens. Meist war die „gute Stube“ des Vereinsvorstehers das Geschäftslokal. Nicht nur Finanzfragen zwischen Mitglied und Kasse wurden dort behandelt, sondern auch umfassendere Beratung und praktische Hilfe geleistet. So erhielt man etwa Rat in Behördenangelegenheiten oder konnte ein Schriftstück aufsetzen lassen. Oft standen dort später das einzige Telefon und die einzige Schreibmaschine im Dorf. Schulze-Delitzsch und Raiffeisen zufolge sollte die Genossenschaft mehr sein als die Summe ihrer Mitglieder, sie sollte diese überdauern und die Einwohner einer Gemeinde zu einer sozialen und wirtschaftlichen Einheit integrieren. Allerdings betonte Raiffeisen eher Tugenden wie Sparsamkeit, Bescheidenheit und Sittlichkeit, während Schulze-Delitzsch Genossenschaften vorrangig als Schule der Demokratie betrachtete. Auch der überzeugte evangelische Christ Raiffeisen erkannte den Mangel an Kapital als ein zentrales Problem der ländlichen Bevölkerung, die bei Missernten meist auf Wucherer angewiesen waren. Solche 9 ÜBERBLICK Hermann Schulze-Delitzsch spricht im Reichstag in Anwesenheit des Reichskanzlers Otto von Bismarck. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte eine Differenzierung der ländlichen Bewegung. Sie ist mit dem Namen des hessischen Politikers Wilhelm Haas (1839–1913) verbunden. Er forderte strikte weltanschaulich-politische Neutralität im Genossenschaft swesen, lehnte die bei Raiffeisen praktizierte Integration von Kredit-, Einkaufs- und Absatzgenossenschaften ab, stellte kaufmännische Aspekte in den Vordergrund und favorisierte einen dezentralen Weg beim Zusammenschluss von Genossenschaften in Verbänden. Haas gilt heute vor allem als Organisator des ländlichen Genossenschaft swesens. 1873 führte er zunächst 15 Konsumvereine im hessischen Raum zum Verband der hessischen landwirtschaftlichen Konsumvereine zusammen und initiierte zehn Jahre später die Vereinigung deutscher landwirtschaftlicher Genossenschaften (1903 umfi rmiert in Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften), der selbstständige, meist unabhängig voneinander entstandene Regionalverbände angehörten. Rechtliche Fundierung und Auftrag zur Mitgliederförderung Eisenbahnbau im 19. Jahrhundert. 10 In Deutschland entstand bald ein vielfältiges und dynamisches, heute kaum mehr rekonstruierbares Bild von Genossenschaften. Außer Kreditgenossenschaften, gewerblichen Genossenschaften des Hand- netzwerk 12/09 Die Mit LuxCredit steigern Sie nicht nur die Kundenzufriedenheit Kunst, zu begeistern: Top-Bewertung: Note 1,84 als Gesamtzufriedenheit der Befragten. Mindestens ebenso zufrieden sind die mehr als 800 Volksbanken Raiffeisenbanken, mit denen wir nahezu 30.000 LuxCredit Finanzierungen bereitgestellt haben. Nicht nur, weil sie damit ihre Kunden nachhaltig begeistern Ein Produkt auf Erfolgskurs: der Währungs- können: Es zahlt sich auch aus für sie. Das hohe Niveau der kredit LuxCredit. Das hat der TÜV Saarland Automatisierung ermöglicht eine schnelle Bearbeitung. in seiner Studie mit 1.100 deutschland- Die Produktinformationen sind optimal aufbereitet. Und weit befragten Kunden festgestellt. 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Das gemeinschaft liche Handeln ermöglichte den Einsatz modernster Technik. 1877 gründeten zum Beispiel 15 Landwirte die Kieler Meiereigenossenschaft, wie Molkereigenossenschaften in Schleswig-Holstein und Hamburg genannt werden. Der Untertitel der Kieler Meierei verkündete stolz, die „Erste Centrifugenmeierei der Welt“ zu sein. Doch nicht allen Genossenschaften war Erfolg beschieden, viele bestanden nur wenige Jahre. Misswirtschaft war ein Grund, mitunter fehlte aber auch – noch – die soziale Basis. Erst mit dem Anwachsen der Industriearbeiterschaft und der zunehmenden Verstädterung der Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts setzten sich zum Beispiel dort mehr und mehr Konsum- und Wohnungsbaugenossenschaften durch. Rechtliche Regelungen zur Absicherung der neuen Organisationsform fehlten zunächst. Erst im Zuge der von Preußen ausgehenden schrittweisen Einigung deutscher Länder zu einem einheitlichen Nationalstaat kam es zu legislativen Initiativen. Federführend war hierbei erneut Hermann Schulze-Delitzsch. Der Reichstagsabgeordnete entwarf 1867 das erste Genossenschaft sgesetz (GenG), das er zunächst in Preußen und im Norddeutschen Bund durchsetzte. 1889 verabschiedete der Reichstag eine für das Deutsche Reich novellierte Fassung des GenG. Diese wurde grundlegend für das genossenschaftliche Recht in Deutschland – bis heute. Wie von Schulze-Delitzsch vorgesehen, sind seither Genossenschaften als juristische Personen in das moderne Rechtswesen eingeordnet und die internen Verantwortlichkeiten klar geregelt. Als oberstes Ziel erhielten alle Genossenschaften darin den Auft rag, den Erwerb und die Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinsamen Geschäft sbetriebes zu fördern. Genossenschaften unterscheiden sich seither von anderen wirtschaft lichen Unternehmen dadurch, dass sie keinen Selbstzweck verfolgen, ihren Trägern und Mitgliedern nicht durch Erwirtschaft ung und Ausschüttung von Gewinnen, sondern durch die Bereitstellung von Leistungen dienen. Im Einzelnen war dieser Förderungsauft rag jedoch nicht defi niert, so dass er sich gemäß der unterschiedlichen Bedingungen und Bedürfnisse der Genossenschaften differenziert und dynamisch entwickelte. Das Gesetz schränkte allerdings die Möglichkeit, Kredite an Nichtmitglieder zu vergeben, erheblich ein, was das Geschäft sgebaren von genossenschaft lichen Kreditinstituten lange Zeit prägte. Besonders bedeutend war, dass 1889 auch die Gründung von Genossenschaften mit beschränkter Haft pfl icht zulässig wurde. Zuvor hatten die Mitglieder unbeschränkt gehaftet, was vielen zu riskant erschienen war. Die Umwandlung von Genossenschaften in solche mit beschränkter Haft pfl icht, wie sie heute üblich sind, sollte allerdings in mehreren Schritten und regional unterschiedlich rasch vollzogen werden. Mancherorts dauerte es noch mehrere Jahrzehnte. Die Änderung 1889 begünstigte vor allem einen regelrechten Boom an genossenschaftlichen Neugründungen. Bis zur Jahrhundertwende stieg allein die Zahl an Kreditgenossenschaften auf über 12.000 an, denen insgesamt 1,26 Millionen Mitglieder angehörten. Bald kamen weitere Berufsstände und neue Sparten hinzu. So entstanden noch vor dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) die ersten Elektrizitätsgenossenschaft en. Sie versorgten die Dörfer mit elektrischem Strom, was die Lebensverhältnisse dort fundamental veränderte. Und an Nord- und Ostsee gründeten sich Fischergenossenschaften, um die Fänge der Not leidenden Fischer zusammenzufassen und die Mitglieder mit Tauwerk, Netzen, Gasöl und Proviant zu versorgen. Das Genossenschaft sgesetz von 1889 legte außerdem die rechtlichen Grundlagen für den Aufbau eines Verbundes. Um der ursprünglich vorgesehenen Staatsaufsicht zu entgehen, akzeptierten die Genossenschaften die Prüfungspfl icht durch eigene 12 netzwerk 12/09 ÜBERBLICK Verbände. Das GenG verpfl ichtete jede Genossenschaft , ihre Geschäft sführung alle zwei Jahre durch einen Revisor prüfen zu lassen. Auch eröff nete das Gesetz den Verbänden die Möglichkeit, darüber hinausgehende Aufgaben wahrzunehmen. Daraus entwickelten die Verbände nach und nach den bis heute grundsätzlich geltenden Dreiklang aus Prüfung, Beratung und Betreuung, wobei sie im 20. Jahrhundert die Aus- und Fortbildung zu einem Eckpfeiler ihrer Tätigkeiten machten. 2.2 Vom Prüfungsverein zum Dienstleistungsunternehmen: Entwicklung der Verbände Preußische Central-Genossenschaftskasse Berlin. Parallelentwicklungen und Konkurrenzen zu Beginn Schon vor der gesetzlichen Fundierung 1889 schlossen sich Genossenschaften in Verbänden zusammen. 1862 gründeten 15 Vorschuss- und 2 Rohstoff vereine aus dem Rhein-Main-Gebiet in Wiesbaden den Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften am Mittelrhein e.V. Die erklärten Ziele dieses ersten Regionalverbandes waren der Aufbau von Geschäftsverbindungen und der Austausch von Erfahrungen zwischen den Mitgliedern. Weitere räumlich begrenzte Verbandsgründungen mit ähnlichen Zielsetzungen folgten bald, wobei sich manche nach wenigen Jahren wieder auflösten bzw. in anderen Regionalverbänden aufgingen. Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen starteten früh überregionale Initiativen. Eine fortdauernde Wirkung erzielte der aus dem Zentralkorrespondenzbüro von Schulze-Delitzsch 1864 hervorgegangene Allgemeine Verband der Erwerbs- und Wirtschaft sgenossenschaften. Dieser beriet seine Mitglieder in rechtlichen und betriebswirtschaft lichen Fragen, er vertrat ihre Interessen gegenüber dem Staat und anderen Institutionen. Geschäft liche Verbindungen zwischen den Genossenschaften förderte der Allgemeine Verband zunächst durch das Vermitteln von Wechsel inkassos, und er gründete eine netzwerk 12/09 Spar- und Darlehnskasse Beverstedt e.G.m.b.H. Beverstedt. eigenständige Zentralbank, die Deutsche Genossenschaft sbank von Soergel, Parrisius & Co. Raiffeisen scheiterte mit seinem Versuch, eine Zentralbank zum Mittelpunkt der ländlichen Genossenschaft sbewegung zu machen. Mehr Erfolg hatte er 1877 mit der Gründung des Anwaltschaft sverbandes ländlicher Genossenschaften, der 1889 in Generalanwaltschaft sverband ländlicher Genossenschaften für Deutschland umfi rmierte. An dessen Seite gesellte sich, wie erwähnt, der von Wilhelm Haas ins Leben gerufene Reichsverband. die Wirtschaft wieder, wovon auch die Genossenschaften und ihre Verbände profitierten. Politische Entwicklungen begünstigten dann die Gründung weiterer, zeitweilig konkurrierender Verbände und Zentralinstitutionen. Die Reichsregierung ergriff wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf die Stärkung des Mittelstandes zielten. Sie tat dies unter anderem, um einem Die Rahmenbedingungen veränderten sich. Nach langer Depression prosperierte ab 1890 13 ÜBERBLICK Genossenschaftliche Mergelgrube. „proletarischen Umsturz“ vorzubeugen. Diese aktive Mittelstandspolitik betraf auch das Genossenschaftswesen. 1895 schuf die Regierung in Berlin die Preußische CentralGenossenschaftskasse (Preußenkasse). Die neue Zentralbank wurde Vorbild eines dreistufigen genossenschaft lichen Systems, das – mit abnehmender Tendenz – bis heute ein charakteristisches Merkmal des genossenschaft lichen Verbundes in Deutschland ist. Über den lokalen Kreditgenossenschaften wurden auf Provinzialebene Zentralkassen zum Geldausgleich und zur Kreditvermittlung errichtet. Auf einer dritten Stufe fungierte die Preußenkasse fortan als eine nationalstaatliche Zentralkasse, die die Bedürfnisse ihrer provinzialen Zentralkassen bediente. Die Preußenkasse ist eine Vorläuferin der heutigen DZ Bank AG, Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, in Frankfurt am Main. Erste Bilanz einer Warengenossenschaft aus dem Jahre 1878. Starken Widerstand gegen die neue Zentralbank kam vom Allgemeinen Verband. Getreu den Grundsätzen von Schulze-Delitzsch bestand er auf strikter Unabhängigkeit vom Staat und lehnte eine Zusammenarbeit mit der Preußenkasse ab. Kleine Kaufleute und Handwerker sahen dies aber weniger rigoros. Viele von ihnen wollten Selbsthilfe durch Staatshilfe ergänzt sehen. Mit den Leistungen der bestehenden Genossenschaften waren sie damals oft unzufrieden. Hohe Geschäftsanteile und kurzfristige Kredite schreckten sie ab. Vor diesem Hintergrund entstand ab 1896 eine neue, städtische Genossenschaftsbewegung in Konkurrenz zum Allgemeinen Verband. Neue Kredit- und Warengenossenschaften, die sich besonders im nordwestdeutschen Raum gründeten, schlossen sich 1901 zum Hauptverband der Deutschen Gewerblichen Genossenschaften zusammen. Er gliederte sich in regionale Verbände und regionale Zentralkassen. Die beiden landwirtschaft lichen Spitzenverbände (Raiffeisen und Haas) versuchten zwar 1905 ein Miteinander, doch trennten sich ihre Wege 1913 wieder. 14 Die zunehmende Fragmentierung der genossenschaft lichen Bewegung fand einen weiteren Ausdruck in der Gründung mehrerer branchenspezifischer Verbände, die ebenfalls überregional aktiv waren. Die Baugenossenschaften errichteten 1897 ihren ersten Verband. Die Konsumgenossenschaften, die der Sozialdemokratie nahestanden, spalteten sich vom Allgemeinen Verband ab und gründeten 1903 einen eigenen Zentralverband. Ab 1907 gingen die Einzelhandelsgenossenschaften einen separaten verbandspolitischen Weg. netzwerk 12/09 Glück wird in Augenblicken gemessen. Sicherheit in Jahren. 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Der Generalanwaltschaftsverband und der Reichsverband verschmolzen 1930 zum Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften – Raiffeisen e.V. (RVR). Der neue Verband zählte nun knapp 37.000 Genossenschaft en als Mitglieder. Verbände und Zentralinstitutionen als Impulsgeber In der allgemeinen Not nach Ende des Ersten Weltkriegs verloren die weltanschaulichpolitischen Differenzen über den rechten Weg der Genossenschaften an Bedeutung. Die durch zahlreiche Neugründungen größer werdende Bewegung rückte enger zusammen. Die Zentralverbände gingen voran. 1920 fusionierten die gewerblichen Spitzenverbände, der Allgemeine Verband und der Genossenschaftliche Viehverwertung in den 1930er-Jahren. 16 Innerhalb der genossenschaft lichen Bewegung schlüpften die Verbände erstmals in die Rolle des Impulsgebers. Auf ihre Anregung hin weiteten Genossenschaft en ihre Leistungen aus. Banken etwa boten nun erstmals Kontokorrentkonten für Handwerker und Kaufleute an und führten Wechselgeschäfte ein. Ziel solcher Verbandsinitiativen war es, die Genossenschaften wettbewerbsfähig zu machen bzw. zu erhalten. Es war oft ein mühevolles und langwieriges Unterfangen. Die Generalversammlung so mancher Genossenschaft übernahm die Anregungen, wenn überhaupt, erst im zweiten oder dritten Anlauf. Hinzu kam, dass Genossenschaft en und Verbände damals noch ein sehr geringes Professionalisierungsniveau besaßen. Ehrenamtliche Tätigkeit war der Normalzustand. Die Prüfungsaufgabe erfüllten meist freiberufl iche Prüfer, die der Verband bestellte. Einige Regionalverbände verfügten mehrere Jahrzehnte lang weder über eigene Büroräume noch über eigenes Personal. Die Rahmenbedingungen in der Weimarer Republik (1919–1933) waren wechselhaft und wiederholt sehr schwierig. Einen tiefen Einschnitt bescherte Deutschland die Wirtschaftskrise von 1923. Weite Teile der Bevölkerung verarmten und durch mehrere politische Aufstände schien der Fortbestand der Reichseinheit und der Demokratie gefährdet. Für viele Genossenschaften war die Zäsur tiefer als jene durch den Ersten Weltkrieg. Die horrende Inflation traf besonders die genossenschaft lichen Kreditinstitute. Zahlreiche Genossenschaften lösten sich auf oder ließen ihren Geschäftsbetrieb ruhen. Eine Folge war, dass Zentralinstitutionen größeren Einfluss erlangten. Die bis dato relativ autonomen Genossenschaftsbanken, die selbstständig Zinssätze festgelegt hatten, waren nun auf die Gelder der Zentralkassen bzw. der Preußenkasse angewiesen. Diese halfen, setzten allerdings fortan den Zinssatz für Kreditnehmer fest. Kaum partizipierten die Genossenschaften anschließend an der generellen ökonomischen Erholung, bescherte ihnen die Weltwirtschaftskrise von 1929 die nächste große Herausforderung. Dabei waren die viel gerühmten „Goldenen Zwanzigerjahre“ noch nicht einmal für alle Genossenschaft szweige tatsächlich „golden“ gewesen. Die Landwirtschaft, die ihre Schulden durch die Inflation 1923 mit einem Schlag praktisch getilgt sah, häufte anschließend rasch neue an. Denn sie tat sich schwer, von der reinen Produktion großer Mengen auf eine qualitativ höherwertige Wirtschaft umzustellen. Dies war angesichts einer zunehmend auf den Markt drängenden ausländischen Konkurrenz notwendig geworden, kostete aber viel Zeit und Geld. Mitten in der Umstellungsphase traf sie 1929 der Kollaps der Gesamtwirtschaft, was die Verschuldung landwirtschaftlicher Betriebe erneut steil in die Höhe trieb. Konsequenzen aus der Weltwirtschaftskrise, die auch Mitgliederschwund und die Auflösung von Genossenschaften mit sich netzwerk 12/09 ÜBERBLICK brachte, sollten im Genossenschaft swesen dann unter völlig veränderten politischen Vorzeichen während der nationalsozialistischen Diktatur (1933–1945) gezogen werden. Bedingte Gleichschaltung im Nationalsozialismus Mit der nationalsozialistischen Macht übernahme 1933 änderten sich die Bedingungen auch für die Genossenschaften und ihre Verbände grundlegend. Sie waren nun nicht mehr allein den Mitgliedern verpfl ichtet, sondern auch den staatlichen Organen. Die einzelnen Genossenschaft en wurden samt ihrer Verbände in das zentral gelenkte nationalsozialistische Wirtschaft ssystem eingegliedert. Die dem sozialistischen Milieu zugerechneten Konsumgenossenschaften wurden sogar aufgelöst. Bereits 1933 mussten sich alle landwirtschaft lichen Genossenschaften dem Reichsnährstand anschließen, dem die Gleichschaltung der agrarwirtschaftlichen Gesellschaft in Deutschland oblag. Die gewerbliche Wirtschaft wurde in die Notgeld in der Hyperinflation 1923. Reichsgruppen Handel, Handwerk, Im klaren Widerspruch zum autoritären, Industrie, Banken, Versicherung und hierarchischen Führerstaat stand jedoch die Verkehr aufgeteilt. Innerhalb der Reichsdemokratische genossenschaft liche gruppe Banken wurden alle KreditgenosSelbstbestimmung. Diese sollte durch eine senschaften bis 1936 einer gleichnamigen gezielte Besetzung der Organe mit linienWirtschaft sgruppe zugeordnet, in der treuen oder zumindest politisch genehmen ländliche und gewerbliche Institute Personen ausgehebelt werden. Das Vorgehen selbstständige Fachgruppen bildeten. stieß in so manchen Genossenschaft en auf Widerspruch, mit der Folge, dass auf lokaler Der organisatorische Aufbau der GenossenEbene eine begrenzte Autonomie geduldet schaften blieb im Kern unverändert. wurde. Für Genossenschaft er war die Politik Genügend qualifi ziertes Personal für eine des Regimes anfangs schwer einzuschätzen. weitreichende Durchdringung der genossenDie Landwirtschaft profitierte zunächst schaft lichen Institutionen besaßen die sogar von seinen Entscheidungen. So nationalsozialistischen Machthaber nicht. übernahm das Reich 1933 per Gesetz die Hinzu kam, dass nationalsozialistische Kreditforderungen und entschuldete die Ideologen der genossenschaft lichen Idee eine Betriebe, was viele Existenzen rettete. Den Verwandtschaft zur „Volksgemeinschaft“ Genossenschaft sbanken, die den damit unterstellten und insofern positiv gegenüber verbundenen Abschlag von 30 Prozent bei Genossenschaften eingestellt waren. netzwerk 12/09 den Rückzahlungen nicht verkraften konnten, griff wiederum die bereits in der Weimarer Republik als Notprogramm aufgelegte „Reichsgenossenschaft shilfe“ fi nanziell unter die Arme. Die genossenschaft lichen Zentralen, die Regional- und Spitzenverbände auf Reichsebene scheinen dagegen stärker nationalsozialistisch beeinflusst worden zu sein. Mitarbeiter in höheren Positionen mussten ihr Amt zur Verfügung stellen, wenn sie der NSDAP nicht beitreten wollten. Wer nicht spurte, wurde gezwungen. Manche kamen sogar in Haft . Einzelne Regionalverbände sicherten sich aber, toleriert durch die neue Führung, die fortdauernde Mitwirkung ihrer bisherigen Funktionäre in den Gremien, so dass auch hier kein einheitliches Bild gezeichnet werden kann. Das Wenige, das über das Verhalten der Spitzenverbände bekannt geworden ist, zeugt – ungeachtet förmlicher Treuebekenntnisse zum „Führer“ und seiner Regierung – von einem Bestreben, die innere Autonomie zu erhalten bzw. wiederzuerlangen. Dabei schafften sie es immerhin, 1935 die Finanz- und Verwaltungshoheit der Prüfungsverbände wiederherzustellen. Hinsichtlich der Ausgrenzung der Juden beugten sich die Spitzenverbände offenbar weitgehend dem politischen Druck. Der RVR wies 1933 seine Mitglieder an, den Geschäft sverkehr mit jüdischen Betrieben und Einzelpersonen einzustellen. In der Folge solcher Maßnahmen gründeten Juden selbst Genossenschaftsbanken. Der DGV und die Regionalverbände verhielten sich diesen gegenüber ambivalent. Sie lehnten eine 17 ÜBERBLICK Dauerhafte Weichenstellungen Vermögenslage und Geschäftsführung der Genossenschaft festgeschrieben. Das Gesetz erweiterte zudem die Rechte und Pflichten der Prüfungsverbände hinsichtlich der Auswertung des Prüfungsergebnisses. Im Hinblick auf die Erfüllung dieses umfassenden Auft rages verstärkten die Verbände ihre Betreuungsangebote, da angesichts wachsender Anforderungen der Rahmen der Prüfung immer weniger ausreichte. In der Zeit des Nationalsozialismus erfolgten einige das Genossenschaftswesen dauerhaft prägende rechtliche und organisatorische Veränderungen. Sie ergaben sich primär aus Entwicklungen, die bereits in der Weimarer Republik eingesetzt hatten und nicht ideologisch, sondern ökonomisch begründet waren. 1934 setzte die Reichsregierung eine Gebietsbereinigung unter den Regionalverbänden durch. Damit wurden zuvor bestehende, intern zuweilen heft ig kritisierte Konkurrenzen innerhalb der ländlichen (Raiffeisen) bzw. gewerblichen (SchulzeDelitzsch) Genossenschaft sverbände beendet. In diesem Zusammenhang wurden auch einige noch bestehende „wilde“ Genossenschaften, die keinem Verband angehört hatten, eingegliedert oder aufgelöst. Generell wurde ab Mitte der 1930er-Jahre die Vereinheitlichung des äußeren Erscheinungsbildes vorangetrieben, um das Markenzeichen „Genossenschaft“ zu stärken. Die Kreditgenossenschaften des RVR und die des DGV wurden gedrängt, jeweils eine einheitliche Firmierung anzunehmen: Erstere sollten sich künft ig als „Raiffeisenbanken“, Letztere als „Volksbanken“ bezeichnen. 1934 entstand das „Giebelkreuz“ als verbindendes Zeichen der Raiffeisen-Genossenschaften, 1941 das „V“ der Volksbanken. Im Raiffeisenbereich sollten diese Maßnahmen zur Vereinheitlichung allerdings erst in den 1970er-Jahren flächendeckend greifen, als sich der Verbund umfassend neu organisierte und aus ökonomischen Gründen darauf drang. Als eine Konsequenz aus dem Missmanagement von Genossenschaften seit den späten 1920er-Jahren novellierte die Regierung 1934 das GenG. Die neue Fassung stärkte die Position der Prüfungsverbände erheblich. Die Mitgliedschaft in einem Verband sowie die jährliche Prüfung durch denselben wurden darin für alle Genossenschaft en zwingend vorgeschrieben. Die Pflicht der Verbände zur Prüfung ließ sie dazu übergehen, nicht mehr externe Revisoren zu bestellen, sondern dafür eigene mit dem Genossenschaftswesen und seiner untrennbaren Verbindung von Prüfung und Betreuung vertraute Experten zu beschäft igen. Das Bundesverfassungsgericht sollte 2001 grundsätzlich bestätigen, dass die Pflichtmitgliedschaft sinnvoll, geeignet und erforderlich ist und den Genossenschaften zugemutet werden kann. Weitere grundlegende rechtliche Regelungen der 1930er- und 1940er-Jahre sorgten dauerhaft für mehr ökonomische Stabilität. Erstmals wurden obligatorische Sicherungseinrichtungen geschaffen, 1937 im DGV und 1941 im RVR, die nach der Währungsreform 1948 wiederbelebt wurden. Das „Reichsgesetz über das Kreditwesen“ brachte 1934 erstmals eine umfassende rechtliche Regelung des Bankgeschäft s, unter anderem durch eine obligatorische Risikostreuung sowie der Pfl icht zur monatlichen Berichterstattung gegenüber der parallel eingeführten Bankenaufsicht, zur Meldung von Großkrediten und zur Haltung von bestimmten Liquiditätsreserven. Diese strengen gesetzlichen Auflagen verstärkten – zunächst in städtischen Kreditgenossenschaften – die Tendenz, von der ehren- und nebenamtlichen zur hauptamtlichen Geschäft sführung überzugehen. Spätere Novellierungen des Kreditwesengesetzes förderten diesen Trend zusätzlich. Die Banken wurden frühe Vorreiter einer schließlich das gesamte direkte Mitgliedschaft der jüdischen Genossenschaftsbanken zwar ab, zeigten sich aber aufgeschlossen, den parallel gegründeten jüdischen Prüfungsverband aufzunehmen. Nationalsozialistische Behörden verhinderten dies. Das Reichswirtschaft sministerium löste die jüdischen Genossenschaftsbanken 1938 auf. Anders als bei der aktienrechtlichen Prüfung wurde die genossenschaft liche nicht auf eine bloße Bilanzprüfung begrenzt, sondern auf eine Prüfung der gesamten Einrichtung, 18 Genossenschaft swesen erfassenden Professionalisierung. Rasche Reorganisation nach Kriegsende Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) standen Genossenschaften wie die gesamte deutsche Gesellschaft vor einem Scherbenhaufen. Genossenschaft lichen Einrichtungen, sofern sie überhaupt noch existierten, fehlten Mitglieder, von denen viele im Krieg gefallen waren. Vor allem in den Städten waren Geschäft sgebäude oft ganz oder teilweise zerstört und das Geldvermögen der Mitglieder war weitgehend vernichtet. Die rasch einsetzende deutsche Teilung zerstörte zudem die Verbandsstrukturen. In den vier Besatzungszonen wurde das Genossenschaft srecht unterschiedlich defi niert. Die amerikanische Militärregierung hob die Pfl ichtmitgliedschaft von Genossenschaften in Prüfungsverbänden auf. Sie wurde erst bis 1950 wieder flächendeckend eingeführt. Doch in der schwierigen Nachkriegssituation bewährten sich genossenschaft liche Prinzipien der gemeinschaft lichen Selbsthilfe und die langjährige Erfahrung im Meistern von Krisen. Allerorten begann der Wiederaufbau. Im Westen nutzten Verbände und Zentralinstitutionen die wiedergewonnene Freiheit, um sich auf allen Ebenen zu reorganisieren. An der Spitze standen meist erfahrene Genossenschafter. Die als sinnvoll erachteten Strukturen mit zwei Spitzenverbänden und jeweils einheitlichen Regionalverbänden wurden beibehalten. Bald nahmen die ländlichen und gewerblichen Regionalverbände ihre Arbeit wieder auf. 1948 gründete sich der Deutsche Raiffeisenverband e.V. (DRV) als Nachfolger des RVR, ein Jahr später folgte der Deutsche Genossenschaft sverband (Schulze-Delitzsch) e.V. als Neugründung des „alten“ DGV. Beide verlegten ihre Sitze bald von Wiesbaden nach Bonn. Auch mehrere bis heute wichtige Verbundunternehmen konstituierten sich bis 1949 neu oder wieder. Dazu gehörten der Zentralverband des Genossenschaftlichen Groß- und Außenhandels e.V., aus dem später der Zentralverband der Genossenschaftlichen netzwerk 12/09 21.600 ÜBERBLICK Rund €* für 20 Jahre möglich. 31.12. Währungsumtausch 1948 in einer Geschäftsstelle der Berliner Volksbank. Großhandels- und Dienstleistungsunternehmen e.V. (ZENTGENO), Bonn, und noch später der Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen e.V. (ZGV) hervorging, und die Deutsche Raiffeisen-Warenzentrale GmbH, Frankfurt am Main, als Bundeszentrale der Raiffeisen-Hauptgenossenschaften. Als Zentralbank in der Nachfolge der Preußenkasse wurde in Frankfurt am Main die Deutsche Genossenschaftskasse errichtet, später umbenannt in DG Bank, aus der nach mehreren Fusionen und Strukturveränderungen 2001 die DZ Bank hervorging. Sie und die WGZ Bank AG, Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank, Düsseldorf, sind heute die beiden Zentralbanken des deutschen Genossenschaftswesens, in denen alle regionalen Vorgängerinnen aufgingen. Die Bausparkasse der deutschen Volksbanken und später auch der Raiffeisenbanken wurde von Berlin nach Schwäbisch Hall verlegt. Sie heißt heute Bausparkasse Schwäbisch Hall AG und operiert als Teil der DZ BankGruppe inzwischen auch am internationalen Markt erfolgreich. Ebenfalls aus Berlin kam die Gruppe der Raiffeisenversicherungen nach Westdeutschland. Über einen Umweg verlegte sie 1948 – von da ab als Raiffeisendienst Versicherungsgesellschaften firmierend – ihren Sitz nach Wiesbaden. 1958 schloss das Unternehmen einen Rahmenvertrag mit den gewerblichen Zentralkassen und etablierte sich in der netzwerk 12/09 Folgezeit als zentrale Versicherungsgruppe der Kreditgenossenschaften. Seit 1973 firmiert sie unter dem Namen R+V Versicherung AG; ihre Leistungspalette weitete sie inzwischen kräft ig aus. Das rasch wieder betriebsbereite Verbandsund Verbundsystem bildete das Dach für genossenschaft liche Betätigung in der 1949 aus den drei Westzonen konstituierten Bundesrepublik Deutschland. Die Währungsreform 1948 legte eine entscheidende Basis für die rasche ökonomische Erholung Westdeutschlands. Im „Wirtschaft swunder“ setzte ein Boom an genossenschaft lichen Wieder- und Neugründungen ein. Einen wichtigen Beitrag leistete das Genossenschaftswesen zur Integration der vielen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, die mittels eigener Kredit-, Fischerei- und anderen Genossenschaften zur Selbsthilfe griffen und dabei in den Verbänden oft tatkräft ige Unterstützung fanden. Bis 1960 wuchs die Gesamtzahl der westdeutschen Genossenschaften auf über 27.000 an. Doch Wandel blieb auch in der lang anhaltenden Phase ökonomischer Prosperität ein zentrales Merkmal der genossenschaft lichen Entwicklung. Manche der neuen Primärgenossenschaften, wie Orts-, Lokal- und Einzelhandelsgenossenschaft en zur Unterscheidung von Sekundärgenossen- Bis noch schnell die maximale Jahresprämie für Ihre Kunden sichern. Nutzen Sie die maximale Prämie für einen erfolgreichen Jahresendspurt. So tragen Sie dazu bei, dass keiner mehr begeisterte Kunden hat als die Nr. 1** – Schwäbisch Hall. * Riester-Zulage: 2 BspV mit weiteren Vorauss., 2 Kinder (geb. ab 2008), 20 J. Grund- und Kinderzul., WoP (verh.) + Arbeitn.-Sparzul. (2 rentenvers.-pfl. AN): weiterer BspV, Eink.-Grenzen. Laufz. 20 J. ** Deutscher Kundenmonitor 2008 für Bausparkassen. Gemessen an der Anzahl vollkommen/sehr zufriedener Kunden bei der Globalzufriedenheit; bzgl. der Kundenanzahl privater Bausparkassen. 19 ÜBERBLICK schaften (Zentralgenossenschaften, Zentralgeschäft sstellen) genannt wurden, bestanden nur wenige Jahre. Die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Tiefgefrierund Wäschereigenossenschaften wurden bald von Kühltruhe und Waschmaschine abgelöst. Abweichende Entwicklung in der DDR Nach Kriegsende trennten sich die genossenschaft lichen Wege in Ost und West. Politische Entscheidungen durchkreuzten die Bemühungen in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone, Genossenschaften und Verbände nach altem demokratischen Vorbild wieder Leben einzuhauchen. Der „Kongress der ländlichen Genossenschaft en Deutschlands“ 1949 in Ost-Berlin leitete ihre Umwandlung bzw. Auflösung ein. Das GenG blieb zwar prinzipiell gültig, aber ab 1950 verloren die Genossenschaften in der DDR ihren von Schulze-Delitzsch bzw. Raiffeisen geprägten Charakter. Sie wurden in das sozialistische System, das Planwirtschaft an die Stelle des marktwirtschaftlichen Wettbewerbes setzte, eingeordnet und entsprechend politisch ausgerichtet. Ein auch sinnbildlicher Abschluss dieser Entwicklung war 1974 die Umwandlung der Genossenschaftsbanken zu Genossenschaft skassen infolge der neuen sozialistischen Verfassung der DDR: Sie waren damit auch formal kein Eigentum ihrer Mitglieder mehr. Die Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG), die aus den 1945 zunächst wieder zugelassenen Raiffeisengenossenschaften hervorgegangen waren, verschmolzen 1950 auf Anordnung der Behörden mit der Massenorganisation Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB). Bis 1951 gingen die regionalen Raiffeisenverbände ebenfalls in der VdgB auf. Die regionalen Verbände der ehemaligen gewerblichen Genossenschaft sinstitute wurden in einem zentralen Prüfungsverband vereinigt. Dieser war für die Prüfung der Genossenschaft skassen für Handwerk und Gewerbe zuständig. Mit dem Bau der Mauer in Berlin 1961 zerrissen auch die letzten persönlichen Verbindungen zwischen ost- und westdeutschen Genossenschaften. 20 Modernisierung im Wachstum Längst tätigten die Genossenschaft en nicht mehr aus der „guten Stube“ heraus ihre Geschäfte, sondern aus angemieteten Büroräumen und zunehmend auch aus eigenen Geschäftsgebäuden. In der Bundesrepublik Deutschland florierten sie dank stabiler politischer Rahmenbedingungen und des beispiellosen ökonomischen Aufschwungs mit hohen Wachstumsraten zwischen 1950 und 1974. Ein neuer und breiter Mittelstand bildete sich heraus, Lebensgewohnheiten veränderten sich. Das Medium Fernsehen trat seinen Siegeszug an. Das ehemals agrarisch geprägte Land wurde nicht nur zügig weiter industrialisiert, sondern verwandelte sich mehr und mehr auch in eine Dienstleistungsgesellschaft . Der zunehmende Einsatz moderner Technik führte zu Produktivitätssteigerungen in fast allen ökonomischen Bereichen. Umfangreiche Investitionen wiederum führten zu einer starken Nachfrage nach Bankkrediten. Die einsetzende Technisierung der Landwirtschaft etwa, beginnend mit dem flächendeckenden Einsatz von Traktoren, war insbesondere für Raiffeisenbanken eine Herausforderung. Zunehmende Größe und steigende Buchungsarbeit ließen besonders in den Kreditgenossenschaften Wünsche nach Konzentration und Rationalisierung reifen. Bereits Ende der 1950er-Jahre überlegten einige Banken, Buchungsgemeinschaften zu bilden. 1964 kam mit der Lochkartenverarbeitungsmaschine eine geeignete Technik auf den Markt. Im gleichen Jahr entstand in Kassel das erste genossenschaft liche Rechenzentrum auf regionaler Ebene. In den darauffolgenden Jahren entstanden zahlreiche regionale Datenverarbeitungsgesellschaften. Anfang der 1970er-Jahre hielt die elektronische Datenverarbeitung (EDV) Einzug. Die zunehmende Automatisierung des Bankgeschäfts, der sich beschleunigende technologische Wandel und komplexer werdende Herausforderungen ließen viele regionale Institute zusammenrücken. Mit den ersten Schritten hin zum Onlinebanking in den 1990er-Jahren forcierte sich der Konzentrationsprozess der Rechenzentralen. Bis 2001 reduzierte sich ihre Zahl auf vier. Heute existieren mit der Karlsruher FIDUCIA IT AG und der in Münster ansässigen GAD eG noch zwei Rechenzentralen bzw. IT-Dienstleister für die Volksbanken und Raiffeisenbanken. Von der Fachberatung zur Strategieberatung Interne Veränderungen in der genossenschaft lichen Verbandsarbeit erfolgten natürlich stets, wenn neue Gesetze oder Gesetzesnovellen es notwendig machten. Für einen Kernbereich der Verbandsprüfungsleistungen, der Prüfung der Banken, legte das Kreditwesengesetz von 1961 nun ausdrücklich die Abschlussprüfung in wesentlichen Bereichen des Bankbetriebes, eine Organisationsprüfung, die Kreditprüfung und die Prüfung der wirtschaft lichen Verhältnisse des Instituts fest. Infolge solcher Modifi kationen, die ohnehin dem genossenschaft lichen Selbstverständnis entsprachen, verstärkten die Verbände präventive Aspekte in der Prüfungs- und Beratungstätigkeit. Ein Akzent verbandspolitischer Strategie war es nunmehr, schädliche Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Aus der Fachberatung in Rechnungs-, Bilanzierungs-, Steuer- und Rechtsfragen wurde die ganzheitliche Strategieberatung. Gleichzeitig erhöhten immer größere und komplexer aufgebaute Primärgenossenschaften die qualitativen Anforderungen an die Kompetenz der Berater. Vor diesem Hintergrund entstanden Organisations-, Personal-, Controlling- und Marketingberatungsabteilungen in den Verbänden. Die Prüfungstechniken der Verbände veränderten sich grundlegend. Die bis dato manuell durchgeführten Einzelfallprüfungen wurden in den 1970er-Jahren zunehmend auf EDV übertragen. Dabei mussten Grundlagen zur Durchführung von Systemprüfungen entwickelt werden, die durch Einzelfall- und Globalprüfungen ergänzt werden. Da der Gesetzgeber auf eine Trennung von Prüfung und Beratung hinwirkte, entwickelten die Regionalverbände organisatorisch selbstständige Abteilungen. Beratung ist heute ein eigenständig angesetztes Instru- netzwerk 12/09 ÜBERBLICK die Bedürfnisprüfung für Bank- und Zweigstellengründungen auf. Die Folge war ein Boom von Filialgründungen. Bis 1978 wuchs die Zahl der Zweigstellen von Kreditgenossenschaften von etwa 2.400 auf knapp 15.000. Aber es gab auch eine Kehrseite: Mit Aufhebung der Bedürfnisprüfung entstand erstmals im ländlichen Raum eine nennenswerte Konkurrenz. Sparkassen und einige Privatbanken schufen ebenfalls ein breites Niederlassungsnetz. Als 1967 die staatliche Zinsbindung aufgehoben wurde, verschärfte sich nicht nur der Wettbewerb gegenüber anderen Bankgruppen, sondern auch unter den Kreditgenossenschaften. Der Professionalisierungsdruck für Genossenschaftsbanken nahm zu. Das Erscheinungsbild vieler Kreditgenossenschaften (Mitte) änderte sich im Zuge umfassender Modernisierungen ab den 1960er-Jahren stark. Im Mittelpunkt aller Veränderungen blieben die Mitglieder und Kunden, auch die ganz jungen, ob am Kinderschalter der 1950er-Jahre (oben) oder in der Spielecke (unten links) zwei Jahrzehnte später. ment, wenngleich natürlich die individuelle Beratung von Genossenschaften nach wie vor am Prüfungsergebnis anknüpft . Strukturreform als historische Zäsur Bis Anfang der 1970er-Jahre erfolgten durch die Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland eine Reihe von ordnungspolitischen Entscheidungen, die auf eine Liberalisierung des Wettbewerbs zielten. Mehr und mehr wurden Genossenschaften in die Körperschaftsteuer einbezogen und damit anderen Marktteilnehmern gleichgestellt. 1958 hob das Bundesverfassungsgericht netzwerk 12/09 Vor diesem Hintergrund verschmolzen 1972 die beiden Spitzenverbände DGV und DRV zum Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V. (DGRV). Damit bildeten die beiden genossenschaft lichen Traditionsstränge von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch erstmals eine organisatorische Einheit. Unter dem Dach des DGRV formierten sich drei spartenspezifische Bundesverbände: der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), der Deutsche Raiffeisenverband e.V. (DRV) und der Zentralverband Gewerblicher Verbundgruppen e.V. (ZGV). Später kam noch der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e.V. (ZdK) hinzu. Der DGRV und die Bundesverbände repräsentieren seither – mit Ausnahme der Wohnungsbaugenossenschaften – die genossenschaft liche Bewegung Deutschlands auf nationalem und internationalem Parkett und treten als Lobby im politischen Raum auf. Als hätten die Verantwortlichen es geahnt, dass ohnehin bald wieder generell schwierigere Zeiten anbrechen würden, fiel die größte und bedeutendste Strukturreform in der genossenschaft lichen Verbandsgeschichte zusammen mit dem jähen Ende der ökono- 21 ÜBERBLICK mischen Nachkriegsprosperität. Die Ölkrise 1973/74 bescherte den westlichen Industriestaaten inklusive der Bundesrepublik Deutschland eine tiefe Zäsur. Danach erzielte die Bundesrepublik Deutschland nur noch vergleichsweise gemäßigte Wachstumsraten. Durch die Überwindung der historischen Trennung zwischen Raiffeisen- und SchulzeDelitzsch-Organisationen setzten die Verbände ein Zeichen, die genossenschaftliche Bewegung künft ig mit konzentrierter Kraft voranzubringen. Inzwischen fusionierten nahezu alle der zuvor parallel arbeitenden Regionalverbände beider Traditionslinien. Ausbau des genossenschaftlichen Verbundsystems Eine Ursprungsidee der Gründung von Genossenschaften ist, dass die Gemeinschaft Leistungen erbringt, die ein Einzelner nicht vollbringen kann. Bereits in der Zeit der Weimarer Republik waren zentrale Einrichtungen entstanden, um diesen Gedanken auf Verbundebene zu realisieren. Aus Versicherungsvermittlungen der damaligen Verbände entwickelte sich die heutige R+V Versicherung AG. Sie deckt den kompletten Versicherungsbereich ab. 1921 gründete die Preußenkasse in Berlin die Deutsche 22 Genossenschaft s-Hypothekenbank AG, die mit ihren Pendants, der Münchener Hypothekenbank eG und der WL Bank AG längst zu den Marktführern in ihren Tätigkeitsgebieten gehört. 1956 entstand in Frankfurt die Union-Investment-Gesellschaft, die bis heute sehr erfolgreich über die Volksbanken und Raiffeisenbanken eine breite Palette an Aktien- und Rentenfonds anbietet. Die erwähnte Bausparkasse Schwäbisch Hall und die DG Bank (heute: DZ Bank) sowie die 1970 aus der Kölner und zwei Münsteraner Zentralkassen gebildete Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank eG (WGZ Bank, heute eine AG) komplettierten das Ensemble der führenden genossenschaft lichen Zentralinstitute. Zudem differenzierte sich das Verbundsystem immer mehr aus. Mit Blick auf das wachsende Fondsgeschäft wurden 1965 die Deutsche Immobilienfonds AG (DIFA) und 1970 die Spezialfondsgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Investment-Fonds GmbH (DEVIF) in Frankfurt gegründet. Seit 2001 sind die Kapitalanlagegesellschaften Union Investment, DEVIF und DIFA unter dem Dach der Union-Fonds-Holding AG gebündelt. Insgesamt entstand ein sich dynamisch entwickelndes, leistungsstarkes Verbundsystem, das die Primärgenossen- schaften bei der Erfüllung ihrer Aufgaben wirkungsvoll fördert und unterstützt. Seit 1972 ist die VR Leasing Teil des genossenschaft lichen FinanzVerbundes. Sie ist ein großer Spezialanbieter für mittelstandsorientierte Finanzierungslösungen in Deutschland und Europa und gehört der DZ Bank Gruppe an. Unter dem Dach des DGRV agieren heute die genannten vier Bundesverbände sowie sechs Regional- und sechs Fachprüfungsverbände, 22 Zentralunternehmen und Spezialinstitute auf Bundesebene und 34 Regionalzentralen einschließlich deren Tochterunternehmen. 5.300 genossenschaft liche Unternehmen und 16,6 Millionen Mitglieder sind im genossenschaft lichen Verbund organisiert. Inzwischen sind die Verbundunternehmen selbst zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. 2008 boten sie rund 400.000 Menschen einen Arbeitsplatz und bildeten weitere 35.000 aus. Der genossenschaft liche Verbund ist damit die mit Abstand mitgliederstärkste Wirtschaftsorganisation in Deutschland. Schaffen eines leistungsstarken genossenschaftlichen Netzwerkes Bei den Primärgenossenschaften setzte in den 1970er-Jahren ebenfalls ein Fusionsprozess ein, der bis heute anhält. Aufseiten der Banken erhöhten zunächst die flächendeckende Einführung der bargeldlosen Lohnzahlung und weitere gesetzliche Änderungen den Wettbewerbsdruck. Die Auffassung Schulze-Delitzschs, dass das Nichtmitgliedergeschäft ein Ergänzungsgeschäft bleiben müsse, das nicht gegen das Selbsthilfeprinzip verstoßen darf, hatte die Haltung der genossenschaftlichen Organisationen über 100 Jahre geprägt. Im Bankengeschäft wurde mit dem Änderungsgesetz zum GenG 1973, Artikel 1, das Nichtmitgliedergeschäft nun freigegeben. Dies schloss die Entwicklung der Genossenschaft sbanken hin zu Universalbanken ab. Drei Jahre später wurden im netzwerk 12/09 ÜBERBLICK Rahmen einer Novellierung des Kreditwesengesetzes hauptamtliche Leiter für sie festgeschrieben und das „Vier-AugenPrinzip“ eingeführt. Ein höherer Professionalisierungsgrad war nun unausweichlich. In der Folge minderte sich unter anderem die Zahl der Genossenschaft en, die sowohl Bank- als auch Warengeschäfte betrieben. Als ein erfolgreicher Weg, im härter gewordenen Wettbewerb zu bestehen, erwies sich die Verschmelzung von Kreditgenossenschaften zu größeren und leistungsfähigeren Einheiten. Die Verbände förderten diesen Prozess nachdrücklich, wobei sie das Erzielen von Synergieeffekten in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten rückten. Zur Jahrtausendwende proklamierte der BVR die Bündelung der Kräfte: „Ein Markt – eine Bank“, was auch auf eine verbesserte Zusammenarbeit im genossenschaft lichen FinanzVerbund zielte. Gab es 1972 noch 5.753 Genossenschaft sbanken, ist der BVR mit heute 1.232 seinem Ziel von 800 leistungsfähigen Einheiten sichtbar näher gekommen. Parallel veränderten der fortdauernde Strukturwandel in der Landwirtschaft und die europäische Agrarpolitik mit ihrer Mischung aus Restriktionen und Liberalisierungen die Bedingungen für die Raiffeisen-Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften erheblich. Höherer Kostendruck, steigende Umweltaufl agen und ständige Anpassungen an sich immer weiter öff nende Märkte forderten diese Sparte heraus. Im Rahmen des Abschlusses des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) wurde in den 1990er-Jahren die EU-Agrarreform abgesichert und der weltweite Handel weiter liberalisiert. Dieser Trend hält an. Für 2015 ist eine vollständige Abschaff ung der Produktionsbegrenzung in der Milchwirtschaft (Quotenregelung) vereinbart. Vor diesem Hintergrund vollzog sich im Raiffeisensektor ebenfalls ein Konzentrations- und Neuformierungsprozess. Die Zahl von knapp 9.000 Primärgenossenschaften 1970 hat sich inzwischen auf rund 3.000 reduziert, inklusive der in den 1990er-Jahren neu hinzugekommenen netzwerk 12/09 Die Bausparkasse Schwäbisch Hall (oben ein Beratungsgespräch in einer Filiale) und die DG Bank (hier der Handelsbereich in den 1970er-Jahren) avancierten schon bald nach ihrer Gründung zu Stützen des genossenschaftlichen Verbundes. 2001 übernahm die DZ Bank die Rolle der DG Bank als führende Zentralbank des Genossenschaftswesens. Genossenschaften in Ostdeutschland. Die effektive Zusammenarbeit im Verbund wurde immer wichtiger. Neue Verbundunternehmen auf dem Gebiet der Vermarktung von Molkereiprodukten, von Vieh und Fleisch, von Obst und Gemüse sowie von Fischen entstanden. Parallel wurden bestehende Zentralen optimiert und zu wettbewerbsfähigen Einheiten zusammengefasst. Von den 13 landwirtschaft lichen Hauptgenossenschaften aus dem Jahre 1950 sind heute noch fünf Raiffeisen-Hauptgenossenschaften (RHG) übrig geblieben. Waren sie früher nur Großhändler, treten sie heute als Groß- und Einzelhändler auf. Die RHG kooperieren inzwischen mit internationalen Partnern und fördern das Exportgeschäft ihrer Mitglieder. Von der Werbung zur Unternehmenskommunikation Überregionale gemeinschaftliche Werbung von Genossenschaften begann bereits in der Weimarer Republik. Ein frühes Beispiel sind 23 ÜBERBLICK Filmen auftraten, um für den Genossenschaftsgedanken intensiv zu werben. Immer wenn es um spezielle Werbung ging, wurden Arbeitskreise berufen, zum Beispiel für Unterrichtsmaterial an Schulen oder für den Raiffeisen-Taschenkalender. Ab 1961 gründeten sich Bezirkswerbegemeinschaften. Bald wurden regionale Werbefonds eingerichtet, später Werbebeiräte – zunächst von Banken – etabliert. Bis zur Zusammenführung der ländlichen und gewerblichen Genossenschaftsorganisationen behandelte ein Unterausschuss für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung des DRV bankwirtschaft liche und warenwirtschaftliche Themen. Ab 1972 übernahm der BVR die Werbung für die gesamte genossenschaft liche Kreditwirtschaft . Der DRV betreute danach die Öffentlichkeitsarbeit für die ländlichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften über zwei Unterausschüsse. Nur der BVR richtete einen zentralen Werbefonds ein. Für die Warenwirtschaft gründeten sich einige regionale Werbefonds. Die Pressereferenten in den Regionalverbänden betreuten regionale Mitteilungsblätter. Versuche, die Mitteilungsblätter zu zentralisieren, blieben ohne Resonanz. Das „GenossenschaftsForum“, das ab 1972 aus der „Raiffeisen Rundschau“ des DRV und aus den Blättern für das Genossenschaftswesen entstanden war, wurde 1991 mit der „BankInformation“ des BVR als Spitzenorgan vereinigt. Von Wilhelm Haas mitinitiiert war „Der Fortschritt“, eine der ersten Fachzeitschriften zum genossenschaftlichen Gedanken- und Meinungsaustausch in Deutschland. Viele Jahre führten auch der „Genossenschafts-Kurier“ oder der „dialog“ diese Tradition fort. Verbandsorgan im Geschäftsgebiet heute ist das Magazin „netzwerk“. die zentral gesteuerten Werbeaktivitäten zum 1924 international eingeführten Weltspartag der Banken. Nach dem Zweiten Weltkrieg intensivierten sich die Bemühungen für Gemeinschaftswerbung. Ab 1952 begannen Gewinnsparvereine sich erfolgreich in Szene zu setzen. Das Gewinnsparen eröffnete die Möglichkeit, durch öffentliche Auslosungen besondere Werbeakzente zu setzen. Bald wurde Werbung und Öffentlichkeitsarbeit eine Domäne der Verbände, die dafür eigens Mitarbeiter abstellten. Die Verbände 24 richteten einen Plakatdienst ein und gaben Werbe-Abonnements aus. Bis in die 1960erJahre hinein ging es vorrangig um klassische Werbeaktivitäten. Die Werbeleiter der Regionalverbände hatten verschiedene Vorbildungen. Einige kamen aus dem Prüfungsdienst, andere waren in der genossenschaft lichen Praxis oder im Pressewesen tätig. Mit ansteckender Begeisterung, so belegen zahlreiche Schilderungen, besuchten die Werbeleiter dörfliche Abendveranstaltungen und Generalversammlungen, wo sie mit Vorträgen, später auch mit Diashows und Spätestens in den 1970er-Jahren veränderte sich der Charakter von Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Die Zusammenarbeit mit Marktforschungsinstituten wurde intensiver. Ausstellungen zeigten nicht mehr nur eigene Produkte, sondern widmeten sich verstärkt aktuellen gesellschaft lichen Themen. Marketingmethoden hielten Einzug. Die Genossenschaft sbanken riefen 1970 den Internationalen Jugendwettbewerb ins Leben, der zu einem dauerhaften Erfolg im Schwerpunkt Jugendmarketing avancierte. Große regionale Schlussveranstaltungen bieten jährlich die Gelegenheit, genossenschaftliche Leistungen einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Heute tragen 21.000 netzwerk 12/09 ÜBERBLICK Genossenschaft sbanken in sieben europäischen Ländern den Wettbewerb mit seinen rund 1,5 Millionen teilnehmenden Schülerinnen und Schülern. Die Spitzenverbände trieben den Trend, Genossenschaften als moderne, weltoffene Unternehmen darzustellen, weiter voran. So gründete der BVR einen Fachausschuss Marketing, der Grundsätze für die Werbung und Öffentlichkeitsarbeit seiner Mitglieder entwickelte. Mit der 1988 eingeführten Kommunikationsstrategie „Wir machen den Weg frei“ präsentierte er erstmals eine einheitliche Konzeption im Bundesgebiet für Genossenschaft sbanken. Sie wurde ein riesiger Erfolg. Volksbanken und Raiffeisenbanken werden in der Öffentlichkeit inzwischen sehr viel mehr als Einheit wahrgenommen. Eine ähnliche Konzeption wies die 1993 gestartete Imagekampagne des DRV „Wir öff nen Märkte“ auf. Der neue, bundesweit einheitliche Slogan war auch eine Reaktion auf die Herausforderungen durch die europäische Agrarpolitik, die die Wettbewerbssituation in diesem Sektor verschärfte. Regionale Marketinggemeinschaften unterstützen inzwischen Genossenschaften in der Umsetzung und Entwicklung von strategischer Werbung und Unternehmenskommunikation. Seit den 1980er-Jahren signalisieren viel beachtete regionale und überregionale Wirtschaft sforen verstärkt die enge wirtschaft spolitische Verbundenheit des Genossenschaft swesens mit ihrem traditionellen Bündnispartner Mittelstand. Bewährung in der deutschen Vereinigung Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Noch im selben Monat, als Dynamik und Tiefe der politischen Umwälzung in der DDR allenfalls zu erahnen, aber nicht klar abzuschätzen waren, trafen sich Vertreter westdeutscher Genossenschaftsverbände und der DG Bank mit Repräsentanten der Genossenschaft skassen der DDR zu einem ersten Sondierungsgespräch. Auf dem Bankensektor war der ostdeutsche Markt von Beginn an hart umkämpft . Ostdeutschen Genossenschaften lagen früh Joint-Venture-Angebote westdeutscher Kreditbanken und internationaler Banken vor. Frühe persönliche Kontakte zwischen ost- und westdeutschen Genossenschaftern bildeten eine wichtige Basis für die bald intensive Unterstützung zum Wiederaufbau eines zukunft sfähigen ostdeutschen Genossenschaft swesens. Zu den erfolgreichsten Kampagnen überhaupt zählt die vom BVR 1988 entwickelte Kommunikationsstrategie „Wir machen den Weg frei“. netzwerk 12/09 Im Frühjahr 1990 stellten die letzten beiden Regierungen der DDR legislative Weichen für einen genossenschaftlichen Neuanfang. Die Massenorganisation VdgB wurde aufgelöst, der Bauernverband der DDR trat an ihre Stelle. Die Genossenschaften der DDR erhielten ihre unternehmerische Eigenständigkeit zurück und wurden wieder an das mitgliedschaftliche Förderungsprinzip gebunden. Die Volkskammer der DDR begrenzte den zeitlichen Rahmen für den notwendigen Wandel sehr und forcierte so die Entwicklung. Das Landwirtschaftsanpassungsgesetz vom Sommer 1990 bestimmte, dass sich bis zum 31. Dezember 1991 jede Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) umgewandelt haben musste. Verbundinstitute wie etwa die R+V Versicherung, die Bausparkasse Schwäbisch Hall und die Deutsche Genossenschaft sHypothekenbank begannen parallel, ihre Vertriebsstrukturen nach Ostdeutschland auszuweiten. Das Engagement der DG Bank und der genossenschaft lichen Regionalund Bundesverbände – insbesondere der an Ostdeutschland angrenzenden Regionalverbände – war außerordentlich groß. Die solidarische Unterstützung durch alle Ebenen des genossenschaft lichen Verbundes in Form von Patenschaften, Solidarfonds und großem persönlichen Einsatz von Genossenschaftern trug wesentlich dazu bei, dass in den neuen Bundesländern eine grundlegende Modernisierung des Genossenschaft swesens in nur wenigen Jahren gelang. Ihre westdeutschen Pendants hatten dafür mehrere Jahrzehnte Zeit gehabt. Entstehung der Prüfungsverbände in Ostdeutschland Im März 1990 gründete sich der Raiffeisenverband der DDR e.V., Berlin. Wenig später entstanden in Anlehnung an frühere Strukturen auch sieben neue regionale Raiffeisenverbände. Die anfangs erwogene Beibehaltung einer zentralen Verbandslösung für Ostdeutschland scheiterte allerdings. Ostdeutsche Vertreter misstrauten jedweder Neuaufl age einer 25 ÜBERBLICK ber 1990 unmissverständlich klar, dass ostdeutschen Verbänden das Prüfungsrecht für Kreditgenossenschaften wegen mangelnder Qualifi kation nicht erteilt werden könnte. Mit Ausnahme der sächsischen Entwicklung, wo durch das Engagement der Genossenschaft sverbänGemeinsam stark de in Bayern, Baden und Württemberg eine eigenständige VerbandsDer Verband und Web 2.0 lösung begünstigt wurde, Mitte Oktober startete der Genossenschaftsverband einen neuen Internetfavorisierten die auftritt. Neben einem öffentlich zugänglichen Bereich, der den Verband und seine Genossenschaften mit Mitglieder nach außen hin präsentiert und u.a. einen Schwerpunkt beim Thema Genossenschaftsgründung setzt, stehen ihren Verbänden in Ihnen in einem geschlossenen Mitgliederbereich zahlreiche neue Angebote und Funktionalitäten zur Verfügung: Mecklenburg-VorpomPersonalisierter und damit übersichtlicher Zugriff auf für Sie relevante Inhalte mern, Sachsen-Anhalt, Möglichkeit, sich das Mitgliederportal Ihren individuellen Bedürfnissen anzupassen. Brandenburg und Integrierter Zugriff auf Informationen des Verbandes und der beiden Altverbände Online-Unterstützung von Projekten und Thüringen die VerbinGremienarbeit Individuelle Online-Kommunikation mit dung mit den westlichen dem Verband www.genossenschaftsverband.de Anrainerverbänden. Das bis dato praktizierte Regionalprinzip wurde Der neue Web-Auftritt 2.0 des Verbandes. dabei zum Anrainerprinzip erweitert. Mit dem Umzug der Bundeszentralistischen Organisationslösung. regierung verlegten DGRV, BVR und ZGV Zudem lag ostdeutschen Genossenschaftern ihren Sitz nach Berlin, der DRV errichtete viel daran, nicht einfach nur angeschlossen dort eine Hauptstadtniederlassung. zu werden, sondern eigenständige Entscheidungen zu treffen. Der zentrale PrüfungsAus politischen und ökonomisch-pragmaverband für die gewerblichen Kreditinstitischen Überlegungen fusionierten die tute existierte zunächst weiter, wurde aber Raiffeisenverbände Mecklenburg-Vorpomwirtschaft lich praktisch überflüssig, da sich merns und Sachsen-Anhalts bis 1994 mit die meisten Genossenschaft skassen für ihren jeweiligen westlichen NachbarverbänHandwerk und Gewerbe nach ihrer den. Die Raiffeisenverbände Brandenburgs Umwandlung in Genossenschaft en – in der und Thüringens lösten sich bald wieder auf, Regel unter der Firmierung Volksbanken wobei Westverbände deren Aufgaben – teil– direkt den Prüfungsverbänden der weise auf vertragliche Vereinbarungen angrenzenden westlichen Bundesländer gestützt – übernahmen. Der auf zwei neu anschlossen. gegründeten sächsischen Raiffeisenverbänden basierende Mitteldeutsche GenossenDie völlig neue Ausrichtung des genossenschaftsverband (Raiffeisen/Schulze-Delitzsch) schaft lichen Prüfungswesens gehörte zu den e.V., Dresden, besteht bis heute eigenständig nächsten Aufgaben. Frühe Paten- und fort. Partnerschaften von westdeutschen Regional- und Bundesverbänden bildeten Im Laufe der deutsch-deutschen Vereinigung die Grundlage für den raschen und wurde aber rasch deutlich, dass die genossenflächendeckenden Wiederaufbau. Das schaft liche Kultur nicht in allen Bereichen Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen einfach nach westdeutschem Modell BAKred (heute: BaFin) stellte noch vor dem reproduziert werden konnte. Im genossenVollzug der deutschen Einheit am 3. Okto- Ihr Verband 2.0 neu 26 schaft lichen Miteinander entwickelten sich spezifische ostdeutsche Varianten wie die Agrargenossenschaften, die Handelsgenossenschaften und die gewerblichen Produktivgenossenschaften. Besonders die Agrargenossenschaften wurden zu einem – viele überraschenden – neuen Erfolgsmodell in der Genossenschaftslandschaft. Es stieß danach in den neuen östlichen Mitgliedsstaaten der EU auf reges Interesse. Die 872 Agrargenossenschaften sind heute fest integriert in den Regionalverbänden und ein wichtiger Faktor im DRV. Diese werden zu einem großen Teil vom Genossenschaftsverband e.V. betreut. Frühe Präsenz im Internet Eine weitere, völlig neue Herausforderung erwuchs durch die zunehmend digitale Kommunikation. Sie startete ihren Siegeszug nach der Einführung des World Wide Web, kurz www, 1993. Was mit Übertragungen von Dateien und dem Austausch von elektronischer Post, den E-Mails, anfing, hat sich inzwischen durch Telefonie, Radio und Fernsehen zu einer komplexen virtuellen Welt mit wachsender ökonomischer Bedeutung entwickelt. Kurz nach Einführung des Internets zeigten Mitglieder der genossenschaft lichen Kreditwirtschaft mit ersten Homepages dort Flagge. Auf Bundesebene schuf der FinanzVerbund mit VRnet früh ein zentrales Portal für die gemeinsame Präsentation. Ab 1997 konnten erstmals Kunden bequem vom heimischen PC aus jede der damals rund 20.000 Bankstellen der genossenschaftlichen Bankengruppen aufrufen. Angesichts rasch steigender Anforderungen an das neue Medium entwickelte der FinanzVerbund eine ProviderLösung für Mitgliedsbanken und initiierte bzw. unterstützte viele Angebote des Electronic Commerce. Seit 2001 ist www.vr-networld. de als neuer zentraler Auft ritt des genossenschaft lichen FinanzVerbundes im Internet vertreten, welcher transaktionsorientiert und am Kundenbedarf ausgerichtet ist. Bereits 1996 war der DRV mit einer Homepage im Internet präsent. Seit 2000 gibt es www.raiffeisen.com als zentrales Raiffeisen-Portal. Zu dieser Zeit waren immer noch wenig Deutsche mit dem neuen Medium vertraut, eine bald einsetzende netzwerk 12/09 ÜBERBLICK Betätigung erweitert. Beispielsweise fi ndet der in jüngerer Zeit ökonomisch zunehmend unter Druck geratene Berufsstand der Ärzte vielerorts in der genossenschaft lichen Betätigung eine alternative Organisationsform. Schleswig-Holstein gehörte hier zu den Vorreiterregionen. Mit dem seit einigen Jahren erfolgreichen Pionierprojekt GenoPortal förderte der Genossenschaftsverband Frankfurt systematisch die Gründung von Genossenschaften in zukunftsfähigen Geschäftsfeldern mit interdisziplinären Projektteams. Bereits im Herbst 2006 gründete GenoPortal gemeinsam mit der Andramedos eG aus Gießen das Branchenportal Regionale Gesundheitsversorgung. Ausgehend von der ersten Fachtagung „Regionale Gesundheitsversorgung aktiv gestalten“ wurde dieses Branchenportal Initiator für zahlreiche Aktivitäten, darunter eine auf den deutschsprachigen Raum bezogene AWARD-Verleihung für herausragende regionale Versorgungsprojekte. Neben dem Thema Gesundheit legt GenoPortal seinen Gründungsfokus auch auf Energie und Bildung. Verbände und Verbundunternehmen stützen heute ihre Leistungen selbstverständlich auch auf ständig aktualisierte Internetportale. Entwicklung des Internets zu einem zentralen Kommunikationsmedium zeichnete sich aber ab. Vor diesem Hintergrund appellierte der DRV im Jahr 2000 unter dem Motto „Raiffeisen-Internet-Offensive“ an alle Raiffeisengenossenschaften, sich im Internet möglichst früh zu positionieren und konsequent die Chancen des elektronischen Handels zu nutzen. Der DRV und die Regionalverbände flankierten die Offensive mit vielfältigen Informationen, wie so etwas realisiert werden könnte. In der Folge gab es eine deutliche Steigerung von Internetauft ritten von Raiffeisengenossenschaften. netzwerk 12/09 Genossenschaften als zukunftsweisende Organisationsform Die Agrar-, Dienstleistungs-, Handels-, Kredit- und Konsumgenossenschaften in den neuen Bundesländern ergänzen das deutsche Genossenschaftswesen heute nicht nur territorial und durch ihre Wirtschaftskraft. Sie sind vielmehr ein Ausdruck dafür, dass Selbsthilfe in Form von Genossenschaften Zukunft hat. In Westdeutschland hatten bereits in den 1980er-Jahren im Zuge der Verwirklichung alternativer Lebens-, Wohn- und Arbeitsformen neue Genossenschaften das Spektrum genossenschaft licher Selbst zur Anregung von bürgerschaft lichem Engagement und ehrenamtlicher Tätigkeit erweist sich eine Genossenschaft als geeignet. Im niedersächsischen Nörten-Hardenberg etwa gründete sich jüngst eine Genossenschaft zum Weiterbetrieb des Hallenbades. Wie an vielen anderen Orten in Deutschland hatte die finanziell klamme Kommune sich zur Schließung des Hallenbades genötigt gesehen. Erwogene Verkäufe an anonyme Investoren stießen auf Kritik, also griffen Bürger zur Selbsthilfe. Die Reform des Genossenschaftsgesetzes 2006 vereinfacht die Gründung neuer Genossenschaften erheblich. Nur noch drei statt bisher sieben Mitglieder sind dafür erforderlich. Der Prüfungsumfang für kleine Genossenschaften ist gesenkt worden, was die Kosten verringert. Der Förderzweck wurde erweitert. Wie in vielen anderen 27 ÜBERBLICK Die erfolgreiche Ärztegenossenschaft Schleswig-Holstein eG mit rund 2.000 Ärzten (hier Vorstand und Aufsichtsrat) ist ein Vorbild für gemeinschaftliche Selbsthilfe im Gesundheitswesen, mit einer überregional großen Beachtung und Nachahmung. EU-Ländern üblich, können Genossenschaften künft ig auch in Deutschland soziale und kulturelle Ziele verfolgen. Die vom damaligen Genossenschaftsverband Norddeutschland im selben Jahr initiierten Schülergenossenschaften sind ein weiterer vielversprechender Ausdruck eines wenngleich noch zarten, aber doch viel Mut machenden Aufbruchs des Genossenschaftswesens in neue Betätigungsfelder. Denn dort lernen Schüler nicht nur, eigenständig und eigenverantwortlich unter Marktbedingungen zu wirtschaften, sondern die mit viel Kreativität entwickelten Projekte sind auch eine praktische Übung im demokratischen Miteinander und eine praktische Schule fürs Leben. Herausforderungen durch die Globalisierung Der rasante technologische Wandel, der in immer kürzeren Abständen Innovationen verlangt, und die zunehmende europäische und globale Öff nung der Märkte vervielfältigen die Aufgaben von Genossenschaft sverbänden in jüngerer Zeit sehr. Zu den Funktionen Repräsentation, Willensbildung 28 und Service gesellte sich immer mehr die der Initiative. Gefragt ist verstärkt die unternehmerische Komponente von Verbänden. Auch bei den Regionalverbänden hält der Trend hin zu größeren und leistungsfähigeren Einheiten an, um flexibel auf die wachsenden Herausforderungen reagieren zu können. Die jüngsten Beispiele sind die Fusionen der Genossenschaftsverbände Norddeutschland und Frankfurt zum Genossenschaftsverband e.V., Frankfurt am Main, und die der beiden Genossenschaftsverbände in Baden und Württemberg zum Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband e.V., Karlsruhe. Verbundunternehmen intensivierten ihre internationalen Kontakte. Die DZ Bank verfügt heute über ein weltweites Netz an Dependancen und Kooperationen. Die zentralen Stützen des genossenschaft lichen Verbundsystems sind inzwischen Global Player. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall und die China Construction Bank beteiligten sich 2004 in einem Joint Venture an der chinesisch-deutschen „Sino-German Bausparkasse“. Das Europäische Parlament stimmte im Februar 2002 einer Verordnung über die Einführung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze zu, welche Bilanzen transparenter und vergleichbarer machen soll. Seit 2005 müssen Konzernabschlüsse, die einen organisierten Kapitalmarkt in Anspruch nehmen wollen, nach den International Accounting Standards (IAS) aufgestellt werden. Die Verbände müssen sich selbst und ihre Mitglieder auf die fortschreitende Internationalisierung des Rechnungswesens einstellen. Seit Jahren argumentieren sie aber gegen die drohende Trennung von Prüfung und Beratung in einer Organisation durch internationale Regelungen, um die seit über 150 Jahren bewährten genossenschaftlichen Verfahren zu erhalten. Denn die Rechtsform der eG ist im Hinblick auf Insolvenzen die sicherste aller Unternehmensformen. Rechtliche Modernisierung wird bejaht, sofern das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet wird. Förderungsauftrag heute Als 1998 der DRV und der Deutsche Bauernverband eine gemeinsame Initiative starteten, um den Strukturwandel in der Molkerei- und Fleischwirtschaft zu fördern, legten sie den Förderungsauftrag zeitgemäß aus: Oberste Priorität müsse der nachhaltige Unternehmenserfolg haben, so der Tenor. Dieser sei wie in der übrigen Wirtschaft an einer zukunftsfähigen Stärkung der Marktposition zu messen. Damit bestätigten sie die heute vorherrschende Interpretation des Förderungsauftrages im Genossenschaftswesen. Klaus Lambert, der langjährige Präsident des Genossenschaftsverbandes Frankfurt, hatte bereits 1991 eine zeitlose verbandspolitische Definition geliefert: „Wer als Genossenschaftsverband seinen Förderauftrag erfüllen will, muss seine Mitglieder in deren Wettbewerbsfähigkeit unterstützen.“ Dies müsse heutzutage aktiv und zunehmend initiativ geschehen, so sein Credo. Die genossenschaft lichen Prüfungs-, Regional- und Dachverbände können, da sie keine Organstellung besitzen, nicht direkt auf Primärgenossenschaften einwirken. Um Einfluss zu nehmen, blieb und bleibt ihnen – außer der Beanstandung sachlicher Mängel im Rahmen von Prüfungen – der oft mühsame Weg fortdauernder Überzeugungsarbeit. Ein lohnendes Unterfangen, denn der Erfolg spricht für sich. Bis heute ist die Insolvenzrate genossenschaft licher Unternehmen im Vergleich zur Gesamtwirtschaft gering. Die genossenschaft liche Bankengruppe ist nicht nur eine wichtige Partnerin des Mittelstandes in den Bereichen Dienstleistung und Industrie geblieben, sondern auch in der Agrarwirtschaft. 2001 etwa vergab sie allein 47 Prozent der ausgelegten Kredite an die deutsche Landwirtschaft (Gesamtvolumen rund 30 Mrd. Euro). netzwerk 12/09 Ausgezeichnet! Zwei Spitzenleistungen für ein gemeinsames Ziel: Erstklassiges Private Banking für Sie und Ihre Kunden! Spitzenplatz für die DZ BANK International vom Finanzmagazin €uro Im FinanzVerbund der Volksbanken Raiffeisenbanken Bestnoten für die DZ PRIVATBANK Schweiz vom Fuchsreport D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E 3 Konzentration der Kräfte Etappen der Verbandsentwicklung bis 1989. 17. Verbandstag der gewerblichen Genossenschaften 1898 in Gifhorn im „vollklimatisierten“ Sitzungssaal. Links am Baum stehend Hermann Löns als Redakteur des „Hannoverschen Anzeigers“. 3.1 Gemeinschaft in Freiwilligkeit: der Genossenschaftsverband Niedersachsen Einvernehmliches Miteinander Die genossenschaft lichen Verbände in Niedersachsen handelten zügig. 1973, nur ein Jahr nach der historischen Verschmelzung der ländlichen und gewerblichen Traditionslinien zum DGRV auf Bundesebene, fusionierte der Raiffeisenverband Hannover e.V., Hannover, mit dem Niedersächsischen Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) e.V., Hannover, einvernehmlich zum Genossenschaft sverband Niedersachsen e.V., Hannover. Das Verbandsgebiet umfasste die Bundesländer Niedersachsen und Bremen und für die gewerblichen Genossenschaften die Region 30 Weser-Ems. Für die anderen Genossenschaften in Weser-Ems ist bis heute der Genossenschaft sverband Weser-Ems e.V., Oldenburg, zuständig, der die damalige Einladung, ebenfalls unter das gemeinsame Dach zu treten, nicht annahm. Vielfältige Kooperationen zwischen den beiden Regionalverbänden sorgten aber weiterhin für eine gute genossenschaft liche Nachbarschaft . Zuvor waren die Raiffeisen- und SchulzeDelitzsch-Verbände in Niedersachsen getrennte Wege gegangen. Zwei Männer hatten die Entstehung und den Aufbau der beiden regionalen genossenschaft lichen Traditionen maßgeblich beeinflusst: Senator Georg Ludwig Glackemeyer als Gründer und Organisator der gewerblichen Genossenschaften und Landesökonomierat Peter Johannssen als sein Pendant für die ländlichen Genossenschaften. Niedersachsen entstand als einheitliches Staatsgebilde erst 1946 auf Anordnung der britischen Militärregierung aus den Ländern Hannover, Braunschweig, Freistaat Oldenburg und Schaumburg-Lippe. Die 1973 fusionierten Genossenschaft sverbände gingen jeweils aus mehreren kleinen regionalen Vorgängerinnen hervor, die ihren Ursprung auch in der damaligen politischen Zersplitterung des heutigen Bundeslandes hatten. Wurzeln und Werdegang des Schulze-Delitzsch-Verbandes Seit 1851 bildeten sich erste gewerbliche Genossenschaften in Niedersachsen. 1882 gründeten 14 Kreditgenossenschaften den Niedersächsischen Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Hannover, Hannover. Als erster Verband der Region ist er die früheste Wurzel des späteren Genos- netzwerk 12/09 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E In Niedersachsen entstanden bis 1900 neben Glackemeyers Verband zwei weitere gewerbliche Regionalverbände mit Sitz in Osnabrück bzw. Braunschweig, die danach mal in Kooperation, mal in Konkurrenz zueinander agierten. 1920, als in Berlin die Schulze-Delitzsch-Verbände mit der DGV-Gründung erstmals unter einem Dach zusammenfanden, beendeten auch die Hannoveraner und Osnabrücker durch die Gründung des Niedersächsischen Genossenschaftsverbandes e.V., Hannover, ihre getrennten Wege. Der neue Hannoveraner Verband trat dem DGV bei. 1933 ging der Braunschweiger Verband im Niedersächsischen Genossenschaftsverband auf. Danach vertrat nur noch dieser Regionalverband die gewerblichen Genossenschaften in Niedersachsen. Der gewerbliche Regionalverband in Hannover hatte bereits 1931 eine Satzungsänderung beschlossen, die in der Folgezeit zu einer verstärkten Professionalisierung der eigenen Tätigkeit führte. Zukünft ig sollten die Mitgliedsgenossenschaft en formell und materiell geprüft werden, was einen Ausbau der Geschäft sstelle nach sich zog. Denn fortan beschäft igte der Verband außer einem Syndikus fünf Revisoren, zwei Assistenten und zwei Schreibkräfte. 1935 richtete der Verband einen Garantiefonds ein, um die Sicherheit der den Volksbanken anvertrauten Einlagen zu erhöhen. Ab 1941 Gründungsprotokoll der Spar- und Darlehnskasse Oldenburg in Holstein 1896. waren Verbandsdirektoren hauptamtlich tätig. Während des Zweiten Weltkriegs war die Verbandstätigkeit nur noch provisorisch möglich, besonders nachdem die Geschäft sstelle durch Bombenangriffe zerstört wurde. Nach Kriegsende dauerte es knapp drei Jahre, bis die Verbandstätigkeit wiederhergestellt war. Bezirkskonferenzen, Einzelberatungen und Besprechungen wurden wieder durchgeführt. 1949, seitdem unter der Firmierung senschaftsverbandes Niedersachsen. Zum ersten – nebenamtlich tätigen – Verbandsdirektor wurde Georg Ludwig Glackemeyer gewählt. Außer zum Erfahrungsaustausch der Genossenschaften untereinander erfolgte die Bündelung der Kräfte in einem Verband, um die Konkurrenz durch neue öffentliche und mancherorts sogar neue genossenschaftliche Banken besser abwehren zu können. Das Prüfungsrecht erhielt er nach dem Inkraft treten des GenG 1890. 1884 trat der Niedersächsische Verband dem Allgemeinen Verband von Schulze-Delitzsch in Berlin bei. Zwischen beiden Verbänden kam es jedoch bald zu Streitigkeiten über Grundsatzfragen. Glackemeyers Verband trat aus dem Allgemeinen Verband wieder aus, firmierte sich um und eröff nete den überregionalen Konkurrenzkampf durch die erfolgreiche Mitgliedswerbung von Genossenschaften von Hamburg bis München. netzwerk 12/09 Verbandsgebäude Kiel: das „Haus der Landwirte“. 31 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E Niedersächsischer Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) e.V. agierend, gehörten dem Verband eine Zentralkasse, 104 Volksbanken und 221 Warengenossenschaften mit insgesamt rund 80.000 Mitgliedern an. Niedersachsen und Bremen erteilten dem Verband nun offi ziell das Prüfungsrecht für ihre Länder. Wie die anderen Regionalverbände der Bundesrepublik Deutschland baute der Niedersächsische Genossenschaftsverband in der Folge seine Tätigkeitsbereiche erheblich aus, um den rasch wachsenden Bedürfnissen der Mitgliedsgenossenschaften gerecht zu werden. 1950 wurde der Garantiefonds wieder eingerichtet und drei Abteilungen (Prüfung; Volksbanken, Recht und Allgemeine Geschäftsführung; Warengenossenschaften und Steuern) etabliert. 1965 läutete die Gründung der VODAG-Rechenzentrale die Ära der zentralen Datenverarbeitung mit moderner Technologie ein. Bis zur Verschmelzung des Verbandes mit der Raiffeisen-Linie 1973 reduzierte sich durch das Ausscheiden der Bäcker-Einkaufsgenossenschaften und durch Fusionen die Mitgliederzahl auf 95 Volksbanken und 68 Warenund Dienstleistungsgenossenschaften. Die Entwicklung der Raiffeisen-Verbände Versuchen von 1883, jeweils in Norden und Göttingen Verbände von Konsumge- Feldbestellung in alter Zeit. nossenschaften zu gründen, war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Wie einige weitere kleine Regionalverbände, die in der Folgezeit entstanden, lösten sie sich später wieder auf. Ihre Mitglieder schlossen sich einem neuen Verband an: Kurz nach Verabschiedung des GenG regte die Königliche Landwirthschaftsgesellschaft in Hannover (1899 ausgebaut zur Landwirtschaft skammer Hannover) 1889 den Revisionsverband der landwirthschaftlichen Genossenschaften in der Provinz Hannover und dem Hamburger Gebiet, Hannover, an. Die Königliche Landwirthschaftsgesellschaft stellte dem Verband kostenlos ein Zimmer in ihrem Haus zur Verfügung und übernahm anfangs auch die anfallenden Büroarbeiten. Peter Johannssen wurde zum Direktor des Verbandes gewählt, der rasch das Prüfungsrecht erhielt und ab 1891 unter dem Namen Verband hannoverscher landwirtschaftlicher Genossenschaften eingetragener Verein, Hannover, zum wichtigsten Vorläufer des späteren Raiffeisenverbandes avancierte. Parallel übernahm Johannssen ab 1899 die Direktion der Landwirtschaft skammer. 24 Spar- und Darlehnskassen, 13 Molkereigenossenschaften, 15 Bezugsgenossenschaften und eine Vereinigung von Landwirten zur Herstellung von Konserven umfasste die Gründergeneration des Verbandes. Bis 1930 stieg ihre Zahl auf Ländliche Genossenschaften in den 1960er-Jahren. 32 netzwerk 12/09 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E rund 1.000 an, darunter nun auch Viehverwertungs-, Elektrizitäts-, Molkerei-, Maschinen- und andere Genossenschaft en mit jeweils 20 bis 30 Mitgliedern. Der Verband reagierte darauf mit dem Ausbau der Organisation. Mehrmals bezog er in der Folgezeit neue, jeweils größere Geschäftsräume in Hannover. 1905 beschäftigte er einen Generalsekretär, sechs Revisoren, dreizehn Bücherordner, die den Mitgliedsgenossenschaften bei der Buchführung halfen, und drei Bürogehilfen. 1920 richtete er eine Steuerstelle ein. 1931 fusionierte der Hannoveraner mit dem Verband der Raiffeisen-Genossenschaften Forderungen“ zu bearbeiten. Aus ihr wurde wenig später die eigenständige Genossenschafts-Treuhand-Gesellschaft mbH. Sie sollte – unter mehrmals wechselnden Firmierungen – sich ab 1948 eine Zeit lang auch mit dem Lastenausgleich (für durch den Krieg und seine Folgen geschädigte Deutsche) befassen und Primärgenossenschaften und Zentralen mit Vordrucken, Werbemitteln, Buchungsautomaten und anderen Utensilien versorgen. In dieser Zeit begann der Verband, größer und leistungsfähiger gewordenen Genossenschaften zu empfehlen, hauptamtliche Geschäft sführer einzustellen. Er half bei der Vermittlung geeigneter Fachkräfte und übernahm anfangs oft eine Gehalts- ... und städtische Volksbank. Festsetzung von Höchstpreisen, Absatzbeschränkungen, Beschlagnahmungen und andere politische Maßnahmen der nationalsozialistischen Führung die wirtschaft liche Tätigkeit. Nach 1945 nahm der Verband zahlreiche Flüchtlinge auf und integrierte sie in die ländlichen Genossenschaften. Da viele von ihnen bereits Erfahrungen mit genossenschaft licher Arbeit als Geschäftsführer oder Angestellte mitbrachten, schlossen sie so manche personelle Lücke in Niedersachsen. Ländliche Kreditgenossenschaft ... Braunschweig e.V., Braunschweig, zum Verband ländlicher Genossenschaften Hannover-Braunschweig e.V., Hannover, der sich 1961 in Raiffeisenverband Hannover e.V., Hannover, umbenennen sollte, um die Einheit der im Bundesgebiet tätigen ländlichen Genossenschaften zu betonen. 1932 musste sich der neue für ganz Niedersachsen zuständige ländliche Regionalverband mit den Folgen der Weltwirtschaftskrise von 1929 befassen. 400 Genossenschaften drückte 1932 eine Schuldenlast von etwa 30 Mio. Reichsmark. Einen Teil der Verluste glich die sogenannte Reichsgenossenschaftshilfe aus. Der Verband richtete eine Mahn- und Einziehungsabteilung ein, um „gefährdete netzwerk 12/09 garantie. 1938 richtete der Verband 30 Prüfungsbezirke ein. In jedem Bezirk war von nun an ein versierter Prüfer angesiedelt, der die Genossenschaft en als ortsnaher Vertreter des Verbandes prüfte und betreute. Die Prüfungsleitung blieb zentral in Hannover. Im Zweiten Weltkrieg wurden der Raiffeisenverband Hannover und seine Genossenschaften durch den Kriegseinsatz von Mitarbeitern personell stark dezimiert. Die Verbandsgeschäftsstelle wurde – ebenso wie die des Schulze-Delitzsch-Verbandes – bei Bombenangriffen 1943 zerstört. Zudem beeinträchtigten Kriegsverordnungen, In der ökonomischen Prosperität der folgenden zwei Jahrzehnte entwickelte sich der Raiffeisenverband Hannover immer deutlicher vom Prüfungs- zum Wirtschaftsverband mit vielseitigen Funktionen und umfassender Beratung. Spezielle Abteilungen und Beratungsstellen befassten sich mit Prüfungs-, Rechts- und Steuerfragen. Die Mitarbeiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Werbung betreuten die seit 1911 existierende Verbandszeitung, bauten eine Gemeinschaft swerbung auf und knüpften und pflegten Kontakte zur Presse sowie zu Rundfunk und Fernsehen. Die Molkereiabteilung förderte Strukturverbesserungen im Molkereisektor. In der Bau- und Maschinenberatungsstelle übernahmen Architekten und Ingenieure des Verbandes für betroffene Genossen- 33 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E schaften die Anfertigung von Entwürfen, die Ausschreibung, die technische Leitung und die Abnahme. Für die verbandseigene Aus- und Fortbildung öff nete 1956 die Genossenschaft sschule in Isernhagen ihre Pforten. 1964 gab die Gründung der Raiffeisen-Datenverarbeitung GmbH das Startsignal für den Eintritt in ein neues technisches Zeitalter. Die Organisationsabteilung des Verbandes beriet die Kredit- und Warengenossenschaften bei der Umstellung des Rechnungswesens. In Zusammenarbeit mit Orts- und Zentralgenossenschaft en erarbeitete der Verband Organisationspläne zur sinnvollen Verschmelzung von Genossenschaften und zur Abstimmung erweiterter Geschäft sbezirke für jede Sparte. Impulse des einheitlichen Genossenschaftsverbandes Ab 1974 ermunterte der Verband als eine Hauptaufgabe Kredit-, Waren-, Molkereiund andere Genossenschaften zu Verschmelzungen, um sie angesichts des wachsenden Wettbewerbsdrucks in allen Sparten und des veränderten Wirtschaftslebens zu leistungsstarken Geschäftsbetrieben auszubauen. Ein schrittweises, behutsames Vorgehen war notwendig. Mancherorts waren Animositäten zwischen Kreditgenossenschaften der Raiffeisen- und Schulze-Delitzsch-Tradition zu überwinden und Betroffene mussten oft erst in mühevoller Kleinarbeit von der wirtschaft lichen Notwendigkeit der Veränderungen überzeugt werden. Nach und nach wurden so Konkurrenzen entschärft oder beseitigt, das Zweigstellennetz bereinigt und eine einheitliche Geschäftspolitik vorangetrieben. Kreditgenossenschaften mit Warenverkehr gab es wegen der zunehmenden Spezialisierung bald immer weniger. Ihre Zahl halbierte sich fast von 1974 bis 1982 auf 91 bei anhaltendem Trend: 1989 waren es 54, 2002 sollten es nur noch 21 sein. 1982 zog 34 Glückliche Gewinner beim Gewinnsparen. der Verband eine erfreuliche Zwischenbilanz: Die Zahl der Mitglieder, Sparer und Kunden hatte sich spürbar erhöht, die Gesamtbilanzsumme war seit 1974 von 10 auf 24 Mrd. DM gestiegen. Als Spiegelbilder des Wirtschaftslebens, wie Genossenschaften oft trefflich charakterisiert werden, zwangen starke Marktmächte, die durch die zunehmende Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel entstanden waren, und die europäischen Agrarbeschlüsse die landwirtschaft lichen Waren- und Verwertungsgenossenschaften zur Anpassung. Die ehemals bäuerlichen Universal-Höfe entwickelten sich zu Betrieben mit oft mals nur noch einem Markterzeugnis: nur Getreide, nur Milch, nur Schweine, nur Rinder, nur Hühner. In der Folge kam es zu einem enormen Strukturwandel bei den Warengenossenschaften. Es entstanden genossenschaft liche Unternehmen mit zahlreichen Zweig- und Außenstellen, die mit modernen Geschäft shäusern, Silos, Lagerhallen und Werkstätten auf die neuen Leistungsanforderungen mit Erfolg reagierten. Die Umsätze steigerten sich von 746 (1970) auf 1.785 Mio. DM (1982). Auf der Grundlage des Marktstrukturgesetzes von 1969 wurden von 1970 bis 1990 etwa 100 Erzeugergemeinschaften auf Initiative des Verbandes gegründet. Sie hatten die Aufgabe, die Erzeugung und Vermarktung landwirtschaft licher Produkte den Anforderungen des Marktes anzupassen. Nach Erfüllung ihrer Aufgaben wurden sie allerdings weitgehend mit den sie betreuenden Ortsgenossenschaften fusioniert. Immer wichtiger wurden die Zentralen. Sie passten ihre Organisationsform ebenfalls den neuen Herausforderungen an. Die RaiffeisenHaupt-Genossenschaft eG, Hannover, netzwerk 12/09 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E übernahm Großhandelsfunktion, unterhielt eigene Lagerhäuser zur Direktversorgung von Landwirten und stellte in Fachwerkstätten die landtechnische Versorgung flächendeckend sicher. 2004 fusionierte die RHG Hannover mit der Raiffeisen Central-Genossenschaft Nordwest eG in Münster zur heutigen AGRAVIS Raiffeisen AG. Diese bündelte damals das Geschäft in 26 Tochtergesellschaften, Beteiligungen oder Betriebsstellen neu. Interne Weichenstellungen Der Genossenschaft sverband Niedersachsen entwickelte seit 1974 seine innere Organisation ständig weiter, um sich für den dauerhaften Wandel zu wappnen. Richtungsweisend war das Einrichten dreier Fachräte als zusätzliches Organ des Verbandes für die drei Fachvereinigungen der Kreditgenossenschaften, der Raiffeisen Waren-, Verwertungs- und Dienstleistungsgenossenschaften sowie der gewerblichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften. In den Fachvereinigungen wirkten Vertreter der Primärgenossenschaften des Verbandes mit. Sie wählten die jeweiligen Fachratsmitglieder. Das darauf basierende, später um die Sparte Agrargenossenschaft en erweiterte Fachrätekonzept wurde rasch ein Markenzeichen des Verbandes, mit dem er vorbildlich Fachwissen und Erfahrungen der Mitglieder allgemein nutzbar machte und sie demokratisch in den verbandseigenen Entscheidungsfi ndungsprozess einband. Ferner intensivierte der Verband die Öffentlichkeitsarbeit und Werbung und integrierte neue Aufgabengebiete wie das Marketing. Die damit betrauten Mitarbeiter knüpften zwecks Erfahrungsaustauschs und gemeinsamer Initiativen rasch Kontakte zu den einschlägigen Abteilungen der Bundes- verbände und zu ihren Kollegen in den Nachbarverbänden. In dieser Zeit wurden, vermittelt durch die Kreditgenossenschaften, erstmals günstige Flugreisen für Mitglieder der Genossenschaften angeboten. New York City oder Mexiko waren damals Ziele, von denen die meisten Bundesbürger nur träumen konnten, die aber anders als heute kaum realisierbar schienen. Aus den für viele Beteiligte unvergesslichen Erlebnissen entwickelte sich später das genossenschaftliche Reisegeschäft . Durch die Unterstützung der regionalen Veranstaltungen des Internationalen Jugendwettbewerbs versuchte der Verband seine Mitglieder von den Vorteilen eines auf Dauer angelegten Sponsorings zu überzeugen. Dabei stand ihm mit dem Niedersächsischen Kultusministerium ein verlässlicher Partner an der Seite. Allerdings, so resümierte später der langjährige Hannoveraner Verbandsmitarbeiter Gerhard Ewerbeck, sei „immer, wenn wir für Genossenschaften Werbung machten, die Voraussetzung gewesen, dass die Leistung und der Service vor Ort stimmten und die Kunden zufrieden waren.“ Ein internationales Ausrufungszeichen aus Niedersachsen Die politische Lobbyarbeit des Regionalverbandes beschränkte sich weitgehend auf Kontakte zu Landes- und Kommunalpolitikern. In jährlichen Parlamentarierabenden informierten Verbandsvertreter Landtagsabgeordnete über Prinzipien und aktuelle Entwicklungen des genossenschaft lichen Wirtschaftens. Zudem knüpfte man dort den ein oder anderen persönlichen Kontakt, der dann im Arbeitsalltag gelegentlich die Wege zueinander verkürzte. Daneben wirkten herausragende Repräsentanten des Verbandes in den Spitzenverbänden auf Bundes- und zuweilen auch auf europäischer Ebene mit. Der DRV richtete bereits 1967 ein eigenes Verbindungsbüro in Europas Entscheidungszentrum Brüssel ein. Als ein Lobbyist der ersten Stunde baute er ein Netzwerk von Kontakten zu relevanten politischen Entscheidungsträgern auf und pflegt sie bis heute. Anfang der 1980er-Jahre war Verbandsdirektor Dietrich Ohlmeyer maßgeblich daran beteiligt, in Brüssel das Ansinnen europäischer Kollegen und Politiker abzuwehren, die Pfl ichtmitgliedschaft von Genossenschaften in Prüfungsverbänden aufzuheben. Das hätte die Existenz der deutschen Verbände infrage gestellt. Als Vertreter des DGRV gehörte er zwei Kommissionen als Vorsitzender an, in denen bilanz- und berufsrechtliche Fragen von Genossenschaften verhandelt und Gesetzesvorlagen erarbeitet wurden. Er erinnert sich noch heute gut an die dramatische Rettungsaktion: „Alle schienen sich einig, die Pfl ichtmitgliedschaft abzuschaffen. Da haute ich im wahrsten Sinne des Wortes auf den Tisch, um klarzumachen, dass wir da aus gutem Grunde nicht mitziehen. Wir setzten dann die Regelung in Brüssel durch, dass der Vorstand mehrheitlich oder mindestens eins zu eins mit Wirtschaft sprüfern besetzt wird. Damit sicherten wir die Unabhängigkeit des Prüfungsverbandes. Nur dadurch, dass wir den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer in den Vorstand hineinbrachten, ist es gelungen, das Ansinnen abzuwehren und die Pfl ichtmitgliedschaft – und damit das Prüfungsrecht und die Prüfungspfl icht – zu erhalten.“ Der Kompromiss sah außerdem vor, dass jeder Verband künft ig mindestens zehn Prozent seiner Prüfungskräfte aus Wirtschaft sprüfern rekrutieren sollte. Links: Genossenschaftliche Eier- und Kartoffelverwertung. netzwerk 12/09 35 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E Das Bundesverfassungsgericht lehnte 2001 die Verfassungsbeschwerde einer Genossenschaft gegen die Pfl ichtmitgliedschaft in genossenschaft lichen Prüfungsverbänden ab. In seiner Begründung folgte das Gericht voll inhaltlich der Argumentationslinie, die der DGRV zur Anhörung vorgelegt hatte. Das Gericht stellte in seiner grundlegenden Entscheidung fest, dass die Pfl ichtmitgliedschaft sinnvoll, geeignet und erforderlich ist und den Genossenschaft en zugemutet werden kann. Das genossenschaft liche Prüfungssystem sei ebenso im Interesse der Mitglieder der Genossenschaft wie auch im Interesse der Gläubiger geschaffen worden. Während der Gesetzgeber dieses Ziel bei Kapitalgesellschaften durch eine obligatorische Mindestkapitalisierung oder bei Personengesellschaften durch eine obligatorische persönliche Haft ung von Gesellschaftern verfolgt, hat er für die Genossenschaft auf beide Sicherungsmittel verzichtet. Stattdessen soll das Prüfungssystem diese Sicherheit gewähren. Für die Eignung der Pfl ichtmitgliedschaft spricht, so das Gericht, dass die Genossenschaften zu den insolvenzsichersten Unternehmen gehören und damit das gesetzgeberische Ziel erreicht worden ist. Die Pfl ichtmitgliedschaft sei zur Erhaltung eines notwendigen engmaschigen und auf Dauer angelegten Prüfungssystems geeignet und erforderlich. Durch die Mitgliedschaft anderer Genossenschaften in den Prüfungsverbänden wird nach Überzeugung des Gerichts gleichzeitig sichergestellt, dass Vergleichsdaten geschaffen werden, die den Blick für bestimmte über das einzelne genossenschaft liche Unternehmen hinausgehende Entwicklungen und deren Gefahren schärfen. Damit hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit eines Prüfungssystems bestätigt, das in wesentlichem Maße dazu beiträgt, dass die Insolvenz einer Genossenschaft der absolute Ausnahmefall unter den jährlich mehr als 25.000 Insolvenzen in Deutschland geblieben ist. 36 3.2 Öffnung der Horizonte: der Norddeutsche Genossenschaftsverband Überwindung von Gegensätzen und Konkurrenzen Es war stets mehr als die Vereinigung unterschiedlicher Genossenschaftstraditionen. Als 1988 der Nordwestdeutsche Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) e.V., Hamburg, und der Raiffeisenverband Schleswig-Holstein und Hamburg e.V., Kiel, erstmals unter der gemeinsamen Firmierung Norddeutscher Genossenschaftsverband Schleswig-Holstein und Hamburg (Raiffeisen – Schulze-Delitzsch) e.V., Kiel, (NGV) auftraten, überwanden sie auch den historisch gewachsenen Kontrast zwischen städtischen und ländlichen Verbandskulturen. Angesichts eines hier einerseits im Stadtstaat und in der Millionenmetropole Hamburg verankerten Schulze-Delitzsch-Verbandes und eines andererseits von dem recht dünn besiedelten ländlichen Flächenstaat Schleswig-Holstein geprägten Raiffeisen-Verbandes ist die Leistung beider Parteien, zu einer Einheit zusammenzufinden, besonders hoch einzuschätzen. Die Politik hat Vergleichbares übrigens bis heute nicht geschafft. Die Frühgeschichte des norddeutschen Genossenschaftswesens ist voll von Rivalitäten, die es zu überwinden galt. Heute arbeiten Bauern- und Genossenschaftsverband mit jeweils eigenen Interessenschwerpunkten oft vertrauensvoll zusammen. Aber nach dem Ersten Weltkrieg war der Schleswig-Holsteinische Bauernverein, aus dem später mit dem Land- und Bauernbund eine einheitliche berufsständische Organisation hervorging, zeitweilig mit eigenen Kredit- und Warengenossenschaften bewusst in Konkurrenz zu den regionalen Genossenschaftsverbänden getreten. Diese lagen sehr lange selbst über regionale Zuständigkeiten miteinander im Clinch. Besonders mit dem gewerblichen Verband in Hannover hatte es immer wieder Streit um die Mitgliedschaft der Volksbanken gegeben. Erst das Gesetz zur Gebietsbereinigung zwischen Schleswig-Holstein, Lübeck und Mecklenburg sowie das Groß-HamburgGesetz, beide aus dem Jahr 1937, klärten die Zuordnungen. Eine starke Wurzel besaß die gewerbliche Seite des NGV im 1866 gegründeten Verband der Vorschuß- und Creditvereine von NordwestDeutschland, Altona. 1902 wurde in Kiel der Verband der gewerblichen Genossenschaften in der Provinz Schleswig-Holstein e.V. errichtet. 1928 gingen beide auf im Genossenschaftsverband von Nordwest-Deutschland e.V., Elmshorn, dem späteren Nordwestdeutschen Genossenschaftsverband. Er verlegte seinen zuvor wechselnden Hauptsitz 1939 endgültig nach Hamburg. Ländliche Prägung des Kieler Verbandes In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eröff nete die Einführung von Handelsdünger und in großem Stil produzierten Fischereigenossenschaft in Heiligenhafen. netzwerk 12/09 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E Saatguts den Bauern eine intensive landwirtschaft liche Produktion. Aber die Innovationen waren begleitet von betrügerischer Manipulation, denen der einzelne Bauer oft hilflos ausgeliefert war. Der Schleswig-Holsteinische Landwirtschaftliche Generalverein, der Vorläufer der Landwirtschaft skammer Schleswig-Holstein, regte deshalb an, Konsumvereine zu gründen. Diese sollten qualitativ akzeptable Dünge- und Futtermittel sowie Saatgut zu möglichst günstigen Konditionen einkaufen. Federführend waren dabei Wanderlehrer wie Karl Plönnies, die im Auft rag des Generalvereins Landwirte in SchleswigHolstein berieten. Plönnies machte seine Erfahrungen und Beobachtungen mit genossenschaft lichen Entwicklungen in Hessen und Oldenburg im Norden publik. Vertreter von acht Konsumvereinen hoben 1884 in Neumünster den Verband der landwirtschaftlichen Konsumvereine des schleswig-holsteinischen landwirtschaftlichen Generalvereins, Kiel, aus der Taufe. Der Verband sollte den erfolgversprechenden Start der Konsumvereine unterstützen. So enthielt sein erstes Statut noch Aufgaben, die denen einer Zentralgenossenschaft entsprachen: Beschaff ung von Betriebsmitteln in entsprechender Güte und zu billigen Preisen sowie Qualitätskontrolle der Erzeugnisse der Mitglieder. Zudem forderte die Satzung, neue Konsumvereine zu initiieren und genossenschaft liche Interessen allgemein zu vertreten. Mit Verabschiedung des GenG 1889 wurde die Prüfung eine weitere zentrale Aufgabe des Verbandes. Der anfangs eng auf die Bedürfnisse von Konsumvereinen zugeschnittene Verband öff nete sich bald anderen Genossenschaftssparten. Zunächst wurden die ab 1895 ins Leben gerufenen Spar- und Darlehnskassen integriert. Dafür erfolgte die Namensänderung in Verband der schleswig-holsteinischen landwirtschaftlichen Genossenschaften, Kiel. Erst allmählich und nach Vereinheitlichung der zunächst unterschiedlichen Rechtsform traten die bereits in großer Zahl vorhandenen Meiereigenossenschaften dem Kieler Verband bei. Mit den Gründungen 1895 der Landesgenossenschaftskasse und 1898 der landwirtschaft- netzwerk 12/09 lichen Hauptgenossenschaft traten früh wichtige Zentralen an die Seite des Verbandes. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte, wie vielerorts in Deutschland, eine erneute Gründungswelle von Genossenschaften ein. 1922 erreichten die Ein- und Verkaufsgenossenschaften mit 188, drei Jahre später die Spar- und Darlehnskassen mit 490 und 1936 die Meiereigenossenschaften mit 635 ihre jeweils höchste Zahl im Verband. Im Zweiten Weltkrieg musste der gesamte landwirtschaft liche Bereich die von der nationalsozialistischen Führung angeordnete „Erzeugungsschlacht“ durchführen. Kreditgenossenschaft im Raum Kiel. Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg Auch in Norddeutschland reorganisierten sich nach 1945 bald alte genossenschaft liche Zusammenschlüsse und neue kamen hinzu. Die Landesregierung Schleswig-Holsteins stand vor der Herausforderung, mit dem höchsten Anteil an Flüchtlingen und Heimatvertriebenen unter den Bundesländern zurechtkommen zu müssen. Die Bevölkerungszahl stieg bis 1949 auf 2,7 Millionen. 1939 waren es noch 1,6 Millionen Einwohner gewesen. Ansiedlungsaktionen der Landesregierung, insbesondere in den heutigen Kreisen Plön und Ostholstein, belebten auch das Genossenschaftswesen: So wurden dort fünf Spar- und Darlehnskassen, drei landwirtschaft liche Ein- und Verkaufsgenossenschaften sowie vier Fischergenossenschaften neu gegründet. als 80 Dachdeckereinkaufs-, Malereieinkaufsgenossenschaften sowie Sanitär-, Klempner-, Metall-, Friseur- und andere gewerbliche Genossenschaften kamen hinzu. Als nach der Währungsreform 1948 zunehmend privaten Haushalten Konsumentenkredite gewährt wurden, schossen überall Teilzahlungsinstitute wie Pilze aus dem Boden. Eine Zeit lang beteiligten sich auch Teilzahlungsgenossenschaften an diesem Boom. Heute haben solche Institute ihre Bedeutung aber weitgehend verloren. Das Wirtschaft swunder kam auch im ländlichen Genossenschaft swesen an. In den 1950er-Jahren entstanden zahlreiche Viehverwertungsgenossenschaften, um die Rationalisierung des Absatzes zu beschleu- Parallel expandierte die gewerbliche Seite. Zehn Volksbanken entstanden in SchleswigHolstein neu, eine weitere in Hamburg. Mehr 37 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E Begünstigt durch die ökonomisch notwendigen Fusionen kam es in der Folge – von wenigen Ausnahmen abgesehen – zu der gewünschten Einheitlichkeit. Flankiert wurde die Etablierung des Markenzeichens „Raiffeisen“ durch die Benennung von Plätzen und Straßen in zahlreichen Dörfern nach dem Vorbild Friedrich Wilhelm Raiffeisens. In der in einer Gemeinschaftsaktion von Raiffeisenverband Kiel, DRV und Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel wieder aufgebauten historischen Genossenschaft smeierei Voldewraa aus Angeln zeugte ab 1980 ein Raiffeisen-Museum vom Leben und Wirken des genossenschaft lichen Gründervaters. Mobile „Filiale“ einer Spar- und Darlehnskasse. nigen. Damals stammten mehr als 40 Prozent der Einnahmen der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft aus dem Viehverkauf. Immer stärker erfasste der Modernisierungsschub in der Bundesrepublik Deutschland nun auch den ländlichen Bereich. Stolz vermeldete der Kieler Verband bereits in seiner Jubiläumschronik 1959: „Der Abstand zur Entwicklung in der gewerblichen Wirtschaft hat sich verringert; die Konsequenzen, die der Bauer aus seiner Stellung in einer entwickelten Industriegesellschaft gezogen hat, haben ihre ersten beachtlichen Früchte getragen.“ Modernisierung von Image und Strukturen Der ländliche Regionalverband stützte die positive Entwicklung durch eine verstärkte und zeitgemäße Präsentation als gemeinsamer Wirtschaft sverband, der in der zentralen Raiffeisen-Organisation einen starken Partner an seiner Seite wusste. Dies kam früh in Namensänderungen zum Ausdruck. Mit der Umfirmierung 1949 in Verband der schleswig-holsteinischen landwirtschaftlichen Genossenschaften – Raiffeisen e.V., Kiel, und mit der erneuten Umbenennung 1957 in Raiffeisenverband Schleswig-Holstein und Hamburg e.V., Kiel, betonte er die Zugehörigkeit zur bundesweiten Organisation. Die Vereinigung der genossenschaft lichen Traditionen auf Bundesebene 1972 bot dann 38 Anlass für eine umfassende Initiative, das Erscheinungsbild zu vereinheitlichen. Hintergrund war, dass die Zusammengehörigkeit der einzelnen Genossenschaften durch unterschiedliche Firmierungen in der breiten Öffentlichkeit schwer erkennbar war. Zudem entsprachen die Firmennamen nicht mehr den aktuellen Erfordernissen eines Marktauft ritts. In einem Rundschreiben an alle Kredit- und Warengenossenschaften 1973 begründete der Kieler Verbandsvorstand seine Initiative: „Wegen der verschiedenen Firmennamen im gesamten norddeutschen Raum muß schon seit einigen Jahren die gemeinsame Fernsehwerbung im Norddeutschen Werbefernsehen entfallen, da allein durch das Nennen und Aufzeigen der verschiedenen Firmennamen zu hohe Kosten entstehen und die eigentliche Werbeaussage in der verbleibenden Zeit zu kurz ist. Ähnliche Schwierigkeiten treten immer wieder in der Funk- und Anzeigenwerbung auf.“ Der Vorstand unterstützte die Vereinheitlichungs- und Vereinfachungsbestrebungen der Bundesverbände und empfahl den Kreditgenossenschaften, die einheitliche Bezeichnung „Raiffeisenbank“ anzunehmen, um die genossenschaft liche Bankengruppe als „dritte Kraft“ neben den Großbanken und Sparkassen zu etablieren. Den Warengenossenschaften legte sie dringend Namenskürzungen ans Herz. Sie sollten künft ig nur noch als „Raiffeisen-Warengenossenschaft“ oder „Raiffeisen Waren eG“ auft reten. Zudem trennten sich die meisten Raiffeisenbanken von ihrem Warengeschäft , so dass diese nicht nur das Erscheinungsbild, sondern auch ihre Unternehmenskonzeption den veränderten Rahmenbedingungen entsprechend neu ausrichteten. Im Warengeschäft stieg der Einfluss der Zentrale. In Absprache mit dem Regionalverband entwickelte die Kieler Raiffeisen Hauptgenossenschaft Anfang der 1980er-Jahre das sogenannte WAKO-System, das die warenwirtschaft liche Zusammenarbeit der Zentrale mit den Primärgenossenschaften rechtlich neu formulierte. Die übergroße Mehrheit der Warengenossenschaften schloss sich dem System an. In der Folge fungierte die HaGe als Kombination aus Zentrale und Primärgenossenschaft , mit der sie die im zunehmend internationalen Geschäft eher schwierigen regionalen Standortbedingungen – bäuerliche Agrarstruktur und Marktferne – durch ihre gestiegene, flexibel akzentuierbare Wirtschaft skraft ausgleichen und für neue Wachstumschancen sorgen konnte. Zuletzt bewies sie dies 2005, als die Beteiligung der dlg Kopenhagen an der Raiffeisen Hauptgenossenschaft Nord AG zur Vereinbarung führte, die Expansionsmärkte Polen und Baltikum in Zukunft gemeinsam zu bearbeiten. Ende 2008 schied die Kieler HaGe, da bereits mehrheitlich in dänischem und schwedischem Besitz, aus dem genossenschaft lichen Verbund aus. Die Norddeutsche Fleischzentrale (NFZ) als genossenschaft liche Vieh- und Fleischzentrale ist vor rund zehn Jahren in niederländische Eigentümerhände übergegangen und auch netzwerk 12/09 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E aus dem genossenschaft lichen Verbund ausgeschieden. Progressiver Umgang mit ökonomischen Herausforderungen Nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich in Westdeutschland ein enormer Strukturwandel in der Landwirtschaft, dessen Tendenzen bis heute anhalten. Von den 1,4 Millionen landwirtschaft lichen Betrieben, die 1950 über fünf Hektar Fläche selbstständig bewirtschafteten, existierten fünf Jahrzehnte später nur noch etwa 350.000 mit einer durchschnittlichen Fläche von 45 Hektar. Die langfristig gesunkenen Erzeugerpreise zwangen zu einer Steigerung der Mengen und der Produktivität pro Betrieb, eine wesentliche Ursache der heute deutlich höheren Flächenausstattung. Auch im Genossenschaftswesen SchleswigHolsteins erkannte man die Bündelung der Kräfte als wirkungsvolle Maßnahme, auf die verschärften Wettbewerbsbedingungen zu reagieren. Sowohl in der Milch- als auch in der Fleischproduktion fanden inzwischen enorme Konzentrationsprozesse statt mit einer Tendenz zu internationalen Kooperationen. Darüber hinaus erwies sich Qualitätssteigerung in Form einer gezielten Veredelungswirtschaft als zukunftsfähig. Die jüngst aufgezeigten Lösungsvorschläge, die die Meiereien des Landes in eine Kooperations- und Vermarktungsgenossenschaft führen sollen, scheinen ein Weg zu sein, der die Wertschöpfung im Genossenschaft ssektor verbleiben lässt und für eine zusätzliche Milchgeldstabilisierung sorgen kann. Die geplante Milch eG ist jedoch nicht zustande gekommen. Vor diesem Hintergrund und angesichts einiger eklatanter Defizite in der Milch- und Agrarforschung wurde jüngst der Genossenschaftsverband e.V. unter Federführung von Dr. Burghardt Otto aktiv. Um den notwendigen Wandel wissenschaft lich zu begleiten, initiierte er die Einrichtung einer Stift ungsprofessur für „Ökonomie der Milch- und Ernährungswirtschaft“ mit. Gemeinsam mit der Bremer NORDMILCH und der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein (ISH) gelang es dem Genossenschaftsverband, Verbündete zu gewinnen und die Mittel für eine solche Professur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Rahmen einer „PrivatePublic-Partnership“ zu organisieren. Geplant ist, die Stelle in Kürze zu besetzen, den traditionsreichen Milchforschungsstandort Kiel mit Blick auf ein aufzubauendes „Kompetenzzentrum Milch Schleswig-Holstein“ zu stärken und durch praxisnahe Forschung einen Beitrag zum Erhalt einer auch in Zukunft wettbewerbsfähigen heimischen Milchwirtschaft zu leisten. Die Führung des damaligen Kieler Genossenschaftsverbandes versuchte in den letzten Jahrzehnten unermüdlich, seine Mitglieder von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich auf einen fortdauernden Wandel einzustellen. Dieser machte auch nicht an den Landesgrenzen Halt. Der langjährige Verbandsdirektor Dietrich Hill publizierte seit den 1960er-Jahren regelmäßig über Beobachtungen, wie die Partner im europäischen Ausland mit den jeweiligen Herausforderungen umgingen. Die wichtigsten Ergebnisse wurden in der Schriftenreihe des Verbandes dokumentiert. Dabei, so erinnerte Hill später, habe er stets versucht, den Blick für das Positive zu öff nen: „In Dänemark sah man eher die Chance als das Problem. In Schleswig-Holsteins Landwirtschaft nimmt die Milchwirtschaft bis heute eine zentrale Position ein. 2006 stammten rund ein Drittel aller landwirtschaft lichen Verkaufserlöse des norddeutschen Bundeslandes aus der Milchviehhaltung. Knapp 5.100 Landwirte erzeugen heutzutage eine Milchmenge von etwa 2,4 Mio. t, von denen 2,04 Mio. t in Schleswig-Holstein verarbeitet werden. 14 selbstständige Meiereigenossenschaften beteiligen sich daran. Die Milchwirtschaft in Schleswig-Holstein stellt sich derzeit im Hinblick auf das Auslaufen der Milchquotenregelung 2015 und den dann vermutlich sich weiter verschärfenden Wettbewerb strategisch neu auf. Die immer wieder gestellte Frage nach einem angemessenen Milchpreis veranschaulicht, wie schwer es den Betroff enen mitunter fällt, sich auf schwieriger werdende Rahmenbedingungen einzustellen. Die beste Adresse ist die eigene. www.muenchenerhyp.de X Top-Zins X Flexible Rückzahlung X Zins-Sicherheit bis zu 30 Jahren Die Krone der Baufinanzierung Im FinanzVerbund der Volksbanken Raiffeisenbanken netzwerk 12/09 39 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E Solches Denken wollte ich vermitteln. Genossenschaften haben mit dieser Einstellung dort eine starke ökonomische Position errungen, sie sind in Dänemark einflussreicher als der Bauernverband.“ 3.3 Brückenschlag in die Zukunft: der Genossenschaftsverband Hessen/Rheinland-Pfalz Zusammenführen der gewerblichen Regionalverbände mit Sitz in Hessen Bis 1980 die Frankfurter Genossenschaft sverbände der Schulze-Delitzsch- und der Raiffeisen-Tradition zusammenkamen, hatten sie eine lange Geschichte aufzuweisen, in denen sie jeweils zunächst ihre eigenen Kräfte bündelten. So gründeten sich in Hessen in den frühen 1860er-Jahren außer dem Wiesbadener zwei weitere gewerbliche Genossenschaft sverbände in Darmstadt und in Gießen (späterer Sitz: Kassel). Nach mehreren Umfi rmierungen und organisatorischen Veränderungen wurden sie zunächst 1930 in einem Zweckverband zur gemeinsamen Arbeit zusammengeführt, um dann 1933 zum Hessisch-Mittelrheinischen Genossenschaftsverband e.V. zu Wiesbaden, Wiesbaden, zu verschmelzen. Zukunftsweisende Grenzüberschreitung Von Beginn an weigerten sich die Gründerväter des ältesten deutschen Regionalverbandes, die Enge der deutschen Kleinstaaterei zu akzeptieren: „Die gemeinsame Wahrnehmung der Vereinsinteressen gegenüber der Gesetzgebung der betreffenden Einzelstaaten“ war ein Hauptzweck des am 25. Mai 1862 gegründeten Verbandes der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften am Mittelrhein e.V., Wiesbaden. Die Vertreter der 17 Genossenschaften, die sich damals auf Einladung des Wiesbadener Vorschußvereins auf der dortigen Dietenmühle trafen, um den Verband ins Leben zu rufen, kamen unter anderem aus Wiesbaden, Mainz, Frankfurt, Worms – also aus den heutigen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Hessen. Doch diese entstanden in ihrer Ausdehnung und Verfasstheit erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis dahin wechselten die politischen Grenzen in der Region mehrmals. Bereits 1970 gelang dem gewerblichen Regionalverband in Wiesbaden und dem ländlichen Regionalverband in Frankfurt der parallele Brückenschlag nach RheinlandPfalz. Die Wiesbadener fusionierten mit dem Rhein-Pfälzischen Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) e.V., Mainz, zum Verband südwestdeutscher Volksbanken und Warengenossenschaften e.V. Dessen Sitz wurde Frankfurt am Main, wo die Wiesbadener bereits seit 1930 vertreten waren. Der Genossenschaftsverband Rhein-Main-Neckar verschmolz mit dem Verband der pfälzischen landwirtschaftlichen Genossenschaften – Raiffeisen – e.V., Ludwigshafen, zum Raiffeisenverband Rhein-Main e.V. mit Sitz ebenfalls in Frankfurt. 40 Oben: Über die Gründung des ältesten Vorläufers des heutigen Genossenschaftsverbandes e.V. berichtete damals die regionale Presse ausführlich. Links: Für sein unermüdliches Engagement für die Genossenschaftsbewegung auch in Hessen erhielt Hermann Schulze-Delitzsch bereits zu Lebzeiten Anerkennung. netzwerk 12/09 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E Der Wiesbadener Verband avancierte rasch zum Vorbild für weitere Verbandsgründungen. Wie alle anderen frühen Zusammenschlüsse startete er nicht als Prüfungsverband. Seine Satzung sah die Förderung wechselseitiger Geschäftsverbindungen seiner Mitglieder, den internen Erfahrungsaustausch über wirtschaftliche Entwicklungen und die Repräsentation nach außen vor. Allerdings integrierte der Verband noch vor der reichsweiten Verpflichtung durch das GenG von 1889 die Prüfung in sein Aufgabenspektrum. Ab 1885 berichteten Prüfer auf den Verbandstagen über die Ergebnisse ihrer Tätigkeit. 1867 hatte Hermann Schulze-Delitzsch erstmals teilgenommen, um seinen Entwurf des Genossenschaftsgesetzes vorzustellen. Seine späteren Gastauft ritte dienten der Anregung organisatorischer Innovationen. Generell entwickelten sich Verbandstage zu lebendigen Foren, auf denen sich Mitglieder persönlich kennenlernen und austauschen konnten. Besonders zu Jubiläen sorgte ein reichhaltiges Rahmenprogramm für Unterhaltung. Die Entwicklung der gewerblichen hessischmittelrheinischen Regionalverbände bis zur Bäcker, Kraft fahrer und viele andere Berufszweige organisiert. Prägungen ländlicher Regionalverbände in Hessen durch Wilhelm Haas Auf die Entwicklung des ländlichen Genossenschaft swesens in Hessen nahm, wie erwähnt, der 1839 in Darmstadt geborene Wilhelm Haas großen Einfluss. Sein 1873 in Mainz mit initiierter Verband der hessischen landwirtschaftlichen Konsumvereine wurde nach dem Zusammenschluss mit zwei weiteren regionalen Genossenschaft sverbänden 1889 in Verband der hessischen landwirtschaftlichen Genossenschaften, Darmstadt, umbenannt. Dieser verschmolz 1934 mit dem Ländlichen Genossenschaft sverband – Raiffeisen – e.V. zu Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, der aus zwei 1888 in Limburg und Wiesbaden gegründeten Regionalverbänden hervorgegangen war. Der neue Ländliche Genossenschaft sverband Rhein-MainNeckar e.V., Frankfurt am Main, vertrat fortan einen Großteil der ländlichen Genossenschaften in Hessen. vorteilung und Wucher sollten damit ausgeschlossen werden. Der Verband hielt für die Gründung von Darlehnskassen-Vereinen Musterstatute bereit. Auch der Haas‘sche Genossenschaftsverband führte die Prüfung noch vor 1889 ein. Der Revisor sollte, so Haas, nicht der strenge Aufseher, sondern der Freund und Helfer in der genossenschaftlichen Arbeit sein. Der 1934 per Fusion neu geschaffene Verband zählt knapp 2.400 Mitgliedsgenossenschaften unterschiedlichster Couleur. Mit über 1.100 waren Kreditgenossenschaften die zahlenmäßig stärkste Sparte, gefolgt von knapp 500 allgemeinen Bezugs- und Absatzgenossenschaften und fast ebenso vielen Molkerei- und Milchabsatzgenossenschaften. Hinzu kamen unter anderem 88 Dreschgenossenschaften, 40 Obst- und Gemüseverwertungsgenossenschaften, 19 Eierverwertungsgenossenschaften, 13 Viehverwertungsgenossenschaften, 6 Baugenossenschaften, 3 Siedlungsgenossenschaften, 2 Gartenbaugenossenschaften, 1 Maschinengenossenschaft, 1 Weidegenossenschaft sowie 1 Wasserbezugsgenossenschaft. Winzergenossenschaften als regionale Besonderheit Wie sich damals beispielsweise an Nord- und Ostseeküste Fischereigenossenschaften als spezifische regionale Variante des deutschen Genossenschaftswesens gründeten, so entstanden nach und nach in nahezu allen deutschen Weinanbaugebieten Winzergenossenschaften. Der Ländliche Genossenschaftsverband Rhein-Main-Neckar in Frankfurt führte 1934 bereits 39 Winzergenossenschaften. Gesamtansicht einer genossenschaftlichen Speicheranlage mit Anschlussgleis. Fusion 1933 verlief ähnlich. Zunächst dominierten Kreditgenossenschaften unter den Mitgliedern, später waren ihre Genossenschaften Ausdruck eines vielfältigen Wirtschaftslebens in der Region. 1938 wies der Hessisch-Mittelrheinische Verband neben 129 Kreditgenossenschaften 100 Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften aus. Darin waren Tapezierer, Brauer, Diamantenschleifer, Drogisten, Fleischer, netzwerk 12/09 Haas sah im Verband eine Chance, auf dem Markt mit größerer Wirtschaft smacht aufzutreten, als es dem einzelnen Landwirt und selbst der Genossenschaft möglich gewesen wäre. Er initiierte die Gründung weiterer genossenschaft licher Verbände und Zentralen. Zudem regte er an, Warengenossenschaften durch eine auf die ländlichen Verhältnisse zugeschnittene genossenschaftliche Kreditwirtschaft zu ergänzen. Über- Erste vereinsmäßige Zusammenschlüsse von Winzern, um ihre schwache wirtschaft liche Stellung zu verbessern, gab es bereits in den 1820er-Jahren in Baden. 1852 gründeten sich an der Mosel derartige Vereine erstmals unter dem Namen „Winzergenossenschaft“. Ihre Statuten enthielten bereits maßgebliche Grundsätze der späteren Genossenschaften 41 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E Anfang des 20. Jahrhunderts gründeten sich auch in der Rhein-Main-NeckarRegion zahlreiche Winzergenossenschaften, die dauerhaft erfolgreich wirtschafteten. Als sich deutsche Winzergenossenschaften später zunehmend Konkurrenz machten, kam es in mehreren Regionen zur Gründung von Zentralkellereien. Winzergenossenschaften gibt es im Verbandsgebiet seit 1852. Raiffeisen‘scher Prägung. Die gemeinsame Nutzung von Personal, Geräten, Maschinen und Gebäuden für Weinausbau und Vertrieb sollten die Produktions- und Vertriebskosten optimieren. Dennoch scheiterten die Unternehmen bald an einem ökonomischen Kardinalfehler: Sie zahlten ihren Mitgliedern aus aufgenommenen Darlehen höhere Beträge aus, als später auf dem Markt zu erzielen waren. Ähnlich erging es vielen frühen Versuchen dieser Art in anderen Regionen. Friedrich Wilhelm Raiffeisen widmete Winzergenossenschaften in seiner wegweisenden Publikation über DarlehnskassenVereine von 1866 ein eigenes Kapitel. Bald entstanden Genossenschaften auf ökonomischen Grundlagen, die sich als tragfähiger erwiesen. Als älteste der heute noch existierenden Winzergenossenschaft gilt Mayschoß-Altenahr, deren Wurzeln bis 1868 zurückreichen. Ende des 19. Jahrhunderts, 42 Bald kam es zu gemeinsamen Werbeaktionen, die auch der Frankfurter Verband aktiv unterstützte. Eine in der Mainmetropole eingerichtete Weinwerbestube der deutschen Winzergenossenschaften übernahm zum Beispiel die Werbung für einheimische Winzergenossenschaftsweine, führte Verkostungen durch und beteiligte sich an einschlägigen Ausstellungen. Zudem ermunterte der Verband seine Mitglieder, ihre technischen Betriebseinrichtungen stets auf aktuellem Stand zu halten, um eine möglichst hohe Qualität der produzierten Weine zu gewährleisten. Winzergenossenschaften sind trotz hohem Wettbewerbsdruck durch in- und ausländische Konkurrenz eine erfolgreiche Genossenschaftssparte geblieben. 2007 gehörten von den 212 deutschen Winzergenossenschaften 42 dem Frankfurter Genossenschaftsverband an. Diese erwirtschafteten 2007 auf der Grundlage von 6.567 Mitgliedsbetrieben einen Umsatz aus dem Eigengeschäft von rund 128 Mio. Euro. Der Regionalverband begleitet die Winzergenossenschaften heute aktiv unter anderem durch die Förderung von Kooperationen, die Synergien sowohl bei den Kosten als auch auf bestimmten Märkten schaffen sollen. Die lange eigenständige Entwicklung in Kurhessen Als 1930 der Kurhessische Verband ländlicher Genossenschaften – Raiffeisen – e.V., Kassel, aus der Verschmelzung des Verbandes der Hessischen Raiffeisen-Genossenschaften e.V. zu Kassel, Kassel, mit dem Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften für den Regierungsbezirk Kassel und angrenzender Gebiete e.V., Kassel, entstand, gab es Kurhessen politisch längst nicht mehr. In seiner wechselvollen Geschichte existierte Kurhessen auf der politischen Landkarte nur zwischen 1803 und 1866 als eigenständige Einheit. Heute ist Kurhessen über die Regierungsbezirke Kassel, Gießen und Darmstadt verteilt. Doch die neue Firmierung 1930 war mit Bedacht gewählt worden, denn keine andere definierte das Verbandsgebiet präziser als „Kurhessen“ und unterschied ihn so bereits durch den Namen deutlich von den anderen hessischen Raiffeisen-Verbänden. Der Kurhessische Raiffeisenverband sollte bis zur Fusion mit dem Frankfurter Genossenschaftsverband 1992 an seiner Eigenständigkeit festhalten. Die genossenschaft liche Bewegung in Kurhessen war anfangs geprägt von Darlehnskassenvereinen. Den Anfang machte die Gemeinde Friedewald, wo unter Federführung von Pfarrer August Haupt 1879 der erste derartige Verein gegründet wurde. Haupt war durch die Schriften Raiffeisens inspiriert worden und half in Not geratenen Dorfbewohnern zunächst durch Initiierung einer Viehkasse und wenig später einer Darlehnskasse. Die Dorfbewohner sollten, so Haupt, nicht mehr auf Wucherer angewiesen sein. Am 1. Mai 1882 gründeten auf Initiative von Freiherr Bodo von Trott zu Solz Vertreter von sieben Genossenschaften, darunter auch Pfarrer Haupt, den Hessen-Casselscher Verband. Vorläufiger Sitz wurde Hersfeld (1895 nach Kassel verlegt). Der Verband baute in der Folgezeit kontinuierlich seine Organisation aus. 1891 entstanden die ersten Unterverbände, die dem intensiveren Austausch von Erfahrungen und der Förderung der örtlichen und wirtschaftlich zunächst aufeinander angewiesenen Genossenschaften dienten. Zahl und Einteilung der Unterverbände veränderten sich mit den Jahren, wobei sie an politischen netzwerk 12/09 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E Gliederungen orientiert blieben. So hatte der Verband nach 1945 entsprechend der 16 Kreise über mehrere Jahrzehnte 16 Unterverbände, bis einige von ihnen in Zusammenhang mit der Kommunalreform zusammengelegt wurden. Der Verband führte seine satzungsgemäßen Verbandstage bis 1992 an unterschiedlichen Orten seines Gebietes und später auch in allen Unterverbänden jährliche Unterverbandstage mit allen wichtigen Repräsentanten der Organisation durch, um seine Verbundenheit mit dieser basisnahen Organisationsform zu unterstreichen. Bereits 1897 wurde ein erster Kurs durchgeführt, um die Rechner der Mitgliedsgenossenschaften besser auszubilden. Der große Erfolg machte ihn zu einem frühen Vorreiter des von den Genossenschaftsverbänden getragenen, ständig fortentwickelten genossenschaftlichen Bildungssystems. Der Kurhessische Verband gründete unter anderem 1938 die Raiffeisenschule Marburg (siehe auch das Kapitel „Vom Bildungsanbieter zum Personalentwickler“). Ab 1905 wurde der Verband offiziell von einem gewählten Verbandsanwalt geführt. Mit der neuen Satzung erhielt der Verband die Bezeichnung Hessischer Verband ländlicher Genossenschaften e.V., Kassel (die Ergänzung „Raiffeisen“ erfolgte 1923). 1906 erhielt der Verband das Revisionsrecht. Unter Verbandsanwalt Georg Rexerodt (von 1893 bis 1923 im Amt) richtete der Verband eine Versicherungsabteilung ein und baute seine Verbandstage zu repräsentativen Veranstaltungen aus. Parallel wurde das Bild der Mitgliedsgenossenschaften bunter: Zu den Raiffeisenkassen gesellten sich bald Milchgenossenschaften, Kornhausgenossenschaften und Genossenschaften vieler anderer Wirtschaft sbereiche. 1909 wurde die Landwirtschaft liche An- und Verkaufsgesellschaft Hessenland gegründet, deren Vorläufer bis 1895 zurückreichen. Ihre Entwicklung ähnelt der der anderen erfolgreichen Raiffeisen-Hauptgenossenschaften. Die spätere Raiffeisen-Warenzentrale Hessenland GmbH gehört heute als Raiffeisen-Warenzentrale Kurhessen-Thüringen GmbH mit einem Umsatz von rund 630 Mio. Euro (2008) zu den Stützen des genossenschaft lichen Verbundes. Zunächst waren die Kreditgenossenschaften an die Zentral-Darlehnskasse in Neuwied netzwerk 12/09 angeschlossen gewesen, 1929 gründeten sie dann die Kurhessische Raiffeisenbank als selbstständige regionale Zentralkasse. Die spätere Raiffeisen-Zentralbank Kurhessen AG folgte 1989 der bundesweiten Entwicklung hin zu einer Straff ung des genossenschaft lichen FinanzVerbundes und übertrug ihre Geschäfte auf die damalige DG Bank. Die erwähnte Verschmelzung mit dem 1891 gegründeten Verband der hessischen Raiffeisen-Genossenschaften erfolgte im Zuge der Zusammenführung der ländlichen Reichsverbände 1930. Sie sollte bis 1992 die einzige Fusion des Kurhessischen Verbandes bleiben. Hintergrund dieser eigenständigen Entwicklung war eine erfolgreiche Reorganisation und eine damit verbundene lang anhaltende wirtschaftliche Prosperität des Verbandes und seiner Mitglieder nach dem Zweiten Weltkrieg. 1949 firmierte der Verband um in Raiffeisenverband Kurhessen e.V., Kassel. wurde vom Bankgeschäft abgetrennt, unter anderem durch die Gründung selbstständiger Unternehmen. In den 1960er-Jahren setzte ein sehr dynamischer Fusionsprozess unter den Raiffeisenbanken ein, der 1970 mit 45 Verschmelzungen einen Höhepunkt hatte. Waren es 1960 noch 556 Kreditgenossenschaften gewesen, gab es 1973 noch 226. Der Trend sollte sich in gemäßigterem Tempo fortsetzen, so zählte der Kurhessische 1950 begann die Ära von Konrad Jacob als Verbandsanwalt. Er prägte über 30 Jahre den Verband. 1953 weihte der Verband in Kassel sein neues Raiffeisenhaus ein. Es war der Startschuss für eine dortige Konzentration der zentralen genossenschaft lichen Institutionen Kurhessens im sogenannten Raiffeisenviertel. Darüber hinaus gaben diese genossenschaft lichen Bautätigkeiten Impulse für einen Wiederaufbau der im Krieg stark zerstörten Kasseler Innenstadt. Der Verband baute mit Blick auf die sich verändernden und ständig wachsenden Bedürfnisse der Mitglieder seine innere Struktur aus und schlüpfte immer stärker in die Rolle eines Schrittmachers der genossenschaft lichen Organisation. Ein Beispiel dafür ist die Eröff nung des ersten regionalen Rechenzentrums des deutschen Genossenschaftswesens 1964 in Kassel. In Zusammenarbeit mit den anderen genossenschaft lichen Zentralinstitutionen meisterten sie den gesellschaft lichen und ökonomischen Strukturwandel lange Zeit erfolgreich. Im landwirtschaft lichen Bereich war dafür besonders die Raiffeisen-Warenzentrale eine wichtige Partnerin. Im Zusammenwirken mit dem genossenschaft lichen Verbund unterstützte der Kurhessische Regionalverband die Entwicklung seiner Raiffeisenkassen hin zu Universalbanken. Das Waren- 43 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E Raiffeisenverband 1992 noch 70 Kreditinstitute. Allerdings erhöhte sich ab den 1970er-Jahren gerade aus den genossenschaft lichen Kreditinstituten heraus der Druck auf den Verband, nach dem Vorbild der Spitzenverbände auch auf der Ebene des Regionalverbandes den engeren Schulterschluss zwischen Raiffeisenund Schulze-Delitzsch-Organisationen zu suchen. Ein gemeinsamer Verband sollte unter anderem helfen, die anhaltenden Konkurrenzen zwischen Volksbanken, die dem Frankfurter Verband angehörten, und Raiffeisenbanken in Kurhessen zu mindern. Eine entscheidende verbandsinterne Weichenstellung dafür erfolgte 1983 durch die Wahl des Juristen Hans Heinrich Gessner zum Verbandsanwalt in der Nachfolge von Konrad Jacob. Der damit verbundene Generationenwechsel geschah in einer dramatischen Wahl: Gegen einflussreiche Mitbewerber setzte sich Gessner im vierten Wahlgang durch. Gessner, 1967 als Mitarbeiter der Rechtsabteilung zum Verband gekommen, wurde der erste hauptamtliche Verbandsanwalt des Kurhessischen Raiffeisenverbandes. Er war auch gleichzeitig der letzte. Angesichts des Strukturwandels im Genossenschaftsbereich, der dem Verband wie überall größere und leistungsfähigere, aber damit auch immer weniger Mitglieder mit größeren Ansprüchen an Prüfung, Beratung und Betreuung bescherte, kam Gessner zu der Einsicht, dass eine Fusion mit dem Frankfurter Regionalverband die sinnvollste Weiterentwicklung sei. Er warb für seine Position, die dann im Zuge der deutsch-deutschen Vereinigung 1992 realisiert wurde. Obwohl er vom Entschluss sachlich überzeugt gewesen sei, so erinnerte Gessner, sei ihm der Schritt nicht leicht gefallen, denn „mit das Schönste in meinem Berufsleben war die gemeinsame Arbeit mit den Menschen vor Ort, und das ist in größeren Einheiten erfahrungsgemäß immer schwieriger.“ Offensive Neuausrichtung durch Innovation und Qualitätskontrolle Demokratie, Wirtschaftswunder, technischer Fortschritt, zunehmender Wettbewerb und ein verändertes Kundenverhalten prägten auch im Einflussbereich der Frankfurter Regionalver- 44 bände die Entwicklung des Genossenschaftswesens in der jungen Bundesrepublik Deutschland. Die Kreditwirtschaft entdeckte den Privatmann und die Privatfrau als interessante Bankkunden. In den 1960erJahren setzte der bargeldlose Zahlungsverkehr ein. Die genossenschaftlichen Kreditinstitute entwickelten sich zu Universalbanken, ihre Palette an Finanzdienstleistungen wurde immer umfassender und ausgefeilter. Mit der zunehmenden Größe veränderte sich auch das Selbstverständnis der Genossenschaften. Aus den Betreuten wurden selbstbewusste Partner der Prüfungsverbände. Diese galten wegen der Verleihung des Prüfungsprivilegs durch die obersten Landesbehörden als „halbstaatliche Einrichtungen“. Betreuung erlebten Betroffene damals noch öfter als Bevormundung, Anweisung und Kontrolle, vor allem in den Raiffeisenverbänden. Das war nun immer weniger zeitgemäß. Die Verbände änderten in der Folgezeit ihr Selbstverständnis hin zu einem Serviceunternehmen und setzten Impulse für eine effizientere interne Organisation. Der kleine gewerbliche Rhein-Pfälzische Genossenschaftsverband unternahm dabei bereits früh große Schritte hin zu einem modernen Regionalverband. Hier läutete ein personeller Wechsel nach dem Tod von Verbandsdirektor Heinrich Laubscher 1962 den Politikwechsel des Verbandes ein. Unter der Regie des neuen Verbandsdirektors Erich Weinerth zog ein neuer, kooperativer Führungsstil ein, der junge Mitarbeiter sehr motivierte. Verwaltungsmitarbeiter Kurt Littig, der später zum Geschäftsführer des Frankfurter Verbandes aufstieg, erinnerte sich später so: „Von seinem Amtsantritt als Prüfungsdienstleiter im April 1963 bis zu seiner Wahl in den Verbandsvorstand 1964 nutzte Erich Weinerth die Gelegenheit, intensiv über die künft ige Gestaltung des Verbandes nachzudenken. Dabei verfolgte er von Anfang an die Idee, den Verband aus seiner starren Rolle als Prüfungsverband mit seinen gesetzlichen Aufgaben in ein Dienstleistungsunternehmen mit einem breit gefächerten Beratungsangebot für die Verbandsmitglieder zu überführen. Rechtsund Steuerberatung sowie betriebswirtschaftliche Beratung sollten durch den Aufbau spezieller Abteilungen die Angebotspalette des Verbandes vervollständigen. Insbesondere favorisierte er die Schaffung des Bereichs Bildungswesen, der Auszubildenden und Mitarbeitern der Genossenschaften ein adäquates Bildungsangebot unterbreiten sollte. Seine Gedanken über die Strukturierung des Verbandes hielt Weinerth in einem Arbeitspapier fest. Dazu gehörte auch die Idee, die interne Verwaltung des Verbandes auf einen Bereichsleiter zu übertragen, der für Personal-, Finanz- und Rechnungswesen, Etatgestaltung sowie für allgemeine Verwaltungsfragen zuständig sein sollte. Letztlich enthielt das Arbeitspapier auch Gedanken zur Forcierung der Öffentlichkeitsarbeit, zur Gestaltung künftiger regionaler Werbung für die Genossenschaften sowie zur Installation einer Abteilung für Marketingfragen. Die Verbandsmitglieder begrüßten das Konzept zur Neugestaltung des Verbandes, dessen Umsetzung nach Weinerths Wahl zum Verbandsdirektor zügig in Angriff genommen wurde. Auf Initiative Weinerths zog der Verband 1965 in die Landeshauptstadt Mainz um. Man wollte politische Präsenz zeigen und dazu war die räumliche Nähe zu den entscheidenden politischen Instanzen förderlich. In der Folge knüpfte der Verband jeweils vitale Kontakte zu den rheinland-pfälzischen Landesregierungen unterschiedlicher politischer Couleur. Wenig später begann der Verband unter Federführung von Littig ein eigenes Bildungswesen aufzubauen (siehe auch das Kapitel „Vom Bildungsanbieter zum Personalentwickler“). Überregionale Impulse des Rhein-Pfälzischen Genossenschaftsverbandes Der Rhein-Pfälzische Genossenschaftsverband schuf in dieser Zeit eine viel beachtete Innovation. Er entwickelte einen Musterprüfungsbericht, der den bis dato üblichen „Schnippelbericht“ ablöste. Er wurde später von anderen Genossenschaftsverbänden und von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften übernommen. Klaus Lambert, der spätere Präsident des Frankfurter Verbandes, hatte daran erheblichen Anteil: „1963, als ich anfing, arbeiteten beim Verband etwa 20 Mitarbeiter, knapp 40 Kreditgenossenschaften waren zu betreuen. Eine Prüfung netzwerk 12/09 D I E R E G I O N A LV E R B Ä N D E lief damals folgendermaßen ab: Ein Prüfer ging hinaus, um die Volksbank X zu prüfen. Dann musste er die Prüfungsergebnisse in einem Prüfungsbericht zusammentragen. Es gab eine Berichtsverordnung, die festlegte, was in solch einem Bericht zu stehen hatte. Jeder Prüfer musste diese Verordnung im Kopf haben und alle Vorschriften beachten. Was machte er? Er nahm einen Vorjahresbericht, den der Vorgänger geschrieben hatte, und baute seinen Bericht nach diesem Schema auf. Aus der Kopie des Vorgängerberichts schnippelte er die Passagen, die wiederverwendungsfähig waren, mit der Schere heraus. Dann klebte er die Passagen auf seinen Bericht auf, ergänzte oder änderte sie ab. Als ich Prüfungsdienstleiter wurde, kam mir die Idee, nicht mehr jeden einzelnen Prüfer damit zu belasten, wie der Prüfungsbericht auszusehen hat. Ich entwickelte gemäß der Vorschrift einen Musterbericht. Darin konnten wir auch Punkte aufnehmen, die wir als Verband über die Vorschriften hinaus beachtet sehen wollten. Auf der Vorderseite standen die einzelnen Punkte des Musterprüfungsberichts, auf der Rückseite standen die Erläuterungen dazu. Der Prüfer bekam diesen Bericht und fing nach dieser Vorlage an zu prüfen. Wir schrieben als Varianten auch Alternativsätze vor wie „Die Vermögenslage ist geordnet/ist nicht geordnet aufgrund folgender Tatbestände: ...“. Der Prüfer konnte seine Hinweise daran anfügen. Wir schrieben von Verbandsseite außerdem hinein, wann ein Hinweis gegeben werden muss, wann ein Testat versagt werden muss und Ähnliches.“ Jedes Jahr überprüfte der Verband seinen Musterprüfungsbericht, ob neue rechtliche Regelungen zu berücksichtigen waren und ob der Bericht noch den aktuellen Erfordernissen entsprach. Als EDV-kompatible Version, die die enorm gestiegene Zahl an Prüfungsstandards (allein bis zu 100 nach dem IDW) und das zunehmend komplexe Verfahren berücksichtigt, leistet der Musterprüfungsbericht bis in die Gegenwart gute Dienste. Die stete Qualitätskontrolle übertrug die Verbandsleitung bald auf alle Bereiche der Organisation. Sie ist bis heute ein Markenzeichen des Frankfurter Genossenschaft sverbandes. netzwerk 12/09 Mitglieder- und kundenbezogene Orientierung In den 1970er-Jahren folgten weitere Innovationen, auf denen der Genossenschaft sverband Hessen/Rheinland-Pfalz dann aufbauen konnte. Moderne Marketingmethoden und eine strategische Orientierung hielten Einzug in die Verbandsarbeit. Die Jahresabschlussprüfung bei Genossenschaften wurde nun als Basis herangezogen, um abzuschätzen, welche künft igen Marktchancen sich daraus ergaben oder wo absehbare Risiken überwogen. Der Blick ging somit nach vorne und nicht mehr zurück. Die Beratungs- und Betreuungstätigkeiten wurden ausgeweitet, die Bildungsarbeit unter der bewährten Regie von Kurt Littig grund legend modernisiert und 1973 in Bad Münster das neue Schulungszentrum „Heinrich-Laubscher-Haus“ eingeweiht (siehe auch Kapitel 4.3 „Vom Bildungsanbieter zum Personalentwickler“). Nach der Fusion schuf der neue Frankfurter Verband das System der Bezirkstage, in dem die jeweiligen Volksbanken und Raiffeisenbanken zusammenkamen und miteinander gemeinsame Probleme diskutierten. Damit löste der Verband die bisherigen, isoliert nach Volksbanken und Raiffeisenbanken tätigen Bankenarbeitsgemeinschaften ab. Das trug viel zur Gemeinsamkeit bei und machte Kapazitäten frei, um sich verstärkt am Markt und an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren. Der Verband ermunterte seine Banken, den ganzheitlichen Betreuungsansatz zu übernehmen. Ähnlich wie er seine Mitglieder darauf aufmerksam machte, wenn unternehmerisch aus seiner Sicht etwas falsch lief, sollten sie bei ihrer Beratung den Nutzen für den Kunden in den Mittelpunkt stellen und nicht den einzelnen Produktabsatz. Der Verband änderte selbst seine Finanzierungskonzeption. Sie führte zunehmend weg von einer allgemeinen Verbandsumlage hin zu Entgelten für konkret erbrachte Leistungen, die auf die aktuellen Bedürfnisse der Mitglieder abgestimmt waren. Als 1981 durch eine Gesetzesnovelle Kreditgenossenschaften in der Ertragsbesteuerung den Kapitalgesellschaften gleichgestellt wurden, verstärkte der Verband seine Steuerberatung. Während 1980 noch 44 Prozent der Einnahmen in Höhe von umgerechnet 11,7 Mio. Euro aus Verbandsbeiträgen stammten, waren es 2003 bei einem Volumen von 61,6 Mio. Euro noch 14 Prozent. Know-how und Strukturveränderungen für die Zukunft Um einen Überblick über die Gesamtstruktur von Krediten und deren Risiken zu bekommen, entwickelte der Frankfurter Genossenschaftsverband erstmals eine Bonitätsgruppenstruktur, die die Prüfungsergebnisse einzelner Kredite zusammenfasste. Bis dato hatte der Vorstand einer Bank Kredite als individuelles Geschäft verstanden und zu richtigen Werten bewertet, um zu einem Ergebnis zu kommen. Der Verband sah demgegenüber die Notwendigkeit, Kunden zu klassifizieren. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) erkannte den Vorteil einer solchen Vorgehensweise und übernahm das Prinzip. Inzwischen ist die Einordnung von Krediten in eine Bonitätsgruppenstruktur berufsüblich. Im Sinne des späteren BVR-Mottos „Ein Markt – eine Bank“ förderte der Verband nach 1980 verstärkt ökonomisch sinnvolle Fusionen. Wie andernorts erfasste der Konzentrationsprozess bald alle genossenschaft lichen Sparten. Von 1979 bis 1990 verringerte sich die Zahl der Mitglieder des Genossenschaftsverbandes Hessen/Rheinland-Pfalz von 1.141 auf 684, wobei die Bilanzsumme von 30 Mio. DM auf über 65 Mio. DM wuchs. Ein Beispiel für die kluge Fusionspolitik ist die Volksbank am Sitz des Verbandes. Denn Frankfurt am Main ist nicht nur ein Ort, an dem wichtige Glieder des genossenschaftlichen Verbundes wie DZ Bank und Union Investment angesiedelt sind. Der Verband kann vielmehr ihr Mitglied Frankfurter Volksbank mit deren 145.000 Mitgliedern und einer Bilanzsumme von über 5,8 Mrd. Euro heute mit berechtigtem Stolz den „Platzhirsch“ der Finanzmetropole nennen. 45 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N 4 Mobilisierung der Kräfte Verbandspolitische Antworten auf vielfältige „Entgrenzungen“ seit 1990. Die Fahnen der Internationalen Grünen Woche Berlin als Symbol für erste Ost-West-Begegnungen nach dem Mauerfall. 4.1 Auf gleicher Augenhöhe: die deutsche Vereinigung Im Prinzip standen alle westdeutschen genossenschaft lichen Verbände und Institutionen, die nach dem Fall der Mauer 1989 genossenschaft liche Betätigung in Ostdeutschland zu unterstützen versuchten, vor den gleichen Herausforderungen und Bedingungen. In einem beispiellosen Prozess galt es, ostdeutschen Genossenschaftern im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe bei der Umstellung von der Plan- auf die wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft zur Seite zu stehen. Die eingeleiteten und durchgeführten Maßnahmen zur Hilfe beim Aufbau eines funktionsfähigen genossenschaft lichen Prüfungswesens waren weitgehend gleich, wobei die Umsetzung 46 und Akzentuierung mitunter von Verband zu Verband variierte. Insofern stehen die folgenden, einzelnen Verbänden zugeordneten Maßnahmen beispielhaft für die Aufbauarbeit aller Verbände in den neuen Bundesländern. 4.1.1 Respekt vor dem Bestehenden: Praxis aus Hannover Partnerschaftliche Unterstützung in unübersichtlicher Lage Spätestens die Internationale Grüne Woche in Berlin Anfang 1990 machte es für alle sichtbar, dass nach der Öff nung der innerdeutschen Grenze auch ein neues Kapitel der Genossenschaft sgeschichte aufgeschlagen wurde. Heinrich Huch, damals Abteilungsleiter für Waren-, Verwertungs- und Dienstleistungsgenossenschaften beim Genossenschaft sverband Niedersachsen, erlebte es hautnah mit: „Der Deutsche Raiffeisenverband hatte uns angeworben, auf dem Messestand in Berlin als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Doch mit einem so großen Interesse hatte niemand von uns gerechnet. Es kamen Heerscharen von Ostvertretern, die in irgendeiner Form genossenschaft liche Verbindungen hatten und uns fragten, wie bei uns Genossenschaft organisiert sei, welche rechtlichen Bedingungen man erfüllen müsse und ob wir Ansprechpartner für dieses und jenes wüssten. Wir verteilten netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN Die Lage war zunächst generell noch sehr unübersichtlich. Wie und in welcher Geschwindigkeit sich das Miteinander zwischen beiden deutschen Staaten entwickeln würde, war unklar und unter den politischen Akteuren umstritten. Erste deutliche Hinweise, dass sich die deutschdeutsche Annäherung rasch vollziehen würde, gab es nach der Wahl zur Volkskammer am 18. März 1990. Die neue DDR-Regierung unter Lothar de Maizière sendete bald Signale in diese Richtung. Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli war dann ein entscheidender Schritt hin zur deutschen Vereinigung am 3. Oktober 1990. Berge an Informationsmaterial. Es war auch der Beginn vieler menschlicher Kontakte, die wir in zahlreichen Begegnungen in Hannover und vor allem vor Ort im Osten vertieften.“ Die Gremien des Hannoveraner Verbandes beschlossen, den Aufbau eines Genossenschaftswesens in der DDR kraft voll zu unterstützen. Erste Kontakte und erste Kooperationsverträge zwischen genossenschaft lichen Institutionen waren bereits geknüpft. In Absprache mit den genossenschaft lichen Bundesverbänden und Zentralen konzentrierte sich Niedersachsen auf das Nachbarland Sachsen-Anhalt. Formalrechtlich existierte dieses aber noch nicht. Wie alle anderen fünf neuen Bundesländer sollte das 1952 aufgelöste Land erst im Oktober 1990 wieder neu eingerichtet werden. netzwerk 12/09 Bis dahin wurden in der genossenschaftlichen Aufbauarbeit grundlegende Weichenstellungen und Orientierungen eingeleitet, die den folgenden Vereinigungsprozess zwischen sachsen-anhaltinischen und niedersächsischen Genossenschaft sorganisationen mitbestimmten. Im Frühjahr gründeten sich entlang der DDR-Bezirksverwaltungsstrukturen eigenständige Raiffeisenverbände, in Halle an der Saale der Raiffeisenverband Sachsen-Anhalt e.V. und in Magdeburg der Raiffeisen-Genossenschaft sverband Sachsen-Anhalt/Magdeburg e.V. Im Bankensektor sah es anders aus. Die früheren DDR-Genossenschaft skassen in Sachsen-Anhalt, die sich in Volksbanken umwandelten, schlossen sich mehrheitlich direkt dem Hannoveraner Verband an. Der BVR richtete für den Aufbau genossenschaft licher Kreditinstitute einen Solidarfonds ein, an dem sich auch der Genossenschaft sverband Niedersachsen beteiligte. Der Regionalverband legte parallel ein umfassendes eigenes Unterstützungsprogramm auf, das jeder Kreditgenossenschaft im Osten eine im Westen an die Seite stellte, und ermunterte seine Mitgliedsbanken in Form von Patenschaft en selbstverantwortlich aktiv zu werden. Die Leitung des Genossenschaft sverbandes Niedersachsen beobachtete die Entwicklung sehr genau und ging behutsam vor. Im Juni 1990 beschloss der Verbandsausschuss, dass der Genossenschaftsverband Niedersachsen „für eine Ausdehnung nach Osten offen sein solle, dabei aber die dort bestehenden Strukturen – insbesondere Verbandsgründungen – und Verbände respektieren solle“. Solidarität mit hohem persönlichen Einsatz Für ostdeutsche Genossenschafter war die Herausforderung umfassend, zumal sie sich nicht nur auf westliche Bedingungen und Arbeits- und Organisationsweisen bei ihrer genossenschaft lichen Betätigung einstellen mussten, sondern sich ihr Leben insgesamt radikal veränderte. Sie fanden den Respekt ihrer westdeutschen Kollegen durch ein beherztes und, soweit es die Bedingungen erlaubten, eigenständiges Annehmen der Herausforderungen. Als „außerordentlich verantwortungsbewusst und fleißig“ habe er ostdeutsche Genossenschafter erlebt, betonte Gerhard Ewerbeck später. Der für Werbung und Marketing zuständige Mitarbeiter des Genossenschaftsverbandes Niedersachsen baute nach der politischen Wende in Sachsen-Anhalt und später auch in Brandenburg die Gemeinschaftswerbung der Volksbanken Raiffeisenbanken auf Kreisund Landesebene in den Medien auf unter der Generalaussage: „Wir machen den Weg frei“. Ewerbeck verschaffte sich damals früh und über viele Jahre hinweg durch zahlreiche Reisen in die neuen Bundesländer eigene Eindrücke von der dortigen Entwicklung. Der Hannoveraner Verband blickte anfangs aufgrund der politischen Vorgaben und Einlassungen skeptisch auf die ihm unbekannten Formen der Agrar- und der Produktionsgenossenschaften, wenngleich seine Solidarität, Betreuung und Vertretung sie prinzipiell einschloss. Der Aufwand für die Prüfung einer Agrargenossenschaft erschien anfangs überhaupt nicht kalkulierbar. Es fehle den Agrargenossenschaften nur an einer Lobby, nicht aber an Perspektive, so argumentierten sachsen-anhaltinische Genossenschafter bei ihren Auftritten in den Verbandsgremien. Dank ihres Einsatzes und der ökonomischen Stabilisierung der Betriebe bereicherten bald Agrargenossenschaften und einige Produktionsgenossenschaften den Verband. „Man musste am Anfang zuhören 47 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N Impressionen nach dem Mauerfall. können, um die Menschen und ihre spezifische Situation dort zu verstehen und um Vertrauen aufzubauen“, räumte Verbandsdirektor Manfred Schlüter im Rückblick freimütig den eigenen Lernprozess ein. Mitarbeiter aller Ebenen des Hannoveraner Verbandes engagierten sich in großer Zahl auch vor Ort, um ihr Know-how zur Verfügung zu stellen. Allein etwa 50 Prüfer waren bereits 1990 im Auftrag des Genossenschaftsverbandes Niedersachsen in Sachsen-Anhalt unterwegs. Besonders die 11 Bezirksprüfer nahmen spezielle Beratungs- und Betreuungsaufgaben wahr. Die Verbandszentrale hatte die Bezirke eingerichtet und mit Prüfern besetzt, die Prüfungsschlusssitzungen und Generalversammlungen besuchten sowie bei Investitionen und sonstigen Fragen als standortnahe Ansprechpartner zur Verfügung standen. Die Prüfer schulterten ein Gros der Aufbauhilfe des Verbandes. Später stellte der Genossenschaftsverband Niedersachsen wegen des anhaltenden Bedarfs vier flexible Teams zusammen, um eine intensive Betreuung der Kreditgenossenschaften in Sachsen-Anhalt sicherzustellen. Mancher Verbandsvertreter beeindruckte nachhaltig mit ganz pragmatischer Hilfe. Verbandsdirektor Wilfried Bungenstock etwa packte einfach als Mitbringsel für eine Konferenz im Osten ein Fotokopiergerät ein, das dort dringend gebraucht wurde. Im Sommer 1990 arbeiteten zusätzlich etwa 60 Studentinnen und Studenten, alle ehemalige Auszubildende von niedersächsischen Kreditgenossenschaften, bei Partnern in Sachsen-Anhalt mit. „Unser Verband stellte sie an und bezahlte sie. Später erstatteten uns die ostdeutschen Banken die Auslagen wieder, sofern ihre Situation es zuließ“, erläuterte der zuständige Abteilungsleiter Manfred Klingenberg später den Anteil des Genossenschaftsverbandes Niedersachsen an der Initiative. Ein zeitgenössischer Erfahrungsbericht von Silke Jordan aus Sarstedt, die in der BHG Jeber-Bergfrieden bei Dessau eingesetzt war, um westdeutsche Bankgeschäfte einführen zu helfen, veranschaulicht die damalige Situation: „Da sowohl der Brief- als auch der Telefonverkehr mit der ehemaligen DDR sehr erschwert waren, war meine Ankunft vorher nicht bekannt. Entsprechend groß war die Überraschung und Freude der ungeahnten Hilfe aus dem „Wilden Westen“ (Zitat der dortigen Mitarbeiterinnen). Mein Tätigkeitsfeld begann damit, bereits eingetroffene An- und Rundschreiben westdeutscher Kreditinstitute zu lesen, deren Inhalt weiterzuvermitteln, zu sortieren und abzulegen. Außerdem mussten Büromaterial Aus den Verbandsmagazinen. 48 netzwerk 12/09 2010 Genossenschaftsverband Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland/Sachsen/Thüring 2004 Genossenschaftsverband Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland/Thüringen, d Pf F 2002 2000 Genossenschaftsverband Hessen/Rheinland-Pfalz/Thüringen, Frankfurt am Main 1992 1990 Genossenschaftsverband Hessen/Rheinland-Pfalz (Raiffeisen/Schulze-Delitzsch), Frankfurt am Main 1980 1980 Verband südwestdeutscher Volksbanken und Warengenossenschaften, Frankfurt am Main Raiffeisenverband Rhein-Main Frankfurt am Main 1970 1970 1970 1960 1950 Ländlicher Genossenschaftsverband Rhein-Main-Neckar, Frankfurt am Main Genossenschaftsverband Hessen-Mittelrhein (Schulze-Delitzsch), Wi b d Wiesbaden 1940 1934 Ländlicher Genossenschaftsverband – Raiffeisen, Frankfurt am Main 1933 1930 1930 1920 Verband der pfälzischen Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften, Neustadt a.d.W. 1910 1900 Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften am Mittelrhein, Wiesbaden Verband der Vorschuß- und Kreditvereine der Provinz Oberhessen, Gießen Verband der hessischen landwirtschaftlichen Konsumvereine, Mainz Verband der Starkenburger VorschußV h ß und d Kreditvereine, Darmstadt Anwaltschaft ländlicher Genossenschaften f Raiffeisen´scher Organisation in Nassau, Wiesbaden Verband der nassauischen landwirtschaftlichen Konsumvereine, Limburg 1888 1888 1890 1880 1873 1870 1869 1867 1860 1862 1863 Entwicklung zum Genos Genossenschaftsverband e.V Frankfurt am Main 30. Juni 2008 gen, Frankfurt am Main Frankfurt am Main Genossenschaftsverband Kurhessen-Thüringen, Kassel Genossenschaftsverband Ni Hannover 1991 Saarländischer Genossenschaftsverband, Saarbrücken n, 1973 Raiffeisenverband Kurhessen, Kassel Niedersächsischer Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch), Schulze-Delitzsch) Hannover Verband der pfälzischen landwirtschaftlichen Genossenschaften – Raiffeisen, Ludwigshafen g 1949 1949 1946 Kurhessischer Verband ländlicher Genossenschaften – Raiffeisen, Kassel Niedersächsischer Genossenschaftsverband, Hannover 1930 1933 11920 920 20 Verband der pfälzischen landwirtschaftlichen Konsumvereine, Neustadt aa.d.W. dW Verband der Darlehenskassenvereine und d sonstiger ti lä ländlidli cher Genossenschaften Raiffeisen´scher Organisation, Wachenheim HessenCasselscher Verband, Kassel Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften des Regierungs RegierungsBezirkes Kassel und angrenzender Gebiete, Kassel Verband hannov Genossenscha Verband hannoverscher gewerblicher Genossenschaften, Osnabrück 1897 Niedersächsischer Verband band der der e E Erwerbsrwe werbs bs u und nd Wirtschaftsgenossenschaften Hannover, Hannover 1891 1891 Revisionsverb. d. land Provinz Hannover un 1882 1882 1882 ssenschaftsverband e.V. V.* Genossenschaftsverband Norddeutschland, Hannover 2002 Genossenschaftsverband h f b d Berlin-Hannover, l Hannover 1993/1994 Genossenschaftsverb. Berlin-Brandenburg (Schulze-Delitzsch/Raiffeisen), Berlin 1991 Raiffeisenverband Sachsen-Anhalt, Halle Raiffeisen-Genossenschaftsverband Sachsen-Anhalt/Magdeburg, Magdeburg 1990 1990 edersachsen, Berliner Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch), Berlin Raiffeisenverband Hannover, Hannover 1961 Die auf dem Gebiet der DDR wieder errichteten regionalen Raiffeisen-Prüf wurden bis 1951 in die Vereinigung der gegenseitigen Bauerhilfe – Bäuerlichen Handelsgenoss Die regionalen Verbände der ehemaligen gewerblichen Genossenschaftsinstitute wurden in einem 1949 Verband ländlicher Genossenschaften H Hannover-Braunschweig, B h i Hannover Brandenburgischer Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch), Berlin 1938 Revisionsverband gewerblicher Genossenschaften zu Berlin Berlin, Berlin 1931 1931 verscher landwirtschaftlicher aften eingetragener Verein, Hannover Verband der Raiffeisengenossenschaften Braunschweig, Braunschweig 1891 dwirthschaftl. Genossenschaften i. d. d dem Hamburger Gebiet, Hannover ca. 1890 1889 * Bei den Vorläuferverbänden wird auf den Zusatz ee.V. V verzichtet Deren Namensnennungen sind nicht alle verzeichnet. Auch in Ostdeutschland gründeten sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts za ländliche Regionalverbände. 1938 existierten folgende regionale Prüfungsverbände, de oder teilweise auf dem Gebiet der späteren DDR lag: fünf gewerbliche Verbände, zwei davo je einer war in Halle an der Saale, Rudolfstadt und Stettin ansässig; zudem gab es sechs R Stettin, Rostock, Berlin, Halle an der Saale, Erfurt und Dresden 2010 2000 Norddeutscher Genossenschaftsverband (Raiffeisen – Schulze-Delitzsch), Kiel 1992 Raiffeisenverband Mecklenburg-Vorpommern, R Rostock o s to c k 1990 ungsverbände senschaften (VdgB-BHG) integriert. m zentralen Prüfungsverband vereinigt. N Norddeutscher o ddeutscher G Genossenschaftsverband enos ossse e n s c h a f t s ve r b a n d Schleswig-Holstein und Hamburg (Raiffeisen – Schulze-Delitzsch), Kiel 1990 1988 1980 Raiffeisenverband Schleswig-Holstein g und Hamburg, g Kiel 1970 Nordwestdeutscher Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch), H Hamburg 1960 1957 Verband der Schleswig-Holsteinischen Genossenschaften – Raiffeisen, Kiel 1950 1949 Von 1933 bis 1945 war das Genossenschaftswesen in 1940 das zentral gelenkte nationalsozialistische Wirtschaftssystem eingegliedert. 1939 Genossenschaftsverband von Nordwest-Deutschland, Elmshorn 1928 Verband der Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftlichen Genossenschaften, Kiel 1920 Verband der gewerblichen Genossenschaften in der Provinz SchleswigHolstein,, Kiel ahlreiche gewerbliche und eren Geschäftsbereich ganz on hatten ihren Sitz in Dresden, aiffeisen-Verbände mit Sitz in n. 1902 1895 Verband der landwirtschaftlichen Konsumvereine V des Schleswig-Holsteinischen landwirtschaftlichen Generalvereins, Kiel 1930 Verband der Vorschuß- und Creditvereine von NordwestDeutschland, Altona 1910 1900 1890 1884 1880 1870 1866 1860 netzwerk 01/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN wie Locher, Ordner, Stifte usw. westdeutscher Qualität und erste Formulare bestellt werden; Zeitpunkt des Eintreffens: vier Wochen später!“ Praktisch sei es darum gegangen, so Jordan, eine „Bank zu gründen“. Also habe sie geduldig Grundzüge und Details der Verwaltung und der Bankgeschäfte erklärt. „Hier lag eine der Hauptschwierigkeiten: Da es in der ehemaligen DDR bisher nur die ‚Anlageform‘ des Sparbuchs mit einheitlichem Zins gab, bestand nie die Notwendigkeit einer Beratung. Jetzt bei Einführung des Sparbriefs, Festgeldes, Bonussparens und des Sparbuchs mit vereinbarter Kündigungsfrist sahen sich die Mitarbeiterinnen (es gab nur Mitarbeiterinnen, da der Beruf bisher weder besonders gut angesehen noch gut bezahlt war) der Bank gezwungen, Beratungen vorzunehmen, was sie anfänglich mit Scheu ablehnten. Daher habe ich an zwei Wochenenden ab 6.30 Uhr eine Produktschulung abgehalten, bei der ich alle Anlageformen mit ihren jeweiligen Einzelund Besonderheiten vorstellte, schrift lich formuliert austeilte, die Vorteile extra hervorhob und durch Rollenspiele das Bank- und Beratungsgeschäft näherzubringen versuchte.“ Wochenende um Wochenende machten sich die Mitarbeiterinnen mit westdeutscher Buchungstechnik, der neuen EDV-Anlage, die erst hatte beschafft werden müssen, und vor allem mit dem ungewohnten ökonomischen Wettbewerb vertraut. Das Werben um Kunden war ihnen völlig neu. Zeitweilig unterstützt vom Innenrevisor einer niedersächsischen Partnerbank sah Jordan am Ende ihres Aufenthaltes bereits viele Fortschritte. Doch selbst „mit sehr hohem Kraft- und Willensaufwand der Bürger“, so ihr sachliches netzwerk 12/09 Fazit, sei eine Annäherung der Systeme „nur innerhalb eines mehrjährigen Zeitraumes zu erreichen“. Umfassende Hilfe zur Selbsthilfe und erste Kooperationen Die Herausforderung, ostdeutsche Betriebe in Genossenschaften westdeutscher Couleur umzuwandeln oder solche neu zu gründen, stellte sich von Branche zu Branche sehr unterschiedlich dar. Molkereigenossenschaften litten besonders unter Altschulden. Bei vielen Grundstücken war die Eigentumsfrage ungeklärt. Rechtsexperten des Genossenschaftsverbandes Niedersachsen übernahmen die Verhandlungen mit der Treuhand, damit sich die ostdeutschen Genossenschafter auf das ökonomische Überleben konzentrieren konnten. Die landwirtschaft lichen Warengenossenschaften erfuhren früh eine harte und oft übermächtige Konkurrenz durch westdeutsche Baumarktketten. Genossenschaft liche Betätigung fand hier oft eine alternative, dem westdeutschen Trend entsprechende Form: Die RHG Hannover schuf bis Ende 1991 selbst 36 Betriebsstätten in Ostdeutschland, um die landwirtschaftlichen Betriebe mit moderner Landtechnik und hochwertigen Betriebsmitteln zu versorgen sowie ihnen als leistungsstarker Vermarktungspartner für Getreide, Kartoffeln und Ölfrüchte zur Verfügung zu stehen. Darüber hinaus boten sie diverse Artikel des ländlichen Bedarfs wie Baustoffe, Haus- und Gartenartikel an. Dies war eine generelle Entwicklung in Ostdeutschland. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, entstanden oder hielten sich dort keine Ortsgenossenschaften im Warenbereich. Der Genossenschaftsverband Niedersachsen erkannte bald, dass der immense Nachbildungsbedarf im Osten nur durch systematische Schulung zu bewältigen war. Er erweiterte die GenoAkademie in Isernhagen und fand 1991 in der ehemaligen Ingenieurschule Neugattersleben ein geeignetes Objekt zur gezielten Ausbildung in Sachsen-Anhalt. Die Investitionskosten betrugen etwa sechs Mio. DM, doch der Aufwand lohnte. Die „Akademie für Führungspraxis und Persönlichkeitsbildung Neugattersleben“ avancierte zu einem viel beachteten Symbol für den erfolgreichen genossenschaft lichen „Aufbau Ost“. Knapp 2.500 Teilnehmer nahmen dort bereits im ersten halben Jahr an 92 Schulungen teil, Tendenz steigend (siehe auch Kapitel 4.3 „Vom Bildungsanbieter zum Personalentwickler“). Um den besonders in Banken anfangs drückenden Mangel an qualifiziertem Personal entgegenzuwirken, ermunterte der Genossenschaftsverband Niedersachsen Interessierte zur dauerhaften Mitarbeit. Heft Nr. 4/1990 seiner Verbandszeitschrift „Mitteilungen“ titelte: „Aufruf an alle, die Mut und Freude am Aufbau genossenschaftlicher Banken haben“. Im Innern konkretisierte ein Stellenangebot für Bankleiter, Führungskräfte und Fachpersonal in Sachsen-Anhalt den Aufruf. Wie die anderen westdeutschen Regionalverbände, die in den neuen Bundes- 49 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N Die Ausstellung der VR Banken mit den besten Malarbeiten des Jugend-Wettbewerbs in der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland im Kloster Jerichow. ländern aktiv waren, empfahl der Genossenschaftsverband Niedersachsen den Genossenschaften, die Leitung möglichst in einheimischer Hand zu belassen und einen sachkundigen westdeutschen Kollegen als Stellvertreter hinzuziehen. Denn das Verwurzeltsein in der Region und die persönliche Kenntnis der Bewohner waren kaum ersetzbare Vorteile im ökonomischen Wettbewerb. Noch im Oktober 1990 kam es zu Kooperationsverträgen mit den Raiffeisenverbänden in Halle und Magdeburg mit dem Ziel späterer Fusionen, die dann bis Anfang 1994 vollzogen wurden. Im Herbst 1990 erhielt der Genossenschaftsverband Niedersachsen das Prüfungsrecht für Sachsen-Anhalt. Der Verband erweiterte per Satzungsänderung seine Gremien und Organe, um Vertreter dortiger Genossenschaften aufnehmen zu können. Sie sollten ihre Interessen im Verband künftig selbstverantwortlich vertreten. In Magdeburg und Halle richtete der Hannoveraner Verband zeitweilig Dependancen ein. Um – mit Blick auf ostdeutsche Genossenschaften – seine nun generelle Offenheit über Niedersachsen hinaus zu dokumentieren, änderte der Genossenschaftsverband Niedersachsen zum 1. Januar 1991 seinen Namen in Genossenschaftsverband Hannover e.V. (GVH). Später organisierte er zwecks zielgenauer Unterstützung spezielle Arbeitsgruppen „Sachsen-Anhalt“ in seinen Fachvereinigungen. Bis zu diesem Zeitpunkt schlossen sich dem Genossenschaftsverband in Hannover 70 Kreditgenossenschaften ohne Waren- 50 geschäft, 53 Raiffeisen-Warengenossenschaften und 1 gewerbliche Warengenossenschaft aus Ostdeutschland direkt an. Die Entwicklung der dortigen Mitgliedsgenossenschaften verlief in den folgenden Jahren sehr dynamisch, neue kamen hinzu, bestehende gaben auf oder schlossen sich zu leistungsfähigeren Einheiten zusammen. Bis 1993 sank die Gesamtzahl sachsen-anhaltinischer Kreditgenossenschaften im Verband auf 48, obwohl sich zwischenzeitlich weitere angeschlossen hatten. 2000 sollten es noch 21 sein. Aufgaben des 1990 neu gegründeten und ein Jahr später bereits wieder aufgelösten Brandenburgischen Raiffeisen-Verbandes (BRV) e.V., Potsdam, in Form einer Einzelrechtsnachfolge übernahm. Der ehemalige Direktor des Brandenburger Verbandes Uwe Schöne wurde auch Direktor des Berliner Verbandes, der 1991 zum Genossenschaftsverband Berlin-Brandenburg (Schulze-Delitzsch/ Raiffeisen) e.V., Berlin, umfirmierte. Dieser bat Anfang 1992 bei den westdeutschen Nachbarverbänden um Unterstützung. Der Berliner Verband hatte es vor der Grenzöff nung im Wesentlichen nur mit den drei großen Kreditgenossenschaften der Stadt zu tun gehabt. Das größte Institut Volksbank Berlin war zudem von der Deutschen Genossenschaftsrevision geprüft worden. Um Brandenburg angemessen zu betreuen, mangelte es dem Verband an Infrastruktur und Kapazitäten. Auf Wunsch des Berliner Verbandes und der Bundesverbände stimmte der Verbandsausschuss des GVH zu, dass Verbandsdirektor Schlüter zum Vorstandsmitglied in Berlin gewählt wurde. Insbesondere aufgrund der teilweise kritischen Situation der Kreditgenos- Die Solidaritätsaktionen des GVH zielten stets vorrangig darauf, die Genossenschaften ökonomisch auf eigene, zukunftsfähige Beine zu stellen. Entsprechend professionell wurde geprüft. Stolz verkündete Verbandsdirektor Bungenstock im Herbst 1992 dem eigenen Verbandsausschuss: „Im Zusammenhang mit der Darstellung des Standes des Prüfungswesens bei den Kreditgenossenschaften in Sachsen-Anhalt hat der zuständige Abteilungsleiter von sich aus ungefragt erklärt, dass nach dem Eindruck des Bundesaufsichtsamtes von allen bei ostdeutschen Kreditgenossenschaften tätigen westlichen und östlichen Prüfungsverbänden der Genossenschaftsverband Hannover mit Abstand und überragend den besten Eindruck hinterlasse.“ Erfolgreiche Nothilfe in Berlin und Brandenburg Eine besondere Entwicklung nahm der Berliner Genossenschaftsverband (SchulzeDelitzsch) e.V., Berlin, der die wirtschaft lichen netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN durch die wachsende Zahl an Arbeitslosen zu neuerlichen Bewährungsproben. Diese und die sich weltweit öff nenden Märkte waren nun grundsätzlich eine gesamtdeutsche Herausforderung. Wie im Westen erwiesen sich auch in Ostdeutschland Zusammenschlüsse zu leistungsstärkeren Einheiten als ein probates Mittel, im Wettbewerb zu bestehen. Fünf Jahre später erzielten stabile 267 Agrargenossenschaften gute wirtschaftliche Erträge. 4.1.2 Von der LPG zur Agrargenossenschaft: Unterstützung aus Kiel Kahnfährgenossenschaft Lübbenau und Umgebung eG im Spreewald. senschaften in Brandenburg wurde dann rasch klar, dass grundsätzliche Lösungen gefunden werden mussten. Mit den genossenschaft lichen Spitzenverbänden und Zentralinstitutionen wurde über flankierende Maßnahmen beraten, zumal die Unterstützung der Genossenschaften in Sachsen-Anhalt den Hannoveranern bereits einiges abverlangt hatte und längst nicht beendet war. Der erneute Kraftakt wurde überlegt vorbereitet. Bis Anfang 1994 vollzogen beide Verbände die Fusion zum Genossenschaftsverband BerlinHannover e.V. (GVBH). Hauptsitz war Hannover, der neue Verband blieb aber mit einer Niederlassung in der Hauptstadt präsent. Mit den Erfahrungen aus Sachsen-Anhalt und erneut außerordentlich großem persönlichen Einsatz gelang es auch hier mit gutem Erfolg, Probleme aufzuarbeiten, beim Aufbau von ökonomisch gesunden Genossenschaften zu helfen und eine leistungsstarke Verbandsstruktur zu etablieren. Wieder machten sich rund 50 Prüfer auf den weiten Weg. Die Gesamtprüfungsleistung des GVBH erhöhte sich 1994 gegenüber dem Vorjahr von rund 26.000 auf 36.000 Tage. Auch die Beratungsabteilungen waren dauerhaft im Einsatz. Später mussten der GVBH und die genossenschaft liche Organisation zusätzlich noch Berliner Kreditgenossenschaften unter die Arme greifen, als diese in eine ökonomische Schieflage gerieten. „Es netzwerk 12/09 wurde damals viel Geld investiert, auch die größte Einzelüberweisung in meiner Verbandstätigkeit fiel in diese Zeit“, erinnerte der Hannoveraner Abteilungsleiter Manfred Klingenberg mit Blick auf die hohen Sanierungskosten. Übergang in eine gesamtdeutsche Realität Auf dem Verbandstag 1995 zog Manfred Schlüter ein Resümee: „Für den Verband hat es wohl keine Zeit vor 1989/90 gegeben, in der Veränderungen, aber auch Arbeitsbelastungen in einem solchen Ausmaß zu verkraften waren. Einsatzbereitschaft und Flexibilität hatten in den letzten fünf Jahren Priorität. Jetzt kommt es zu einer Normalisierung der Arbeitsbedingungen, wenngleich sich Anforderungen erheblich von früher und in einzelnen Bereichen unterscheiden. Die Probleme und Prüfungsrückstände sind im Wesentlichen abgearbeitet. Die Verschmelzungen waren keine Zusammenschlüsse herkömmlicher Art. Sie erforderten und erfordern noch heute umfassende und intensive Unterstützung sowie Aufbau- und Grundlagenarbeit.“ Vertrauen in engagierte Menschen Sie galten als rasch zu entsorgende Relikte eines gescheiterten Sozialismus. Dabei hatten die 3.850 Landwirtschaft lichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und ihre über 800.000 Mitglieder in der DDR 1990 mit jenen Genossenschaften der Gründungsgeneration in den 1950er- und 1960er-Jahren nur noch wenig gemein. Einige der LPG waren sogar, gemessen an DDR-Verhältnissen, gut organisierte, florierende Unternehmen geworden. Ihnen wurde nun aber allesamt ökonomisch und rechtlich der Boden entzogen: Mit der Währungsreform 1990 und der Integration in den europäischen Binnenmarkt brach der Absatzmarkt im Osten weg. Die letzte DDR-Regierung schrieb per Gesetz die Umwandlung in eine westliche Rechtsform bis Ende 1991 vor. Andernfalls drohte die Auflösung. Die Frist wurde später verlängert. Die Mehrheit der Betriebe, die nicht aufgaben, wollte die kollektive Organisation bewahren und suchte dafür eine geeignete neue Rechtsform. Hans Uhn, Geschäftsführer der mecklenburgischen Agrargenossenschaft Schulenburg Ende 1995 gehörten dem GVBH 307 Agrargenossenschaften an, die mehrheitlich einen deutlichen Trend zur Konsolidierung aufwiesen. In den folgenden Jahren kam es 51 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N eG, blickte anlässlich einer DRV-Tagung über die „Zukunftschancen der Agrargenossenschaften“ 1995 auf die Entscheidungssituation zurück: „Wir standen 1990 vor der Frage, wie die Landwirtschaft sich im Osten weiterentwickeln soll. Wer die Katastrophe auf den Dörfern nicht miterlebt hat, der kann sich heute nur schwer vorstellen, wie es wirklich ausgesehen hat. Wir saßen zusammen und haben beratschlagt. Wir haben Berater gehabt, die oft mals nur kamen, um ihr Geld zu verdienen und dann wieder zu verschwinden. Auf diese Art und Weise wurden reihenweise Betriebe liquidiert. Aber unser Betrieb hat dann eine Umwandlung der LPG in die Agrargenossenschaft Schulenberg vollzogen, aus einem großen Solidaritätsgefühl heraus. Wir hatten zueinander Vertrauen, zum Aufsichtsrat und zum Vorstand.“ Außenstehende, vor allem Politiker, gaben dem Experiment kaum Überlebenschancen. Allerdings weniger aus nüchternen ökonomischen Erwägungen, sondern vielmehr weil sie der aus ideologischen Motiven heraus entstandenen Organisationsform LPG misstrauten und landwirtschaft liche Betriebe für sie in „Familienhand“ gehörten. Der heutige Geschäft sführer der Schweriner Dependance des Genossenschaft sverbandes e.V. Hartmut Wallstabe kannte 1990 als ehemaliger Prüfer der LPG ihre prinzipiellen Stärken und Schwächen bestens und war mit den Betrieben in MecklenburgVorpommern vertraut. Er sah, dass dort viele Menschen arbeiteten, die ihr landwirtschaft liches Metier verstanden, und fuhr nach der Grenzöff nung nach Westen, um sich über geeignete neue Rechtsformen für die Großbetriebe zu informieren. Auf Empfehlung dortiger Gesprächspartner klopfte er beim Norddeutschen Genossenschaftsverband e.V. (NGV) in Kiel an, dessen Mitarbeiter ihm sofort Unterstützung anboten. Präsident und Landwirt Sönke Paulsen, Verbandsdirektor Dietrich Hill und andere Repräsentanten des NGV nahmen an vielen lokalen Veranstaltungen in Mecklenburg-Vorpommern teil und warben für den Genossenschaftsgedanken. Geschäft sführer Uhn würdigte 1995 den Anteil des Verbandes, die Schulenburger Agrargenossenschaft auf wirtschaft lich 52 gesunde Füße zu stellen: „Gemeinsam mit dem Norddeutschen Genossenschaftsverband konnte das Konzept umgesetzt werden.“ 280 regionale LPG wandelten sich in eine Agrargenossenschaft nach dem deutschen Genossenschaftsgesetz um. Insgesamt entschieden sich bis Ende 1991 in den neuen Bundesländern knapp 1.500 Betriebe für diese Rechtsform, womit sie die Mehrheit unter den LPG-Nachfolgeunternehmen stellten. Die Umwandlung erfolgte in mehreren Schritten, die auch in DDR-Zeiten getrennte Produktionseinheiten zusammenführte: Zuerst schlossen sich mehrere LPG Tierproduktion zusammen, dann fusionierten sie mit einer Abteilung Pflanzenproduktion im Ort zu einer neuen LPG. Diese wandelte sich dann in eine Agrargenossenschaft um. Als Primärgenossenschaft unterscheidet sich eine Agrargenossenschaft von anderen landwirtschaft lichen Genossenschaften, die besonders im Handel oder in der Verarbeitung agrarischer Erzeugnisse tätig sind. Sie besitzt einen produktivgenossenschaft lichen Charakter, d. h. Beschäft igte sind auch Mitglieder der Genossenschaft . Der NGV erarbeitete eine neue Mustersatzung für die Agrargenossenschaften, von denen sich einzelne direkt dem Kieler Verband anschlossen. Der NGV hatte 1991 das Prüfungsrecht in Mecklenburg-Vorpommern erhalten. Ein zentrales Startproblem sei es gewesen, so Wallstabe, ausreichend Finanzmittel für notwendige Investitionen zu erhalten. Den Beteiligten war klar, dass sie nur mit modernster Technik und aktuellen Produktionsverfahren wettbewerbsfähig sein würden. Die DG Bank half, aber die wichtigste Unterstützung kam vom Kieler Verband. Wallstabe führte ihre Repräsentanten durch die Betriebe und erläuterte die ökonomischen Pläne. Das überzeugte: Der NGV stellte sich entschlossen hinter das Vorhaben und half bei der Kreditvermittlung. Dauerhafte persönliche Verbindungen entstanden. „Wir genossen in Kiel viel Vertrauen bei unseren ersten Kalkulationen“, erinnert sich Wallstabe noch heute dankbar an den Beginn des gemeinsamen Engagements. Friseurhandwerk „Neue Linie“ eG in Grabow. Umschulung in die ökonomische Selbstständigkeit Unter Federführung von Günther Bloch, der bis dato Prüfungsdienstleiter der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe – Bäuerliche Handelsgenossenschaften (VdgB-BHG) für den Bezirk Rostock gewesen war, gründete sich im Juni 1990 der Raiffeisenverband Mecklenburg-Vorpommern e.V., Rostock. Vertreter des NGV waren bei der Gründung dabei, man hatte zuvor schon gute Kontakte geknüpft . Als gelernter „Raiffeisen-Mann“ mit langer genossenschaft licher Familientradition kannte Bloch die Organisationsprinzipien noch sehr gut und betrachtete die Verbandsgründung auch als Wiederaufnahme einer Tradition, die in Mecklenburg und (Vor-)Pommern bis in die 1880er-Jahre zurückreichten. Die Durchsetzung des Förderungsauft rages, die Zeichnung von Geschäftsanteilen, die Haft ungsregelung, die innere Verfassung und die Pfl ichtmitgliedschaft in einem Prüfungsverband hatten in der DDR so nicht existiert und mussten beim Wiederaufbau des Genossenschaft swesens berücksichtigt werden. Innerhalb kurzer Zeit entstanden unter Mithilfe des neuen Raiffeisenverbandes neue Genossenschaften. Das vorrangige Anliegen des Raiffeisenverbandes bestand darin, den Aufbau neuer Raiffeisenbanken in Mecklenburg-Vorpommern zu organisieren und deren Arbeitsaufgaben zu netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN Zehn Thesen des NGV 1994 Zur Wettbewerbsfähigkeit der Agrargenossenschaften. 1 Die Agrargenossenschaften haben in den letzten vier Jahren einen schwierigen und komplizierten Strukturwandel und Anpassungsprozess gemeistert. 2 Die Agrargenossenschaften haben von der Größenstruktur her gute Chancen im Wettbewerb mit den bäuerlichen Familienbetrieben – ganz gleich, was man darunter versteht und wie man sie definiert. 3 Die Agrargenossenschaften müssen im Rahmen der Agrarpolitik mit anderen Betriebsformen gleich behandelt werden – das gilt für die Förderung jeder Art und für die Stabilität bei den Pachtflächen, um zwei wichtige Punkte zu nennen. 4 Die Erfolgschancen sind zurzeit größer im Marktfruchtbau als in der Veredlungswirtschaft. Der NGV sieht daher Handlungsbedarf. Die Agrarpreisgestaltung muss ausgewogener gehandhabt werden, damit künft ig für Veredlungsbetriebe die realen Aussichten am Markt wieder zunehmen. 5 Durch gezielte Investitionen müssen weitere Voraussetzungen für die Verbesserung der Produktivität geschaffen werden. Das schließt einen weiteren Personalabbau ein. Es geht darum, zusätzliche Arbeitsplätze in der gewerblichen Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern zu schaffen, um die Abwanderung von netzwerk 12/09 Arbeitskräften aus der Landwirtschaft zu erleichtern. 6 Eine Reihe offener Fragen müssen auch in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft gelöst werden. Stichworte sind Mitgliedermotivierung, Vergütung der Vorstände, Fragen der Haftung und Ausbildung von Führungskräften. Der NGV ist bereit, mit anderen Institutionen gemeinsam an der Ausbildung von Führungskräften mitzuwirken. Die im Oktober 1994 eröff nete Akademie Norddeutscher Genossenschaften in Klein Plasten bei Waren/Müritz bietet Räumlichkeiten für Speziallehrgänge an. 7 Seitens der Banken sollten sich Kreditzusagen nicht allein auf Sicherheiten, sondern vielmehr auf die unternehmerischen Konzepte der Agrargenossenschaften stützen. 8 Bei den Agrargenossenschaften besteht im Verbandsgebiet kein Bedarf für eine Umwandlung in andere Rechtsformen. Der wirtschaft liche Erfolg der Betriebe hängt von anderen Faktoren als der Rechtsform ab. 9 Die Agrargenossenschaften benötigen ständig eine konstruktive Beratung und Interessenvertretung. Das sind grundlegende Anliegen der Tätigkeit des NGV. In diesem Sinne hat das Präsidium des Deutschen Raiffeisenver- bandes ein Leitbild verabschiedet, das deutlich unterstreicht: Die Agrargenossenschaften sind ein wesentlicher Faktor der sozialen Marktwirtschaft und der Agrarstruktur in den neuen Bundesländern. 10 In den neuen Bundesländern ist im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung in den vergangenen Jahren bereits ein erhebliches Investitionsvolumen getätigt worden. Trotzdem besteht noch ein Nachholbedarf für moderne Erfassungs-, Produktions- und Vermarktungsanlagen. Im Ganzen kommt es darauf an, dass die dort produzierten landwirtschaftlichen Erzeugnisse auch vor Ort verarbeitet werden und die Erzeuger von einer möglichst hohen Wertschöpfung durch angemessene Auszahlungspreise profitieren. Aus dem Vortrag von D. Hill: „Wettbewerbsfähigkeit der Agrargenossenschaften in Mecklenburg-Vorpommern unter den Bedingungen der Agrarpreisreform der Europäischen Union“, Vortragstagung der Agrar- und Umweltwissenschaft lichen Fakultät, der Thünen-Gesellschaft und der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Agrarfakultät anlässlich des 575-jährigen Bestehens der Universität Rostock am 11. November 1994 in Rostock. Quelle: Vier Jahre Agrargenossenschaften – Bilanz und Perspektiven. Schriftenreihe NGV Kiel, Nr. 49, 1994 53 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N Agrargenossenschaft Cobbelsdorf eG. unterstützen. Die Bankabteilungen der damaligen Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG) bildeten die Basis dafür. Verstärkt wurde sie durch die Übernahme und somit durch die Übertragung der Bankgeschäfte der bisherigen staatlichen Kreisfi lialen der Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft (BLN). Gleichzeitig erfolgte die Übernahme der Mehrheit der Mitarbeiter der BLN. Auf dieser Grundlage fand in MecklenburgVorpommern ein zügiger, flächendeckender und erfolgreicher Start der Raiffeisenbanken statt. Die weitere Aufmerksamkeit des Verbandes galt der Entwicklung und teilweisen Umstrukturierung von Genossenschaften in den Bereichen Handel, Molkerei, Fischerei und, wie ausgeführt, im Agrarbereich. Ferner fanden unter Mithilfe des Verbandes zahlreiche Neugründungen von gewerblichen Genossenschaften aus den unterschiedlichsten Gewerken statt. 54 Wie andernorts auch, verlief deren Entwicklung angesichts unterschiedlicher Marktbedingungen differenziert. Im Warenhandelsbereich überlebten nur die Dependancen der westdeutschen RHG. Die Fischereigenossenschaften dagegen entwickelten sich rasch zu wettbewerbsfähigen Unternehmen. 2002 arbeiteten 19 in Mecklenburg-Vorpommern Rapsfeld in Norddeutschland. netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN – zum Vergleich: In Schleswig-Holstein existierten zu diesem Zeitpunkt 10 Fischereigenossenschaften. Die nach den Neugründungen entstandenen Genossenschaften aus allen Bereichen schlossen sich – mit Ausnahme der Volksbanken – dem Raiffeisenverband Mecklenburg-Vorpommern an und gehörten nach dessen Fusion mit dem Kieler Verband 1992 dem NGV als Mitglied an. Dem Raiffeisenverband Rostock schlossen sich ab 1990 zudem die Mehrheit der Agrargenossenschaft en und ein etwa 120 Mitarbeiter umfassender Stab an Prüfern um Hartmut Wallstabe in Schwerin an. Letztere entstammten dem Prüfungsdienst der BLN aus den drei mecklenburgischen DDR-Bezirken. Dessen Personal, so unter anderem die Empfehlung der genossenschaft lichen Spitzenverbände in Bonn, sollte möglichst von den neuen Regionalverbänden integriert werden, um den eigenen Personalbedarf zu decken und deren Erfahrung mit örtlichen Gegebenheiten nutzbar zu machen. Für den Rostocker Verband war dies eine große Herausforderung, zumal das ökonomische Risiko hoch und rasch absehbar war, dass in Zukunft längst nicht so viele Mitarbeiter gebraucht werden würden, wie der BLN-Prüfungsdienst gehabt hatte. Genossenschafter Bloch griff auf den genossenschaft lichen Grundge- danken „Hilfe zur Selbsthilfe“ zurück: „Wir übernahmen das Personal unter der Prämisse, dass die Leute ihr Gehalt auf Dauer selbst erwirtschaften.“ Der NGV stellte dem Rostocker Raiffeisenverband seine Mustersatzung für Agrargenossenschaften zur Verfügung und das Team um Wallstabe wurde mit Kieler Hilfe intensiv geschult. Der NGV räumte der Nachschulung generell von Beginn an hohe Priorität ein und baute ein bedarfsgerechtes Ausbildungssystem auf, das die Gründung einer neuen regionalen Bildungsstätte in Klein Plasten einschloss (siehe das Kapitel „Vom Bildungsanbieter zum Personalentwickler“). Das Schweriner Prüfungsteam stellte sich der Aufgabe engagiert und realitätsbezogen, wie Wallstabe später erläuterte: „Wir verfolgten von Anfang an den Plan, uns selbst ernähren zu können. Zunächst hatten wir fast zwei Jahre jedes Wochenende Ausbildung. Wir dachten: Entweder tun wir etwas oder wir gehen unter. Dabei wussten wir, dass von unseren zirka 120 Leuten – fast alles Frauen – nur etwa 40 im Verband gebraucht werden würden. Wir sprachen den Personalabbau früh und offen an. Aber fast alle blieben bei der Stange. Die nicht Übernommenen hatten später als gut Ausgebildete gute Arbeitschancen.“ In der Folge entstand eine den jeweiligen Kompetenzen entsprechende Arbeitsteilung, die durch einen Kooperationsvertrag abgesichert wurde: Die Schweriner Geschäft sstelle betreute die Agrargenossenschaften, Kiel die Kreditgenossenschaft en – die neu gegründeten elf Volksbanken schlossen sich ohnehin 1990 direkt dem NGV an – und Rostock die Handelsgenossenschaften. Die Agrargenossenschaften wurden eine einmalige Erfolgsgeschichte, die selbst die Berater überraschte. Ihnen gelang mehrheitlich der schwierige Personalabbau und eine enorme Produktivitätssteigerung. Hatte 1991/92 eine Agrargenossenschaft im Durchschnitt 62 Mitglieder, waren es zehn Jahre später 28. Der Betriebsertrag je Arbeitskraft verdoppelte sich im gleichen Zeitraum fast von 117.000 auf rund 200.000 DM. netzwerk 12/09 Fusion auf gleicher Augenhöhe „Unser Ziel war, nicht mit fl iegenden Fahnen überzulaufen, sondern auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln.“ Aber ihnen sei, so Bloch, im Rostocker Verband rasch klar gewesen, dass es in Anbetracht der neuen ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen keine sinnvolle Alternative zur Fusion mit einem westdeutschen Prüfungsverband geben würde. Die Kieler hätten durch ihre vertrauensvolle, konsensorientierte Zusammenarbeit überzeugt. Als erster der neu gegründeten Raiffeisenverbände in den neuen Bundesländern schloss sich Rostock 1992 einem westdeutschen Regionalverband, dem NGV, an. Die Rostocker bekamen Sitz und Stimme in den Gremien des Kieler Verbandes. Dieser betrieb Büros in Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. Die Genossenschaften des bisherigen Rostocker Verbandes, darunter 274 Agrargenossenschaften, gehörten nun dem NGV an. Sie bewirtschafteten knapp 30 Prozent der landwirtschaft lichen Nutzfläche in Mecklenburg-Vorpommern. Ab 1994 stand der NGV quantitativ auf zwei gleich starken Beinen: 400 Mitgliedsgenossenschaften zählte er im Westen, ebenso viele im Osten, darunter knapp 60 aus Brandenburg. Mit der ökonomischen Stabilisierung der Genossenschaften und der Etablierung der Verbandsarbeit im Osten veränderte der NGV seine Strukturen. Das Büro in Neubrandenburg wurde mit dem Ausscheiden der dortigen Mitarbeiter als erstes geschlossen. Als Günther Bloch 1998 in den Ruhestand ging, war dies Anlass für eine weitere Konzentration. Die Rostocker Aufgaben wurden nach Schwerin übergeben, das nun die alleinige Geschäftsstelle für Mecklenburg-Vorpommern war. 55 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N Vollständige Integration in den Verband Ab Mitte der 1990er-Jahre trieb der NGV die Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen im Verbandsgebiet voran. Der heutige stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Genossenschaftsverbandes e.V. und damalige Kieler Verbandsdirektor Michael Bockelmann fand folgende Situation vor: „Als ich 1995 zum Verband kam, hatten wir eine Geschäftsstelle in Schwerin, die wie eine große Wohnung war. Man saß an einfachen Schreibtischen, umgeben von Mobiliar aus älteren Tagen. Es war alles ordentlich, hatte aber keinen westlichen Standard. Die Arbeitsbedingungen waren schwierig für die Kollegen vor Ort.“ In der Folge zog die Schweriner Geschäft sstelle in ein neues, zeitgemäßes Büro um. Der Verband organisierte sich umfassend neu, indem er künft ig vom Hauptsitz in Kiel aus alle Kreditgenossenschaften betreute und alle anderen Genossenschaften in die Hände der Schweriner gab. Die dortige Geschäftsstelle wurde entsprechend zu einer weitgehend autonom agierenden, leistungsstarken Einheit ausgebaut. Seine Hamburger Geschäftsstelle löste der NGV 1995 auf. Zudem glich der Kieler Verband die Löhne seiner Mitarbeiter in Ost und West an. Die ostdeutschen Kollegen wurden in die genossenschaft liche Pensionskasse aufgenommen. Dafür erwartete der Verband, dass künft ig alle Angestellten unabhängig von ihrem Einsatzgebiet vergleichbare Leistungen erbrachten. Diese Maßnahmen, so Wallstabe rückblickend, hätten maßgeblich dazu beigetragen, als Mitarbeiter aus dem Osten im NGV heimisch zu werden. Politische Lobbyarbeit durch Kiel Agrargenossenschaften erschienen der Verbandsleitung damals recht bald auch aus einem übergreifenden Trend zukunft sfähig: Im Westen war ein Streben hin zu größeren Einheiten in der Landwirtschaft seit geraumer Zeit unverkennbar und die Agrargenossenschaften boten dort Tätigen eine sehr gute Chance, moderne Lebensführung mit Agrarwirtschaft zu vereinbaren. 56 Nachwuchsproblemen à la „Bauer sucht Frau“ kann in arbeitsteiligen Kollektivbetrieben weitaus wirkungsvoller durch regelmäßige Arbeitszeiten, Freizeitausgleich und Ähnlichem entgegengewirkt werden. Der Kieler NGV wurde zu einem überregional engagierten Fürsprecher der neuen Genossenschaften. Im neu eingerichteten Fachausschuss Agrargenossenschaften des DRV wirkten zwei hochrangige Repräsentanten aus Kiel mit. 1994 publizierte der NGV zehn viel beachtete Thesen „Zur Wettbewerbsfähigkeit der Agrargenossenschaften“, die deren Zukunftschancen betonten. Unter dem Slogan „Agrargenossenschaften sind Mehrfamilienbetriebe“ wurde auch deren Akzeptanz in politischen Gremien und durch den Deutschen Bauernverband erreicht. Dies war eine wichtige Voraussetzung, um die gleichen Förderchancen im Rahmen von landes-, bundes- und europäischen Programmen eingeräumt zu bekommen wie andere landwirtschaft liche Betriebe. Agrargenossenschaften sind heute trotz der erheblichen Reduzierung des Personalbestandes oft noch der größte Arbeitgeber im Dorf und eine unverzichtbare Stütze in den strukturschwachen ostdeutschen Flächenstaaten. Gemeinsam mit den Kreditgenossenschaften sind sie bedeutende Sponsoren von Feuerwehr, Sportclubs und kulturellen Einrichtungen in der Region. 4.1.3 Herstellen der Wettbewerbsfähigkeit: Know-how aus Frankfurt Start mit professioneller Konzeption Nach dem Fall der Mauer berieten Vertreter der Genossenschaftsverbände aus Bayern, Baden, Württemberg, Kassel und Frankfurt auf einer Konferenz in Nürnberg, ob eine eigenständige Verbandslösung für Ostdeutschland gefunden werden sollte oder ein Anschluss an westdeutsche Prüfungsverbände der bessere Weg sei. Sie wurden sich nicht einig. Die drei süddeutschen Verbände bevorzugten eine separate Verbandslösung, dagegen erachtete besonders der Frankfurter Verband dies als nicht sinnvoll. In den jeweils zugewiesenen Betreuungsgebieten im Osten kam es zu unterschiedlichen Vorgehensweisen. In Sachsen entstand der erwähnte eigenständige Mitteldeutsche Genossenschaftsverband. In Thüringen gründete sich 1990 in Erfurt ein Raiffeisenverband, der sich aber bald wieder auflöste. Dort kümmerte sich der Kasseler Verband erfolgreich um die Genossenschaften, die in die Fußstapfen der Raiffeisen-Bewegung traten, und firmierte 1991 zum Genossenschaftsverband Kurhessen-Thüringen e.V., Kassel, um. Als sich abzeichnete, dass der neue thüringische Raiffeisenverband, den sie zunächst unterstützen wollten, nicht auf die Beine kommen würde, eröff neten die Kurhessen in Erfurt ein Büro mit eigenen, gut ausgebildeten Mitarbeitern und stellten mehrere lokale Teams zusammen, die die neuen Genossenschaften betreuten. Der Frankfurter Verband unterstützte vorwiegend die gewerblichen Genossenschaften in Thüringen, wobei sich die beabsichtigte Aufgabenteilung mit den Kasseler Kollegen entlang der genossenschaftlichen Traditionslinien in der Praxis als nicht durchgängig möglich und sinnvoll erwies. So unterhielten auch die Frankfurter von Beginn an enge Kontakte mit dem dort neu gegründeten Raiffeisenverband und außerdem direkt zu in Raiffeisenbanken umgewandelten Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG). Vorrangiges Ziel der Frankfurter wie Kasseler Verbandsleitung war es, den neuen Genossenschaften im Osten möglichst rasch bestmögliche Marktchancen zu eröffnen, um ihnen dauerhaft ein Überleben sichern zu helfen. Das könne nur funktionieren, wenn sie dort ein System unterstützten, das sie selbst beherrschten. Bloßer Finanztransfer mit ein wenig Know-how-Vermittlung mache angesichts der Größe der Herausforderung keinen Sinn. Der Kasseler Verband übertrug sein bewährtes System der Unterverbände auf Thüringen, indem er dort zwei solcher Einheiten einrichtete. In Thüringen setzte auch der Frankfurter Verband seine Vorstellungen konsequent um. „Alle bisherigen Anstrengungen werden netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN verpuffen, werden umsonst sein“, so begründete Verbandsdirektor Klaus Lambert auf der Mitgliederversammlung in Mainz im Mai 1990 die Entscheidung, den Thüringer Genossenschaften den direkten Beitritt zum eigenen Verband zu empfehlen, „wenn nicht professionell, bundesweit koordiniert und konzeptionell vorgegangen wird.“ Wie die anderen direkt am „Aufbau Ost“ beteiligten Genossenschaft sverbände organisierte der Frankfurter Verband Patenschaften zwischen seinen Mitgliedsbanken und Thüringer Volksbanken zur Beratung in genossenschaft lichen und betriebswirtschaft lichen Fragen. Zudem richtete er in Erfurt ein Büro ein, das mit Prüfer- und Beraterteams besetzt wurde, und übertrug das bewährte Key-Account-System, das einen Verbandsvertreter zum „Schlüsselverantwortlichen“ für das Wohl und Wehe der von ihm in der Region betreuten Genossenschaften bestimmte, auf Thüringen. Von der Zahlstelle zur Universalbank Das bis Anfang 1990 etablierte DDR-Bankensystem war monolithisch strukturiert und einstufig aufgebaut. Unter den Banken herrschte kein Wettbewerb, die einzelnen wirtschaft lichen Zuständigkeitsbereiche waren streng aufgeteilt. Im landwirtschaftlichen Sektor wurden Kredite durch die Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirt- schaft (BLN) vergeben, während die BHG neben dem Warengeschäft lediglich für die Annahme der Spareinlagen der ländlichen Bevölkerung verantwortlich zeichneten. Im Bereich des Handwerks übernahmen die Genossenschaftskassen für Handwerk und Gewerbe den Zahlungsverkehr, das Sparund das Kreditgeschäft . Postsparkassen, Postscheckämter und die als genossenschaftliches Institut verfasste Reichsbahnkasse mit ihren acht Filialen rundeten das Bild ab. Es gab somit 1990 Reste formaler Ähnlichkeit mit den Gliederungen des westdeutschen Bankenwesens. Dies waren Ansatzpunkte für eine Restrukturierung einer gesamtdeutschen Finanzwirtschaft nach westlichem Muster. Das Staatsbankgesetz vom 1. April 1990 schuf eine zentrale Grundlage für ostdeutsche Banken, wieder eine eigenständige Geschäftspolitik frei von staatlichen Plänen verfolgen zu können. Der Vertrag über die Schaff ung einer Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion vom 1. Juli 1990 führte die DM und somit eine frei konvertierbare Währung ein. Damit war die Diskussion um die Erhaltung der DDR als eigenständigem Wirtschaftsraum beendet. Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 regelte alle weiteren im staatlichen Einigungsprozess anfallenden institutionellen und rechtlichen Fragen. Die DG Bank übernahm die Funktion einer Zentralbank für ostdeutsche Kreditgenossenschaften. Viele Genossenschaftskassen wandelten sich in Volksbanken um, für die der BVR – wie auch für die sich neu gründenden Raiffeisenbanken – Mustersatzungen bereithielt. 20 Volksbanken mit 51 Filialen aus den ehemaligen DDR-Bezirken Erfurt und Suhl schlossen sich bis Ende 1990 dem Genossenschaftsverband Frankfurt an. Eines ihrer zentralen Geschäftsziele sollte der Aufbau und die Förderung der mittelständischen Wirtschaft in Thüringen sein. In Kooperation mit dem BVR, genossenschaftlichen Verbundinstituten und den Partnerbanken entwickelte der Genossenschaftsverband Frankfurt die neuen Kreditgenossenschaften deshalb innerhalb kürzester Zeit zu Universalbanken. Auch in Thüringen war – für den Kasseler wie den Frankfurter Verband – der Aufwand an Schulungen an wechselnden und festen Standorten (siehe auch das Kapitel „Vom Bildungsanbieter zum Personalentwickler“) sowie der persönliche und materielle Einsatz immens. Zahlreiche haupt- und nebenamtliche Dozenten sorgten im Auft rag der Verbände für eine differenzierte und zielgerichtete Nachbildung. Ferner musste die Renovierung eines Volksbankgebäudes in Ostdeutschland zu Beginn der 1990er-Jahre. netzwerk 12/09 57 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N notwendige Erstausstattung mit elektronischen Schreib- und Rechengeräten, PCs, Buchungsausrüstungen, Mobiliar, Werbematerial bis hin zur Gebäuderenovierung geleistet werden. Freie Wochenenden gab es in den ersten beiden Jahren für die Beteiligten kaum. Konsequente Hilfe zur Selbsthilfe Besonders die Bankleiterinnen – es überwogen Frauen – in Thüringen waren gefordert, sich quasi über Nacht die einschlägigen gesetzlichen Regelungen (BGB, HGB und GenG) und die Grundlagen und Feinheiten des westdeutschen Bankwesens anzueignen. Zu ihrer Unterstützung warb auch der Genossenschaftsverband Frankfurt westdeutsche Fachleute an, die vor Ort in den Genossenschaften die umfassende Einarbeitung des ostdeutschen Führungspersonals in ihre neuen Aufgaben aktiv begleiteten. Dabei habe der Verband, so Lambert, folgende Prinzipien verfolgt: „Wir haben eines erkannt: Der Vorstandsvorsitzende muss jemand von dort sein. Der zweite Vorstand Ostdeutschland 1990. 58 konnte dann ruhig aus dem Westen kommen. Wir machten das aber mit Befristung, weil wir eine Ortsbank mit Ortsleuten sein wollten, bei der nicht ständig der Filialleiter wechselt. Die stabile personelle Beziehung ist eines unserer Erfolgsrezepte.“ Der Raiffeisenverband Kurhessen verfolgte eine ähnliche Politik und übernahm ebenfalls geeignete Mitarbeiter aus Thüringen. Bis 1991 spiegelte sich die Qualifi zierung und Einwerbung von Fachkräften in einem mitunter starken Personalaufbau der ostdeutschen Kreditgenossenschaften wider. Danach stagnierte der Bestand. Der Wettbewerb war von Beginn an hart und die genossenschaftlichen Kreditinstitute mussten mit schwierigen Ausgangsbedingungen zurechtkommen. Als Nachwirkung der Arbeitsteilung im sozialistischen Kreditwesen waren 1992 noch 60,3 Prozent aller Gelder, die im Privatkundengeschäft angelegt wurden, bei den ostdeutschen Sparkassen. Die Genossenschaftsbanken in den neuen Bundesländern weiteten hier immerhin ihren Marktanteil von 1990 bis 1993 von 12 auf 17 Prozent aus. Umso bemerkenswerter ist es, dass heute die Genossenschaftsbanken in Thüringen im Ländervergleich hinsichtlich ihres Marktanteils bereits vor einigen Bundesländern im Westen rangieren. Abbau von innergenossenschaftlichem Wettbewerb Das Engagement des Frankfurter Verbandes ab 1990 wirkte nicht nur auf thüringische Kreditgenossenschaften attraktiv. Auch viele in Schulze-Delitzsch-Tradition gegründeten Genossenschaften sowie rund 60 Agrargenossenschaften traten ihm direkt bei. Bei Letzteren waren es ebenso viele, die sich damals dem Kasseler Genossenschaftsverband anschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings noch nicht abzusehen, welche Entwicklung sie nehmen und vor welche Herausforderungen sie die Prüfungsverbände in Zukunft stellen würden. Dies schien gerade für den bis dato so stabilen, aber vergleichsweise kleinen kurhessischen Verband ein schwer kalkulierbares Risiko, wie auch die Verbandsführung damals erkannte. Hinzu kam die Entwicklung im gesamten Genossenschaftswesen hin zu größeren Einheiten. Aus den genossenschaft lichen Kreditinstituten verstärkte sich der Druck, die im Primärbereich längst eingeleitete Überwindung des Nebeneinanders von Schulze-Delitzsch- und Raiffeisenbewegung endlich auch auf Verbandsebene zu vollziehen. Die Banken bildeten eine wichtige Gruppe im kurhessischen Verband, nicht zuletzt, da sie 1991 mit über zwei Dritteln der Verbandsbeiträge und 80 Prozent der Prüfungsgebühren einen wesentlichen Einnahmeposten stellten. „Das Nebeneinander zweier genossenschaftlicher Verbandsorganisationen in demselben Arbeitsgebiet (Kurhessen, Thüringen) ist trotz des bestehenden und mehrfach erfolgreich praktizierten Kooperationsvertrages und trotz punktueller Zusammenarbeit in den Bereichen Marketing und Werbung zwangsläufig nicht frei von Rivalität. Das passt nicht in eine Zeit, in der unser Umfeld und seine Veränderungen zwingend ein engeres Zusammenrücken, Abbau von innergenossenschaft lichem Wettbewerb, Vermeidung von internen Reibungsverlusten und mehr Gemeinsamkeit und Einheit verlangen, wenn wir uns im Wettbewerb auf den Märkten der Zukunft behaupten netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN wollen.“ Mit diesem Resümee leitete Verbandsanwalt Hans Heinrich Gessner sein ausführlich begründetes, unter anderem auf den Unterverbandstagen im März 1992 gehaltenes Plädoyer für eine Fusion der Genossenschaftsverbände Frankfurt und Kassel ein. Die Mehrheit der Mitglieder auf dem Verbandstag im Mai folgte Gessners Argumenten und stimmte zu. Auch in Frankfurt wurde grünes Licht gegeben. Mit den Zusicherungen, den geplanten Neubau des Bildungszentrums in Baunatal rasch zu realisieren und wieder Mitgliederversammlungen statt Vertreterversammlungen einzuführen, kamen die Repräsentanten des Frankfurter Verbandes den Wünschen ihrer kurhessischen Kollegen entgegen. So verschmolzen 1992 beide Verbände zum Genossenschaftsverband Hessen/RheinlandPfalz/Thüringen e.V., Frankfurt am Main, was die genossenschaft lichen Kräfte von Rheinland-Pfalz bis Thüringen endgültig bündelte. Heranführen an Europa Der Frankfurter Genossenschaftsverband nahm früh eine integrative politische Lobbyarbeit für die Thüringer Genossenschaften wahr. Das Erfurter Verbandsbüro war untergebracht in den Räumen des dortigen Informationsbüros des Landes Hessen. Zu einigen westdeutschen Politikern, die in Thüringen aktiv wurden, bestanden gute Kontakte. Am Wirtschaftstag 1992, den der Frankfurter Verband in Erfurt ausrichtete, nahm unter anderem der ehemalige rheinland-pfälzische und neue thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel teil. Programm zur Förderung der Unternehmenskontakte zwischen Ost und West einschlossen. Im April 1991 unterzeichneten der Frankfurter Genossenschaftsverband und die französische genossenschaft liche Bankengruppe Crédit Mutuel nach dem Vorbild des Saarländischen Genossenschaftsverbandes eine Vereinbarung zur zukünftigen Zusammenarbeit beider Bankengruppen. Mit dieser Vereinbarung wollten beide Gruppen frühzeitig den veränderten politischen und wirtschaft lichen Rahmenbedingungen im Zuge der Öffnung der Märkte in Ost und West und der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes Rechnung tragen. Die thüringischen Genossenschaftsbanken wurden in diesen „Mosaikstein auf dem Weg in einen europäischen Finanzverbund“ (Lambert) bewusst sofort einbezogen. Der Vertrag zielte darauf, europäische Genossenschaftsbanken als typische Ortsbanken für den Binnenmarkt zu rüsten. Gegenseitiger Erfahrungs- und Mitarbeiteraustausch gehörten zu diesem beispielhaften Tritt über nationale Grenzen. Im grenznahen Bereich trugen die regelmäßigen Konsultationen zur Vermeidung von deutsch-französischem Wettbewerb unter Genossenschaftsinstitutionen bei. Vom Osten lernen Solche Veranstaltungen fungierten stets als Brücke zwischen Ost und West. Engagierte Genossenschaften trugen dazu bei. Sofort nach der Entscheidung für die Ausrichtung des Wirtschaftstages in Erfurt meldete sich eine rheinland-pfälzische Winzergenossenschaft, die dann dort zur modernen und atmosphärisch gelungenen Präsentation des Genossenschaftswesens beitrug. Mit einer zentralen Kommunikationsstrategie für Volksbanken in Thüringen flankierte der Frankfurter Genossenschaftsverband seine Hilfsaktivitäten. Dabei griff er auch auf den erfolgreichen bundesweiten BVR-Slogan „Wir machen den Weg frei“ zurück. Doch den zuständigen Mitarbeitern in Frankfurt war bewusst, dass dieses Versprechen im Alltag seine Gültigkeit beweisen muss, soll es nicht als werbliche Phrase verkümmern. „Ein solches Versprechen erfordert beispielsweise besonders kompetente Mitarbeiter, die die Probleme ihrer Kunden aus dem Weg räumen“, schrieb Peter Baumann im Verbandsjournal „Genossenschafts-Kurier“ (Nr. 2/1991). Die Jahrespressekonferenzen des Frankfurter Verbandes standen in dieser Zeit wiederholt im Zeichen der ostdeutschen Aktivitäten. Dort präsentierte der Verband seine Aktivitäten und Konzepte, die ein spezielles „Im Osten war die Begeisterung für den Förderaspekt groß. Sie waren ganz nah am Kunden“, lobte Klaus Lambert später eine Stärke der neuen Mitglieder. Ein entscheidender Faktor für den erfolgreichen genossen- netzwerk 12/09 schaft lichen Neustart war die Bereitschaft der dortigen Genossenschafter, sich auf den Wandel inklusive der für sie neuen Wettbewerbssituation intensiv einzulassen. Ab Mitte der 1990er-Jahre erfasste der allgemeine Konzentrationsprozess im Kreditgewerbe auch die ostdeutschen Genossenschaftsbanken. Viele verschmolzen zu größeren Einheiten. Von den 337 genossenschaft lichen Kreditinstituten, die sich dort 1990 gründeten, gab es 2003 noch 100. Angesichts von schrumpfenden Märkten war es gewiss kein einfaches Unterfangen, in den ostdeutschen Bundesländern erfolgreich eine Bank zu betreiben. Ihr durchschnittlicher Marktanteil ist im Vergleich mit jenen der westdeutschen Bundesländer geringer, ihre Ertragslage angespannter, ihre Effizienz- und Kostenprobleme sowie ihre Personalbestände höher. Doch der begrenzte Blick auf die Durchschnittswerte verdeckt den auf vorbildliche regionale und lokale Erfolge. Erst 2004 schlossen sich die sächsischen Kreditgenossenschaften dem Frankfurter Verband an. Sie waren erneut zu großen Veränderungen bereit. Inzwischen sitzt eine der erfolgreichsten Genossenschaftsbanken des heutigen Genossenschaftsverband e.V. in Sachsen. 4.2 Globalisierung und Informationsgesellschaft: Wegweisungen der Verbände 4.2.1 Sinnvolle Fusionen und Organisationsentwicklung: interne Effizienzsteigerungen Fortdauernde Kräftekonzentration im Genossenschaftswesen Unübersehbar blieb der anhaltende Konzentrationsprozess bei den Primärge- 59 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N Kooperation mit der Humana Milch Union im „Nord-Kontor“. Die 1934 gegründete Butter-Absatz-Zentrale Niedersachsen in Hannover war jahrzehntelang ein führendes niedersächsisches Unternehmen in der Vermarktung von Butter, Schnittkäse, Milch-Trockenprodukten und zeitweilig sogar Eiern und Geflügel. In den 1950er-Jahren erlebte die Zentrale ihren ersten ökonomischen Höhepunkt und feierte 1984 noch stolz das 50. Jubiläum. 2003 übernahm die NORDMILCH eG die Butter-AbsatzZentrale. Getreidefeld mit Raiffeisensilo. nossenschaften und Zentralen. Die Raiffeisen-Landbund eG beispielsweise war 1932 als Landwirtschaft liche Genossenschaft Stadthagen von zehn Personen gegründet worden. Heute ist die eG mit über 1.300 Mitgliedern eine der größten RaiffeisenWarengenossenschaften in Norddeutschland. Zwischen 1967 und 2006 gab es elf Fusionen mit Raiffeisen-Warengenossenschaften. Die Einrichtungen von elf privaten Landhändlern sind zudem übernommen und die Warengeschäft e ebenso wie die von zwei Genossenschaft sbanken integriert worden. Die Genossenschaft führte Diversifi kationen durch und erschloss neue Märkte wie die Biodiesel-Industrie. Das Unternehmen ist inzwischen in sechs Landkreisen inklusive der Region Hannover mit 25 Betriebsstätten und knapp 200 Mitarbeitern präsent. Es erwirtschaft et einen jährlichen Umsatz von etwa 170 Mio. Euro. Ein anderes Beispiel für den geglückten Wandel ist die NORDMILCH eG. Hamburger Kaufleute hatten sie 1947 noch als private GmbH „NORDMILCH – Nordische Dauermilch-Gesellschaft“ in Zeven-Aspe gegründet. Ab 1954 operierte die NORDMILCH eG als Genossenschaft . In den folgenden Jahrzehnten investierte sie 60 konsequent in Technik und Know-how und baute ihre Produktpalette kontinuierlich aus. 1963 startete sie die Frischkäseproduktion mit modernsten Quarkseparatoren. Wenige Jahre später avancierte MILRAM mit neuen Quarksorten zum Markennamen. Butter, Buttermilch, H-Milch, Desserts, Crèmefraîche-Erzeugnisse, Joghurt und viele andere erfolgreich vermarktete Produkte ergänzten das Sortiment bis Anfang der 1990er-Jahre. Nach der Verschmelzung 1999 mit mehreren norddeutschen Molkereien zur neuen NORDMILCH eG stieg diese mit einem Milchaufkommen von 4,4 Mrd. kg und einem Umsatz von 4,7 Mio. DM zu einem der größten Milchverarbeiter Deutschlands auf. In der Region sichert sie bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert als Partner der Landwirtschaft, des Handwerks und des Handels das Ein- und Auskommen vieler Familien. Die Nordmilch hat in den vergangenen Jahren ein umfangreiches Restrukturierungsprogramm aufgelegt und sich als Unternehmen schlanker und schlagkräft iger aufgestellt. Die Neuausrichtung ist besonders in der Straff ung der Produktpalette spürbar. Aktuell vermarktet NORDMILCH in einer Ein weiterer Ausdruck dieser Entwicklung ist die Zusammenführung der jeweiligen Symbole von Raiffeisenbanken (Giebelkreuz) und Volksbanken (V-Zeichen). Ab 1972 wurde es als Doppelzeichen von Banken beider Genossenschaftstraditionen verwendet, seit 2002 dient ihnen ein neues, darauf basierendes Zeichen als verbindendes Symbol. Die immer größer werdenden Kreditgenossenschaften erforderten einen steigenden und zunehmend ausdifferenzierten Prüfungs-, Beratungs- und Betreuungsaufwand. Der Genossenschaft sverband Berlin-Hannover fasste Mitte der 1990erJahre die betriebswirtschaft liche Beratung, Vertriebsunterstützung sowie die Personalberatung für Volksbanken und Raiffeisenbanken in einer Abteilung zusammen. Dies bildete die Grundlage für gemeinsame Beratungstätigkeiten mit der damaligen GRZ Hannover (heute mit Münster fusioniert) und der DG Bank im Betriebswirtschaft lichen Beratungs- und Entwicklungsverbund, Hannover (BBE). BBE hilft seither bei der bankindividuellen Umsetzung geschäft spolitischer Ziele. Der BBE fi ng 1995 an und ist seit 1999 eigenständig als Marktpartner im genossenschaft lichen FinanzVerbund positioniert. Die BBE-Personalberatung unterstützt Genossenschaft sbanken seit einigen Jahren speziell auch bei der Vorstandsbesetzung. Im Rahmen der fusionsbedingten Zusammenführung der bankspezifischen Beratungsaktivitäten beider Alt-Verbände werden die bisherigen Bereiche der BBE und der netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN Verbandstage des Genossenschaftsverbandes Norddeutschland e.V. 2007 und 2008. netzwerk 12/09 61 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N Verband bereits 1995 infolge des Brückenschlags nach Ostdeutschland ein größeres und modernes Verbandsgebäude bezogen hatte. Es folgten weitere strukturelle und organisationspolitische Konsequenzen. Das ostdeutsche Standbein mit der bewährten Dependance in Schwerin wurde durch einen Ausbau des Berliner Sitzes gestärkt. Das erfolgreiche Konzept mit Fachräten der Fachvereinigungen mit seinen inzwischen vier Gliederungen (Kreditgenossenschaften, Raiffeisen-, Waren-, Verwertungsund Dienstleistungsgenossenschaften, Agrargenossenschaft en und Gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften) wurde im neuen Verband fortgeführt. Die Fachräte unterstützten die Arbeit der Fachvereinigungen, unter anderem durch die Förderung von Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern, das Einbeziehen externen Sachverstandes und durch die Bildung von dauerhaften und zeitweiligen Arbeitsausschüssen, die mit einzelnen Aufgaben betraut wurden. Dem Fachrat gehörten Organvertreter der Mitgliedsgenossenschaften der jeweiligen Sparte an. um eine transparente und effiziente Leitung des Verbandes zu sichern. Der Verband vereinigte 2006 die zunächst in Kiel belassene schleswig-holsteinische Geschäftsstelle mit der GenoAkademie zum Kompetenzzentrum Rendsburg, um mittel- und langfristige Synergieeffekte in Form von Kostenentlastung und der Konzentration von Bildung und Beratung an einem Ort zu erzielen. Um die Verbundenheit mit allen Regionen des Verbandsgebietes auszudrücken, hielt der GVN die Verbandstage nun an wechselnden Orten ab. Ende 2007 betreute ein GVN-Team von rund 600 Mitarbeitern in acht norddeutschen Bundesländern etwa 1.200 Genossenschaften, die 55.000 Mitarbeiter (davon allein 3.500 Auszubildende) beschäft igten. Die ländlichen und gewerblichen Genossenschaften erwirtschafteten einen Umsatz von 8 Mrd. Euro. Die flächendeckend an 2.000 Orten in Norddeutschland vertretenen Volksbanken und Raiffeisenbanken wiesen eine Bilanzsumme von rund 66 Mrd. Euro aus. Interne Strukturerweiterungen des Frankfurter Verbandes Die Entwicklung der Genossenschaftssymbole. GenoConsult künftig unter der Marke GenoConsult gebündelt und weitergeführt. Bündelung der norddeutschen Verbandskräfte Der Norddeutsche Genossenschaft sverband Kiel war ein leistungsstarker, aber vergleichsweise kleiner Verband. Ein kostenintensiver Ausbau von eigenen Beratungsleistungen erschien wenig sinnvoll. Denn „die Zeiten, wo man sagen konnte, erhöhen wir mal den Verbandsbeitrag, waren da schon unwiderrufl ich vorbei. Das muss man verkraften können“, erläuterte Verbandsdirektor Michael Bockelmann die Ausgangsüberlegung. Die Sachlage zwang somit zunehmend zu Kooperationen. In Kiel und Hannover entschloss man sich, Nägel mit Köpfen zu machen. Die beiden Genossenschaft sverbände bündelten ihre Kräfte 2002 durch die Fusion zum Genossenschaft sverband Norddeutschland e.V. (GVN). Zentraler Sitz wurde Hannover, wo der bisherige 62 Nach einer Beschlussfassung im Fachrat Kredit war bereits 2000 ein Strategiefonds der norddeutschen Kreditgenossenschaften eG, Hannover, als eine eigenständige, von den Kreditgenossenschaften gesteuerte und kontrollierte Gesellschaft gegründet worden. Seine Errichtung erfolgte in Zusammenhang mit den Strukturveränderungen Ende der 1990er-Jahre im Bereich der Management- und Personalentwicklung der Kreditgenossenschaften. Der Strategiefonds unterstützt seither Projekte ideell und materiell. Erstes initiiertes und fi nanziertes Fondsprojekt war das vom BVR empfohlene Programm „geno forum“ zur Weiterentwicklung von Managementfähigkeiten. 2004 brachte der Strategiefonds Projekte wie „Benchmarking und Balanced Scorecard“, „Geschäftsstelle und Onlinekanal als Partner im Multikanalvertrieb“ und „Outsourcing in Genossenschaft sbanken als strategische Option“ auf den Weg. Ende 2004 beschloss der Verbandsrat den Corporate Governance Kodex für den GVN, Bereits 1989 hatte der Frankfurter Genossenschaftsverband wegweisende Strukturveränderungen vorgenommen. Er gründete eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die Tochtergesellschaft „Geno Consult GmbH – Genossenschaft liche Unternehmensberatung für die mittelständische Wirtschaft“. In der Folgezeit entstanden mehrere solcher Tochterunternehmen, die dynamisch weiterentwickelt wurden. Sie gehörten zu den fortlaufenden Innovationen, die Mitarbeitern neue, zukunftsweisende Betätigungsfelder eröff neten. Damit gelang es dem Verband auch, eventuelle betriebsbedingte Entlassungen in der Folge von – besonders nach Fusionen – notwendigen Umstrukturierungen zu vermeiden. Eng mit dem Verband und seinem Erfahrungspotenzial verbunden, stellten sich die eigenständigen Tochtergesellschaften dem harten Wettbewerb unter den zahlreichen Beratungsunternehmen am Markt. 2007 bot ein Netzwerk aus sieben Tochterunternehmen spezielles Know-how für nahezu sämtliche Aufgabenfelder an. Die auch für Dritte offene Leistungspalette wird netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN inzwischen von vielen mittelständischen Unternehmen und weit über das Verbandsgebiet hinaus genutzt. Ab 1991 zeugte ein als Jahrbuch herausgegebener Geschäft sbericht von der kontinuierlichen Fortentwicklung des Unternehmens „Genossenschaftsverband“. 1999 schloss der Frankfurter Genossenschaftsverband mit seinen Pendants in München, Stuttgart und Karlsruhe einen Kooperationsvertrag, um kosten- bzw. fachspezifische Synergien zu erzielen. Ein Jahr später entwickelten die Frankfurter für die Mitgliederförderung neue, spezifische Dienstleistungsangebote, die sich an den veränderten Aufgaben orientierten. Fusion mit dem vorbildlichen Saarländischen Genossenschaftsverband Als der Frankfurter 2002 mit dem Saarländischen Genossenschaftsverband e.V., Saarbrücken, zum Genossenschaftsverband Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland/Thüringen e.V., Frankfurt am Main, verschmolz, kamen erstmals in der Region Partner zusammen, die bereits zuvor Schulze-Delitzsch- und Raiffeisen-Tradition erfolgreich zusammengeführt hatten. Dabei war der kleine Saarbrücker dem großen Frankfurter Verband um mehrere Jahrzehnte vorausgegangen. Und nicht nur ihm, denn der Saarländische Genossenschaft sverband hatte bei seiner Gründung 1946 von Beginn an und als erster deutscher Genossenschaft sverband überhaupt Genossenschaften aller Traditionen unter einem Verbandsdach vereinigt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erkannte darin bereits damals einen Modellcharakter, den sie zur Nachahmung empfahl, da diese Zusammenführung der inneren Stärkung des Genossenschafswesens diene. Geschuldet war das frühe vorbildliche Vorgehen vor allem der wechselhaften und komplizierten politischen Entwicklung des historisch relativ jungen Staatsgebildes „Saarland“ sowie den Erfahrungen der Genossenschafter mit – so die rückblickende Begründung führender genossenschaft licher Repräsentanten von 1952 – der „Engräumigkeit des Landes“, netzwerk 12/09 seiner „Bevölkerungsdichte und -schichtung, seiner besonderen wirtschaft lichen Struktur“ und der darauf basierenden Einsicht der Gründer des Regionalverbandes zur Bündelung der genossenschaftlichen Kräfte. Als politische Einheit wurde das Saarland in der Folge des Ersten Weltkriegs erstmals 1920 aus vormals preußischen und bayerischen Gebieten gebildet, wobei heutige und damalige Grenzen voneinander abweichen. Bis 1935 stand das autonome Saargebiet unter Verwaltung des Völkerbundes und gehörte zum französischen Wirtschaft sgebiet. Nach einer Volksabstimmung erfolgte 1935 der Anschluss an das nationalsozialistische Deutsche Reich. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte das Saarland zunächst zur französischen Besatzungszone, erhielt 1947 eine eigene Verfassung, blieb aber unter politischer und wirtschaft licher Vorherrschaft Frankreichs. Frankreich setzte die saarländische Regierung ein, der französische Franc wurde offi zielles Zahlungsmittel. In einer Volksabstimmung 1955 sprach sich die Bevölkerung gegen das (zweite) Saarstatut aus, das eine Europäisierung des Saarlandes vorsah. Das Ergebnis werteten die Beteiligten als Wunsch der Saarländer, sich der Bundesrepublik Deutschland anzuschließen. 1957 wurde das Saarland politisch, zwei Jahre später wirtschaft lich wieder in Deutschland integriert. Nachdem die Gründung des Genossenschaftsverbandes unter Federführung der Vorstände der parallel ins Leben gerufenen Zentralkasse Saarländischer Genossenschaften eGmbH Ernst Terres, Friedrich Lehmann und Peter Prem in zähen Verhandlungen mit der französischen Besatzungsmacht 1946 gelang, baute der Verband Schritt für Schritt seine Organisation aus. 1947 erhielt er das Prüfungsrecht. Ein Jahr später zogen Verband und Warenzentrale in die Saarbrücker Beethovenstraße ein, wo die Landwirtschaftskammer ebenfalls ihren Sitz hatte. Im Unterschied zu den bundesdeutschen Regionalverbänden wurde der Saarländische Genossenschaft sverband auch für die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen zuständig. Nach und nach schuf der Verband fachspezifische Abteilungen für Prüfung, Steuern, Öffentlichkeitsarbeit und später für Marketing. Aber bis zur Fusion mit dem Frankfurter Verband wurden alle wichtigen Entscheidungen des relativ kleinen Verbandes vom Vorstand getroffen, der eine enge Zusammenarbeit mit den Gremien suchte. Um einen guten Überblick über die Entwicklung der Genossenschaften im Verbandsgebiet zu erlangen, hielt die Verbandsleitung auch zu deren Führung enge Kontakte. Bei den Schlusssitzungen der Prüfer in den Genossenschaften war stets ein Vertreter des Verbandes dabei. 1947 gehörten dem Verband 252 Kreditgenossenschaften (darunter 27 Volksbanken und 213 Raiffeisenkassen), 210 Warengenossenschaften, 13 Zentralmolkereien, 151 Milchbelieferungsgenossenschaften, 11 handwerkliche Genossenschaften und 40 weitere Genossenschaften aus sieben verschiedenen Sparten (darunter EDEKA) an. Ab 1956 erschien die Verbandszeitschrift „Genossenschaft liche Mitteilungen“. Die Genossenschaftstage avancierten zum Forum, in dem zentrale politische Zeitfragen wie die Einigung Westeuropas und das deutsch-französische Verhältnis behandelt wurden. Dabei erschien die Verbandstätigkeit bis 1959 wenig spektakulär, war aber durch ein stetiges Vorankommen der Genossenschaften wirtschaft lich und politisch erfolgreich. In der Politik waren der Verband und seine Mitglieder auch durch eine rege Sponsorentätigkeit gern gesehene Partner. Die Wiedereingliederung in das bundesdeutsche Wirtschaftssystem 1959 stellte den Saarländischen Genossenschaft sverband vor vielerlei Herausforderungen. Zunächst musste er seine Mitglieder über bundesdeutsches Recht informieren, vor allem im Blick auf das Steuerrecht. So mussten ländliche Genossenschaften, die an das Pauschalisierungsverfahren bei der Umsatzsteuer gewöhnt waren, zur Einzelversteuerung übergehen. Das überstieg oft die Kräfte 63 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N der damals noch vielen nebenamtlichen Geschäftsführer. Der Verband war hier mit großem Einsatz beratend tätig. Gleichzeitig musste er Einnahmeausfälle kompensieren. Das Prüfungsrecht bundesdeutscher Spitzenverbände wurde auf das Saarland ausgedehnt. Verschiedene umsatzstarke Mitglieder wie EDEKA schieden aus dem Verband aus. Andere wie ASKO (heute dem METRO-Konzern angehörend) erwarben eine außerordentliche Mitgliedschaft. Bis 1969 sank die Gesamtzahl der Mitgliedsgenossenschaften auf 233. Letzteres hing allerdings vor allem mit dem übergreifenden Prozess im Genossenschaftswesen hin zu größeren und leistungsfähigeren Einheiten zusammen. So wuchs die Zahl der Mitglieder der vom Verband betreuten Genossenschaften von 106.422 im Anschlussjahr 1959 auf 150.250 im Jahr 1970. Parallel stieg deren Wirtschaftskraft. Auch an der Saar war dieser Prozess beispielhaft an der Entwicklung der Kreditgenossenschaften zu beobachten: Von 224 im Jahr 1959 war ihre Zahl bereits 1970 auf 69 geschrumpft. 2001, direkt vor der Verbandsfusion, waren es dann 22, heute gibt es dort noch 12. Seit 1959 stieg die Gesamtbilanzsumme der saarländischen Kreditgenossenschaften von damals zusammen rund 287 Mio. DM auf über eine Mrd. DM 1970. 2001 waren es insgesamt fast 15 Mrd. Der Saarländische Genossenschaftsverband förderte Konzentrationsprozesse dort, wo er es für sinnvoll erachtete. Der Wettbewerb unter saarländischen Kreditgenossenschaften wurde in der Folge gemäß dem späteren BVR-Motto „Ein Markt – eine Bank“ vergleichsweise früh verringert und durch Fusion aufgrund von Sanierungsfällen gelöst. 1967 verschmolz die Saarland-Warenzentrale mit ihrem Koblenzer Pendant zur RaiffeisenLandwirtschaft lichen Hauptgenossenschaft Mittelrhein-Saar eG. 1983 fusionierte diese mit der Kölner Warenzentrale zur Raiffeisen Waren-Zentrale eG, eine früh konzentrierte Vorläuferin der heutigen Raiffeisen WarenZentrale Rhein-Main eG. 1985 gab es nur noch einen aktiven genossenschaft lichen Molkereibetrieb im Saarland. Ähnlich rasch kam es zu verbandsübergreifenden Konzentrationen bei der Zentralkasse und der Rechenzentrale. 64 Wirtschaftstage des Alt-Verbandes Frankfurt mit politischer Prominenz: Bundeskanzler Gerhard Schröder (oben) und Finanzminister Hans Eichel (unten). Verbandsübergreifende Kooperationen tätigte der Verband von Beginn an auch im Bildungswesen. Er unterhielt eine Abteilung Bildung, in der sich eine Leiterin unter anderem selbst um unterstufige Aus- und Fortbildung kümmerte. Ein Raum wurde dafür als Schulraum genutzt und fachkundige Referenten bedarfsweise aus universitären Einrichtungen oder unter dem Fachpersonal des Verbandes engagiert. Mehr war angesichts der geringen Auszubil- dendenzahlen ökonomisch nicht sinnvoll. Die weitere Fortbildung erfolgte in Kooperationen mit dem Frankfurter Regionalverband und den Spitzenverbänden. Saarländischer Einfluss in den Bundesverbänden Die historisch einmalige Zusammenführung beider genossenschaft licher Traditionslinien bereits mit Verbandsgründung 1946 erwies netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN sich nach der Reintegration ins westdeutsche System 1959 als Vorteil. Der Saarländische Genossenschaftsverband war, so erinnerte der frühere Vorstand Arnold Bard, „als einziger in allen Gremien der Raiffeisen- und Schulze-Delitzsch-Spitzenverbände und auch des Spitzenverbandes für die Wohnungsbau- genossenschaften gleichzeitig vertreten. Dadurch fiel uns eine vermittelnde Position zu.“ Zum Beispiel war der Wohnungsbaubereich bei Genossenschaften zunächst steuerfrei gewesen. Dieser wurde später steuerpfl ichtig, womit sich die saarländischen Vertreter bereits auskannten und den „anderen sagen konnten, was auf sie zukommt. Wir wussten, wie das ist, wenn man in die Steuerpflicht kommt und umgekehrt. Wir sind vorrangig durch das Einbringen von Sachkenntnis von den anderen Verbänden respektiert worden“, so Bard. Wirtschaftstag des fusionierten Genossenschaftsverbandes e.V. 2009 mit EZB-Chef Jean-Claude Trichet (oben). netzwerk 12/09 65 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N Obgleich die Dimension nicht zu vergleichen war, konnte der saarländische Verband auch im Rahmen der deutsch-deutschen Vereinigung Sachkenntnis einbringen, war das Saarland 1959 doch wie die DDR 1990 auch nach Artikel 23 des Grundgesetzes der Bundesrepublik beigetreten. Die Übernahme der gesetzlichen Regelungen war bei der Eingliederung des Saarlandes im Prinzip ähnlich verlaufen. Der saarländische Verband beteiligte sich seiner Größe entsprechend zudem an den Solidarmaßnahmen der genossenschaft lichen Organisation für Ostdeutschland. In den 1990er-Jahren entstand die Situation, dass der saarländische Verband selbst immer stärker von den genossenschaft lichen Spitzenverbänden und Zentralinstitutionen profitierte. Bard, der 1989 in den Vorstand des Saarländischen Genossenschaftsverbandes gewählt worden war und ab 1991 den alleinigen Vorstand bildete, warb in der Folge intern für eine Fusion mit dem Frankfurter Verband, welche er spätestens jetzt für sinnvoll hielt. Wie erwähnt, wurde die Verschmelzung 2002 realisiert. Die Frankfurter Kollegen erwiesen sich als faire Verhandlungspartner, die auf zentrale saarländische Wünsche eingingen. So blieb etwa die Niederlassung in Saarbrücken mit regionalen Ansprechpartnern bestehen. Wie in der Vergangenheit blieb die Vertretung gegenüber der Landesregierung Saarland in den Händen der Saarbrücker Niederlassung. Bard trat in den Vorstand des neuen gemeinsamen Frankfurter Verbandes ein, wo er bis 2005 aktiv mitwirkte. 2004 schlossen sich, wie erwähnt, die sächsischen Kreditgenossenschaften ebenfalls dem Frankfurter Verband an. Ab da agierte er unter der Firmierung Genossenschaftsverband Frankfurt, Hessen/RheinlandPfalz/Saarland/ Sachsen/Thüringen e.V. (GVF). Ende 2007 zählte er 611 Mitarbeiter (einschließlich der selbstständigen Einrichtungen), ihm gehörten 617 Genossenschaften sowie 8 Verbundinstitute, Rechenzentralen und Zentralgeschäftsanstalten an. Sie hatten etwa 37.000 Mitarbeiter (darunter mehr als 2.000 Auszubildende). Aus Prüfung, Beratung und Qualifizierung erzielte der GVF 78 Mio. Euro Umsatzerlöse. Die addierte Bilanzsumme der dank ihrer 3.000 66 Zweigstellen selbst in strukturschwachen Regionen flächendeckend vertretenen Kreditgenossenschaften betrug 94 Mrd. Euro. Die Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften erwirtschafteten rund 8 Mrd. Euro. Neben dem Verwaltungssitz in Neu-Isenburg unterhielt der GVF Büros in Kassel, Saarbrücken, Erfurt und Nossen. 4.2.2 Lokales Handeln bei globalem Denken: aktiver Beistand im notwendigen „Spagat“ des Mittelstandes Aktuelle Standortbestimmungen für den Mittelstand Aus der Überlegung, mittelständische Privat- und Geschäft skunden zusammenzuführen, entstand die Idee des jährlichen Wirtschaft stages. Die Genossenschaft sverbände wollten ihnen damit das Gefühl geben, nicht nur „Bestandteil“ einer Ortsbank, sondern wie diese in ein großes Verbundsystem eingebettet zu sein. Privatund Geschäft skunden sollten dort auf Aufsichtsräte oder Vorstände anderer Genossenschaft sbanken und auf Vertreter von genossenschaft lichen Verbundinstitutionen zwecks Kontaktaufnahme und Gedankenaustauschs treffen. Die Veranstaltungen wurden und werden bewusst in attraktiver Form organisiert, oft wechseln pointierte Informationen mit Showeinlagen ab. Der Frankfurter Genossenschaft sverband führte zeitweilig regionale Wirtschaftstage in Gießen, Koblenz, Mainz und anderen zentralen Orten des Verbandsgebietes durch. Später konzentrierte er sich wieder auf eine Großveranstaltung in Frankfurt am Main. Sie war besonders attraktiv für hochrangige Politiker, darunter mehrere Bundeskanzler und Ministerpräsidenten. Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Jürgen Rüttgers, Kurt Beck und viele andere zieren inzwischen die Gästeliste. Mitunter erwies sich ein solcher Wirtschaftstag auch als günstige Gelegenheit für den Verband, Kontakte zu vielversprechenden Nachwuchspolitikern zu knüpfen. Roland Koch etwa gehörte lange vor seiner Wahl zum hessischen Ministerpräsidenten zu den Gastrednern. In erster Linie aber waren und sind sie Foren, um mit Mittelstandsvertretern über deren Probleme und Chancen zu diskutieren. Die Themen waren stets ein programmatischer Blick in die Zukunft: 1981 lautete das Motto beispielsweise „Mittelstand und Ausland – Chancen und Risiken“, 1993 „Weil wir uns ändern müssen: Mittelstand im Wandel“, 1998 „Globale Herausforderungen – lokale Standortpolitik“ und 2000 „Qualifiziert für das dritte Jahrtausend: Mittelstand auf dem Sprung in die Wissensgesellschaft“. Die Veranstaltung „Aufbruch nach Europa: Mittelstand im gemeinsamen Markt“ bescherte der Institution „Wirtschaftstag“ 2001 einen besonderen Höhepunkt. Bewusst konfrontierte der veranstaltende Frankfurter Genossenschaftsverband Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den für den Mittelstand zum Teil sehr problematischen Vorschlägen des internationalen Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, die dieser im sogenannten Basel-II-Paket formuliert hatte. Verbandsvertreter kritisierten vor allem das vorgesehene externe Rating, das vielen mittelständischen Unternehmen existenzbedrohende Kosten aufgebürdet hätte. Knapp 3.000 Mittelständler und zahlreiche Journalisten wurden Zeuge, als der Bundeskanzler versprach: „Basel II ist in der jetzigen Form für Deutschland nicht akzeptabel.“ Mit Unterstützung des BVR konnte das externe Rating dann in Verhandlungen mit den zuständigen politischen Instanzen verhindert werden. Im Oktober 2008 bewies der Frankfurter Verband mit „Entscheidung für Deutschland: Mittelständische Werte zwischen Staat und Markt“ erneut ein glückliches Händchen bei der Themenwahl: Der ein Jahr im Voraus geplante Wirtschaftstag fiel mitten in die im Monat zuvor eskalierte globale Finanzkrise. Auch der Wirtschaftstag 2009 fand mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Jean-Claude Trichet und weiteren prominenten Gastrednern wieder eine überaus positive Resonanz. Solche öffentlichkeitswirksamen Foren boten wiederholt Gelegenheit, die Vorteile genossenschaft licher Betätigung und die Seriosität der netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN Wirtschaftspartnerin „Genossenschaft“ zu unterstreichen. Bis zur aktuellen Finanzkrise hatten die Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Rolf E. Breuer und sein Nachfolger Josef Ackermann mehrmals das Drei-Säulen-Modell (Kreditbanken/Privatbanken – Landesbanken/Sparkassen – genossenschaftliche Bankengruppe) des deutschen Bankensystems infrage gestellt. Nun verweisen Genossenschafter auf Wirtschaftstagen und ähnlichen Veranstaltungen auf die Solidität und die Verlässlichkeit genossenschaft licher Kreditinstitute. Ähnlich traditionsreich wie der Frankfurter ist der Wirtschaftstag in Lübeck, den der Presse- und Informationsdienst der Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (PVR) jährlich für mehr als 1.500 VR Banken und deren Kunden ausrichtet. 2007 diskutierten die Teilnehmer dort zum Thema „Klimawandel und Energien“. Das Forum hatte ebenfalls bereits zahlreiche prominente Politiker zu Gast, unter anderem Altbundeskanzler Helmut Schmidt sowie den langjährigen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und den ehemaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs und jetzigen Unternehmer Lothar Späth. Die für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zuständige Marketinggemeinschaft PVR war noch zur Zeit des Kieler Genossenschaftsverbandes entstanden. Ihr Pendant im früheren Verbandsgebiet des Genossenschaftsverbandes Berlin-Hannover ist die 2004 aus der Banken-Werbegemeinschaft hervorgegangene Marketinggemeinschaft für Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (MVR). Die MVR veranstaltet inzwischen in Kooperation mit Partnern wie der 2004 vom Land Niedersachsen gegründeten Investitions- und Förderbank (NBank) eigene regionale Wirtschaft stage. Diese dienen wie die Frankfurter und Lübecker Foren zur aktuellen wirtschaftspolitischen Standortbestimmung der mittelständischen Wirtschaft zwischen Globalisierung und Regionalität. Aktuelle Anreize und Beratungsleistungen Was offenkundig fehlte, war eine attraktive Ideenbörse für den Mittelstand. Als der netzwerk 12/09 Frankfurter Genossenschaftsverband 1994 zum ersten Mal den „Förderpreis Innovativer Mittelstand“ vergab, zielte er auf einen Informationsaustausch zwischen mittelständischen Unternehmen. Der Preis soll seither das Forschungs- und Technologieklima in Deutschland mit Blick auf die abweichende Situation von mittelständischen Betrieben gegenüber Großunternehmen verbessern helfen und Gleichgesinnte zusammenbringen. Bereits 1995 interessierten sich mehr als 1.500 Unternehmen für die Ausschreibung zum Thema „Arbeitsplätze schaffen“, das angesichts in dieser Zeit wieder stark steigender Arbeitslosenzahlen ein besonders akutes Kernproblem in Deutschland war. 111 Bewerber kamen in die engere Wahl. Sie zeichneten sich unter anderem dadurch aus, dass sie ihren Mitarbeiterstand durch innovative Tätigkeit seit 1990 von rund 2.300 auf 5.800, d. h. um etwa 150 Prozent, erhöht hatten. Zu den ersten Preisträgern gehörten ein Soft warehersteller, ein Maschinenbauunternehmen und eine Gesellschaft für Lichtwellentechnik. Sie zeigten unter anderem, dass Investitionen in die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien schon damals äußerst zukunftsträchtig waren. Stiftungen haben Hochkonjunktur. Von 1990 bis 2003 erhöhte sich ihre Zahl bundesweit um gut 40 Prozent auf über 11.000. Seit 2000 werden kleine Stiftungen per Gesetz besonders unterstützt. Um potenzielle Stifter zu informieren, starteten die Volksbanken und Raiffeisenbanken seinerzeit die „Initiative Stift ungen“, die bei Gründungen berät und die neuen Stiftungen anschließend betreut. Im Bereich des Genossenschaftsverbandes Norddeutschland haben sich zwei VR-Stiftungen etabliert. Oft fehlt nicht die Einsicht, sondern das Know-how. Aus dieser Erkenntnis heraus bot der Frankfurter Genossenschaft sverband 2002 erstmals externes Controlling für den Mittelstand als Dienstleistung an. Viele Firmenkunden nutzten seither die Möglichkeit, sich mit Hilfe des Verbandes durch Outsourcing von Controllingleistungen angesichts steigender Anforderungen im Wettbewerb zu entlasten. Aktive Beziehungshilfe mit Blick auf den „kleinen“ Mittelstand demonstrierte 2007 der Genossenschaftsverband Norddeutschland. Er schloss für seine Mitgliedsbanken in Schleswig-Holstein mit der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft SchleswigHolstein GmbH (MBG) eine Kooperationsvereinbarung, die bestehende Vereinbarungen im Beteiligungskapitalgeschäft ergänzt und kleinere Firmenkunden mit Beteiligungen bis zu einer Million Euro im Fokus hat. Eine ähnliche Kooperation besteht mit der MBG in Niedersachsen. Das Beteiligungskapital, vermittelt durch die Genossenschaftsbank und herausgegeben durch die MBG, ist nach Einschätzung der Verbandsleitung angesichts des steigenden Eigenkapitalbedarfs vieler Firmenkunden ein wichtiger Baustein für dauerhafte Geschäftsbeziehungen. Gemeinsame Verantwortung für Wirtschaft und Gesellschaft „Die Genossenschaften haben traditionell hier in Norddeutschland, insbesondere bei der Milchwirtschaft, eine wichtige und zentrale Verantwortung für ihre Mitglieder“, betonte Verbandsdirektor Michael Bockelmann 2005 im Rahmen einer Pressekonferenz des Genossenschaftsverbandes Norddeutschland in Kiel-Molfsee. Eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung von Strukturmaßnahmen zur Zukunftsausrichtung, betonte Bockelmann, sei die Bereitschaft der Mitglieder, diese Veränderungen mitzutragen. Dies gelte sowohl hinsichtlich der Beschlüsse für Kooperationen und Fusionen als auch im Hinblick auf Investitionsentscheidungen und Eigenkapitalerhöhungen. Insbesondere bei den Molkereien könnten selbst optimale Strukturen den Preis- und Mengendruck allenfalls abfedern, da seit Jahren 15 bis 20 Prozent Überproduktion die Milchpreise in Europa drückten. Hinzu komme die Konzentration beim deutschen Lebensmitteleinzelhandel, dessen zehn größte Unternehmen schon 85 Prozent 67 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N Marktanteil auf sich vereinen. Letztlich, so das Fazit mehrerer Stellungnahmen von Verbandsrepräsentanten aus Hannover und Frankfurt in den letzten Jahren, könne eine Molkerei auf Dauer nur das auszahlen, was sie am Markt erwirtschaftet. Sie bezogen Position in einem heiklen, da bis heute heftig umstrittenen Segment der Agrarwirtschaft. Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) durchlief in den letzten anderthalb Jahrzehnten tief greifende Reformen. 2003 führte die Entkoppelung der Direktzahlungen zu einem grundlegenden Systemwechsel. Die EU-Erweiterung 2004 veränderte die Wettbewerbsbedingungen erneut. Das genossenschaftliche landwirtschaft liche Warengeschäft hat sich auf die Veränderungen eingestellt und ist heute gut aufgestellt. Die Mehrheit der Genossenschaften und ihre Partner in der Landwirtschaft lernten, aus dem täglichen Marktgeschehen heraus ihre Vertriebswege und ihr Auskommen im Rahmen eines verantwortungsbewussten Miteinanders zu finden. Gemeinsame Verantwortung schließt gesellschaft liches Engagement mit ein. Die Genossenschaftsverbände und ihre Mitglieder versuchen diese Überzeugung immer wieder durch beispielhaftes Handeln vorzuleben. Mit Blick auf die unbefriedigende Ausbildungssituation appellierte die Leitung des Genossenschaftsverbandes Norddeutschland auf dem Verbandstag 2006 an alle Delegierten, Jugendlichen und jungen Berufstätigen eine nachhaltige Berufsperspektive in ihren Betrieben zu bieten. Der Verband erhöhte selbst seine Zahl an Auszubildenden. Hinzu kommen zahlreiche Anreize durch genossenschaftlich initiierte, getragene oder zumindest geförderte Wettbewerbe und Preise. Ein Dauerbrenner mit großer Breitenwirkung ist auch im Verbandsgebiet des heutigen Genossenschaftsverbandes e.V. der Internationale Jugendwettbewerb geblieben. Seit einigen Jahren gesellten sich die Sterne des Sports dazu. In diesem bundesweiten Wettbewerb des BVR finden nicht die Spitzensportler Anerkennung, sondern gerade Vereine, die sich im Breitensport und in besonderer Weise für die Gesellschaft engagieren. Regional umgesetzt wird der 68 Wettbewerb von den Volksbanken und Raiffeisenbanken, oft in Kooperation mit lokalen Partnern. Die begehrten Sterne werden in zehn Kategorien – von der Integration von Behinderten über Programme im Gesundheits-, Jugend-, Kinder-, Familienund Seniorensport bis hin zum Umweltschutz – an Sportvereine für innovative Ideen verliehen. 2007 ehrte Bundespräsident Horst Köhler die Weddinger Wiesel für ihre intensive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Berliner Bezirk Wedding mit dem ersten Preis. 2006 veranstalteten die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Niedersachsen und Bremen erstmals den Wettbewerb „Fair bringt mehr“. Kinder und Jugendliche werden darin zu mehr Teamgeist und Fairness untereinander und zum Engagement gegen Gewalt aufgerufen. Mehr als 5.000 Jugendliche aus 135 Einrichtungen vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe I beteiligten sich. In solchen Wettbewerben werde über das Thema hinaus vorbildlich Kreativität und Teamgeist gefördert, lobten die prominenten Mitglieder der Jury. 4.3 Vom Bildungsanbieter zum Personalentwickler: dynamisches Erfüllen der Bildungsaufgabe Vom Wanderlehrer zum mehrstufigen Ausbildungssystem Bildung ist Investition in die Zukunft. Bereits die Gründerväter der Genossenschaftsbewegung beherzigten diese Erkenntnis und starteten erste Bildungsinitiativen. Friedrich Wilhelm Raiffeisen warb für dörfliche Einrichtungen, in denen praktisches Wirtschaftswissen an die Genossenschaft smitglieder vermittelt werden sollte. Er forderte, dort landwirtschaft liche Bücher und Zeitschriften sowie andere geeignete Hilfsmittel bereitzustellen. Hermann Schulze-Delitzsch initiierte eine breiter angelegte Bildungsoffensive, die über das Genossenschaftswesen hinausging. Er gründete die „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung“, die in großem Stile den Aufbau von Volksbüchereien und Fortbildungsschulen unterstützte. Die ab den 1860er-Jahren entstehenden Genossenschaftsverbände erkannten ebenfalls bald, wie notwendig und wichtig Bildung für die Zukunftschancen ihrer Mitglieder war. Die Verbände förderten maßgeblich die flächendeckende Aus- und Fortbildung im Genossenschaftswesen. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein verbanden genossenschaft liche Wanderlehrer im Auft rag ihrer Regionalverbände früh Prüfungs- mit Ausbildungstätigkeiten. Viele der Geschäft sführer und Rechner, die mit ihrer neuen ehren- und nebenamtlichen Tätigkeit in der Genossenschaft oft völlig überfordert waren, lernten so das Einmaleins der ordnungsgemäßen Geschäfts- und Buchführung. Ab 1889 stand auch die Einführung in das GenG auf dem Lehrplan. In den 1890er-Jahren gingen ländliche Regionalverbände dazu über, an zentralen Orten erste übergreifende Lehrgänge speziell für genossenschaft liche Bedürfnisse abzuhalten. Rechner- und Rendantenkurse, oft in Dorfgaststätten durchgeführt, sollten die Funktionsträger von Genossenschaften unterstützen. In Kassel führte 1897 eine erste derartige Lehrveranstaltung in Buchführung, Bilanzaufstellung, Geschäftsführung, Genossenschaftsrecht und Kreditwesen ein. Sie gilt heute als Beginn des systematischen genossenschaft lichen Bildungswesens. Wenig später etablierte der schleswig-holsteinische Raiffeisenverband regelmäßige Unterrichtskurse im „Haus der Landwirte“ in Kiel als zentrales Bildungsangebot. Der erste Kasseler Rechnerkurs im Mai 1897 hatte 40 Teilnehmer und dauerte sechs Tage. Der Lehrplan umfasste im Wesentlichen praktische Übungen und Vorträge. Eingewiesen wurde unter anderem in das sachgerechte Führen von Büchern und Formularen für den laufenden Geschäftsbetrieb, in das Ausstellen von Quittungen und den korrekten Umgang mit Krediten sowie der Behandlung von dauerhaft erworbenen Sachgütern. Bald erhielt die genossenschaftliche Ausbildung Anerkennung und Förderung durch staatliche Instanzen, zum Beispiel in Form von Zuschüssen für die Durchführung der Kurse. netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN kurzfristig organisierte Fachseminare. Zunehmend wurden externe Spezialisten wie Universitätsprofessoren als Dozenten eingesetzt. Die 1938 errichtete Raiffeisenschule Marburg wies von Beginn an eine hauptamtliche Leitung aus. Die Schule bot fortan unter einem Dach ein breit gefächertes Ausbildungssystem mit Anfänger- und Fortbildungskursen an. In dieser Zeit forderten nationalsozialistische Funktionäre das Einbeziehen weltanschaulicher Komponenten in den genossenschaft lichen Unterricht. Trotz dieser politischen Einflussnahme überwogen rein fachspezifische Lehrveranstaltungen. Wilhelm Haas initiierte etwa zur gleichen Zeit erstmals ein mehrstufiges Ausbildungssystem: Mitglieder der Ortsgenossenschaften sollten vor Ort ökonomisch unterwiesen werden, die Regionalverbände sich dagegen auf die Weiterbildung von Rechnern und Vorständen konzentrieren. 1904 errichtete er als erste zentrale genossenschaft liche Bildungsanstalt die Deutsche Landwirtschaft liche Genossenschaftsschule mit Sitz in Darmstadt (später in Berlin). Revisoren, Geschäftsführer, Molkereifachleute und praktische Landwirte absolvierten dort fünfwöchige (später halbjährliche) Lehrgänge. Die gewerblichen Genossenschaften begannen 1902 gemeinsam mit den Handwerkskammern mit systematischer Ausbildung. Auch hier gab es zunächst Lehrgänge für Funktionsträger, vorwiegend Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Ab 1925 zentralisierte sich wegen der geringen Anzahl der meist größeren gewerblichen Genossenschaften die Schulungsarbeit. Der Niedersächsische Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) führte Lehrlingslehrgänge und vereinzelt Angestelltenseminare in Schulungsheimen und Hotels durch. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Schulungsarbeit generell vertieft und ausgebaut. Jetzt gehörten Lehrlings- und Fortbildungslehrgänge zum Standardprogramm. Vortrags- und Aussprechtage ergänzten das Angebot. Spätestens ab Mitte der 1930er-Jahre erforderte die einsetzende hauptamtliche Geschäftsführertätigkeit in größeren Genossenschaften erste, mitunter netzwerk 12/09 Während des Zweiten Weltkriegs musste zunehmend improvisiert werden, vielerorts wurde der Betrieb eingestellt. Der Kieler Raiffeisenverband wich mit seiner Schulungstätigkeit in Kreisstädte aus. Da viele Geschäftsführer in die Wehrmacht eingezogen wurden, intensivierten die Verbände die Umschulung von Kriegsverwundeten, die Ausbildung weiblicher Hilfskräfte und die Schulung älterer Organmitglieder. schaftsverbände mit neu oder wieder gegründeten Volkshochschulen die Situation bald. Stärker in den Blick rückte nun die seit der Gesetzesänderung von 1934 dringlicher gewordene Nachwuchsausbildung für die Verbände selbst. Auch ihr eigenes Professionalisierungsniveau sollte durch qualifi zierte, für die wachsenden Anforderungen bestens gerüstete Mitarbeiter erhöht werden. Ab 1947 führte der DRV achtwöchige VerbandsprüferLehrgänge durch. Ein Jahr später folgte der gewerbliche Spitzenverband mit 14-tägigen Fortbildungslehrgängen. In den Regionalverbänden läutete die zunehmende Errichtung eigener Genossenschaft sschulen – meist mitten im Verbandsgebiet gelegen – eine neue Phase des Bildungsoffensive nach 1945 Unmittelbar nach Kriegsende nahmen die gewerblichen und ländlichen Genossenschaften ihre Aus- und Fortbildungstätigkeit wieder auf. Nach Improvisationen in Notunterkünften kam in der Raiffeisenschule Marburg 1946 wieder ein erster ordentlicher Rechnerlehrgang mit 31 Teilnehmern zustande. 1947 fanden dort bereits drei Lehrgänge für Anfänger und zwei Bilanzkurse für fortgeschrittene Rechner statt. Generell verbesserten Kooperationen der Genossen- 69 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N genossenschaft lichen Ausbildungswesens ein. „Aus der Praxis für die Praxis“ war das Motto eines auf große Resonanz stoßenden Bildungsangebots. 1954 eröff nete der niedersächsische Raiffeisenverband die spätere GenoAkademie Isernhagen mit gehobenen Lehrgängen sowie Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen. Ebenfalls als Raiffeisenschule startete 1962 die spätere GenoAkademie Rendsburg. Die gewerbliche Seite hatte im badischen Staufen früh eine Bildungsstätte geschaffen, die die gewerblichen Regionalverbände zunächst gerne mitnutzten. Der Rhein-Pfälzische Genossenschaftsverband begann 1966/67 dann zusammen mit dem hessischen Nachbarverband unter Zuhilfenahme nebenamtlicher Lehrkräfte ein eigenes Bildungswesen aufzubauen. Der Praxisbezug der aus Berufsschulen kommenden Lehrkräfte wurde bald durch Patenschaften des Verbandes mit Banken, die Praktika anboten, gefördert. Blockseminare in Kaiserslautern und Kassel bildeten den Kern dieser ersten Phase verbandseigener Aus- und Fortbildung. Nach der erwähnten Fusion der gewerblichen Genossenschaftsverbände von RheinlandPfalz und Hessen trieb der Verband den Aufbau des Bildungswesens voran. Großen Zuspruch fand das 1972 eingeführte „Videodialogsystem“, das erstmals auf der Basis professionell produzierter Lernvideos Bildungsinhalte vermittelte. Mehr als zwei Jahrzehnte gehörte diese innovative Komponente – in ständig aktualisierter Form – zum modernen Bildungsangebot des Verbandes. Mit dem Beginn des digitalen Zeitalters ersetzte die CD die Videokassette, bevor diese in jüngerer Zeit durch neue, internetgestützte Lernmethoden abgelöst wurde. Wegen des stark gewachsenen Zuspruchs errichtete der Frankfurter Verband 1973 in Bad Münster am Stein-Ebernburg sein eigenes Bildungszentrum, das später mehrmals ausgebaut und dessen Lehrangebot mehrmals differenziert wurde. Mehrmalige bauliche Erweiterungen und Modernisierungen der genossenschaft lichen Bildungsinstitutionen sind generell optischer Ausdruck einer ständigen Fortentwicklung der Bildungstätigkeit der Verbände bis heute. Ausgestattet mit der jeweils modernsten 70 Technik, großzügigen Übernachtungsmöglichkeiten und differenzierten Seminar- und Tagungsräumen entwickelten sich die Genossenschaftsschulen zu hochmodernen, multifunktionalen Bildungszentren. In die dynamisch angepasste Aus- und Fortbildungstätigkeit der regionalen Akademien wurden bald Zentralgeschäft sanstalten und Verbundunternehmen wie die DG Bank und die R+V Versicherungen integriert, um für die Mitglieder möglichst optimale Seminarangebote schneidern zu können. Vielfach knüpften Verbandsrepräsentanten Kontakte zu den Genossenschaftsinstituten an Universitäten, um gemeinsam praxisbezogene Projekte zu verfolgen. Passgenaue Lehrgänge und Veranstaltungen an den GenoAkademien bedienten nun die zunehmend differenzierten Bedürfnisse von Auszubildenden, Bilanzbuchhaltern, Kreditsachbearbeitern, Geschäft sführern, Vorständen und Aufsichtsräten aller genossenschaft lichen Sparten. Qualitätssicherung durch fortlaufende Konzentrationen und Innovationen Die Bemühungen der Genossenschaftsverbände, mit den rasch wachsenden Anforderungen im Kreditwesen durch eine adäquate Weiterentwicklung der eigenen Bildungsangebote Schritt zu halten, ließen den Bankensektor zum Motor des gesamten genossenschaft lichen Bildungssystems werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war allgemein der Ruf nach einer zentralen Genossenschaft sschule laut geworden, welche die gewerblichen Genossenschaft sbanken bisher nicht besessen hatten. 1957 gründeten die Schulze-Delitzsch-Organisationen einen Förderverein und begannen, wie erwähnt, in Staufen (Breisgau) mit zentraler Lehrtätigkeit, die später in Bad Honnef, Geisenheim und Frankfurt fortgeführt wurde. Im Mittelpunkt standen differenzierte Angebote für die Aus- und Fortbildung von Bankmitarbeitern, für Mitarbeiter ohne Banklehre, Fachlehrgänge sowie Mittel- und Oberstufenlehrgänge. 1970 weihte der DRV Schloss Montabaur als zentrale Schulungsstätte für den RaiffeisenBankenbereich ein. Trägervereine bildeten den organisatorischen Rahmen. Mit der Zusammenführung der Raiffeisenund Schulze-Delitzsch-Traditionen im DGRV 1972 konzentrierten die Spitzenverbände ihre Bildungsaktivitäten entlang fachspezifischer Bedürfnisse. Die Bildungsstätte in Montabaur wurde ab 1978 von der Akademie Deutscher Genossenschaft en e.V. getragen und die bisherigen Fördervereine fusioniert. Vom gebündelten Know-how profitierten Mitarbeiter der Volksbanken und Raiffeisenbanken dann in den zahlreichen regionalen Bankleiterfachtagungen und EDV-Schulungen gemeinsam. Anfang der 1980er-Jahre veränderten sich erneut wichtige Rahmenbedingungen. Der Wettbewerb wurde härter, die Gesamtwirtschaft schrumpfte sogar erstmals. Marktanteilsgewinne, wie sie genossenschaft liche Kreditinstitute noch in den 1970er-Jahren hatten verzeichnen können, wurden geringer. Der Personalbestand in den Banken stagnierte. Gleichzeitig forderten die zunehmend komplexeren und ausgefeilteren Finanzdienstleistungen immer höhere Qualifi kationen des Bankpersonals. Das genossenschaft liche Bildungswesen reagierte darauf mit Trainee-Programmen für Hochschulabsolventen, um Kräfte aus dem akademischen Nachwuchs zu sichern. Bald kamen Managerseminare zur speziellen Schulung von Führungskräften hinzu. Im Genossenschaft sverband Niedersachsen konstituierte sich 1986 ein Ausschuss, der die verbandseigene Bildungsarbeit kontinuierlich beraten und weiterentwickeln sollte. Die „Genossenschaft sschulen“ entwickelten sich auch inhaltlich und thematisch immer stärker zu „Genossenschaft sakademien“. In dieser Zeit suchten genossenschaft liche Bildungseinrichtungen auch verstärkt den Austausch mit staatlichen Bildungsträgern. 1995 erkannte das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur die vom Genossenschaftsverband BerlinHannover mit initiierte und getragene Berufsakademie der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Hannover offi ziell an. Aufgabe der Berufsakademie ist es seither, die bankpraktische Ausbildung in der Kreditgenossenschaft mit einem betriebswirtschaft lichen Studium zu verbinden. netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN Ein Kooperationsvertrag zwischen den Regionalverbänden in Hannover, Kiel und Oldenburg führte 1999 die genossenschaftlichen Akademien im Norden enger zusammen. Bei Wahrung ihrer rechtlichen und wirtschaft lichen Identität traten sie nun gemeinschaft lich unter dem Namen GenoAkademie Nord auf. Die jahrelangen Kooperationen der norddeutschen Akademien begünstigten die organisatorische Neustrukturierung nach der Fusion zwischen dem Hannoveraner und dem Kieler Verband 2002. Bildungsinvestitionen in eine gemeinsame Zukunft Im Osten Deutschlands gab es, abgesehen von Landwirtschaftsschulen der VdgB, bis zur politischen Wende 1989/90 keine eigenständige genossenschaft liche Aus- und Fortbildung. Der Verband Landwirtschaftlicher Genossenschaften Mecklenburg e.V. unterhielt zwar bis 1950 eine eigene Genossenschaftsschule in Bad Doberan. Dort bildete er Mitarbeiter und Lehrlinge der Kreditgenossenschaften des Landes aus und weiter. Mit der Zwangsliquidation des Verbandes 1950 erfolgte aber auch die Schließung der Schule. Die Genossenschaftsmitglieder in den neuen Bundesländern standen 1990 vor der Herausforderung, in kürzester Zeit marktwirtschaft liches Denken und Handeln lernen zu müssen, ohne dabei auf einen geeigneten organisatorischen Rahmen zurückgreifen zu können. Die westdeutschen Genossenschaftsverbände erkannten, dass angesichts einer solchen Herkulesaufgabe die Vielzahl flexibler Schulungsmaßnahmen vor Ort nicht immer und überall ausreichen würden, um solides Basiswissen zu verankern. Der Norddeutsche Genossenschaftsverband führte zunächst Schulungen in Rendsburg durch und richtete 1990 am Dümmer See südwestlich von Schwerin eine Ausbildungsstätte ein. Doch der Weg nach Rendsburg war vielen Genossenschaftsmitgliedern in Mecklenburg-Vorpommern zu weit und die Kapazitäten am Dümmer See reichten bald nicht mehr aus. So investierte der Verband in Klein Plasten in ein Bildungszentrum eigens für den immensen regionalen Bedarf an Nachqualifizierung. Ähnlich verhielt sich der Hannoveraner Verband. Er erwarb eine geeignete Immobi- netzwerk 12/09 lie in Neugattersleben und baute in dem günstig zwischen Magdeburg und Halle gelegenen Ort eine hochmoderne Schulungsstätte auf. Der damalige Verbandsdirektor Manfred Schlüter, der sich persönlich sehr für das Projekt engagierte, erläuterte auf einer Pressekonferenz 1992 die auf die spezielle Situation im Osten zugeschnittene Konzeption: „Mit einer Vielzahl von Seminarbausteinen von zumeist 2,5 Tagen hat man ein Konzept gewählt, das den Aufwand der Unternehmen für Schulungszwecke so gering wie möglich hält, eine möglichst zielgerichtete Seminarauswahl ermöglicht und damit den Problemkonfl ikt zwischen Zeitmangel und Qualifi zierungsdefi zit – dem angesichts deutlich rückläufiger Personalbestände eine besondere Bedeutung zukommt – entschärft .“ erfolgreiche genossenschaft liche Bildungsarbeit im vereinten Deutschland. Auch der Genossenschaftsverband Frankfurt verstärkte in dieser Zeit seine Ausbildungskapazitäten. Die zweite durch die Verbandsfusion 1992 hinzugekommene Bildungsstätte in Kassel ersetzte er 1995 durch das neue, leistungsfähigere Bildungszentrum der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baunatal. Die zeitweiligen Schulungsangebote in Gera, Oberhof, Erfurt und Weimar wurden in Baunatal integriert. Dort existieren 160 Übernachtungsmöglichkeiten und rund 300 Tagungs- und Die neuen Schulungsstätten fanden damals auch als Begegnungsstätten regen Zuspruch. Einweihung des Neubaus des Schulungszentrums Bad Münster 1978. Hier war man – wenn man wollte – auch „unter sich“ und fühlte sich verstanden, was gerade in jener Zeit, in der sich die Lebensumstände so fundamental veränderten, wichtig war. An die nun geltende marktwirtschaft liche Ordnung wurde offenkundig in guter Dosierung und geeigneter 1962 reisten die Seminarteilnehmer zur Raiffeisenschule Rendsburg im VW-Käfer an. Atmosphäre herangeführt. Die Motivation der Betroffenen, sich durch gezielten und raschen Bildungserwerb selbst zu helfen, steigerte sich durch die insgesamt klugen Bildungsinvestitionen enorm. Neugattersleben und Klein Plasten wurden überregional beachtete Symbole für 71 M O D E R N E S G E N O SS E N S C H A F T S W E S E N Seminarplätze. Es ist heute die größte Schulungsstätte im Verbandsgebiet. Nach nur wenigen Jahren war dank der immensen Anstrengungen die Nachqualifizierung in den ostdeutschen Bundesländern bewältigt. Gleichzeitig veränderten sich die Bedürfnisse der Primärgenossenschaften, die inzwischen verstärkt Veranstaltungen in der eigenen Institution nachfragen. Neue internetgestützte Lernmethoden fordern das genossenschaft liche Ausbildungssystem heute grundsätzlich heraus. Vor diesem Hintergrund ging die Auslastung besonders der Akademien in Neugattersleben und Klein Plasten stark zurück. So trennte sich der Genossenschaftsverband Norddeutschland vor einigen Jahren von beiden Einrichtungen wieder. In Neugattersleben führt er aber weiterhin bei Bedarf ein genossenschaft liches Bildungsprogramm durch. Hinzu kommen mehrere flexible, ortsnahe Schulungsstätten. Der Genossenschaft sverband Frankfurt integrierte nach der Eingliederung der sächsischen Kreditgenossenschaften 2004 das dortige Bildungszentrum Nossen in seine VR-SeminarZentren. Paradigmenwechsel in der genossenschaftlichen Bildungstätigkeit Mitte der 1990er-Jahre begann eine neue Ära im genossenschaft lichen Bildungswesen. Der schulisch geprägte Begriff Bildung wurde von der wesentlich weiter gefassten unternehmerisch geprägten Personalentwicklung abgelöst. Der Trend ging hin zu Seminaren vor Ort, vorwiegend Inhouse-Veranstaltungen, die individuell und bedarfsorientiert genutzt werden. Fachlich orientierte Dozenten wichen Trainern, die ihre Aufgabe auch in der Schulungsstätten des Alt-Verbandes Frankfurt. 72 netzwerk 12/09 MODERNES GENOSSENSCHAFTSWESEN Entwicklung der methodischen und persönlichen Kompetenzen der lernenden Mitarbeiter verstehen. Die GenoAkademien passten sich dem Paradigmenwechsel umfassend an und entwickelten selbst neue bedarfsgerechte Angebote. Mit „TopStart“ schufen sie 1994 ein Betreuungsprogramm, das Theorie und Praxis, Fachkompetenz und Persönlichkeitsentwicklung miteinander verbindet und vor allem vor Ort im beruflichen Umfeld der Auszubildenden umgesetzt werden kann. Lange Seminare in Rendsburg und Isernhagen machen heute nur noch etwa 17 Prozent des Leistungsvolumens aus. Der Anteil konkreter und zielgerichteter Qualifizierungsmaßnahmen wie das 1996 gestartete Programm „JobTraining“, die Lösungen für spezielle innerbetriebliche Personalentwicklungsbedarfe bieten, stieg bis Anfang 2008 auf 36 Prozent. Im September 1997 startete in Niedersachsen das inzwischen bundesweit angebotene BankColleg mit 400 Teilnehmern an acht Standorten. Neue Impulse für die Interpretation der Genossenschaftsidee und Persönlichkeitsbildung standen auch hier von Anfang an auf der Agenda. BankColleg ist auf die Aufstiegsfortbildung abgestimmt und bietet Teilnehmern die Möglichkeit, sich bereichsübergreifend Wissen anzueignen, um den steigenden Kundenanforderungen weiterhin gerecht zu werden. Eingefordert werden damit Urtugenden genossenschaft lichen Engagements: Eigeninitiative und Selbstverantwortung. Das BankColleg offeriert Mitarbeitern auf dieser Basis regionale Chancen zur Weiterbildung. So zeigte sich beispielsweise Jan Klingbeil von der Volksbank Lüneburg eG, der 2004 erfolgreich die Ausbildung zum Fachwirt BankColleg beendete, nicht nur vom Studium und seiner Praxisnähe begeistert. Vielmehr erkannte er: „Nach meinen Beobachtungen liegt es in den Händen eines jeden Einzelnen, ob und in welchem Umfang das BankColleg Vorteile mit sich bringen wird. Die persönliche Einstellung ist sicherlich eine der entscheidenden Größen für den Erfolg.“ Die Entwicklung hat längst alle Sparten erfasst. Personalforen für Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften wenden sich netzwerk 12/09 an Führungskräfte und Mitarbeiter, die heute ein zunehmend umfangreiches Wissen über die aktuellen Schwerpunkte im eigenen Berufsfeld besitzen müssen. Die Akademien vermitteln Know-how in Fachkompetenz und Strategieentwicklung und erörtern exemplarisch, wie Innovationen umgesetzt und mit sozialer Verantwortung Personal geführt werden kann. Die GenoAkademien bieten seit Ende der 1990er-Jahre individuelle, modulare Lösungen an. Selbst entwickelt wurde ein grundständiges duales Studium, das zum akademischen Bachelor-Abschluss führt. 2005 begann als Antwort auf hochschulpolitische Entwicklungen der erste Bachelor-Studiengang „Banking & Finance“. Parallel öffneten sich die Akademien dem Markt, indem sie erstmals Teilnehmer aus nichtgenossenschaftlichen Unternehmen aufnahmen. Die GenoAkademie Nord erlangte damit bereits 1997 die Anerkennung als Bildungsstätte nach dem Bildungs-, Freistellungs- und Qualifizierungsgesetz (BFQG). Coachen und Moderieren als künftige Kernaufgaben des Verbandes Wie in der zentralen Bildungsstätte in Montabaur steht das aktuelle Bildungsangebot des Genossenschaftsverbandes e.V. unter dem Leitprinzip, für jedes Thema den besten Experten zu engagieren, um den Kunden die beste Qualität bieten zu können. Angesichts des Trends, dass fachliches Know-how durch die neuen Medien zunehmend ortsunabhängig, umfassend und auf dem jeweils neuesten Stand abrufbar wird, erscheint eine neue Akzentsetzung notwendig: „Wir müssen noch viel mehr die Anwendung des Wissens ins Zentrum unserer Bildungsarbeit setzen. Coaching und Moderation ist heute die Aufgabe des Verbandes“, so gibt Verbandspräsident Walter Weinkauf die Zielrichtung an. onen an neuer Wirkungsstätte problemlos nutzen können. Wichtige Voraussetzungen dafür wurden bereits geschaffen. Zentral initiiert wurde Ende der 1990er-Jahre das genossenschaft liche Personalentwicklungsprogramm GenoPE. Der Genossenschaftsverband Frankfurt und die Frankfurter Volksbank eG entwickelten 2000 gemeinsam als Erste ein individuelles Modulkonzept mit abschließender Zertifi zierung. Dem bundesweiten Konzept entsprechend wurde nicht nur breites Fachwissen, sondern auch Aspekte der Methodenkompetenz sowie der Sozial- und Persönlichkeitskompetenz beobachtet und bewertet. Bereits 2001 konnte die Modulreihe „Servicebank“ erfolgreich abgeschlossen werden. Die GenoAkademie Nord startete parallel erstmals Seminare nach GenoPE. 2003 begann das Bildungsangebot eLearning für die genossenschaft liche Bankengruppe. Es ist heute ein fester Bestandteil der Aus- und Weiterbildung in Deutschland, bei dem Lerninhalte über das Internet vermittelt werden und das Lernen mit elektronischen Medien erfolgt. Ging es bei eLearning zunächst um Kosteneinsparung, rückte bald seine didaktische Einbindung in den Lernprozess in den Fokus. Die GenoAkademie Nord integrierte eLearning in GenoPE, baute dieses Bildungsangebot weiter aus und verzahnte den Online-Lernprozess mit Präsenzveranstaltungen. Genossenschaftsbanken aus 14 Bundesländern nutzen heute dieses Angebot des Genossenschaftsverbands als einen festen Bestandteil ihrer Nachwuchsförderung von qualifizierten Fach- und Führungskräften. Spezialseminare, in denen Fachexperten des Verbandes, externe Spezialisten und Praktiker aus den Genossenschaften mitwirken, ergänzen das neue Angebot. Unterstützt werden die modernisierten Bildungsangebote von Verbundunternehmen wie Union Investment. Fotos: Fotolia, Getty Images, Archiv Zudem erscheint es den Verbandsrepräsentanten sinnvoll, den eingeschlagenen Weg hin zu bundeseinheitlichen Ausbildungskonzeptionen und -standards weiterzugehen. Denn ein Genossenschafter, der von Kiel nach München zieht, sollte die zuvor erworbenen Qualifikati- 73 NEUGRÜNDUNGEN 5 Neue Impulse für genossenschaftliches Engagement Viele genossenschaftliche Institutionen fördern Windkraftanlagen und die Nutzungen anderer regenerativer Energien. Praktische Antworten auf die Herausforderung Klimawandel Unterstützung zu Erfolgsmodellen geworden sind. „Neugründungen“ seien „so etwas wie eine Geburt. Es ist der Beginn eines neuen Lebens und die Taufe eines gemeinsamen Projektes. Neugründungen setzen auf eine ungewisse Zukunft . Deshalb gilt es, bereits im Vorwege Sicherheitsleinen einzuziehen, um Risiken zu minimieren. Über solche Sicherheitsnetze verfügt die Genossenschaft .“ Mit diesen Worten leiteten die Verbandsdirektoren Michael Bockelmann und Horst Mathes ihr Sonderheft über genossenschaft liche Neugründungen in Deutschland vom Oktober 2008 ein. Zu diesem Zeitpunkt blickte der GVN bereits auf eine Reihe sehr unterschiedlicher Pionierprojekte zurück, die mit seiner Schon seit Jahren unterstützen Genossenschaften und Verbände angesichts der unabsehbaren Folgen der Veränderung des Weltklimas und der Endlichkeit fossiler Brennstoffe Projekte zur Energieeinsparung und zur Nutzung regenerativer Energien. Der GVN ermunterte seine Mitglieder früh, Verantwortung gegenüber der Umwelt und Nachwelt wahrzunehmen. Unter anderem förderte der Verband eine beispielhafte Initiative: das Bioenergiedorf Jühnde eG. Die in Südniedersachsen gelegene Kommune deckt seit September 2005 als erster Ort in Deutschland seinen Wärme- und Strombedarf überwiegend aus regenerativen Energien. 74 Erklärtes Ziel der lokalen Initiatoren war es, sich unabhängig von Ölscheichs und Energiemultis zu machen. Und zwar durch CO 2 -neutrale und dezentrale Energiegewinnung. Die zehn Vollerwerbsbauern im Dorf erklärten sich bereit, die nachwachsenden Rohstoffe dafür zu liefern. Im Vorfeld der Gründung informierte der GVN über Vorteile, Anlagen für erneuerbare Energien im Rahmen eines genossenschaft lichen Modells zu betreiben. Die lokalen Protagonisten waren rasch überzeugt, da ihnen das Modell die besten Mitwirkungs- und Mitverantwortungschancen bot. Im Oktober 2004 gründete sich die Genossenschaft und sorgte auf Anhieb bundesweit für Furore. Über 70 Prozent der Jühnder Haushalte traten als Mitglieder der netzwerk 12/09 NEUGRÜNDUNGEN Genossenschaft bei. Das Blockheizkraft werk lieferte bald mehr Energie als geplant, was zur großen Freude der Betreiber den Einspareffekt erhöhte. Vorstand Eckhard Fangmeier meinte in einem Interview 2007: „Bei keiner anderen Gesellschaft sform ist die Transparenz für Kunden so groß wie bei der Genossenschaft. Auch weil wir durch den Prüfungsverband genau kontrolliert werden. Das bedeutet zwar einen größeren fi nanziellen Aufwand für uns, führt aber zu mehr Sicherheit.“ Inzwischen hat das Modell bundesweit viele Nachahmer gefunden. Seit August 2008 garantiert eine lokale Betreibergemeinschaft mit ihrem hochmodernen Biomasseheizkraft werk in Breuberg im Odenwald 150 Haushalten, den beiden Schulen inklusive Turnhalle und dem Hallenbad im Stadtteil Rai-Breitenbach die Nahwärmeversorgung. Der Ortsvorsteher hatte Kontakt zu den Projektleitern des Bioenergiedorfes „Jühnde“ in Niedersachsen aufgenommen, die Einrichtung besucht und das Bioenergiedorf Breuberg-Rai-Breitenbach mit ins Leben gerufen – ebenfalls in der Rechtsform eG. Foto: Fotolia Im November 2007 informierte der GVN in einem Sonderheft ausführlich über die Gefahren des Klimawandels sowie nationale und internationale Maßnahmen zum Klimaschutz. Die Präsentation einer breiten Palette genossenschaft licher Initiativen zum Thema, von einer Diskussionsveranstaltung der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Lübeck mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel bis hin zum Modellprojekt Jühnde, rundete das Heft ab. Bürgerschaftliches Engagement anstelle des Staates Solche Meldungen las und hörte man in den letzten Jahren oft : Einer Kommune ging das Geld aus, öffentliche Einrichtungen wurden zum Leidwesen der Bewohner geschlossen. So auch im niedersächsischen NörtenHardenberg. Aus Kostengründen stellte die Gemeinde im Juni 2004 den Betrieb des Hallenbades ein. Aber aktive Bürger wollten nicht auf ihr Bad vor Ort verzichten und fanden im Modell der eG eine Alternative zur Fortführung des Schwimmbetriebes. In enger Abstimmung mit dem GVN erarbeiteten sie ein adäquates Betriebsmodell und gründeten eine Genossenschaft . Ein breites Bündnis aus Bürgern, Gewerbetreibenden, Handwerk und Vereinen beteiligte sich; auch die Gemeinde war mit von der Partie. Bürgermeister Frank Priebe wurde Vorstandsvorsitzender der ersten Hallenbad-Genossenschaft in Deutschland. Schon im September 2005 eröffnete die Genossenschaft das modernisierte Hallenbad neu. Zwei Jahre später wurde die Hallenbad Nörten-Hardenberg eG vom Bundespräsidenten im Rahmen des Wettbewerbes Genossenschaftliches Hallenbad in Nörten-Hardenberg. netzwerk 12/09 75 NEUGRÜNDUNGEN Absolventen der Berufsakademie für Bankwirtschaft nach bestandenem Examen. „Deutschland – Land der Ideen“ als herausragende Initiative ausgezeichnet. Laudator Helmut Tusch lobte bei der Preisübergabe: „Genossenschaften sind überzeugende Einrichtungen der Selbsthilfe und Selbstverwaltung. Sie sind universell einsetzbar und in ihrer lokalen und regionalen Wirkung einmalige Kooperationen von gleichberechtigten Mitgliedern. Hier in Nörten-Hardenberg wird die Zukunft gemacht, ein bundesweites Vorbild für gemeinsame Initiativen.“ beispielhafte Möglichkeit, Partizipation schon in der Schule zu praktizieren. Darüber hinaus vermitteln sie entscheidende Kompetenzen im Bereich wirtschaft lichen Handelns. Wirtschaft ist neben Umwelt und gesellschaft lichen Gesichtspunkten eine der drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung.“ Verbandsdirektor Michael Bockelmann hatte beim feierlichen Startschuss 2006 für die zwölf teilnehmenden Schülergenossenschaften erklärt, warum dem Verband die einzigartige Initiative so am Herzen lag: „Vorrangiges Ziel unseres gemeinsamen Projektes ist es, die Attraktivität der Schülergenossenschaften machen Schule Sogar die Vereinten Nationen zeichneten es aus. Im September 2006 war das vom GVN initiierte und wesentlich getragene Pilotprojekt „Schülergenossenschaften in Niedersachsen“ gestartet. Zwei Jahre später durfte es sich bereits mit dem Titel „Offizielles Projekt der Dekade der Vereinten Nationen zur Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005–2014“ schmücken. Der Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission und niedersächsische Wirtschaft sminister Walter Hirche begründete die Auszeichnung: Schülergenossenschaften seien „eine 76 Schul- und Schülergenossenschaft Scheeßel. netzwerk 12/09 NEUGRÜNDUNGEN Auszeichnung der Energiegenossenschaft Odenwald eG durch den Genossenschaftsverband e.V. Genossenschaften für die Gründung von Schülerfirmen stärker zu verankern. Dabei geht es nicht um das Erlernen von Gewinnmaximierung, sondern um den Nutzen für die Gemeinschaft.“ Untersuchungen hätten gezeigt, so Bockelmann, dass viele Schüler und auch Lehrer heutzutage mehr über Aktiengesellschaften wüssten als über Genossenschaften. Wie im realen Wirtschaftsleben unterzog der GVN damals alle Projekteilnehmer einer Gründungsprüfung, bevor sie im Genossenschaftsregister eingetragen werden durften. Allein die Projektideen waren Ausdruck von kreativer Vielfalt. Die Palette reichte von Beauty-Anwendungen, einem Schülercafé, Hausaufgabenbetreuung, einer Imkerei, die eigenen Honig vermarktet, über einen Veranstaltungsservice und die EDVBetreuung bis hin zur Werbeartikelherstellung und der Planung von Energiesparmaßnahmen. Zwölf Schulen nahmen teil. Die weitgehend in Eigenregie betriebenen Projekte trugen Schülerinnen und Schüler aus allen Schulformen. Sie kamen aus Förderschulen, Haupt- und Realschulen, Gesamtschulen, Gymnasien und berufsbildenden Schulen. Gefördert wurden die Schülergenossenschaften auch durch die Stiftung Niedersächsischer Volksbanken und Raiffeisenbanken und die Niedersächsische Lottostiftung. Zur Halbzeitbilanz im Herbst 2007 präsentierten 532 Vertreter von elf Schülergenossen- Lehrer aus dem Projekt Schülergenossenschaften. netzwerk 12/09 77 NEUGRÜNDUNGEN Pressekonferenz mit Prof. Klaus Töpfer (Ex-Bundesumweltminister und früherer UN-Untergeneralsekretär). schaften in der Hannoveraner GVN-Zentrale ihre erfolgreichen Firmenideen. Man habe wachsende Umsätze zu verzeichnen, die Kunden würden immer bedeutender und das Echo in den Medien sei sehr gut, so das erste Fazit. Niedersachsens Kultusminister Bernd Busemann zeigte sich beeindruckt von der Leistung und fand die genossenschaft liche Organisationsform überzeugend: „Das Engagement des Einzelnen wird ebenso gefördert wie demokratisches Denken und Handeln. Durch diese Erfahrungen werden junge Menschen hervorragend auf zukünftige Aufgaben und Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft vorbereitet.“ Mit Blick auf die vorgetragenen Erfahrungen ergänzte Verbandsdirektor Bockelmann, ein wesentlicher Effekt sei offenkundig „die Förderung von eigenen Schlüsselkompetenzen, wie Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit. Das zahlt sich spätestens dann aus, wenn es um die Suche nach dem eigenen Ausbildungsplatz geht. Denn welcher Personalchef freut sich nicht über Bewerbungen von jungen Menschen, die bereits im Vorstand oder Aufsichtsrat einer Schülergenossenschaft Verantwortung übernommen und getragen haben?“ Der GVN qualifizierte parallel erstmals betreuende Lehrkräfte in der GenoAkademie Isernhagen zu zertifi zierten Beratern des Verbandes weiter. Die Verantwortlichen im Bildungsbereich machten die Erfahrung, dass das praktische Lernen in einer genossenschaft lichen Schülerfi rma ein wichtiger Bestandteil der eigenen Vorbereitung auf die Zukunft sein kann. 78 Das Pilotprojekt war kaum zu Ende, als sich seine Vorbildfunktion bestätigte. Das Niedersächsische Kultusministerium gab im Sommer 2008 bekannt, es plane bis 2012, in ganz Niedersachsen 50 Schülergenossenschaften zu gründen. Inzwischen ist das Projekt gestartet, rund 35 Neugründungen sind bis Ende 2009 vollzogen. Projektpartner sind neben dem Genossenschaft sverband auch der Schwesterverband in Niedersachsen, der Genossenschaft sverband Weser-Ems e.V. und das Kultusministerium. Die wissenschaft liche Evaluierung übernimmt die FH Frankfurt am Main. Die von Lehrern gestartete Initiative bindet Schüler mit in die Unternehmensführung, die kaufmännische Planung, die Buchführung, das Controlling, die Beschaff ung und den Absatz ein. Systematische Förderung des Zukunftsmodells „Genossenschaft“ Im November 2007 ist die mit Unterstützung des GVF gegründete Schulgenossenschaft Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Schule Wetzlar eG feierlich eingeweiht worden. Sie bereichert heute die lokale Schullandschaft mit dem Angebot eines qualitativ hochwerti- netzwerk 12/09 NEUGRÜNDUNGEN gen und ortsnahen Grundschulunterrichts inklusive Vorschule und Förderstufe (Klassen 5 und 6) in kleinen, individuellen Lerngruppen – und das alles zu finanziell erschwinglichen Preisen. Charakterbildung der Kinder gehört hier zu den Hauptzielen. Die Genossenschaftsform schafft eine vertrauensvolle Grundlage für eine aktive Beteiligung der Eltern an der Schule, die mit den Genossenschaftsanteilen alle Rechte als Mitglieder erwerben und sich auch im Rahmen einer satzungsgemäß vorgesehenen Eltern-LehrerKonferenz, eines Elternbeirats und eines Vertrauenskreises einbringen können. Genossenschaft liche Schulen gibt es seit über 60 Jahren auch im GVN-Verbandsgebiet in Scheeßel und Düsternbrook/Kiel. Das Gründungs- und Kompetenzzentrum des GVF fördert genossenschaft liche Neugründungen in zukunft sfähigen Geschäftsfeldern inzwischen auch systematisch durch das GenoPortal. Das Portal identifi ziert Märkte mit Wachstumspotenzial für neue, innovative Produkte und Dienstleistungen und bietet hierfür einen struktu- rierten, kostengünstigen und nachhaltig qualitätsgesicherten Gründungsprozess an. Neu ist etwa, dass die Leistungspotenziale im genossenschaft lichen Verbund vernetzt werden. 2008 begleitete GenoPortal die Gründung von 17 neuen Verbandsmit- gliedern in den Bereichen Gesundheit und Wellness, Energieversorgung, Wissenschaft , Dienstleistung, Public-Citizen-Partnership, Beratung, Handel und Banken. Ende Januar 2009 befanden sich rund 50 Gründungsprojekte in Bearbeitung. Genossenschaftliche Neugründung: NaturErlebnisBad Luthe eG. netzwerk 12/09 79 AU S B L I C K Nossen Erfurt 6 Balance und Statik neu justieren Perspektiven der gemeinsamen Verbandsarbeit. Die Zukunft im Blick Wie sieht die genossenschaft liche Verbändelandschaft 2017 aus? Als sich führende Mit arbeiter des Genossenschaft sverbandes Norddeutschland 2007 zu einer Strategieklausur trafen, war diese Frage Ausgangspunkt der Überlegungen und 80 Diskussionen. Alle waren sich einig, dass der Status quo nur von kurzer Dauer und zehn Jahre später weitere Verschmelzungen von Regionalverbänden erfolgt sein würden. Das lehrte bereits der Blick auf die eigene Geschichte. „Wir wollten selber gestalten“, erläuterte Vorstand Michael Bockelmann die abschließende Entscheid- ung, aktiv in Fusionsverhandlungen zu treten. Im Genossenschaft sverband Frankfurt fanden die Hannoveraner bald einen interessierten und idealen Partner. Letztere hatten bereits seit Jahren für eine Konzentration und Mobilisierung der Kräfte der netzwerk 12/09 AU S B L I C K Regionalverbände geworben. Die verbandspolitische Ausrichtung hin auf ein starkes operatives Geschäft war sehr ähnlich, das Ergänzungspotenzial hoch. Beide waren wirtschaft lich sehr erfolgreiche Unternehmen. Die Verhandlungen zwischen den Verantwortlichen im Frühjahr 2008 fanden sehr zügig ein beide Seiten überzeugendes Ergebnis. Die jeweiligen Verbandstage im Herbst stimmten der Fusion mit überwältigender Mehrheit zu: im GVF einstimmig, im GVN mit 97 Prozent. Geschäftssparten zu den Großen zu gehören. Gemessen am Umsatz und an der Zahl der Wirtschaftsprüfer ist der Verband bereits die Nummer sechs unter den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, er rangiert unter den ersten 20 Beratungsgesellschaften und ist einer der größten Anbieter von Qualifi zier- ungsleistungen in Deutschland. Fast 150 Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte sowie weitere Fachkräfte tragen zur großen Leistungsbreite und zum hohen Qualitätsstandard bei und er ist größter genossenschaft licher Bildungsanbieter bundesweit. Der neue gemeinsame Genossenschaftsverband e.V. organisierte sich mit Absicht so, dass er für weitere Konzentrationsbemühungen im genossenschaft lichen Verbandswesen offen ist. Seine aktuelle Führungsmannschaft beabsichtigt, den Regionalverband künft ig noch stärker als bisher zur verbindenden Klammer im genossenschaftlichen Verbund zu machen. Voraussetzung dafür ist, dass er selbst ein potenter Wettbewerber bleibt. Erklärtes Ziel ist es, nationale Podiumsplätze zu besetzen, also auf Bundesebene innerhalb einzelner Verwaltungssitze des Genossenschaftsverbandes e.V. in Hannover (oben) und Neu-Isenburg (unten). netzwerk 12/09 81 AU S B L I C K Vielfältiger Mehrwert für die Mitglieder Es müsse spürbarer Nutzen für die Mitglieder herauskommen, betonten die Protagonisten der Verbändefusion unisono während des Verschmelzungsprozesses. „Wir werden in den nächsten Jahren Kosteneinsparungen insbesondere über sinkende Verbandsbeiträge an unsere Genossenschaften weitergeben“, versprach Präsident Weinkauf im Herbst 2008. Durch die Fusion werde binnen fünf Jahren eine Kostenentlastung von mindestens zwölf Mio. Euro für die Mitglieder erwartet. Ferner sollen die Genossenschaften von einem systematischen Ausbau der direkten Betreuung und operativen Nähe sowie dem Zugriff auf Spezialisten und Kompetenzcenter in einem interdisziplinären Leistungsnetzwerk profitieren. Durch eine basisdemokratische Grundstruktur werde den Mitgliedern eine unmittelbare Einwirkung auf den Verband und über diesen auf Verbundentwicklungen ermöglicht. Der Genossenschaftsverband werde überall im Geschäft sgebiet Regionalverband bleiben. Das sei eine Frage der Organisation, die nun auf die neue Realität als größere Einheit abgestimmt werde. Landwirtschaft bis hin zu unseren gewerblichen Genossenschaften. Gerade in der jetzigen Situation allgemeiner Verunsicherung können Genossenschaften mit ihren Exzellenzfaktoren Mitgliederorientierung, Regionalität und Identifi kation punkten“, beschrieb Bockelmann das Selbstverständnis des Genossenschaftsverbandes. Als größerer Verband könne er auch unternehmerische Experimente wagen, die einem kleineren verwehrt bleiben. Dieser Spielraum sei unentbehrlich, um die eigene Leistungsfähigkeit und damit die bestmögliche Förderungsfähigkeit der Mitglieder zu erhalten. Denn „die Mitgliederförderung ist das Alleinstellungsmerkmal der genossenschaft lichen Organisation. Diese Struktur wollen und können wir nur gemeinsam zukunftsfähig gestalten“, fügte Weinkauf hinzu. Neupositionierung im Verbund Inzwischen ist der Verband mit der Realisierung seiner Versprechen beschäft igt. In Hannover wird ein zentrales Strategiezentrum für den Bereich Prüfung/Betreuung Ware errichtet und der Standort Frankfurt zum Strategiezentrum für den Bereich Prüfung/Betreuung der Genossenschaft sbanken ausgebaut. In Bremen hat der Verband 2008 eine neue Geschäft sstelle eröff net, um den 84 Genossenschaften im Raum einen kompetenten, entscheidungsbefugten und ortsnahen Ansprechpartner zu bieten. Im Umkreis von etwa 100 Kilometern zu den Mitgliedern sollen flächendeckend Geschäft sstellen platziert sein. Zudem wird das Key-Account-System flächendeckend umgesetzt und das Fachräte-Konzept in die neue Organisationsform eingebaut. Der Genossenschaft sverband will die bewährte selbstverantwortliche Prüfung als ein Markenzeichen des gesamten genossenschaft lichen Verbundes weiter stärken. Verbandspräsident Walter Weinkauf sieht ohnehin eine Notwendigkeit, den Verbund als genossenschaft liche Einheit effi zienter zu machen. Er bemängelt, dass von den Verbundunternehmen zu viele Auft räge an Prüfungs- und Beratungsgesellschaften, die mit der genossenschaft lichen Gruppe im Wettbewerb stehen, vergeben würden. Hier könne die Organisation Millionenbeträge sparen: „In der aktuellen Finanzkrise und deren Bewältigung kommt es entscheidend darauf an, dass die Verbände jetzt ihr Gewicht einbringen. Gelingt das nicht, werden sie an Bedeutung verlieren. Ich verlange, dass künft ig Ordnungsmäßigkeitsprüfungen bei Verbundunternehmen durch den Prüfungsverband vorgenommen werden und nicht nur externe Prüfungen stattfi nden. Gelingt es uns nicht, die Mitglieder der Verbundunternehmen dafür zu mobilisieren, dann haben die Verbände eine schmale Zukunft .“ „Wir sehen uns als ganzheitlichen Unternehmenspartner, der unseren Mitgliedern, Kunden und Mandanten Stabilität in der und für die Veränderung gibt. Das gilt gleichermaßen für alle Bereiche, von Kredit und Während die Unternehmen des FinanzVerbundes wie die DZ Bank und die Union Investment als Zulieferer einzelne Leistungsfelder abdecken, ist der Genossenschaft sverband mit seinen Kernleistungen 82 Prüfen, Beraten, Informieren und Qualifizieren ganzheitlicher Unternehmenspartner. Seine vorrangige Rolle ist, Primärgenossenschaften zukunft sfähig zu machen oder zu halten. Die grundsätzliche Aufgabenteilung wird allseits bekräft igt. Aber Weinkauf sieht in anderer Hinsicht Verbesserungsbedarf: „Transparente Preise oder Provisionen, die der Benchmark des Wettbewerbs entsprechen, reichen nicht aus. Die Verbundunternehmen müssen auch einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der dezentralen Struktur leisten. Ein richtig aufgestellter Verbund muss fi nanziell mehr bieten können als Dritte.“ Die künft ige Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden BVR, DRV und ZGV sieht der Genossenschaftsverband unberührt. Sie betreiben spartenspezifi sche Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel, was nicht zum Aufgabenspektrum eines Regionalverbandes gehöre. „Wir konzentrieren uns auf die Individualität des einzelnen Mitglieds, während die Spitzenverbände sich um Gruppenstrategien kümmern. Bei den Spitzenverbänden geht es um die Stabilität der Gruppe. Bei uns geht es um die Stabilität der einzelnen Genossenschaften in unserem Verbandsgebiet“, gab der Vorstand des Genossenschaft sverbandes zu Protokoll. netzwerk 12/09 L I T E R AT U R Literaturhinweise 125 Jahre DZ Bank. 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PR-Anzeige Die Basis für den Wettbewerbsvorteil „Unternehmenskultur“ Geschichte schafft Profil Unsere Kernleistungen für Ihre Genossenschaft: $ Erforschung ihrer Historie und Tradition, Archivaufbau, Dokumentation in Jubiläumsschriften, Ausstellungen, Informationen für die Öffentlichkeit/PR $ Wissenschaftlich fundierte Themenbehandlung und professionelles Projektmanagement für dauerhaft brauchbare, qualitativ werthaltige Lösungen Mehr im Internet www.historyoffi ce.de oder Kontakt per Mail team@historyoffice.de Angaben zum Autor Dr. Josef Schmid lebt und arbeitet als freiberuflicher Historiker in Hamburg. Er ist Mitbegründer und aktives Mitglied von Geschichtswerk eG. Die Genossenschaft bietet umfassende Dienstleistungen für History Marketing, Unternehmensgeschichte, Ausstellungen und Archivaufbau an. Schmid ist als Autor, Lektor, Berater, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent in der Erwachsenenbildung bisher u. a. für die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, den NDR, das Evangelische Studienwerk e.V., Haus Villigst, die Körber-Stiftung/Hamburg und das Magazin GEO Epoche tätig geworden. netzwerk 12/09 85 G E N O SS E N S C H A F T E N A L S W I R T S C H A F T S FA K T O R Genossenschaften als Wirtschaftsfaktor Stand 31. 12. 2008 Mitgliederbestand Genossenschaften Kreditgenossenschaften 340 Gewerbliche Waren- und Dienstleienstleistungsgenossenschaften 518 169,1 Mrd. Euro Umsatz Verbundgeschäft 94,2 Mrd. Euro Mitglieder 170.000 Mitglieder 17.000 Mitarbeiter 18.000 Mitarbeiter 11.000 Mitglieder Mitarbeiter 5.536 Umsatz 466 Bilanzsumme Bankstellen 10,0 Mrd. Euro Agrargenossenschaften 1,4 Mrd. Euro 3.869.821 49.744 Landwirtschaftliche sWaren - und Dienstleistungsgenossenschaften Umsatz 515 9,8 Mrd. Euro Mitglieder 156.692 Mitarbeiter 11.759 haften davon Molkereigenossenschaften 67 Umsatz Mitglieder 17.551 Mitarbeiter 4.885 nachrichtlich: 3 Warenzentralen mit Umsätzen von 86 5,1 Mrd. Euro 8,5 Mrd. Euro netzwerk 12/09 AKTUELLES Organe & Gremien Stand der Angaben: Dezember 2009 Vorstandsmitglieder Genossenschaftsverband e.V. Dipl.-Betriebsw. (FH) Walter Weinkauf (Verbandspräsident und Vorstandsvorsitzender) WP/StB Dipl.-Kfm. Michael Bockelmann (stv. Vorstandsvorsitzender) RA Dipl.-Volksw. Martin Bonow WP/StB Dipl.-Betriebsw. (FH) Horst Kessel WP/StB Dipl.-Betriebsw. Horst Mathes WP/StB Dipl.-Betriebsw. (FH) Edgar Schneider Verbandsrat Genossenschaftsverband e.V. Vorsitzender Hildner Rolf Wiesbadener Volksbank eG Stellvertretender Vorsitzender Siegers Michael Volksbank Hildesheim eG Ordentliches Mitglied Persönlicher Stellvertreter Name Vorname Genossenschaft Name Vorname Genossenschaft 1 Arnoldt Siegmar AGROLAND Agrar eG Thörey/Rehestädt Naumann Hans-Günter Terra eG, Sömmerda 2 Bade Peter Volksbank Lüneburger Heide eG, Lüneburg Hasselmann Cord Volksbank Nordheide eG, Buchholz 3 Baden FriedrichWilhelm Volksbank Börde-Bernburg eG, Bernburg Lips Oliver Volksbank eG, Köthen 4 Baehr Rüdiger Raiffeisen-Warengenossenschaft Stendal eG Claes Michael Raiffeisen Warengenossenschaft Köthen-Bernburg eG, Köthen 5 Bauer Claus-Rüdiger Raiffeisenbank eG, Baunatal Hegner Hans Raiffeisenbank eG, Calden 6 Bernhardt Dieter “TIFA” TIEFKÜHLKOST-ALLIANZ eG, Wiesbaden Wahl Anton ZENTRAG Zentralgenossenschaft des deutschen Fleischergewerbes eG, Frankfurt am Main 7 Biehal, Dr. Manfred Deutscher Genossenschafts-Verlag eG, Wiesbaden Haensel Frank ARDEK Arbeitsgemeinschaft der Kinderausstatter eG, Hofheim 8 Born Hans-Peter Groß-Gerauer Volksbank eG Köhler Jürgen Volksbank Mainspitze eG, GinsheimGustavsburg 9 Brinkmann Jürgen Volksbank eG Braunschweig Wolfsburg, Wolfsburg Isensee Hermann Volksbank Wolfenbüttel-Salzgitter eG, Wolfenbüttel 10 Diegruber Rudolf Erzeugergemeinschaft für Qualitätstiere Syke-Bassum eG Schlichting Detlef Vermarktungsgemeinschaft für Zuchtund Nutzvieh ZNVG eG, Neumünster 11 Eckert Rainer Volksbank Odenwald eG Weber Richard Josef Volksbank Weschnitztal eG 12 Ehlers Carl-Christian Kieler Volksbank eG Bräuer Hartmut Volksbank Raiffeisenbank eG, Itzehoe 13 Epp Oskar Dieter Volksbank Saaletal eG N.N. 14 Feld Engelbert Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgesellschaft mbH, Saarlouis Schneider Reinhard Genossenschaft für Bauen & Wohnen eG, Bad Vilbel 15 Florian Jörg Dachdecker-Einkauf Nordwest eG, Weyhe Schmidt Dietmar Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Taxibesitzer eingetragene Genossenschaft netzwerk 12/09 87 ORGANE & GREMIEN Ordentliches Mitglied Persönlicher Stellvertreter Name Vorname Genossenschaft Name 16 Flügel Hildegard PENTAGAST Marketing- und Dienstleistungsgesellschaft der Gastronomieund Großküchen-Ausstatter eG N.N. 17 Fromme Ludolf Volksbank Eichsfeld-Northeim eG, Duderstadt 18 Funk Karl-Walter 19 Gerlach 20 Vorname Genossenschaft Schlüter Helmut Volksbank Einbeck eingetragene Genossenschaft Landwirtschaftlicher Erzeugerring e.G. Brenz Rechlin Arno Agrar-Genossenschaft Luisenhof e.G., Hohenzieritz Wilhelm Volksbank Alzey eG Abel Uwe Mainzer Volksbank eG Gorczynski Adolf Maler-Einkauf Süd-West eG, Wiesbaden Ziegler Klaus Dachdecker-Einkauf Rhein-Main eG 21 Grallath Jürgen C. Deutsches Weintor eG, Ilbesheim Guthier Otto Bergsträßer Winzer eG 22 Gutzmer Brigitte Agrargenossenschaft Neuzelle eG Schulze Fred Agrargenossenschaft Hoher Fläming eG Rädigke 23 Hanker Dr. Peter Volksbank Mittelhessen eG Failing Erwin Volksbank Heuchelheim eG 24 Hatje, Dr. Holger Berliner Volksbank eG Gerdsmeier Stefan Berliner Volksbank eG 25 Hellwege Georg Raiffeisenbank Ostprignitz-Ruppin eG, Neuruppin Wallis Frank Robby Brandenburger Bank VolksbankRaiffeisenbank e.G., Brandenburg an der Havel 26 Hepp Kurt Raiffeisenbank Schifferstadt eG Müller Rudolf Volksbank Kur- und Rheinpfalz eG, Speyer 27 Hildner Rolf Wiesbadener Volksbank eG Brogsitter Bruno M. Wiesbadener Volksbank eG 28 Hilgers Hans-Josef Raiffeisen Waren-Zentrale RheinMain eG, Köln Sümmermann, Dr. Karl-Heinrich 29 Hof Andreas VR Bank Main-Kinzig eG N.N. 30 Holland Frank Agrargenossenschaft “Osterland” eG Köckritz Martin Wolfgang Agrargenossenschaft Großengottern eG 31 Hügel Arno VR-Bank Südwestpfalz eG, Zweibrücken Gerber Klaus Volksbank Lauterecken eG 32 Kaiser Bernhard Volksbank RheinAhrEifel eG, Bad Neuenahr-Ahrweiler Arndt Günther Volksbank Daaden eG 33 Kiel Jörg Andreas Landwirtschaftlicher Ein- und Verkauf Ostholstein eG, Oldenburg in Holstein Kruse Carsten Landwirtschaftlicher Ein- und Verkauf Ostholstein e.G., Oldenburg in Holstein 34 Kirsch Wolfgang DZ BANK AG, Frankfurt am Main Köhler Wolfgang DZ BANK AG, Frankfurt am Main 35 Kommer Alfred Raiffeisenbank eG, Malchin Gutzmann Uwe Volks- und Raiffeisenbank eG, Wismar 36 König Volker MEGA Malereinkaufsgenossenschaft eG, Schmidt Hamburg Wolfgang H G K Hotel- und Gastronomie-Kauf eG, Hannover 37 Kremer Josef Raiffeisenbank Biebergrund-Petersberg eG Balk Thomas VR-Bank Bad Hersfeld-Rotenburg eG 38 Krieg Wilfried Agrargenossenschaft eG, Welsickendorf Heyde Dieter Agrargenossenschaft Werenzhain eG, Doberlug-Kirchhain 39 Langer Georg Volksbank eG, Osterholz-Scharmbeck Bruns Werner Zevener Volksbank eG, Zeven 40 Lattwesen Otto NORDMILCH AG, Bremen Garbade Reinhard NORDMILCH AG, Bremen 41 Lenschow Wilfried Agrargenossenschaft Bartelshagen I e.G., Marlow Vetter Wolf-Dietmar Wariner Pflanzenbau eG, Trams 42 Löhl Heiner Bank 1 Saar eG, Saarbrücken Velhagen Gerd Bank 1 Saar eG, Saarbrücken 43 Mäder Heiko Dachdecker-Einkauf Soltau eG Krauß Dieter FRUCHTHOF BERLIN Verwaltungsgenossenschaft eG 44 Meyerholz Joost Heidesand Raiffeisen-Warengenossenschaft e.G., Scheeßel Schoth Joachim Raiffeisen Centralheide eG, Soltau 45 Müller Thomas Dresdner Volksbank Raiffeisenbank eG Schuster Wolfgang Volksbank Delitzsch eG 46 Niebuhr Egon VR Bank Pinneberg eG Brüggestrat, Dr. Reiner Hamburger Volksbank eG 47 Pfeil Armin Raiffeisen Waren GmbH & Co. Betriebs KG, Alsfeld-Kirchhain Lorey Bernd Raiffeisen Bezugs- und Handelsgenossenschaft Lichte eG 88 Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main eG, Köln netzwerk 12/09 ORGANE & GREMIEN Ordentliches Mitglied Persönlicher Stellvertreter Name Vorname Genossenschaft Name Vorname Genossenschaft 48 Pistorius Henning Saatzucht Flettmar-Wittingen eG Raiffeisen-Warengenossenschaft, Müden Hellberg Hans-Dieter Vereinigte Saatzuchten Ebstorf – Rosche eG, Ebstorf 49 Remus Manfred Hansa-Milch AG, Upahl Beecken Eckhart Meierei Barmstedt eG 50 Reuter Hans-Werner Dithmarscher Volks- und Raiffeisenbank eG, Heide Greten Friedrich Volksbank-Raiffeisenbank im Kreis Rendsburg eG, Rendsburg 51 Saage Horst Agrargenossenschaft Cobbelsdorf eG Hupe Gerhard Agrargenossenschaft eG Klein Schwechten 52 Schäfer Frank Volksbank Hunsrück-Nahe eG Weyand Horst Volksbank Rhein-Nahe-Hunsrück eG 53 Schlich Thomas Pfalzmarkt für Obst und Gemüse eG, Mutterstadt Ley Martin Vereinigte Großmärkte für Obst und Gemüse Rheinhessen eG, Ingelheim 54 Schoppe Arno Raiffeisen-Warengenossenschaft Grafschaft Hoya eG Lohse Axel Stader Saatzucht eG 55 Siegers Michael Volksbank Hildesheim eG Deneke-Jöhrens Henning Volksbank eG, Pattensen 56 Sievers Rainer Milch-Union Hocheifel eG, Pronsfeld Günther, Dr. Bernd Molkereigenossenschaft Bad Bibra eG 57 Stieglitz Reinhard Raiffeisen-Warenzentrale KurhessenThüringen GmbH, Kassel Beate Detlef Raiffeisen-Warenzentrale KurhessenThüringen GmbH, Kassel 58 Taaken Diedrich Volksbank Esens eG Franz Holger Ostfriesische Volksbank eG, Leer 59 Tonnellier Hans-Joachim Frankfurter Volksbank eG Mengler Michael Vereinigte Volksbank Maingau eG, Obertshausen 60 von Veltheim Nikolaus AGRAVIS Raiffeisen AG, Hannover Große Frie, Dr. Clemens AGRAVIS Raiffeisen AG, Hannover 61 Witt Claus-Peter Uelzena eG, Uelzen Winter Stefan Molkereigenossenschaft Osterburg eG 62 Zintl Leonhard Volksbank Mittweida eG Otto Karl Volksbank Bautzen eG Verwaltungsrat Name Fachvereinigung Genossenschaft Arnold, Siegmar Agrargenossenschaften AGROLAND Agrar eG, Ichtershausen Baden, Friedrich-Wilhelm Kreditgenossenschaften Volksbank Börde-Bernburg eG Bauer, Claus-Rüdiger Kreditgenossenschaften Raiffeisenbank eG, Baunatal Bernhardt, Dieter Gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgen., Immobilienwirtschaft TIFA Tiefkühlkost-Allianz eG, Wiesbaden Hildner, Rolf (Vors.) Kreditgenossenschaften Wiesbadener Volksbank eG, Kaiser, Bernhard Kreditgenossenschaften Volksbank RheinAhrEifel eG, Bad Neuenahr-Ahrweiler König, Volker Gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgen., Immobilienwirtschaft MEGA Malereinkaufsgenossenschaft eG, Hamburg Niebuhr, Egon Kreditgenossenschaften VR Bank Pinneberg eG Pistorius, Henning Landw. Waren- und Dienstleistungsgen. Saatzucht Flettmar-Wittingen eG Saage, Horst Agrargenossenschaften Agrargenossenschaft Cobbelsdorf eG Siegers, Michael (stv. Vors.) Kreditgenossenschaften Volksbank Hildesheim eG Sievers, Rainer Landw. Waren- und Dienstleistungsgen. Milch-Union-Hocheifel eG, Pronsfeld Witt, Claus-Peter Landw. Waren- und Dienstleistungsgen. Uelzena eG, Uelzen Zintl, Leonhard Kreditgenossenschaften Volksbank Mittweida eG netzwerk 12/09 89 I M P R E SS U M IMPRESSUM Magazin für Kooperation & Management Genossenschaftsverband e.V. Jahrgang 1 ISSN 1867-9935 12/2009, Sonderheft Schriftenreihe des Genossenschaftsverbandes e.V. Heft 1 (Diese Schriftenreihe findet ihre Fortsetzung aus der bisherigen Schriftenreihe des Genossenschaftsverbandes Norddeutschland e.V., Hannover, von 1962–2008 mit insgesamt 66 Heften) Für die Bereitstellung von Abbildungen danken wir: Archiv Genossenschaftsverband e.V./Frankfurt am Main, Stiftung Genossenschaftliches Archiv/Hanstedt, Stiftung GIZ – Genossenschaftshistorisches Informationszentrum/Berlin, VR Bank Ostholstein Nord – Plön eG/Neustadt in Ostholstein, Gerhard Ewerbeck/ Lemgo, Kurt Littig/Kaiserslautern, Horst Schübeler/Boel Schuby Beilagen: Raiffeisen Magazin 6/2009 VR LEASING 90 Verlag und Herausgeber: Genossenschaftsverband e.V. Wilhelm-Haas-Platz 63263 Neu-Isenburg Tel.: 069 6978-0 Fax: 069 6978-111 www.genossenschaftsverband.de Verantwortlich: Verbandspräsident Walter Weinkauf Redaktion: Genossenschaftsverband e.V. Joachim Prahst (V.i.S.d.P.) Hannoversche Straße 149 30627 Hannover Tel.: 0511 9574-540 Fax: 0511 9574-515 [email protected] Dr. Josef Schmid Geschichtswerk eG Conventstraße 14 22089 Hamburg Tel.: 040 25307258 Fax: 040 25413981 schmid@historyoffice.de Redaktionssekretariat/Abo-Service: Monika Schapski Tel.: 0511 95 74-541 Fax: 0511 95 74-515 [email protected] Media-Marketing: Andreas Petersen Wilhelm-Haas-Platz 63263 Neu-Isenburg Tel.: 069 6978-258 Fax: 069 6978-427 [email protected] Gestaltung und Druck: Raiffeisendruckerei GmbH, Neuwied www.raiffeisendruckerei.de Anzeigenpreise, Bekanntmachungen der Genossenschaften und Bilanzveröffentlichungen lt. Preisliste Nr. 1 zum 01.01.09 mit neuen Mediadaten. Druck umweltschonend auf chlorfrei gebleichtem Papier. netzwerk 12/09 Meine erste Adresse Ihr Partner für innovative Lösungen und Services Deutscher Genossenschafts-Verlag eG • Leipziger Straße 35 • 65191 Wiesbaden Markt-Service-Center Nord Telefon: (06 11) 50 66-50 64 E-Mail: [email protected] Markt-Service-Center Süd Telefon: (06 11) 50 66-50 60 E-Mail: [email protected] Markt-Service-Center Mitte Telefon: (06 11) 50 66-50 66 E-Mail: [email protected] GenoBuy-Hotline Telefon: (06 11) 50 66-18 39 E-Mail: [email protected] www.dgverlag.de www.genobuy.de Partner im genossenschaftlichen Verbund Mehr vom Ballett-Tänzer: www.ruv-zukunftsvorsorge.de Vertrauen Sie nicht nur auf Ihr Talent. Vertrauen Sie auf die sichere Zukunftsvorsorge der R+V. Garantierte Auszahlung. Garantiert sicher. Eine Garantie bieten: R+V-RiesterRente, R+V-BasisRente, R+V-PrivatRente, R+V-PrivatRentePlus, R+V-GarantieRente-PflegePlus. 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